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Erfolg durch Zwitschern


twitter, facebook, Xing & Co – wie passen Social Networks und BtoB zusammen?

Social Networks bieten auch für Unternehmen und Marken riesige Chancen. Aber welche? Markus Schmitt und
Steffen Herbold beschäftigen sich hier mit Handlungsoptionen für BtoB-Anbieter im neuen Internet.
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Wir erinnern uns: „Computer per Telefon und Fax verkaufen? Das also ist zu tun? Tatsache ist, die Welt ist zweigeteilt: Die einen
klappt doch nie im Leben!“ Und dennoch, der damals blutjunge sind drin, die anderen sind draußen. Tatsache ist auch: Wer drin
Michael Dell glaubte an seine Idee, und so wurde der Computer- ist, arbeitet, denkt und handelt in neuen Kategorien, wer draußen
hersteller Dell zum erfolgreichen und viel bewunderten Erfinder ist, begutachtet das Ganze spöttisch bis ängstlich – je nachdem,
des Direktgeschäfts mit PCs (für die Kommunikation von Dell’s wie groß die Furcht ist, etwas Wichtiges zu verpassen. Lassen Sie
Deutschland-Launch 1988/89 war übrigens wob verantwortlich, uns hier versuchen, Ansatzpunkte zur Beschäftigung mit dem
aber das nur nebenbei). Thema Social Networks und BtoB aufzuzeigen.

Nun jedoch scheinen die Texaner abermals Marketing-Geschichte Verschmelzung von Privatleben und Job:
zu schreiben: Einer im Sommer 2009 lancierten und von allen Die Zielgruppe ist längst da!
Branchenmedien beachteten Pressemeldung zufolge, konnte Dell
im Rahmen eines Pilotprojektes 2008/09 sage und schreibe Als wichtiger Anhaltspunkt auf der Suche nach einem solchen
3 Millionen Dollar Umsatz über den Microblogging-Dienst twitter Ansatz kann eine Entwicklung dienen, die längst in vollem Gange
erzielen. Dell nutzte twitter dabei als Kanal zu seinem Online- ist – denn, während wir über Chancen und Möglichkeiten speku-
Outlet-Center, in dem preisgünstige Notebooks, Desktops, Dru- lieren, ist die Zielgruppe längst auf dem Weg. Wie der Soziologe
cker und Zubehör angeboten werden. Außerdem gibt es dort spe- Richard Florida in seinem Buch „The Rise of the Creative Class“
zielle Sonderangebote für die twitter-Gefolgschaft, die offenbar konstatiert, trennt der talentierte, junge „Kreativarbeiter“ (damit
viel Zuspruch finden. Tatsache ist: Stand Juni 2009 zählt Dell mit sind durchaus auch Ingenieure und Manager gemeint) längst
seinen 32 (!) twitter-Accounts bereits rund 600.000 Follower und nicht mehr so streng zwischen Beruf und Privatleben, die Grenzen
kann sich damit zu den weltweit 50 beliebtesten twitter-Profilen verschwimmen. Die Folge ist: Man ist irgendwie immer online
rechnen. und offen für neue Einflüsse. Interessante Informationen über ein
neues Produkt? Die neue Online-Generation liest das auch um
Wie passen soziale Netzwerke und BtoB zusammmen? 0.16 Uhr oder samstags morgens im Café.

