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DIE ROTE
Religionsgesellschaft“ und bin vor dem österreichischen
Recht Buddhist.“
Und was hat das alles jetzt mit Sozialismus zu tun? HV: „Ei-
Erleuchtung
Seit drei Jahren meditiert die Arbeitsgruppe „Red
gentlich noch nichts, aber der Buddhismus hat hilfreiche
Ideen, um den Kampf für eine bessere Welt auch erfolg-
reich führen zu können. Weil es darum geht, dass man
sieht, dass man zum einen die Gesellschaft ändern sollte,
zum anderen aber auch sich selbst. In einfachen Worten:
Buddha“ in der SP-Zentrale in der Löblstraße. Ihr Ziel: der Kampf gegen die Gier, das Loslassen einer rein materi-
sozialer Fortschritt und mehr Weisheit für die Politik. ellen Sicht. Was auch innerhalb einer politischen Partei gut
ist, weil es etwa vor Korruptionsanfälligkeit bewahrt. Wir
arbeiten in zwei Richtungen. Wir sagen innerhalb der
Diese Story ist die vielleicht größte Sensationdes Jahres: Buddhisten, dass es sicher nicht genug ist, sich in irgendein
Der Austro-Sozialismus, traditionellerweise auf dem Kloster zu setzen und das eigene Heil zu erreichen; und
dunklen Irrweg des Atheismus unterwegs, öffnet sich für innerhalb der Sozialdemokraten, dass es schon gut ist, ge-
das Göttliche! Allerdings verlassen die frei gewordenen werkschaftlich zu kämpfen und für alle was herausholen
roten Geister den Boden katholischer Tradition und flie- zu wollen ‑ es geht aber auch darum, an sich selber zu ar-
gen in fernöstlichere Kultur-Gefilde: „Red Buddha“ heißt beiten.“ ME: „Diese Verbindung von Buddhismus und
die SP-Arbeitsgruppe, die von den Genossen Heinz Vet- Sozialdemokratie ist nicht zwingend, aber es passt ein-
termann und Michael Eisenriegler gegründet wurde. fach sehr gut, es ist eine fruchtbare Verbindung. Es gibt
Und in der nicht zuletzt für einen grundsätzlichen Wan- auch Lehrreden des Buddhas, wo er sich selber sehr deut-
del in der Politik meditiert wird – denn das machen Bud- lich zu sozialen Problemen äußert. Nicht sehr viele unter
dhisten, klassisches Beten und Kerzerlanzünden ist ihre den 84.000 Lehrreden, aber es gibt ein paar...“
Sache nicht. Im wiener erklären die beiden spirituellen
Vorreiter, wie der Sozi-Buddhismus zustande kam – und Eine optische Frage: Ist es eigentlich Zufall, dass ihr beide
wohin er führen soll. schwarze T-Shirts anhabt? ME: „Der Heinz ist Zen-Bud-
dhist, und bei den Zen-Buddhisten ist es eher die
Wie kam es zur Gründung von „Red Buddha“? Michael Ei- Tracht…Ich bin bei einer tibetischen Gruppe, die wür-
senriegler: „Angefangen hat es vor drei Jahren damit, den eher Rot oder Orange bevorzugen, aber nachdem ich
dass wir festgestellt haben, dass wir einerseits Buddhisten kein Mönch bin und schon seit 20 Jahren schwarz tra-
030 w i e n e r
» Der spirituelle Kampf gegen die Gier kann etwa auch Politiker
vor Korruptionsanfälligkeit bewahren. «
ge…“ (lacht) HV: „Es stimmt, dass im Zen schwarz, dun- mittlerweile zehn, fünfzehn Mal stattgefunden, jedes Mal
kelblau oder grau bevorzugt wird. Es soll nicht zu bunt mit 30 bis 70 Leuten. Nachdem die Sozialdemokratie tra-
werden, damit sich beim meditieren alle konzentrieren ditionell ja nicht religiös ist, Menschen ab 40 aber übli-
können. Bei mir ist es aber eher ein Überbleibsel aus ei- cherweise dennoch anfangen, sich die letzten Fragen zu
ner existentialistischen Jugendphase.“ stellen, ist es auch ein interessantes Angebot für Leute,
die spirituelle Antworten wollen, ohne gleich die ganze
Wie verläuft der Alltag eines sozialdemokratischen Bud- Schöpfungsgeschichte mit einkaufen zu müssen. Ande-
dhisten? Steht ihr in der Früh auf und betet zweimal zu rerseits sind wir für die Buddhisten ein interessanter An-
Buddha und dann zweimal zu Marx? ME: „Weder das eine knüpfungspunkt in Richtung Politik. Das heißt, wir er-
noch das andere…“ (lacht) HV: „Nein, aber ich versuche füllen auch eine Art Übersetzungsfunktion.“
schon, täglich zu meditieren. Und ich investiere Zeit und
Kraft in diese Richtung, rede darüber. Es bleibt eben nicht Wie viele Menschen kommen zu den Treffen – und was pas-
im Privaten.“ ME: „Wir haben auch gemerkt, dass es in siert da? ME: „Zu den Arbeitsgruppentreffen, normaler-
der Sozialdemokratie und ihrem Dunstkreis offensicht- weise zwei Mal im Monat, kommen so zwischen 10 und
lich ein großes Bedürfnis gibt, etwas über Buddhismus 15 Leute. Typischerweise beginnen wir mit einer kurzen
zu erfahren. Heinz hat vor langer Zeit einmal eine Exkur- Meditation zur Einstimmung. Dann gibt es immer ein
sion „Buddhismus in Wien“ angekündigt, eine dreistün- Thema pro Abend, das in ein, zwei Vorträgen abgehan-
dige Bustour zu buddhistischen Plätzen in Wien, und da delt wird und eine anschließende Diskussion. Und dann
hatten wir 200 Anmeldungen! Diese Exkursionen haben gehen wir in sozialdemokratischer Manier ins Wirtshaus.
Menschen
Die fakten
Buddha und die Sozialisten