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Russische Originalausgabc :

[gumen Nikon . Pis'm a duchovny m detjam , Pari s 197 9


© YMCA-Press , Pari s
© fü r da s Vorwor t Tatjan a Goritschcw a
Die Anmerkunge n stammen , sofer n nich t ander s angegeben ,
vom Übersetze r

Igumen Niko n
1894-1963

Umschlagbild: Kathedral e vo n Kargopo l (1562 )


(Quelle: Nort h Russia n Architecture , 1972 )
Herstellung: Freiburge r Graphisch e Betrieb e [98 8
ISBN 3-451-2084 6 6
andere Verteidigungsmechanismen sind ihnen fremd. samere Beziehung gibt als diejenige zwischen dem Star-
Sie gehen ganz im Vertrauen zu Gott auf, einem Ver- zen und seinem Schüler. Namentlich ist diese Beziehung;
trauen, das sie furchtlos und verwegen macht. Wir ehe- un11littelbar, sie vollzieht sich "von Angesicht zu Ange-
maligen Skeptiker und Verehrer der wissenschaftlichen sicht". Die HeiUgkeit hat keine Vermittler; deshalb ist
Erkenntnis haben bei den Starzen gelernt, verwegen zu sie auch in einer Welt, wo die Erfahrung durch Fernse·
sein. Der Verstand erkennt nur das, was vor seinen Au· hen und Video ersetzt wird, so rar geworden. Der Starez
gen liegt, das, was ist. Der Glaube aber eilt voraus, in die ist voll und gegenwärtig, hier und jetzt, und er liebt so,
Zukunft, er erweitert den Raum, dehnt die Zeü aus und daß er ganz Auge und ganz Ohr wird und sich vollstän·
setzt neue Maßstäbe. dig in den Andern hineinversetzt. Von daher auch die
Es gibt heute in der Welt keine Leitbilder mehr - der Scharfsinnigkeit des Starzen, der in Gesichtern liest wie
Westen ist wie der Osten vom Tode des Vaters gekenn· in Büchern. Ein großes Glück ist es, einen solchen Len-
zeichnet. Deshalb ist es ein großes Glück, daß der Gläu- ker zu haben: der Starze kann Dir aUes sagen, ohne Dich
bige in Rußland trOtz aller Verfolgungen weiß, an wen er zu beleidigen oder zu verletzen.
sich wenden kann. Wir haben Beichtväter, die nicht nur Die Starzen schreiben gerade deshalb keine Bücher,
Sünden erlassen, sondern uns als geistliche Vater ins weil sie so großartige JYadagogen sind. Ihre Antwort ist
himmlische Jerusalem geleiten. Der Beichtvater ist stets die einzig mögliche, die absolut genaue und nOt·
Zeuge der Reue, die sein geistliches Kind vor Gott zeigt, wendige. Ich habe selbst gesehen, wie russische Starzen-
mehr noch: er fühlt sich Gott gegenüber für die Sünden seien sie nun gebildet oder halbe Analphabeten - nie-
des ihm anvertrauten Menschen gleichsam verantwort- mals die Fassung verlieren, weder vor dem zeitgenössi-
Uch und nimmt sie auf sich. schen, intellektuellen Neophyten noch vor dem einfa-
Die heutigen russischen Starzen schreiben nicht Bü- chen Mütterchen noch vor dem Yogi, auch nicht vor
cher (das hat es auch früher nur selten gegeben). Ein dem gottsuchenden Gelehrten oder vor dem Atheisten.
Buch ist etwas Abstraktes, die Starzen aber sind die Niemand verläßt die Zelle des Starzen ohne Trost, ohne
Liebe, die nicht verallgemeinert, nicht analysiert und Vollendung: die ÄngstUchen fassen Mut, die Stolzen er-
nkht theoretisiert. Die Starzen schreiben Briefe. Sie werben Sanftmut und die Prahler werden st ill - der
wenden sich stets an eine konkrete Person und schreiben Hl. Geist, der Tröster, schafft in ihnen aUen Harmonie
aus einem konkreten Anlaß. Wer immer einem Starzen und Frieden. Bisweilen sammeln sich vor der Zelle eines
begegnet ist, weiß, wie bedeutsam diese Konkretbeit ist. Starzen Menschen, die sich um die herauskommenden
Wenn wir die Briefe des 19umen Nikon nach 30 Jahren Besucher drängen, um sie, die von der Gnade der Begeg-
lesen, vermögen wir leider manches nicht mehr zu wür· nung Getroffenen, zu sehen, ja zu berühren.
digen, ich meine besonders das unsichtbare Geheimnis Die Starzen sind rradagogen, mehr noch: sie wissen,
der wärmespendenden Liebe, welche die direkte Begeg· daß jeder Mensch zur Vergötdichung aufgerufen ist.
nung kennzeichnet. Und es ist gerade dieser Aufruf zum Unmöglichen, wel·
leh kann sagen, daß es keine tiefere, echtere und heil- eher den heutigen Menschen anzieht, ihn, der das Ge-

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meine, di e Eitelkeit und die Lächerlichkeit alles Irdi· tane Autorität kommt daher, daß die Starzen tatsächlich
schen erkannt hat und ungeachtet seiner Sündjgkeit helfen und "die Geister zu unterscheiden" wissen; viele
nach Höherem strebt. "Ihr sollt vollkommen sein, Klöster hätten ohne ihren StaTZen schon längSt aufge·
gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist" (Mt hön, Klöster zu sein; ohne den weisen Beichtvater, der
S, 48J. Warum wird man denn sonst Christ~ Die Starzen den Mönchen untersagt zu richten und Neid und
verkörpern das Unmögliche der Heiligkeit und fordern Crüppchengeist zu nähren. Niemand wagt es, den Rat
dasselbe von ihren Mitmenschen. des Starzen zu mißachten, niemand kritisiert seine
Die Mehrzahl der russischen Starzen lebt heute in den Worte oder diskutiert darüber. Man spricht von i.hm val·
Klöstern, doch gibt es auch welche in der Welt, in pfarr· ler Ehrfurcht und Zärtlichkeit.
gemeinden. Fast alle, die in Rußland bekannt sind, wie Die Starzen vermögen durch ihr Leben im unablässi-
der Igumen Nikon, haben die schHrnmsten Verfolgun· gen inneren Gebet auch deo Neugetauften zu helfen.
gen erlitten: Gefängnisse, Lager, Irrenanstalten, Miß· Die heutige religiöse Wiedergeburt in Rußland ist im we·
handlungen. Manche haben im Gulag Dutzende von sentl ichen eine Wiedergeburt des Gebets und des mysti-
Jahren in der Gesellschaft von Verbrechem ausharren schen und asketischen Lebens. Dieser Weg aber ist einer
müssen, wo ihr Glaube stark und rein geworden ist. Das der gefahrvoUsten, wenn nicht der gefahrvollste tiber·
Leiden fassen die Starzen, ja das russische Volk insge. haupt. Ein Asket hat einmal gesagt: Fürchtet euch vor
samt, als etwas Natürliches auf, da man "durch viel nichts, nicht einmal vor der Sünde; fürchtet euch nur
Trübsale in das Reich GOttes gehen" muß (Apg 14,12/. vor dem Gebet (d. h. vor dem falschen Beten). Die Schrei-
Von ihrer Leidenszeit {und überhaupt von sich selbst} bende ist Neophyten begegnet, die lange, aber fa lsch be·
sprechen sie nicht - in ihren Augen haben ja nicht siege· teten, ja einige von ihnen endeten sogar in der
litten, sondern Ch ristus. Sie werden sich auch nie über psychiatrischen Klinik. Die Gesetze der Askese sind
das ihnen widerfahrene Unrecht beklagen, da sie wissen, streng, diamanten hat sie der russische Religionsphilo·
daß Gott unendlich barmherzig ist und daß alles, was er soph und Naturwissenschaftler Pawel Florenskij ge·
uns herabsendet, uns zum Wohl gereicht. nannt. Beten lehren kann nur, wer sich, wie die
Das Starzentum ist nicht eine Stufe der kirchlichen erfahrenen Starzen, selbst in ein Gebet verwandelt hat.
Hierarchie, sondern eine besondere An von Heiligkeit, Auf aUen Gebieten des so komplexen und verworre·
die jedermann zugänglich ist. Starez kann ein Mönch nen modernen Lebens braucht es den klaren Rat des
ohne den geringsten geistlichen Rang sein, ebenso ein Bi· Starzen. Und selbst wenn wir in den Briefen des }gumen
schof oder auch eine Frau. Wahrend sich der kirchlichen Nikon längst Bekanntes finden - etwa die Ausführun-
Obrigkeit alle orthodoxen Gläubigen zu fügen haben, ist gen über die Demut - wissen wir, daß an diesen Rat-
die Autorität des Statzen für niemanden zwingend, da sch lägen nichts banal ist. Banal, abgegriffen und ge-
sich durch ihn unmittelbar der Wille Gottes offenbart. sichtslos wird etwas, wenn die Worte unnütz ausgespro·
Das Kirchenvolk weiß dies und anerkennt denn auch die ehen werden und nirgends hinführen. Die Starzen indes
Starzen; ihr Won hat absolute Gültigkeit. Diese span· sagen nie etwas überflüssiges. Ihr geistliches Leben ist

