22 Spurenelemente
Petro E. Petrides
Literatur – 678
656 Kapitel 22 · Spurenelemente
Viele Elemente kommen in Geweben in so geringen Konzentrationen vor (1×10–6 bis 10–12 g/g Feuchtgewicht des Organs), dass
es mit den früher verfügbaren analytischen Methoden unmöglich war, ihre Konzentration zu bestimmen. Man sagte deshalb,
22 dass sie in Spuren vorkommen und bezeichnete sie demzufolge als Spurenelemente.
Die systematische Einteilung der Spurenelemente ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da ihre einzige Gemein-
samkeit darin besteht, dass sie in Zellen von Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren in geringen Konzentrationen vorkommen.
Die Höhe der Konzentration unterscheidet sich ganz erheblich von Element zu Element, von Spezies zu Spezies und von Organ
zu Organ. So benötigen Säugetiere beispielsweise sehr viel mehr Zink und Kupfer als Jod und Selen, und in tierischen Zellen
sind die Konzentrationen von Zink und Eisen sehr viel höher als die von Mangan und Kobalt. Einige offenbar nicht lebensnot-
wendige Spurenelemente kommen in Blut und Geweben des Organismus in Konzentrationen vor, die höher sind als die der
essentiellen Spurenelemente.
22.1 Allgemeine Grundlagen . Tabelle 22.1. Die Spurenelemente (in Klammern die Atomge-
wichte zur Umrechnung in molare Einheiten)
22.1.1 Einteilung der Spurenelemente Gesamtbestand Plasmaspiegel
des 70 kg schweren [mmol/l]
! Spurenelemente werden nach ihrer Lebensnotwendig- Erwachsenen [g]
durch starke Luftfilter entfernt. Die Tiere erhalten eine Strontium (88)
Nahrung, die aus chemisch reinen Aminosäuren (statt Pro- Silicium (28)
teinen, die oft Spurenelemente in fester Bindung enthalten) Aluminium (27)
und anderen Stoffen besteht und der ein bestimmtes Spu-
renelement fehlt. Ist dieses Element lebensnotwendig, so
treten Wachstums- und andere Störungen auf, die sich Spurenelemente, um einen Mangelzustand völlig zu verhin-
durch eine normale Nahrung wieder beheben lassen. dern. Welche biochemischen Veränderungen bei einem
. Abb. 22.1 (unterer Teil) zeigt eine Ratte, die 20 Tage in Spurenelementmangel zu den Wachstumsstörungen füh-
einem Isolator eine fluor-, zinn- und vanadiumfreie Nah- ren, ist bisher nur in wenigen Fällen bekannt. Ein Teil der
rung erhielt. Die Ratte im oberen Teil der Abbildung erhielt nichtessentiellen Spurenelemente wirkt schon in relativ
zwar dieselbe Nahrung, wurde jedoch in einem normalen niedrigen Konzentrationen toxisch (Blei und Quecksilber).
Käfig gehalten. Offensichtlich genügen die in Staub und Für die anderen Spurenelemente gilt, was Theophrastus
anderen Verunreinigungen enthaltenen Mengen dieser Paracelsus vor fast 500 Jahren formulierte:
22.1 · Allgemeine Grundlagen
657 22
. Abb. 22.1. Spurenelementmangel. Die Ratte im unteren Teil Metallaktivierte Enzyme. Die zweite Enzymgruppe, die
wurde 20 Tage in einem Spurenelementisolator gehalten, das gesun- Metallionen benötigt, wird von den metallaktivierten En-
de Tier im oberen Teil erhielt dieselbe Nahrung, wurde jedoch unter zymen gebildet. Bei ihnen ist das Metall nur locker an das
normalen Bedingungen gehalten. (Aufnahme von K. Schwarz, Long
Protein gebunden, auch hier ist es jedoch wichtig für die
Beach)
volle enzymatische Aktivität. Bei dieser Enzymgruppe kann
das Metall bei der chemischen Reindarstellung vom Protein
»Was ist das nit gifft ist? Alle ding sind gifft/und nichts abgetrennt werden, ohne dass das metallfreie Protein seine
ohn gifft/allein die dosis macht das ein ding kein gifft ist«, Aktivität vollständig verliert. Diese weniger enge Bindung
d.h. alle essentiellen Spurenelemente können toxisch lässt vermuten, dass die Beteiligung des Metallions für die
sein, wenn sie über einen bestimmten Zeitraum in hohen Aktivität des Enzymproteins von geringerer Bedeutung ist.
Konzentrationen verabreicht werden. Während einige Trotzdem weisen auch Enzymproteine dieses Typs eine
Spurenelemente für alle Lebewesen essentiell sind (wie hohe Spezifität für das betreffende Metallion auf. Zu den
z.B. Eisen), sind andere nur für bestimmte Gruppen von Metallen, die Enzyme aktivieren, gehören die Spurenele-
Lebewesen lebensnotwendig. So wird von den meisten mente Eisen, Kupfer, Zink, Mangan, Molybdän und Kobalt
Pflanzen kein Jod benötigt, Tiere hingegen benötigen sowie die Erdalkalimetalle Magnesium und Calcium und
kein Bor. die Alkalimetalle Natrium und Kalium.
! Metalle können in Proteinen strukturgebende Funktio-
22.1.2 Wirkungsweise nen ausüben.
der Spurenelemente Außer ihrer katalytischen Funktion sind Metalle für eine
Reihe von Proteinen zur Ausbildung der korrekten drei-
! Spurenelemente sind an katalytischen Vorgängen dimensionalen Struktur notwendig. Bekannte Beispiele
beteiligt. sind die als Transkriptionsfaktoren wirkenden Zinkfinger-
658 Kapitel 22 · Spurenelemente
proteine (7 Kap. 8.5.2), oder das Calmodulin, welches nach Jodmangelgebieten) oder die Eisenmangelanämie. Fluor
Bindung von Calcium als Untereinheit der Phosphorylase- beispielsweise wird therapeutisch zur Bekämpfung der Ka-
kinase (7 Kap. 25.4.5) wirkt. ries eingesetzt. Insbesondere in Gebieten, in denen Men-
schen an Protein- und Energiemangelernährung leiden,
22 ! Metalloproteine dienen dem Transport oder der Spei-
treten nicht selten Spurenelementmangelzustände auf.
cherung von Metallen.
Auch bei der Ernährung des kranken Menschen, z.B. auf
Spurenelemente können ihre Funktionen nur in Form der parenteralem Weg oder mit speziellen Diäten bei gene-
entsprechenden Ionen wahrnehmen. In freier Form sind tischen Stoffwechseldefekten, muss die ausreichende Ver-
diese jedoch häufig toxisch, da sie z.B. als Eisen- oder Kup- sorgung mit Spurenelementen gesichert sein. Außerdem
ferionen die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (7 Kap. reduziert nach einer Reihe epidemiologischer Studien der
15.3) fördern. Es gibt infolgedessen eine große Zahl von Zusatz von Spurenelementen wie Selen zur Nahrung oder
Proteinen, deren Funktion der Transport oder die Speiche- im Trinkwasser die Häufigkeit verschiedener Krankheiten
rung von Metallionen ist. Beispiele sind für den Eisenstoff- (z.B. Krebserkrankungen und kardiovaskuläre Schäden).
wechsel das Transferrin für den extrazellulären Transport
! Spurenelemente schädigen bei Kumulation den Orga-
oder das Ferritin für die intrazelluläre Speicherung. Für den
nismus.
intrazellulären Transport zwischen einzelnen Komparti-
menten dienen die sog. Metallochaperone, zu denen die Auf der anderen Seite wirken einige Spurenelemente bereits
verschiedenen Kupferchaperone, aber auch das für den mi- in geringen Mengen toxisch. Werden Eisen bzw. Kupfer auf-
tochondrialen Eisentransport benötigte Frataxin gehören. grund angeborener genetischer Veränderungen vermehrt
aufgenommen bzw. nicht ausreichend ausgeschieden,
kommt es zur Ablagerung dieser Spurenelemente mit kon-
22.1.3 Klinische Bedeutung sekutiver Schädigung der Zelle.
der Spurenelemente Da Spurenelemente als Abfall industrieller Produk-
tionsprozesse auftreten, besteht bei unzureichenden Vor-
! Der Mangel an Spurenelementen schädigt den Orga- sichtsmaßnahmen die Gefahr einer Umweltbelastung. So
nismus. starben Hunderte von Japanern an der Itai-Itai-Krankheit,
einer Vergiftung durch Cadmium, welches in den Abwäs-
Unzureichende Zufuhr von Spurenelementen verursacht sern einer Zinkraffinerie enthalten war, die zur Bewässe-
Mangelzustände, so z.B. die Jodmangelstruma (Kropf in rung von Reisfeldern verwendet wurden.
