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Literatur – 950
28.1 · Die Niere
895 28
Die Nieren scheiden endogen gebildete organische wasserlösliche Stoffwechsel-Endprodukte, anorganische Stoffe sowie exo-
gen zugeführte, nicht abbaubare Substanzen wie Medikamente oder Vitamine aus. Sie dienen darüber hinaus der Erhaltung
der Konstanz der Extrazellulärflüssigkeit, regulieren Volumen und Osmolarität der Körperflüssigkeiten durch selektive Reab-
sorption oder Ausscheidung von Ionen und Wasser. Sie greifen durch Ausscheidung überschüssiger Säuren und Basen im Zu-
sammenwirken mit den Lungen in das Säure-Basen-Gleichgewicht ein. Darüber hinaus sind die Nieren an der Regulation des
Blutdrucks, der Erythropoiese und des extrazellulären Calciumspiegels beteiligt und synthetisieren wichtige Verbindungen wie
Glucose und γ-Aminobutyrat. Die Funktion der Nieren steht in engem Zusammenhang mit den Regelsystemen, die für den
Wasser- und Elektrolythaushalt verantwortlich sind.
Für die Regulation des Wasserhaushalts und des Natrium- und Kaliumstoffwechsels sind die Hormone Vasopressin, Aldo-
steron und das atriale natriuretische Peptid von besonderer Bedeutung. Ihr Ziel ist es, Natrium- und Kaliumverluste gering zu
halten und eine ausgeglichene Wasserbilanz zu erreichen.
Für die Regulation des wichtigen Calciumstoffwechsels stehen drei Hormone zur Verfügung, das Parathormon, das
D-Hormon sowie das Thyreocalcitonin.
Der renale Blutfluss (RBF) wird von der treibenden Blut- . Abb. 28.1. Abhängigkeit des renalen Blutflusses (RBF) und
druckdifferenz ('P) zwischen A. und V. renalis und dem der glomerulären Filtrationsrate (GFR) vom Druck in der Nieren-
gesamten intrarenalen Gefäßwiderstand R bestimmt: arterie. Im oberen Bildteil ist schematisch die Druckabhängigkeit des
inneren Durchmessers von afferenten Arteriolen sowie die Bedeutung
des transmembranären Calciumeinstroms durch L-Typ-Calciumkanäle
dargestellt. Eine druckabhängige Reduktion des Innendurchmessers
Die für die Nierendurchblutung bestimmenden Gefäß- um 25% führt dabei zu einem 3-fachen Anstieg des präglomerulären
widerstände werden hauptsächlich von den afferenten und Strömungswiderstands (Hagen-Poiseuille-Gesetz) und bewirkt damit
efferenten Arteriolen gebildet, welche daher die wichtigsten, eine Konstanz von RBF und GFR
896 Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts
4 Regulation durch Neurotransmitter, die aus den sympa- der Basalmembran an der Außenseite der Kapillaren und
thischen Nierennerven freigesetzt werden. Noradre- den Schlitzen zwischen den Fußfortsätzen der Podozyten
nalin führt über α1-Rezeptoren und Aktivierung des besteht (. Abb. 28.2), wird in den Glomeruli aus dem Blut-
Phospholipase-C-(PLC)-Signalwegs zur Gefäßkon- plasma der Primärharn abgefiltert und über die als Trichter
traktion und damit zur Widerstandserhöhung, wäh- wirkende Bowman-Kapsel dem Harnkanalsystem zuge-
rend Dopamin über D-1-Rezeptoren und Aktivierung leitet. Die Poren der Endothelzellen (Durchmesser 50–
des cAMP-Signalwegs die Arteriolen relaxiert und 100 nm) verhindern den Durchtritt von Blutzellen. Die
damit den Widerstand senkt. Bei stärkerer Aktivierung dreischichtige 300 nm dicke Basalmembran enthält Lami-
der Nierennerven überwiegt die konstriktorische Wir- nin, Fibronectin und Kollagen-Typ IV und stellt einen me-
kung des Noradrenalins, was dazu führt, dass im Kreis- chanischen Filter für Stoffe dar, deren relative Molekül-
laufschock die Niere durch den Blutdruckabfall bei masse größer als 400 kDa ist. Je 2 Kollagen IV-Monomere
gleichzeitigem Anstieg des Nierenperfusionswider- assoziieren am C-Terminus und jeweils 4 Monomere am
stands sehr schlecht durchblutet wird, was ein akutes N-Terminus. Durch diese Assoziation bildet sich ein supra-
Nierenversagen nach sich ziehen kann molekulares Maschenwerk aus (7 Kap. 26.2.2). Die Tripel-
4 Die afferenten und efferenten Widerstände werden helix des Kollagens IV wird aus unterschiedlichen D-(IV)-
auch von einer Reihe von parakrinen Faktoren und von Ketten aufgebaut. Insgesamt sind bisher 6 Varianten der
Hormonen beeinflusst. So erhöhen Angiotensin II, D-(IV)-Ketten bekannt. Eine dieser Ketten, die D-III(IV),
Serotonin, Endotheline und Thromboxan über den findet sich nur in der Basalmembran der Nierenglomeruli,
PLC-Signalweg den Widerstand, während PGE2, PGI2 der Lungenalveolen und einigen anderen Basalmembranen.
über den cAMP-Signalweg und atriales natriuretisches Das erklärt warum bei einzelnen Erkrankungen, die mit
Peptid (ANP) sowie das aus dem Endothel freigesetzte Schädigungen der Basalmembran einhergehen, bevorzugt
28 Stickoxid (NO) über den cGMP-Signalweg den Gefäß- Lungen und Nieren betroffen sind. Die Fortsätze der Podo-
widerstand erniedrigen zyten stehen mit verbreiterten Füßchen direkt auf der Ba-
salmembran und lassen zwischen sich Schlitze frei, welche
in vivo schmäler als 5 nm sind. Der effektive Porenradius
28.1.2 Aufbau und Funktion der Glomeruli des Glomerulusfilters beträgt etwa 1,5–4,5 nm. Damit kön-
nen im Prinzip Moleküle mit einer Masse bis zu 5 kDa un-
! In den Glomeruli werden wasserlösliche Plasmabe- gehindert filtriert werden (. Tabelle 28.1). Darunter fallen
standteile nach ihrer Größe und Ladung als Primärharn Stoffwechselendprodukte wie Harnstoff, Kreatinin, Harn-
abfiltriert. säure etc., aber auch für den Körper wertvolle Substanzen
wie Wasser, Monosaccharide, Aminosäuren, Peptide, Elek-
Aufbau eines Glomerulus. Die 1–1,5 Millionen Glomeruli trolyte etc.
(. Abb. 28.2) in jeder Nierenrinde verbinden das Blutgefäß-
mit dem Harnkanalsystem. Sie haben einen Durchmesser Filtration nach Ladung. Die Fußfortsätze der Podozyten
von 150–300 μm und bestehen aus ca. 30 miteinander ver- sind von einer dicken negativ geladenen neuraminsäu-
bundenen Kapillarschlingen, die sich aus einer afferenten rereichen Glycocalix (Hauptprotein Podocalixin, Mw
Arteriole aufteilen. Ein Glomerulus enthält 3 Zelltypen: 144 kDa) überzogen, welche die Moleküldurchlässigkeit
4 gefensterte Endothelzellen, welche die Kapillarschlin- durch die Filtrationsschlitze noch zusätzlich hinsichtlich
gen innen auskleiden der Ladung der Stoffe beeinflusst. Damit spielt für die Fil-
4 Podozyten, welche mit langen fußförmigen Fortsätzen trierbarkeit neben der mechanischen Einschränkung durch
außen auf den Kapillarschlingen aufsitzen und die Molekülgröße auch die Nettoladung der Moleküle eine
4 Mesangiumszellen im Inneren des Glomerulus, welche
der mechanischen Halterung und Stützung der Kapil- . Tabelle 28.1. Glomeruläre Filtrierbarkeit biologischer Moleküle
larschlingen dienen Molekül Molekülmasse Glomeruläre
(Da) Filtrierbarkeit
Im Rahmen von immunologischen Abwehrprozessen kön- Wasser 18 100%
nen die Mesangiumszellen stimuliert werden, worauf sie
Harnstoff 60 100%
über Expression von MHCII-Komplexen (7 Kap. 34.2.2)
Glucose 180 100%
zur Antigenpräsentation fähig werden und große Mengen
an Cytokinen (z.B. IL-1E, TNF-D) bilden. Diese Vorgänge Insulin 5500 99%
spielen eine Rolle bei intraglomerulären Entzündungsvor- Myoglobin 16000 75%
gänge (z.B. Glomerulonephritis). Ovalbumin 43500 22%
Hämoglobin 64000 3%
Filtration nach Molekülgröße. Durch einen dreilagigen Fil-
Albumin 66248 1%
ter, der aus dem fenestrierten Endothel im Kapillarinneren,
28.1 · Die Niere
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. Abb. 28.2. a Schematische Darstellung eines Nierenglomeru- produzierenden Epitheloidzellen in der Wand der afferenten Arteriolen
lus mit juxtaglomerulärem Apparat. Der juxtaglomeruläre Apparat im Einmündungsbereich in das Glomerulus und die tubulären Macula
besteht aus 3 Zelltypen, die alle miteinander in Kontakt stehen. Dies densa-Zellen, welche den Endabschnitt der dicken aufsteigenden
sind die extraglomerulären Mesangiumzellen, die sich zwischen der af- Henle-Schleife (. Abb. 28.3 in Kap. 28.1.3) bilden. (Aus Schmidt et al.
ferenten und efferenten Arteriole nach außerhalb erstrecken, die renin- 2000) b Schematische Darstellung der glomerulären Filtermembran
wichtige Rolle. Moleküle mit negativer Ladung treten Aufgrund einer Druckdifferenz zwischen dem Kapillar-
schwerer als solche mit positiver Ladung in die Schlitze inneren und der Bowman-Kapsel werden ca. 20% des
zwischen den negativ geladenen Podozytenfortsätzen ein. durchfließenden Plasmavolumens als wässriger, zellfreier
Das ist funktionell besonders bedeutsam für die Protein- und eiweißarmer Primärharn abfiltriert. In beiden Nieren
filtration, da die Plasma-Eiweißmoleküle in der Regel eine eines Erwachsenen werden zusammen pro Minute im
negative Überschussladung tragen, was neben ihrer Größe Normalfall ca. 125 ml Plasma-Ultrafiltrat als Primärharn
die Filtrierbarkeit zusätzlich reduziert. erzeugt. Dieser Wert wird als glomeruläre Filtrationsrate
(GFR) bezeichnet.
! Mehrere Sicherungsmechanismen sorgen für eine Da die Nierenfunktion des Menschen auf eine gleich
Konstanz der glomerulären Filtration. bleibende Filtrationsleistung (GFR) ausgelegt ist, haben
898 Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts
28
. Abb. 28.3. Anordnung der Nephronsegmente und des Sam- Teil; 2 proximaler Tubulus, gerader Teil; 3 dünne absteigende Henle-
melrohrsystems in den verschiedenen Nierenzonen. Zu beachten Schleife; 4 dünne aufsteigende Henle-Schleife; 5 dicke aufsteigende
ist die charakteristische Ultrastruktur der jeweiligen Tubulusabschnit- Henle-Schleife; 6 Macula densa; 7 distaler Tubulus, gewundener Teil;
te, insbesondere die Ausbildung des Bürstensaums zur Oberflächen- 8 Verbindungstubulus; 9 corticales Sammelrohr (Hauptzelle); 10 inner-
vergrößerung und die Größe und Dichte von Mitochondrien als Aus- medulläres Sammelrohr (Hauptzelle). (Modifiziert nach Kaissling u.
druck aerober Energiegewinnung. 1 proximaler Tubulus, gewundener Kriz aus Seldin u. Giebisch 2000)
28.1 · Die Niere
899 28
sich verschiedene Mechanismen entwickelt, die möglichen das Nierenbecken einmünden. Die Nephrone eines Men-
Schwankungen der GFR entgegensteuern: schen haben je nach Länge der Henle-Schleife eine Gesamt-
4 Die Autoregulation der Nierendurchblutung (7 o.), länge von 3–4 cm, die Sammelrohre sind im Mittel noch
welche auf einer myogenen Reaktion der afferenten 2 cm lang.
Arteriolen (. Abb. 28.1) und dem tubulo-glomeru-
! Der Extrazellulärraum der Niere ist kompartimentiert.
lären Feedback (TGF) beruht. Dabei setzen die Macula
densa Zellen des juxtaglomerulären Apparates (. Abb. Das Harnkanalsystem durchzieht zweimal die Nierenrinde
28.2) bei erhöhtem Salztransport (infolge erhöhter und zweimal das Nierenmark und wechselt dabei jeweils
GFR) ATP frei. Dieses wird durch die 5c-Ektonucleo- die Umgebungsbedingungen im Extrazellulärraum: Zwi-
tidase in Adenosin gespalten, welches wiederum die schen Rinde und Mark bestehen wesentliche Unterschiede
afferenten Arteriolen konstringiert (A1-Rezeptoren) in den O2-Partialdrucken (. Abb. 28.4). Wegen der relativ
4 Bei Abfall des Nierenarteriendrucks sezernieren Epi- geringen Durchblutung des Nierenmarks nimmt die O2-
theloidzellen des juxtaglomerulären Apparats am glo- Versorgung von der Nierenrinde bis zur Papille hin ab.
merulären Ende der afferenten Arteriolen das ge- Dementsprechend findet man die höchsten mittleren O2-
speicherte Renin, welches über eine Reaktionskaskade Drucke in der Rinde (ca. 80 mmHg), die dann zur Papillen-
(Renin-Angiotensin-System, 7 u.) zur Bildung von An- spitze bis auf 10 mmHg abfallen.
giotensin II führt. Angiotensin II erhöht den arteriellen Zwischen Rinde und Mark bestehen auch wesentliche
Blutdruck und konstringiert in der Niere präferentiell Unterschiede in der Osmolarität des Interstitiums, welche
die efferenten Arteriolen. Beide Ereignisse zusammen in der Rinde 290 mosmol beträgt und bis zur Papillenspitze
führen zu einem Wiederanstieg des hydrostatischen auf 1300 mosmol/l ansteigt (. Abb. 28.4). Die Erhöhung
Drucks in den Glomeruluskapillaren und damit zur der Osmolarität beruht je zur Hälfte auf einem Anstieg der
Aufrechterhaltung der GFR interstitiellen NaCl und Harnstoffkonzentration. Dieser
Osmolaritätsgradient ist für die Wasserresorption in der
Niere essentiell (zu seiner Entstehung 7 Lehrbücher der Phy-
28.1.3 Aufbau des Harnkanalsystems siologie).
28
. Abb. 28.4. Profil des Sauerstoffdrucks (oben) und der Osmolarität (unten) im Interstitium der verschiedenen Nierenzonen
. Abb. 28.5a–o. Zonal spezifische Expression von Membran- boxylat-Cotransporter (SDCT2); h Glutamat-Transporter; i Kationen-
transport-Proteinen in der Rattenniere. Der Nachweis der Expres- Transporter (DCT1); j Harnstofftransporter (UT3); k Natrium-Calcium-
sion der jeweiligen Proteine erfolgte durch in situ Hybridisierung. Austauscher; l Harnstofftransporter (UT2); m Harnstofftransporter
a Natrium-Glucose-Cotransporter (SGLT2); b Natrium-Hydrogencar- (UT1); n Glutamat-Transporter (GLAST); o Kontrolle. Der Balken in (o)
bonat Cotransporter; c Natrium-Vitamin-C-Cotransporter (SVCT1); bezeichnet eine Länge von 2 mm. (Nach Berger et al. aus Seldin u.
d Peptid-Transporter (PEPT2); e Natrium-Dicarboxylat-Cotransporter Giebisch 2000)
(SDCT1); f Natrium-Glucose-Cotransporter (SLGT1); g Natrium-Dicar-
902 Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts
28
. Abb. 28.6. Die Mechanismen der Natriumresorption in den ATP-abhängige, offene Symbole sekundär aktive oder passive Trans-
verschiedenen Tubulusabschnitten. Geschlossene Symbole geben portvorgänge wieder. AS = Aminosäuren (Einzelheiten 7 Text)
! Über 99% des filtrierten Natriums werden im Tubulus- ren oder Säureanionen (7 u.) oder durch Antiport mit
system reabsorbiert. Protonen. Der Na+/H+-Austauscher befördert pro ein-
tretendem Na+-Ion ein Proton aus der Tubuluszelle in die
Das glomerulär filtrierte Na+ (23 mol/Tag) wird zu etwa Tubulusflüssigkeit (. Abb. 28.7). Der Mechanismus der
65% im proximalen Tubulus, zu 25% in der aufsteigenden Regenerierung der für den Na+-Transport benötigten Pro-
Henle-Schleife, zu 7% im distalen Tubulus und zu 3% im tonen ist in . Abb. 28.8 dargestellt und entspricht einem
Verbindungstubulus/Sammelrohr rückresorbiert. Im Nor- gleichartigen Transportsystem im Ileum (7 Kap. 32.2.4).
malfall werden weniger als 1% des filtrierten Natriums mit Eine nicht selektive passive Na+-Resorption im proximalen
dem Urin ausgeschieden (. Abb. 28.6). Tubulus erfolgt zusätzlich durch den starken parazellulä-
Allgemeine Triebkraft für die Na+-Resorption ist das ren Wasserfluss (solvent drag,7 u.). Die Na+-Resorption im
zelleinwärts gerichtete Konzentrationsgefälle für Natrium proximalen Tubulus wird durch Angiotensin II stimuliert
zwischen der Tubulusflüssigkeit und der Tubuluszelle. (7 Kap. 28.1.10).
