Lena Groschupf Minna von Barnhelm 1
MINNA VON BARNHELM
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GOTTHOLD EPHRAIM LESSING
Autor: Lessing wurde am 22. Januar 1729 als Pfarrerssohn in Kamenz geboren. In Leipzig und Wittenberg studierte er später Theologie, Philosophie und Medizin. Während seiner Studienzeit entstand sein erstes Drama: Der Junge Gelehrte (1748). In Wittenberg erhielt er die Magisterwürde. Lessing hielt sich dann in Berlin als Literatur- und Theaterkritiker auf. In dieser Zeit entstanden weitere Dramen. 1755 kehrte er zurück nach Leipzig, doch 1758 reiste er wieder nach Berlin. Dort gründete er mit dem Kritiker Christoph Friedrich Nicolai und dem Philosophen Moses Mendelssohn die Literaturzeitschrift Briefe, die neueste Literatur betreffend. Ab 1760 war Lessing fünf Jahre lang in den Diensten des Kommandanten von Breslau als Kriegssekretär tätig. 1767 nahm er eine Stelle im neugegründeten Deutschen Nationaltheater als Dramaturg in Hamburg an. Bereits nach einem Jahr scheiterte das Theater und Lessing ging darauf nach Wolfenbüttel, wo er bis zum Rest seines Lebens (1781) als Bibliothekar arbeitete. Lessing war mit seinen Dramen und Kritiken der wohl bedeutendste Vertreter der deutschen Aufklärung. In vielen Essays betonte er, dass die englischen Dramen (v. a. von Shakespeare) den deutschen Dramatikern ein besseres Vorbild seien. Er wandte sich deshalb vom französischen Klassizismus stark ab und verdrängte ihn auch ganz aus der deutschen Literatur. Mit Miss Sara Sampson schuf er das erste bürgerliche Trauerspiel überhaupt. Noch weitaus hinausragender sind hingegen sein Lustspiel Minna von Barnhelm und die Tragödie Nathan der Weise. Mit dem Nathan schuf Lessing einen großen Beitrag für Toleranz gegenüber der Religionszugehörigkeit von Menschen. In seiner Hamburgischen Dramaturgie schrieb er seine Gedanken zur Dramentheorie nieder. Werke:
Der junge Gelehrte (1748)
Der Freygeist (1749)
Die Juden (1749)
Miss Sara Sampson (1755)
Fabeln. Drei Bücher. (1759)
Minna von Barnhelm (1767)
Hamburgische Dramaturgie (1767/1768)
Emilia Galotti (1772)
Nathan der Weise (1779) Charaktere:
Minna von Barnhelm
: Nichte des Grafen von Bruchsall und die Verlobte Tellheims; Schönheit und Klugheit
Major von Tellheim:
hat im 7 jährigen Krieg unter preußischer Flagge gedient; verlobt mit Minna; lehnt jede Hilfe ab; glaubt er hat die Ehre verloren
Just:
Tellheims Bursche; treu, hilfsbereit und bewundert seinen Herren
Graf von Bruchsall:
Minnas Onkel (hat nur einen kurzen Auftritt am Ende)
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Franziska:
Kammermädchen und Freundin Minnas; witzig, gutherzig und bodenständig
Paul Werner:
Tellheims ehem. Wachtmeister; im zivilen Leben Bauer, will aber Soldat bleiben; treu, hilfsbereit
Der Wirt:
eigennützig, neugierig und aufdringlich
Handlung: Das Stück spielt kurz nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges, am 22. August des Jahres 1763. Der verwundete und unehrenhaft entlassene Major von Tellheim, der für die preußische Armee tätig war, befindet sich
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ohne finanzielle Mittel und schweren Bestechungsvorwürfen ausgesetzt
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mit seinem Diener Just in einem Berliner Gasthof, wo er auf den Ausgang seines Prozesses wartet. Ihm wird vorgeworfen, die Order Friedrichs II. missachtet zu haben, sogenannte Kriegskontributionen einzutreiben: Geldforderungen an die im Krieg unterlegenen Gegner. Tellheim war zu Kriegszeiten in Thüringen (damals zum Kurfürstentum Sachsen gehörig) stationiert. Dort hatte er sich mit den thüringischen Ständen auf die kleinstmögliche Summe geeinigt und das Geld zudem aus eigener Tasche gegen Aushändigung eines Schuldscheins vorgeschossen. Als Tellheim nach Kriegsende diesen Schuldschein bei der Berliner Kriegskasse einlösen wollte, beschuldigte man ihn der Bestechung durch die thüringischen Stände. Minna von Barnhelm, mit der sich Tellheim bereits vor Kriegsbeginn verlobt hat, reist ihm nun mit ihrer Kammerfrau und Freundin Franziska von Thüringen nach Berlin nach, um ihn zu heiraten. Tellheim jedoch, der den brieflichen Kontakt zu seiner wohlhabenden Verlobten abgebrochen hat, da er sich ihrer in seiner momentanen mittellosen Lage als unwürdig empfindet, ist fest entschlossen,
seine geliebte Minna zu verlassen. „Vernunft und Notwendigkeit befehlen“ ihm, Minna zu vergessen (II. Akt, Szene 9), denn er sei nicht nur ein