In Kürze
5 Obwohl Spurenelemente nur in extrem geringen 5 Erworbene Mangelzustände von Spurenelementen
Mengen im Organismus (etwa 4% des Gesamtkörper- (Eisen, Jod) – bedingt durch unzureichende Nah-
gewichtes) vorkommen, sind sie für die Aufrechter- rungszufuhr, reduzierte Bioverfügbarkeit oder ver-
haltung der Gesundheit von enormer Bedeutung mehrten Verlust – verursachen Krankheiten (Anämie,
5 Diese geringen Mengen – von einigen Gramm bis zu Struma)
weniger als 100 mg – deuten darauf hin, dass die Ele- 5 Die genetisch bedingte gesteigerte intestinale Resorp-
mente an Katalysen von Protein- und RNA-Enzymen tion (Eisen) oder mangelnde Ausscheidung (Kupfer)
beteiligt sind führt zur Akkumulation und damit zu schweren Zell-
5 10 Spurenelemente sind essentiell, bei weiteren 10 ist schäden
dies noch nicht endgültig gesichert
22.2 Die einzelnen Spurenelemente ser praktisch nicht löslich ist. Für Aufnahme und Stoff-
wechsel des Eisens haben sich deshalb in allen Organismen
22.2.1 Eisen komplexe Redox- und Transportsysteme entwickelt, durch
die Eisen immer in gebundener Form vorliegt. Bei einem
! Eisen ist an Redoxreaktionen beteiligt.
Eisenüberschuss entstehendes freies Eisen ist durch seine
Eisen ist das vierthäufigste aller Elemente und das häufigste Neigung zu Redoxreaktionen toxisch: Fe2+ reagiert in der
Übergangsmetall auf der Erdoberfläche und in lebenden Fenton-Reaktion (7 Kap. 15.3) mit H2O2 unter Bildung von
Organismen. Es nimmt an Redoxreaktionen durch Elektro- Fe3+ und hochreaktiven Hydroxylradikalen. Diese können
nenübergänge zwischen seiner oxidierten Fe3+ und redu- Membranlipide, Proteine oder Nucleinsäuren schädigen.
zierten Fe2+-Form teil. In der Natur tritt es vorzugsweise als Seit Beginn dieses Jahrtausends sind eine Reihe von Ge-
Fe3+ auf, welches allerdings bei neutralem pH-Wert in Was- nen und dazugehörigen Proteinen identifiziert worden, die
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
659 22
den Zugang zum Verständnis der molekularen Grundlagen sche mRNA-Sequenzen zu binden. Stattdessen gewinnt
des Eisenstoffwechsels erlauben. Da die Funktion einzelner das Protein Aconitase-Aktivität (7 Kap. 14.2)
Proteine und vor allem auch die Wechselwirkungen zwi-
! Hämoglobin enthält fast zwei Drittel des Körpereisen-
schen ihnen noch nicht bekannt sind, sind die Vorstellun-
bestandes.
gen von den molekularen Vorgängen des Eisenstoffwech-
sels noch stetigen Änderungen unterworfen. Das Gesamtkörpereisen beträgt beim gesunden Menschen
etwa 3000–5000 mg (54–90 mmol) bzw. 45 bis 60 mg
! In Proteinen wirkt Eisen als Sauerstoff- oder Elektronen-
(0,81–1,08 mmol)/kg Körpergewicht und ist – wie . Tabel-
transporteur.
le 22.2 zeigt – auf verschiedene Fraktionen (Funktions-,
Eisen kann entweder über ein Porphyringerüst (Häm(o)- Transport- und Depoteisen) verteilt. Etwa 65% sind im Hä-
proteine) oder als Nichthäm-Eisen, meist in Form von Ei- moglobin gebunden, 4,5% im Myoglobin und 2% in Enzy-
sen-Schwefelzentren (7 Kap. 15.1.2) an das Protein gebun- men, die mit molekularem Sauerstoff (Cytochrom a/a3,
den werden. Dioxygenasen, Hydroxylasen, NO-Synthase) oder H2O2
Während Metallionen normalerweise mit Anionen (Peroxidasen, Katalasen) arbeiten und in allen Geweben
reagieren können, weist Eisen wie auch Kupfer die Be- vorkommen. Rund 10% des Eisens liegen in einer Form vor,
sonderheit auf, dass es auch mit neutralen Molekülen wie bei der das Eisen nicht in einem Porphyringerüst, sondern
Sauerstoff reagiert. Eisen ist deshalb Bestandteil des Hämo- direkt an die Peptidkette gebunden ist. Dies ist z.B. in dem
globins, des für den Sauerstofftransport im Blut verantwort- Enzym Ribonucleotid-Reduktase (das Ribonucleotide in
lichen Proteins (7 Kap. 3.3.5, 29.2.2). Desoxyribonucleotide umwandelt, 7 Kap. 19.1.3) der Fall,
4 In den Hämproteinen wird die Funktion des Hämge- was die Bedeutung von Eisen für die Zellproliferation er-
rüsts durch die Struktur des Proteins determiniert, in klärt.
das es eingebaut ist: im Hämoglobin ist das Eisen- Im Blutplasma erfolgt der Eisentransport in – nicht re-
porphyrin auf einer Seite des Gerüsts an Histidin ge- aktiver – Bindung an das Protein Transferrin, in Geweben
bunden, auf der anderen Seite bindet es molekularen wird Eisen mit den Proteinen Ferritin und Hämosiderin
Sauerstoff. Im Cytochrom c bindet es an Cystein und gespeichert.
Methionin (7 Kap. 15.1.2) und wirkt als Elektronentrans-
! Die molekularen Grundlagen der Eisenresorption im
porteur. Im Cytochrom P450 bindet es zum einen Cy-
Dünndarm werden zunehmend besser bekannt.
stein, zum anderen Sauerstoff, der zur Hydroxylierung
der jeweiligen Substrate verwendet wird (7 Kap. 15.2.2) Die Eisenresorption stellt einen komplexen Mehrschritt-
4 Bei den Nichthämeisen-Proteinen werden z.B. mehre- prozess dar, an dem verschiedene Proteine beteiligt sind.
re über Sulfidbrücken zusammengehaltene Eisenatome Vom Darmlumen muss Eisen die apikalen und basolate-
mit Cysteinresten des Proteins verbunden (z.B. Eisen- ralen Membranen der Dünndarm-Mukosazelle passieren,
Schwefelzentren der Atmungskette 7 Kap. 15.1.2). Einen um in das Blut zu gelangen. Dabei ist die Aufnahme im
Sonderfall stellt das eisenregulatorische Protein dar. Duodenum am stärksten und nimmt Richtung Ileum kon-
Bei zellulärem Eisenmangel ist es ein mRNA-bindendes tinuierlich ab. Von dem mit der Nahrung zugeführten Eisen
Protein, das die Translation einer Reihe eisenabhän- werden etwa 10% resorbiert, der Prozentsatz steigt mit der
giger Proteine beeinflusst. Ist die Zelle dagegen ausrei- Höhe des Eisenbedarfs des Organismus bis auf 40% an. Der
chend mit Eisen versorgt, so nimmt das eisenregulato- Großteil des Eisens in der Nahrung liegt als dreiwertiges
rische Protein ein Eisen-Schwefelzentrum auf. Dies anorganisches Eisenion (z.B. in Gemüse oder Getreide)
geht mit dem Verlust seiner Fähigkeit einher, spezifi- oder als dreiwertige organische Eisenverbindung (Hämei-
. Tabelle 22.2. Absolute und relative Konzentrationen der Hämeisen- und der Nichthämeisen enthaltenden Eisenverbindungen bei
Männern und Frauen mit optimalem Gesamtkörper-Eisenpool
Männer (70 kg) Fe-haltige Fraktion Menstruierende Frauen (60 kg)
mg % des Pools mg % des Pools
2800 66,1 Hämoglobin-Fe 2180 62,3
200 4,7 Myoglobin-Fe 150 4,2
10 0,2 Cytochrome, Katalasen, Peroxidasen 5 0,2
420 10 Nichthäm-Eisen 360 10,3
10 0,2 Transport-Fe (Transferrin) 5 0,2
800 18,8 Depot-Fe (Ferritin, Hämosiderin) 800 22,8
4240 100 Gesamtkörper-Fe-Pool 3500 100
660 Kapitel 22 · Spurenelemente
Protein, gebunden. Die Proteinbindung ist deshalb notwen- Errechnung der prozentualen Eisen-Transferrin-Sätti-
dig, weil das dreiwertige Eisen im wässrigen Medium nur gung.
eine sehr begrenzte Löslichkeit besitzt und bei physiolo- Plasmaeisen (μg/dl) · 100
gischem pH-Wert zur Polymerisation neigt. Fe-Transferrin-Sättigung (%) = 00001
Transferrin (mg/dl) · 1,41
Das Eisentransportprotein Transferrin ist ein Glyco-
protein mit einer Molekülmasse von 79,5 kDa, das elek- Bei einem Normalbereich des Transferrins von 220 bis
trophoretisch mit dem ß1-Globulin wandert und von dem 370 mg/100 ml beträgt die normale Eisen-Transferrin-Sät-
bisher über 20 genetische Varianten bekannt sind. Außer- tigung des Erwachsenen etwa 20–40%. Eine Erhöhung der
dem kann es unterschiedlich glycosyliert sein; da Alko- Eisen-Transferrin-Sättigung bei Nüchtern-Blutabnahme
holabusus zu einer Hemmung der Glycosylierung führt, zeigt deshalb eine Überladung des Organismus mit Eisen,
kann die Bestimmung des sog. CD (Carbohydrate Defi- eine Erniedrigung einen Mangel an (7 unten).
cient)-Transferrins zur seiner Diagnose herangezogen
! Nach Aufnahme in die Zelle recyclisiert der Transferrin-
werden.
rezeptor in die Plasmamembran.
