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Heft 3/2009
Die geschenkten
Lehrstühle
Noch stellen sie gerade mal zwei Prozent aller Professoren. Doch Stiftungs-
professuren sind von besonderer Qualität. Sie erweitern das Fächerspektrum der
Hochschulen und bieten dem Nachwuchs interessante Perspektiven. Für Unter-
nehmen und Stiftungen sind sie ein gutes Instrument, neue Forschungsgebiete
zu erschließen. Aber gerade das ist manchem Kritiker ein Dorn im Auge.
VON MICHAEL SONNABEND
Foto: plainpicture/fStop
„Mit Stiftungslehrstühlen ist es uns in den
letzten Jahren gelungen, ganze Fakultäten
aus dem Boden zu stampfen.“
Arnulf Melzer, TU München
M
anche Mythen sterben nie schulen, wird befürchtet, entwickelten Interessen“, räumt er freimütig ein. „Aber
aus. Vor allem dann, sich so zur verlängerten Werkbank der welche sind das schon? Sie benötigen gute
wenn sie so nützlich sind. Unternehmen. Absolventen und achten deshalb darauf,
Es gehört zwar zum Dimosthenis Trimis ist Stiftungs- dass die für ihre Branche relevanten Fach-
Wesen des Mythos’, dass er als überlie- professor. Und ganz nah dran an der Wirt- gebiete vertreten sind.“ Trimis hält das für
ferte Erzählung durch die Zeiten getragen schaft. Der Lehrstuhlinhaber für gas- und legitim, denn: „Ins Tagesgeschäft redet mir
wird. Ärgerlich wird es nur, wenn der wärmetechnische Anlagen an der Bergaka- niemand hinein.“ Und ebenso drängt ihn
Mythos im Gewande des Gerüchts durch demie Freiberg wird von einem Konsor- niemand zu einer bestimmten Forschung.
die Medien geistert. Man kennt dies aus tium verschiedener Energieunternehmen Kein auch nur halbwegs seriöses Unter-
Wahlkampfzeiten, wenn die politischen gefördert. Fühlt er sich als Handlanger der nehmen könnte sich ein solches Vorgehen
Gegner mit immer gleichen Ritualen und Wirtschaft? Trimis kann da nur schmun- erlauben, ohne dramatischen Reputations-
Stereotypen versuchen, sich gegenseitig zeln: „Natürlich haben die Unternehmen verlust zu erleiden.
schlecht aussehen zu lassen.
Auch in der Welt der Hochschu-
len und der Wissenschaftler sind Mythen
weit verbreitet und entsprechend beliebt.
Besonders reflexhaft reagieren manche
hochschulpolitische Protagonisten, wenn
es um das Thema Wirtschaft geht. „Die
Wirtschaft“ wird dann schnell zur Chif-
fre für die schleichende Ökonomisie-
rung der Hochschulen, für freche Ver-
einnahmung öffentlicher Güter durch
private Interessen oder – für die Hardli-
ner – für das endgültige Aus freiheitli-
chen Denkens humboldtscher Prove-
nienz.
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Schwerpunkt
&
Stiftungsprofessuren – Geschichte einer Initiative
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Foto: plainpicture/OJO Images
Überdies: In Frankfurt geht man davon bei Veranstaltungen des Förderers auf. Vielzahl der Stifter an. Sie trifft sich mit
aus, dass die Stifter ihr Geld nicht aus So ist es bei Petra Moog, die sich an der ihnen beim Stiftermeeting, beim Unter-
kurzfristigen Nutzenerwägungen heraus Universität Siegen mit dem Thema nehmerfrühstück oder bei gemeinsamen
investieren, sondern an nachhaltigen Ent- Unternehmensnachfolge beschäftigt. Ein Workshops. Bei einzelnen Forschungs-
wicklungen interessiert sind. nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern projekten arbeitet sie mittlerweile sogar
In aller Regel – nicht nur in Frank- auch volkswirtschaftlich brennendes mit einzelnen Institutionen aus dem Stif-
furt – wählen die Förderer gemeinsam mit Thema, suchen doch in Deutschland Jahr terkreis zusammen.
