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Für die Beurteilung, ob eine Erkrankung eine besondere Ernährung erfordert, wurden
häufig von Verwaltung und Rechtssprechung die „Empfehlungen des Deutschen
Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung von
Krankenkostenzulagen“1 (im Folgenden: EDV) herangezogen. Diese sind als antizi-
pierte Sachverständigengutachten anerkannt, ein Abweichen von diesen
Empfehlungen bedarf einer besonderen Begründung und setzt besondere Fach-
kompetenz voraus (BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juni 2006, 1 BvR 2673/05 2).
Nach den Fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit (zu § 21, Rdnr. 21.23)
kann zur Beurteilung ob ein Mehrbedarf anzuerkennen und in welcher Höhe dieser zu
gewähren ist, auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins zurückgegriffen werden3.
An den EDV orientierte sich auch der Gesetzgeber (Entwurf eines Vierten Gesetzes für
moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drs. 15/1516, S. 57 4).
Die EDV stammen aus dem Jahr 1974, eine völlig neubearbeitete 2. Auflage wurde
1997 herausgegeben. Angesichts neuerer medizinischer und ernäh-
rungswissenschaftlicher Erkenntnisse darf hinterfragt werden, inwiefern die EDV eine
verlässliche Grundlage zur Beurteilung eines Anspruches auf einen Mehrbedarf wegen
kostenaufwändiger Ernährung sein können.
Am 04.10.2006 gab der Deutsche Verein bekannt, dass er seine Empfehlungen derzeit
überprüfe; das Ergebnis der Revision sei noch völlig offen, bis zum Abschluss der
Überprüfung werde an den EDV festgehalten.
1
Kleinere Schriften des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Heft 48
2
Das Bundesverfassungsgericht hat in der genannten Entscheidung ein Abweichen von den EDV nicht
grundsätzlich ausgeschlossen. Mit dem Grundgesetz sei es jedoch nicht vereinbar, eine abschließende
Beurteilung des wissenschaftlichen Meinungsstreites im Verfahren über Prozesskostenhilfe vorzunehmen (Verstoß
gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes).
3
Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse können aber auch als Entscheidungsgrundlage genutzt werden.
4
Auch die Gesetzesbegründung empfiehlt die Heranziehung der EDV nur, sie schließt aber eine andere Beurteilung
nicht grundsätzlich aus.
Diabetes mellitus
Auch die Rechtsprechung tendiert inzwischen dazu, bei Diabetes keinen Mehrbedarf
anzuerkennen: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (zur
vergleichbaren Vorgängernorm des § 23 Abs. 4 BSHG), Urteil vom 28. September
2001, 16 A 5644/99; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom
23.06.2006, L 20 B 109/06 AS sowie Beschluss vom 08.11.2006, L 19 B 83/06 AS ER;
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.02.2007, L 6 AS 71/07
ER; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht (zu § 30 Abs. 5 SGB XII), Beschluss
vom 06.09.2005, L 9 B 186/05 SO ER; aA: Hessisches Landessozialgericht, Beschluss
vom 05.02.2007, L 7 AS 241/06 ER.
Hypertonie (Bluthochdruck)
Auch für diese Erkrankung sieht der Begutachtungsleitfaden keinen Mehrbedarf vor.
Notwendig sei eine kochsalzarme Ernährung, als tägliche Dosis sollten 6 g NaCl nicht
überschritten werden. Bei Hypertonie in Verbindung mit Übergewicht werde eine
Einschränkung des Alkoholkonsums bei gleichzeitiger Reduzierung des
Körpergewichtes empfohlen. Eine mäßig reduzierte Kochsalzzufuhr sei mit den
üblichen Lebensmitteln möglich.