Jedes Transferrinmolekül bindet – unter der gleichzei-
tigen Aufnahme eines Hydrogencarbonatanions – zwei Rund 70–90% des an Transferrin gebundenen Eisens wer-
Atome dreiwertiges Eisen. Wahrscheinlich ist mit der Ei- den durch die Erythrozytenvorstufen im Knochenmark für
senbindung eine Konformationsänderung des Proteins ver- die Hämoglobinbiosynthese verbraucht, der Rest wird für
bunden, die dazu führt, dass eisenbeladenes Transferrin die Biosynthese von Enzymen und Coenzymen verwendet
leichter an die Membran der Zelle, an die Eisen abgegeben oder wandert in die Eisenspeicher ab. In den Zellen, die das
werden soll, gebunden werden kann. Für die Membranbin- Transferrin gebundene Eisen in großen Mengen aufneh-
dung ist offenbar auch der Kohlenhydratanteil des Mole- men (Erythroblasten, Leberzellen, Makrophagen (auch
küls von Bedeutung. Kupffer-Zellen der Leber), Syncytiotrophoblasten der Pla-
Die Transferrinkonzentration im Plasma beträgt 220– centa während der Schwangerschaft (7 unten) sowie proli-
370 mg/100 ml (26–42 μmol/l). Die Gesamtmenge von 7 ferierende Zellen verschiedener Gewebe wie z.B. den Tubu-
bis 15 g Transferrin ist beim erwachsenen Menschen etwa li seminiferi des Hodens), wird Transferrin an einen spezi-
zu gleichen Teilen auf Plasma und Interstitialraum verteilt. fischen Membranrezeptor, den Transferrin-Rezeptor 1,
Durch seine Funktion als Transporteur des Eisens im Blut TfR1, gebunden, der aus zwei identischen Untereinheiten
dient Transferrin auch als Puffer zum Schutz der Gewebe mit einer Molekülmasse von jeweils etwa 90 kDa besteht
vor der toxischen (d.h. oxidierenden) Wirkung freier Ei- (. Abb. 22.3). Der N-terminale Anteil (mit 61 Aminosäu-
senionen und verhindert außerdem den Verlust von Eisen ren) des Transferrinrezeptors ist in das Cytosol gerichtet, an
in den Urin. das hydrophobe transmembranäre Segment schließt sich
der extrazelluläre C-terminale Anteil mit 671 Aminosäuren
! Aus Eisen- und Transferrinkonzentration errechnet sich
an, in dem die beiden Proteinuntereinheiten über eine Di-
die Eisen-Transferrin-Sättigung.
sulfidbrücke covalent verbunden sind. An den Transferrin-
Wie der überwiegende Teil der Plasmaproteine wird rezeptor gebundenes Transferrin wird von der Zelle zusam-
Transferrin in der Leber gebildet und zirkuliert im Blut men mit dem Rezeptor durch Endozytose aufgenommen.
mit einer Halbwertszeit von 8 bis 10 Tagen. Der nor- Durch Ansäuerung des Endosomeninhalts löst sich die
male Gehalt des proteingebundenen Eisens im Plasma Bindung des Eisens an den Transferrin/TfR-1-Komplex, es
liegt wird zu Fe2 reduziert und durch den DMT1 ins Cytosol
4 bei Männern zwischen 60 und 160 μg/dl (10–29 μmol/l) transportiert. Der Transferrin/TfR-1-Komplex wird nicht
und lysosomal abgebaut, sondern durch Exozytose in die Plas-
4 bei Frauen zwischen 40 und 150 μg/dl (7–27 μmol/l) mamembran verlagert, wo eine Freisetzung von Transferrin
erfolgt.
Damit beträgt die Gesamteisenmenge im Blutplasma etwa In einzelnen Zellen (Hepatozyten, duodenale Krypten-
3–4 mg (54–72 μmol). zellen, Erythroblasten) kommt zusätzlich ein mit TfR1 ho-
Da die Plasmaeisenkonzentration tageszeitlichen mologer Rezeptor, der TfR2 vor: dieser hat eine geringere
Schwankungen unterworfen ist (morgens sind die Werte Affinität zu Transferrin (1/25), weist eine hohe Expression
am höchsten, abends am niedrigsten), soll die Blutabnahme in Hepatozyten auf und wird nicht durch Eisenüberladung
zur Eisenbestimmung immer morgens und nüchtern er- des Hepatozyten downreguliert. Da Mutationen des TfR2-
folgen. Gens zu einer Eisenüberladung führen, wird eine Funktion
Die Transferrinkonzentration wird mit immunchemi- des Rezeptors als Eisen-Sensor diskutiert. Möglicherweise
schen Methoden bestimmt. Da ein Molekül Transferrin entfaltet TfR2 seine Wirkung über eine Modulation der Ex-
zwei Fe3+-Ionen bindet, errechnet sich bei einem Moleku- pression von Hepcidin (7 u.).
largewicht von etwa 79,5 kDa eine Bindungsfähigkeit von Mit dem TfR1 ist das HFE-Protein assoziiert, dessen
etwa 1,41 mg Eisen/mg Transferrin. Hieraus folgt für die Funktionsausfall durch Mutation für die Hämochromatose
662 Kapitel 22 · Spurenelemente
22
. Abb. 22.3. Aufnahme von Eisen in eine Zelle über den Transfer- siert. Durch Ansäuerung wird Eisen freigesetzt und an die Zelle abge-
rin-Rezeptor-1, der einen Komplex mit dem HFE-Protein bildet. geben; der Transferrin-Rezeptor-1 kehrt anschließend wieder in die
Nach Bindung des Eisens wird der Rezeptor in Endosomen internali- Zellmembran zurück. Tr = Transferrin. (Einzelheiten 7 Text)
22
. Abb. 22.6. Funktion von IRP-1 und IRP-2 für die intrazelluläre Eisenhomöostase. TfR = Transferrinrezeptor; Ft = Ferritin; δ-ALA-2-S =
δ-ALA-Synthase-2. (Nach O’Halloran 1993)
Die Menge des auf diese Weise im Ferritin als Fe3+ gespei- Hämosiderin ist wahrscheinlich ein Kondensations-
cherten Eisens beträgt bei gesunden Erwachsenen etwa produkt von Apoferritin und Zellbestandteilen wie Nu-
1500 mg (27 mmol). Der Mechanismus der Eisenfreiset- cleotiden oder Lipiden. Aus beiden Depots wird Eisen bei
zung aus Ferritin ist noch nicht genau bekannt. Sehr viele Blutverlusten und erhöhter Erythrozytenneubildung abge-
Befunde sprechen dafür, dass Ferritin zur Eisenfreisetzung geben. Während das Metall aus Ferritin rasch mobilisiert
lysosomal abgebaut werden muss. Da das freigesetzte Fe3+ werden kann, ist Eisen aus dem Hämosiderin jedoch we-
praktisch unlöslich ist, muss es durch Ferrireduktasen re- sentlich schwerer mobilisierbar.
duziert werden und steht dann dem Eisenstoffwechsel zur
! Die Regulation des zellulären Eisenstoffwechsels er-
Verfügung. Für den Eisenexport mit Hilfe von Ferroportin
folgt über eisenregulatorische Proteine.