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von einer großen Spannung getragen, und zwei Pole wer- Leibniz zu sagen, alles diene dem Guten in der besten al-
den durch die eine Glaubenstat, durch das Paradox der ler Welten. Das christliche Paradox kann nicht als eine
Heiligkeit, verbunden_ rationalistische Rechtfertigung verstanden werden. Wir
Der eine Pol ist das Mit-Leiden: die St,arzen verfügen stehen hier nicht einer Dialektik gegenüber, sondern
Uber die ganz besondere Fahigkeit, auch für das kleinste dem Geheimnis der göttlichen Gnade, einem Geheim-
Leiden der Geschöpfe Gottes Rührung zu empfinden. nis, das der Gläubige obne Fragen und ohne Zweifel an-
Ihr Herz ist entblößt und reagiert auf jedes Stöhnen und nimmt, das aber trotzdem ein Geheimnis bleibt.
auf jeden Seufzer. Sie haben gleichsam keine Haut. Wie Die größten Heiligen haben sich stets für große Sün-
oft habe ich beobachten können, wie ein Starez alle un- der gehalten. Sich selbst demütigend, fanden sie durch
beschwerteren und ruhigeren Besucher stehen ließ und den Hl. Geist zur Demut Gottes - der christliche Gott,
auf das zerbrechlichste, vielleicht silndigste seiner Kin- der sanftmütige und gekreuzigte GOtt "wird das zer·
der zueilte, um dessen Trilbsal zu lindern. stoßne Rohr nkht zerbrechen und den glimmenden
Der andere Pol ist die Strenge, die ihren UrspruIl8 in Docht nicht auslöschen" (Jes 42,3 und Mt 12,20).
der Liebe hat. Der Sta rez sieht unsere SUnden, unseren Die Demut ist der Weg zum echten , realen Dasein. Ich
Unrat und unsere Häßlichkeit besser als wir selbst, und halte das Verschwinden des Begriffs der Sünde und des
doch sagt er sich nicht los von uns (dies scheint mir bis Sünders im westlichen Christentum für verhängnisvoll.
heute unglaublich), verachtet uns nicht, im Gegenteil. Er Der Mensch kann auf diese Art nicht nur Gott, sondern
sieht nämHch gleichzeitig auch das verschüttete Eben- nicht einmal sich selbst erkennen, da er einem unwahr-
bild Gottes in uns und fordert mit dem ganzen Erfin- haftigen, irreaJen Wechselspiel von Optimismus und
dungsgeist der wissenden Liebe unsere Rückkehr zur Pessimismus verhaftet bleibt.
"früheren Herrlichkeit". In Hegels und Marx' GeschiChtsphilosophie richtet
Paradoxe allenthalben. Der Glaube ist nicht eindi- der Mensch und nicht GOtt; deshalb wirkt alles so un-
mensional, er ist verstandesmäßig nicht erfaßbar und ' echt. Jedermann sieht ja ein, daß ein Verbrechen ein Ver-
man kann auch n.icht über ihn verfügen wie über ein leb- brechen bleibt, auch wenn es damit gerechtfertigt wird,
loses Objekt. In den Briefen des Starzen Nikon stoßen es diene dem sogenannten Fonschritt.
wir öfters auf das segensreiche Paradox des Glaubens, Der Starez Nikon sagt, sogar Sündigen sei besser als
etwa auf den Gedanken, daß "die Sü nden helfen kön- die selbstzufriedene, äußerliche Rechtschaffenheit, da es
nen, Demut zu erlangen". Schauen wir uns das etwas nä- oichts Schlimmeres aJs Stolz gebe. Oft bleibt Gott nichts
her an. Wir haben es hier nicht mit der Hegeischen anderes übrig, als den Menschen in die Sünde zu werfen,
Dialektik des übergangs des Schlechten zum Guten zu damit er seine Unvollkommenheit erkenne und demü-
tun, nicht mit einer Rechtfertigung des Bösen, sondern tig werde. Das heißt aber nicht etwa, man müsse "sUndi-
gerade mit dem Gegenteil davon. Der Christ ist nicht be- gen, um hernach zu bereuen" (das wäre die Hegeische
rechtigt, sich auf den Standpunkt der Hegeischen Ge- Perspektive), sondern daß das Sündigen - gleichsam in
schichtsphilosophie zu stellen und auch nicht, mit Gottes Hand - Teil Seines barmherzigen Heilsplanes ist.

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Manch einem Leser werden diese Briefe des weisen liehste, jämmerlichste und lächerlichste Knechtschaft.
Starzen in manchen Passagen nichtssagend vorkommen. Die Dämonen und die vom Bösen beherrschten Men·
Alles hängt davon ab, von wem und wie sie gelesen wer· sehen können ein sehr beredtes Zeugnis von der Exi·
den Ceistliche Texte wie die der Kirchenväter oder die stenz Gottes ablegen. Vielleicht ist es im ersten atheisti·
HI Schrift sind anders zu lesen und zu verstehen als wis· schen Staat der Welt aucb desbalb so leicht zu seben,
senc;chaftliche oder literarische Werke. Auch wenn man · daß sich alles nach Gottes Willen vollzieht.
ches schon bekannt ist und man vieles schon gehört und Beim Lesen der Briefe des Starzen Nikon erinnere ich
ver~tanden hat, Stößt man doch immer wieder auf mjch an meine Begegnungen mit anderen russischen
Neues. Unvermutet leuchtet hier und don ein Gedanke Starzen. Nach jeder solchen Begegnung war mir klar, daß
auf, den Du gerade in diesem AugenbHck in seiner gan- es darin nichts ZufäJliges gab und daß selbst die schein·
zen Tiefe begreifst, und Ober den Du früher hinweggele. bar unbedeutendsten Wörter sich später als wichtig er·
sen hast. Es ist, als hätte man nicht einen Text vor sich, wiesen. Die Gegenwart eines Starzen machte die Welt
sondern eine Ikone, etwa das strenge, kanonische Ge· zum Spiegel von Gottes Willen. Der Himmel brach in je·
sicht der Gottesmutter mit fest verschlossenen Lippen dem Stocken durch, in jeder Geste und in jeder - anfäng·
und einem ausdruckslosen Gesicht. Und kaum beginnst lieb - unverständlichen Wendung, die das Gespräch
Du zu beten, tritt dje Ikone in ein Zwiegespräch mit Dir, nahm. Wie sehr ist es zu wünschen, daß diese Brief·
die Gottesmutter lächelt und wird zur Zärtlichkeit sammlung des großen Starzen Nikon fUr den literarisch
selbst. Seihst ihre Strenge ist nicht zufällig, mahnt sie verwöhnten westlichen Leser mehr als bloß eine zufäl·
doch: "Freut euch des Herrn mit Furcht". lige Begegnung werde.
So ist es auch mit diesen Briefen. Ich lese sie nicht
zum erstenmal, und eben habe ich darin wieder etwas
entdeckt, was mich früher nicht berührte, den Gedan-
ken nämlich, daß der Unglaube eine ebensolche Leiden·
schaft ist wie Unzucht, Hoffart, Stolz usw. Der Un-
glaube ist also nicht einfach eine verneinende Geistes-
haltung, nicht etwas "Neutrales", sondern eine Krank·
beit. Man denkt dabei an die Wone eines Helden
Dostojewskijs: "Dieser Mensch kann kein Atheist seln,
da er heiter ist. " Heiter, das heißt innerlich frei , frei von
Leidenschaften und von jeglicher Knechtschaft.
Das ist es gerade: vor Gott gibt es kein Entrinnen. Ihm
gehorsam zu sein, ist die einzige Möglichkeit, frei zu
bleiben. Wenn wir nicht bei ihm im frei gewählten Ge-
horsam verharren wollen, geraten wir in die schreck·

16
1950
Mein lieber ... !
Von alldem, was es zu Deinem Brief zu sagen gibt, führe
ich nur das Wichtigste aus. Gottes Weisheit ist so groß,
daß der Herr auch das Böse dem Menschen zum Nutzen
gereichen lassen kann. Dieser Gedanke ist von vielen
heiligen Kirchenvätern ausgesprochen worden, und es
geht dabei um Folgendes: Der Mensch kann sein Seelen-
heil durch den Glauben und durch die Erfüllung aller
Gebote erlangen. Die Erfüllung der Gebote verändert die
Psyche des Menschen, sie erneuert ihn, macht ihn neu
nach dem Bild Gottes, genauer nach dem Bild unseres Er-
lösers Jesus Christus. Die Haupteigenschaft des neuen
Menschen ist die Demut ("Lernet von mir, denn ich bin
sanftmütig und von Herzen demütig", Mt 11,29). Ohne
sie bringt uns selbst die Erfüllung sämtlicher Gebote
Gott nicht nur nicht näher, sondern macht uns gar zu
Gottes Feinden, denn wenn die Demut fehlt, tritt an ihre
Stelle unweigerlich der Stolz. Gerade auf diese seelische
Eigenschaft bezieht sich, so scheint mir, der Gedanke des
Evangeliums, daß der "unsaubere Geist" nach seiner
Austreibung aus dem Menschen umherirrt und sein
Haus gekehrt und geschmückt, aber leer vorfindet; dann
nimmt er "sieben andere Geister, die ärger sind denn er
selbst", und zieht mit ihnen in die Seele ein, "und es
wird mit dem Menschen hernach ärger, als es vorhin
war" (Mt 12,45). Beim hl. Makarios dem Ägypter l ist

I Einsiedlermönch, geistlicher Ratgeber und Verfasser von Predigten

Ica. 300-390).

