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2009

Was Kirche für morgen heute bewegt

Heilsame
Gemeinde
www.kirchefuermorgen.de
Heilsame Begegnungen Segen und Hinken Endlich leben
Auf dem Weg zu einer Dr. Beate Weingardt über Ein 12-Schritte-Programm
Gemeinde, die gut tut Gesegnete und Gezeichnete für Gemeindekreise
Editorial & Inhaltsverzeichnis Heilsame Gemeinde

Heilsame Begegnungen
Liebe Leserinnen und Leser, Heftthema: Heilsame Gemeinde
Die Sehnsucht nach heilsamer Gemeinschaft ist groß. Manche haben schon resig­
Vor über 30 Jahren habe ich Editorial Seite 2 niert. Ist eine „heilsame Gemeinde“ Utopie? Wilfried Veeser, Pfarrer und Leiter der
zum ersten Mal in einem Sal­
bungsgottesdienst mit Prof. christlichen „Bildungsinitiative e.V.“, sucht Antworten.
Heilsame Begegnungen Seite 3
Hollenweger erlebt, welch heil­
same Wirkung eine Segnung
Segen und Hinken Seite 6
und Salbung in uns entfalten
kann. Gleichzeitig wurde mir Im Grimmschen Deutschen Wörter­ will die denn hier?“ An diesem Tag will es
damals bewusst, wie weit eine Nehmt einander an!? Seite 8 buch findet man zum Stichwort „heil­ für sie nicht so richtig Sonntag werden.
solche Praxis vom normalen Ge­ sam“ u.a. folgende Hinweise: Heilsam Beinahe wäre sie an dieser Gemeinde
meindeleben unserer Landeskirche entfernt ist. Abschied vom Gemeindestress Seite 9 (lat. salutaris) meint heilbringend, hei­ verzweifelt. Weil der Glaube sie aber
Das Gebet um Heilung ist in unseren Gemein­ lend. Ein Ort kann heilsam sein; man nicht mehr losließ, ist sie dabei geblie­
den vielfach zu einem Randphänomen gewor­ Bausteine kennt aber auch die heilsamen Hände ben – trotz aller menschlichen Enttäu­
den. Wir haben zugelassen, dass man das fast des Arztes und den heilsamen Rat. schungen.
nur noch in charismatischen Freikirchen erleben Selbsthilfegruppen Beim theologischen Nachdenken fragt
kann. in der Gemeinde Seite 10 man zunächst: Wer bringt denn das Heil? Heilsam wirken heißt
Der Heilungsauftrag Jesu aber ist ein Auftrag Sicher ist, dass die christliche Gemeinde
an die ganze Kirche. Deshalb muss – wenn wir aus dem von Gott geschenkten Heil lebt
„erbaulich“ leben
Segnen und Salben
nahe bei den Menschen sein wollen - bei allem, in der Klinik Seite 12 und es nicht selber macht. Gemeinde ist Der Apostel Paulus hat für alle Gaben
was wir tun, stets die Frage mitschwingen: die Gemeinschaft derer, die Heil erfahren in der Gemeinde ein wichtiges Kriterium
Kommt das Thema Heilung bei uns vor? Und haben und die durch die Liebe Gottes in entwickelt: „… trachtet danach, dass ihr
Segnungsgottesdienst
können Menschen bei uns überraschend heil­ Christus miteinander verbunden sind. die Gemeinde erbaut“ (1. Kor 14,12). Ei­
same Erfahrungen machen?
Bad Boll Seite 14 Heiligung meint dann das Bemühen, das nander „erbauen“? – Nein, es geht nicht
Welche heilsame Wirkung haben unsere Got­ erkannte und erfahrene Evangelium im um frömmelndes Gerede. Das grie­
tesdienste, unsere Abendmahlsfeiern? Tragen Huddles: Leben konkret umzusetzen. Heilsame Ge- chische Wort meint: ein Haus bauen,
Hauskreise dazu bei, dass Unheiles zur Sprache wie Glaube praktisch wird Seite 15 meinde wird so zu einem Raum von Men­ aufbauen; dann in übertragenem Sinne
kommt und heilende Prozesse ermöglicht wer­ schen, die die Liebe Gottes zum Men­ auch stärken, ermutigen. Im Bild: Eine Heilsame
den? Gibt es bei uns Formen, in denen auch für schen in ihren Beziehungen nach innen heilsame Gemeinde baut dem anderen
Gemeindeporträt
und mit Kranken gebetet wird? – Oder umge­ und nach außen konkret leben wollen. ein Haus. Sie schaff t dem anderen Gemeinde
kehrt: Wie hoch ist die Gefahr, dass Bedürftige Heilsame Prozesse Soweit der theologische Anspruch. Raum. Wo? Zuerst im eigenen Herzen:
mit ihren Anliegen bei uns gar keinen Raum fin­ in der Gemeinde Seite 16 Doch die Realität sieht oft anders aus. Raum für den anderen Menschen mit sei­ baut dem
den? nen ganz anderen Erfahrungen, seiner
Natürlich wird nicht jede Krankheit durch Gebet Eine unheilsame Herkunft und Geschichte. Und dann einen andernen
und Handauflegung geheilt. Aber Erfahrungen Kfm intern Platz in der Gemeinschaft.
dieser Art können unseren Alltag heilsam unter­
Gemeindeerfahrung Auf das obige Beispiel übertragen: Wie ein Haus
Aus der Landessynode Seite 18
brechen und uns einen zeichenhaften Vorge­ Frau M., 48jährig, verwitwet, findet könnte es gelingen, Frau M. spürbar
schmack auf das Reich Gottes geben. Es soll sie durch einen Glaubenskurs neue Motiva­ Raum zu schaffen? Sie nicht nur durch
Impressum Seite 19
auch in unseren landeskirchlichen Gemeinden tion, sich Gott zuzuwenden und ihn in den Begrüßungsdienst an der Kirchentü­
geben. ihr Leben einzubeziehen. Sie besucht re willkommen zu heißen, sondern zu
Zu guter Letzt Seite 20 die Gottesdienste der Gemeinde, sehnt ihr eine Beziehung aufzubauen?
„Jesus sah einen Menschen.“ Mit dieser Notiz sich aber nach mehr Kontakt. Doch
beginnen vielen Heilungsgeschichten der Evan­ schon die Wahl des Platzes in den Kir­
Die Zitronen spritzen weiter!
gelien. Dass wir diesen heilsamen Blick Jesu auf chenbänken birgt Stolperfallen. Bewusst
uns selbst ruhen sehen und ihn auch an andere Mehr zitronengetränkte Infos und Kom­ will sie sich zu einer Gruppe von drei
weitergeben können, das wünsche ich Ihnen, mentare finden sich auf unserer Home­ Frauen setzen. Keine schenkt ihr einen
liebe Leserin und lieber Leser, ganz persönlich page: Blick – vielmehr spürt sie die kalte Schul­
– und dazu mögen Sie in diesem Zitronenfalter Neben aktuellen Reportagen, einem Zitat ter. Dennoch setzt sie sich mit ein paar
angeregt werden. Wenn möglich, schicken Sie der Woche und Berichten von den zurück­ Zentimeter Abstand zu dieser Gruppe.
uns doch eigene Beispiele, wo man in Ihrem Um­ liegenden Synoden gibt es regelmäßig Die Frauen tuscheln weiter, beziehen sie
feld heilende Gemeinde erleben kann. Gerne neue Zitronenspritzer zu aktuellen Auffäl­ aber nicht mit ein. Nach dem Gottes­
werden wir Ihre Beiträge unter www.kirchefuer­ ligkeiten aus Kirche und Gesellschaft. dienst gibt es wenigstens einen flüch­

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morgen.de veröffentlichen. Auch das Archiv der Zitronenspritzer lohnt tigen Blickkontakt zu der mittleren der
sich durchzuklicken und sich zu Gemüte drei Frauen – mehr nicht. Draußen sieht
zu führen. Ergänzungen zu einzelnen Heft­ sie lauter Grüppchen. Sie nähert sich
Ihr artikeln findet man unter www.kirchefuer­ einer Gruppe mit fünf Personen. Offen­
morgen.de/zitronenfalter, wo der aktuelle bar kennen sich diese gut. Sie versucht,
Zitronenfalter und die bisher erschienenen zur Gruppe hinzuzukommen, aber der
Ausgaben online zur Verfügung stehen. Kreis schließt sich enger. Die Frau hört
Friedemann Stöffler die unausgesprochene Botschaft: „Was