Dieses Konzentrationsgefälle wird durch die Aktivität der
Na+/K+-ATPase (7 Kap. 6.1.5) erzeugt, welche in der baso- Dünner aufsteigender Teil der Henle-Schleife. Hier wird
lateralen Membran der Tubuluszellen lokalisiert ist. Natrium passiv reabsorbiert. Diese Tubuluszellen besitzen
Der Mechanismus der Na+-Aufnahme in die Tubulus- eine hohe Chloridpermeabilität wegen zahlreicher Chlorid-
zellen hängt von deren Lokalisation ab: kanäle (ClC-Ka, chloride channel-kidney a) in der lumi-
nalen und basolateralen Membran. Da die Interzellularkon-
Proximaler Tubulus. Hier erfolgt die apikale Na+-Aufnah- takte in diesem Tubulusabschnitt für Kationen permeabel
me hauptsächlich durch Symport mit Glucose, Aminosäu- sind, diffundiert aufgrund eines starken Konzentrations-
28.1 · Die Niere
903 28
. Abb. 28.7. Modell der Membranintegration des Na/H-Austau- das C-terminale cytosolische Ende. In der Zellmembran bilden wahr-
schers-1 (NHE-1). Die Zylinder stellen die transmembranären Do- scheinlich zwei Antiportmoleküle ein Dimer. (Verändert nach Ritter M
mänen dar. Die für den Ionentransport verantwortlichen Domänen et al. Cell Physiol Biochem 2001)
sind rot hervorgehoben. Die Regulation der Aktivität erfolgt über
gradienten zwischen der aufkonzentrierten Tubulusflüssig- Seite. Dabei entsteht bei diesem Transport eine negative
keit und dem Interstitium NaCl passiv aus der Tubulusflüs- Überschussladung im Interstitium. Diese Potentialdifferenz
sigkeit in das Interstitium. treibt Kationen (Na+, Mg2+, Ca2+, NH4+) parazellulär in das
Interstitium.
Dicker aufsteigender Teil der Henle-Schleife. Na+ wird
hier über einen Na+/K+-2Cl–-Symport in der luminalen Konvolut des distalen Tubulus. Natrium wird über einen
Membran resorbiert. Über zahlreiche Kaliumkanäle in der luminalen NaCl-Symport reabsorbiert, wobei auch hier
luminalen Membran diffundieren die über den Cotrans- das Konzentrationsgefälle für Natrium zwischen der Tubu-
port in die Zelle eintretenden K+-Ionen zum größten Teil in lusflüssigkeit und der Tubuluszelle die Triebkraft für den
die Tubulusflüssigkeit zurück und stehen somit wieder für Cotransport liefert. Na+ wird basolateral hinausgepumpt
den Cotransport zur Verfügung. Die Cl–-Ionen verlassen und Chlorid verlässt die Zelle über einen KCl-Symport. Das
mittels Diffusion die Zelle über spezifische Chloridkanäle hierfür benötigte K+ rezirkuliert über die Aktivität der
(ClC-Kb, chloride channel-kidney b) und zu einem gerin- Na+/K+-ATPase.
geren Teil über einen KCl-Symport an der basolateralen
Überleitungsstück und Sammelrohr. Die Na+-Reabsorp-
tion erfolgt über spezifische Na+-Kanäle in der apikalen
Membran der Hauptzellen, während K+ im Gegenzug durch
apikale K+-Kanäle aus der Hauptzelle in die Tubulusflüs-
sigkeit diffundiert. Da basolateral über die Na+/K+-ATPase
Na+ aus der Zelle und K+ in die Zelle gepumpt werden, fin-
det in den Hauptzellen somit netto eine Natriumresorption
und eine Kaliumsekretion statt. Die Zahl und Aktivität der
Na+-Kanäle und der Na+/K+-ATPase in den Hauptzellen
wird durch das Nebennierenrindenhormon Aldosteron
(7 u.) gesteigert.
! Filtriertes Wasser wird zu 99% wieder reabsorbiert.
28
. Abb. 28.9. Die Mechanismen der Wasserresorption in den verschiedenen Tubulusabschnitten. AP = Aquaporin (Einzelheiten 7 Text)
weniger als 1% des filtrierten Wassers mit dem Urin ausge- ebenfalls gut wasserdurchlässig. Da durch die Elektrolyt-
schieden. Durch die transzelluläre Resorption von Natrium Resorptionsaktivität der vorgeschalteten wasserimper-
und anderen osmotisch wirksamen Molekülen (z.B. Mono- meablen dicken aufsteigenden Henle-Schleife die Tubulus-
saccharide, 7 u.) im proximalen Tubulus sinkt die Osmo- flüssigkeit hypoton (100 mosmol/l) wurde, strömt im dis-
larität der Tubulusflüssigkeit gegenüber dem Niereninter- talen Tubulus zum Osmolaritätsausgleich Wasser aus dem
stitium ab. Zum Osmolaritätsausgleich strömt nun Wasser Tubulus in das Interstitium und wird so resorbiert.
aus dem Tubuluslumen in das Interstitium. Dies geschieht Die Einstellung der endgültigen Urinosmolarität er-
zum einen transzellulär durch spezifische Wasserkanäle folgt über die Hauptzellen des Verbindungstubulus und des
(Aquaporin 1) in der Membran der proximalen Tubulus- Sammelrohrs. Die Sammelrohre tauchen auf ihrem Wege
zellen und zum anderen parazellulär durch die Interzellu- von der Rinde (in den Markstrahlen) an die Papillenspitze
larverbindungen zwischen den Zellen Bei diesem starken in Regionen zunehmender Osmolarität ein (. Abb. 28.4).
parazellulären Wasserfluss werden gleichzeitig Ionen (z.B. Da der aus dem distalen Tubulus in das Sammelrohrsystem
Na+, K+, Ca2+, Mg2+ und Cl–) entsprechend ihrer Konzen- geleitete Harn plasma-isoton ist, entsteht mit zunehmender
tration mitgerissen (solvent drag) und so resorbiert. Passage durch das Sammelrohrsystem ein immer größerer
Das Tubulusepithel des dünnen absteigenden Teils der osmotischer Gradient zwischen dem Niereninterstitium
Henle-Schleife enthält spezifische Wasserkanäle (Aquapo- und der Tubulusflüssigkeit und damit ein zunehmender
rin 1) und ist daher gut wasserdurchlässig. Da das Intersti- Sog auf das Wasser im Tubuluslumen. Die Interzellularkon-
tium des Nierenmarks und der Papille hyperton gegenüber takte im Sammelrohr sind wasserimpermeabel. Deshalb
dem Plasma ist (. Abb. 28.4), wird im Bereich der dünnen kann das Wasser nur transzellulär durch die Zellen aus dem
absteigenden Henle-Schleife Wasser aus der Tubulusflüs- Tubulus in das Interstitium diffundieren.
sigkeit entzogen, wodurch der Harn konzentriert wird. Wie Die Diffusion durch die luminale und basolaterale
stark, hängt von der Länge der Schleife ab. Das Epithel des Membran erfolgt durch Aquaporine (7 Kap. 6.1). In der
Konvoluts des distalen Tubulus in der Nierenrinde ist luminalen Membran der Hauptzellen findet man Aqua-
28.1 · Die Niere
905 28
Glucose weiter zu resorbieren. Dies wird dann durch den Charakters häufig an Plasmaproteine gebunden sind und
SGLT1 bewerkstelligt, der ein Glucosemolekül zusammen deshalb glomerulär nicht filtriert werden können, stellt die
mit zwei Na+-Ionen transportiert. Dieses Monosaccharid- tubuläre Sekretion den Haupteliminationsmechanismus
transportsystem hat zwar eine hohe Affinität für Glucose, dar. Ebenso werden endogene Kationen, wie z.B. Cholin,
kommt jedoch in geringerer Menge vor und hat deswegen biogene Amine etc. im proximalen Tubulus in der Regel
eine niedrigere Transportkapazität. SGLT1, der auch die sezerniert. Dazu werden die organischen Kationen mittels
Glucoseresorption im Darm vermittelt, wird vor allem im des polyspezifischen Uniporters OCT2 (organic cation
Endabschnitt des proximalen Tubulus exprimiert und sorgt transporter) basolateral in die Zelle aufgenommen und
dafür, dass im Normalfall die gesamte filtrierte Glucose luminal über einen polyspezifischen Kationen/Protonen-
aus dem Primärharn rückresorbiert wird. Die luminal auf- Antiporter abgegeben.
genommene Glucose verlässt die proximale Tubuluszelle
basolateral wieder mittels des spezifischen (Natrium-unab- Säureanionen. Anorganische (z.B. Phosphat etc.) aber
hängigen) Uniporters GLUT2 (7 Kap. 11.4.1). auch kleine organische (z.B. Acetat etc.) Anionen wer-
Die tubuläre Resorption von Galactose erfolgt ebenfalls den normalerweise mittels Na+-gekoppelten Cotransport-
über den SGLT1. Fructose hingegen wird luminal über ei- Systeme (Na+-Mono(Di)carboxylat-Cotransporter, Na+-
nen Na-unabhängigen Uniporter (GLUT5) in die proximale Phosphat-Cotransporter etc.) über die luminale Membran
Tubuluszelle transportiert. aufgenommen und in den Zellen des proximalen Tubulus
angereichert. Durch die basolaterale Membran werden
! Filtrierte Proteine, Peptide und Aminosäuren werden
diese Anionen mit Hilfe passiver Transportsysteme wieder
fast vollständig resorbiert.
ausgeschleust.
Trotz der weitgehenden Impermeabilität des glomerulären Zahlreiche größere Anionen, dazu zählen oft auch
28 Filters gelangen täglich einige Gramm Albumin und eine Medikamente, werden über den proximalen Tubulus in den
Reihe anderer Proteine in das Primärfiltrat. Albumin wird Harn sezerniert. In diesem Fall werden die Anionen baso-
wie auch andere Proteine mittels des Megalinrezeptors lateral mittels des polyspezifischen Anionenaustauscher
(7 Kap. 23.2.2) über clathrinabhängige Endozytose in die OAT1 (organic anion transporter) in den proximalen Tubu-
proximale Tubuluszelle aufgenommen und darin lysosomal lus hineintransportiert und luminal über einen anderen
abgebaut. Anionentransporter ausgeschleust.
Größere Peptide werden über Endozytose (Pinozytose)
in die proximale Tubuluszelle aufgenommen und darin in Spezifität der Transportsysteme. Die Transportsysteme,
Lysosomen in einzelne Aminosäuren zerlegt. Oligo- und welche die renale Sekretion von organischen Säuren und
Polypeptide werden durch Peptidasen des Bürstensaums Basen vermitteln, sind polyspezifisch, das heißt, sie akzep-
in Bruchstücke zerlegt und dabei entstehende Di- und Tri- tieren Substanzen unterschiedlicher Struktur als Substrat
Peptide über einen protonengekoppelten Transport direkt und unterscheiden nicht zwischen körpereigenen Subs-
in die proximale Tubuluszelle aufgenommen. tanzen oder Fremdstoffen. Da alle Transportsysteme ein
Freie Aminosäuren, welche entweder durch glomeru- begrenztes Transportmaximum haben, kann durch Fremd-
läre Filtration oder durch luminalen Proteinabbau in den stoffe wie z.B. Medikamente die Sekretion von körper-
proximalen Tubulus gelangen, werden dort vollständig re- eigenen Abfallstoffen vermindert werden, was zur Akku-
absorbiert. Anionische (Glutamat, Aspartat) und neutrale mulation dieser Stoffe im Körper führen und entsprechende
Aminosäuren (Alanin, Glycin etc.) werden durch verschie- Krankheitserscheinungen auslösen kann.
dene luminale Natrium-gekoppelte Cotransportport- Eine besondere Rolle spielen diese Zusammenhänge bei
systeme aufgenommen, kationische (Arginin, Glutamin, der Entstehung und der Therapie der Gicht (7 Kap. 19.4.1).
Lysin, Ornithin) Aminosäuren und Zystin werden über
Natrium-unabhängige Transportsysteme resorbiert.
Durch diese sehr effektiven Rückresorptionsmechanis- 28.1.7 Transport von Protonen
men wird die Proteinurie im Endurin unter 30 mg pro Tag und Hydrogencarbonat
gehalten.
! Protonensekretion und Hydrogencarbonatresorption
sind miteinander gekoppelt und erfolgen im proxima-
28.1.6 Säure-Basen-Transport len Tubulus und im Sammelrohr.
der Tubulusepithelien
Im Stoffwechsel des Menschen entstehen täglich je nach
! Organische Basen und Säuren können im proximalen
Nahrungszusammensetzung 50–100 mmol nichtflüchtige
Tubulus sowohl resorbiert wie auch sezerniert werden.
Säuren, deren Protonen über die Niere ausgeschieden
Organische Kationen. Für die Ausscheidung zahlreicher werden müssen. Dafür stehen drei Mechanismen zur Ver-
kationischer Medikamente, die wegen ihres hydrophoben fügung:
28.1 · Die Niere
907 28
. Abb. 28.12. Schaltzellen Typ A und B. a Protonen-sezernierende/ nung der Mitochondrien und der oberflächenvergrößernden Mikro-
Hydrogencarbonat-reabsorbierende Schaltzelle Typ A. b Hydrogen- villi hingewiesen. (Modifiziert nach Kaissling und Kriz aus Seldin u.
carbonat-sezernierende/Protonen-reabsorbierende Schaltzelle Typ B. Giebisch 2000)
Links: Funktionsschema. Rechts: Ultrastruktur. Es sei auf die Umord-
4 Na+/H+-Austausch im proximalen Tubulus. Bei der dem Extrazellulärraum zu (. Abb. 28.12b). Zugrunde
Sekretion der Protonen in den Urin wird in der pro- liegt wiederum eine intrazelluläre Bildung von Hydro-
ximalen Tubuluszelle CO2, das entweder aus dem gencarbonat und Protonen. Das Verhältnis von Typ-A-
Stoffwechsel der Zelle selbst stammt bzw. aus der Tubu- zu Typ-B-Schaltzellen ist dabei variabel, da sie ineinan-
lusflüssigkeit oder dem Blut entnommen wird, unter der übergehen können. Je höher die Protonenkon-
Katalyse des Enzyms Carboanhydrase II in Hydro- zentration im Blut ist, umso höher ist die Zahl der
gencarbonat und Protonen umgewandelt. Während protonensezernierenden Typ-A-Zellen und umge-
letztere im Austausch gegen Natrium in die Tubulus- kehrt
flüssigkeit diffundieren, tritt Hydrogencarbonat im 4 Desaminierung von Glutamin im proximalen Tubu-
Cotransport mit Natrium (Stöchiometrie 3:1) in den lus. Glutamin wird in den perivenösen Zellen der Leber
Extrazellulärraum (. Abb. 28.8). Die intrazelluläre unter Energieaufwand durch die Glutaminsynthetase
Kohlensäureproduktion ist dabei direkt abhängig vom aus Glutamat unter Verbrauch von NH3 und H+ syntheti-
pCO2. Je höher der pCO2 in der Zelle, umso mehr Pro- siert (7 Kap. 13.1.2). Glutamin wird von der Leber in die
tonen werden sezerniert und Hydrogencarbonat-Ionen Zirkulation abgegeben, wo es mit 600–800 mmol/l die
reabsorbiert. Sinkt der pCO2, dann sinken ebenfalls weitaus höchste Plasmakonzentration aller Aminosäu-
die Protonenausscheidung und die Hydrogencarbonat- ren erreicht. Es wird glomerulär filtriert und im proxi-
resorption malen Tubulus mit anderen Aminosäuren resorbiert.
4 Protonen- und Hydrogencarbonatsekretion im Sam- Zusammen mit der zusätzlichen Aufnahme aus dem
melrohr. Schaltzellen des Typs A im Sammelrohr se- Blut steht dem proximalen Tubulus damit Glutamin in
zernieren Protonen in den Urin (H+-ATPasen) und beträchtlichem Umfang zur Desaminierung zu Glu-
führen Hydrogencarbonat dem Extrazellulärraum zu tamat zur Verfügung (. Abb. 28.13). Das entstehende
(. Abb. 28.12a). Schaltzellen des Typs B sezernieren NH4+ enthält damit ein Proton, welches dem Leber-
Hydrogencarbonat in den Urin und führen Protonen stoffwechsel entnommen wurde. Durch eine weitere
908 Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts
Dihydrogenphosphat-Hydrogenphosphat-System. Dieses
Puffersystem weist im Glomerulumfiltrat eine annähernd
gleiche Konzentration wie im Plasma auf (1 mmol/l) und
liegt beim pH-Wert des Glomerulumfiltrats (7,40) zu 80%
. Abb. 28.13. Verknüpfung von Glutaminabbau und Protonen- als Hydrogen- und zu 20% als Dihydrogenphosphat (Ver-
ausscheidung. (Einzelheiten 7 Text) hältnis 4:1) vor. Aufgrund der günstigen Lage seines pKc-
Werts mit 6,80 (pH = pKc ± 1 bei nichtflüchtigen Puffer-
systemen!) eignet es sich vorzüglich zur Urinpufferung.