Meldungen wie diese sind es, die unter vielen BtoB-Marketeers Die potenziellen User einer BtoB-Community erziehen sich also
Neugier, aufgeregte Spannung, aber auch Ratlosigkeit auslösen. längst selbst. Gerade das sich wandelnde Selbstbild junger Pro-
Vorläufige Diagnose: Man würde gern, weiß aber noch nicht so fessionals ermöglicht andere Wege der Kommunikation – man
genau. Und das, obwohl Social Networks seit Monaten ganz oben könnte es auch schroffer sagen: Ein Großteil der Zielgruppe ist
auf den Agenden einschlägiger Tagungen und Foren stehen. Was viel weiter als ein Großteil der Anbieter.
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Was geschieht dort eigentlich? Was könnte geschehen? äußern und gehört werden, ohne einen Lehrstuhl innezuhaben
oder fürs wichtigste Branchenmedium zu schreiben. Unterneh-
Es hat keinen Sinn, das Verhalten in den Networks mit dem Ver- men müssen und werden sich dieser Herausforderung über kurz
halten außerhalb der Networks zu vergleichen, denn es geht hier oder lang stellen. Das Prinzip Mund-zu-Mund-Propaganda globali-
um eine unterschiedliche Qualität des Kontakts. Social Networks siert sich.
wie twitter oder facebook bieten schlicht und einfach die Möglich-
keit, die Ökonomie der Zuwendung des Einzelnen neu zu definie- Auf den ersten Blick mag das aus dem Marketing-Blickwinkel ent-
ren: In facebook kann man plötzlich mit Personen, die man mag, mutigend wirken, auf den zweiten ist es aber gerade für BtoB-
die man aber realistisch betrachtet erst in zehn Jahren per Zufall Anbieter eine riesige Chance, Beziehungsmanagement und Dialo-
wiedersehen würde, in losem Kontakt bleiben. Es entsteht plötz- ge über seriöse Informationsvermittlung und wirklich interessante
lich eine Art unverbindliche Verbindlichkeit, die es vorher so nicht Inhalte zu betreiben.
gab, nicht geben konnte. Gerade so verhält es sich mit Gruppen oder
entsprechenden Gemeinschaften mit interessanten Themen – man Das reine Ansehen von Websites ist im Grunde dieselbe Einbahn-
bleibt gezielt auf dem Laufenden, und was mit der Vorliebe für straße wie das Fernsehen; das Herunterladen von Broschüren oder
Beyoncé Knowles oder Jay-Z funktioniert, kann auch mit Unter- Papers ist lediglich ein effizienterer Weg des Versandes. Wirklich
nehmen und Marken funktionieren, wenn man etwas zu sagen hat. interessant wird es in der Tat erst ab hier, denn die neue Qualität
Wichtig ist dabei: Der Glaube an die eigene Relevanz muss da sein! des Internets mit funktionierenden sozialen Netzwerken verlangt
wesentlich mehr als die Bereitschaft zum Medienwechsel. Sie be-
Denn die Etikette im Social Network verbietet nicht nur jegliche dient einen neuen Typus des Nutzers. Dieser Nutzer ist schnell,
eindimensionale Reklame-Denke. Dieser Kanal ist für im besten flexibel, gewitzt und eigensinnig. Und: Er kann jederzeit selbst Pro-
Sinne des Wortes „wert-volle“ Information reserviert und die Teil- vider von Content sein. Und: Er reagiert empfindlich auf Fakes.
nehmer selbst wachen mit Argusaugen darüber, ob jemand mit
solchen werthaltigen Informationen zum Diskurs beiträgt oder Die neue Qualität des Webs stellt so die Anbieter von Inhalten auf
doch „nur“ verdeckt, aber platt, die Werbetrommel rührt (das Bei- die Probe. Sind sie in der Lage, Content zu erarbeiten, der diesen
spiel Dell beweist im Übrigen, dass auch gute Preisangebote Bedürfnissen nach Relevanz entspricht? Sind sie in der Lage,
solch werthaltige Information sein können). Auf diese Weise wird offene Dialoge zu führen? Sind sie in der Lage, auch mit Kritik
Meinungsführerschaft im Netz demokratisiert – jeder kann sich umzugehen?
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In Zukunft wird das sicherlich so sein, denn die neue Generation Das Problem ist: Anders als bei der Integration von Immigranten
der User wird demnächst die entsprechenden Schlüsselposi- im richtigen Leben haben die „Digital Immigrants“ momentan die
tionen im ökonomischen Spiel besetzen. Bis dahin sollte man sich Schlüsselpositionen des ökonomischen Diskurses inne. So ergibt
aber mit einem ziemlich interessanten Phänomen auseinander- sich die Situation, dass die Entscheider im Management häufig
setzen: nicht die blasseste Ahnung davon haben, „was diese Webentwick-
ler im Keller da eigentlich genau treiben“, geschweige denn, dass
Das „Digital Immigrant“ Paradox sie wüssten, wozu die in der Lage sein könnten.

Die Generation, von der hier die Rede ist, wird in der Presse gerne Das Paradox ist: Machtpromotoren sind die „Digital Immigrants“,
„Digital Natives“ oder „Digital Citizens“ genannt - und das trifft die sich Etikette, Motivation und Handlungsoptionen im neuen
den richtigen Punkt: Wer mit dem Netz groß geworden ist, stellt Netz eigentlich erst aneignen müssen. Fachpromotoren sind die
etwa nicht mehr die Frage, ob Social Networking das Fernsehen „Digital Natives“, eine Generation von Usern, die in diesem Netz
ablösen wird. Er guckt einfach nicht mehr. groß geworden ist.