ist allerdings eine erneute Oxidation mit Hilfe der Ferro-
oxidase Hephaestin notwendig. Die Aufnahme, Speicherung und intrazelluläre Verwertung
Bei der als Caeruloplasmin bezeichneten Ferrooxidase von Eisen, z.B. in den Hämoglobin produzierenden Ery-
(Ferooxidase I) handelt es sich um ein heterogenes, d.h. in throblasten des Knochenmarks wird durch die konzertierte
genetischen Varianten existierendes Glycoprotein, das aus Biosynthese von Transferrinrezeptoren (TfR1), der L- und
8 Untereinheiten besteht. Es wird in der Leber synthetisiert H-Ketten des Ferritins, des Ferroportins und der δ-ALA-
und ans Plasma abgegeben. Da die Ferrooxidase I ein Kup- Synthase-2 (7 Kap. 20.1.2) bestimmt. Verantwortlich hierfür
ferenzym ist, stellt sie die molekulare Verbindung von Ei- sind eisenregulatorische Proteine (iron regulatory proteins,
sen- und Kupferstoffwechsel dar. Etwa 80% des Plasmakup- IRP-1 und IRP-2), welche die Translation der mRNA für die
fers finden sich im Caeruloplasmin. Sein knockout führt genannten Proteine modulieren (. Abb. 22.6). Bei einer
allerdings bei Mäusen zu keinerlei Störung des Kupferstoff- niedrigen intrazellulären Eisenkonzentration binden IRP’s
wechsels. Caeruloplasmin oxidiert auch aromatische Di- an eisenregulatorische Elemente (iron regulatory elements,
amine wie Adrenalin, Noradrenalin, Serotonin und Mela- IRE´s). Es handelt sich um mRNA-Abschnitte von etwa 30
tonin. Es soll deshalb an der Regulation des Plasmaspiegels Basen Länge, die sich im Fall der Ferritin-, δ-ALA-Syntha-
dieser Amine beteiligt sein. Ein weiteres Enzym, die Fer- se-2 und des Ferroportins in der 5’-nichttranslatierten Re-
rooxidase II, oxidiert ebenfalls Eisen, aber nicht Diamine. gion der mRNA und im Fall der Transferrinrezeptor1-
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
665 22
4 ein erhöhter Eisenbedarf in der Schwangerschaft und Dickdarmspiegelung und ggf. auch einer Magen-Dünn-
während des Wachstums darmspieglung. Ein Eisenmangelzustand entwickelt sich
über mehrere Phasen: ein leichter oder latenter ist nur an
zugrunde liegen. einem erniedrigten Ferritinspiegel erkennbar, da das Blut-
Störungen der duodenalen Eisenresorption können mit bild aufgrund der Priorität, die das Knochenmark gegen-
einem oralen Eisenbelastungstest nachgewiesen werden, über anderen Geweben bei der Eisenvergabe genießt noch
mit dem der Serumeisenspiegel vor und drei Stunden nach normal bleibt. Erst im fortgeschrittenen Stadium ist die
der Eiseneinnahme gemessen wird. Ein inadäquater An- Erythropoiese beeinträchtigt, was an einem Hämoglobin-
stieg veranlasst zu einer Magen-Dünndarmspiegelung. abfall und einer Verringerung des Volumens der Erythro-
Ein gastrointestinaler blutungsbedingter Eisenverlust zyten erkennbar ist (hypochrome Anämie, 7 Kap. 29.2.2).
kann durch die Anwendung des Haemokkult-Tests er- Der latente Eisenmangel kann von Symptomen wie Kon-
kannt werden, bei dem im Stuhl aus Erythrozyten freige- zentrationsschwäche oder Müdigkeit begleitet sein, da
setztes Hämoglobin über seine Pseudoperoxidase-Akti- wichtige Gehirnfunktionen eisenabhängig sind. Eisenman-
vität (Blaufärbung von Guaiac nach Zugabe von H2O2) gelzustände können durch perorale oder auch intravenöse
nachgewiesen wird. Ein positiver Test veranlasst zu einer Gaben zweiwertiger Eisenpräparate behandelt werden.
In Kürze
5 Eisen ist das quantitativ bedeutendste Spurenele- (δ-ALA-Synthase-2) beteiligt sind, über einen Metallsen-
ment im Organismus. Es ist als Redoxsystem oder sor koordiniert. Dieses Protein bindet an die mRNAs der
Sauerstofftransporteur tätig. In Proteinen ist es über genannten Proteine und moduliert dadurch ihre Trans-
das Hämgerüst oder direkt an den Proteinanteil ge- lation
bunden 5 Trotz der extrem geringen Eisenausscheidung sind Ei-
5 Eisen ist in wässrigen Lösungen schlecht löslich und senmangelzustände häufig. Sie sind Folge von unzurei-
findet sich in Organismen deshalb immer in gebun- chender Zufuhr, Resorptionsstörungen oder chroni-
dener Form. Eisenüberschuss führt über die Fenton- scher Blutungen der verschiedensten Ursachen
Reaktion zur Bildung von zellschädigenden Radikalen 5 Bei der Hämochromatose wird Eisen vermehrt resor-
5 Die Eisenresorption im Dünndarm erfolgt über das biert. Nach Jahrzehnten tritt eine Eisenüberladung in
koordinierte Zusammenspiel verschiedener Mukosa- verschiedenen Organen auf, die Diabetes mellitus,
proteine wie DMT1, Dcytb, Ferritin und Ferroportin. Arthritis oder Cardiomyopathie verursachen kann.
Eine Reihe experimenteller Belege der vergangenen Mutationen in mindestens 5 verschiedenen Genen (HFE,
Jahre spricht dafür, dass Hepcidin ein wichtiger hor- Hämojuvelin, Hepcidin, TfR2, Ferroportin) können eine
moneller Regulator des Eisenstoffwechsels ist Hämochromatose verursachen. Entscheidend ist die
5 In Zellen mit einem hohen Eisenumsatz wie den Ery- frühe Erkennung der Erkrankung, da durch eine konse-
throblasten des Knochenmarks wird die Biosynthese quente Aderlasstherapie Eisen dem Organismus wieder
der Proteine, die an Eisenaufnahme (Transferrin- entzogen werden kann und die potentiellen Folgen der
rezeptor 1), -speicherung (Ferritin) und -verwertung Eisenüberladung damit vermieden werden können
22
. Abb. 22.8. Überblick über den Kupferstoffwechsel beim Men- an. Die Gewebeverteilung der Kupfer-ATPasen ATP7A und ATP7B ist
schen. Die Werte (in mg oder μg) geben geschätzte Umsätze pro Tag rot angegeben. (Weitere Einzelheiten 7 Text)
Hephaestin sind kupferhaltige Enzyme; damit bestehen (7 Abb. 22.8). Für den Export aus den Mukosazellen wird
auch zwischen Kupfer- und Eisenstoffwechsel enge Verbin- eine als ATP7A (Menkes-Protein) bezeichnete Cu-ATPase
dungen (7 Kap. 22.2.1). benutzt. Das die Darmmukosazellen verlassende Kupfer
wird im Portalblut locker an die Transportproteine Albu-
! Die Leber ist das zentrale Organ des Kupferstoffwech-
min und Transcuprein gebunden. Dieses locker gebunde-
sels, da sie nicht nur für die Kupferaufnahme, sondern
ne wird auch (unpräzise) als freies Kupfer bezeichnet. Seine
auch für seine Ausscheidung verantwortlich ist.
Konzentration beträgt etwa 120 μg/100 ml Plasma.
Der Kupferbestand des Menschen beträgt etwa 40–80 mg Vom Darm gelangt Kupfer in die Leber. In den Kup-
(1,6–2,4 μmol). Hohe Kupferkonzentrationen finden sich ferpool des Plasmas tritt auch Kupfer aus den Geweben
v.a. in Leber und Gehirn. Bei einer täglichen Kupferzufuhr (. Abb. 22.8). In der Leber wird Kupfer in die in verschie-
von 2–5 mg (32 bis 80 mmol) mit der Nahrung [Bedarf denen subzellulären Kompartimenten lokalisierten Kupfer-
2,5 mg (40 mmol)] ist die Kupferbilanz ausgeglichen. Mit enzyme der Parenchymzelle eingebaut (7 u.) oder an Me-
der Nahrung aufgenommenes Kupfer wird vorwiegend in tallothionein gebunden und gespeichert. Eine Besonderheit
die Mukosazellen des Magens und Duodenums über einen der Leberparenchymzellen ist ihr hoher Gehalt an einer
im Einzelnen noch nicht geklärten Mechanismus aufge- weiteren Cu-ATPase, dem ATP7B-Protein (Wilson Prote-
nommen an dem möglicherweise der für die Eisenauf- in). Dieses Enzym ist bei ausgeglichenem Kupferhaushalt in
nahme verantwortliche DMT-1-Transporter beteiligt ist den Membranen des trans-Golgi-Netzwerks lokalisiert und
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
669 22
. Abb. 22.9. Kupferaufnahme und Kupferstoffwechsel in Hepa- port in das trans-Golgi-Netzwerk; Cox17 = Chaperon für den Transport
tozyten und anderen Zellen. Nach Aufnahme durch den Transporter in die Mitochondrien; MT = Metallothionein, CCO = Cytochrom C
Ctr1 wird Kupfer von verschiedenen Metallchaperonen gebunden. Oxidase, CCS = Chaperon für SOD, SOD = Superoxid-Dismutase. (Wei-
Diese transportieren Kupfer an die Orte der Biosynthese kupferhalti- tere Einzelheiten 7 Text)
ger Proteine oder zur Ausscheidung. Atox1 = Chaperon für den Trans-
liefert das für die dort ablaufende Caeruloplasminsynthese liegt. Im Einzelnen unterscheidet man folgende Metal-
benötigte Kupfer. Bei Kupferüberschuss verlagert sich das lochaperone (. Abb. 22.9):
Transportprotein ATP7B jedoch in die kanalikuläre Mem- 4 Atox1 transportiert Kupferionen zu den in den Mem-
bran der Hepatozyten und transportiert überschüssiges branen des trans-Golgi-Netzwerks gelegenen CuATPa-
Kupfer in die Gallenflüssigkeit, mit der es ausgeschieden sen ATP7B (Leber) bzw. ATP7A (übrige Gewebe). Im
wird. trans-Golgi-Netzwerk wird Kupfer dann zur jeweils ge-
Nicht von der Leber benötige Kupferionen werden über webstypischen Synthese kupferhaltiger Proteine Caeru-
die Blutzirkulation auf die extrahepatischen Gewebe ver- loplasmin (Leber), Tyrosinase (Melanozyten) oder Ly-
teilt. Ähnlich wie in der Leber werden sie nach ihrer Auf- syloxidase (Bindegewebe) benutzt. In Neuronen und
nahme zur Synthese von Kupferenzymen benutzt. Als Cu- Astrozyten stellt die ATPase ATP7A einen wichtigen
ATPase kommt hier nur das Menkes-Protein ATP7A vor, Kupfertransporter dar, der Kupfer für die Enzyme PAM
das u.a. für den Kupferexport verantwortlich ist (7 u.). (7 o.) und Dopamin-ß-Hydroxylase (7 Kap. 26.3.2) zur
Verfügung stellt
! Membranständige Transportproteine und Metallchape-
4 Cox17 ist für den Kupfertransport in die Mitochond-
rone verteilen Kupfer in der Zelle.