Desaminierung von Glutamat zu D-Ketoglutarat ent- Erst bei einem pH-Wert von 4,5 ist nahezu das gesamte
steht dann ein weiteres NH4+. Sein Proton entstammt Hydrogenphosphat durch Aufnahme von Protonen nach
der Protonierung der D-Aminogruppe des Glutamats der Gleichung
und ist damit auch dem Stoffwechsel entzogen worden.
Die Bereitstellung von Glutamin seitens der Leber und
die Desaminierung von Glutamin in der Niere sind
28 pH-abhängig: Beide Prozesse werden bei einem Anstieg in Dihydrogenphosphat umgewandelt. Auf diese Weise
der Protonenkonzentration aktiviert und bei einem Ab- werden bis zu 50% der Protonen im Urin von diesem Puf-
fall entsprechend blockiert. Bei schwerer Azidose kann fersystem aufgenommen.
die Niere pro Tag 300–400 mmol NH4+ produzieren; Durch Titration des Urins mit Base (NaOH 0,1 mol/l)
allerdings benötigt sie für die erforderliche Anpassung wird diese Pufferung – in vitro – rückgängig gemacht und
mehrere Tage. NH4+-Ionen werden von der dicken auf- damit die abgepufferten Protonen quantitativ erfasst. Die-
steigenden Henle-Schleife auch anstelle von K+ mit dem ser als titrierbare Acidität des Urins bezeichnete Anteil be-
Na+/K+/2Cl–-Cotransporter resorbiert und so im Nie- trägt beim Gesunden zwischen 10 und 40 mmol/24 h.
renmark akkumuliert, von wo sie direkt in das Sammel- Die titrierbare Acidität des Urins steigt bei Säurebelas-
rohr diffundieren und so zum Teil zumindest den Weg tung spontan an.
durch die Rinde abkürzen
Ammonium-/Ammoniak-System. Eine weitere Pufferungs-
! Die Ausscheidung von Protonen über den Urin erfor-
möglichkeit ist die Bildung von Ammoniak, die im Gegen-
dert effektive Puffer.
satz zu der des Phosphatpuffersystems in den Tubuluszellen
Die Nieren des Menschen können so täglich bis zu erfolgt. Da die Konzentration von Ammoniak im Extrazel-
1000 mmol (1 mol) Protonen ausscheiden bzw. 300– lulärraum und damit auch im Glomerulumfiltrat aufgrund
400 mmol einsparen. Die Nierentubuli sind imstande, die der entgiftenden Aktivität der Hepatozyten sehr niedrig ist,
Wasserstoffionenkonzentration im Urin bis auf das 1000– muss das von den Tubuluszellen in den Urin freigesetzte
fache zu erhöhen, von 40 nmol/l (der Konzentration im Ammoniak aus anderen Quellen stammen. Wesentlicher
Blut und Glomerulumfiltrat) auf 40000 nmol/l (der Kon- Ammoniakdonator ist die Aminosäure Glutamin, die in
zentration im Urin bei einem pH von 4,4). Diese 0,04 mmol/ verschiedenen Geweben (Muskulatur, Gehirn, Leber) aus
l sind jedoch nur ein sehr geringer Teil der täglichen Pro- Glutamat und freiem Ammoniak gebildet wird, in den Ex-
duktion. Sollte die tägliche Bildung von durchschnittlich trazellulärraum übertritt und von den Tubuluszellen aus
60 mmol Protonen in der Tagesmenge von 1,5 l Urin aus- dem arteriellen Blut entnommen wird. Das in den Zellen
geschieden werden (entsprechend 40 mmol/l Urin), dann des distalen und proximalen Tubulus sowie der Sammel-
müsste ein Urin mit einem pH-Wert von 1,4 gebildet wer- rohre durch enzymatische Hydrolyse aus Glutamin freige-
den. Tatsächlich wird aber ein Urin-pH-Wert von 4,5 (Re- setzte Ammoniak diffundiert in das Lumen und wirkt dort
gelbereich 4,5–8,2) nicht unterschritten, weil die Protonen- als Protonenakzeptor nach der Gleichung
pumpen im Sammelrohr nur maximal gegen eine H+-Kon-
zentration von 30 mmol/l (pH 4.5) arbeiten können.
Folglich können die anfallenden Protonen nur zum ge-
ringen Teil in freier Form, sondern hauptsächlich nur in Das entstandene Ammoniumion kann aufgrund seiner La-
gebundener (gepufferter) Form im Endharn ausgeschie- dung die Tubulusmembran nicht permeieren und verbleibt
den werden (7 Kap. 28.2.1). Bei einem durchschnittlichen daher im Urin.
28.1 · Die Niere
909 28
Die NH4+-Ausscheidung beträgt beim Gesunden etwa erscheinungen und später zur vollen Ausbildung des kli-
30–50 mmol/24 h. Während das Phosphatpuffersystem auf nischen Bilds, zur Urämie.
eine Säurebelastung sofort anspricht, steigt die Ammonium- Neben der Erhöhung der harnpflichtigen Substanzen
ausscheidung erst innerhalb mehrerer Tage allmählich an. lassen sich regelmäßig Fehlregulationen des Wasser- (Was-
Sie kann dafür jedoch erheblich stärker gesteigert werden serretention, Anstieg der Plasmaosmolarität durch Harn-
als die titrierbare Acidität und Werte bis zu 500 mmol/24 h stoff), Elektrolyt- (ungenügende Kaliumausscheidung) und
erreichen. Ammoniak eignet sich besonders als Puffer, da des Säure-Basen-Haushalts (verminderte Protonenaus-
es als Endprodukt des Stickstoffstoffwechsels in nahezu scheidung) beobachten. Diese Veränderungen, sowie das
unbegrenzter Menge zur Verfügung steht. Es wird zwar Auftreten von Urämietoxinen wie Guanidinen, Phenolen
in Aminierungsreaktionen (Glutamatdehydrogenase- und und Aminen, führen zu gravierenden Störungen des Zell-
Glutaminsynthetasereaktion) teilweise wieder fixiert (wie stoffwechsels (z.B. Hemmung der mitochondrialen ATP-
Kohlendioxid in Carboxylierungsreaktionen), in der tie- Bildung).
rischen Zelle gibt es jedoch keine Nettofixierung dieser Die Behandlung der chronischen Niereninsuffizienz
Endprodukte. Bei Säurebelastungen – wie z.B. bei länger besteht in der Entfernung der Urämietoxine und harn-
dauerndem Hunger, der mit einer Ketoazidose einhergeht pflichtigen Stoffe sowie der Korrektur der Elektrolytentglei-
– wird deshalb mehr Stickstoff in Form von Ammoniak als sungen durch Dialyseverfahren wie Hämo- oder Peritoneal-
in Form von Harnstoff ausgeschieden. dialyse. Durch die Entwicklung immer spezifischerer und
Der pK-Wert des Ammonium-/Ammoniak-Puffer- nebenwirkungsärmerer Immunsuppresiva ist die Nieren-
systems liegt mit 9,40 relativ ungünstig zum pH-Wert des transplantation zur Erfolg versprechendsten Therapieform
Glomerulumfiltrats. Somit müsste dieser Puffer in einem der Niereninsuffizienz geworden.
geschlossenen System schlecht wirken. Da jedoch durch
die Tubuluszellen ständig Ammoniak nachgeliefert wird,
liegt der Puffer praktisch in einem offenen System vor. 28.1.9 Energiegewinnung in der Niere
Dem Urin können hohe Säuremengen zugeführt werden,
ohne dass sich der pH-Wert wesentlich ändert, weil in ! Die Natriumresorption determiniert wesentlich den
wässriger Lösung das Verhältnis von Ammonium-Ionen Energieverbrauch der Niere.
(NH4+) zu Ammoniak-Gas (NH3) sehr hoch ist (100:1 bei
pH 7,40). Die Zellen des proximalen Tubulus, der dicken aufstei-
genden Henle-Schleife und des Konvoluts des distalen Tu-
bulus besitzen eine hohe Dichte an Mitochondrien, welche
28.1.8 Ausscheidung harnpflichtiger palisadenartig an der basalen Zellmembran angeordnet
Substanzen sind. Dieser Mitochondrienreichtum ist ein Hinweis auf
den hohen Bedarf an oxidativ erzeugter Energie in Form
Die Eliminierung im Stoffwechsel entstehender toxischer von ATP. 80% des Energieumsatzes wird zum Betrieb der
Substanzen ist eine wichtige Funktion der Niere. Die dabei Na+/K+-ATPase verwendet, welche in der basalen Mem-
beteiligten Mechanismen sind in . Tabelle 28.3 zusammen- bran sitzt und den für den Natriumtransport wichtigen
gestellt. transzellulären Natriumgradienten erzeugt und aufrecht
erhält. Entsprechend korreliert der Energieverbrauch der
! Bei Niereninsuffizienz steht eine verminderte Ausschei-
Niere mit der tubulären Na+-Resorption (. Abb. 28.14), da
dungsfunktion im Vordergrund.
alle luminalen Na+-Aufnahmesysteme von diesem Gra-
Ist die Ausscheidungsfunktion beider Nieren aufgrund dienten abhängig sind. Weil die tubuläre Na+-Resorption
einer Erkrankung oder Schädigung chronisch einge- von der filtrierten Na+-Menge abhängt, wird der Energie-
schränkt, so kommt es zunächst zu einem Anstieg der verbrauch der Niere von der glomerulären Filtrationsrate
harnpflichtigen Substanzen ohne allgemeine Vergiftungs- (GFR) bestimmt.
. Tabelle 28.3. Die Mechanismen der Eliminierung der im Stoffwechsel entstehenden toxischen Substanzen
Verbindung Entstehung Mechanismus der Ausscheidung Ausscheidung/24 h
Ammoniak Aminosäurestoffwechsel Tubuläre Desaminierung von Glutamin; Ausscheidung als 20–50 mmol
Ammoniumionen
Harnstoff Harnstoffzyklus Glomeruläre Filtration, tubuläre Reabsorption 300–600 mmol
Harnsäure Purinabbau Glomeruläre Filtration, tubuläre Sekretion u. Reabsorption 2–12 mmol
Oxalat Abbau von Glycin Glomeruläre Filtration, tubuläre Sekretion u. Reabsorption 0,11–0,61 mmol
Kreatinin aus Kreatinin Glomeruläre Filtration 8–17 mmol
910 Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts
28
. Abb. 28.17. Abhängigkeit der Plasmakonzentration von Erythro-
poietin von der Hämoglobinkonzentration des Bluts bei Nieren-
gesunden und Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz
In Kürze
Die Niere besitzt ein streng organisiertes Blutgefäßsystem, 4 zur Resorption oder Sekretion anorganischer und
das die Glomeruli speist. An diesen entspringt ein speziell organischer Säuren und Basen.
aufgebautes Tubulussystem, das den filtrierten Primär-
harn zum Endharn aufbereitet und über das Sammelrohr- Der interstitielle Osmolaritätsgradient zwischen Mark und
system dem Nierenbecken zuleitet. Rinde ist die Voraussetzung für die Harnkonzentrierung
In den Glomeruli wird der Primärharn als Ultrafiltrat des im dünnen absteigenden Teil der Henle-Schleife und im
Blutplasmas gewonnen. Die Filtrationsrate des Primärharns Sammelrohr.
hängt vom effektiven Filtrationsdruck und der filtrierenden Der distale Tubulus resorbiert aktiv über 30% des
Kapillaroberfläche ab. Die Zusammensetzung des Primär- filtrierten NaCl, sowie Ammonium, Calcium, Magnesium
harns wird von der Filtereigenschaft des Glomerulus nach und Wasser. Im konvergierenden Sammelrohrsystem wird
Molekülradius und Molekülladung bestimmt. die Endzusammensetzung des Harns festgelegt.
Die tubuläre Natriumresorption bestimmt hauptsäch-
Im proximalen Tubulus werden: lich den Energieverbrauch der Niere. Die Energiegewin-
4 über 60% des filtrierten Wassers, Kochsalzes und nung erfolgt in der Rinde primär aerob, im Mark zuneh-
Kaliums resorbiert, mend auch anaerob, weil die Sauerstoffversorgung des
4 filtrierte Glucose und Aminosäuren vollständig und Nierenmarks wesentlich schlechter als die der Rinde ist.
Hydrogencarbonat zu über 90% resorbiert sowie
4 Ammoniak und Protonen in Form von Ammonium- Die Niere ist ein endokrines Organ:
ionen ausgeschieden. 4 Mit der Bildung und Freisetzung von Renin, kontrolliert
die Niere die Aktivität des Renin-Angiotensin-Aldos-
Der proximale Tubulus hat die Fähigkeit: teron-Systems, das wesentlich zur Regulation des Blut-
4 zur Gluconeogenese, nutzt selbst aber keine Glucose drucks und des Extrazellulärvolumens beiträgt.
sondern Fettsäuren zur oxidativen Energiegewinnung 4 Mit der Bildung von Erythropoietin steuert die Niere
und essentiell die Neubildungsrate von Erythrozyten.
914 Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts
28.2 Der Endharn (Urin) durch bakterielle Zersetzung von Harnstoff in Ammoniak
(Ureasereaktion) stechend. Ein Obstgeruch weist auf die
28.2.1 Eigenschaften des Urins Ausscheidung von Aceton hin (Diabetes mellitus). Urin
schmeckt bitter und salzig.
! Der gesunde Mensch bildet in Abhängigkeit vom Alter
! Der Urin ist bei normaler Kost sauer.
und Geschlecht täglich zwischen 500 und 2000 ml Urin.
Mit der pH-Messung (Normalbereich pH 5,6–7,0) werden
Das Urinvolumen wird durch die Flüssigkeits- und Nah- nur die freien Protonen bestimmt, die weniger als 1% der
rungsaufnahme sowie durch extrarenale Flüssigkeitsabgabe von den Nieren täglich zu eliminierenden Wasserstoffionen
mit Schweiß (Klima!), Atmung und Stuhl (Durchfälle) be- ausmachen und somit keinen quantitativen Aufschluss
einflusst. Man spricht von einer: über die Nierenleistung vermitteln. Daher müssen die
4 Oligurie bei einem Harnvolumen von weniger als »titrierbare Säure« sowie die Ammoniumionenkonzen-
400 ml/24 h (16 ml/h) tration bestimmt werden. Bei der titrierbaren Säure han-
4 Anurie bei einem Harnvolumen von weniger als delt es sich um diejenige Menge von Basenäquivalenten, die
100 ml/24 h (4 ml/h) und benötigt werden, um den Urin auf einen pH-Wert von 7,4
4 Polyurie bei einem Harnvolumen von mehr als zu bringen. Diese Menge entspricht damit praktisch den
2,5 l/24 h phosphatgebundenen Protonen im Urin (ca 30 mmol/l).
Die im NH4+ gebundenen Protonen werden – wegen des
Stickstoffreiche Kost erhöht die Urinausscheidung, da beim hohen pK-Werts dieser Verbindung von 9 – damit nicht
Abbau der Aminosäuren Harnstoff gebildet wird, dessen erfasst (sog. nicht titrierbare Säure). Nach längerem Stehen
Ausscheidung über die Nieren Lösungsvolumen erfordert, wird Urin durch die Aktivität harnstoffspaltender Bakte-
28 wohingegen das beim Fettsäuren- und Kohlenhydratabbau rien (7 o.) alkalischer.
freigesetzte Kohlendioxid mit der Atemluft abgeatmet wer-
den kann.
Das spezifische Gewicht in g/l hängt von Konzentration 28.2.2 Chemische Zusammensetzung
und Art aller gelösten Stoffe ab. Es liegt bei ausgeglichener des Urins
Flüssigkeitsbilanz zwischen 1015 und 1022 (H2O = 1000),
sinkt bei extremer Harnverdünnung auf 1001 (50 mosm/l Die chemische Zusammensetzung des Urins wird durch
H2O) und steigt bei extremer Konzentrierung bis auf etwa Menge und Zusammensetzung der Nahrung (pflanzliche
1040 (1300 mosm/l H2O). und/oder tierische Kost) sowie Alter und Geschlecht be-
stimmt (. Tabelle 28.4). Da die Konzentration der gelösten
! Normaler Urin ist stroh- bis bernsteingelb.
Stoffe im Laufe eines Tages erhebliche Schwankungen zei-
Die wichtigsten Urinfarbstoffe sind die beiden Urochrome gen kann (z.B. die Phosphatausscheidung), sind für quanti-
A und B, die sich spektralphotometrisch trennen lassen tative chemische Analysen Durchschnittsproben des 24-h-
und 25 bzw. 70% des Harnfarbwerts ausmachen. Von un- Urins erforderlich. Der täglich von den Nieren ausgeschie-
tergeordneter Bedeutung ist der Gehalt an Uroerythrin dene Urin enthält durchschnittlich etwa 60 g (50–72 g)
(etwa 4%). Urochrom und Uroerythrin entstammen dem Trockensubstanz. Die im Urin vorkommenden Substanzen
Hämabbau. werden eingeteilt in solche, die physiologischerweise ausge-
Die Farbe wird durch die Konzentration an gelösten schieden werden (normale Harnbestandteile), und solche,
Stoffen, durch pathologische Bestandteile, Arznei- und Nah- die nur infolge von Krankheiten nachgewiesen werden
rungsmittel beeinflusst. Die 3 klinisch wichtigsten Ursa- können (pathologische Harnbestandteile).
chen eines roten Urins sind Hämaturie, Hämoglobinurie
! Die meisten ausgeschiedenen organischen Stoffe ent-
und Porphyrinurie. Bilirubin färbt den Urin dunkel-
halten Stickstoff.
braun.
