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Mobilitäten - Einführung: Alltagskulturanalyse.

Institut für Populäre Kulturen - Mischa Gallati November 27, 2009

Handout - Mobilitäten • Puffertheorie: Arbeitskräfte als Krisenpuffer3

In den sechziger Jahren verbesserten sich die Bedingungen für die


Italiener. Als Folge stieg die ausländische Bevölkerung rasch an. Es
Arbeitsmigration Italien -Schweiz wurden verschiedene Parteien und Initiativen gegen die Überfremdung
durch Südländer ins Leben gerufen4. Eine „Entspannung“ der Lage
Ursachen der Migration der Italiener brachte 1974 eine europaweite Wirtschaftskrise. Geschädigte waren vor
allem die ausländischen Arbeitskräfte, deren 190'000 die Schweiz
verlassen mussten5.
Schweizer Migrationspolitik
Integration der Italiener in der Schweiz
• Wiedervereinigung Italiens 1861: Der Norden profitierte, der
Süden verlor.
• Ausbau des Eisenbahnnetzes in der Schweiz. Kapital war „Der Bundesrat bezeichnet eine gelungene Integration der Ausländerinnen
vorhanden, aber zu wenige Arbeitskräfte. und Ausländer als Voraussetzung einer erfolgreichen Migrationspolitik.
Wer dauerhaft in der Schweiz lebt, soll so gut wie möglich hier integriert
sein. Integration bedeutet nichts anderes als die Herstellung von
Die Einwanderung verlief sehr unbürokratisch: 1868 Niederlassungs- und
Chancengleichheit und Partizipation: Ausländerinnen und Ausländer,
Konsularvertrag zwischen der Schweiz und Italien1.
welche sich rechtmässig und dauerhaft in der Schweiz befinden, sollen
„Zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem einen chancengleichen Zugang zum wirtschaftlichen, gesellschaftlichen
Königreich Italien soll immerwährende Freundschaft und gegenseitige und sozialen Leben in der Schweiz erhalten.“6
Niederlassungs- und Handelsfreiheit bestehen. Die Italiener werden in
Dies ist im Falle von Italien anscheinend gelungen, denn die Integration
jedem Kanton der Schweizerischen Eidgenossenschaft hinsichtlich ihrer
von Italiener in der Schweiz wird als eine gelungene bezeichnet, doch die
Personen und ihres Eigentums … auf die gleiche Weise aufgenommen
Integration war nicht von Anfang an eine Erfolgsgeschichte. Anfangs
und behandelt wie die Angehörigen der andern Kantone…“.2
waren die Italiener nur als „Gastarbeiter“ geduldet, von einer richtigen
Der erste Weltkrieg veränderte die liberale Einstellung der Bevölkerung Integration konnte noch nicht die Rede sein. Heute hat sich unsere
und auch die Einwanderungsgesetze wurden viel restriktiver: 3
vgl. Nigg 1999: 272
4
vgl. ebd.: 274f
• Rotationsprinzip: Aufenthaltsbeschränkung auf zwei bis drei Jahre 5
vgl. Il lungo addio 2004
1 6
vgl. vgl. http://www.admin.ch/ch/d/sr/0_142_114_541/index.html http://www.bfm.admin.ch/bfm/de/home/themen/integration.html

2
vgl. http://www.admin.ch/ch/d/sr/0_142_114_541/a1.html

Anna Aegerter, Ben Bühler, Ursina Rosenkranz, Annette Weber, Valerie Zimmemann
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Einstellung zu den damaligen „Gastarbeitern“ und deren Nachkommen Die Gemeinde der Fahrenden zählt schätzungsweise 30'000 Personen.
grundlegend geändert. Bereits haben wir uns einen mediterranen Die Mehrheit bilden die Jenischen. Eine Grossteil ist heute sesshaft, als
Lebensstil angeeignet. Folge des Hilfswerks: "Kinder der Landstrasse".

Ressourcen der zweiten Generation Rund 3'000 - 5'000 von ihnen führen ein halbnomadisches Leben. Aktive
Fahrende gibt es etwa 2'500. Den Winter verbringen sie auf Standplätzen,
ihre Kinder besuchen die Schule und sie sind registriert. Während der
Triebkräfte für eine erfolgreiche Integration Sommermonate sind sie in kleinen Gruppen unterwegs in der ganzen
Schweiz. Während ein bis zwei Wochen bleiben sie an einem Ort und
üben ihre Berufe aus. Die Kinder sind während dieser Zeit mit ihren
Schulen in Kontakt.
Grundlegend gibt es zwei Tendenzen. Attribute die einer ganzen
ethnischen Gruppe zugeschrieben werden, beeinflussen auch das Die Jenischen haben eine eigenständige, gesprochene Schutzsprache, die
Individuum. d.h. es folgt gewissermassen eine Anpassung an die nur in der Gruppe verwendet und mündlich weitergegeben wird. Sie wird
Vorurteile. Dem gegenüber kann eine Person durch diese Stigmatisierung als Soziolekt bezeichnet.
auch eine Motivation haben durch die Entwicklung eigener Kompetenzen
und Stärken diesen Vorurteilen zu widersprechen. Folgendes wurde von Stiftung Zukunft für die Schweizer Fahrenden:
Italienern der zweiten Generation als Integrationsfördernde Faktoren
genannt: Die Stiftung wurde 1997 vom Bund gegründet. Das Ziel ist die
Lebensbedingungen zu sichern und zu verbessern, sowie einen Beitrag
Positive Wertung der Herkunft, Akzeptierung der Emigrationsentscheidung
zur Wahrung des kulturellen Selbstverständnisses einer während langer
der Eltern, schulischer resp. beruflicher Erfolg, Kompetenz in der
Zeit diskriminierten und verfolgten Minderheit zu leisten. Seit 2002 sind die
Zweisprachigkeit, Wurzeln pflegen, Unterstützung der Eltern und der
Schweizer Fahrenden eine anerkannte, nationale Minderheit. Die Stiftung
Umgebung, Kontakt zu Einheimischen. 7
leistet: fachliche, juristische und politische Unterstützung.