der Hochschule den Schwerpunkt in For- für Jahr 70.000 Firmenchefs geeignete
schung und Lehre des jeweiligen Stif- Nachfolger. Etwa neun Prozent scheitern Das Beispiel Siegen zeigt, worauf
tungslehrstuhls aus. Sie bestimmen jedoch an dieser Aufgabe. Es liegt in der Natur es vielen Förderern bei der Einrich-
nicht darüber, was konkret geforscht wird ihres Forschungsgegenstandes, dass Petra tung von Lehrstühlen ankommt:
oder wann und wie die Forschungsergeb- Moog ganz eng mit Unternehmen zusam- Neues anstoßen, Dringliches pushen,
nisse veröffentlicht werden. Auch auf die menarbeitet. Vorzugsweise mit mittel- Vernachlässigtes ans Licht holen. Aus
Besetzung des Lehrstuhls haben sie wenig ständischen Firmen, aber auch mit diesem Geist heraus fördert auch die
Einfluss. Das Berufungsverfahren folgt Industrie- und Handelskammern. RWE AG Stiftungsprofessuren. So hat
den üblichen Regeln der Besetzung einer
Hochschullehrerstelle. Mitunter erhält der
Förderer zwar einen Platz in der Beru-
fungskommission, aber die besteht mehr- „Stifter müssen sich im Klaren sein, dass eine
heitlich aus Professoren der Hochschule.
Letztlich bestimmt also die Hochschule,
Stiftungsprofessur keine Auftragsforschung
mit wem die Professur besetzt wird. betreibt.“
Werner Müller-Esterl, Präsident der Goethe-Universität Frankfurt
Dass die Finanziers von Stiftungs-
professuren eher an der Entwick-
lung nachhaltiger Strukturen inte-
ressiert sind, deckt sich mit den zentra- Mittelständler waren es auch, die sich die RWE Supply und Trading den ers-
len Ergebnissen der Studie „Stiftungs- im Herbst 2005 zusammentaten, um dem ten Lehrstuhl für Energiehandel in ganz
professuren“. Danach ist das wichtigste bis dato völlig unterrepräsentierten For- Europa auf den Weg gebracht. In die-
Ziel der Stifter die „Förderung der schungsgebiet eine universitäre Heim- sem Jahr können sich 20 Studenten an
Kooperationsbeziehungen zwischen Wis- statt zu bieten. Eine bunte Mischung aus der Universität Duisburg-Essen für den
senschaft und Wirtschaft“. 70 Prozent Sparkassen, Arbeitgeberverband, Unter- neuen BWL-Masterstudiengang mit dem
aller befragten Förderer geben an, beson- nehmerschaft, Wirtschaftsprüfungsge- Schwerpunkt Energiehandel und Finanz-
ders hohe Erwartungen daran zu knüp- sellschaft, Anwaltskanzlei, Bauunterneh- dienstleistungen einschreiben. Die Stif-
fen und fast ebenso viele geben an, dass mung war nötig, um die jährlich 120.000 terin versteht sich dabei als Weichen-
diese Erwartungen auch erfüllt werden. Euro für den Lehrstuhl zusammenzube- stellerin: „Wir wollen, dass Studenten
Möglichkeiten der vertrauensvollen kommen. Das bunte Konsortium ist das der Wirtschaftswissenschaften nicht nur
Zusammenarbeit gibt es viele. So kann Ergebnis zäher Bemühungen von Spar- ausschließlich die Banken im Kopf
der Förderer selbst in die Lehre einge- kasse und IHK. „Es galt, möglichst viele haben, sondern auch den Energiehan-
bunden werden, wenn er zum Beispiel Förderer zu aktivieren“, sagt Harald Peter, del, wenn sie ins Handelsgeschäft ein-
Gastvorträge an der Hochschule hält und Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Sie- steigen wollen“, sagt Michael Rosen,
aus der Praxis berichtet. Oft läuft es aber gen, denn von alleine, oder auch nur mit Pressesprecher der Supply und Trading.
auch andersherum und der Stiftungspro- einem oder zwei Unterstützern wäre das Das Essener Beispiel zeigt auch, wie eine
fessor tritt als Vortragender oder Experte nicht gegangen.“ Petra Moog spornt die geschickt platzierte Stiftungsprofes- >
sur auch Strukturförderung und Stand- filbildung ist also das Stichwort. Denn
ortsicherung in einem sein kann. Denn natürlich können Hochschulen davon
der Essener Campus wird mit einem profitieren, wenn Stifter innovative For-
neuen Energiehandelszentrum eng ver- schungsgebiete aufgreifen. Sie können
netzt. Und damit nicht genug: RWE bie- ihr Angebotsspektrum strategisch erwei-
tet über die finanzielle Unterstützung tern, schneller und flexibler auf neue
hinaus Stipendien und Praktika, Gast- Entwicklungen reagieren und begabten
vorträge und Seminare an. Eine Spezia- Nachwuchswissenschaftlern neue Per-
lität ist der Handelssaal, wo die Studie- spektiven bieten. Auch von der mit Stif-
renden nahe an der Praxis Kenntnisse tungsprofessuren häufig verbundenen
über das komplizierte Geschäft mit der Kooperation mit Unternehmen profitie-
Energie sammeln können. ren die Hochschulen auf vielfältige Weise.