Medikamentös und alimentär bedingte Urinverfär- Außer den in . Tabelle 28.4 genannten harnpflichtigen Subs-
bungen sind ziemlich häufig. Zahlreiche Pharmaka und tanzen enthält Urin:
einige Nahrungsmittel bzw. deren Metaboliten können 4 Nitrat: Diese Substanz ist im Urin stets in geringen
einen roten Urin verursachen. Grün gelbliche Fluoreszenz Mengen vorhanden und stammt aus dem Abbau von
des Urins wird sehr häufig nach Einnahme von Multivi- NO. Da bestimmte Bakterien Nitrat in Nitrit umwan-
taminpräparaten, die Riboflavin enthalten, beobachtet. deln, dient der Nitritnachweis im Urin (mit Teststrei-
fen) als Hinweis für eine bakterielle Besiedelung der
! Frisch gelassener Urin riecht aromatisch.
Harnwege
Der Harngeruch kann nach dem Genuss mancher Speisen, 4 Freie Aminosäuren: Der normale Urin kann 1–3 g
Gewürze und Arzneimittel verändert werden (z.B. durch Aminosäuren/Tag enthalten. Bei Lebererkrankungen
Knoblauch und Spargel). Der normale Harngeruch wird steigt die Ausscheidung sehr stark an (Entfall der Puf-
28.2 · Der Endharn (Urin)
915 28
! Die renale Glucoseresorption hat ein Transportmaxi- Muskelverletzungen (»Crush-Syndrom«; quetschen, engl.
mum; Glucosurie weist fast immer auf einen Diabetes to crush) in den Urin übertreten. Bei intravasaler Hämolyse
mellitus hin. tritt Hämoglobin in den Urin über sobald die Haptoglo-
binbindungskapazität des Plasmas 7 Kap. 29.6.3) und die
Das Auftreten von Monosacchariden im Urin wird als Reabsorptionskapazität der Tubuli für Hämoglobin über-
Melliturie bezeichnet. Die wichtigste und häufigste Mellit- schritten werden. Das ist in der Regel bei Hämoglobin-
urie ist die Glucosurie (7 Kap. 26.4.1). Ausscheidungen an- konzentrationen über 1,2 g/l der Fall.
derer Monosaccharide (Fructose, Lactose, Galactose, Pen-
tosen) haben wegen ihres seltenen Auftretens nur geringe Porphyrinurie. Das Vorkommen von Uroporphyrinen so-
Bedeutung. wie vermehrter Mengen von Koproporphyrinen im Urin
Die tubuläre Rückresorption von Glucose erfolgt über wird als Porphyrinurie bezeichnet (7 Kap. 20.2). Die nor-
eine begrenzte Zahl von Transportmolekülen. Wenn die male Koproporphyrinausscheidung im Urin beträgt 90–
filtrierte Glucosemenge die maximale Transportkapazität 430 nmol (60–280 mg)/24 h.
der Na+-gekoppelten Symportsysteme überschreitet, er- Über die Anwesenheit von Bilirubin, Urobilin und
scheint Glucose im Endharn (Glucosurie) und geht damit Urobilinogen und ihre Beziehung zur Gelbsucht informiert
dem Körper verloren. Das geschieht, wenn die Glucosekon- 7 Kapitel 20.
zentration im Plasma (Normalwert 5 mmol/l) und damit
auch im Primärharn 10 mmol/l überschreitet (sog. Nieren-
schwelle). 28.2.4 Harn- und Nierensteine
! Nahrungskarenz führt zur Ketonurie.
! Zwei Drittel aller Harnsteine sind Oxalatsteine.
28 Die normalerweise geringe Ausscheidung (3–15 mg/24 h
bzw. 30–150 mmol/24 h) der Ketonkörper (Aceton, Acet- Die Konzentrationsleistung der Nieren bei der Bildung des
acetat, E-Hydroxybutyrat) ist erhöht im Hungerzustand, Urins ermöglicht die Ausscheidung mancher Stoffe in rela-
bei Diabetes mellitus, während der Schwangerschaft und tiv hoher Konzentration. Dabei hängt die Löslichkeit derar-
bei einigen Alkaloseformen. Bei kohlenhydratarmer und tiger Verbindungen weitgehend von der Protonenkonzen-
fettreicher Kost sind aufgrund der erhöhten Lipolyserate tration des Urins ab, da die Wasserstoffionen des Lösungs-
ebenfalls Ketonkörper im Urin nachweisbar. mittels die Dissoziation gelöster Stoffe und damit deren
Die frühzeitige Diagnose der diabetischen Ketonurie ist Löslichkeit bestimmen (je polarer, desto wasserlöslicher).
wichtig, da sie eine Stoffwechselentgleisung anzeigt. Die Unter bestimmten Umständen stellt der Urin für eine Reihe
Bestimmung muss mit frisch gelassenem Urin sofort durch- von Verbindungen, v.a. Calciumoxalat und Calciumphos-
geführt werden, da Acetacetat spontan zu Aceton decar- phat, eine übersättigte Lösung dar. Citrat und einige Urin-
boxyliert, das flüchtig ist. proteine (7 u.) verhindern normalerweise das Ausfallen
dieser Verbindungen und die Bildung von Steinen. Bei
! Rotverfärbung des Urins tritt bei Hämoglobinurie, einem verminderten Gehalt des Urins an diesen Regula-
Hämaturie und Porphyrien auf. tionsfaktoren und entzündlichen Veränderungen von Nie-
ren und Harnwegen kommt es jedoch in Nieren (Nephro-
Hämaturie. Treten Erythrozyten in den Urin über, so liegt lithiasis), der Harnblase oder Harnröhre (Urolithiasis)
eine Hämaturie vor. zu Ablagerungen und zur Bildung kleinerer oder größerer
Steine oder Konkremente. Da die Zusammensetzung des
Hämoglobinurie. Freies Hämoglobin kann nach schwerer Urins weitgehend durch die aufgenommene Nahrung be-
Hämolyse oder schweren Verbrennungen, Myoglobin nach stimmt wird, ist es wichtig, die chemische Zusammenset-
zung der Harn-(Nieren-)Steine zu kennen, um durch eine gen sich manchmal im inneren Harnröhrenostium und
entsprechende Diät ihrer weiteren Bildung entgegenwirken lösen so eine Kolik aus.
zu können. Die häufigsten Steinformen sind in . Tabel- Verschiedene Nierenproteine hemmen die Steinbil-
le 28.5 zusammengestellt. dung. Nephrocalcin, ein saures Glycoprotein, das die
Die Steine kommen selten in reiner Form vor, 90% ent- Aminosäure J-Carboxyglutamat enthält, hemmt die Bil-
halten einen oder mehrere zusätzliche kristalline Bestand- dung von Calciumoxalatsteinen. Ähnlich wirkt das Tamm-
teile. Außerdem sind immer Proteine und Glycoproteine, Horsfall-Glycoprotein. Uropontin, ebenfalls von den
die etwa 3% des Gesamtgewichts des Steins ausmachen, Nieren gebildet, hemmt das Wachstum von Calciumoxalat-
vorhanden. kristallen. Möglicherweise begünstigen Konzentrations-
Nierensteine gelangen oft in den Harnleiter und kön- veränderungen derartiger Proteine die Entwicklung von
nen dort eine Kolik auslösen. Kleinere Blasensteine verfan- Steinen.
In Kürze
Der gesunde Mensch bildet in Abhängigkeit von Alter Der Urin enthält normalerweise keine Glucose. Eine
und Geschlecht täglich 500–2000 ml sauren Urin, der Glucosurie weist deshalb fast immer auf einen Diabetes
normal stroh- bis bernsteingelb ist und aromatisch mellitus hin.
riecht. Bei Hungerzuständen steigt die Konzentration von
Der Urin enthält in höherer Konzentration die was- Ketonkörpern im Urin (Ketonurie) an.
serlöslichen Endprodukte des Eiweißstoffwechsels, die Rotverfärbung des Urins tritt bei Hämoglobinurie,
damit stickstoffhaltig sind. Die Proteinausscheidung Hämaturie und Porphyrien auf.
über den Urin ist normalerweise sehr gering, nur bei Durch Auskristallisieren von Salzen im Urin entstehen
entzündlichen und degenerativen Nierenerkrankungen Harnsteine, wovon die häufigsten Oxalatsteine sind.
tritt eine pathologische Proteinausscheidung (Protein-
urie) auf.
Wasserzufuhr ml Wasserverlust ml
. Abb. 28.20. Chemische Struktur des Nonapeptids Vasopressin. verknüpft, sodass eine zyklische Struktur entsteht. Im Ocytocin sind
Die Cysteinreste in Position 1 und 6 sind durch eine Disulfidbrücke Phenylanalin durch Isoleucin und Arginin durch Leucin ersetzt
sors analoge Verbindung kommt beim Ocytocin nicht vor. Renale Wirkungen. Über V2-Rezeptoren wirkt ADH durch
Man nimmt an, dass das Vasopressin- und Ocytocin-Gen eine Stimulierung der Wasserrückresorption im Sammel-
von einem gemeinsamen Vorläufer-Gen abstammen. Die rohrsystem der Niere (7 Kap. 28.1.4).antidiuretisch. Da die
Neurophysine dienen als Trägerproteine für Vasopressin Halbwertszeit des zirkulierenden ADH als Peptidhormon
bzw. Ocytocin während ihres Transports vom Ort der Bio- ca. 5 Minuten beträgt, wirken sich Änderungen der ADH-
synthese entlang entsprechender Axone in den Hypophy- Freisetzung schnell auf die ADH-Konzentration im Plasma
senhinterlappen, dem Ort ihrer Sekretion. Über die Funk- aus. So kann der Organismus sehr rasch auf Änderungen
tion des C-terminalen Glycoproteins ist nichts bekannt. des Wasserbestands bzw. der Osmolarität reagieren und
verhindern, dass es zu unerwünschten Volumenänderun-
! ADH (Vasopressin) wirkt vasokonstriktorisch über
gen des Intrazellulärraums kommt.
V1-Rezeptoren und fördert die renale Wasserrück-
resorption über V2-Rezeptoren. ! Die ADH-Freisetzung wird durch eine Erhöhung der
Plasmaosmolarität, eine Verringerung des Extrazellulär-
Gefäßwirkungen. ADH (Vasopressin) löst über V1-Rezep-
volumens und durch Hormone stimuliert.
toren eine Kontraktion der glatten Muskelzellen der Blut-
gefäße aus. Das bewirkt einen Blutdruckanstieg durch die Die Freisetzung von ADH aus dem Hypophysenhinterlap-
Erhöhung des Kreislaufwiderstands. Die V1-Rezeptoren pen wird durch osmotische und nichtosmotische Signale
gehören zur Familie der G-Protein gekoppelten Rezeptoren gesteuert:
und sind an die Phosphatidylinositol-Kaskade gekoppelt, 4 Die Plasmaosmolarität ist für die ADH-Sekretion von
ihre Aktivierung führt also zu einer Erhöhung der cyto- besonderer Wichtigkeit. Die Schwelle für die ADH-
solischen Calciumkonzentration. Freisetzung liegt bei ca. 275–280 mosmol/l, weshalb
920 Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts
keitsdefizite und die damit verbundene Erhöhung der an, was bei raschen Änderungen ein lebensgefährliches
Osmolarität in kurzer Zeit ausgeglichen werden. Hirnödem hervorrufen kann.
Beim Diabetes insipidus centralis kann die Neuro- Eine gravierende Einschränkung der renalen Wasser-
hypophyse kein ADH mehr sezernieren (z.B. Tumoren ausscheidung beobachtet man bei einer allgemeinen Ein-
oder idiopathisch). Als Folge des fehlenden ADH-Effekts schränkung der exkretorischen Nierenfunktion (Nieren-
auf die Wasserreabsorption in der Niere werden große insuffizienz) oder bei pathologisch gesteigerter ADH-Se-
Volumina hypotonen Harns ausgeschieden, wobei im kretion.
Extremfall Werte bis zu 40 l/Tag beobachtet wurden. Die Ein mit gesteigerter ADH-Sekretion einhergehendes
Behandlung der Erkrankung erfolgt durch Vasopressin- Krankheitsbild (SIADH: syndrome of inappropriate anti-
substitution. diuretic hormone secretion) findet sich relativ häufig. Es
Der ADH-resistente Diabetes insipidus renalis ist eine kommt besonders bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen,
seltene, meist X-chromosomal vererbte Krankheit. Bei ihr aber auch bei anderen Karzinomen (Pankreas-, Duodenal-,
liegt der Defekt in den Tubulusepithelien, die entweder Blasenkarzinom, Lymphosarkom, Morbus Hodgkin) vor
keinen intakten Vasopressin-Rezeptor besitzen oder Muta- und wird durch eine ektopische Vasopressinsekretion der
tionen in den Aquaporinen tragen, wodurch die Sammel- genannten Tumoren verursacht. Darüber hinaus kann das
rohre selbst bei sehr hohen ADH-Konzentrationen die Krankheitsbild auch als Folge einer Reihe zentralnervöser
Wasserresorption nicht steigern können. Erkrankungen auftreten. Bei den Patienten findet sich eine
Unfähigkeit, einen hypotonen Urin auszuscheiden. Dies
Hyperhydratation bei Hyponatriämie. Sie entwickelt sich führt zur Flüssigkeitsretention und infolge der dadurch
bei übermäßiger Zufuhr von hypotonen Flüssigkeiten (z.B. ausgelösten Verdünnung zur Hyponatriämie. Die Patienten
Wasser, Infusionen) wenn gleichzeitig die renale Wasser- haben eine ausgeprägte Natriurese, die nicht durch Na-
ausscheidung vermindert ist. Durch den Abfall des osmo- triuminfusionen sondern nur durch Verringerung der Flüs-
tischen Drucks im Extrazellulärraum schwellen die Zellen sigkeitszufuhr reduziert werden kann.
In Kürze
4 Der Wassergehalt des Körpers sinkt mit zunehmen- scheidung aufeinander abgleicht. Die Sekretion von
dem Lebensalter und ist bei Männern höher als bei ADH wird wesentlich von der Osmolarität und dem
Frauen Extrazellulärraum-Volumen bestimmt
4 Die Wasserräume des Körpers gliedern sich in den 4 Übermäßige Wasserverluste bzw. Zufuhr von hypo-
größeren Intrazellulärraum und den kleineren Extra- tonen Flüssigkeiten können zu Dehydratation bzw.
zellulärraum, welcher auch das Plasmavolumen Hyperhydratation führen
umfasst 4 Bei isotonen Veränderungen des Wasserbestandsverän-
4 Der Wasserhaushalt des Körpers wird vor allem durch dert sich auch parallel der Natriumbestand des Körpers.
ADH reguliert, welches die orale Wasseraufnahme Entsprechend ist die Regulation des Wasserhaushalts eng
(über das Durstgefühl) und die renale Wasseraus- mit der Regulation des Natriumhaushalts verflochten
28.4 Der Natriumhaushalt dem täglichen Bedarf. Dabei enthält die täglich zugeführte
Nahrung selbst selten mehr als 200 mmol Natrium, der Rest
28.4.1 Natriumbilanzierung wird in Form von Tafelsalz (Kochen und Würzen) aufge-
nommen.
! Über 90% des Körpernatriums befinden sich in freier Die Ausscheidung erfolgt im Wesentlichen über den
oder gebundener Form im Extrazellulärraum. Urin und liegt in Abhängigkeit von der zugeführten Menge
bei 100–150 mmol/24 h. Die Ausscheidung unterliegt einem
Der Gesamtnatriumbestand des Menschen liegt bei 55– 24-Stunden-Rhythmus.
60 mmol/kg Körpergewicht, welches sich zu 95% auf den Eine geringe Menge (5 mmol/24 h) wird auch über den
Extrazellulär- und zu 5% auf den Intrazellulärraum verteilt. Stuhl ausgeschieden. Die Verdauungssäfte enthalten zwar
Davon befinden sich 30–40% des Natriums in gebundener viel Natrium, da sie aber normalerweise im Darm reabsor-
Form im Knochen, weshalb nur 60–70% des Körperna- biert werden, geht dem Organismus kein Natrium verloren.
triums rasch austauschbar sind (. Tabelle 28.7). Störungen der Reabsorption (Durchfälle) können dagegen
Die obligaten täglichen Natriumverluste betragen bei zu Natriumverlusten führen.
normaler Schweißproduktion weniger als 3 g NaCl pro Tag. Über die Haut geht bei starkem Schwitzen Natrium ver-
Normalerweise führt man mit der Nahrung täglich 5–20 g loren (20–80 mmol/l). Dabei nimmt die Natriummenge
NaCl (80–320 mmol) zu. Diese Menge liegt damit über mit steigendem Schweißvolumen zu.