21
Herr bei aufrichtiger Reue seinen Schutz, nimmt die
Sünden von ihm und heilt die Wunde, welche die Sünde
in die Seele geschlagen hat. Aus eigener Erfahrung ge-
langt der Mensch zur Erkenntnis des göttlichen Seins
und der göttlichen Fürsorge. (... )
So wird unser Sündigen aus etwas Schlechtem zur
Grundlage des größten Wohls. Darin ist Gottes wunder-
bare Weisheit, wie in allem.
Deshalb, mein lieber ... , verzweifle nicht, wenn Du
eine Sünde begehst, sondern bekenne sie, ohne jeman-
den anzuklagen; werde demütig, gestehe Dir Deine
Schwäche in allem ein und bitte den Herrn, er möge
seine heiligen Gebote in Dir bekräftigen. Doch heißt das
nicht etwa, du sollest aufhören, die Sünde mit voller
Kraft zu bekämpfen. Die Art, wie der Kampf zu führen
ist, soll man bei den heiligen Kirchenvätern lernen. Man
hat auch die Umstände vorauszusehen, welche einen
Sieg oder eine Niederlage begünstigen können, und sie
entsprechend zu suchen oder zu meiden. Das wichtigste
aber ist, beim Erscheinen sündiger Absichten ohne Un-
terlaß Gott aus vollem Herzem und im Bewußtsein un-
serer Unfähigkeit, die Sünde selber bezwingen zu
können, um Hilfe anzuflehen. Sogar wenn Du bereits
sündigst, sollst Du dabei Gott anrufen, ohne Dich zu
schämen, geistig vor ihn hintreten und sprechen: "Herr,
du siehst, was ich tue; erbarme dich meiner, und hilf
mir, mich der Gewalt des Teufels zu entziehen." Weine
innerlich vor Gott, rufe ihn so oft wie möglich an, er
möge Dir in allem helfen, im ganzen Leben, denn es ist
schwer, in dieser Welt seinen Geboten nachzuleben.
Deshalb weinten die alten Kirchenväter auch über die
Menschen unserer Zeit und darüber, daß manche Men-
schen an den Sünden zugrunde gingen. Noch ein wirksa-
mes Mittel gegen jede Art von Sünden gibt es: Sobald Du
nen wir unsere unverheilten Wunden, und halten wir men, die Gerechten zu retten (d. h. jene, die sich für ge-
einander nach Kräften zur Nächstenliebe an. Dann wird recht und gut halten), sondern die Sünder zur Buße
der Herr für unsere Demut und Geduld dem Mitmen- aufzurufen; jene also, die ihre Verdorbenheit, ihre Sünd-
schen gegenüber auch uns nach dem Gesetz dulden: haftigkeit und ihre Unfähigkeit, sich selbst zu bessern,
"Mit welcherlei Maß ihr meßt, wird euch gemessen wer- erkannt haben; jene, die Jesus Christus um Hilfe bitten
den" (Mt 7,2). Wenn wir uns aber kampflos den Leiden- oder, besser gesagt, ihn um Gnade anflehen, um Wa-
schaften ergeben, was kann uns anderes erwarten als die schung der Sündengeschwüre, um Heilung vom seeli-
Verstoßung? Das Reich Gottes ist das Reich des Friedens, schen Aussatz und um die Erlangung des Reiches Gottes
der Liebe, der Freude, der Sanftmut usw.; mit den gegen- ausschließlich durch Gnade und nicht durch irgendwel-
teiligen Eigenschaften aber werden wir keinen Einlaß ins che guten Werke.
Reich Gottes erhalten. Wir müssen uns bezwingen, wir Wer den geistlichen Weg richtig geht, findet bei sich
müssen die Fäulnis unserer Seele beweinen und wie der zunächst immer mehr Sünden, bis er sich am Ende mit
Aussätzige darum flehen, der Herr möge uns heilen und seinem geistlichen Auge ganz in Sünden, im seelischen
läutern. "Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann Aussatz sieht und von ganzem Herzen spürt, daß er un-
werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch aufgetan" würdig ist, auch nur den Namen Gottes anzurufen.
(Mt 7,7) - die Türen der Reue, des Weinens und der Er- Dann wird er wie der Zöllner voller Schmerz beten,
griffenheit, durch welche der Frieden und das Heil kom- ohne es zu wagen, die Augen aufzuheben: Herr, sei mir
men. So geschehe es! Sünder gnädig! Verweilt der Mensch lange Zeit in die-
sem seelischen Zustand, wird er auch gerechtfertigt wie-
der aus ihm herauskommen wie der Zöllner.
Hält sich jedoch der Mensch für gut und seine einzel-
* nen, auch die schweren Sünden für zufällig, in der Mei-
1952 nung, schuld daran sei weniger er selbst als alle
möglichen äußeren Umstände oder Personen oder Dä-
. .. Die Menschheit insgesamt und jeder einzelne monen, so ist diese Haltung verlogen: Es wäre dies ein
Mensch befinden sich in einem schlimmen Zustand des Zustand des Trugs, wovor uns der Herr alle behüten
Verfalls und der Verdorbenheit, und der Mensch selbst möge.
vermag sich nicht aus eigenen Kräften zu bessern und zu Um auf dem rechten Pfad zu wandeln, muß man auf
retten und sich als des Reiches Gottes würdig zu erwei- sich achtgeben und seine Taten, Worte, Absichten, Nei-
sen. Den Menschen bessert der Herr Jesus Christus - des- gungen usw. mit den Geboten Christi vergleichen und
wegen ist er auch in die Welt gekommen; er bessert sich dabei in nichts rechtfertigen, sich nach Möglichkeit
diejenigen, die an ihn glauben und ihre Verdorbenheit bessern, die Mitmenschen weder anklagen noch richten,
oder, wie wir eher zu sagen pflegen, ihre Sündhaftigkeit schließlich vor dem Herrn Reue zeigen und Gott und
erkennen. So sagt es der Herr auch: Ich bin nicht gekom- den Menschen Demut erweisen: dann wird der Herr uns