Fahrende
Das Hilfswerk "Kinder der Landsstrasse"
Fahrende in der Schweiz
Bei dem Hilfswerk "Kinder der Landstrasse" handelt es sich um ein Projekt
der Pro Juventute, bei dem es darum ging, Kinder von Fahrenden
wegzunehmen, und sie bei Pflegefamilien aufwachsen zu lassen.

7
vgl. Frigerio Martina, 452– 457

Anna Aegerter, Ben Bühler, Ursina Rosenkranz, Annette Weber, Valerie Zimmemann
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Als offiziellen Grund gab man an, die Kinder vor ihren Eltern zu Frigerio M. & Merhar, S., (2002). “…UND ES KAMEN
beschützen, denen man nicht zugestand, sich selber um ihren Nachwuchs MENSCHEN“. Die Schweiz der Italiener. Diss. Zürich:
zu kümmern. In Wahrheit ging es aber darum, die Lebensweise der Rotpunktverlag.
Fahrenden zu zerstören. Um dies zu erreichen, erfasste man möglichst
alle fahrenden Familien der Schweiz, nahm den Eltern die Kinder weg, und
Kanyar Becker, H., (2003). Jenische, Sinti und Roma in der
liess sie, je nach dem, bei Familien, in Heimen, in Waisenhäusern, in
psychiatrischen Kliniken oder in Strafanstalten aufwachsen. Auch Schweiz, Basel: Schwabe & Co. AG Verlag
Lehrstellen suchte man für sie, jedoch gab man ihnen nur eine kleine
Auswahl, da man sie für minderbegabt hielt. Leimgruber W., Meier T. & Sablonier R. (1998). Das Hilfswerk für
die Kinder der Landstrasse, historische Studie aufgrund der Akten
Folgen dieses Projekts waren schwere Traumatisierungen bei den der Stiftung Pro Juventute im Schweizerischen Bundesarchiv.S. 26-
Kindern, aber auch bei den Eltern. Das Ziel der Sesshaftmachung wurde 27, 32-45, 77-82, 82-84
jedoch grösstenteils erreicht, da die meisten Kinder sesshaft blieben, und
auch viele Familien das Herumziehen aufgaben, aus Angst vor den Naschet Jenische:
sonstigen Folgen. http://www.naschet-jenische.ch/beratungsstelle.htm (1.11.09)
1972 berichtete der Beobachter von diesem Projekt, und 1973 sah sich die
Pro Juventute gezwungen, das Projekt aufzulösen.8 Danach wurden viele Nigg, H. (1999). Da und fort. Leben in zwei Welten. Interviews,
Hilfsprojekte für Betroffene errichtet, eines davon ist die Stiftung "Naschet- Berichte und Dokumente zur Immigration und Binnenwanderung in
Jenische", die die Betroffenen in verschiedenen Punkten unterstützt, so der Schweiz. Zürich, Limmatverlag.
z.B. bei der Akteneinsicht, um vermisste Familienangehörige zu finden.9
Präsidialdepartement der Stadt Zürich (2004). Il lungo addio. Una
storia fotografica sull’emigrazione italiana in Svizzera dopo la
Literatur guerra. Der lange Abschied 138 Fotografien zur italienischen
Emigration in die Schweiz nach 1945. Ausstellungskatalog.
Bundesamt für Kultur Schweiz
Schweizerische Eidgenossenschaft:
http://www.bak.admin.ch/themen/sprachen_und_kulturelle_minderh
http://www.admin.ch/ch/d/sr/0_142_114_541/index.html (14.11.09)
eiten/00507/00512/00566/00569/00709/index.html?lang=de
(2.11.09)
Schweizerische Eidgenossenschaft:
http://www.admin.ch/ch/d/sr/0_142_114_541/a1.html (14.11.09)
Bundesamt für Migration Schweiz:
http://www.bfm.admin.ch/bfm/de/home/themen/integration.html
(22.11.2009)

8
vgl. Leimgruber W. et al, S. 26-27, 32-45, 77-82, 82-84
9
vgl. http://www.naschet-jenische.ch/beratungsstelle.htm

Anna Aegerter, Ben Bühler, Ursina Rosenkranz, Annette Weber, Valerie Zimmemann

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