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A n e r k e n n u n g ... Zuge wa ndth e it ... Vertrauen . . . . . . .
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... solche
Oder jemand in der Krise: Wie können Sich investieren schaft scheint die Motivationssysteme naus Strukturen schafft, durch die Kon­ Verhaltensweisen
wir die Person ermutigen? Sie stärken? Sich mit anderen auf den Weg heilsamer des Gehirns zu erfreuen. Das Hormon flikte eingedämmt bzw. geklärt und Ent­
Oder ein Ehepaar im Streit: Wo darf es Gemeinschaft zu begeben, erfordert von für dauerhafte Bindung, aber auch für wicklungsmöglichkeiten eröffnet wer­ motivieren
sich zeigen mit seiner Not? Wo findet das Christen die Bereitschaft, Kraft, Zeit und zwischenmenschliches Vertrauen ist den, dann wird sie immer mehr zu einem
Paar Christen, die es versteht? Geld zu investieren, um die von Gott ge­ Oxytozin. Es hat ein ausgeprägtes Glücks- heilsamen Ort für Menschen. und schaffen
Oder ein Geschiedener: Wo geschieht schaf fenen Gesetzmäßigkeiten des und Genusspotenzial. Wir organisieren
Annahme trotz des offensichtlichen menschlichen Erlebens und Verhaltens mehr oder weniger unser Verhalten so, Schritte zu einer heilsamen gute Beziehung
Scheiterns? Wo findet er einen verurtei­ besser verstehen zu lernen. dass dieser Botenstoff ausgeschüttet
lungsfreien Raum? wird. Menschen, mit denen wir gute Er­
Gemeinde
Oder ein behinderter Mensch: Wo wird Zuhören und sich für den anderen fahrungen machen konnten, wirken des­ •E rzählen Sie anderen in Ihrer Gemeinde
er nicht nur beäugt und bedauert? interessieren halb auf uns wie ein positiver Reiz: So­ von der Möglichkeit, zu einer heilsamen
Aber auch geistlich: Wo findet ein nach Das klingt leicht, ist in der Praxis aber bald sie real oder auch in unserer Vor­ Gemeinde zu werden.
Gott fragender Mensch plausible Anlei­ nicht so einfach. Sich für den anderen stellung auftauchen, aktivieren sie unse­ • Suchen Sie das Gespräch mit verant­
tung zur Sinnfindung, zum Bibellesen, interessieren heißt, von eigenen The­ re Motivationssysteme. Sie rufen die wortlichen Mitarbeitern, damit diese
zur Vertiefung in Gottes Wort? men Abstand zu nehmen und sich auf Sehnsucht nach mehr hervor. Wir fühlen Ihr Anliegen erkennen und dann mit
den anderen einzustellen. Es ist selten, uns zu ihnen hingezogen oder halten uns Ihnen teilen können.
dass uns ein Mensch wirklich zuhört, zumindest gerne in ihrer Gegenwart auf. • Gewinnen Sie andere Mitarbeiterinnen
Wie wird eine Gemeinde heilsam? ohne uns sofort zu bewerten oder zu und Mitarbeiter für einen Vortrag oder
Frau M. hätte mehr Zuwendung und Be­ korrigieren. Wenn jemand erlebt, dass Verhaltensweisen, die unmittelbar eine Informationsveranstaltung in Ihrer
ziehung gebraucht. Wie lernt man das? ein anderer ihm einfach „nur“ zuhört, ist Beziehung stiften Gemeinde, durch die geistliche und
dies „heilsam“, hilfreich. Es tut der Insbesondere drei Dinge lösen die Aus­ weisheitliche Impulse für eine heilsame
Den „Sinn“ ändern Seele wohl. schüttung des Hormons Oxytozin aus: Gemeinde gesetzt werden.
„Stellt euch nicht dieser Welt gleich, • A nerkennung: einen Menschen wert­ • Beten Sie für offene Herzen und Türen,
sondern ändert euch durch Erneuerung Sich um gelingende Beziehungen schätzen – ob jung oder alt – und dies damit sich Mitarbeiterinnen und Mitar­
eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, kümmern ausdrücken, ihn loben, achten, Kom­ beiter aus allen Bereichen seelsorger­
was Gottes Wille ist, nämlich das Gute Durch einen beziehungsorientierten Le­ plimente machen usw. lich weiterbilden lassen, um mehr über
und Wohlgefällige und Vollkommene“ bensstil kann man leichter auf Menschen • Zugewandtheit: sich einem Menschen menschliches Verhalten und Erleben
(Röm 12,2). Sinn bedeutet vom Grie­ zugehen. Nur, was macht Beziehung aus? auf Augenhöhe zuwenden, ihm zeigen, zu lernen und das Verständnis für die
chischen her: Vernunft, Verstand, Den­ Hierzu gibt es verschiedene Erkennt­ dass ich ihn wahrnehme, mich für ihn Mitmenschen zu vertiefen.
Einen ken; aber auch Sinneswahrnehmung, nisse aus der modernen Hirnforschung1. interessiere; oder ich wende mich zu­
Meinung. Es geht darum, sich durch Alle Ziele, die wir im Rahmen unseres sammen mit dem anderen einer ge­
alternativen Gottes Geist im eigenen Denken und in Alltags verfolgen, die Ausbildung oder meinsamen Aufgabe, einem gemein­
der Haltung umgestalten zu lassen und den Beruf betreffend, finanzielle Ziele, samen Ziel zu usw. Wilfried Veeser,
Lebensstil an dieser Veränderung auch aktiv mitzu­ Anschaffungen usw. haben aus der Sicht • Vertrauen: einem Menschen vertrauen Pfarrer in Dettingen unter Teck,
wirken. Daraus entsteht die Kompetenz, unseres Gehirns ihren tiefen, uns meist und dies zeigen; vor allem dem ande­ fachlicher Leiter der Bildungsinitia-
tive für Seelsorge und Lebensbera-
entwickeln den Zeitgeist von Christus her kritisch unbewussten „Sinn“. Er besteht darin, ren etwas zutrauen, ihm das Gefühl tung (www.bildungsinitiative.net),
zu prüfen und ihn am Evangelium zu dass wir dadurch zwischenmenschliche geben, dass ich davon überzeugt bin, Autor des Erziehungsprogramms
messen. Durch diesen Umgestaltungs­ Beziehungen aufbauen oder erhalten dass er es richtig macht usw. PEP4Teens (www.pep4teens.de),
prozess beginnen wir, unser Leben und wollen. Jede Form zwischenmensch­ seit 28 Jahren verheiratet, 4 Kinder.
Bildungsinitiative
die Menschen um uns herum neu zu licher Resonanz und erlebter Gemein­ Solche Verhaltensweisen motivieren Weiler Schafhof 32
sehen. Nur so können wir einen alterna­ 1 Vgl. z.B. Joachim Bauer, Prinzip Menschlichkeit, den anderen und schaffen gute Bezie­ 73230 Kirchheim unter Teck
tiven Lebensstil entwickeln. Hoffmann und Campe 2006 hung. Wenn eine Gemeinde darüber hi­ Tel.: 07021-75717

