Sie sind auf Seite 1von 4

08_09_018-021_Hamburg 28.07.

2009 11:18 Uhr Seite 18

hamburg

Maximum Pleasure

Exclusive Eyewear

Foto: Stephan Pflug


Brillen Contactlinsen Sonnenbrillen
Helfen verboten
Uwe-Carsten Edeler unterstützte seinen Lebenspartner bei der Steuererklärung.
Dafür drohte ihm das Finanzamt ein sattes Bußgeld an

Vor zehn Jahren war Hamburg noch Trendsetter: 1999 nen Umständen! Andernfalls, so das Finanzamt, drohten
konnten Lesben und Schwule in der Hansestadt als erste Uwe wegen „unbefugter steuerlicher Hilfeleistung“ eine
heiraten. Die „Hamburger Ehe“ war nur ein Symbol ohne Geldbuße bis zu einer Höhe von 5 000 Euro, ja sogar
rechtliche Folgen. Auch zehn Jahre später gelten noch im- Zwangsgeld von bis zu 25 000 Euro.
mer viele Hamburger Eheleute als fremde Personen – ob- Ein befreundeter Rechtsanwalt widersprach: Lebens-
Berlin Hamburg Sylt wohl sie verheiratet sind. Zum Beispiel Uwe-Carsten Ede- partner seien wie Familienangehörige zu behandeln. Ver-
ler (62) und sein Mann Ding Yong Liu (34). geblich. Hamburgs Finanzbehörde hält die Homo-Ehe für
Vor sechs Jahren kam Yong aus China nach Deutsch- genauso irrelevant wie die Hamburger Ehe von 1999. Ge-
land. Mit den Feinheiten des hiesigen Einkommenssteuer- genüberhinnerk bekräftigt ein Sprecher der Finanzbehörde
rechts noch nicht vertraut, bat der Innenarchitekt seinen diese Rechtsauffassung: Der Angehörigenbegriff sei in der
Mann um Tipps bei der Steuererklärung. Soweit der Eheall- bundesweiten gültigen Abgabenordnung „abschließend
tag. Die Probleme kamen, weil Uwe zu ehrlich war: Auf definiert“. „Das bedeutet, dass nur die dort aufgeführten
Yongs Steuerformularen notierte er seinen Namen dort, wo Personen Hilfe leisten dürfen“, betont Christoph Klamp,
sich sonst der Steuerberater zu erkennen geben muss. sehr darum bemüht, jeden Diskriminierungsverdacht zu
Das zuständige Finanzamt Hamburg-Am Tierpark rea- zerstreuen: „Für alle anderen Fälle ist das Finanzamt an-
ABC-Straße 1 I Hamburg
gierte prompt: „Eine Mitarbeiterin erklärte mir telefonisch gewiesen, ein Bußgeld anzudrohen – also keinesfalls nur
Telefon +49 (0)40 35716005 im scharfen Ton, dass ich nicht für Yong sprechen dürfe. Sie bei eingetragenen Lebenspartnerschaften.“
www.opticon-hamburg.de habe den Vorgang bereits an die Rechtsabteilung weiter- Eine Klage gegen die absurde Rangfolge – Neffen ja,
geleitet.“ Diese belehrte Uwe kurze Zeit später in einem Lebenspartner nein – hält Uwes Anwalt für erfolgverspre-
zweiseitigen Brief, welche Angehörigen bei der Steuerer- chend. Doch die würde wohl bis vor den Bundesfinanzhof
klärung helfen dürfen: Kinder und Geschwister, Onkel und führen. „Das dauert Jahre und kostet ein Vermögen“, be-
Tanten, Nichten und Neffen, Verschwägerte und Ehegatten, fürchtet Uwe. Das wollen sich die beiden nicht antun. Den
ja sogar Verlobte. „Aber eingetragene Lebenspartner Stress ist ihre Hamburger Ehe nicht wert.
nicht?“, wundert sich Yong im hinnerk-Gespräch. Unter kei- PHILIP EICKER

18 hinnerk 08/09
08_09_018-021_Hamburg 27.07.2009 18:46 Uhr Seite 19

 www.hinnerk.de

Gottesreich Spendenmarsch Eheinstitut


Wer sind die Evangelikalen, wie wollen sie unsere Ge- Zweiter „Walk for Money“ durch St. Georg: Am 1. Au- Die „Hamburger Ehe“ war vor zehn Jahren ein
sellschaft verändern und warum können sie für Les- gust will die Initiative „Die Paten – gemeinsam gegen Rechtsinstitut ohne wirkliche Rechte. Der symboli-
ben und Schwule gefährlich sein? Die ARD-Journa- Aids” wieder Spenden sammeln. An dem Marsch kann sche Akt gilt aber als wichtiger politischer Vorläufer
listen Oda Lambrecht und Christian Baars haben ihre jeder teilnehmen – einzeln oder als Gruppe. Spenden für die Eingetragene Lebenspartnerschaft, damals
Recherchen im christlich-konservativen Milieu in dem können vorher im Kollegen-, Freundes- oder Famili- von Hamburgs Zweiter Bürgermeisterin Krista Sa-
Buch „Mission Gottesreich“ zusammengefasst. Im enkreis gesammelt werden und beim Check In (Pride ger (GAL) auf den Weg gebracht. Zum Jubiläum heißt
Pride House (An der Alster 40) berichten sie am House, An der Alster 40, ab 16.30 Uhr) abgegeben es am 4. August ab 20 Uhr im Schmidt-Theater: „Wir
3. August ab 17 Uhr über ihre Gespräche mit theolo- werden. Und auch beim Marsch selbst sollen die feiern zehn Jahre Hamburger Ehe“. Eine Mischung
gischen Fundamentalisten, ihre Besuche in Gemein- Spendendosen klappern. Der „Walk for Money“ endet aus Talk und Show mit Lilo Wanders, Kay Ray, Krista
den und die Erfahrungen von Aussteigern. Anschlie- beim Sommerfest von Hein & Fiete, das am 1. und 2. Sager, Farid Müller, Till Steffen, Emmi & Herr Willno-
ßend ist Raum für Fragen und Diskussion. August (jeweils ab 14 Uhr) im Pulverteich stattfindet. wsky, Schola Cantorosa und Corny Littmann.