922 Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts
冎 冎
Verteilung von Natrium im Organismus mmol/kg Prozentualer Anteil
Körpergewicht an der Gesamtmenge
Plasma 6,5 11,2
Interstitielle Flüssigkeit, Lymphe 16,8 29,0
Sehnen und Knorpel 6,8 11,7
Transzelluläre Flüssigkeit 1,5 2,6
Knochen (gesamte Menge) 25,0 43,1
Knochen (austauschbare Menge) 8,0 13,8
im Extrazellulärraum (austauschbar) 39,6 68,3
im Extrazellulärraum (gesamt) 56,6 97,6
Gesamtmenge
im Intrazellulärraum 1,4 2,4
im Organismus 58,0 100,0
Natriumkonzentration des Blutplasmas 140 mmol/l
Normalbereich 135–145 mmol/l
Tägliche Ausscheidung mit dem Urin 100–150 mmol
Tägliche Zufuhr mit der Nahrung 70–350 mmol
28
! Eine Erhöhung der Natriumausscheidung erfordert oft Angiotensin II. Dieses aus Angiotensinogen gebildete Pep-
auch eine Erhöhung der Wasserausscheidung. tid ist das eigentliche Hormon des Renin-Angiotensin-
Systems. Seine biologischen Wirkungen sind:
Die natriumkonservierenden Mechanismen sind wie bei 4 zentrale Auslösung von Durstgefühl und Salzappetit,
allen terrestrischen Lebewesen sehr effektiv, sodass es was die Salz- und Wasserzufuhr in den Körper erhöht
unter physiologischen Bedingungen und bei normaler (7 Kap. 31.3.2)
Kost nicht zu einem signifikanten Natriummangel kom- 4 Steigerung der ADH-Freisetzung aus dem Hypophy-
men kann. Da die durchschnittliche Natriumzufuhr deut- senhinterlappen, welches die Wasserreabsorption in
lich über dem obligaten Natriumverlust liegt (7 o.), ist die den Sammelrohren der Niere erhöht (7 Kap. 31.3.2)
Konstanz des auch das Extrazellulärvolumen bestim- 4 Steigerung der Natriumresorption direkt am proxi-
menden Natriumbestands des Organismus an die fortlau- malen Tubulus
fende renale Elimination von überschüssigem Kochsalz 4 Stimulation der Bildung des Mineralocorticoidhor-
gebunden. Dabei ist zu bedenken, dass wegen der Harn- mons Aldosteron in der Zona glomerulosa der Neben-
stoffausscheidung bei maximaler Konzentration des End- nierenrinde
harns (1200 mosmol/l) die Konzentration von NaCl im
Endharn höchstens 200 mmol/l (entspricht 400 mosmol/l) Der biochemische Mechanismus der Angiotensin II-Wir-
betragen kann. Entsprechend können höhere NaCl-Men- kung beruht auf den Angiotensin II-Rezeptoren AT1 und
gen nur über ein erhöhtes Urinvolumen ausgeschieden AT2, die zu den G-Protein gekoppelten Membranrezep-
werden, was natürlich auch eine erhöhte Trinkmenge an toren gehören (7 Kap. 25.6)
freiem Wasser erfordert (7 o.).
! Aldosteron ist das wichtigste Mineralocorticoid des
Menschen.
28.4.2 Hormonelle Regulation Aldosteronbiosynthese. Die Mineralocorticoide 11-Des-
des Natriumhaushalts oxycorticosteron und Aldosteron werden aus Cholesterin
synthetisiert (. Abb. 28.22). Durch Oxidation am C-Atom
Die Regulation der Natriumkonzentration des Intrazellu- 3 und Verschieben der Doppelbindung entsteht Proges-
lärraums erfolgt über die Na+/K+-ATPase (7 Kap. 6.1.5), teron, durch Hydroxylierung an den Positionen 21E, 18E
die des Extrazellulärraums über das Renin-Angioten- und 11E wird daraus 18-Hydroxycorticosteron. Das beim
sin Aldosteron-System und das atriale natriuretische Menschen wichtigste Mineralocorticoid, das Aldosteron,
Peptid. wird aus 18-Hydroxycorticosteron durch Oxidation der
Hydroxylgruppe am C-Atom 18 gebildet. Die dabei ent-
! Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) stehende Aldehydgruppe, welche dem Aldosteron seinen
sorgt für eine Zunahme des Natriumbestands. Namen gibt, kommt der Hydroxylgruppe am C-Atom 11 so
28.4 · Der Natriumhaushalt
923 28
Eine besonders hohe Konzentration von Aldosteron- Aldosteron. Folgende Faktoren sind für die Regulation der
rezeptoren findet sich in den corticalen Abschnitten der Aldosteronbiosynthese und Sekretion von besonderer Be-
Sammelrohre, darüber hinaus im Colon und den Schweiß- deutung:
drüsen, was auf diese Organe als besondere Zielgewebe für 4 AngII stimuliert über AT1-Rezeptoren die Aldosteron-
die Mineralocorticoidwirkung hinweist. biosynthese und -sekretion. ACTH (7 Kap. 27.3.1) hat
Wie aus der . Abb. 28.23 hervorgeht, gelangt der Mi- dagegen nur eine geringe Bedeutung
neralocorticoid-Rezeptor-Komplex nach entsprechender 4 Jeder Anstieg der Plasma-Kaliumkonzentration stellt
Aktivierung in den Zellkern und beeinflusst dort die Ex- einen starken direkten Reiz für die Aldosteronsynthese
pression spezifischer Gene. Das führt in Natrium-reabsor- dar (7 u.)
bierenden Zellen zur vermehrten Expression 4 Zu einem Sistieren der Aldosteronbildung und Sekre-
4 eines in der apikalen Zellmembran gelegenen Natrium- tion kommt es dagegen, wenn die Natriumretention
kanals (ENaC) durch die Nieren bzw. die Kaliumausscheidung ansteigt
4 der Na+/K+-ATPase sowie und es zu einer Erhöhung des extrazellulären Volumens
4 einer Reihe von Enzymen des Citratzyklus, welche bei gleichzeitigem Kaliumverlust kommt
wahrscheinlich einen gesteigerten Substratdurchsatz
! Das atriale natriuretische Peptid senkt den Natriumbe-
und damit eine vermehrte Bereitstellung des für den
stand des Körpers.
Transport benötigten ATP ermöglichen
Die Funktion von Mineralocorticoiden und ADH besteht in
Spironolactone. Sie sind eine Gruppe von Aldosteron-ana- der Natrium- und Wasserretention. Damit regulieren sie eine
logen Verbindungen, die über einen C-17-Lacton-Ring speziell für terrestrische Lebewesen essentielle Funktion. Ein
verfügen (. Abb. 28.24). Sie wirken als Mineralocorticoid- antagonistisches, natriuretisch wirkendes Hormon ist das
28 Antagonisten und werden als solche auch bei der Be- vor allem im rechten Vorhof des Herzens synthetisierte, gespei-
handlung des primären Hyperaldosteronismus eingesetzt. cherte und sezernierte atriale natriuretische Peptid (ANP).
Ihr Wirkungsmechanismus beruht darauf, dass sie Al-
! ANP wird in den Herzvorhöfen als Prohormon gebildet.
dosteron kompetitiv vom cytoplasmatischen Rezeptor
verdrängen. Der dabei gebildete Rezeptorantagonist-Kom- ANP-Biosynthese und Sekretion. Das atriale natriuretische
plex kann aber nicht die zum Übertritt in den Kern not- Peptid (ANP) wird in myoendokrinen Zellen des Herz-
wendige Konformationsänderung (Aktivierung) durch- muskels synthetisiert und in Sekretvesikeln gespeichert, die
machen, weswegen die Änderung der Genexpression un- sich vorwiegend im rechten Vorhof, daneben aber auch im
terbleibt. linken Vorhof und nur ganz vereinzelt im Herzkammer-
gewebe befinden. Die . Abb. 28.25 gibt einen Überblick
! Die Bildung von Angiotensin II und von Aldosteron
über die ANP-Biosynthese.
wird hauptsächlich durch die Größe des Extrazellulär-
volumens reguliert.
. Abb. 28.26. Schematische Darstellung der Struktur natriureti- brücke zwischen 2 Cysteinen und 15 dazwischengeschalteten Amino-
scher Peptide. Pro-ANP ist der Vorläufer für ANP und Urodilatin. BNP säuren entsteht. (Modifiziert nach Forsmann et al. (1998) Histochem
und CNP werden von eigenen Genen codiert. Charakteristisch für die Cell Biol 111:335)
natriuretischen Peptide ist die Ringstruktur, die durch eine Disulfid-
4 Das Gen für ANP (beim Menschen auf Chromosom 1) auch noch in anderen Organen wie Gehirn, Nebenniere
enthält 3 Exons und 2 Introns und Niere gefunden. Dabei spalten die Sammelrohrzellen
4 nach Transkription und posttranskriptionaler Prozes- der Niere spezifisch ein 32 Aminosäure umfassendes Peptid
sierung entsteht aus ihm die Prä-Pro-ANP-mRNA, wel- vom Carboxyterminus des Pro-ANP ab, das als Urodilatin
che für ein Protein mit 151 Aminosäuren codiert bezeichnet wird. ANP und Urodilatin zeigen dieselben bio-
4 Abtrennung des N-terminalen, aus 25 Aminosäuren logischen Wirkungen (7 u.), haben aber eine unterschied-
bestehenden Signalpeptids führt zum Pro-ANP mit 126 liche biologische Stabilität. So erscheint Urodilatin wesent-
Aminosäuren, welches in Vesikel gepackt wird lich resistenter als ANP gegenüber einer proteolytischen
4 Vom Carboxyterminus des Pro-ANP wird ANP als Degradation durch die neutrale Endopeptidase zu sein, die
ein 28 Aminosäuren umfassendes Peptid abgespal- gerade in der Niere in hoher Aktivität vorkommt. Neben
ten. Hierfür ist die membrangebundene Serinprotease dem ANP (sog. Typ-A der natriuretischen Peptide gibt es
Corin verantwortlich mit BNP (B-Typ) und CNP (C-Typ) noch 2 weitere natriure-
tische Peptide, die wesentliche Struktur- und Funktions-
Da die Primärstruktur von ANP für die bislang unter- ähnlichkeiten mit ANP besitzen (. Abb. 28.26). Sie werden
suchten Säuger praktisch identisch ist, scheint das ANP- von jeweils eigenen Genen codiert, aber im gesunden Her-
System in der Evolution hoch konserviert zu sein. In we- zen im Vergleich zu ANP nur minimal exprimiert. Ihre phy-
sentlich geringerem Ausmaß als im Herzen wird Pro-ANP siologische Bedeutung ist noch nicht geklärt.
926 Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts
Der auslösende Reiz für die ANP-Sekretion ist ein Rezeptoren für natriuretische Peptide ANP sind in
Anstieg des Vorhofdrucks, der zu einer Wanddehnung einer Reihe von Geweben, wie z.B. den Nierenglomerula,
und damit Dehnung der Myozyten führt. Über einen Sammelrohrzellen und den medullären und papillären Vasa
calciumabhängigen Prozess führt eine solche Dehnung recta der Nieren gefunden worden, daneben aber auch im
dann zur Sekretion von ANP. Der Anstieg des Vorhofdrucks Zentralnervensystem, der Nebennierenrinde sowie Gefäß-
kann durch eine Expansion des Extrazellulärvolumens muskel- und Endothelzellen. Man kennt derzeit 3 Rezep-
(Plasmavolumen) z.B. durch vermehrte Kochsalzzufuhr, toren, welche als A-, B- und C-Rezeptor bezeichnet werden.
aber auch durch Hormone wie ADH, Katecholamine oder Der A-Rezeptor ist selektiv für ANP und BNP, der B-Re-
Angiotensin II, ausgelöst werden. zeptor für CNP und der C-Rezeptor bindet alle 3 Peptide.
Der A- und B-Rezeptor sind membrangebundene Guanyl-
! ANP relaxiert Blutgefäße und fördert die renale Natri-
atcylasen (7 Kap. 25.9.2), deren Aktivierung zu erhöh-
um- und Wasserausscheidung.
ten cGMP-Konzentrationen in den Zielgeweben führt
ANP-Wirkung. ANP hat wie alle natriuretischen Peptide (. Abb. 28.27). Der C-Rezeptor vermittelt keine derzeit be-
folgende Wirkungen: kannte Signalwirkung. Man nimmt an, dass es sich dabei
4 Eine Relaxation der glatten Muskulatur der Arteriolen. um einen sog. clearance-receptor handelt, der die natriure-
Dies senkt den arteriellen Gefäßwiderstand und wirkt tischen Peptide bei hohen Konzentrationen abfischt und
damit blutdrucksenkend einer endosomalen Degradation zuführt. Dieser Mechanis-
4 Der vasodilatierende Effekt ist auch an den renalen prä- mus trägt so zur Elimination der natriuretischen Peptide
glomerulären Blutgefäßen sehr ausgeprägt. Dies führt bei, die hauptsächlich aber durch proteolytischen Abbau
zu einer Erhöhung der glomerulären Filtrationsrate durch eine Metalloproteinase, die neutrale Endopeptidase
und zu einer Steigerung der Nierenmarksdurchblutung, (NEP), in Lunge, Leber und Niere erfolgt. Eine neue Stra-
28 was prinzipiell die renale Wasser- und Salzausschei- tegie bei der Behandlung von Kreislauferkrankungen (v.a.
dung erhöhen kann Bluthochdruck) beruht auf der pharmakologischen Hem-
4 Über luminale Rezeptoren an den Sammelrohren der mung dieser Endopeptidase, wodurch die Konzentration
Nierenpapillen vermindert ANP direkt die Natrium- der zirkulierenden vasodilatierenden natriuretischen Pep-
und Wasserresorption tide erhöht werden kann.
4 ANP hemmt die Aldosteronfreisetzung sowohl durch
einen direkten Effekt auf die Nebennierenrinde als auch
indirekt durch Hemmung der Reninfreisetzung 28.4.3 Pathobiochemie des Natrium-
haushalts
In der Tat scheint diese Wechselwirkung mit dem Renin-
Angiotensin-Aldosteron-System sehr bedeutsam für die ! Ein Natriumüberschuss entsteht durch eine auto-
Wirkung zu sein, da man eine deutliche natriuretische Wir- nome Sekretion von Aldosteron oder als Folge von
kung von ANP nur bei einem stimulierten Renin-Angio- Ödemen.
tensin-Aldosteron-System beobachten kann. Möglicher-
weise ist Urodilatin für die renalen Wirkungen wesentlich Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom). Er wird
bedeutsamer als ANP selbst. durch Adenome oder Karzinome der die Mineralocorti-
. Abb. 28.27. Aktivierung des A-Typ-Rezeptors für natriuretische an die Extrazellulärdomäne führt zur Homodimerisierung des Rezep-
Peptide durch ANP. Der Rezeptor besteht aus einer Extrazellulär- tors, wodurch ATP an die kinaseähnlichen Domänen bindet. Dies führt
und Transmembrandomäne, einer intrazellulären kinaseähnlichen dann zur Aktivierung einer Guanylatcyclaseaktivität
und einer intrazellulären Guanylatcyclasedomäne. Bindung von ANP
28.4 · Der Natriumhaushalt
927 28
coide produzierenden Zellen der Nebennierenrinde verur- zu einer Salz- und Wasserretention, welche die einge-
sacht. Das Krankheitsbild ist durch die Wirkung patho- schränkte Pumpfunktion des Herzens noch weiter ver-
logisch erhöhter, autonom sezernierter Mineralocorticoide, schlechtert.
meist Aldosteron, geprägt. Typischerweise findet sich bei
! Natriumüberschuss und Ödeme können mit Hemm-
den betroffenen Patienten eine erhöhte Natriumretention
stoffen des Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
bei gesteigerter Kaliumausscheidung. Der letztere Effekt
beseitigt werden.
des Aldosterons bewirkt eine Hypokaliämie mit Folge-
erscheinungen wie Müdigkeit, Muskelschwäche u.a. Die Klinisch machen sich Ödeme bemerkbar, wenn ca. 3–4 l
gesteigerte Natriumretention führt zu einer gleichzeitigen Flüssigkeit in das Interstitium eingelagert wurden. Das
Wasserretention und damit zur Ausbildung von Ödemen, erfordert eine zusätzliche Retention von 0,5 mol NaCl oder
häufig mit Hypertonie. mehr, was ein Anzeichen für eine unangemessen hohe Ak-
tivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-System ist.
Sekundärer Hyperaldosteronimus. Dieser tritt oft bei ge- Aus diesem Grunde werden bei erhaltener Nierenfunktion
neralisierten Ödemen auf. Grundlagen für deren Entste- Ödeme häufig mit Diuretika oder Antagonisten des Renin-
hung können sein: Angiotensin-Aldosteron-Systems behandelt. Seine Hem-
4 eine eingeschränkte renale Ausscheidung von Natrium mung gelingt mittlerweile therapeutisch sehr gut mit spe-
wie z.B. bei terminalem Nierenversagen zifischen Blockern der AngII-AT1-Rezeptoren oder durch
4 eine Erhöhung des kapillären hydrostatischen Drucks Hemmer des angiotensin-I-converting-enzyme, welche die
wie z.B. bei Herzinsuffizienz, Flüssigkeitsübertritt ins Bildung des biologisch aktiven AngII verhindern.