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Heilsame Gemeinde
stand und Angriffe. Wir haben Vertrauen – und sie sind sehr schmerzhaft. Warum
in unsere Stärke – und kommen plötz­ müssen wir so leiden? Als Folge eigener Alles Wertvolle
Segen und Hinken lich in eine Krise. Nie wissen wir sicher: Fehler und Fehlentscheidungen? Oft,
Ist das Gott, der sich mir in den Weg aber nicht immer. Auch in unserer Ge­ im Leben ist über
stellt? Kämpfe ich jetzt mit Gott, mit schichte wird offen gelassen, weshalb
Gesegnete Menschen sind glücklich und erfolgreich. Alles läuft wie am Schnürchen. Menschen, mit mir selber? So wie Jakob Jakob den Hieb verpasst bekam und weite Strecken
Wirklich? Dr. Beate Weingardt bringt uns eine Geschichte aus dem AT näher, die uns sich nach dem Kampf mutig dazu ent- vermutlich den Rest seines Lebens hink­
schied, in diesem Fremden Gott selbst te. Ich persönlich glaube, dass es für auch mühselig
etwas anderes lehrt. zu sehen, so müssen auch wir uns nach unser seelisches Wachstum, unsere per­
jeder schönen oder schweren, freudigen sönliche Entwicklung unentbehrlich ist, und anstrengend
oder bitteren Erfahrung entscheiden, ob auch Enttäuschungen, Leid, Scheitern
In Gen 32,23-32 wird eine geheimnis­ später wollte er sich, inzwischen reich ge- wir sie mit Gott in Verbindung bringen und Begrenzungen zu erleben. Genau
volle Geschichte erzählt. Sie schildert worden, mit seinem Bruder versöhnen. wollen oder nicht. genommen ist alles Wertvolle im Leben
die Begegnung zwischen Jakob und Jakob fädelte diese Begegnung wohl­ über weite Strecken auch mühselig und
einem Unbekannten. Jakob hatte sich in überlegt ein und schickte eine Vorhut anstrengend. Das gilt nicht nur im Sport.
jungen Jahren von seinem Vater den Erst­ mit Geschenken voraus, die Esau gnädig
2. Spannung: Allmächtiger Gott? Es gibt keine Arbeit, die dauernd Spaß
geburtssegen erschlichen und musste stimmen sollten. Er selbst wollte in ge­ Gott ist nicht immer der Sieger. Wäre macht, auch die Aufgaben in der Ge­
darauf hin vor der Wut seines älteren messenem Abstand mit seiner Familie das einfach, wenn man sagen könnte: meinde nicht. Keine Partnerschaft ist
Zwillingsbruders Esau fliehen. Jahrzehnte samt Hab und Gut folgen. „Gott ist mächtiger als alles. Deshalb ge­ immer leicht, und Kindererziehung ist
schieht nichts, was er nicht will.“ Aber es oft mit Frustrationen verbunden. Es ist
passiert so viel Böses und Schlimmes, auch nicht ständig ein Freudenfest, mit
Jakob hinkt dass man eher versucht ist, zu sagen: Gott zu leben!
In der Nacht vor der Begegnung ereig­ „Gott ist dafür nicht verantwortlich, er
net sich ein unerwarteter Zwischenfall. ist machtlos, denn er hat alle Macht
Jakob wird an einem Fluss von einem komplett an die Menschen abgegeben.“
4. Spannung: Was ist Segen?
Fremden aufgehalten. Dieser beginnt, Das stimmt aber auch nicht. Die Wahr­ Jakob bittet den Fremden, ihn zu seg­
mit ihm zu ringen. Jakob leistet erbit­ heit liegt dazwischen, und das macht nen. Dieser erfüllt seine Bitte. Doch die
terte Gegenwehr, so dass der Fremde, unseren Glauben etwas kompliziert. Verletzung bleibt. Jakob bleibt gezeich­
der offenbar nur im Schutz der Dunkel­ Gott lässt vieles zu, obwohl es ihm nicht net. Damit stellt sich die Frage: was ist
heit agieren kann, von ihm ablässt. gefallen kann. Aber er greift auch ein. Er das eigentlich – „Segen“? Segnen kommt
Bevor er geht, verpasst er Jakob einen kann große und kleine Dinge und Wun­ von signare = bezeichnen. Gesegnete
Schlag auf die Hüfte. Jakob hält ihn fest der nach seinem Willen fügen und ge­ sind häufig auch Gezeichnete – aber
und sagt: „Ich lasse dich nur gehen, schehen lassen. Und obwohl wir auf nicht unbedingt Ausgezeichnete! Ge­
wenn du mich segnest.“ Der Fremde fragt Erden nie durchschauen werden, nach zeichnete, das sind Menschen, deren
nach Jakobs Namen und ändert ihn in den welcher „Logik“ er von seiner Macht Ge­ Leben alles andere als unkompliziert Gesegnete
Namen Israel, weigert sich jedoch, sei­ brauch macht oder nicht, bezeugt Jesus, verlief oder verläuft. Aber ist es nicht
nen eigenen Namen zu nennen. Er segnet dass wir uns auf diesen Gott verlassen genau das, was sich die meisten unter sind häufig
Jakob und verschwindet. Jakob erschauert können. Dass wir bei ihm in besten Hän­ Segen vorstellen: erst räumen einem die
– und gibt dem Ort den Namen „Angesicht den sind. Wenn das keine Herausforde­ Eltern alle Steine aus dem Weg, dann auch Gezeichnete –
Gottes“, weil er überzeugt ist, dass er mit rung ist! übernimmt Gott diese Aufgabe?
Gott selbst gekämpft hatte. Und: Jakob aber nicht
hinkt. Wer das erwartet, kann nur enttäuscht
3. Spannung: Immer in der Balance? werden. Wenn Gott sagt, ‚Ich will dich unbedingt
Was fasziniert, ist das einmalige Bild Bevor der Fremde Jakob segnete, ver­ segnen’, dann bedeutet dies laut Bibel
von Gott, das an dieser Stelle gezeichnet letzte er ihn mit einem Schlag auf die eher folgendes: „Ich gehe mit dir, ich Ausgezeichnete
wird. Ein Gott, der persönlich mit dem Hüfte. Der Grund wird nicht genannt. lasse dich nicht einfach laufen. Ich gehe
Menschen kämpft und dabei der Schwä­ Sollte Jakob ein Denkzettel verpasst mit dir durch Höhen und Tiefen, durch
chere ist. Ein Gott, der den Menschen werden, den dieser nie vergessen würde? sonnige Bergwiesen und dunkle Tränen­
verletzen kann und sich unserem Zugriff Zumindest die Stelle, an der er verletzt täler. Wenn du strahlend auf dem Gipfel
entzieht. Und ein Gott, der segnet. wurde, ist sehr symbolisch. Damals gin­ stehst, bin ich dabei, und wenn du ab­
Vier Spannungen enthält diese Ge­ gen die Menschen fast immer zu Fuß. stürzt und am Boden liegst, bin ich auch
schichte – sie bestimmen auch unser Kamele als Reittiere gab es noch nicht. dabei und helfe dir auch wieder auf. Und
Leben mit Gott. Und immer war Jakob bis dahin zielstre­ wenn du weitergehst, wirst du anders
big seinen Weg gegangen. Nun wird er sein als vorher – nämlich ein Gezeichne­
an der Schaltstelle des „Fortschritts“ ter. Segen – das heißt: ich hinterlasse in
1. Spannung: Wer kämpft? verletzt. Als Hinkender kommt man müh­ deinem Leben Spuren und auch du wirst
Es wird offen gelassen, ob es sich bei sam voran, steht man nicht mehr fest durch dein Leben Spuren hinterlassen.“
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dem Unbekannten um Gott, einen Engel und sicher, ist aus der Balance gebracht
oder um sonst jemanden handelt. Wie und macht keine so gute Figur mehr.
ist es bei uns? Wir haben ein Ziel vor Die Verletzungen und Beschädigungen
Augen – und etwas oder jemand tritt in unserem Leben sind so. Sie bringen Dr. Beate M. Weingardt, Tübingen,
ist Referentin, Autorin und
uns in den Weg, bekämpft uns oder be­ uns aus dem Gleichgewicht. Sie rauben psychologische Beraterin und
schädigt uns. Wir wollen in Frieden mit uns etwas von unserer Energie, unserem kennt Gezeichnet- und Gesegnetsein
anderen leben, erfahren aber Wider­ Stehvermögen, unserem Selbstvertrauen aus ihrem eigenen Leben.

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Heilsame Gemeinde Heilsame Gemeinde

Nehmt einander an!? Abschied vom Gemeindestress


Nicht jeder erlebt die christliche Gemeinschaft als heilsame Gemeinde. Manch einer Die örtliche Kirchengemeinde sollte im Idealfall ein Ort des Miteinanders sein. Dort
hat echte Probleme, dort so angenommen zu sein, wie er ist. Claudia Bieneck hat leben Christen, die sich ermutigen und gegenseitig helfen, um ihr Leben mit Jesus
mit einem Mann gesprochen, dem es so erging. Er möchte verständlicherweise Christus im Alltag leben zu können. Wenn das bei Ihnen so ist, brauchen Sie nicht
nicht namentlich genannt werden. weiter zu lesen …

Erzählst Du kurz, wie es Dir früher in Was war dabei das Schlimmste für Dich? Man kann die eigene Kirchengemein­ wird es nicht das Ende einer Kirchenge­
Deiner Gemeinde gegangen ist? de aber auch als sehr fordernd erleben: meinde bedeuten, wenn sich in einer
Dass sich niemand Zeit für mich nahm „Wo warst du gestern Abend bei der Bi­ Besprechung drei Mitarbeiter auf einmal
Damals erlebte ich es am eigenen und ich mich anstrengte, aber alles um­ belwoche? Wenn schon die eigenen entschuldigen. Auch nicht, wenn eine
Leib, wie es ist, Außenseiter zu sein. Ich sonst war. Dass ich von der Gemeinde Leute nicht kommen…“. Oder: „Warum Veranstaltung mangels Mitarbeiter erst
konnte nicht richtig sprechen und bekam, nicht akzeptiert wurde und mich dort gehen eigentlich ausgerechnet deine gar nicht zustande kommt. In einer Zeit,
besonders bei Fremden, kein Wort he­ auch nicht engagieren durfte. Dass Gott Kinder nicht zum Kindergottesdienst?“ in der alle vom Entrümpeln und Verein­
raus. Da ich stotterte und lispelte, war mich damals nicht geheilt hat. Selbst Oder an den Pfarrer: „Die Predigt war ja fachen reden, sollten wir vielleicht ein­
es für mich ganz schwierig, mich mitzu­ Jesus hat gesagt: „Kommet her zu mir, schon gut, aber es waren nicht alle As­ mal unsere vielen Veranstaltungen auf
teilen und oft gab man mir nicht mal die alle, die ihr mühselig und beladen seid; pekte dieses Textes beleuchtet!“ den Prüfstand stellen. Vielleicht würde
Chance, etwas zu sagen. Selbst beim Bi­ ich möchte Euch erquicken“ (Mt. 11,28). dann manch „alter Zopf“ abgeschnitten Gelassenheit
belaustausch ließ man mir keine Mög­ Er selbst hat sich um Randgruppen be­ und es wäre Zeit und Kraft für Neues –
lichkeit, mich einzubringen. „Da kommt müht, um Aussätzige, Blinde, Lahme… oder auch nicht. Vielleicht brauchen Mit­ in der Gemeinde
ja sowieso nichts Rechtes raus – da und hat sich um diese gekümmert und arbeiter und Mitarbeiterinnen die Rück­
kann er es ja gleich lassen.“ gesund gemacht. Jesus ist für alle da, besinnung auf ihr eigenes geistliches heißt, dem
auch für Randgruppen und für Außen­ Leben ohne den ständigen Druck: „Du
Zusätzlich habe ich damals in der Ge­ seiter. Aber für mich eben nicht. So musst aber noch …!“ oder „Da sollte anderen seine
meinde öfters von Kindern gehört: „Du habe ich das damals empfunden. man dringend …!“
Papa, der da lispelt, der ist doch behin­ Art der
dert. Du Mama, der da drüben stottert,
der ist doch dumm, oder?“ Ich habe mir Du hast ja viel erlebt. Mündigkeit im Glauben Frömmigkeit
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dann bei Vorstellungen in der Runde zig­ Was, meinst Du, muss sich ändern, Gelassenheit in der Gemeinde heißt
mal im Stillen vorgesagt, was ich sagen damit Gemeinde für mich auch, dem anderen seine Art zuzugestehen
wollte. Und als ich an der Reihe dran „heilsame Gemeinde“ sein kann? der Frömmigkeit zuzugestehen. Das ist