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einer großen Sünde erlegen bist, geh und beichte sie Dei- 1950
nem Beichtvater. Wenn Du das nicht sofort tun kannst, Meine lieben ... !
tu es bei der ersten Gelegenheit, und schiebe es auf kei- Frieden wünsche ich Euch, den Frieden Gottes, welcher
nen Fall auf! Wer öfters und sofort beichtet, beweist, daß jeden Verstand übersteigt und den Menschen mit Gott
er die Sünde, die dämonische Gefangenschaft haßt und vereint. Damit aber dieser Friede Segen bringe, muß man
bereit ist, sich bei der Beichte zu schämen, wenn er nur sich selbst bemühen, seine Seele friedlich zu stimmen,
von der Sünde erlöst und gereinigt wird. Dafür erhält er die Fehler der Mitmenschen zu ertragen und ihnen sämt-
von Gott fortan den vollständigen Sieg und bleibt auch liche Kränkungen zu verzeihen.
in diesem Sieg frei von Hochmut und Stolz. Achte dar- "Der eine trage des anderen Last, und so werdet ihr
auf! (Des Teufels Netze sind überall.) Christi Gesetz erfüllen" (Gal 6,2); wer aber das Gesetz
So mach es Dir denn zum Prinzip: Bekämpfe die Christi erfüllt, wird auch mit dem Frieden Christi geseg-
Sünde, soweit Du es vermagst, laß dich von Rückschlä- net werden, welcher über dem gewöhnlichen menschli-
gen nicht entmutigen, sondern sei reumütig und rufe chen Verstand steht. Dieser Friede macht den Menschen
Gott an. Lerne die Umstände, die zu einer Sünde führen gegen irdisches Leid und Leiden unempfindlich, läßt je-
können, voraussehen, und gehe dem Schädlichen und des Interesse an dieser Welt erlöschen, erhebt uns und
Gefährlichen aus dem Weg; beichte sofort und erwirb läßt im Herzen Liebe zu allen Mitmenschen keimen,
die Demut, indem Du Dir deine früheren und die jetzi- eine Liebe, welche über sämtliche Unzulänglichkeiten
gen Sünden in Erinnerung rufst. Dann wird Dir der Herr des Nächsten hinwegsieht und die in uns für den ande-
helfen, und Du wirst ein gewandter Streiter Christi sein, ren mehr Mitleid erweckt als für uns selbst. Zu diesem
der später auch anderen Menschen zu helfen vermag. Frieden sind denn auch alle aufgerufen, die an Christus
Erliege nicht der Faulheit ... Vernachlässige Deine glauben, besonders aber die Mönche. Wenn wir diesen
kleine Gebetsregel nicht. Mach es Dir zur Gewohnheit, Frieden indes nicht haben, wollen wir wenigstens vor
Dich unbedingt wenigstens einmal pro Stunde - wenn Gott beweinen, daß wir bettelarm, krank und bar alles
die Möglichkeit besteht und die Kraft ausreicht, auch öf- Guten sind, und wir werden aufhören, einander zu ver-
ters - an den Herrn und an die Gottesmutter zu wenden urteilen und mit Vorwürfen zu überhäufen, da wir ja
und sie um Vergebung und Hilfe zu bitten. selbst zu nichts nütze sind und Gefahr laufen, vom
Es stehe Dir der Herr bei mit den Gebeten des hl. Ser- Herrn verworfen zu werden. "Wir heilen Babel; aber sie
gius 2 und der übrigen Wundertäter von Radonesch. will nicht heil werden" (Jer 51,9). Wie lange wird Gott
mit uns noch Geduld haben? Mit der Liebe Gottes hängt
2 Sergius von Radonesch Iruss. Sergij Radoneschskij ), einer der am
die Wahrheit Gottes zusammen, nach der Adam aus
meisten verehrten Heiligen Rußlands, 1314-1392. Wegbereiter des dem Paradies vertrieben und die Sintflut zugelassen
Mönchtums in Nordrußland, Gründer des Dreifaltigkeitsklosters, das wurde, Sodom und Gomorra verbrannten und der Herr
zu einem Zentrum der russischen Spiritualität werden sollte lin Sero
giewo, heute Sagorsk, 70 km nördlich von Moskau ). Fest am 25 . Sep· Jesus Christus für unsere Sünden gekreuzigt wurde.
tember/8. Oktober. Üben wir also Demut voreinander und vor Gott, bewei-

24 25
allmählich unsere Sündhaftigkeit, unsere Verderbnis ten, müssen Sie auch seelisch sich anstrengen. Das Herz
und unsere unbeglichene Schuld erkennen lassen. Der will genau so wie ein Gemüsegarten, ja noch mehr, bear-
eine schuldet 500 Groschen, der andere 50, beide kön- beitet sein. Wenn die Menschen ihre Arbeiter bezahlen,
nen sie aber ohnehin nicht bezahlen (Lk 7,4 I f.). wird der Herr etwa diejenigen leer ausgehen lassen, die
Der Herr erläßt in seiner Güte bei den ihre Schuld. Das für ihn arbeiten? Wie aber soll man für ihn arbeiten? Sie,
heißt, es gibt keinen solchen Gerechten, der die Gnade meine Liebe, wissen das alles. Man muß beten und auf
des Erlösers nicht benötigte. sich achtgeben, die schlechten Absichten bekämpfen,
Das ist Gottes Weisheit! Ein offener Sünder kann eher sich nicht wegen Kleinigkeiten streiten, einander nach-
reumütig werden, zu Gott finden und seine Seele retten geben (und wenn gar die Sache Schaden littej später wer-
als der äußerlich Gerechte. Deshalb hat Jesus Christus den Sie einen größeren Gewinn daraus ziehenL sich
auch gesagt, die Zöllner und die Sünder gingen vor man- rasch versöhnen, häufiger zur Kommunion gehen und
chen sich für gerecht Haltenden in sein Reich ein. das übrige.
Nach Gottes großer Weisheit tragen die Sünden und Kann man das mit der Arbeit vereinen? Vieles kann
die Dämonen zur Demut des Menschen bei und dadurch erreicht werden, wenn die Kraft auch nicht für alles
zur Seelenrettung. Deshalb verbot der Herr auch , daß reicht. Das nicht Getane aber soll man wenigstens be-
man das Unkraut aus dem Weizen reiße: Ohne das Un- reuen und dadurch zur Demut findenj keinesfalls darf
kraut entstünde leicht der Stolz, Gott aber widersetzt man sich indes rechtfertigen, berauben wir uns doch
sich dem Stolz. Stolz und Dünkel sind der Tod des Men- durch die Selbstrechtfertigung der Möglichkeit des geist-
schen. lichen Wachstums. Wenn wir dagegen nicht das tun,
Was folgt aus dem Gesagten? Erkennt Eure Schwach- was wir zu tun haben, und überdies noch Beleidigungen
heit und Sündhaftigkeit, richtet niemanden, rechtfertigt und Leid nicht ertragen und so weder zur Reue noch zur
Euch nicht, demütigt Euch, und der Herr wird Euch zur Demut finden, kann ich auch keinen Rat mehr geben.
rechten Zeit erheben. Wodurch würden wir uns in diesem Fall noch von den
Herr, sei uns Sündern gnädig. Nichtglaubenden unterscheiden? Deshalb bitte ich Sie
Vergebt mir und betet für mich ... alle: Ertragen Sie die Beleidigungen, Vorwürfe und Unge-
rechtigkeiten Ihrer Mitmenschen, tragen Sie einander
Ihre Lasten, um wenigstens auf diese Weise den Mangel
an geistlichem Tun wettzumachen. Das wichtigste aber:
* Man soll alle Beleidigungen und alles Leid als verdient
1950 betrachten ("denn wir empfangen, was unsere Taten
Liebe Mutter W., wert sind", Lk 23,4I).
"trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Sie wissen, daß die Menschen der Endzeit sich durch
Gerechtigkeit" (Mt 6, 33). Kann der Mensch etwa aus ei- Leid retten werden. Sind wir etwa von diesem Gesetz
gener Kraft für sich sorgen? Wenn Sie körperlich arbei- ausgenommen? Nicht umsonst rieten die heiligen Kir-

28 29
chenväter, häufig (vielmals täglich) des Todes und des schlag, diese Regel bis zum Tode zu befolgen: sich am be-
Gerichts zu gedenken, der Notwendigkeit auch, dem sten abends oder sonst auch zu einer anderen Tageszeit
Herrn dereinst Rechenschaft abzulegen für jedes Wort, von ganzer Seele zu konzentrieren und den Herrn anzu-
jede Tat, jeden Gedanken, für unsere Arglist und unsere flehen, er m~ge uns verzeihen und uns gnädig sein. Dies
Anhänglichkeit an die Welt, für unsere Eitelkeit und al- ist ein Gebot Gottes und der heiligen Kirchenväter.
les Verborgene, das nur dem Herrn und unserem Gewis- Tragt wenigstens ein bißchen Sorge für Eure Seele. Alles
sen bekannt ist. vergeht, der Tod steht uns im Rücken, wir aber denken
Der Herr segne Sie alle. überhaupt nicht darüber nach, wie wir vor dem Gericht
bestehen werden und welches Urteil der gerechte Rich-
ter, der jede feinste Regung unserer Seele und unseres
Körpers von der Kindheit bis zum Tode kennt und be-
* hält, über uns aussprechen wird. Was werden wir ant-
1949 worten? Deshalb weinten die heiligen Väter und baten
den Herrn um Verzeihung, um nicht vor dem Gericht
... Man soll alles seiner Kraft gemäß tun. Alle Energie und in Ewigkeit zu weinen. Und wenn sie das nötig hat-
wird auf das Körperliche verwendet, und für die Seele ten, weshalb halten wir Unglücklichen uns denn für gut
bleiben lediglich einige schläfrige Minuten. Kann man und richten unser Leben und Denken so unbekümmert
denn so überhaupt leben? Man gedenke der Worte des nach dem Alltag aus?
Erlösers: "Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes" usw., Vergeben Sie mir und beten Sie für sich und für mich.
das ist ein Gebot genauso wie "Du sollst nicht töten", Übermitteln Sie allen meinen Gruß und Segen.
"Du sollst nicht Unzucht treiben" und andere. Die Ver-
letzung dieses Gebots schadet der Seele oft mehr als ein
zufälliges Sündigen; sie bringt der Seele geistlichen Tod:
"Laßt die Toten ihre Toten begraben" (Mt 8,22), die see- *
lisch Toten, die ihr geistliches Gefühl verloren haben, 1954
die Gebote lau befolgen, kurz die Menschen, die weder Liebe Mutter W.,
heiß noch kalt sind und denen der Herr droht, er werde je näher der Mensch tatsächlich und nicht vermeintlich
sie ausspeien aus seinem Munde. Wenigstens einmal pro bei Gott ist, desto unwürdiger und sündiger, ja sündiger
Tag müssen wir uns für einige Minuten vor Gottes Ge- als alle Menschen fühlt er sich. So war es bei den heili-
richt stellen, so, als seien wir gestorben und stünden am gen Kirchenvätern. Beispiele dafür gibt es viele. Sie erin-
40. Tag in Erwartung des Urteils vor dem Herrn. In die- nern sich selbst.
ser Haltung werden wir weinen und Gottes Barmherzig- Der Zöllner hielt sich aus einem anderen Grunde für
keit anflehen, uns Gnade zu erweisen und uns unsere sündig. Doch er bekannte seine Sündigkeit, rechtfertigte
unbeglichene Schuld zu erlassen. Ich gebe allen den Rat- sich nicht, sondern erflehte vom Herrn nur Gnade und