Interstitium und damit einer Reduktion des Plasma-
! Durch Salzverlust kann rasch ein Natriumdefizit ent-
volumens
stehen.
4 eine Abnahme des kapillären kolloidosmotischen
Drucks durch Proteinverlust (nephrotisches Syndrom) Natriummangelzustände führen aus osmotischen
oder eingeschränkte Neubildung von Albumin (Hun- Gründen zu einer Verringerung des Extrazellulärraums
gerzustände, Lebercirrhose). Bei der Lebercirrhose und damit auch des Plasmavolumens. Entsprechend ist
löst die Erhöhung des Portalvenendrucks zusätzlich die Füllung des Kreislaufsystems vermindert und es
die Bildung von lokalen Ödemen im Bauchraum (As- kann sich ein hypovolämischer Kreislaufschock ent-
zites) aus wickeln.
Ursachen dafür können sein:
Die mit den generalisierten Ödemen einhergehende Hypo- 4 Verluste aus dem Magen-Darmtrakt durch Erbrechen
volämie löst entsprechende gegenregulatorische Maßnah- oder Durchfall (Darminfektionen wie z.B. Cholera)
men zur Wiederherstellung des Volumens aus und führt zur 4 Starke Schweißproduktion: Bei einer Schweißproduk-
Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems. tion von >3 l/Tag muss zusätzlich Natrium angeboten
Durch die verstärkte AngII- und nachfolgend stimulierte werden, da die in der Nahrung enthaltene Menge an
Aldosteronbildung entwickelt sich daraus ein sekundärer Kochsalz (ca. 10 g/Tag) den Verlust nicht mehr kom-
Hyperaldosteronimus. pensiert
4 Hypoaldosteronismus: Eine verminderte Biosynthese
Reninhypersekretion. Eine unregulierte Mehrsekretion und Sekretion von Mineralocorticoiden, speziell von
von Renin und damit einhergehende Aktivierung des Aldosteron, ist ein relativ seltenes Krankheitsbild. Es
Renin-Angiotensin-Systems kann ebenfalls zu einer Erhö- entwickelt sich im Verlauf einer allgemeinen Neben-
hung des Natriumbestands führen. Eine klassische Situa- niereninsuffizienz (Morbus Addison) sowie gelegent-
tion hierfür stellt die Nierenarterienstenose dar (7 o.). Ein lich beim adrenogenitalen Syndrom (7 Kap. 27.3.10).
vor allem nächtlich auftretender Abfall der Nierenperfusion Die Folge derartiger Krankheitsbilder besteht in einem
bei Herzinsuffizienz führt ebenfalls zu einer Steigerung Salzverlustsyndrom mit Hyponatriämie und Hyperkali-
der Reninfreisetzung und Aktivierung des Renin-Angio- ämie
tensin-Systems. Dies führt bei den Patienten in der Folge 4 Unkontrollierter Einsatz von harnfördernden Mitteln
928 Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts
In Kürze
Der Natriumbestand des Körpers wird vor allem über die Sammelrohr, begleitet von einer ADH-bedingten Wasser-
Kontrolle des Extrazellulärvolumens reguliert. Eine Ab- retention.
nahme des Volumens aktiviert über arterielle Presso- Ein Anstieg des Natriumbestands des Körpers und da-
rezeptoren den Sympathikus, was in der Niere direkt die mit verbunden eine Vergrößerung des Extrazellulärvolu-
Na+-Reabsorption fördert und über eine Stimulation mens hemmt die:
der Reninsekretion das Renin-Angiotensin-Aldosteron- 4 Reninsekretion und damit die Angiotensin II-Bildung
System aktiviert. 4 Aldosteronproduktion und
Auch die Aktivierung der Niederdruckrezeptoren 4 ADH-Sekretion
(in Hohlvenen und Herzvorhöfen) stimuliert das Renin-
Angiotensin-Aldosteron-System über eine verstärkte Ein Anstieg des Drucks im Niederdrucksystem aktiviert in
Reninsekretion. Parallel dazu wird ADH freigesetzt und den Herzvorhöfen die Freisetzung von ANP, welches die
das Durstgefühl ausgelöst. Ausscheidung von Natrium und Wasser in der Niere stimu-
Die durch Angiotensin II induzierte Bildung von liert.
Aldosteron fördert die renale Natriumresorption im
28.5 Der Kaliumhaushalt die Kaliumausscheidung durch die Nieren problemlos auf
500 mmol/24 h steigern lässt. Etwa 10% der täglichen
28 28.5.1 Regulation des Kaliumhaushalts Kaliumausscheidung erfolgt im Intestinaltrakt.
Die Gesamtkaliummenge des Körpers liegt bei 40–
! Das Körperkalium befindet sich zu 98% im Intrazellulär- 50 mmol/kg Körpergewicht (d.h. 3,5 mol bei einer Person
raum. mit 70 kg), wovon sich 98% im Intrazellulärraum befinden.
Die intrazelluläre Kaliumkonzentration liegt bei durch-
Kalium ist in mehrfacher Hinsicht ein biochemisch-phy- schnittlich 140 mmol/l. Die Kaliumkonzentration des
siologisch sehr bedeutsames Ion. Es bestimmt wesentlich Blutplasmas beträgt demgegenüber im Mittel nur 4 mmol/l
das Membranpotential und damit das elektrische Verhalten (Normbereich 3,5–5,5 mmol/l), sodass der Gesamtbestand
von Zellen. Weiterhin aktiviert es eine Reihe von Enzymen. an extrazellulärem Kalium nur 60–80 mmol beträgt (. Ta-
Es ist außerdem wichtig für die Regulation des Zellvolu- belle 28.8).
mens wie auch für die zelluläre pH-Regulation.
Den obligaten Kaliumverlusten in Höhe von 25 mmol/ ! Enterale Kaliumaufnahme, Verschiebungen von Kalium
24 h steht eine durchschnittliche Nahrungszufuhr von zwischen dem Intra- und Extrazellulärraum sowie
50–150 mmol/24 h gegenüber. Dieser nahrungsbedingte die renale Kaliumausscheidung sind die wesentlichen
Kaliumüberschuss muss eliminiert werden, wobei sich Determinanten der Plasmakaliumkonzentration.
冎 冎
Körpergewicht an der Gesamtmenge
Plasma 0,2 0,4
Interstitielle Flüssigkeit, Lymphe 0,5 1,0
Sehnen und Knorpel 0,2 0,4
Knochen (gesamte Menge) 4,1 7,6
Transzelluläre Flüssigkeit 0,5 1,0
im Extrazellulärraum 5,5 10,4
Gesamtmenge im Intrazellulärraum 48,3 89,6
im Organismus 58,0 100,0
Kaliumkonzentration des Blutplasmas 4,0 mmol/l
Normalbereich 3,5–5,5 mmol/l
Tägliche Ausscheidung mit dem Urin 60–80 mmol
Tägliche Zufuhr mit der Nahrung 50–150 mmol (Durchschnitt 65 mmol)
28.5 · Der Kaliumhaushalt
929 28
Renale Kaliumausscheidung. Die renale Kaliumausschei- Da Kalium ganz vorwiegend intrazellulär lokalisiert ist,
dung wird durch folgende Faktoren reguliert: lassen Bestimmungen der Plasmakaliumkonzentration keine
4 Aldosteron reguliert die renale Kaliumausscheidung verlässlichen Abschätzungen des Gesamtkörperkaliums
indirekt, da es über die Steigerung der Natriumre- zu. Indirekten Aufschluss hierüber gibt die Messung von Ka-
absorption die Kaliumausscheidung erhöht. Erhöhte lium im Erythrozyten. Störungen des Kaliumhaushalts beru-
Plasmakonzentrationen von Kalium stimulieren dabei hen meist auf Störungen der renalen Kaliumausscheidung.
die Sekretion von Aldosteron aus der Nebennierenrinde
(. Abb. 28.28). Die aldosterongesteuerte Kaliumaus- Hyperkaliämie. Hyperkaliämien, die durch einen Anstieg
scheidung in den Verbindungstubuli und Sammel- der Plasmakaliumkonzentration über 5,5 mmol/l gekenn-
rohren der Niere kann in einem weiten Bereich unter- zeichnet sind, sind meist ein Zeichen einer unzureichenden
schiedlichen enteralen Kaliumaufnahmen angepasst Nierenfunktion (Niereninsuffizienz). Weiterhin kann auch
werden, ohne dass es zu pathologischen Änderungen eine ungenügende Produktion von Aldosteron (Hypoaldos-
der Plasmakaliumkonzentration kommt, weil sich die teronismus), eine vermehrte Freisetzung aus dem Gewebe
renale Kaliumausscheidung bis auf 500 mmol/Tag bei Verletzungen oder Hämolyse zu einer Hyperkaliämie
steigern lässt (vgl. eine mittlere tägliche Aufnahme von führen. Auch ausgeprägte Azidosen gehen mit einer Hyper-
65 mmol). Bei erhöhter Kaliumzufuhr steigt unter der kaliämie einher (. Abb. 28.29).
Wirkung von Aldosteron die Na+/K+-ATPase-Aktivität Eine Hyperkaliämie macht sich zuerst im EKG durch
und die Kaliumsekretionsrate in den Sammelrohren eine Veränderung des Kammerkomplexes (»hohe T-Welle«)
930 Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts
In Kürze
Kalium ist mengenmäßig das Hauption des Intrazellulär- Der Mensch nimmt mit der Nahrung mehr Kalium auf
raums. als er obligat abgibt. Entsprechend wird Kalium über die
Da das Membranpotential der meisten Körperzellen Nieren reguliert ausgeschieden. Ein wichtiger Regulator
vom Verhältnis der intra- und extrazellulären Kaliumkon- dabei ist das Nebennierenrindenhormon Aldosteron, des-
zentration abhängt, ist es lebenswichtig, dass die relativ sen Produktion invers zur Plasmakaliumkonzentration re-
niedrige extrazelluläre Konzentration von Kalium in guliert wird und das die Kaliumausscheidung in der Niere
engen Grenzen gehalten wird. stimuliert.
Insulin stimuliert die Aufnahme von Kalium in die Störungen des Kaliumhaushalts sind häufig mit Stö-
Zellen und senkt dadurch akut die Kaliumkonzentration rungen des Säure-Basen-Haushalts vergesellschaftet.
im Extrazellulärraum.
28.6 Der Calcium- und Phosphat- Blutgerinnung. Als freies Ion ist Calcium durch Bildung
haushalt von Komplexen mit Phospholipiden und Gerinnungs-
faktoren (Bindung an J-Carboxyglutamylgruppen, 7 Kap.
28.6.1 Calciumhaushalt 23.2.4) an der Aktivierung des extra- und intravaskulären
Systems der Blutgerinnung beteiligt (7 Kap. 29.5.3).
! Calcium ist an vielen zellulären Vorgängen beteiligt.
Stabilisierung des Membranpotentials. Die extrazelluläre
Knochenmineralisierung. Gemeinsam mit anorganischem Calciumkonzentration beeinflusst die neuromuskuläre Er-
Phosphat (7 u.) bildet Calcium in Form einer dem Hydro- regbarkeit dahingehend, dass kleinere Membranpotentials-
xylapatit ähnlichen Struktur den anorganischen Anteil des änderungen nicht zur Auslösung eines Aktionspotentials
Knochens sowie des – prinzipiell gleich aufgebauten – Den- führen. Sinkt die Calciumkonzentration nur wenig unter
tins und Schmelzes der Zähne (7 Kap. 24.7.1). Neben der den Normwert, so stellt sich eine neuromuskuläre Überer-
mechanischen Funktion, die der Knochen als Stützgewebe regbarkeit bis zu tetanischen Krämpfen ein.
erfüllt, dient das Knochengewebe auch als Speicherorgan
für Calciumionen, aus dem es bei Calciummangel mobili- Zellaktivierung. Die Calciumkonzentration im Cytosol der
siert werden kann. Etwa 1% des Calciumpools der Knochen meisten Säugetierzellen beträgt im Ruhezustand weniger
ist zu diesem Zweck verfügbar. als 10–7 mol/l. Da die extrazelluläre Konzentration an freien
28.6 · Der Calcium- und Phosphathaushalt
931 28
Calciumionen bei etwa 1,7 u 10–3 mol/l liegt, besteht damit einem ständigen Auf- und Abbau unterliegt, befinden sich
an der Plasmamembran ein etwa 10000-facher zelleinwärts 99% des Körpercalciums. Der Rest des Körpercalciums ist
gerichteter Calciumgradient. Der gesamte Calciumgehalt auf den Extra- und Intrazellulärraum verteilt.
der Zelle und der Pool des austauschbaren Calciums sind
hingegen viel höher als es die cytosolische Calciumkon- Calcium im Blut. Erythrozyten enthalten sehr wenig Cal-
zentration vermuten lässt. Wäre z.B. das gesamte zelluläre cium, da sie dieses ständig aus ihrem Inneren herauspum-
Calcium ionisiert und gleichmäßig in der Zelle verteilt, pen (7 Kap. 29.2.1). So findet sich das gesamte Calcium im
so würde die intrazelluläre Calciumkonzentration etwa Blutplasma, und zwar in drei Fraktionen:
2–10 mmol/l betragen und damit sogar über der Konzen- 4 Ionisiertes Calcium. Da es durch die Kapillarmembran
tration im Extrazellularraum liegen. Da durch die zahl- in den interstitiellen Raum übertreten kann, wird es
reichen Phosphat-übertragenden Prozesse ständig freies auch als diffusibles Calcium bezeichnet
anorganisches Phosphat im Cytosol der Zelle entsteht, 4 Proteingebundes Calcium. Es kann die Kapillarmem-
würde sich das freie Calcium – wenn es in so hohen Kon- bran nicht passieren (nichtdiffusibles Calcium). Albu-
zentrationen vorläge – mit dem Phosphat zu einem un- min, aber auch Fetuin, ein spezielles, Calcium-binden-
löslichen Komplex verbinden, wie es im Knochen zu beo- des Protein, spielen hierbei eine große Rolle
bachten ist. Daher sind über 90% des Zellcalciums nicht 4 Komplexiertes Calcium. Es macht nur eine kleine
ionisiert, sondern befinden sich als Calciumphosphat- Menge aus, die wahrscheinlich als Citrat- und Phos-
Komplex in den Mitochondrien oder an Proteine gebunden phatkomplex vorliegt, und die in dieser Form in den
im endoplasmatischen Retikulum. interstitiellen Raum übertreten kann
Als Zellaktivierung bezeichnet man die Anregung einer
Zelle zur Ausübung ihrer spezifischen Funktionen, z.B. Die . Abb. 28.30 zeigt das Verhältnis der einzelnen Frak-
Muskelkontraktion, Nervenleitung, Sekretion, Ionentrans- tionen, die miteinander im Gleichgewicht stehen. Die
port, Stoffwechselfunktionen etc. Bei vielen dieser Prozesse Calciumkonzentration liegt normalerweise zwischen 2,2
besitzt Calcium eine Signalfunktion, da es als second mes- und 2,6 mmol/l (8,8–10,4 mg/100 ml). Obwohl sich mit
senger bei der Signaltransduktion durch extrazelluläre weniger als 1% des Gesamtbestands nur ein sehr gerin-
Signalmoleküle wirkt (7 Kap. 25.4.5). Dabei steigt die ger Teil des Körpercalciums im Blutplasma befindet, und
cytosolischen Calciumkonzentration um den Faktor 10– obwohl die tägliche Aufnahme und Ausscheidung im
100 an. Hierfür stehen prinzipiell 2 Möglichkeiten zur Ver- Stuhl und Urin wie auch die Ablagerungen im Knochen
fügung, nämlich: großen Schwankungen unterliegen, wird die Plasma-
4 Einstrom von Calcium aus dem Extrazellulärraum konzentration von Calcium bemerkenswert konstant ge-
oder halten.
4 Mobilisierung intrazellulärer Calciumspeicher
! 99% des Körpercalciums befinden sich im Knochen.
Verteilung im Organismus. Der Gesamtbestand des Or- . Abb. 28.30. Die einzelnen Fraktionen des Plasmacalciums.
ganismus beträgt 400 mmol/kg Körpergewicht (ca. 28 000 Dargestellt sind die Mittelwerte von 29 Normalpersonen. (Nach Moore
mmol beim Erwachsenen mit 70 kg). Im Knochen, der EW (1970) J Clin Invest 49:318)
932 Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts
Der freie (ionisierte) Anteil des Plasmacalciums ist der 28.6.2 Phosphathaushalt
biochemisch entscheidende. Die Nebenschilddrüsen reagie-
ren durch Sekretion von Parathormon auf Änderungen ! Phosphor ist im Organismus als anorganisches oder
des ionisierten Calciums (Regulation der extrazellulären organisches Phosphat vorhanden.
Calciumkonzentration, 7 Kap. 28.6.3).