hinnerk 08/09 19
08_09_018-021_Hamburg 27.07.2009 18:47 Uhr Seite 20

hamburg

Sven ist seit langem Hamburger, aber ganz


neu in der Schanze. Die letzten vier Jahre
war er in Berlin. „Das war anstrengend, weil
ich alles miterleben wollte. Aber auch wun-
derbar und wichtig für meine Entwicklung.“
Im Frühjahr ist der 29-Jährige zurückgezo-
gen – ohne Job. „Eine reine Bauchentschei-
dung.“ Nun bedient Sven im Café Bedford
mit Blick auf die Rote Flora. Die linksauto-
nome Bastion will er nicht missen: „Ich bin
nicht der Typ, der auf die Straße geht. Aber
es ist wichtig, dass manche Widerstand leis-
ten. Heute ziehen sich zu viele ins Private
zurück und kümmern sich nicht um andere.“
Sven macht das hauptberuflich: Er betreut
Schwerbehinderte. „Ich genieße die Ruhe in
Hamburg“, sagt Sven. „Vielleicht hat das mit
dem Alter zu tun: Man will zurück zu seinen

am b u r
Wurzeln.“ Und die liegen in Ostfriesland. Das
H Leben in der Natur fehlt ihm. „Gäbe es den

g
Mein
Prinzen, der mit mir in die Vorstadt zieht:

rie
Ich würde es sofort machen!“
Bedford, Schulterblatt 72

Se
h
in
nerk

Linksrum
Die Schanze ist Hamburgs hippster Stadtteil.
Sven findet ihn erholsam

Fotos: Stephan Pflug

Freiraum Hipp wie Sepp


Sven führt Tagebuch, im Sommer gerne auf den Freitreppen an der Alten Rin- Im Second-Hand-Shop Hot Dogs wählt Sven zwischen Sepp-Meier-Trai-
derschlachthalle. „Ich notiere mir, was ich erlebt und gelernt habe“, erzählt er. ningsanzügen und Retro-Sneakern. Früher haben ihn schicke Menschen
Beim Lesen alter Einträge muss er oft feststellen: „Viele Dinge sind noch eingeschüchtert. „Bein ersten Besuch in Berlin, dachte ich: So hip werde
genauso wie früher – erschreckenderweise!“ Neuer Kamp 30, www.karostar.de ich nie sein!“ Nun weiß er: „Alles Äußerlichkeiten!“ Hot Dogs, Marktstr. 38

20 hinnerk 08/09
08_09_018-021_Hamburg 27.07.2009 18:47 Uhr Seite 21

Reduce To The Max


„Man merkt, dass sich die Schanze stark verändert“, meint Sven. Vor allem am Schulterblatt mieten sich Ladenket-
ten ein: American Apparel und Back Factory verpassen der Lebensader des Viertels einen Einheitslook. Sven bevor-
zugt unabhängige Geschäfte wie die Konditorei Herr Max. Dort kann er Meister Max beim Backen zuschauen.
Herr Max, Schulterblatt 12, www.herrmax.de

Blumenkind
Überall Blumen, dicht an dicht in Plastikschuber
gestapelt. Sogar im Schaufenster drängeln sich
Blüten so eng, dass Kondenswasser die Scheibe
herunterläuft. Ein Stoff im braun-orangefarbenen
70er-Jahre-Dekor dient als Sonnenschutz. Sven
liebt Blumen. Und er liebt den unprätentiösen Blu-
menladen in der Susannenstraße. „Nur ein paar
zur Auswahl. Aber die müssen raus, raus, raus! Das
ist wie im Tante-Emma-Laden.“ Susannenstr. 30

Schwule Schanze
Mess: Haute Cuisine im Tiefparterre: Edelrestaurant mit Rote Flora: Das besetzte Haus am Schulterblatt ist das
mediterran-asiatischer Küche. Über 300 Weine. Herz der linksautonomen Szene in Hamburg. Eines ihrer
Turnerstr. 9, www.mess.de/restaurant Ziele: „Smash Homophobia!“ Die alternative CSD-Party
findet traditionell in der Flora statt (siehe Seite 15).
Six Million Glasses: Sehhilfenfachgeschäft in unge-
8.8., 23 Uhr, Rote Flora, www.nadir.org/nadir/initiativ/roteflora
wöhnlicher Optik. In Wohnzimmeratmosphäre passen
die heterosexuellen Peters-Brüder schwule Brillen und
Uebel & Gefährlich: Der feine Club im grobschlächti-
Kontaktlinsen an. Schulterblatt 3, www.sixmillionglasses.de
gen Hochbunker glänzt mit Flakplattform-Terrasse und
Wohngeschwister nennen sich die Brüder Carsten und queerem Booking. Neben vielen Konzerten finden dort
Dag Lübke, verkaufen Möbel und Wohn-Schnickschnack. regelmäßig die schwul-lesbischen Partys Mis-Shapes
Innenstadt-IKEA für Individualisten. und Laserdance statt. Hohe Homo-Quote.
Schanzenstr. 34-36, www.die-wohngeschwister.de www.uebelundgefaehrlich.com

Das könnte Ihnen auch gefallen