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Vergebung, und er erhielt sie auch. Alle Menschen ha- Sohn Gottes, erbarme dich meiner." Der Sinn ist ein und
ben eine unbeglichene Schuld vor Gott, und keine Glau- derselbe.
benstaten vermögen sie abzuzahlen. Der Herr selbst sagt:
Wenn ihr alles tut, was euch geboten ist (d. h., wenn ihr
die Gebote befolgt), haltet euch für unnütze Knechte,
die verpflichtet sind, alles zu tun, was ihnen der Meister *
befiehlt (vgl. Lk 17, 10). Wir alle, die wir unablässig die
Gebote verletzen, sollen uns also um dieselbe seelische Meine lieben ... !
Haltung wie der Zöllner bemühen und in uns selbst kei- Friede Euch und Gottes Rettung.
nerlei Verdienste suchen, was auch immer wir für den Euren Brief habe ich erhalten. Der Herr hat Euch mit
Glauben tun mögen. Stets sind wir nachlässige Diener. Krankheit natürlich deswegen heimgesucht, weil sie zu
Einzig Gottes Gnade vergibt den Reumütigen und ge- Eurer Seelenrettung notwendig war. Der Weg ins Reich
währt ihnen den Eintritt ins Himmelreich. Gottes führt über mancherlei Trübsal, lautet ein geistli-
Deshalb verbieten die heiligen Väter und der Herr ches Gesetz. Die Apostel, die Märtyrer und die Heiligen
auch das Erstreben euphorischer geistlicher Stimmun- gelangten alle durch großes Leiden zur Herrlichkeit.
gen. Unsere ganze innere Glaubenstat muß sich auf die "Wen der Herr liebt, den straft er, und hat doch Wohlge-
Reue konzentrieren und auf alles, was ihr förderlich ist. fallen an ihm wie ein Vater am Sohn" (Spr 3, 12). Offen-
Gottes Gegenwart aber wird von selbst dazukommen, sichtlich gibt es keinen anderen Weg ins Reich Gottes als
wenn das Herz rein ist und wenn es dem Herrn gefällt. den engen, den Kreuzesweg, und deshalb dürft Ihr bei
Fehlt indes dem Glaubensstreiter das aufrichtige Gefühl Krankheit und Schwäche nicht der Mutlosigkeit verfal-
der Sündhaftigkeit und das zerknirschte Herz, so ist er len, sondern sollt Euch im Gegenteil freuen im Geiste.
gewiß auf dem Holzweg. Besonders wer die Gebetspraxis Tröstet Euch damit, daß der Herr nun näher zu Euch ge-
übt , muß sich das Gebet des Zöllners und dessen Zer- kommen ist und Euch in Zukunft ganz zu seinen Kin-
knirschung zu eigen machen, da er sonst von den Dämo- dern machen wird, wenn Ihr ihm bis zum Ende die
nen verführt wird und dem Dünkel, dem Hochmut und Treue haltet und ohne Murren alles Leid auf Euch
dem Trug verfällt, wovor uns der Herr behüten möge. nehmt, das er auf Euch herabzusenden für nötig befin-
Soweit die Antwort auf Ihre Frage, was es heiße, mit det. "Wer bis an das Ende beharrt, der wird selig" (Mt
der Einstellung des Zöllners zu leben. Der Herr hat mit 10, 22). Ruft öfters den Namen Gottes an, stellt Euch vor
dem Gleichnis vom Zöllner und vom Pharisäer gezeigt, sein Angesicht und bittet um Geduld, wenn es unerträg-
wie und mit welcher seelischen Haltung man beten soll lich wird. Wie vor einer giftigen Schlange muß man sich
und wie man nicht beten soll (pharisäische Einstellung). davor hüten zu murren. Der unvernünftige Schächer am
Nach der Ankunft des Erlösers und nach seinen Leiden Kreuz verschlimmerte mit Murren und Schmähen nicht
ist das Gebet des Zöllners von den heiligen Vätern durch nur seine Qualen, sondern er starb auch in die Ewigkeit,
das Jesusgebet ersetzt worden: "Herr Jesus Christus, während der vernünftige in dem Bewußtsein, nach sei-

32 33
nen Taten zu empfangen, seine Qualen erleichterte und den Taten wird die Rettung oft zurückgewiesen. Womit
das Reich Gottes erbte. In einem Morgengebet des denn? Nicht durch Sünden, da es große Sünder gegeben
hl. Makarios des Großen heißt es: "Gott, läutere mich hat wie den Schächer am Kreuz, Maria von Ägypten 3
Sünder, denn ich habe nichts Gutes von dir getan." u. a. Diese bereuten ihre Sünden, und der Herr verzieh
Wenn die Heiligen so empfanden, wie müssen wir erst ihnen - so wurden sie errettet. Jener aber kommt um,
empfinden, worauf können wir hoffen? Einzig nur auf der sündigt und nicht bereut, sondern sich in seinen
Gottes Gnade. Vergessen wir alle unsere guten Taten, Sünden selbst rechtfertigt. Das ist das Allerschlimmste,
und rufen wir wie der Zöllner im Tempel aus: "Gott, sei das Tödlichste. Der Herr spricht: "Ich bin gekommen,
uns Sündern gnädig!" Und da der Zöllner allein durch die Sünder zur Buße zu rufen, und nicht die Gerechten"
dieses Gebet von allen Sünden befreit wurde, können (Mt 9,13). Was bedeutet das? Gottes Wort besagt: "Sie
auch wir glauben, daß sich der Herr unser erbarmt. So sind allesamt untüchtig j da ist keiner, der Gutes tue,
lehrt uns der Herr Jesus Christus: Betet und hofft auf auch nicht einer" (Ps 14,3). Alle sind sündig, und je hei-
Gottes Barmherzigkeit. Keine Krankheit hindert uns da- liger ein Mensch ist, desto mehr Sünden sieht er in sich.
ran, uns wenigstens ein paarmal am Tag mit Reue im Der Herr ist gekommen, uns zur Buße aufzurufen und
Herzen an den Herrn zu wenden. durch die Buße die Sünder zu retten, d. h. jene, die ihre
Es ist nie vorgekommen, daß er jemals einem reumüti- Sünden erkennen, sie vor Gott bereuen und um Verge-
gen Menschen die Vergebung versagt hätte. Er vergibt bung bitten. Wer jedoch seine Sünden entweder nicht
uns nur dann nicht, wenn wir selber den Mitmenschen sieht und sich selbst böswillig rechtfertigt, den jagt der
nicht vergeben. Versöhnen wir uns deshalb mit allen, Herr von sich weg. So hat er schon auf Erden die Phari-
auf daß uns der Herr mit uns versöhne. Vergeben wir al- säer verworfen und verurteilt, welche sich für gerecht, ja
len, auf daß uns der Herr vergebe. für ein Vorbild für die anderen hielten. Schrecklich ist
... Es behüte Euch der Herr, er schenke Euch Geduld ein solcher Zustand: Behüte Gott jeden Menschen da-
und Beten, und durch sie die geistliche Freude, welche vor.
alle körperlichen Krankheiten und alle Leiden dieser ver- Der hl. Sissojos der Große 4 bat die Engel, die seine
gänglichen Welt überwindet. Seele holen kamen, zu beten, der Herr möge ihm noch
etwas Lebenszeit für die Buße schenken. Der hl. Pimen
der Großes sagte: "Glaubt mir, Brüder, wo der Satan ist,
dahin werde ich auch gestoßen." Dabei erweckte dieser
*
3 Heilige des 6. Jahrhunderts, lebte bis zu ihrer radikalen Hinwendung

Liebe M .... ! zu Gott als Dirne. Der Text der im Mittelalter weitverbreiteten Vita ist
Der Herr will die Rettung jedes Menschen. Doch nicht deutsch letztmals 1982 erschienen (Herderbücherei 977).
4 Heiliger der Ostkirche, Mönch in der Ägyptischen Wüste, gest. 429.
jeder Mensch handelt so, als ob er gerettet werden 5 Griechisch Poimen, Heiliger, Einsiedler der Sketischen Wüste, gest.

wollte. In Worten wollen alle gerettet werden, aber in um 450.