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war und stotterte, merkte ich schon an mitunter anstrengend! Wir hätten ja
den Blicken, dass ich nicht erwünscht Im Evangelischen Bezirksjugendwerk schon gerne, dass alle ungefähr gleich
war. Wenn man Helfer für fand ich Freunde und Menschen, die ticken. Aber ist es nicht für alle entspann­
Aufgaben suchte, wurde mich akzeptierten, so wie ich war. Sie ter, wenn Gemeindeglieder mündig im
ich of t übergangen – haben Zeit für mich gehabt und mich in Glauben werden dürfen und eben nicht
höchstens f ür die ihre Gemeinschaft aufgenommen. Das Solche Sätze treffen! Sie appellieren ins gemeindeeigene Schema gepresst
Aufgaben, die sonst veränderte mich. an mein Pflichtgefühl, berühren das werden? Denn das schafft nur Frustrati­
niemand wollte große Thema „Verbindlichkeit“ und onen und Druck. Trauen wir doch dem
wie Spülen, Hof Heute habe ich keine Probleme mehr, streifen ganz leicht die anderen großen Heiligen Geist einfach zu, dass er wirkt!
kehren etc. mich zu unterhalten und erlebe, wie ich Themen „Freiheit“ und „Mündigkeit“. Und dann singt der eine eben gerne Tai­
Auch nach dem Verantwortung für einen großen Arbeits­ Mit diesem Widerstreit in mir verteidige zélieder, während der andere lieber die
Gottesdienstbe­ bereich übertragen bekam. Ich habe ich mich entweder oder rebelliere still in Hände zum Anbetungslied erhebt. Oder
such wollte nie­ keine Scheu mehr davor, meinen Namen mich hin­ein. Oder ich schreibe ein Plä­ jemand ist begeistert von den „Perlen
mand mit mir in einer Runde zu sagen und eine Unter­ doyer für mehr Gelassenheit in der Ge­ des Glaubens“, andere schütteln darü­
reden, denn wie haltung mit fremden Menschen macht meinde! ber den Kopf und verstehen nicht, wieso
ein Wasserfall zu mir heute sogar Freude. Meine Mitarbeit man einen „evangelischen Rosenkranz“
reden, davon war in größeren Verantwortungsbereichen braucht ...
ich Jahre entfernt. hat mich stark gemacht. Heute fühle ich
Jesus - Herr der Gemeinde
Man musste die mich dazugehörig. Nein, ich möchte nicht dem Schlendri­
Worte fast aus mir an das Wort reden. Ich bin auch nicht
Loslassen
rausprügeln. Danke für dieses offene Gespräch! der Meinung, man sollte einfach alles Gelassenheit in der Gemeinde heißt
laufen lassen, wie es läuft. Aber ich bin deshalb für mich: Loslassen und un­
fest davon überzeugt, dass wir viel serem Herrn ganz viel zutrauen. Das ist
Druck von unseren Schultern nehmen ein bewusster Entschluss und sicher
Claudia Bieneck ist es wichtig, dass
können, indem wir uns immer wieder nicht einfach zu leben. Aber ich denke,
auch unterschiedliche Menschen klar machen, wer der Herr der Gemeinde es lohnt sich!
ihren Platz in der Gemeinde finden. ist: Jesus Christus. Und weil das so ist,  Claudia Bieneck

8 9
Bausteine
Die theologische Hauptlinie buchstabiert, wie
Gott gnädig mit Sündern umgeht. Darum haben
Selbsthilfegruppen in der Gemeinde wir die Endlich-Leben-Gruppe auch „Grundkurs
Barmherzigkeit“ oder „Lebensschule in der Ge­
meinde“ bezeichnet.
Die Not zeigt sich vor der Haustür. Gemeinden sind geneigt, sie Fachkräften zu über­ Gemeinden, die sich mit hoher Qualität
weisen. Wie mit Selbsthilfegruppen jede Gemeinde „niederschwellige“ Diakonie diakonisch-missionarisch vor Ort en­
gagieren wollen, werden durch das
selbst anbieten kann, berichtet Helge Seekamp, Initiator der Endlich-Leben-Gruppen. Endlich-Leben-Netzwerk unterstützt.
Als gemeinnützig anerkannter Verein organisiert
es durch das Koordinierungsbüro mit Sitz in
Als wir vor 15 Jahren in Lemgo eine christliche können ihre Lebensmuster, die sie meist schon Lemgo ein deutsch- und französischsprachiges