Die Bindung des Calciumions an die Carboxylat- und Zusammen mit Calcium ist Phosphat der Hauptbestandteil
Phosphatgruppen der Plasmaproteine ist pH-abhängig des anorganischen Anteils des Knochengewebes (Knochen-
(Dissoziation dieser Gruppen): mineral). Zusätzlich ist es in Form organischer Phosphat-
4 Eine Erhöhung der Protonenkonzentration des Bluts verbindungen (Nucleinsäuren, Phosphoproteine [Phos-
(Azidose) führt zu geringerer Dissoziation dieser phorylierung und Dephosphorylierung von Proteinen],
schwach sauren Gruppen, sodass weniger Calcium ge- Phospholipide, Zwischenprodukte des Kohlenhydratstoff-
bunden werden kann wechsels [Hexose- und Triosephosphate; 2,3-Bisphospho-
4 Eine Verringerung der Protonenkonzentration (Alka- glycerat] sowie Adenosintriphosphat und Kreatinphosphat)
lose, 7 Kap. 28.8.6) bedingt eine vermehrte Bindung von praktisch in jeder Zelle des Organismus zu finden. In
Calcium an Plasmaproteine der Zelle entsteht bei Reaktionen mit Adenylattransfer (z.B.
Aktivierung von Fett- und Aminosäuren und Biosynthese
Auch Änderungen der Proteinkonzentration der Bluts von Carbamylphosphat) und bei der Bildung von cAMP
(7 Kap. 29.6.4) gehen mit einer entsprechenden Änderung Pyrophosphat, das durch Pyrophosphatasen zu Ortho-
der Konzentration an freien Calciumionen einher. Die phosphat hydrolysiert wird.
Calciumkonzentration in der interstitiellen Flüssigkeit be- Als Dihydrogenphosphat-Hydrogenphosphat-System
trägt etwa 1,75 mmol/l (7 mg/100 ml), im Liquor cerebro- wirkt Phosphat als Puffer im Intrazellulärraum (pKc = 6,80!),
28 spinalis zwischen 1,12 und 1,24 mmol/l (4,5–6 mg/100 ml). Blutplasma und Urin (titrierbare Säure).
Diese Werte entsprechen ungefähr der Konzentration des
! Phosphat- und Calciumstoffwechsel sind eng ver-
ionisierten Calciums, da das an Plasamproteine gebundene
bunden.
Calcium nicht frei diffusibel ist.
Phosphatbedarf. Der tägliche Phosphatbedarf beträgt
Ausscheidung. Calcium wird im Wesentlichen über die 25–30 mmol (800–900 mg). Milchprodukte, Getreide und
Nieren ausgeschieden. Das nichtproteingebundene Cal- Fleisch sind die besten Quellen.
cium (60%) wird glomerulär filtriert. Etwa 90% der glome-
rulär filtrierten Ca2+-Menge wird im proximalen Tubulus Intestinale Resorption. Phosphat wird im Jejunum wie im
und der dicken aufsteigenden Henle-Schleife vorwiegend proximalen Tubulus der Niere (7 Kap. 28.1.6) im Cotrans-
parazellulär und ohne Regulation resorbiert. Die Regula- port mit 2 Na+ durch die luminale Membran resorbiert. Das
tion der Calciumausscheidung erfolgt im distalen Tubulus Cotransportsystem wird durch 1,25-(OH)2-Cholecalciferol
(Pars convoluta) durch Parathormon (7 Kap. 28.6.3) und stimuliert. Durchschnittlich werden 70% der zugeführten
1,25-(OH)2-Cholecalciferol (7 Kap. 23.2.2), welche dort Menge resorbiert; der Prozentsatz steigt mit abnehmendem
die Calciumreabsorption stimulieren und so die renale Phosphatangebot an. Da Phosphat mit Aluminium eine
Calciumausscheidung vermindern. Im Normalfall werden unlösliche – nicht resorbierbare – Verbindung eingeht,
nur etwa 1% der filtrierten Ca2+-Menge ausgeschieden, was kann die Phosphatresorption therapeutisch durch Alumi-
bei normaler Ernährung einer täglichen renalen Ausschei- niumhydroxidgel gehemmt werden.
dung von 3,75–11,25 mmol (150–450 mg) entspricht. Die Organische Phosphatverbindungen werden durch Phos-
maximale Ausscheidung liegt bei nur 25 mmol (1 g) pro phatasen im Darm hydrolysiert. Die Resorption erfolgt
24 h. Bei höheren Urinkonzentrationen fällt Calcium zu- ausschließlich als anorganisches Phosphat. Phytinsäure
sammen mit anderen Stoffen in Form von Nierensteinen (der Hexaphosphatester des Inositols), die reichlich in Ge-
aus (7 Kap. 28.2.4), da Calcium und Phosphat sich im treidekörnern vorkommt, ist eine schlechte Phosphatquelle,
Urin in einer übersättigten Lösung befinden. Mit dem da im menschlichen Verdauungstrakt keine Phytathydro-
Darm gelangen ebenfalls etwa 3,75–11,25 mmol (150– lase nachgewiesen werden kann.
450 mg) zur Ausscheidung. Außerdem verliert der Orga-
nismus Calcium mit dem Schweiß (Konzentration 0,3– Verteilung im Organismus. Etwa 85% des Phosphatbe-
15 mmol/l), mit dem plazentaren Kreislauf und der Milch stands des Organismus befinden sich in Knochen und in
(Lactation). den Zähnen. Die übrigen 15% verteilen sich auf die Mus-
kelzellen (6%) und die übrigen Zellen (9%).
. Abb. 28.33 zeigt den Aufbau des auf dem kurzen Arm von
Chromosom 11 gelegenen Prä-Pro-PTH-Gens. Es codiert
die aus 115 Aminosäuren bestehende Sequenz des Prä-
Pro-PTH. Cotranslational wird im rauen endoplasma-
tischen Retikulum die aminoterminale Signalsequenz abge-
spalten, welche aus 25 Aminosäuren besteht, sodass als
Zwischenprodukt das Pro-PTH entsteht (über die Funk-
tion der Signalsequenz 7 Kap. 9.2.2). Im Golgi-Komplex
erfolgt unter Bildung des reifen PTH die proteolytische
Abspaltung eines N-terminalen Hexapeptids aus meist
basischen Aminosäuren.
! Die PTH-Sekretion wird durch die extrazelluläre Cal-
ciumkonzentration reguliert; PTH wird proteolytisch
abgebaut.
. Abb. 28.33. Das Prä-Pro-PTH-Gen und die Prozessierung seines Transkriptions- und Translationsproduktes. (Einzelheiten 7 Text)
Nach Zufuhr von PTH findet sich im Plasma ein Anstieg wo Phosphat über einen Natriumcotransport (NaPi)
des Calciums sowie ein Abfall der Konzentration des anor- resorbiert wird. NaPi wird in seiner Aktivität und auch
ganischen Phosphats. Diese Effekte lassen sich auf die PTH- in der Zahl der Transportmoleküle durch Parathor-
Wirkung an den Knochen, den Nieren sowie der intesti- mon und Calcitonin gehemmt. Entsprechend führen
nalen Mukosa erklären: PTH und Calcitonin zu einer verstärkten Phosphat-
4 Am Knochen führt PTH durch die Aktivierung von ausscheidung im Urin (Phosphaturie). Bis zu 20% des
Osteoklasten zu einer Freisetzung von Calcium. Da- filtrierten Phosphates können so ausgeschieden wer-
rüber hinaus beeinflusst PTH die organische Knochen- den, was zu einem Abfall der Phosphatkonzentration
matrix, in dem es zu einer Auflösung von Kollagen und im Plasma führt. Da die Konzentrationen von freiem
Knochengrundsubstanz führt. Diese Wirkung beruht Calcium und freiem Phosphat zusammen mit ihrem
auf der Aktivierung von Kollagenasen und von lysoso- Produkt Calciumphosphat im reversiblen chemischen
malen Hydrolasen in den Osteoklasten. Als Folge wird Gleichgewicht stehen, führt ein Abfall der Phosphat-
vermehrt Hydroxyprolin aus dem Knochen freigesetzt. konzentration gleichzeitig zu einem Anstieg der Cal-
Die erhöhte Ausscheidung dieser Verbindung im Urin ciumkonzentration
kann daher als diagnostischer Parameter für eine er- 4 Ein weiterer sehr wichtiger renaler Effekt des PTH
höhte PTH-Aktivität verwendet werden besteht darin, dass es die Hydroxylierung von in der
4 Die Regulation der renalen Calciumausscheidung er- Leber gebildetem 25-Hydroxycholecalciferol zum bio-
folgt im distalen Tubulus (Pars convoluta) durch PTH logisch aktiven 1,25-Dihydroxycholecalciferol stimu-
und 1,25-(OH)2-Cholecalciferol, welche dort die Cal- liert. Es führt zu einer gesteigerten Expression der für
ciumresorption stimulieren. Die Regulation der renalen die 1,25(OH)2–Cholecalciferolbildung notwendigen
Phosphatausscheidung erfolgt im proximalen Tubulus, 1α-Hydroxylase (7 Kap. 23.2.2). Damit schafft es die
936 Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts
spiegels, die die Grundlage zur Förderung oder Hemmung Hyposthenurie, Hypokalikämie), der Gastrointestinaltrakt
der intestinalen Resorption bildet. und das Herz (EKG-Veränderungen).
Verursacht werden Hypercalciämien durch eine ge-
! Die Plasmaphosphatkonzentration wird über verschie-
steigerte Freisetzung von Calcium aus den Knochen oder
dene Hormonsysteme reguliert.
eine vermehrte Resorption im Darm. Während ein Mangel
Eine Erhöhung der Plasma-Phosphatkonzentration kommt an Thyreocalcitonin beim Menschen noch nicht als Ursa-
durch folgende Mechanismen zustande: che für eine Hypercalciämie nachgewiesen werden konnte,
4 Wachstumshormon fördert die Phosphatreabsorption können Erhöhungen der Plasmacalciumkonzentration
durch die Nieren und führt so zu einer höheren Plasma- durch eine vermehrte Resorption bei der Überdosierung
phosphatkonzentration v.a. in der Wachstumsphase von Vitamin-D-Präparaten auftreten. Die wichtigste Ur-
4 Vitamin D, Parathormon, Thyroxin aber auch eine sache bilden jedoch die osteolytischen Syndrome, wobei
Azidose fördern den Knochenabbau und damit die man bedenken sollte, dass bei der Zerstörung von 1 g Kno-
Freisetzung von Phosphat und Calcium in den Extra- chen etwa 2,5 mmol (100 mg) Calcium freigesetzt werden.
zellulärraum
Primärer und sekundärer Hyperparathyreoidismus. Die
Zu einer Erniedrigung der Plasma-Phosphatkonzentration klassische Form für die osteolytischen Syndrome ist der
kommt es durch: primäre Hyperparathyreoidismus, bei dem durch Tu-
4 Parathormon, das eine Hemmung der Phosphatreab- moren der Nebenschilddrüsen oder auch durch eine ekto-
sorption im proximalen Tubulus auslöst pische Hormonproduktion anderer Tumoren unabhängig
4 Thyreocalcitonin, das die Plasma-Phosphatkonzen- vom Bedarf Parathormon sezerniert wird, das dann eine
tration über eine Hemmung der Knochenresorption gesteigerte Osteolyse in Gang setzt. Dies führt zu einer
28 senkt massiven Knochenentkalkung mit Knochenverbiegungen,
4 Insulin und Glucose, die zu einer vermehrten Auf- cystischen Entkalkungsherden und schließlich Spontan-
nahme von Phosphat in den Intrazellulärraum führen frakturen. Neben den erhöhten Calciumkonzentrationen
und so einen Abfall der Plasmaphosphatkonzentration sind erniedrigte Phosphatkonzentrationen im Serum ty-
bewirken pisch für den primären Hyperparathyreoidismus.
Vom primären ist der sekundäre Hyperparathyreoi-
dismus abzugrenzen, bei dem eine reaktive Überfunktion
28.6.4 Pathobiochemie des Phosphat- der Epithelkörperchen vorliegt. Sie wird durch Hypocalci-
und Calciumhaushalts ämien aufgrund der verschiedensten Erkrankungen, wie
Störungen der intestinalen Calciumresorption, Vitamin-D-
! Eine Hypophosphatämie beeinträchtigt den ATP-Haus- Mangel, Nierenerkrankungen usw., ausgelöst. Typisch für
halt. dieses Krankheitsbild sind erniedrigte bis normale Serum-
calciumspiegel bei erhöhten PTH-Konzentrationen.
Gründe für eine Hypophosphatämie sind
4 Phosphatverluste infolge Funktionsstörungen im Nie- Tumorhypercalciämie. Auch Tumoren, bei denen Tochter-
rentubulus, denen entweder ein genetischer Defekt oder geschwülste im Skelettsystem auftreten (z.B. bei Mamma-
eine erworbene Schädigung zugrunde liegt, oder und Prostatakarzinom), können mit sog. malignen Hyper-
4 eine Verteilungsstörung, wenn z.B. bei parenteraler Er- calciämien einhergehen. An der Entstehung von Tumor-
nährung eine gesteigerte Aufnahme von Phosphat in hypercalciämien sind von den Tumorzellen gebildete
den Muskel und ins Fettgewebe erfolgt Hormone oder Cytokine (wie TNF-α oder PTH-related-
protein) beteiligt, welche die Osteoklasten stimulieren.
Hypophosphatämien führen u.a. zum ATP- und 2,3-Bis-
! Eine Hypocalciämie kann verschiedene Ursachen ha-
phosphoglyceratmangel (2,3-BPG). Der Erstere löst u.a. ei-
ben; sie erhöht akut die neuromuskuläre Erregbarkeit
ne allgemeine Muskelschwäche und Myokard-Insuffizienz
und führt chronisch zu Entwicklungsstörungen.
aus, Letzteres führt zu einer Verschlechterung der Sauer-
stoffversorgung der peripheren Gewebe (7 Kap. 29.2.2) Ursachen der Hypocalciämie. Erniedrigungen der Plasma-
calciumkonzentration treten bei intestinalen Resorptions-
! Eine Hypercalciämie ist meist osteolytisch bedingt
störungen, Unterfunktion der Nebenschilddrüsen (Hypo-
und beeinträchtigt die Funktion zahlreicher Organ-
parathyreoidismus, 7 u.), gesteigertem Calciumbedarf in
systeme.
der Schwangerschaft sowie gelegentlich bei Thyreocal-
Bild der Hypercalciämie. Erhöhungen des Calciumspiegels citoninüberproduktion auf. Ein akuter Abfall des ionisier-
im Blut über die obere Normgrenze (etwa 2,6 mmol/l) füh- ten Calciums kann durch eine Hyperventilation bewirkt
ren zu Funktionsstörungen verschiedener Organe. Haupt- werden, da die dadurch verursachte Alkalose (7 Kap. 28.8.6)
sächlich betroffen sind die Nieren (Polyurie, Polydipsie, die Bindung von Calcium an die Plasmaproteine erhöht.
28.7 · Der Magnesium- und Sulfathaushalt
939 28
Der Abfall des ionisierten Calciums führt zu Muskelkrämp- Zur Behandlung des Hypoparathyreoidismus werden
fen (Tetanie) (7 o.), die sich vor allem in der Perioralmus- Calcium, PTH und besonders Vitamin D oder verwandte
kulatur und der Fingermuskulatur bemerkbar machen. Verbindungen angewendet. Die Wirkung des Vitamins D
beruht insbesondere auf einer Steigerung der Resorption von
Hypoparathyreoidismus. Die häufigste Ursache für eine Calcium im Dünndarm und auf einer Stimulierung der Phos-
Unterfunktion der Nebenschilddrüsen, einen Hypopara- phatausscheidung durch die Nieren, der Calciumspiegel im
thyreoidismus, ist die unbeabsichtigte Entfernung der Blut wird deshalb angehoben. Beim so genannten Pseudo-
Nebenschilddrüsen bei Operationen an der Schilddrüse. In hypoparathyreoidismus liegt kein Hormonmangel vor,
seltenen Fällen kann auch eine Autoimmunerkrankung zu sondern die Nierentubuli sprechen wegen Rezeptordefekten
einer Unterfunktion der Parathyreoidea führen. nicht adäquat auf PTH an, weshalb die renale Ausscheidung
Die Hauptsymptome sind Muskelschwäche, erhöhte von Calcium erhöht und von Phosphat vermindert ist.
muskuläre Erregbarkeit und Tetanie. Hypoparathyreoi-
dismus im frühen Kindesalter führt zu einem Wachstums- Thyreocalcitoninüberproduktion. Eine Thyreocalcitonin-
stillstand, einer defekten Zahnentwicklung und einer geis- überproduktion findet man bei Schilddrüsenkarzinomen,
tigen Retardierung. die von den C-Zellen der Schilddrüse ausgehen. Trotz der
Das Serumcalcium ist erniedrigt, der Serumphosphat- teilweise erheblichen Thyreocalcitoninsekretion derartiger
spiegel erhöht. Im Urin wird wenig bis kein Calcium ausge- Tumoren kommt es nur bei einer Minderzahl der betrof-
schieden und auch die Phosphatausscheidung ist niedrig, fenen Patienten zu einer Hypocalciämie. Der meist norma-
ohne dass eine Nierenerkrankung vorliegt. Die Serum- le Calciumspiegel im Blut wird offensichtlich durch eine
spiegel an Magnesium und Hydroxyprolin sind ebenfalls effektive Gegenregulation durch PTH aufrechterhalten.
erniedrigt. Die PTH-Spiegel, die normalerweise schon sehr Auch bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen sowie bei
niedrig sind, sind weiter abgesenkt und liegen unterhalb der Pankreaskarzinomen kommt es häufig zu einer ekto-
Nachweisgrenze. pischen Thyreocalcitoninproduktion.