34 35
Heilige Tote zum Leben! Alle Heiligen beweinten so bis und verstehen, daß er wahrhaftig nah bei denen ist, die
zum Tod ihre Sünden, ihre unbeglichene Schuld vor seinen Namen aus ganzem Herzen anrufen, und Du
Gott. wirst alle Deine Sünden beweinen, mit denen Du ihn be-
Wer sind wir, daß wir aus Eigenliebe unsere Sünden leidigt hast. Dann wirst Du auch im Herzen demütig
verheimlichen, uns rechtfertigen, uns verstellen - mit werden, wirst aufhören, über die Mitmenschen zu urtei-
einem Bein stehen wir schon im Grab ... Schau auf Dein len, und wirst zusehen, daß der Herr Dir Deine vergan-
Leben, bereue alles, was Du einsiehst. Bitte mit Tränen, genen Sünden vergebe und hinfort nicht mehr zulasse,
wie die heilige Kirche in der Fastenzeit mit Verbeugun- durch die Übertretung seiner Gebote beleidigt zu wer-
gen bis zur Erde bittet: "Gib mir, meine Sünden zu se- den. Du wirst auch verstehen, wie eitel alles hier auf Er-
hen!" Sieht der Mensch seine Sünden nicht, heißt das den ist, und daß Deine Bindung an die Welt, Deine
nicht, daß er keine hat, sondern vielmehr, daß er nicht Auseinandersetzungen und Unannehmlichkeiten alles
nur in der Sünde, sondern auch in geistiger Blindheit Nichtigkeiten sind; ihretwegen ist es nicht wert, sich zu
verharrt. Und wenn der Beichtvater oder jemand ande- ärgern, zu streiten und den Seelenfrieden, ja das Seelen-
res uns der Sünde zeiht, sollen wir nicht nach einer heil aufs Spiel zu setzen.
Rechtfertigung suchen, sondern den Herrn anflehen, er ... Alles Schlechte, alle Leidenschaften, alle Ränke der
möge uns unsere Sünden zeigen, sie uns bis zur Ankunft Dämonen, alle Trübsal und alle Leiden lassen sich durch
des Todes bereuen lassen und uns hier auf Erden Verge- die Demut besiegen. Die Demut aber entsteht dann,
bung schenken ... wenn wir von ganzem Herzen wie der gute Schächer sa-
gen: "Wir empfangen, was unsere Taten wert sind. Herr,
gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst" (Lk
* 23, 42).Wenn wir in allen Lebenslagen so zu sprechen fä-
hig sind und wir weder gegen den Herrn noch die Mit-
Meine liebe ... ! menschen murren, wird uns sofort leichter zumute
Schon einer kleinen Versuchung wegen verlierst Du den werden, und wir werden auf dem rechten geistlichen
Mut und die Fassung. Der Herr läßt dies zu, damit Du Pfad wandeln.
Deine Schwäche erkennst und verstehst, wie viele Ge- Wenn wir trotzdem gegen jemanden gemurrt haben,
heimnisse in der Seele des Menschen verborgen sind und sollen wir noch demütiger werden und sagen: "Herr, ich
welche Anstrengung man benötigt, um sich von seinen bin wahrhaftig nichts wert, nur du kannst mich retten."
Leidenschaften zu befreien, um ein Tempel des lebendi- "Wenn du willst, kannst du mich heilen", sprach der
gen Gottes zu werden und das Seelenheil zu erlangen. Aussätzige, der jede andere Hoffnung auf Genesung ver-
Wenn Deine menschliche Schwäche offenbar sein wird, loren hatte, und erhielt vom Herrn die Antwort: "Werde
wirst Du vor dem Herrn niederfallen und aus der Tiefe gesund." Durch Berührung ward er geheilt. Wenden
Deines Herzens zu ihm rufen wie der ertrinkende Apo- auch wir, die wir in tiefster Seele unsere Schwachheit
stel Petrus. Alsdann wirst Du von ihm Hilfe erhalten und geistige Armut erkannt haben, uns dem Herrn, un-

37
serem einzigen Erlöser, zu, und sagen wir ihm mit zer- Liebe ... !
knirschtem Herzen: "Herr, wenn du willst, kannst du Denke öfters an den Tod und daran, was Dich dort er-
mich heilen und retten", und wir werden von dem für warten wird. Es können die Engel des Himmels sein, aber
uns Gekreuzigten die Antwort erhalten: "Werde ge- auch die finsteren, bösen Dämonen, von denen ein Blick
sund." Unsere Seele wird diese Antwort deutlich verneh- genügt, um den Verstand zu verlieren.
men und die Kraft schöpfen, dankbar alles Leiden des Unser Heil besteht ja darin, gerettet zu werden, d. h.
Erdenlebens zu ertragen, so wie der gute Schächer, der nicht den Dämonen in die Hände zu fallen, sondern ih-
ohne zu murren noch bis zum Abend in entsetzlichen nen zu entrinnen und ins Reich Gottes einzugehen,
Qualen am Kreuz hing. Um dies zu verstehen, liebe M., in eine unendliche, unvorstellbare Freude und Glück-
um demütig zu werden und Dich in Gottes Hände zu be- seligkeit. Es lohnt sich und ist der Mühe wert, sich im
geben, wiederhole unablässig das Gebet: Herr, dein heili- Erdenleben anzustrengen. Die Dämonen sind stolz
ger Wille geschehe, tu mit mir, was dir beliebt; laß nur und überwinden die Stolzen, also müssen wir demütig
nicht zu, daß ich gegen dich aufbegehre, und rette mich. sein. Die Dämonen leben dem Zorn, also müssen wir
Bisher kennst Du den seelischen Kampf und das Wei- Sanftmut erstreben, auf daß sie uns nicht überwinden
nen und die Leiden des Herzens nur aus Büchern und wie jene, die ihnen ähneln. Die Dämonen sind nach-
vom Hörensagen. Der Herr läßt es zu, daß Du Dich jetzt tragend und unbarmherzig, also müssen wir wiederum
auch durch Erfahrung kennenlernst und Deinen Stand- verzeihen, uns mit denen versöhnen, die uns beleidi-
ort bestimmst: Willst Du still dulden und Gott danken, gen, und zu allen Menschen gütig sein. So halte man
oder verfällst Du dem Murren und - schlimmer noch - es in allem.
der Verzweiflung? Man soll in seiner Seele die dämonischen Eigenschaf-
Entscheide Du das selbst. Gib das Blut und empfange ten unterdrücken und die englischen, wie sie im heiligen
den Geist. Deine Kindheit ist vorbei, es ist an der Zeit, Evangelium dargestellt sind, pflegen.
an die Sache der Erwachsenen zu gehen. "Ein geängstigt Ist nach unserem Tode in der Seele das Dämonische in
und zerschlagen Herz wirst du, Gott, nicht verachten" der Überzahl, so werden wir überwunden. Erkennen wir
(Ps 5 I, 19). "Den Demütigen erreichen die Netze des unsere dämonischen Eigenschaften noch zu Lebzeiten,
Teufels nicht." bitten wir beim Herrn darum um Vergebung, und verge-
Begehrst Du jedoch auf und fängst an, die Mitmen- ben wir selbst allen unseren Schuldigern, so wird uns der
schen und die Umstände verantwortlich zu machen, Herr verzeihen, in uns alles Schlechte zerstören und uns
wird der nächste Schritt das Murren gegen Gott sein, nicht den Dämonen überlassen. Wenn wir hienieden
und von da an kann es zur Verzweiflung kommen, wo- niemanden verurteilen, wird uns Gott auch dort nicht
vor Dich der Herr behüte! Er schenke Dir Frieden in der richten. So ist es in allem.
Seele, Demut und geistliche Vernunft; er gebe Dir die So wollen wir denn in Frieden leben, einander verzei-
Geduld und die Kraft, Deine Last und die der Menschen hen, uns versöhnen, unsere Sünden vor Gott bereuen
zu tragen, denen Du begegnest. und seine Gnade und die Errettung von den Dämonen

