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eder Weitling noch Marx/En-
gels haben seine Pamphlete
gekannt, ja nicht einmal von
seiner Existenz gewußt. Und
doch gehörte Gerrard Win-
stanley zu ihren bedeutendsten Vorgängern im
Reiche des Glaubens und des Denkens. Geboren
wurde er vor genau vierhundert Jahren im Okto-
ber 1609 in Wigan, einem in der nordwesteng-
lischen Grafschaft Lancashire gelegenen Städt-
chen, und gestorben ist er im September 1676 in
London. Mit Wilhelm Weitling vergleichbar, dem
Schneiderphilosophen und theoretischen Kopf
des »Bundes der Gerechten«, der Vorgängerorga-
nisation des »Bundes der Kommunisten«, hatte
bereits zweihundert Jahre zuvor ein Viehknecht
und Tagelöhner seine plebejisch-proletarischen
Auffassungen biblisch belegt. Wohlgemerkt:
nicht biblisch begründet! Sie erwuchsen nämlich
aus den Erfahrungen des armen, unterdrückten
Volkes, dessen selbstbewußter Angehöriger er
war, und wurden von ihm innerhalb eines rationa-
len Begründungszusammenhangs vorgetragen.
Im Interesse der Arbeiter, der Tagelöhner, eben
des »poor oppressed people«.1
Winstanleys zwischen 1649 und 1652 publi-
zierte Texte von insgesamt mehreren hundert
Seiten waren bis gegen Ende des 19. Jahrhun-
derts verschollen. Bernstein lernte sie aus den
Editionen ihres Wiederentdeckers Charles H.
Firth kennen. Ernst Bloch, Jürgen Kuczynski und
Walter Markov benannten sie; doch anders als
die Ideen von Babeuf, Campanella, Morelly oder
Thomas Morus waren sie den Autoren des DDR-
Lehrbuches für Wissenschaftlichen Kommunis-
mus (1978) ebenso wie den Herausgebern des
Wörterbuchs des wissenschaftlichen Kommunis-
mus (1986), des Philosophenlexikons (1987), des
Wörterbuchs der marxistisch-leninistischen Phi-
losophie (1987) sowie des Kleinen Politischen
Wörterbuchs (1988) keiner Erwähnung wert.
Selbst in der sechsbändigen Geschichte der Auf-
klärung und des Atheismus von Hermann Ley
(1966–1989) findet sich inmitten einer Überfülle
j w-archiv (3)