rien notwendig, wo es zur Synthese des Komplexes IV
Alle Zellen verwenden zur Aufnahme von Kupfer einen der Atmungskette benötigt wird
als Ctr1 (copper transporter, SLC31) bezeichneten Carrier 4 CCS ist schließlich das Metallochaperon, das für den
(. Abb. 22.9). Es handelt sich um ein bei Eukaryoten hoch Einbau von Kupfer in die Superoxiddismutase (7 Kap.
konserviertes Protein, welches mit 3 Transmembrandomä- 15.3) benötigt wird. Die Biosynthese von Superoxiddis-
nen in der Plasmamembran verankert ist. Ähnlich wie Ei- mutase ist insofern besonders komplex, als das Enzym
sen (7 Kap. 15.3) ist freies Kupfer toxisch, da es mit H2O2 ein zweites Metall, nämlich Zink braucht
unter Bildung von Hydroxylradikalen reagieren kann. In-
folgedessen erfolgt der intrazelluläre Kupfertransport bis zu Interessanterweise gelangen in der Krebstherapie wichtigen
seinem Einbau in entsprechende Proteine in Bindung an Platinderivate (Cisplatin, Carboplatin, Oxaliplatin) über
sog. Metallochaperone. Dadurch ist gewährleistet, dass die Ctr1 in die Zelle und werden wie Kupfer durch ATP7A und
Konzentration an freien Kupferionen bei etwa 10–18 mol/l 7B wieder aus der Zelle transportiert.
670 Kapitel 22 · Spurenelemente
! Cu-ATPasen werden für den Transport von Kupfer in das Hepatolenticuläre Degeneration (Morbus Wilson). Die
trans-Golgi-Netzwerk oder zum Kupferexport aus Zel- häufigste Störung des Kupferstoffwechsels ist eine autoso-
len benötigt. mal-rezessiv vererbte Erkrankung, die erstmalig 1912 von
dem Londoner Neurologen Kinnier Wilson beschrieben
Bei Säugetieren und damit auch beim Menschen lassen sich wurde.
zwei Cu-ATPasen nachweisen, die für den ATP-abhängigen Die Pathogenese beruht auf zwei Störungen des Kupfer-
Transport von Kupfer durch Membranen verantwortlich stoffwechsels:
sind. Es handelt sich um die ATPasen ATP7A (Menkes- 4 einer Abnahme der biliären Kupferausscheidung
Protein) und ATP7B (Wilson- Protein), die in die Familie 4 einer Abnahme des Einbaus von Kupfer in Caeruloplas-
der P-ATPasen gehören. . Abb. 22.10 zeigt den aus der min
Aminosäuresequenz abgeleiteten Aufbau des Transporters
ATP7B. Das Protein ist mit insgesamt 8 Transmembrando- Diese führen zu einer Akkumulation dieses Metalls in der
mänen in die Membran integriert. N-terminal finden sich Leber (durch Leberbiopsie quantitativ erfassbar, siehe auch
insgesamt 6 für die Kupferbindung verantwortliche Se- Hämochromatose) mit zunehmender Leberfunktionsstö-
quenzmotive, im C-Terminus sind die ATPase-Aktivität rung (mitochondriale Dysfunktion, Zellschädigung und
und die Translokationsaktivität lokalisiert. Die Cu-ATPase Fibrose) und der konsekutiven Ablagerung von Kupfer im
ATP7A zeigt große Homologie zu ATP7B. Die wichtigen Gehirn mit Koordinationsstörungen (Nucleus lenticularis
Unterschiede zwischen den beiden Cu-ATPasen sind funk- der Basalganglien) und Verhaltensveränderungen. Die
tioneller Natur und ergeben sich aus ihrer unterschiedli- Krankheit wird deshalb auch als hepatolenticuläre De-
chen Gewebs- und Organverteilung (. Abb. 22.8): generation bezeichnet. Die Kupferablagerung in der Des-
4 ATP7A wird in vielen extrahepatischen Geweben ex- cemet-Membran des Auges kann eine goldbraune, gelbe
primiert. In den Mukosazellen ist es für den Kupferex- oder grüne Umrandung der Cornea (Kayser-Fleischer-
port auf die basolaterale Seite und damit für die Kupfer- Ring, . Abb. 22.11) verursachen.
aufnahme verantwortlich, In den meisten anderen Zel-
len reagiert ATP7A mit Atox1, transportiert Kupfer ins
Lumen des trans-Golgi-Netzwerks, wo es für die Syn-
these kupferhaltiger Proteine verwendet wird. Bei ho-
hem Kupferangebot verlagert sich ATP7B in die Plas-
mamembran und exportiert Kupfer in den Extrazellu-
lärraum. Besonders wichtig ist dies in den Epithelien
der Blut-Hirnschranke für den Kupfertransport ins
Nervensystem, in der Placenta für die Kupferversor-
gung des Föten und in den Zellen der laktierenden
Brustdrüse für die Kupferversorgung des Säuglings
4 ATP7B wird hauptsächlich in den Hepatozyten expri-
miert. Seine intrazelluläre Funktion entspricht derjeni-
gen des ATP7A. Bei hohem Kupferangebot wird der
Transporter in die kanalikuläre Membran der Hepato-
zyten verlagert, was zu einer Kupferausscheidung in die
Galle führt
! Genetische Defekte der Kupferpumpen ATP7B bzw. ATP7A . Abb. 22.11. Kayser-Fleischer-Ring beim Morbus Wilson. (Aus
verursachen Verteilungsstörungen von Kupfer im Gewebe. Kritzinger u. Wright 1985)
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
671 22
In Kürze
5 Fast alle kupferhaltigen Enzyme sind Oxidasen, d.h. 5 Der durch Mutationen ausgelöste partielle Ausfall von
sie übertragen Elektronen auf das Sauerstoffmolekül. ATP7B in der Leber ist die Grundlage der Wilson-Erkran-
Wie Eisen ist auch freies Kupfer toxisch, sodass Trans- kung, bei der das Metall im Hepatozyten akkumuliert
portsysteme existieren, die verhindern, dass Kupfer in und dadurch die Leberfunktion – bis hin zum komplet-
ungebundener Form auftritt ten Ausfall – stört
5 Zu den genannten Transportsystemen gehören der 5 Durch Chelatbildner kann Kupfer aus dem Organismus
Kupfertransporter Ctr1, verschiedene Metallochape- bei Patienten mit M. Wilson entfernt werden
rone und die beiden Cu-ATPasen ATP7A und ATP7B
Wahrscheinlich werden bei der enzymatischen Reaktion Zink wirkt weiterhin als Stabilisator biologischer Mem-
die Elektronen vom Substrat über Molybdän und Flavin auf branen und ist Bestandteil genregulatorischer Transkrip-
Eisen übertragen. tionsfaktoren. Diese weisen bestimmte Domänen auf, die
für die Bindung des Proteins an die DNA verantwortlich
22 ! Über den Molybdänstoffwechsel ist bisher nur wenig
sind. Das Architekturprinzip dieser Proteinabschnitte be-
bekannt.
ruht auf dem Verbund von Cysteinylresten oder Cysteinyl-
Die Molybdänkonzentration in den Geweben ist sehr ge- und Histidylresten und zwei oder drei Zinkatomen. Je nach
ring. Da dieses Metall nur eine geringe praktische Bedeu- der Zahl der beteiligten Cystein- und Histidinresten unter-
tung in der Ernährung des Menschen besitzt, liegen bisher scheidet man zwischen C2H2-Zinkfingern, C4-Zinkfin-
nur wenige Untersuchungen über seinen Stoffwechsel gern und C6-Zinkfingern. In den ß-Zellen des endokrinen
vor. Pankreas nimmt Zink an der Speicherform des Insulin teil
(7 Kap. 26.1.1).