Und die Universität? Michael Insbesondere die beruflichen Perspekti-
Goedicke, der Dekan des Fachbereichs ven von Studierenden können sich durch
Wirtschaftswissenschaften, sieht zusam- einen engen Kontakt zur Wirtschaft ver-
menkommen, was zusammengehört, bessern, weil sie frühzeitig Praxiserfah-
während Michael Kerres, der Prorektor, rungen sammeln und sich potenziellen
die Einrichtung der Stiftungsprofessur Arbeitgebern bekannt machen können.
als „Auszeichnung, Verantwortung und
Chance“ definiert: „Die Stiftungsprofes- Damit gewinnen die Hochschulen
sur zeigt, dass die Industrie die Bemü- im Wettbewerb um Wissenschaft-
hungen der Universität erkennt, sich mit ler und Studenten an Attraktivität:
wettbewerbsfähigen und zukunftsgerich- „Mit Stiftungslehrstühlen ist es uns in
Foto: plainpicture/apply pictures
und aktiv auf potenzielle Förderer zuge- schungsgebiet als essenziell für die Hoch- hende Stiftungsprofessur weiterführen.
hen“, empfiehlt der Hochschulexperte. schule erwiesen. So auch bei Matthias Kett- Dies erlebte Andreas Suchanek, der an
ner in Witten. Die Weiterführung seiner der Handelshochschule in Leipzig (HHL)
Dass viele Hochschulen hier offen- Professur erwies sich als völlig unproble- zu Wirtschafts- und Unternehmensethik
sichtlich noch sehr zaghaft zu Werke matisch. „Das lag sicher auch daran, dass forscht und lehrt (siehe dazu das Inter-
gehen, liegt oftmals aber weniger am die Universitätsleitung die strategisch rich- view auf den Seiten 46-49). Fünf Jahre
Unwillen oder gar am Unvermögen der tige Einsicht hatte, dass die Philosophie im lang förderte die Dow Deutschland
Hochschulen. Aber manche Hochschullei- Kontext des fächerübergreifenden, Studium GmbH seinen Lehrstuhl, im August 2009
tung ist vorsichtig darauf bedacht, dass sich fundamentale‘ einen stabilen Schwerpunkt lief die Förderung aus. Für einen nahtlo-
die großzügig dargebotenen Fördermittel bilden muss“, sagt Kettner. sen Übergang sorgte die Dr. Werner Jack-
nicht irgendwann als Danaergeschenk ent- Allerdings gestaltet sich die Über- städt-Stiftung, die den Lehrstuhl für wei-
puppen. Denn in aller Regel wird eine Stif- nahme der Professur in den Haushalt der tere fünf Jahre in Leipzig weiterfinan-
tungsprofessur für fünf Jahre finanziert. Hochschule nicht immer so einfach. ziert. Und das sogar mit einem erheblich
Danach läuft die Professur entweder aus Ohne Umschichtungen bestehender Stel- erweiterten Budget von 1,5 Mio. Euro.
oder die betreffende Hochschule führt sie len geht es kaum, zusätzliche Stellen Denn das Ziel der Stiftung – die Ausbil-
weiter. Bei fast 65 Prozent aller Stiftungs- schafft immerhin jede fünfte Hochschule. dung eines leistungsfähigen Führungs-
lehrstühle ist Letzteres der Fall. Denn oft Ein weiterer Ausweg besteht darin, För- kräftenachwuches – passte hervorragend
haben sich der Lehrstuhl und sein For- derer zu finden, die eine schon beste- zu Suchaneks Forschungsansatz. Den- >
noch bleiben die vergleichsweise kurzen Kapitalstock. „Das war eine ganz be- des endowed chair hat mehrere Facet-
Förderzeiträume von Stiftungsprofes- wusste Entscheidung, auch deshalb, ten. Zum einen wird der geförderte
suren ein Problem. Noch ist Deutsch- weil wir diesem in den USA weit ver- Lehrstuhl aus den Erträgen eines fes-
land weit entfernt vom US-Modell des breiteten System sehr viel abgewinnen ten Kapitalstocks finanziert und damit
endowed chairs, deren Finanzierung können“, erklärt Christoph Anz, der zu einer Art Dauereinrichtung; ande-
vollständig und vor allem dauerhaft bei der BMW Group für Bildungspoli- rerseits sind die Grenzen zwischen Stif-
über einen festen Kapitalstock gesichert tik zuständig ist. Er staunt immer wie- ter und Hochschule klar abgesteckt:
ist. Mit dem BMW Center for German der, wie unverkrampft die Hochschu- „Wir würden niemals auf die Idee kom-
and European Studies haben die baye- len im anglo-amerikanischen Raum men, den Leuten in Georgetown zu
rischen Autobauer schon 1990 einen Angebote aus der Wirtschaft handha- erklären, was sie zu forschen und zu
solchen endowed chair an der George- ben: „Dort wird sehr viel offener mit lehren haben“, sagt Christoph Anz. Stif-
town University gegründet. Grundlage diesen Themen umgegangen, als das in tungsprofessor Jeffrey J. Anderson
ist ein zehn Millionen Dollar starker Deutschland der Fall ist.“ Der Zauber bedauert, dass der endowed chair in >
Foto: plainpicture/Cultura
Interview
Foto: Allianz
Die Allianz fördert eine Reihe von Stiftungs- felder von Versicherungsunterneh-
professuren. Welche Ziele verfolgen Sie men gewinnen. Darüber hinaus för-
damit? dern wir den Austausch zwischen Helmut Perlet war bis
Wissenstransfer und Bildung – insbe- Wissenschaft und Praxis, zum Beispiel August 2009 Vorstands-
sondere in Themenbereichen, die mit in gemeinsamen Workshops mit dem mitglied der Allianz SE.