Max Spring
Kulturkneipe starteten, hatten wir plötzlich Kon­ aus ihrer Ursprungsfamilie als Kinder übernom­ Netzwerk. Es arbeitet für Gemeinden in Deutsch­
takt mit vielen Menschen und ihren Nöten und men haben, nicht einfach so nur mit gutem Wil­ land, der Schweiz, Österreich und Frankreich.
Problemen. Unterschiedlichste Süchte fielen uns len ändern. Es bleibt für sie alles kompliziert, zu Gründer und Verantwortliche sind Personen aus
ins Auge. Das war für uns die Motivation, das kompliziert. unterschiedlichen Kirchen und mit verschie­
Gruppenprogramm „Endlich Leben!“ zu entwi­ denen beruflichen Hintergründen.
ckeln. Es ist für Christen wie auch für interes­
sierte Nichtchristen ein Lichtblick hin zu tiefgrei­
In Gemeinden und Gefängnissen
fenden Lebensänderungen. Hier greift das in Deutschland noch junge An­
Wie geht das praktisch?
gebot der Endlich-Leben-Gruppen. Dieses Mo­ Gründen Sie neben Hauskreisen in Ihrer Ge­
dell hat sich seit 1994 in unterschiedlichen Ge­ meinde Selbsthilfegruppen nach dem Endlich- Das sorgt für Qualität und Wissenstransfer.
Zwänge, Süchte, Lebensmuster meindetypen verschiedenster Konfessionen be­ Leben-Modell! Motivieren Sie Ihre „Problem­ Damit ist gesichert, dass nicht jede Gemeinde
Kennen Sie das? Im Hauskreis fallen immer währt. Über 16.000 Arbeitsbücher sind bisher kinder“ so: das Rad noch einmal erfindet. Ressourcen wer­
wie­der Leute auf, die notorisch nicht mit ihrem verkauft worden mit jährlich mindestens 500 „Geht in eine Endlich-Leben-Gruppe und be­ den gebündelt, Synergien genutzt.
Alltag zurechtkommen… Nennen wir sie mal Gruppenteilnehmenden. Erstaunliches Feedback schäftigt euch schrittweise mit den psycholo­
Hans und Sabine. Wo gibt es in Ihrer Gemeinde auf die Endlich-Leben-Gruppen kam selbst aus gisch und geistlich tiefgreifenden Prozessen zur
die christliche Gruppe, die tragfähig genug ist, deutschen Gefängnissen zurück (Näheres unter Lebensveränderung. Trefft euch regelmäßig mit
Grenzen der Gruppenarbeit
um Menschen mit psychischen Problemen zu www.presse.endlich-leben.net). anderen in einer Gruppe. Dort sind alle mit ähn­ Wie kann dafür gesorgt werden, dass Grup­
begleiten? Esszwang, Putzsucht, überzogene lichen Lebensmustern – aber ganz unterschied­ penleiterInnen sich nicht übernehmen, zumal sie
Trägheit, notorische klassische Süchte (Alkohol, lichen Symptomen – dabei, sich mit ihren Proble­ nicht speziell weitergebildet sind, um therapeu­
Internet, Nikotin, Sex), das Helfersyndrom (sehr
Hintergründe des Konzeptes men gegenseitig bei der Lösung zu unterstützen.“ tische Prozesse zu überblicken?
beliebt in christlichen Kreisen!) oder auch unbe­ Endlich-Leben-Gruppen sind ein christliches, Die notwendigen Grenzen werden nur einge­
kanntere Abhängigkeitsformen wie Beziehungs- überkonfessionelles Angebot. Die theologische halten, wenn die Leitung sich streng an den
und Romanzensucht stellen Laien vor große Pro­ Basis ist die allen christlichen Kirchen gemein­
Wie arbeitet man genau? Selbsthilfegruppen-Regeln orientiert. Dazu ge­
bleme. same Überzeugung, dass Gottes Gnade rettet 1. Material: Jedes Gruppenmitglied arbeitet mit hört immer die Option der Überweisung zu Fach­
(Umsetzung der Rechtfertigungslehre). Die grund­ dem fundierten Arbeitsbuch „Endlich Leben“ in ärzten oder BeraterInnen.
legende Methodik stammt von den 12-Schritte- der Gruppe und zu Hause. Jede Gemeinde muss (mit Unterstützung des
Hauskreise überfordert Gruppen der Anonymen Alkoholiker. Diese hat­ 2. Jeweils zwei GruppenleiterInnen übernehmen Netzwerks) eine Form der aufmerksamen Be­
Normalerweise gibt es wohlmeinende Haus­ ten damals mit dem Symptom Alkoholabhängig­ die Moderation für die Kleingruppe. Sie haben gleitung der GruppenleiterInnen in die Arbeit
kreismitglieder, die mit schlichten Ratschlägen keit angefangen. In den 60er Jahren wurden zuvor schon eigene Veränderungen reflektiert einbauen (Supervision, Intervision).
versuchen, seelsorgerliche Hilfe zu geben. viele Gruppen um viele andere Symptome herum und können aus persönlicher Erfahrung reden. Wichtig ist: Die Gruppenteilnehmenden be­
Das kann streckenweise auch helfen, aber oft gegründet. Endlich-Leben-Gruppen können un­ 3. Gruppengröße: 7–12 Personen. Unser Tipp: kommen keine »Diagnose», sondern finden in
stehen Hans oder Sabine nach kurzer Zeit wie­ terschiedlichste Probleme und Symptome in Männer und Frauen in getrennten Gruppen – so geschütztem Rahmen selbst heraus, ob und wie
der vor der Tür. Oft immer noch einer Gruppe vereinen. Das ist deshalb möglich, fällt es vielen leichter, persönlich und offen zu ihnen diese Gruppe eine Hilfe sein kann.
mit dem gleichen Dilemma. weil bei allen psychischen Veränderungen ähn­ sprechen. Intime und schambesetzte Themen Jede Gruppe ist durch die anwesenden Men­
Hans und Sabine liche innere Prozesse ablaufen. können ehrlich besprochen werden. schen unterschiedlich tragfähig und muss diese
4. Zeit! Gruppen benötigen ungefähr ein Jahr. In Grenze ernst nehmen.
dieser Zeit ereignet sich ein Prozess, der 12
„Schritte“ umfasst. Es geht um eine geordnete
Veränderung bezüglich des jeweiligen Problem­ Unter www.kirchefuermorgen.de/zitronenfalter
feldes, die schrittweise mit vielen praktischen finden sich zwei weitere Artikel zum Download:
Übungen erfolgt. 1. in der Datei Vorwort-Endlich-Leben.pdf die
ersten Seiten des Arbeitsbuches mit einem sehr
Vernetzung der Erfahrung aufschlussreichen Vorwort (S. 5-7) und 2. ein
eher wissenschaftlich gehaltener Artikel über die
Durch eine geregelte Kommunikation (Werte, Hintergründe des Endlich-Leben-Programms:
Ziele, Ansprechpartner sind klar definiert) und Datei Endlich-Leben-Programm.pdf
Unterstützungsmöglichkeiten wie Gruppenlei­
tungsschulungen oder Gruppenleitungsaus­
tausch per Telefon und Internet profitieren viele
Max Spring

Gemeinden von den 15jährigen Erfahrungen des Helge Seekamp ist Öffentlichkeits­beauftragter
Endlich-Leben-Netzwerks und können ihre Fra­ des Endlich-Leben-Netzwerks und Pfarrer in
gen oder Lernerfahrungen mit anderen teilen. Lemgo (www.endlich-leben.net).

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Bausteine
ke alte Patienten, die manchmal einem
Gespräch gar nicht mehr zugänglich
Segnen und Salben in der Klinik sind. Es ist erstaunlich, wie auch dieser
Patientenkreis offen und positiv auf die
Segnung und die Berührung durch die
Zum Heilen braucht es mehr als nur gute Medizin, Salbung reagiert.
so dankbar wir der Medizin auch sind. Thomas Hoffmann-
Dieterich im Gespräch mit Dr. Beate Jakob aus Tübingen. Wer arbeitet bei diesen Gottesdiensten
mit?
1916 wurde die Tropenklinik für kranke Ihr Leben?“ In den allermeisten Fällen
Missionare gegründet. Heute ist dieses haben wir die Erfahrung gemacht, dass Jakob: Wir haben unser Segnungs­
Krankenhaus die zweitgrößte tropenme­ die Patienten sehr dankbar sind, wenn team ganz bewusst aus vielen Arbeits­
dizinische Einrichtung in Deutschland. sie auch über solche Themen in ein Ge­ bereichen zusammengestellt. Mitarbei­
Auch als geriatrische Fachklinik hat das spräch kommen können. tende sind etwa Ärztinnen und Ärzte, Ein Arzt, der erst
Krankenhaus für die Region eine große der Psychologe, die Physiotherapeuten
Bedeutung. Träger der Klinik ist das und die Klinikseelsorgerin. die Visite abnimmt
„Deutsche Institut für ärztliche Mission“ Gibt es bei den Menschen vielleicht
Dr. Beate Jakob (Difäm). Das Difäm ist in vielen Projekten sogar ein Bedürfnis nach einer am und dann die
Ärztin und Theologin, – etwa auf dem Gebiet der Aidspräven­ christlichen Menschenbild orientierten Wie ist dieser Gottesdienst inhaltlich
Difäm
tion – weltweit tätig. Die Ärztin und The­ Medizin? ziehung zu Gott heilt. Daher hat die Kir­ ausgerichtet? Hände auflegt,
ologin Dr. Beate Jakob ist im Difäm zu­ che auch ein großes Potential im Ge­
ständig für die theologische Begleitung Jakob: Ich war vor etwa drei Jahren in sundheitsbereich. Jakob: Wir wollen uns dem Wirken und segnet
der Gesundheitsarbeit. Herrenberg bei einer „Nacht des Hei­ Gottes öffnen, dieser heilenden Nähe
lens“, die auf großes Interesse bei dem Gottes, die jeden auf ganz unterschied­
Publikum gestoßen ist. Es waren zwei Wie ist die Idee, Segnungs- und liche Weise berührt, und auf ganz unter­
Im Oktober 2009 veranstalten Sie im Gruppen von Menschen anwesend: Die Salbungsgottesdienste in der Tropen- schiedliche Weise etwas bewirkt: sei es
Difäm in Tübingen eine Fortbildung einen waren vom Medizinbetrieb ent­ klinik zu feiern, entstanden? Kraft zum Durchhalten, sei es Trost, sei
zum Thema „Christliche Heilkunde“. täuscht, und die anderen sagten: „In der es Versöhnung mit der Lebensgeschich­
Was kann man da lernen? Kirche, da kommt mein Leben gar nicht Jakob: Traditionell wollten wir eine te oder Besserung von körperlichen Be­
vor!“ Christen sagten: „Wir suchen etwas, qualitativ hochwertige Medizin betrei­ schwerden. Die Salbung ist ja auch
Jakob: Wir wollen uns damit auseinan­ wo wir als Menschen angenommen sind.“ ben und das christliche Profil hatte sich nichts Magisches, was in sich wirkt,
dersetzen, was es bedeutet, als Christ Wer sich dann jedoch präsentierte, ein bisschen versteckt. Aber seit fünf sondern ein spürbares Zeichen für den
oder Christin in einem medizinischen waren viele Gruppen aus der esote­ oder sechs Jahren fragen wir uns: Was Segen Gottes und seine Nähe.
Beruf zu arbeiten. Welches Menschen­ rischen Szene. Deshalb ist es ganz wich­ heißt es eigentlich, ein christliches Kran­
bild haben wir? Wie rede ich mit den Pa­ tig, dass sich die verfasste Kirche mit kenhaus zu sein? Wie können wir dieses
tienten über den Glauben. Was bedeutet diesem Thema auseinandersetzt. Also christliche Profil leben? Da gibt es unter­ Was passiert nach solch einem Gottes-
es, eine spirituelle Anamnese zu ma­ ich denke, wir als Menschen wissen in­ schiedliche Bereiche. Eine Möglichkeit dienst? Welche Reaktionen haben Sie
Wir suchen chen. Beispielsweise, dass man dabei tuitiv, dass zur Heilung mehr als die Me­ war, einen Gottesdienst anzubieten, der erlebt?
nicht mit der Tür ins Haus fällt und dizin gehört, so dankbar wir der Schul­ die Erfahrung des Heilenden und Heili­
etwas, wo fragt: „Glauben Sie an Gott?“ sondern medizin sind. Tief in uns wissen wir, gen ermöglicht, und wir haben uns mit Jakob: Es sind oft sehr bewegende
eher: „Was bedeutet diese Krankheit für dass Beziehungen heilen, dass die Be­ der biblischen Tradition beschäf tigt. Momente: Eine Frau etwa berichtete mir,
wir als Segnung und Salbung war ja in der Ur­ die Krankheit habe ihre ganze Familie
kirche durchaus üblich. Seit drei Jahren durcheinander gebracht: „Wir haben ei­
Menschen feiern wir nun diese Salbungs- und Seg­ gentlich geplant, nächste Woche in Ur­
nungsgottesdienste viermal im Jahr. laub zu fahren und jetzt ist gar nichts
angenommen mehr klar, vielleicht lebe ich nicht mehr
lange“. Und dann sagte sie mir: „Dieser
sind Gab es Vorbehalte oder Bedenken Zuspruch beim Segnen hat mir eine in­
dagegen? nere Zuversicht und Ruhe wiedergege­ Beim Segnen
ben, und jetzt sehe ich, dass es weiter­
Jakob: Am Anfang gab es sowohl von geht!“ Also da geschieht schon etwas und Salben –
der Leitung als auch von den Mitarbei­ bei den Patienten.
tenden Bedenken. Man befürchtete, den da geschieht
Eindruck zu erwecken, dass die Mitar­ Frau Dr. Jakob,
beitenden in der Tropenklink die Hände ich danke Ihnen für das Interview. schon etwas
auflegen, anstatt ordentliche Medizin zu
betreiben. Aber die Patienten haben
diese Gottesdienste ohne Bedenken
und Vorbehalte angenommen.
Wir sind ja ein Fachkrankenhaus für
Dr. Thomas Hoffmann-Dieterich ist
Tropenmedizin und Geriatrie, zu 70 Pro­ überzeugt, dass Segnen und Salben
zent sind unsere Patienten ältere und in der evangelischen Kirche immer
sehr alte Patienten, auch schwerstkran­ mehr an Bedeutung gewinnen wird.