Bettler und Krüppel (er hat im Krieg einen verwundeten Arm davongetragen), sondern durch seine Entlassung auch noch ehrlos geworden. Trotzdem weigert er, finanzielle Hilfe anzunehmen, und schlägt das Angebot seines Freundes und früheren Kampfgefährten Wachtmeister Paul Werner aus, ihm Geld zu leihen, ja er verzichtet sogar darauf, das ihm rechtmäßig zustehende Geld der Witwe Marloff zurückzunehmen, das er ihrem Mann in Kriegszeiten geliehen hat. So muss Tellheim, um seine Zimmermiete beim Wirt begleichen zu können, notgedrungen seinen Verlobungsring versetzen, den er von Minna einst erhalten hat. Minna jedoch, der der Wirt den Ring zum Verkauf anbietet, erkennt den Ring und löst ihn wieder ein, ohne das Tellheim davon weiß. Sie versucht nun, ihren Major durch eine List zurückzugewinnen: Sie vertauscht ihren eigenen Verlobungsring mit dem von Tellheim und gibt ihm ebendiesen Ring zurück. So scheint es, als würde Minna nun ihrerseits die Verbindung lösen. Zudem behauptet Minna fälschlicherweise, dass sie ihr Oheim enterbt habe, weil sie den Mann, den er für sie gewählt hatte, nicht heiraten will. Sie sei also nun ebenso mittellos und entehrt wie Tellheim. Minnas Notlage führt bei Tellheim zu einem Sinneswandel. Er versucht nun, alles Nötige dafür zu tun, Minna nun doch heiraten zu können und sie aus ihrer prekären Lage zu befreien. Ein eintreffender Brief des Königs bringt zudem die Nachricht von der Niederschlagung des Prozesses, so dass Tellheim nun auch juristisch rehabilitiert ist und auch das ihm zustehende Geld erhalten wird. Der Konflikt scheint gelöst, doch Minna treibt ihr Spiel weiter und weigert sich, Tellheim unter diesen Umständen heiraten zu können. Sie spiegelt damit Tellheims eigenes Verhalten wider, der
sich stets weigerte, „sein ganzes Glück einem Frauenzimmer zu verdanken.“ (IV, 6). So droht
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der Komödie kurz vor dem Ende ein tragischer Ausgang. Als jedoch Minnas Oheim eintrifft, klärt sich die Situation auf, sodass Minnas und Tellheims Heirat nichts mehr im Wege steht. Am Ende wird eine Doppelhochzeit zwischen Minna und Tellheim und Franziska und Werner in Aussicht gestellt. Deutungsvarianten: Seit dem Beginn der literaturwissenschaftlichen Interpretationsgeschichte der Minna wird der Konflikt von Liebe und Ehre immer wieder als das zentrale Problem dieser Komödie angesehen. Tellheim wird dabei zumeist die Rolle des in übertriebener Weise auf seine Ehre bezogenen Starrkopfes zugeschrieben, der sich mit seiner ungerechtfertigten Anklage nicht abfinden kann, während Minna dies überwinden kann und Tellheim somit wieder liebesfähig macht. Da Tellheim bei einem negativen Ausgang seines Prozesses der vollständige Verlust seines sozialen Status drohe, sei eine Hochzeit mit Minna unter diesen Umständen undenkbar. Der Konflikt des Stückes kann also aus Sicht dieser Deutung nicht durch die Personen des Stückes selbst gelöst werden. Das glückliche Ende sichert hier erst der Brief des Königs, welcher die Botschaft vom Ende des Prozesses und damit von Tellheims völliger Rehabilitierung bringt. In neuerer Zeit wurde unter anderem untersucht, warum Tellheim sowohl Minnas als auch Paul Werners Hilfsangebote immer wieder kategorisch ablehnt. Sein Fehler bestehe nicht nur darin, verbissen auf seine Offiziersehre zu pochen, sondern auch in seiner moralischen Eitelkeit, die es ihm (auch Freunden gegenüber) verbiete, sich in seiner finanziellen Not helfen zu lassen. Für diese Erklärung spricht, dass Tellheim sofort bereit ist, Minna doch zu heiraten, als er hört, dass sie von ihrem Oheim enterbt sei
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also zu einem Zeitpunkt, an dem seine Ehre durch den Brief des Königs noch keineswegs wiederhergestellt wurde, die Ehre Minnas hingegen auf dem Spiel steht. Tellheim erwartet, dass andere (Witwe Marloff) seine Hilfe widerspruchslos annehmen, während er selbst umgekehrt nicht bereit ist, bei anderen (Paul Werner) zum Schuldner zu werden. Daneben stehen auch andere Motive des Stückes immer wieder im Fokus der Interpretation: die Funktion des Geldes für die sozialen Beziehungen der Charaktere, die Auseinandersetzung mit Preußen und dem Krieg oder die soldatische Ehre bzw. Ehrlosigkeit. Zeitgeschichtlicher Hintergrund: Den Hintergrund zu Minna von Barnhelm bilden der Siebenjährige Krieg, bzw. die Folgen, die sein Ende auf die Bevölkerung hatte. Obwohl Lessing in Sachsen geboren war, stand er weder auf der sächsischen noch auf der preußischen Seite und wurde deshalb von beiden Seiten angegriffen. Er wandte sich nicht gegen den Krieg im Allgemeinen, sondern gegen einen Krieg, der nicht ein Krieg der Völker, sondern von Söldnerarmeen war. Deshalb lässt er seinen Tellheim auch Werner ermahnen: ,,Man muss Soldat sein für sein Land; oder aus Liebe zu der Sache, für die gefochten wird. Ohne Absicht heute hier, morgen da dienen: heißt wie ein Fleischerknecht reisen, weiter nichts." Lessings Kritik richtet sich gegen einen Krieg, der ,,nicht den Frieden der Nation hergestellt, sondern die nationale Zerklüftung vertieft hat." Des Weiteren war wichtig für den Hintergrund zu ,,Minna von Barnhelm" die Tatsache, dass Friedrich II. im Winter 1761/62 sein Hauptquartier in Breslau hatte, wo Lessing als Sekretär
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