unserem Geschäft zu tun haben – sind Lehrstuhl und Allianz-Mitarbeitern. Er ist Honorarprofessor
zentrale Aspekte unseres gesellschaft- am Dr. Wolfgang Schie-
lichen Engagements. Stiftungsprofes- Mit der Förderung der Gastprofessur für isla- ren-Lehrstuhl für Versi-
suren bieten hierbei die Möglichkeit, misch-jüdische Studien (LMU München) und cherungs- und Risiko-
gezielt und vor allem nachhaltig Uni- des Lehrstuhls Strategie und Management management an der
versitäten und Hochschulen zu unter- der Landschaftsentwicklung (TU München) Humboldt-Universität
stützen und ermöglichen es, Wissen- hat sich die Allianz zwei hochaktuelle und zu Berlin.
schaftler zu fördern, die frei und eigen- nicht ganz einfache Themenfelder ausge-
verantwortlich arbeiten können. sucht – interkultureller Dialog und Ökolo-
gie. Das sind aber doch keine originär finanz-
Sie selbst arbeiten als Honorarprofessor am wissenschaftlichen Disziplinen …
Dr. Wolfgang Schieren-Lehrstuhl für Versiche- Nach den Anschlägen des 11. Septem-
rungs- und Risikomanagement an der Hum- ber 2001 in den USA hat sich die Allianz
boldt-Universität zu Berlin, den die Allianz Gruppe dazu entschlossen, als Initia-
gemeinsam mit der HU und dem Stifterver- tive zur interkulturellen Verständigung
band vor zehn Jahren gegründet hat. Von wel- eine Gastprofessur für islamische und
chen Erfahrungen können Sie berichten? jüdische Studien an der LMU München
Ich habe sehr positive Erfahrungen zu stiften. Als internationales Unter-
gemacht. Sowohl über unser Engage- nehmen wollen wir einen Beitrag leis-
ment beim Schieren-Lehrstuhl als auch ten, Spannungen und Konflikte zwi-
persönlich durch die Honorarprofessur schen Staaten und Kulturen zu lösen.
können wir unsere Tradition, junge Wir sind in über 70 Ländern geschäft-
talentierte Menschen gezielt zu för- lich aktiv und beschäftigen als Arbeit-
dern, fortsetzen. In meinen Vorlesungen geber über 150.000 Menschen aus ver-
und Seminaren im Bereich der Konzern- schiedensten Ländern, Kulturen und
rechnungslegung und Konzernsteue- Religionen der Welt. Diversity wird bei
rung von Versicherungsunternehmen uns jeden Tag aufs Neue gelebt. Ähnli-
begegnen mir sehr engagierte Studen- ches gilt auch für unser Engagement
ten, die großes Interesse an unseren am Lehrstuhl Strategie und Manage-
Erfahrungen in der Praxis haben. ment der Landschaftsentwicklung. Als
Versicherungskonzern sind wir von
Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwi- Umweltkatastrophen besonders
schen dem Stifter Allianz und den Lehrstüh- betroffen. Um einen nachhaltigen
len generell? Umgang mit unseren Natur- und Kul-
Wir arbeiten eng mit den Lehrstühlen turlandschaften zu unterstützen, hat
zusammen. Neben meinen Vorlesun- sich die Allianz gemeinsam mit der
gen an der Humboldt-Universität fin- Allianz Umweltstiftung nach dem
det beispielsweise am Dr. Wolfgang schweren Elbhochwasser 2002 für eine
Schieren-Lehrstuhl seit 2002 regelmä- Stiftungsprofessur zur Förderung des
ßig unser Allianz-Versicherungsplan- Forschungsdepartments Ökologie und
spiel statt. Hierbei können Studenten Ökosystemmanagement an der TU
Einblick in die wichtigsten Tätigkeits- München entschieden.