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Verbinden sich zu stabilen Kom- Mit ihnen wagten sich die zwei Monaten β-Amyloid-Ablagerungen
plexen: Aneinander gekettete Teams sogar an das weitaus „klebri- im Gehirn auf und leiden infolgedes-
Aminopyrazole (erstes und drittes gere“ Alzheimerpeptid heran. Zu ih- sen unter Gedächtnisstörungen –
Molekül von oben) passen genau rer großen Freude verhinderten die sind also echte Alzheimer-Modellpa-
zu Peptiden in der β-Faltblatt-Form wirksamsten Vertreter bei Aggre- tienten. Kann den Mäusen geholfen
(zweites Molekül) und lagern sich gationsversuchen mit isoliertem Aβ werden, wäre das kritische Teststa-
über Wasserstoffbrücken von fast komplett das Auftreten von grö- dium der ersten Tierversuche er-
oben und unten an. So können sie ßeren Aggregaten im Reagenzglas. folgreich überstanden. Für diesen
Schutzkappen für die klebrigen Der nächste Schritt bestand im Fall planen die Forscher die (kost-
Kanten des Prion-Proteins bilden. Anbringen von „Adressen“, die den spielige) internationale Patentan-
Das unterste Bild zeigt ebenfalls ein Wirkstoff nur an das „böse“ Aβ hef- meldung. Danach könnte die mehr-
Peptik, allerdings um neunzig Grad ten und gute Peptide verschonen. jährige Phase der klinischen Tests
gedreht. Dazu wurde an den bereits fertigen beginnen, bei der die Toxizität des
Wirkstoff ein kleines Peptidbruch- Medikaments und seine potentiellen
stück gehängt, welches auch im Aβ- Nebenwirkungen untersucht werden
Peptid vorkommt und wahrschein- und außerdem die Frage geklärt
lich dessen Aggregation auslöst. werden muss, wie es die Blut-Hirn-
Schließlich wurde man fündig: verlässlichen Test auf Prionen- und In Zusammenarbeit mit der Schranke passieren kann, durch die
Aminopyrazole erwiesen sich als ge- Alzheimer-Erkrankungen entwickelt, TransMIT GmbH – einer Gesellschaft es an seinen Einsatzort gelangt.
nau komplementär zu den klebrigen indem sie die Proteinplaques mit- für Technologietransfer, zu deren
Kanten der Aβ-Moleküle, sind aber tels spezieller Lasertechnik (der Flu- Gründern auch die Philipps-Univer- Im Trend der Zeit
im Gegensatz zu Peptiden auf ih- oreszenzkorrelationsspektroskopie, sität gehört – wurde die Erfindung
rer Rückseite nicht klebrig, sondern FCS) nachgewiesen. Im Gespräch er- schließlich zum Patent angemeldet Was wird in Zukunft angestrebt?
glatt. Sie könnten sich also schon kannten Schrader und Riesner, dass und Biotech-Firmen weltweit zur Ko- Natürlich besteht ein Hauptziel in
sehr früh als Schutzkappen auf die sie möglicherweise jeweils einen Teil operation angeboten. Großes Inter- der Entwicklung eines wirksamen
wachsenden Peptidaggregate set- des Schlüssels für eine völlig neue esse zeigte die Firma JSW Research Medikaments gegen Alzheimer. Da-
zen und deren weiteres Wachstum Therapie von Proteinfaltungskrank- aus dem österreichischen Graz. Sie rüber hinaus wollen die Forscher
stoppen oder sie gar auflösen. heiten in Händen hielten: Während war für die Forschergruppen aus aber den Mechanismus der sponta-
Erwartungsvoll führte die For- die Schrader-Gruppe neue syntheti- Chemie und Biologie zudem eine nen oder induzierten Proteinaggre-
schergruppe eine Synthese der sche Wirkstoffe entwickeln konnte, wertvolle Ergänzung, weil sie nicht gation besser verstehen und lernen,
kleinsten Vertreter der Aminopyra- war die Riesner-Gruppe in der Lage, nur über lebende Kulturen von Ner- ihn gezielt zu beeinflussen. Dafür