In Kürze
Der Calcium- und Phosphatstoffwechsel sind nicht nur fischen Calcium-Rezeptor in der Membran der Neben-
mit dem Stoffwechsel des Skelettsystems eng verknüpft, schilddrüsenzellen zu einer erhöhten PTH-Sekretion.
sondern auch mit der Aufrechterhaltung nahezu aller PTH erhöht die intestinale und renale Resorption von
zellulärer Funktionen. Calcium und verringert die tubuläre Reabsorption von
Die Regulation der extrazellulären Calciumkonzen- Phosphat.
tration erfolgt durch die Hormone Parathormon (PTH), 1,25-Dihydroxycholecalciferol, die aktive Form des
1,25-Dihydroxycholecalciferol und Thyreocalcitonin. Vitamin D, wird in Abhängigkeit von PTH in den Nieren
Zielgewebe dieser Hormone sind die Zellen der Darm- aus 25-Hydroxycholecalciferol gebildet. Es fördert die
mukosa, der Nierentubuli und der Knochen. Calciumresorption im Intestinaltrakt und erleichtert die
Das in den Nebenschilddrüsen gebildete Parat- Wirkung von Parathormon am Knochen.
hormon ist der wichtigste Regulator des Calciumspie- Das in den parafolliculären Zellen der Schilddrüse
gels im Extrazellulärraum. Jeder Abfall der Konzentra- produzierte Thyreocalcitonin senkt die extrazelluläre
tion des ionisierten Calciums führt über einen spezi- Konzentration an freiem Calcium.
28.7 Der Magnesium- und Sulfat- len Angriff zugänglich. Auch bei der oxidativen Phospho-
haushalt rylierung in den Mitochondrien, verschiedenen Stufen
der Proteinbiosynthese im Cytosol (Assoziation der ribo-
28.7.1 Magnesiumhaushalt somalen Untereinheiten, Aktivierung der Aminosäuren)
und der Nucleinsäurebiosynthese im Kern ist Magnesium
! Magnesium ist an intrazellulären Reaktionen von Phos- beteiligt.
phatgruppen beteiligt. Von klinischer Bedeutung ist die calciumantagonis-
tische Wirkung des Magnesiums. Es blockiert Calcium-
Magnesium nimmt an vielen Reaktionen teil, bei denen kanäle und damit den Einstrom von Calcium z.B. in synap-
Phosphatgruppen übertragen, Phosphatester gespalten tische Endköpfe (vermindert damit Transmitterfreisetzung),
oder gebildet werden, da das Substrat dieser Enzyme (z.B. in die glatte Gefäßmuskulatur und die Herzmuskelzelle.
ATPasen in Membranen, alkalische und saure Phospha- Darauf beruht die Anwendung pharmakologischer Ma-
tasen, Pyrophosphatasen) ein ATP2–-Mg2+-Komplex ist. gnesiumgaben bei Muskelkrämpfen und Herzinfarkt mit
Magnesium macht dabei das Phosphat einem nucleophi- Rhythmusstörungen.
940 Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts
! Über 95% des Körpermagnesiums befinden sich im Da die intrazelluläre Konzentration höher als die des
Intrazellulärraum. Extrazellulärraums ist, weisen auch die Erythrozyten eine
höhere Konzentration als das Blut auf (2,5–2,75 mmol/l).
Magnesiumbedarf. Der Magnesiumbedarf des Menschen Im Knochen ist Magnesium nicht fest gebunden, sondern
ist unbekannt. Er hängt nicht nur vom Gesundheitszustand, rasch mobilisierbar. Der Gesamtbestand des 70 kg schweren
sondern auch von der Zusammensetzung der Nahrung und Erwachsenen beträgt bei 11,5–16,5 mmol/kg Körperge-
insbesondere deren Calcium- und Proteingehalt ab. Mit wicht 800–1150 mmol (etwa 24–25 g) und nimmt mit dem
8,2–12,3 mmol (200–300 mg) pro Tag ist die Bilanz ausge- Alter ab.
glichen. Von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
wird die tägliche Zufuhr von 14,4 mmol (350 mg) empfoh- Ausscheidung. Die Ausscheidung erfolgt fast ausschließ-
len. Reich an Magnesium ist grünes Blattgemüse aufgrund lich über glomeruläre Filtration in der Niere und wird
seines hohen Chlorophyllgehalts sowie Nüsse und Ge- durch die Reabsorption in den Tubuli begrenzt (7 o.). Im
treide. Normalfall werden ca. 5% des filtrierten Mg2+ mit dem Urin
ausgeschieden (3–6 mmol/24 h). Wegen der Kompetition
Intestinale Resorption. Nur etwa 30% des mit der Nahrung von Mg2+ mit Ca2+, führt jede Erhöhung des Serumcal-
zugeführten Magnesiums werden aufgenommen. Seine ciumspiegels zu einer stärkeren Magnesiumausscheidung
Resorption erfolgt über einen noch unbekannten Mecha- und umgekehrt.
nismus durch die Dünndarmmukosa, in geringeren Men- In geringen Mengen wird Magnesium auch mit dem
gen auch im Magen, nachdem das Magnesium des Pflan- Schweiß und in den Darm ausgeschieden.
zenchlorophylls durch Salzsäure abgespalten worden ist.
! Über die Regulation des Magnesiumstoffwechsels ist
Vitamin D3, Parathormon, Wachstums- und Schilddrüsen-
28 hormone steigern die intestinale Resorption.
bisher nur wenig bekannt.
. Tabelle 28.9. Daten zum Magnesiumstoffwechsel ! Ein Magnesiummangel wird durch vermehrten Ver-
brauch oder verminderte Aufnahme hervorgerufen.
Verteilung von mmol/l Prozentualer
Magnesium im Anteil an der Die Magnesiumaufnahme beim Menschen kann durch
normalen Plasma Gesamtmenge
proteinreiche Ernährung (hoher Magnesiumbedarf und
Ionisiert 0,53 55 Hemmung der Resorption), calciumreiche Kost, Mangel an
Proteingebunden 0,30 32 Thiamin (B1) und Pyridoxin (B6), durch höheren Alkohol-
Komplexiert 0,07 7 konsum (hemmt Magnesiumresorption), und durch Ma-
Nicht identifiziert 0,06 6 gnesiummangelernährung verringert sein. Auch die Be-
einträchtigung der renalen Reabsorption von Magnesium
Gesamtmenge 0,96 100
kann einen Mangelzustand herbeiführen.
Normalbereich im 0,8–1,0 mmol
Symptome des Magnesiummangels sind nervöse Stö-
Blutplasma
rungen mit Schwindelzuständen, Kribbeln in Händen und
Tägliche Ausscheidung 3,0–6,0 mmol/24 h
Füßen sowie Muskelkrämpfe, die sich mit der Funktion von
mit dem Urin
Magnesium bei der synaptischen Erregungsübertragung
Gesamtbestand des 115–165 mmol/kg
(neuromuskuläre Endplatte!) erklären lassen.
Organismus Körpergewicht
Empfohlene tägliche 8–14 mmol
Zufuhr mit der Nahrung
28.7 · Der Magnesium- und Sulfathaushalt
941 28
beträgt in Abhängigkeit von der zugeführten Protein- Die Konjugation mit Sulfat in der Leber ist Teil der
menge 30–60 mmol. Phase 2 des Biotransformationssystems (7 Kap. 33.3.1); die
dabei entstandenen Konjugationsprodukte werden nach
! Sulfat ist Bestandteil von Proteoglykanen und wichtig Ausscheidung in den Urin insgesamt als Äther-Schwefel-
für Konjugationsreaktionen. Fraktion bezeichnet. Beim Abbau sulfatierter Verbindungen
wie den Glycosaminoglykanen oder Sulfatiden wird Sulfat
Sulfat kann auch zu Phosphoadenosylphosphosulfat durch spezifische Sulfatasen freigesetzt und kann nach
(PAPS) aktiviert werden, das dann für Konjugationsreak- Aktivierung erneut verwendet werden. In den Urin ausge-
tionen oder zur Biosynthese von Glycosaminoglykanen schiedenes Cystein und Taurin werden als Neutralschwefel
(7 Kap. 17.3.5) oder Sulfatiden (7 Kap. 18.2) verwendet wird bezeichnet (. Abb. 28.38).
(. Abb. 28.37).
In Kürze
4 Über 95% des Körpermagnesiums befinden sich im 4 Sulfat ist Endprodukt des organischen Schwefelstoff-
Intrazellulärraum wechsels
4 Über die Regulation des Magnesiumstoffwechsels ist 4 Sulfat ist Bestandteil von Proteoglykanen und wichtig
bisher nur wenig bekannt für Konjugationsreaktionen
4 Ein Magnesiummangel wird durch vermehrten Ver-
brauch oder verminderte Aufnahme hervorgerufen
28
28.8 Der Säure-Basen-Haushalt Während CO2 in der Lunge abgeatmet wird (. Abb. 28.39),
müssen diese über die Nieren ausgeschieden werden.
28.8.1 Notwendigkeit der Konstanthaltung
der Protonenkonzentration ! Täglich werden bei körperlicher Tätigkeit etwa 24 mol
(1,2 kg) Kohlendioxid über die Lungen abgeatmet.
! Änderungen der Protonenkonzentration beeinträchti- Kohlendioxid wird bei vielen katabolen Reaktionen durch
gen eine Vielzahl von zellulären Reaktionen. dehydrierende oder nicht dehydrierende Decarboxylierung
freigesetzt (. Tabelle 28.10). Ein geringer Teil des freien
Die Interaktionen eines Enzyms mit seinem Substrat oder Kohlendioxids kann in Carboxylierungsreaktionen wieder
eines Hormons mit seinem Rezeptor werden u.a. von elek- fixiert werden, der überwiegende Teil – etwa 24000 mmol
trostatischen Wechselwirkungen bestimmt. Sie werden pro Tag beim gesunden Erwachsenen mit normaler kör-
deshalb durch Änderungen der Wasserstoffionenkonzen- perlicher Aktivität – wird durch die Carboanhydrase in
trationen beeinflusst, die eine Protonenabspaltung bzw. Hydrogencarbonat und Protonen umgewandelt:
-anlagerung und damit Ladungsänderung der reagie-
renden Moleküle verursachen. Der pH beeinflusst somit
die katalytische Aktivität von Enzymen, die Funktion von
Ionenkanälen oder die Bildung von Signalsubstanzen. Hydrogencarbonat wird im Plasma zu den Lungen trans-
Damit die zahlreichen, zeitlich und räumlich nebeneinan- portiert, die bei der Bildung von Hydrogencarbonationen
der ablaufenden enzymatischen Reaktionen und Reak- entstehenden Protonen werden vorwiegend durch Hämo-
tionsketten in der Zelle koordiniert funktionieren kön- globinmoleküle abgepuffert. Im Bereich der Lungen wer-
nen, muss demzufolge die Protonenkonzentration durch den die Protonen wieder abgegeben und für die Carboan-
Puffersysteme in engen Grenzen konstant gehalten wer- hydrase-Rückreaktion verwendet. Das dabei entstehende
den. pH-bedingte Störungen auf zellulärer Ebene machen CO2 wird abgeatmet.
sich systemisch als Funktionsstörungen (z.B. Arrhyth-
! Der Abbau von Aminosäuren liefert einen Überschuss
mien) bemerkbar.
nichtflüchtiger Säuren.
. Tabelle 28.10. Stoffwechsel von Kohlendioxid in der tierischen Zelle: Decarboxylierungen und Carboxylierungen (Auswahl)
Substrat Produkt Stoffwechselweg
Decarboxylierungen
Dehydrierende Decarboxylierung von D-Ketosäuren
D-Ketopropionat (Pyruvat) Acetyl-CoA Glucoseabbau
D-Ketobutyrat Propionyl-CoA Threonin- und Methioninabbau
D-Ketoisocapronat Isovaleryl-CoA Leucinabbau
D-Ketovalerianat Isobutyryl-CoA Valinabbau
D-Keto-β-Methylvalerianat D-Methylbutyryl-CoA Isoleucinabbau
D-Ketoglutarat Succinyl-CoA Citratzyklus
D-Ketoadipat Glutaryl-CoA Lysin- und Tryptophanabbau
Decarboxylierung von β-Ketosäuren
Isocitrat D-Ketoglutarat Citratzyklus
β-Keto-1-Phosphogluconat D-Ribulose-5-Phosphat Pentosephosphatweg
β-Ketobutyrat (Acetacetat) Aceton Ketonkörper
D-Amino-β-Ketoadipat δ-Aminolävulinat Porphyrinbiosynthese
β-Keto-L-Gulonat L-Xylulose Urinsäureweg
Carboxylierungen
Pyruvat Oxalacetat Gluconeogenese
Ammoniak bzw. Glutamin Carbamylphosphat Harnstoff- bzw. Pyrimidinbiosynthese
Acetyl-CoA Malonyl-CoA Fettsäurebiosynthese
Propionyl-CoA D-Methylmalonyl-CoA Fettsäureabbau
β-Methylcrotonyl-CoA β-Methylglutaconyl-CoA Leucinabbau
4 Beim Abbau von Glutamat und Aspartat werden Pro- 28.8.3 Verteilung der Protonen zwischen
tonen verbraucht, was einer Nettoproduktion von Intra- und Extrazellulärraum
HCO3– entspricht.
Gebräuchlicherweise wird die H+-Ionenkonzentration als
Insgesamt resultiert aus dem Proteinabbau ein Überschuss pH-Wert angegeben:
an nicht flüchtigen Säuren, was auch als sog. Säureüber- 4 Im Blut und damit auch im Extrazellulärraum liegt der
schuss der Nahrungsproteine bezeichnet wird. Mit protein- pH im Mittel bei 7,4 (40 nMol H+/l) mit einem physio-
reichen Nahrungsmitteln, wie z.B. Fleisch, Eiern oder Ge- logischen Schwankungsbereich von pH 7,36–7,44
treideprodukten entsteht ein saurer Urin, mit Milch, Obst 4 Der intrazelluläre pH-Wert liegt in der Regel etwas
und Gemüse (lactovegetabile Kost) ein alkalischer Harn. unter dem extrazellulären im Bereich von pH 7,0–7,2
Die normale Mischkost aus säure- und basenüberschüs-
sigen Nahrungsstoffen liefert täglich etwa 60 ± 20 mmol In fast allen Zellen existieren aktive Transportmechanis-
Protonen. Die durch extrem einseitige Ernährung erreich- men für den H+-Export bzw. Basenimport.
baren Überschüsse sollen in beiden Richtungen bei etwa Im Stoffwechsel anfallende Säuren/Basen können die
150 mmol/24 h liegen. Zellmembran auf verschiedenen Wegen permeieren:
4 durch nichtionische Diffusion der ungeladenen Form
! Das Phosphat der Nahrung ist ebenfalls eine Protonen-
schwacher Säuren und Basen wie z.B. NH3 oder CO2
quelle.
4 über den Na+/H+-Antiport; hier wird der passive Na+-
Die übrigen mit der Nahrung zugeführten Protonen stam- Einstrom zum Export von H+ genutzt; es ist ein ubiqui-
men im Wesentlichen aus dem Nahrungsphosphat; anor- täres System, das in allen Zellen vorliegt und bei intra-
ganisches Phosphat, das z.B. in einem sauren Fruchtsaft zellulärer Azidose aktiviert wird
überwiegend als Dihydrogenphosphat vorliegt, geht im al- 4 über H+/(K+)-ATPasen
kalischen Milieu des Darmes in Hydrogenphosphat unter 4 über die in vielen Zellen vorkommenden Cl–/HCO3–-
Freisetzung von Protonen über. Antiporter bzw. Na+/HCO3–-Cotransportsysteme, die
944 Kapitel 28 · Funktion der Nieren und Regulation des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts
in Abhängigkeit von den aktuellen elektrochemischen jedoch nur mit 1% an der extrazellulären Gesamtpuffer-
Gradienten eine Nettoverschiebung von Base (HCO3–) kapazität beteiligt. In der Zelle findet sich Phosphat in
zwischen Extra- und Intrazellulärraum erlauben wechselnd hohen Konzentrationen (100–150 mmol/l),
wobei es allerdings überwiegend an Makromoleküle ge-
bunden ist.
28.8.4 Puffersysteme Dem Ammoniak-/Ammonium-System kommt auf-
grund seiner sehr geringen Konzentration (40 mmol/l) und
Während für die Pufferung im Intrazellulärraum Phos- des ungünstigen pK-Werts (9,40) keine Bedeutung bei der
phat- und Proteinat-Puffer (7 u.) entscheidend sind, wird Pufferung im Extrazellulärraum zu.
der pH-Wert des Extrazellulärraums durch verschiedene Alle genannten Puffersysteme stehen – als Bestandteile
andere Puffersysteme eingestellt. einer gemeinsamen Lösung – miteinander im Gleichge-
wicht:
! Das Kohlendioxid-Hydrogencarbonat-System und
Proteine sind die wichtigsten extrazellulären Puffer.