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und den ewigen Qualen erflehen, solange uns die Zeit Gleichgewicht gekommen ist, daß sich also der Feind
dazu noch gegeben ist. Zugang zu unserer Seele verschafft hat und man vor
Spielen wir nicht mit unserem ewigen Schicksal. Gott Buße tun und ihn um Vergebung und um Hilfe bit-
Der Herr erleuchte Deinen Verstand. Amen. ten soll. Man muß die Gründe dafür suchen. Bisweilen -
wenn es nicht der Zorn ist - kommt es von übertriebe-
ner Besorgtheit, von der Bindung an die Welt, von lan-
gen, ausschließlich weltlichen Gesprächen, vom Urtei-
* len über den Nächsten.
Ein gutes, aufmerksames, vom Herzen kommendes
Liebe ... ! Gebet ist der Weg zum "Reich Gottes, das in uns ist".
... Ein zerstreutes Gebet ist kein Gebet, obwohl der Herr Kommt es nicht zu einem solchen Gebet, haben wir den
auch es im Anfang von denen annimmt, die erst lernen Herrn durch irgend etwas erzürnt.
zu beten. Aber einmal muß man ja ohne Zerstreuung be- Sei wachsam zu Dir. Sei friedfertig, versöhne Dich
ten lernen! rasch, gestehe dem Herrn immer wieder Deine Verfeh-
Wenn Du dem Zorn entsagst und Frieden bewahrst, lungen und Bekümmernisse, handle nach Deinem Ge-
wird auch das Gebet gut werden; lebst Du aber in Unfrie- wissen - und Du wirst Dich gut fühlen und gerettet
den, wirst Du auch nicht beten können. werden. Ohne Mühe kannst Du nicht einmal einen Bast-
Im Zorn gesprochene Gebete nimmt der Herr nicht schuh flechten. Arbeite in Gott, und Du wirst gerettet
an; einen solchen Beter überläßt er den erbarmungslosen werden. Es wird Dir hier gutgehen, und nach dem Tod
Dienern, d. h. den Dämonen, die diesen vom geistlichen wirst Du in die ewige Seligkeit eingehen.
Mahl, vom Gebet, vom Brautmahl weg in die Finsternis Bete für mich.
der verschiedenen leeren und zuweilen auch schlechten
Gedanken stoßen. Dies dauert so lange, bis wir Demut
üben, vor dem Herrn von ganzem Herzen zu weinen be-
ginnen, allen vergeben und selbst um Vergebung bitten, *
kurz, bis wir den Seelenfrieden erreichen, denn es steht 1954
geschrieben: "Im Frieden (der Seele) ist Gottes Ort." Wo Liebe W. N.!
Unfriede herrscht, sind der Feind und die Finsternis und Ich habe Ihren Brief erhalten. Schon allein Ihre Unruhe
die Schwere der Seele und die übrigen Vorzeichen der beweist, daß Sie im Unrecht sind. "Du Heuchler, zieh
Hölle. zuvor den Balken aus deinem Auge, und besiehe dann,
Die Demut besitzt die Kraft, die Gedanken um Gott daß du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst" (Lk
zu sammeln, während der Unfriede, die Eitelkeit und 6,4 2 ).
der Stolz die Gedanken zerstreuen. Wenn sie sich zer- Dies weist auf eine tiefe psychische Wahrheit hin.
streuen, bedeutet dies, daß etwas in der Seele aus dem Wenn sich der Mensch nämlich mit Gottes Hilfe von


der Sünde läutert und dadurch ein lauteres Sehen er- Sie damit auf! Der Zöllner belehrte nicht, sondern
wirbt, geschieht folgendes: Erstens wird ihm alles in ei- sprach mit Zerknirschung: "Gott, sei mir Sünder gnä-
nem anderen Licht erscheinen, und dann wird er jedem dig", und es war dies nicht etwas, was er nur im Tempel
Ding den richtigen Wert zuweisen können. Zweitens sagte, sondern es war seine Erkenntnis (sonst hätte er ja
wird in seinem Herzen einzig die Liebe zur ganzen auch im Tempel nicht so beten können). Konnte er und
Schöpfung und unendliches Mitleid erwachen sowie der kann jeder, der in dieser Haltung lebt, die Mitmenschen
Wunsch, es möge niemand leiden und niemandem möge belehren? Natürlich nicht. Es ist einfach die richtige Hal-
Schaden zugefügt werden (vgl. Isaak der Syrer) 6. Erst tung für diejenigen, die der Sünde und dem Teufel die-
dann kann man seinen Nächsten belehren (und selbst da nen. Erst wenn die Haltung des Zöllners auf den ganzen
nur auf Geheiß der göttlichen Gnade), und die Worte Menschen übergreift, kann sich in uns die "Kraft Got-
werden wirksam und nützlich; sie heilen, ohne zu verlet- tes" entfalten. "Meine Kraft wird in der Schwäche offen-
zen. Solange Sie jedoch diesen Zustand nicht erreicht ha- bar" (2 Kor 12, 9), d. h., wenn wir den Zöllner in seiner
ben, dürfen Sie sich nicht zur Lehrerin ernennen. Demut erkennen, erfüllt sich in uns die Kraft Gottes,
Der hl. Nil Sorskij 7 antwortete nie aus sich selbst her- und wir werden aus Ägypten ins Gelobte Land hinausge-
aus, sondern legte nur die Meinung der heiligen Kirchen- führt. Einen anderen Weg gibt es nicht. Ich schreibe Ih-
väter dar. Wenn er bei ihnen nicht gleich die Lösung nen dies rechtens meiner Eigenschaft als Ihr Beichtvater.
fand, gab er so lange keine Antwort, bis er ihre Aussage Verzeihen Sie!
zum betreffenden Gegenstand gefunden hatte. Wir aber, Der Herr behüte Sie und erwecke Sie zu allem Guten.
die wir nichts wissen, reden eine ganze Menge, nur weil
wir irgendwo etwas aufgeschnappt haben oder "es mir so
scheint". Ein kluger Mensch begreift sofort, daß unsere
Worte leicht wiegen, und beurteilt uns auch danach ... *
Alle befinden wir uns in der "bösesten Verblendung",
wie es der hl. Symeon der Neue Theologe es ausdrückt, Mein lieber ... !
d. h. in der Finsternis, im Wahn, in der Sklaverei des Ich habe Deinen Brief erhalten und mit großer Anteil-
Teufels. Nur wenige werden vom Herrn aus diesem Zu- nahme gelesen. Zu Deinen Zweifeln und Ärgernissen
stand befreit. Wie kann denn ein Blinder einen Blinden hätte ich manches zu sagen, aber ich bin kein Meister im
führen? Sie aber belehren jedermann über alles. Hören Schreiben. Du hast einen in unserer Zeit extrem schwie-
rigen Weg gewählt, und wenn Du bis zum Ende aushält,
6 Kirchenvater, lebte im 7. Jahrhundert als Mönch in Ninive und in wirst Du für all Deine Leiden millionenfach belohnt
der Ägyptischen Wüste. Seine Werke, darunter eine Mönchsregel, werden, mehr noch: Du wirst sie nicht vergessen, son·
wurden 1854 erstmals ins Russische übersetzt.
7 Auch Nil von Sora IMajkow), 1433-1508, Mönch des Klosters Kiril-
dem bedauern, daß sie zu klein waren ... Das mag Dir
10wo·Bjelosersk in Nordrußland. Postulierte die Armut der Kirche und merkwürdig scheinen, doch es ist so. Ich bin fest über
insbesondere der Klöster. zeugt, daß selbst die großen Märtyrer des Altertums bc-