zole und erste Tests im Analysen- ihre Wirkung sofort zu testen. venzellen verfügte, sondern auch ist in diesem Fall eine stark interdis-
röhrchen durch und fand tatsächlich Die ersten Versuche mit ein- führend in der Herstellung transge- ziplinäre Kooperation nötig: Mode-
heraus: Kleine Peptide mit β-Falt- fachen Aminopyrazolen verlie- ner Mäuse für die Erforschung der ling, Synthese, Bindungsassays im
blattstruktur bilden zusammen mit fen allerdings enttäuschend – ihre Alzheimer- und Parkinson-Krankheit Labor, biophysikalische Experimen-
Aminopyrazolen stabile Komplexe in Verbindungen erwiesen sich im Ag- war. Schnell einigte man sich und te, Zellkulturassays und Tierversu-
organischen Lösungsmitteln. gregationsversuch als komplett un- ließ Tests an lebenden Nervenzellen che bringen schon jetzt Chemiker,
wirksam. Sobald jedoch mehrere aus Hühnerembryos folgen, denen Biologen, Pharmakologen und Medi-
Glücklicher Zufall davon geschickt aneinandergeket- man gefährliche, klebrige Alzheimer- ziner zusammen.
tet wurden, änderte sich das Bild: fibrillen zusetzte. Das Ergebnis: In Damit liegen sie ganz im Trend
Dann kam ein glücklicher Zufall Schon das kleinste Dimer (eine Mo- beiden Fällen lebten die untersuch- der heutigen Zeit: Für die Lösung
ins Spiel, in diesem Fall in Person lekülkette aus zwei Untereinheiten) ten Zellen beträchtlich länger, wenn der großen medizinisch-biologi-
des bekannten Biophysikers Detlev verhinderte bei einem beträchtlichen man ihnen die besten in Marburg schen Fragestellungen unserer Tage
Riesner. Nur wenige Schritte vom Anteil des untersuchten Prionprote- und Düsseldorf entwickelten Wirk- wird fächerübergreifende Koopera-
organisch-chemischen Labor in Düs- ins, in diesem Fall des BSE-Erregers, stoffe zusetzte (Abbildung unten). tion stets notwendiger. Gegenüber
seldorf entfernt – hier hatte sich dessen Verklumpung. Diese sensa- Gegenwärtig geht man noch ei- seinen Diplomanden und Doktoran-
Schrader habilitiert und diese For- tionelle Entdeckung bestätigte das nen Schritt weiter: Das potentiell den betont das Schrader immer wie-
schungsarbeit begonnen – arbeitete Konzept prinzipiell. Nun folgte eine beste Medikament wird nun in ers- der: „Wir betreiben hier nicht l’art
Riesner, Professor am dortigen Insti- lange Zeit der Syntheseentwicklung ten Tierversuchen an transgenen pour l’art. Ihr forscht nicht im luft-
tut für Physikalische Biologie, an bio- und -optimierung im Labor, bis meh- Mäusen erforscht. Diese Tiere pro- leeren Raum, sondern braucht an-
logischen Untersuchungen über Pro- rere weiterentwickelte Generationen duzieren viel größere Mengen des dere Wissenschaftler, um komplexe
teinfaltungskrankheiten. Vor kurzem von Wirkstoffmolekülen vorlagen APP-Vorläuferproteins, weisen be- natürliche Vorgänge fundamental
hatte seine Arbeitsgruppe einen und getestet werden konnten. reits im Alter von sechs bis acht verstehen und heilen zu lernen.“
>> Thomas Schrader,
Matthias Junkers
Kontakt:
Professor Dr. Thomas Schrader
Fachbereich Chemie
Universität Marburg,
Hans-Meerwein-Strasse
35032 Marburg
Nervenzellen aus dem Bereich der Hirnrinde unter dem Mikroskop Links: Ungeschädigte Zellen. Mitte: Schädigung Tel. (06421) 28 25544
mit 20 Mikromol pro Liter Aß am 8. Tag. Rechts: behandelte Zellen. E-Mail: schradet@staff.uni-marburg.de
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