Jeder, der schon mal gesehen hat, wie seine siebenjährige Tochter Ein kleiner Exkurs: „im System“ und „außerhalb des
allein den Computer hochfährt, um einer gleichaltrigen Freundin Systems“
ein paar Bilddateien zu mailen, wird ahnen können, wie grundle-
gend die Welt sich gerade wirklich ändert. Den vor der Mondlan- Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie führen jemanden, der
dung Geborenen bleibt dabei nur eine Wahl: Entweder sie adap- keine Ahnung vom Wesen des Sports hat und noch nie in sei-
tieren sich oder sie tun es nicht, denn anhalten wird dieser Zug nem Leben ein Fußballspiel gesehen hat, in ein gut gefülltes
nicht mehr. Stadion, in dem gerade ein spannendes Spiel im Gange ist. Die-
ser Person würde sich doch ein völlig unverständliches Schau-
In logischer Anlehnung an sein Konzept der „Digital Natives“ hat spiel bieten – und die Chancen stehen nicht schlecht, dass
der amerikanische Unternehmer, Spieledesigner und Autor Marc sie am Ende des Abends so urteilen würde: 40.000 Wahn-
Prensky diese ältere Generation „Digital Immigrants“ genannt sinnige beobachten 1 1/2 Stunden lang zweiundzwanzig Wahn-
(übrigens schon 2001). Und diese Position nehmen sie ein – die sinnige. Drei strenge Herren, zwei davon mit Fähnchen, passen
des Eingewanderten. auf, dass alles gut geht.
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Für alle anderen 40.000 Zuschauer hingegen hat das alles Sinn: ■ Die Mitglieder sozialer Netzwerke sortieren Angebote nach
Die Menschen wissen genau, warum sie im Stadion sind (die Relevanz. Bin ich gewillt, Relevanz zu bieten?
meisten davon, seit sie fünf Jahre alt sind), sie wissen, was die
Taktik der gegnerischen Mannschaft ist, um welchen Titel es geht ■ Die Mitglieder sozialer Netzwerke schätzen Offenheit. Bin ich
und warum die Leistung des Schiedsrichters gewöhnungsbe- gewillt, mit meinem Unternehmen oder meiner Marke solche
dürftig ist. Sie sind im System. Offenheit herzustellen?

Für unser Versuchskaninchen hingegen bleibt das alles ein Buch ■ Zum Wesen sozialer Netzwerke gehört Schnelligkeit. Bin ich
mit sieben Siegeln, es bleibt vorerst Zaungast. Es kann sich auf in der Lage, in meinem Unternehmen schnelle Strukturen zu
nichts an diesem Schauspiel einen Reim machen. Dasselbe Ge- schaffen?
dankenexperiment können Sie mit einem römisch-katholischen
Gottesdienst, mit dem Rosenmontagszug in Köln oder einer Rot- ■ Soziale Netzwerke verlangen Engagement. Kann ich Engage-
wein-Verkostung unter Experten in der Pfalz machen. Und: mit ment im eigenen Unternehmen schaffen?
Social Networks.
Fakt ist: Es gibt keine Garantien. Man meldet nicht einfach eine
Es gilt immer: Innerhalb des Systems macht alles perfekt Sinn, Gruppe bei facebook an und wartet auf Umsatz. Jedes Unterneh-
außerhalb des Systems herrscht meist Unverständnis. Kluge Be- men muss für sich ein brauchbares Modell entwickeln, mit En-
obachter jedoch würden sehen: Wenn sich 40.000 Menschen gagement und Freude (oh ja!) eine neue Ära digitaler Kommunika-
durch dieses Spiel so emotional packen lassen, dann muss ja tion für sich zu starten. Es braucht Mut und Entdeckergeist. Und
wohl irgendetwas dran sein … den Glauben an die Relevanz des eigenen Angebots. Nur dann
kann das funktionieren.
Wie soll man vorgehen?

Es gibt einfache Regeln, wie man das eigene Agieren in dieser Weitere Informationen gibt es bei Markus Schmitt, der die
neuen Welt strukturieren kann – oder zumindest das Nachdenken Kreation von wob digital leitet: 06204 970-251 oder Sie be-
darüber. Am besten beantwortet man sich selbst einige Fragen: suchen ihn in facebook.

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