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Bausteine Bausteine

Segnungsgottesdienst Bad Boll Huddles: wie Glaube praktisch wird


Wie wird Gemeinde heilsam und berührend erfahrbar? Pfr. Klaus Steiner-Hilsenbeck Fragen stellen und füreinander beten – das sind die Bausteine eines „Huddle“.
gibt Einblick in die Segnungs- und Salbungsgottesdienste, die seit 9 Jahren in Bad Wie in den Huddles Nachfolge Christi praktisch wird, entfaltet Reinhold Krebs.
Boll von einem Team aus Ehrenamtlichen und PfarrerInnen verantwortet werden.

unter der Dominanz des Wortes „ver­ Dagegen wirken normale Hauskreise Dann geht es los. Alle bekommen fünf
kopft“ worden. Heute haben wir die wie Kuschelgruppen: Huddles sind he­ bis acht Minuten. Kurz beschreiben sie,
herrliche Möglichkeit, aus verschie­ rausfordernd. Sie sind Trainingsgruppen wo sie weiterkommen möchten. Die
denen Quellen und Traditionen neu zu für die praktische Umsetzung des Christ­ Gruppe stellt nur Fragen. Ratschläge –
schöpfen. seins. Alle vierzehn Tage treffen sich bis die fromme Form von Schlägen – sind
zu acht Menschen, die im Glauben und verboten. Die Fragen helfen dabei klarer
Ich habe 15 Jahre in einer christlichen Leben weiterkommen wollen. zu erkennen, was die Wurzeln, Hinter­
Familien-Kommunität gelebt („Linden­ gründe, Lebensmuster, Sehnsüchte sind Gruppen
hof“ in Geislingen/Steige). Eine Stärke Auszeit als geistliche Strategie- hinter dem eigenen „Kairos“-Punkt; und
von uns war, dass wir Gottesdienst­
besprechung herauszufinden, wie ein erster (oft klei­ für eine
formen (wieder) entdecken und auspro­ ner) Schritt des Glaubens, als Antwort
bieren konnten (z. B. auch die Fußwa­ „Huddle“ heißt übersetzt schlicht „Hau­ auf Gottes Reden aussehen könnte. Die Nachfolge die
schung). Besonders waren wir an „Heil fen“, steht aber als terminus technicus Betreffenden formulieren aber selbst,
und Heilung“ interessiert und in diesem für kurze Auszeiten im Sport. Ein Team was sie ändern, angehen, tun wollen. alltagsrelevant
Zusammenhang an Segnungsgottes­ nimmt sich z.B. beim Basketball eine Eine Gebetsrunde für die konkret benann­
diensten. Diese Erfahrungen brachte ich Auszeit und bildet dann einen Huddle, ten Glaubensschritte steht am Schluss. ist
Im Sommer 1944 notiert Dietrich Bon­ in die Dorfgemeinde mit, in der ich nun einen engen Kreis, die Arme wechselsei­
hoeffer in seiner Gefängniszelle in Tegel: seit 1994 bin. tig auf den Schultern. Und es geht sofort
„Vom Segen Gottes und der Gerechten Klar war mir, dass eine solche Gottes­ zur Sache: Was läuft gut im Spiel, was
In der Praxis lernen
lebt die Welt und hat sie eine Zukunft. dienstform die Zusammenarbeit von muss sich ändern? Eine neue Strategie Wer einen Huddle leiten will, sollte
Segnend die Hand Segnen, d.h. die Hand auf etwas legen Nachbargemeinden braucht und eine wird vereinbart um das Spiel zu gewin­ selbst einmal Teil einer solchen Coa­
und sagen: Du gehörst trotz allem Gott. große Mitarbeiterschar aus PfarrerInnen nen. ching-Gruppe gewesen sein. Manche
auflegen und so Wir verlassen sie nicht, wir verwerfen, und „Laien“ – also Dinge, die in unserer Das „Spiel des Glaubens“ im Alltag zu Gruppen führen ein Huddle-Tagebuch,
verdammen sie nicht, sondern wir rufen Kirche ohnehin auf der Agenda stehen gewinnen, dazu sollen Huddle-Gruppen in dem festgehalten wird, was sich die
die Welt und die sie zu Gott, wir geben ihr Hoffnung, wir und zukunftsweisend sind. Seit dem helfen. Nicht biblisches Austauschen, son­ Einzelnen vornehmen, auch Erinne­
legen die Hand auf sie und sagen: Jahr 2000 feiern wir zweimal im Jahr dern geistliche Strategien, Eingeständnis rungen per Mail sind hilfreich. An geist­
Menschen mit den Gottes Segen komme über dich, er er­ „Salbungs- und Segnungsgottesdienst“ von Fehlern und konkrete Neuausrich­ lichem Wissen und lehrmäßigem Input
neuere dich, sei gesegnet, du von Gott in der romanischen Stiftskirche in Bad tung stehen im Zentrum. Huddles sind fehlt es uns heute kaum – auch das In­
unerschöpflichen geschaffene Welt, die du deinem Schöp­ Boll. Die Grundstimmung ist ruhig, viele Coaching-Gruppen. Wer dazu gehört, er­ ternet ist voll davon. Aber sehr wohl am Unter www.kirchefuermor-
fer und Erlöser gehörst.“ Kerzen erleuchten den alterwürdigen laubt anderen nachzufragen, zu ermuti­ Umsetzen und an einer Nachfolge, die gen.de/zitronenfalter
Möglichkeiten Raum, Musik und Gesang „erheben die gen und zu ermahnen. alltagsrelevant ist. Huddle-Gruppen sind findet sich eine kleine
Der Welt und dem Menschen die Hand Seele“. Im Mittelpunkt des Gottes­ dabei eine wirksame Hilfe. Arbeitshilfe zu Huddles.
Gottes bereichern auflegen: ein eindrückliches Bild und dienstes steht der Segen unter Handauf­
So kann ein Huddle ablaufen
Geschehen! Nicht Hand an die Welt und legung oder in Verbindung mit einer Sal­
den Menschen legen und so Lebens­ bung. An fünf Stationen, die nicht im di­ Länger als 90 Minuten sollte er nicht
möglichkeiten beschneiden oder ganz rekten Blickfeld liegen, wird dies vollzo­ dauern. Das Treffen kann mit einem ein­
zunichte machen. Vielmehr segnend die gen. Die Erfahrungen sind „berührend“. fachen Essen beginnen. Oder gleich der
Hand auflegen und so die Welt und die Heilsame Berührung – in Gottes Namen. Rückblick auf das letzte Treffen: Was hat
Menschen mit den unerschöpflichen Welch eine Verheißung und Erfahrung: sich bei mir seither verändert?
Möglichkeiten Gottes bereichern. „Ich will dich segnen und du sollst ein Ein Lied und ein Gebet führen hin zu
Segen sein“ (1.Mose 12,2). einer kurzen Stille. Ausgehend von einem
Das alttestamentliche „Barach“, das kurzen Impuls oder Fragen-Katalog über­
wir mit Segen übersetzen, steht unge­ legt jeder für sich: Was treibt mich, po-
Unter www.kirchefuermorgen.de/zitronen-
fähr 400mal im Alten Testament und be­ sitiv oder negativ, gerade um? Wo redet
falter findet sich ein Artikel über den
deutet: mit heilvoller Kraft begaben. Im Gott in mein Leben hinein? Wo war ein
Segnungs- und Salbungsgottesdienst in
Neuen Testament ist „Handauflegen“ Kairos, ein göttlicher Augenblick in den
der Jakobusgemeinde Tübingen.
bzw. „Berühren“ Ausdruck für Segnen letzten Tagen?
(„Und sie brachten Kinder zu ihm, damit
er sie anrühre“, Markus 10,13). Vieles, Reinhold Krebs, ejw-Landesreferent
was für die ersten Christen noch selbst­ und im Vorstand von Kirche für mor-
gen, hat durch Huddle-Gruppen bei
verständlich war, ist im Laufe der Zeit in Klaus Steiner-Hilsenbeck, sich und anderen Veränderungen
Vergessenheit geraten oder (besonders Pfarrer in Dürnau und gesehen und ist deshalb von diesem
in unserer protestantischen Tradition) Gammelshausen bei Göppingen. Konzept überzeugt.