Die Verteilung von Zink in eukaryoten Organismen
22.2.4 Kobalt erfolgt unter Vermittlung von zwei Zinktransport-Syste-
men: der CDF- (cation diffusion facilitator) und Transpor-
! Kobalt- und Vitamin-B12-Stoffwechsel sind eng verbunden. tern der der ZIP-Familie.
CDF-Transporter (Synonym SLC30) enthalten 6 Trans-
Die Funktion dieses Metalls ist an die von Vitamin B12 membrandomänen mit intrazellulären N- und C-Termini,
gebunden, in dessen Corrinring es fest eingebaut ist die histidinreiche Bezirke zur Zinkbindung aufweisen. Sie
(7 Kap. 23.3.9). Dieses Vitamin ist als Coenzym an der Iso- sind für den Export von Zink oder die intrazelluläre Ver-
merisierung von Methylmalonyl-CoA zur Succinyl-CoA packung in Vesikel und Vakuolen verantwortlich. ZIP-
und der Methylierung von Homocystein zu Methionin Transporter (Synonym SLC39) vermitteln die Aufnahme
(7 Kap. 23.3.9) beteiligt. von Zink in die Zelle oder die Freisetzung von gespeicher-
tem Zink. Sie enthalten 8 membranassoziierte Domänen
! Kobalt wird im Organismus schnell umgesetzt.
mit extracytoplasmatischen N- und C-Termini.
Der Kobaltbestand des Menschen beträgt etwa 1,1 mg
! Zink wird im Plasma an Albumin gebunden.
(19 mmol). Mit der Nahrung aufgenommenes Kobalt wird
beim Menschen – im Gegensatz zu Tieren – zu 70–100% Ein gesunder Erwachsener enthält etwa 2–3 g (30–45 mmol)
resorbiert, dann jedoch schnell wieder mit dem Urin ausge- Zink. Davon befinden sich 99% im Intrazellulärraum. Ver-
schieden. hältnismäßig hohe Konzentrationen weisen
Bei Versuchstieren sowie gesunden Versuchsperso- 4 die Inselzellen des Pankreas (Insulinspeicher)
nen führt die Gabe von Kobaltionen (z.B. in Form von 4 Iris und Retina des Auges (Retinoldehydrogenase)
Kobaltchlorid) zu einer Steigerung der Erythrozytenpro- und
duktion, als deren Ursache eine vermehrte Biosynthese 4 Leber, Lungen und Zähne auf
von Erythropoetin in den Nieren diskutiert wird (7 Kap. 4 besonders hoch ist die Zinkkonzentration in Prostata,
28.1.10). Epididymis, Testes [und damit Spermien (Chroma-
tinstabilisierung)] und Ovarien
22.2.5 Zink Zink wird im Jejunum und Ileum unter Vermittlung der
Zinktransporter ZnT1 (aus der CDF-Familie) und ZIP 5
! Zink ist Cofaktor von mehr als 300 Enzymen. (aus der ZIP-Familie) resorbiert. Resorbiertes Zink wird im
Blut an Albumin gebunden, von dem es zur Aufnahme in
Zink ist Bestandteil und Cofaktor von mehr als 300 Enzy- die Gewebe wieder freigesetzt wird. Das im α2-Makroglo-
men (z.B. Carboanhydrase, Pankreascarboxypeptidase, bulin nachweisbare Zink ist nicht leicht austauschbar und
verschiedene Dehydrogenasen (Alkohol-, Glutamat-, Ma- repräsentiert – ähnlich wie Caeruloplasmin für Kupfer –
lat-, Lactat-, Retinol-), alkalische Phosphatase und Matrix- damit kein transportiertes Zink. Das albumingebundene
Metalloproteinasen), in denen es – anders als Eisen und Zink macht 22% des Zinks im Blut aus, der Rest findet sich
Kupfer – zwei Wirkungen besitzt: in den Erythrozyten (75%, Carboanhydrase) und Leukozy-
4 es hält durch koordinative Bindungen mehrere Ami- ten (3%, alkalische Phosphatase, Calprotectin). Die Nor-
nosäureseitenketten des Enzymproteins in einer An- malkonzentration im Plasma beträgt 100–140 μg/100 ml
ordnung fest, die zur Einleitung der chemischen Reak- (15–20 μmol/l). Der Plasmazinkspiegel unterliegt einer
tion günstig ist (strukturunterstützende Funktion) circadianen Rhythmik. Er wird durch Hormone und Cyto-
4 darüber hinaus kann es selbst durch weitere koordina- kine beeinflusst: Glucocorticoide stimulieren die Zinkauf-
tive Bindungen das Substrat festhalten, polarisieren und nahme in die Leber, Interleukin-1 und -6 führen im Rah-
zur Reaktion aktivieren (katalytische Funktion) men der Akutphaseantwort (7 Kap. 29.6.4) zu einem Abfall
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
673 22
des Zinkspiegels durch Aufnahme in verschiedene Gewebe. tochondrienreiche Gewebe weisen deshalb meist eine hö-
Die Ausscheidung von Zink aus dem Organismus erfolgt here Mangankonzentration auf. Der Gesamtmanganbe-
vorwiegend über den Stuhl. Der tägliche Zinkbedarf liegt stand des Organismus beträgt 10–20 mg (180–360 mmol)
bei 10 bis 15 mg und wird mit der in den Industriestaaten und damit 1/5 des Kupfer- und 1/100 des Zinkbestands. Die
üblichen Ernährung gedeckt. Manganausscheidung erfolgt fast vollständig in den Darm,
v.a. über die Galle, aber auch über den Pankreassaft.
! Zinkmangel kann das Immunsystem beeinträchtigen.
! Ein Manganmangel ist bisher nur bei Tieren beschrie-
Angeborener Zinkmangel (Acrodermatitis enteropathica).
ben worden.
Für diese Krankheit sind – wie ihr Name sagt – u.a. Hautef-
floreszenzen (Vesikel- und Pustelbildung durch gestörte Tierexperimenteller Manganmangel führt zu Wachstums-
Basalzellproliferation) sowie gastrointestinale Symptome und Fertilitätsstörungen sowie Skelettdeformierungen, de-
(Diarrhö) charakteristisch. Zugrunde liegt ein genetischer nen die Beeinträchtigung des manganabhängigen Knorpel-
Defekt des Zinktransportsystems ZIP 4 in den Mukosa- stoffwechsels zugrunde liegt.
zellen, der über einen Abfall des Plasmazinkspiegels zu den
genannten Symptomen führt. Durch hohe Zinkgaben kann
eine komplette klinische Remission erzielt werden, da bei 22.2.7 Fluorid
hohem Zinkangebot offenbar andere Transportsysteme ak-
tiviert werden. Fluor ist ein Halogen, das aufgrund seiner Reaktivität in der
Natur fast ausschließlich als Fluorid vorkommt. Ob Fluorid
Erworbener Zinkmangel. Ein Zinkmangel kann in vielen als für den Menschen lebensnotwendiges Spurenelement
Fällen an einer Erniedrigung des Plasmazinkspiegels er- angesehen wird, hängt von den angewendeten Kriterien zur
kannt werden. Ein Abfall ist für die Diagnose eines Zink- Beantwortung dieser Frage ab. Fluorid ist zwar nicht zum
mangels jedoch nicht ausreichend, da dieser auch bei aku- Überleben notwendig, fördert aber unter den derzeitigen
ten Entzündungen (als Teil der Akutphaseantwort) und als Lebensbedingungen Gesundheit und Wohlbefinden, da
Antwort auf Stresssituationen auftreten kann. Leichter ist optimale Fluoridgaben das Ausmaß der Karies, d.h. die Zer-
die Diagnose bei chronischen Zuständen wie langzeitiger setzung der Zähne, reduzieren.
parenteraler Ernährung (unzureichende Zufuhr), Malab- Bei den für die Herstellung von Zahnpasta verwendeten
sorptionssyndromen (unzureichende Resorption) oder Le- Fluoriden wird zwischen anorganischen Fluoriden (Natri-
berzirrhose (persistierende Funktionsstörung). Erworbener umfluorid, NaF; Natriummonofluorphosphat, Na2PO3F;
Zinkmangel kann sich ebenfalls an Haut und Schleimhäu- Zinnfluorid, SnF2) und organischen Fluoriden, bei denen
ten manifestieren und mit Störungen der humoralen und das Fluoridion an einen organischen Fettsäureaminrest ge-
zellulären Immunantwort (reduzierte Thymulinaktivität, bunden ist, unterschieden. Letztere Kombination einer hy-
7 o.) verbunden sein. drophoben Kohlenwasserstoffkette mit einem hydrophilen
Kopf ist typisch für Tenside, die sich an Oberflächen schnell
und geordnet anreichern.