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Gemeindeporträt
2. Wenn eine Gemeindepflanzung Immer wieder musste ich betonen:
in die Jahre kommt, • Ihr müsst eure Hausaufgaben machen: Unver­
Heilsame Prozesse in der Gemeinde dann kann der Pfarrer was erleben. söhntes versöhnen, Lebensmuster ändern.
• Ihr müsst euch selbst geistlich ernähren: Stille
Zunächst waren – trotz Abstand und Va­kanz Zeiten einüben und die Bibel lesen.
Auch die christliche Gemeinde ist verschiedenen Entwicklungsprozessen ausgesetzt. von einem Jahr – die Enttäusch­ungen übergroß. • Ihr müsst die Neuen liebevoll aufnehmen und
Diese sind oft von Konflikten und dem gemeinsamen Ringen um den richtigen Weg ge­­ Eine verantwortliche Mitarbeiterin stellte bald begleiten, sie sind eure Aufgabe.
enttäuscht fest: „Jesus ist nicht mehr da!“ Und
prägt. Günther Kreis lässt uns an einem solchen Prozess seiner Gemeinde teilhaben. dabei gab ich mir alle Mühe, das Vertraute zu Im Frühjahr 2009 gab es eine Reihe von Ge­
schützen. Aber es war mir selbst vieles fremd. sprächen mit den Christen der Anfangszeit. Trau­
Und ihre Vorstellung von einem Pfarrer wurde er, Enttäuschung und der Verlust der ersten Be­
kräftig enttäuscht. Da kommt eine Schülerin zu geisterung wurde beklagt. Der Zuwachs war be­
Gemeindepflanzung in Thüringen mir in die Seelsorge: „Ich brauche jetzt dringend drohlich und die Aufnahme von Schwachen und
Nach der Wende pflanzte die Evang.-Luth. Befreiungsdienst!“ Sie war irritiert, dass ich nach Bedürf tigen wurde bedauer t. Und beklagt
Landeskirche in Thüringen bzw. die Kirchenge­ ihrer Lebensführung und ihren Beziehungen wurde, dass jetzt „Unbekehrte“ bei uns mitwir­
meinde Sonneberg eine Gemeinde in ihrer Plat­ fragte. Die Welt des Glaubens war für viele eine ken dürfen. „Ich fühle mich nicht mehr zugehö­
tenbausiedlung Wolkenrasen. Bis dahin waren Fluchtburg ohne wirkliche Bodenhaftung. Zur Ju­ rig. Es ist nicht mehr meine Gemeinde. Die Pre­
kirchliche Aktivitäten unmöglich in der „roten gend fand ich innerlich keinen Zugang. Ich konn­ digt gibt mir nichts und unter den vielen neuen
Funktionärs-Siedlung“ im Sperrgebiet. Aber te ihre Erwartungen an einen geistlichen Leiter Leuten fühle ich mich fremd. Alles ist so saft-
jetzt: Ein charismatischer Pionier und begabter nicht erfüllen. Viele wanderten ab und 2002 gab und kraftlos. Befreiungsdienst, Sündenerkennt­
Jugendevangelist wurde als Pfarrer in den Wol­ es einen Bruch: Auf einen Schlag zogen zwölf nis und Beichte kommen zu kurz. Wo ist die
kenrasen entsandt. Mit Gitarre und Plakatstän­ Mitarbeiter von Sonneberg weg zum Studium. Power des Aufbruchs? Ich bin kurz davor meinen
der, auf der Straße und im Gymnasium wurden Auch Erwachsene kehrten der Gemeinde den Rü­ Glauben zu verlieren.“
Kontakte geknüpft. Aus diesen Aktionen ent­ cken. Es war für mich eine schmerzliche Zeit.
stand die erste Jugendgruppe. Die Erweckung in Ich trauerte mit und bedauerte ausdrücklich
Pensacola wurde zum Leitbild. Jetzt wurden 3. Wenn eine Pflanzung konsolidiert die Verlusterfahrungen. Ich verteidigte nichts
Räume nötig, denn die Eltern der Jugendlichen wird, können die ersten Christen und versuchte auch keinerlei Rechtfertigungen.
besuchten die ersten Glaubenskurse. Der Befrei­ Es ist mir bekannt, dass es im Leben einer Ge­
ungsdienst erlöste Menschen von dunklen Ge­ was erleben. meinde auch Wüstenzeiten und Durststrecken
bundenheiten. Heilsame Prozesse brauchen Zeit. Weil mir gibt. Nach Pensacola kann man fliegen, aber
das Wort Gottes unverzichtbares Heilmittel war, nicht ins gelobte Land.
Die Jugendgemeinde war gepflanzt, und sie führte ich einen Bibel- und Gebetsabend ein.
wuchs und etablierte einen jugendlich-unkon­ Die Heilige Schrift sollte umfassender studiert Und dann geschah etwas ganz Ungewöhn­
ventionellen Gottesdienst mit Rockmusik. und das Fundament des Glau­ liches: Nach der zweiten Aussprache war auf
bens gründlicher be­- einmal alles anders. Dieselben Personen waren
festigt werden. wie verwandelt. Ich weiß nicht wirklich, was sich
innerlich ereignete. „Die alte Herzlichkeit ist
wiedergekehrt. Die Besucher gehen jetzt auf ei­
nander zu. Ich fühle mich wieder wohl!“ Und auf
einmal war das leidenschaftliche Engagement
wieder da und der praktische Einsatz lohnte sich
wieder. Plötzlich waren die Predigten anspre­
chend und wertvoll.

Und es entwickelte sich eine neue Identifika­


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Und immer wieder tion mit der Gemeinde, mit ihrer Berufung und
fragte ich mich: Wie kann das ihrem Auftrag. Das war deshalb wichtig, weil wir
Vertrauen zum Pfarrer weiter wach­ kurz vor dem Umzug in das neue Gemeindezen­
sen? Du kommst nie weiter, als dein Ver­ trum und damit vor neuen großen Herausforde­
trauen reicht. rungen standen. Und seither treffen sie sich wie­
der regelmäßig im Lagerraum der Zoohandlung
Die Einstellung gegenüber Kirche und Kir­ zum Beten. Dort hatten sie zuvor die Stühle für
chenmusik oder gar Liturgie und Tradition war den neuen Andachtsraum gepolstert. Heilsame
Und „die ersten Christen“ hielten alles ge­ ziemlich schief. Trotzdem haben viele im Ver­ Prozesse in der Gemeinde? Ja! – und ich weiß
meinsam und ver­brachten „alle Zeit der Welt“ trauen auf Gottes Zusagen und das Wirken des nicht, wie es geschah.
zusammen. Heiligen Geistes durchgehalten, trotz Krise.
Aber es gab weitere Probleme. Mit dem Dienst
1. Wenn eine Landeskirche Gemein­den Als mein Vorgänger 1999 nach Berlin wechsel­ des neuen Pfarrers kamen auch neue Leute in
te, äußerten einige Kollegen erleichtert: „End­ die Gemeinde und viele von ihnen waren noch
pflanzt, dann kann sie was erleben. lich hat der Spuk ein Ende!“ Aber es kam ganz nicht gründlich bekehrt. Durch die neuen Ar­
Die Kehrseite: Es hagelte Beschwerden in der anders. Mit mir – dem Nachfolger aus Württem­ beitsfelder, wie das offene „Kinderhaus Kunst Günther und Eva Kreis leben
seit 10 Jahren in Sonneberg.
Kirchenleitung, besorgt um das lutherische Erbe berg – setzte ein Prozess der Konsolidierung und Spiel“, das „Freizeitgelände Abenteuerland“ Günther Kreis ist Pfarrer in Sonne-
– oder was? Die kirchliche und die säkulare Umge­ ein, wenn auch nur mühsam und mit erheb­ entstanden neue Kontakte und durch die neuen berg-Wolkenrasen und leiden-
bung spottete über „die Sekte vom Wolkenrasen“. lichen Problemen. Glaubenskurse kamen viele zum Gottesdienst. schaftlicher Gemeindeentwickler.

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kfm intern

... aus der Landessynode


Kfm Synodale haben Ideen und formulieren Forderungen

Zum Bericht des Landesbischofs unter Kirche für morgen setzt Akzente
dem Thema „Unser tägliches Brot gib In Anbetracht der Wirtschaftskrise ist
uns heute“, forderte Kerstin Leuz die Kir­ zu erwarten, dass die Kir­c hen­s teuer­
chengemeinden auf, ihr diakonisches En­ einnahmen sinken werden. Darum ist es
gagement auszubauen. Der gemeinsame Kirche für morgen wichtig, Akzente für
Antrag aller Gesprächskreise auf Erhö­ freifinanzierte Stellen, sowie Konzepte
hung der Pfarrstellen-Besoldung fand zur Akquirierung von Spendengeldern
einmütige Zustimmung und wurde an aus Kirchengemeinden weiterzuentwi­
den Rechtsausschuss verwiesen. Markus ckeln. So soll das finanzielle Eigenenga­
Munzinger formulierte zu­dem die Überle­ gement der Gemeinden von der Landes­
gung, ob nicht mehr kirchliche Rücklagen kirche dadurch unterstützt werden, dass
in “Oikocredit“ investiert werden kön­ jeder gespendete Euro aus Kirchensteuer­
nten. Markus Brenner forderte ein Wahl­ mittel verdoppelt wird. (s. Kfm –Impuls­
recht für kirchliche Gremien ab der Kon­ papier Finanzen).
firma­tion, und Martin Allmendinger mehr
Transparenz in Stellenbesetzungsverfah­
ren. Die Vorstellung der Konfirmanden-
Kerstin Leuz,
Studie nutzte Matthias Böh­ler zu der Landessynodale, arbeitet als
Bitte, Jugendlichen Räume für eine eige­ Bezirksjugendreferentin &
ne Gottesdienstkultur zu schaffen. Religionslehrerin in Oedheim

Ein ausführlicher Bericht findet sich unter www.kirchefuermorgen.de/14LS.html.

Impressum
Der Zitronenfalter wird herausgegeben von
Kirche für morgen e.V., Reinhold Krebs (Hg.)
Am Auchtberg 1, 72202 Nagold Dorothee Krämer Junge Gemeinden –
Fon: 0700-36693669 Fax: 0721-151398429 Orientierung – Experiment oder
info@kirchefuermorgen.de Jahreslosung 2010 Zukunftsmodell?
www.kirchefuermorgen.de Einsichten – Ansichten –
Erscheinungsweise Den Karten liegt eine Aussichten
3 x jährlich. Bestellung (auch weitere Exemplare) bei Meditation von Gottfried ca. 160 Seiten, kartoniert
der Geschäftsstelle. Die Zusendung ist kostenlos. Heinzmann bei. 14,95 €
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EKK Stuttgart, BLZ 520 604 10, Konto 419 435 Postkarte 10 im Set 4,10 € Die Entstehung von Jugendgemeinden ist eine

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Wir danken allen, die durch ihre Spende die Mengenpreise: faszinierende Entwicklung. Junge Menschen
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Mobile Kindertreffs mit dem ermöglichen. ab 25 Sets 3,00 €; ab 50 Sets 2,80 € sie gemeinsam am Evangelium teilhaben,
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Gemeindefeste (pg), Markus Haag, Gronau (mh), Tabea Hieber,
ab 10 Sets 8,70 €; ab 25 Sets 8,40 € von Dr. Hempelmann, Jürgen Baron, Reinhold
Markgröningen (th), Thomas Hofmann-Dieterich,
 in Schulen & Kindergärten Haigerloch (thd), Cornelia Kohler, Ostfildern (ck)
Krebs und andere erläutern die Geschichte
 in Zusammenarbeit mit ihrer Werner Lindner, Winnenden (wl), Johannes Stahl, Lesezeichen 10 im Set 2,60 € von Jugendgemeinden, theologische Hintergrün-
Gemeinde vor Ort Eschenbach (js). Mengenpreise: de, englische und europäische Einflüsse.
ab 5 Sets 2,10 €; ab 10 Sets 2,00 €;
Layout: AlberDESIGN, Filderstadt
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E-Mail: keb.tuebingen@t-online.de

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Zu guter Letzt

Jahrestagung von „Kirche für morgen“


Fr. 26. bis Sa. 27. Februar 2010
in Herrenberg

„Kirche
für andere“
Bonhoeffers Bild „Der Schrei
einer Kirche der Wildgänse“
der Zukunft Autoren:
Wayne Jacobsen und Dave Coleman
Verlag:
Freitag 26. Februar Samstag 27. Februar
GloryWorld-Medien Bruchsal, 2007
17.15 Uhr Mitgliederversammlung 8.30 Uhr Abendmahlsfeier
„Kirche für morgen“ Die beiden Autoren nehmen den
anschl. Imbiss 9.15 Uhr Thematische Einführung Leser in eine spannende Geschich­
Gäste sind willkommen! anschl. Arbeitsgruppen te mit hinein. Jake Colsen ist am
Arbeitsgruppe A: Beginn des Buches Co-Pastor
Geld, Besitz, einer amerikanischen Gemeinde
20.00 Uhr öffentlicher Vortrag Berufsbeamtentum und und damit fest eingespannt in
Kirchenfinanzierung
„Kirche für andere“ (Friedemann Stöffler
ein religiöses Mammutprogramm.
und Kathrin Messner) In einer familiären Notsituation
B
 onhoeffers Entwurf
trifft er auf einen Fremden.
einer Kirche der Zukunft Arbeitsgruppe B:
Die Rolle des Pfarrers Dieser redet mit dem frustrierten
als Herausforderung
in der Kirche der Zukunft Pastor über Jesus – aber so, wie
für die evangelische (Stefan Taut und Michael Beck) er es noch nie gehört hat. Über
Kirche heute Arbeitsgruppe C: eine längere Zeit hin treffen sich
Prof. Dr. Christiane Tietz Die Rolle der Kirche die beiden zu Gesprächen.
(Universität Mainz) in der Gesellschaft Das Buch beschreibt in dreizehn
(Tabea Hieber und
Karfriedrich Schaller) Begegnungen diese Gespräche
Moderation und Musik:
Kathrin Messner Arbeitsgruppe D: mit dem Fremden und die Aus-
Mutterhauskirche der Gemeindestruktur in der wirkungen auf das Leben von
Diakonieschwesternschaft Kirche der Zukunft Jake Colsen, seiner Familie und
Herrenberg (Simone Heimann, Gemeinde.
Prof. Heiko Hörnicke,
Jens Plinke) Der englische Originaltitel „Wa­
Eintritt frei – Kostenbeitrag erbeten rum Sie nicht mehr in die Kirche
10.30 Uhr Pause gehen wollen“ weist die Richtung
11.00 Uhr Podiumsgespräch:
des Buches: Es geht um Freude
und Freiheit im Glauben und um
Kirche 2020: das Hinterfragen von Zwängen,
In welche Richtung die wir uns oft selber auferlegen.
soll sich die Kirche der Ich habe den „Schrei der Wild­
Zukunft verändern? gänse“ zuerst überflogen und
Falk Schöller dann noch einmal in Ruhe gele­
(Evangelium und Kirche)
sen. Mich hat es aufgerüttelt,
Tabea Dölker
(Lebendige Gemeinde) manches gelassener zu sehen
Axel Ehrmann und tief durchzuatmen. Es ist ein
(Offene Kirche) inspirierendes Buch!
Christiane Tietz
Friedemann Stöffler
ist Professorin für Systematische (Kirche für morgen)
Theologie an der Universität Prof. Dr. Christiane Tietz Claudia Bieneck
Mainz und Vorsitzende der Inter­ (Uni Mainz)
nationalen Bonhoeffergesell­ Moderation:
schaft (Sektion Deutschland). Manfred Graf
Gastdozenturen in Heidelberg,
Cambridge und New York 12.30 Uhr Mittagessen

Nähere Infos und Anmeldung unter www.kirchefuermorgen.de

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