22.2.6 Mangan
! Fluorid besitzt eine hohe Affinität zum Knochen- und
Zahnhartgewebe.
! Mangan spielt eine wichtige Rolle als Coenzym gluco-
genetischer Enzyme. Fluorid ist ein beim Menschen gut untersuchtes Spurenele-
ment. Die in Nahrungsmitteln (Fleisch, Fisch, fluoridiertem
Eine Reihe von Enzymen kann in vitro durch Mangan akti- Speisesalz, Fluoridtabletten), Getränken (Tee, Bier oder
viert werden. Diese Funktion kann jedoch auch von ande- Fruchtsäfte), verschiedenen Medikamenten (z.B. Fluoroste-
ren zweiwertigen Kationen übernommen werden. Die Py- roide) oder Zahnpasta enthaltenen Fluoride werden im
ruvatcarboxylase und die PEP-Carboxykinase, zwei wichti- Magen-Darm-Trakt bis zu 100% resorbiert. Die Resorption
ge Enzyme der Gluconeogenese, sowie die Arginase und die hängt von der jeweiligen Fluoridverbindung ab: leicht lös-
Mn-Superoxiddismutase sind Manganproteine. Eine spezi- liche Verbindungen wie NaF oder SnF2 werden schnell und
fische Funktion besitzt Mangan bei der Biosynthese von nahezu komplett, schwer lösliche wie CaF2 langsam und
Mucopolysaccharid-Protein-Komplexen (Proteoglykanen, unvollständig resorbiert.
7 Kap. 17.3.5) des Knorpels. Die Konzentration des im Plasma vorwiegend frei
vorliegenden Fluorids beträgt 0,01–0,02 mg/100 ml (5–
! Mitochrondrien enthalten viel Mangan.
10 μmol/l). Nach oraler Fluoridgabe steigt der Spiegel in-
Mangan wird im Gastrointestinaltrakt auf noch unbekann- nerhalb von Minuten rasch an, um nach Erreichen eines
te Weise in geringem Ausmaß resorbiert. Nach Bindung an Spitzenwerts nach etwa 30 Minuten innerhalb einer Stunde
ein β1-Globulin im Blut wird es schnell von den Geweben wieder abzufallen. Die Plasmakonzentration wird dadurch
und dort v.a. von den Mitochondrien aufgenommen. Mi- konstant gehalten, dass Fluorid rasch in das Knochensystem
674 Kapitel 22 · Spurenelemente
(Skelett und Zähne) und langsamer in Weichgewebe (Herz, geleitet (PO43– + H+ → HPO42–). Dadurch kann Calcium
Leber) aufgenommen wird. Eine rasche Ausscheidung er- nicht mehr gebunden werden und wird freigesetzt. Daran
folgt über die Nieren, in geringen Mengen auch mit dem schließt sich die Zersetzung des Dentins und des Zements
Stuhl, Schweiß und Speichel der Parotis- und Submandibu- durch den bakteriellen Abbau der Proteinmatrix an.
22 laris-Drüsen.
! Fluorid wirkt über eine direkte Reaktion mit dem Zahn-
Beim Erwachsenen finden sich 99% der Gesamtfluor-
schmelz kariesprotektiv.
konzentration im Skelett und in den Zähnen, der Rest in
den übrigen Geweben und im Extrazellulärraum. Im Ske- Fluorid wirkt vor allem über eine Reaktion mit der
lett wird es als schwer löslicher Fluorhydroxylapatit ge- Schmelzoberfläche, auf der es sich als calciumfluoridähn-
bunden, der durch Austausch von Fluoridionen gegen Hy- liches Präzipitat einlagert. Dadurch werden Protonen ent-
droxylionen im Apatitkristallgitter entsteht (7 Kap. 24.7.1). fernt und eine Wiedereinlagerung des Calciums ermög-
Aus der Verteilung im Organismus geht hervor, dass Fluo- licht. Die früher angenommene systemische Wirkung auf
rid eine ausgesprochene Affinität zum Knochen- und die Apatitbildung [Ca5OH(PO4)3] des Zahnmaterials über
Zahnhartgewebe besitzt. Bis zur Hälfte des resorbierten eine Verdrängung des Hydroxylions (aus Hydroxylapatit)
Fluorids kann vom Skelett retiniert werden, wenn die vor- durch Fluorid (unter Bildung von Fluorapatit) wird heute
ausgegangene Fluorzufuhr sehr niedrig war. Bei anhalten- eher als von untergeordneter Bedeutung angesehen. Physio-
der täglicher Zufuhr kleiner Fluoridmengen, wie sie z.B. bei logische Fluoriddosen fördern die Remineralisierung um
der unten beschriebenen Trinkwasserfluoridierung vorlie- das Mehrfache. Der kariostatische Effekt von Fluorid
gen, bildet sich ein Gleichgewicht zwischen Skelett und ex- kommt vor allem über eine direkte Wirkung auf die
trazellulärem Körperwasser aus, d.h. es kommt nicht zu Zahnoberfläche durch die Applikation fluoridierter Zahn-
einem ständigen Anstieg der Fluoridkonzentration des Ske- pasta und Mundpflegepräparate zustande. Daneben gelangt
letts. Beim erwachsenen Menschen werden durchschnitt- Fluorid nach seiner Resorption über das Blut in den Spei-
lich 30% des aufgenommenen Fluorids im Skelett eingela- chel. In diesen wird es zwar nur in geringeren Konzentra-
gert, der Rest mit dem Urin ausgeschieden. Gleichzeitig tionen, dafür aber ständig freigesetzt.
wird durch die Aktivität der Osteoklasten ebenso viel Fluo- Daneben kann Fluorid den bakteriellen Kohlenhydrat-
rid mobilisiert und durch die Nieren ausgeschieden, wie stoffwechsel hemmen, indem es als Flusssäure in das Bak-
durch den Knochenanbau fixiert wird. Bei höherer Fluorid- terium eindringt und zu einer Übersäuerung des Cytoplas-
aufnahme stellt sich die Fluoridkonzentration im Knochen mas führt. Dies kann zu einer Hemmung der Glykolyse und
auf ein höheres Niveau ein, jedoch bleibt die Fluoridbilanz des Zuckertransports in das Bakterium führen.
selbst beim Konsum eines Trinkwassers mit einem Gehalt Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt die
von 6–8 mg (315 bis 420 mmol) Fluorid/Liter noch ausge- generelle Fluoridanwendung zur Prophylaxe der Karies, die
glichen. Eine Fluoridakkumulation in Organen und ande- die häufigste chronische und progressive Krankheit bei
ren Weichgeweben findet nicht statt. Kindern und Jugendlichen darstellt. Nach den Erfahrungen
in Nordamerika, Holland, Schweden und der ehemaligen
! Karies entsteht durch Demineralisierung der Zahnober-
DDR scheint die Trinkwasserfluoridierung die wirkungs-
fläche.
vollste Form der systematischen Fluoridverabreichung zu
Die Zahnhartsubstanz (Schmelz und Dentin) stellt ein sein. Auch in der Bundesrepublik Deutschland wurde
schwer lösliches Salz in einer wässrigen Lösung (Speichel) schon 1974 die gesetzliche Grundlage zur Einführung der
dar. Normalerweise besteht an der Zahnoberfläche ein Trinkwasserfluoridierung geschaffen. Da diese jedoch nicht
Gleichgewicht zwischen De- und Remineralisierung. Die- realisiert worden ist, erfolgt die individuelle Kariesprophy-
ses Gleichgewicht geht jedoch bei Plaquebesiedelung und laxe durch Fluoridtabletten, fluoridiertes Speisesalz und
zuckerreicher Ernährung verloren. Die Plaques bestehen lokale Fluoridapplikation durch fluoridhaltige Zahnpasta.
aus Ablagerungen hochmolekularer Dextrane, in denen
! Fluorid wird auch zur Behandlung der Osteoporose
säurebildende Bakterien am Zahnschmelz haften. Die
eingesetzt.
Dextrane werden hauptsächlich durch bestimmte anaerobe
Streptokokken synthetisiert, denen Saccharose (7 Kap. 2.1.3) Ein Teil der Wirkung von Fluorid wird über die Verdrän-
als Substrat dient. Der wesentliche zweite Schritt bei der gung von Hydroxyl- durch Fluoridionen erzielt, gleichzeitig
Kariesbildung beruht auf der Bildung von Säuren (Lactat) hemmt Fluorid aber auch eine spezifische Phosphotyrosin-
aus niedermolekularen Kohlenhydraten wie Saccharose Phosphatase in den Osteoblasten, die neue Knochenmatrix
durch Streptokokken und Lactobacillen (anaerobe Glyco- synthetisieren.
lyse) in der Plaque. Aufgrund der Säureproduktion über- Die Zahnfluorose ist die häufigste Nebenwirkung einer
wiegt die Demineralisierung, sodass sich zunächst eine erhöhten Fluoridzufuhr. Infolge einer Störung der Amelo-
kariöse Läsion bildet, die schließlich in eine Kavität über- blastentätigkeit kommt es zu einer fleckenförmigen Unter-
geht. Die Demineralisierung wird durch die Protonierung entwicklung des Zahnschmelzes (gesprenkelte Zähne). Die
des Phosphats im Apatit von Schmelz und/oder Dentin ein- Zahnfluorose tritt nur bei Fluoridzufuhr während der
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
675 22
Zahnbildung auf, also innerhalb der ersten 8–10 Lebens- fuhr korreliert. Der Sollwert der Jodausscheidung liegt bei
jahre; ältere Kinder und Erwachsene können nicht mehr an 150 μg/Tag. Tatsächlich liegt die mittlere Jodausscheidung
Zahnfluorose erkranken. in Deutschland nur bei etwa 60 μg/Tag.
Eine besondere Bedeutung besitzt die ausreichende
Jodversorgung während der Schwangerschaft und der Still-
22.2.8 Jod zeit, da eine Steigerung des mütterlichen Grundumsatzes
auftritt und die fetale Schilddrüse etwa ab der 12. Schwan-
Die einzig bekannte Funktion von Jod ist die eines essen- gerschaftswoche mit der eigenen Hormonsynthese be-
tiellen Bestandteils der Schilddrüsenhormone Tri- und ginnt.
Tetrajodthyronin (Thyroxin, 7 Kap. 27.2.4). Experten plädieren deshalb für die gesetzliche Einfüh-
rung der Jodprophylaxe mit Hilfe von jodiertem Kochsalz.
! 75% des Gesamtkörperjods finden sich in der Schild-
Solange hierfür noch keine gesetzliche Grundlage existiert,
drüse.
sollen alle Ärzte an der Aufklärung der Bevölkerung aktiv
In der Nahrung liegt Jod vorwiegend als anorganisches Jo- teilnehmen, das jodierte Kochsalz freiwillig zu benutzen.
did vor und wird in dieser Form fast vollständig im Magen- Mit Jodid angereichertes Kochsalz enthält 15–25 μg/g, d.h.
Darm-Trakt resorbiert. Die meisten Nahrungsmittel mit bei einem täglichen Salzverbrauch von 5 g beträgt die Jo-
Ausnahme von Meerfisch enthalten wenig Jod. Im Blut ist didzufuhr 75–125 μg. Es besteht auch keine Gefahr einer
die Konzentration des anorganischen Jodids sehr niedrig jodinduzierten Überfunktion der Schilddrüse, die erst bei
[0,08–0,60 μg/100 ml (6–47 nmol/l)], der Hauptteil ist or- täglichen Dosen von mehr als 500 μg (4 mmol) auftritt.
ganisches Jod in Form der Schilddrüsenhormone, von de-
nen nur etwa 1‰ nicht an Trägerproteine des Plasmas ge-
bunden sind. Etwa 75% des gesamten Körperjods [10– 22.2.9 Chrom
20 mg (79–158 μmol)] finden sich in der Schilddrüse.
Damit ist eine einzigartige Anreicherung eines Spurenele- ! Chrom verbessert die Glucosetoleranz.
ments in einem Organ gegeben, da die Schilddrüse nur
etwa 0,05% des Körpergewichts ausmacht. Diese Anreiche- Über die biochemische Funktion von Chrom ist bisher nur
rung wird durch die Gegenwart von Jodidtransportern wie wenig bekannt. Bei Ratten, die chromarm ernährt werden,
dem Natrium/Iodid-Symporter (NIS) oder Pendrin er- tritt eine Beeinträchtigung der Glucosetoleranz (7 Kap. 16.1.3)
möglicht (7 Kap. 27.2.4). auf, die sich durch Chromgaben wieder beheben lässt. Es
Interessanterweise wird der NIS auch in der laktieren- wurde spekuliert, dass ein chromhaltiger Glucosetoleranz-
den Mamma (Jodidausscheidung in die Milch) und beim faktor existiert; dieser konnte aber bisher nicht isoliert
Mammakarzinom stark exprimiert. werden. Tierexperimenteller Chrommangel führt zu Wachs-
Der Rest des Jods findet sich in der Muskulatur, Galle, tumsstörungen und Beeinträchtigungen des Glucose-, Fett-
Hypophyse, in Speicheldrüsen und bestimmten Teilen des und Proteinstoffwechsels. Beim Menschen werden Störun-
Auges, insbesondere dem Fettgewebe der Augenhöhle und gen der Glucosetoleranz beobachtet.
dem M. orbicularis. Beim Abbau der Schilddrüsenhormo-
! Chrom kann zur Markierung von Erythrozyten verwen-
ne freigesetztes Jod kann für die Biosynthese dieser Hormo-
det werden.
ne reutilisiert werden.
Die Jodausscheidung erfolgt hauptsächlich mit dem Chrom wird nur in geringem Ausmaß resorbiert, wobei die
Urin, daneben auch mit dem Schweiß und den Faeces. Bei Resorption von sechswertigem Chrom besser als die von
ausreichender Jodzufuhr [100–200 μg (0,79–1,58 μmol)/ dreiwertigem ist.
Tag] mit der Nahrung soll die Jodausscheidung im Urin 4 Das resorbierte sechswertige Chromanion tritt durch
zwischen 75 und 150 μg (0,59 und 1,18 μmol)/Tag liegen. die Erythrozytenmembran und bindet an den Globin-
anteil des Hämoglobins
! Der Jodmangel ist weit verbreitet.
4 Dagegen kann das dreiwertige Chromkation nicht die
Jodmangel, der in Deutschland wegen des niedrigen Jodid- Erythrozytenmembran durchdringen und bindet an
gehalts der Böden und damit auch der Agrarprodukte häu- β-Globulin und Transferrin
fig auftritt, führt zu einer als endemische Struma bezeich-
neten Störung der Schilddrüsenfunktion (7 Kap. 27.2.9), da Diese Beobachtungen führten zur Entwicklung von Metho-
der Schilddrüse nicht genügend Bausteine angeboten wer- den, mit denen durch Chrommarkierung die Lebensdauer
den. Daher wurde in verschiedenen Staaten die Strumapro- von Erythrozyten und Plasmaproteinen bestimmt werden
phylaxe durch jodiertes Kochsalz (Vollsalz) gesetzlich ein- kann. Die Chromausscheidung erfolgt vorwiegend mit dem
geführt. Urin, in kleinen Mengen auch mit der Galle, durch den
Zur Erfassung des Jodstatus ist die Jodausscheidung in Darm und die Haut. Über die Chromverteilung in Ge-
den Urin ein wichtiger Parameter, da sie eng mit der Jodzu- weben ist nur wenig bekannt. Interessanterweise nimmt
676 Kapitel 22 · Spurenelemente
22
22.2.10 Selen
Die Resorption von Selen wird durch die Wertigkeit und ! Cadmium gehört zu den in geringen Mengen toxischen
Verbindung, in der es vorliegt (gute bei Natrium-Selenit, Spurenelementen.
schlechter bei Selenocystein und Selenmethionin), sowie
die Menge des zugeführten Elements bestimmt. Im Blut Bisher sind keine cadmiumenthaltenden Metallenzyme be-
erfolgt der Transport durch die Bindung an Plasmaproteine schrieben worden. In Leber, Nieren und anderen Organen
(Selenoprotein P), wonach Selen in alle Gewebe einschließ- des Menschen findet sich eine Familie von Proteinen, die
lich Knochen, Haare, Erythrozyten und Leukozyten ge- Cadmium und Zink binden und als Metallothioneine be-
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
677 22
In Kürze
5 Zink ist Cofaktor von mehr als 300 Enzymen. Dazu ge- Mangelzustände häufig zu einer Beeinträchtigung der
hören Metalloproteinasen, die Komponenten der ex- Schilddrüsenfunktion führen
22 trazellulären Matrix abbauen, und Transkriptionsfak- 5 Chrom soll die Glucosetoleranz verbessern und Selen
toren. Ein Zinkmangel, der z.B. bei parenteraler Ernäh- ist Bestandteil antioxidativer Schutzsysteme
rung oder Resorptionsstörungen auftritt, kann die 5 Einige Spurenelemente, die vom Menschen nicht be-
Immunantwort beeinträchtigen nötigt werden, sind bereits in geringen Mengen schäd-
5 Fluorid besitzt eine kariesprotektive Wirkung und lich. Dazu gehören Cadmium, Blei und Quecksilber,
wirkt durch Einbau in die anorganische Substanz im die bei chronischer Exposition im Körper akkumulieren
Knochen der Osteoporose entgegen und dadurch toxisch wirken
5 Jodid ist obligater Bestandteil der Schilddrüsenhor-
mone, sodass in Jodmangelgebieten wie Deutschland