43
dauerten, zuwenig gelitten und deshalb Gott nicht mit Wenn es Dir gelingt, eine solche Haltung zu bewah-
jener Liebe geantwortet zu haben, mit der sie ihn hätten ren, wird es Dir ein leichtes sein, Deinen Lebensweg ab-
lieben sollen. Auch die Menschen drücken ihre Liebe da- zuschreiten. Sobald Du jedoch zögerst und Zweifel in
durch aus, daß sie einander Gutes tun, wie viele Opfer Dein Herz eindringen läßt, wenn Du in freiwilliger
dies auch koste. Je stärker die Liebe, desto stärker auch Übertretung der göttlichen Gebote die Finsternis suchst,
der Drang, diese zu beweisen ... Seine selbstlose Liebe Deine geistlichen Kräfte schwächst und den Herrn nicht
kann man nur mit einem Opfer bekräftigen, und wie die ständig zu Hilfe rufst, besonders aber wenn Du stolz
wahre Liebe keine Grenzen kennt, so ist auch das Bestre- wirst und Dich auf Deine eigenen Kräfte zu verlassen be-
ben unbegrenzt, sich zum Zeichen der Liebe Opfer auf- ginnst, wirst Du einen "großen Fall" tun und Dir Dein
zuerlegen. Auch wer Gott liebt, wird für ihn leiden Leben zur unerträglichen Last machen. Doch lasse auch
wollen, und mit der Liebe wird auch das Verlangen dann den Mut nicht sinken, sondern werde noch demü-
wachsen, alles zu ertragen, damit sich Gott ja nicht von tiger und lege alle Hoffnung auf den Herrn, auf seine
uns entferne und wir ihm ganz nahe seien. (... ) Barmherzigkeit und seine Hilfe. Das ist die richtige Hal-
Vermutlich sind der "immerdar nagende Wurm" und tung, die Du nur durch Erfahrung sowie durch ständiges
das nie verlöschende Feuer im zukünftigen Leben die un- Fallen und Wiederaufstehen erlangen kannst. (Die
endliche Trauer des Herzens darüber, daß es einst eine Sünde in Taten hat schwere Auswirkungen auf unseren
Zeit gegeben hat, als man seine Liebe zu Gott ausdrük- "inneren Haushalt"; die anschließende Läuterung ver-
ken und um seinetwillen mancherlei Leiden auf sich langt eine große Anstrengung, und das Wachstum im
nehmen konnte; eine Zeit, als man ihm seine Liebe Geiste wird lange gehemmt. Die Sünden in Gedanken
nicht nur durch Leiden, sondern auch durch den Glau- dagegen sind unabdinglich zur Selbsterkenntnis und zur
ben an ihn inmitten von Ängsten, von geistlicher Ein- Einsicht, wie schwach und wie schlecht vorbereitet auf
samkeit, von Schwäche und Ohnmacht zu beweisen das Reich Gottes wir sind. Sie führen uns also zur De-
Gelegenheit hatte ... und es nicht tat. mut hin und zeigen uns, daß wir selbst aus eigenen Kräf-
Hier auf Erden, in diesem Leben kann und soll man ten nicht zu wachsen vermögen, sondern beständig Gott
seine Liebe zu ihm kraft einer inneren Entscheidung un- um Hilfe anflehen und die seelenrettenden Sakramente
ter Beweis stellen: Ich werde an dich glauben und aus al- samt all dem, was die heilige Kirche uns schenkt, emp-
len Kräften deine Gebote erfüllen, ich werde für meinen fangen sollen. Gefördert wird das geistliche Wachstum
Glauben an dich leiden und mich von allem und allen durch das Lesen der Heiligen Schrift - des Neuen Testa-
lossagen - von meinem Privatleben und von den mir Na- ments und der heiligen Kirchenväter. Noch besser ist es,
hestehenden. Sag nur du dich nicht los von mir, Herr; einen geistlichen Ratgeber und Führer zu haben, doch
laß nicht zu, daß ich den Glauben und den Mut verliere, gibt es heutzutage keine solchen mehr; so müssen wir al-
und daß ich gegen dich murre, wenn mich schweres Leid lein vorwärts schreiten und uns vom Lesen und vom Ge-
und Trauer treffen, und hilf mir, dich aus vollem Her- bet führen lassen und dabei die Hilfe des Herrn und der
zen zu lieben. Heiligen erbitten.)

44 45
Dem Eingständnis unserer Schwäche entspringt die hält, wenn er auf dem Weg auch stürzt und weitergeht,
Zerknirschung, das "Weinen des Herzens" und das Be- ist ein Soldat Christi und wird schließlich von ihm ge-
wußtsein der unbeglichenen Schuld (zehntausend Ta- krönt - trotz der vielen Wunden aus dem geistlichen
lente), kurz jenes "geängstigten und zerschlagenen Kampf gegen die Leidenschaften, die gefallene Natur
Herzens" des 5 I. Psalms, das "Gott nicht verachten und die Dämonen.
wird". Dein Wille und Dein Wunsch allein genügen Der Herr erleuchte Deinen Verstand, stärke Deinen
zum Erwerb der Liebe noch nicht; dazu braucht es ein Glauben und Deinen Willen und behüte Dich vor allem
Leben nach den Geboten, Zerknirschung, Beweinen Dei- Übel.
ner Sünden, Reue darüber, daß wir anstelle der Liebe Der Herr segne Dich.
und der Gottgefälligkeit uns damit abgeben, seinem hei-
ligen Willen zuwiderzuhandeln. Aus dem Weinen und
der Zerknirschung entstehen alsbald die Gottesfurcht -
d. h. die Furcht, Gott auf irgendeine Weise zu beleidigen *
- sowie das Gefühl, daß Gott in unserer Nähe ist, was
der Prophet David mit den Worten umschreibt: "Ich Unser Herr Jesus Christus schenke Dir Frieden und Erlö-
habe den Herrn allezeit vor Augen" (Ps 16, 8). Schließlich sung, liebe ... !
erwächst daraus stetig die feste Entscheidung, lieber zu Du solltest langsam wissen, daß der Feind niemanden
sterben, als den Herrn zu beleidigen und seiner Nähe in Ruhe läßt, der Erlösung sucht; deshalb hat ja auch der
verlustig zu gehen, wie auch die Standhaftigkeit im Lei- Kampf mit ihm kein Ende bis zum Tode. Mit eigenen
den, die darin besteht, dieses nicht nicht nur ohne Mur- Kräften indes vermag ihn niemand zu bekämpfen: Ist
ren, sondern mit Dankbarkeit zu ertragen. nicht Gott gerade deswegen auf die Erde gekommen, um
Verzeih meine Weitschweifigkeit und den Umstand, das Werk des Teufels zu vernichten? Er kämpft denn
daß dieses Schreiben möglicherweise zur Unzeit kommt. auch gegen den Teufel und die Sünde an der Seite derje-
Doch es ist Dein Leid, das mich dazu bewogen hat, Dir nigen, die ihn unablässig um Hilfe anrufen. Auch der
dies zu schreiben. Vielleicht kann es Dir nützen und Mensch hat sich der Sünde und dem Teufel mit aller
Dich auch etwas trösten. Kraft zu widersetzen und dabei jene Waffen einzusetzen,
Mein Freund, um eines bitte ich Dich: Sage Dich nie auf die der Herr, die Apostel und die heiligen Kirchenvä-
von Gott los, so tief Du auch gefallen sein magst, so sehr ter verweisen. Für den Orthodoxen sind dies Fasten, Ge-
Du auch gesündigt und den Herrn erzürnt haben magst bet, Enthaltsamkeit und Demut. Ohne Demut kann
(wovor er Dich bewahre), sondern bitte ihn wie der ver- niemand etwas ausrichten - der Herr hilft dem Überheb-
lorene Sohn um Vergebung und zwinge Dich stets von lichen und Stolzen denn auch nicht, und dieser geht
neuem, den Geboten nachzuleben. "Wer zu mir kommt, dem Feind unweigerlich ins Netz. Wer ihm entgegen-
den werde ich nicht hinausstoßen" (Joh 6,37). Wer dem treten und seinen Leidenschaften entgehen will, dazu
Herrn entgegenschreitet, indem er dessen Gebote ein- aber nicht die ihm zur Verfügung gestellten Waffen ein-

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setzt, wird bestimmt auch nicht siegen. Je sanfter und Liebe ... !
demütiger wir sind, desto eher werden wir vom Feind be- W. schrieb mir, Du habest nach meinem Brief drei Tage
freit. Dazu kommt, daß die Nachträglichkeit die Kraft geweint. Ich bin froh, daß Du geweint hast, wenn es ein
des Gebets zunichte macht, da der Herr kein Gebet an- Weinen über Gott war und nicht beleidigte Eigenliebe.
nimmt von jemandem, der mit seinem Mitmenschen Aus ganzer Seele wünsche ich Dir, du mögest Deine Sün-
streitet oder ihm Böses nachträgt, nein: zuerst muß er den sehen und sie nicht drei Tage beweinen, sondern das
sich versöhnen. Ohne ein von Gott angenommenes Ge- ganze Leben, um nicht nach dem Tod ewig weinen zu
bet aber bleibt der Mensch einsam und kann vom Feind müssen ...
leicht überwunden werden. Und schließlich: auch wer Wenn wir vor den unbestechlichen Richter gestellt
mit den rechten Waffen streitet, bezwingt den Feind werden, der unser Innerstes kennt, welcher Spruch wird
nicht gleich. Dazu braucht es Zeit und Geduld. Schlage über uns gefällt werden? Womit können wir uns vor
Dich recht, versuche, mit allen in Frieden zu leben, ma- ihm rechtfertigen? Auf eine einzige Weise: unsere Un-
che Dir die Enthaltsamkeit und das immerwährende Ge- würdigkeit vor Gott und den Menschen erkennen, so-
bet zur Gewohnheit. Übe Demut vor Gott und den lange wir leben, und uns aufrichtig vergegenwärtigen,
Menschen, und Du wirst einen Götzen nach dem ande- daß wir unnütz und untauglich sind und eine unbegli-
ren stürzen und Dich von der Gefangenschaft der Sünde chene Schuld vor Gott haben und deshalb keinen An-
befreien. spruch darauf erheben dürfen, von den Menschen
Kein Beichtvater wird einen Menschen schlecht anse- irgend etwas zu fordern. Halten wir uns dies vor Augen,
hen, der seine Sünden aufrichtig und tief bereut, so weinen wir, und bitten wir noch hienieden um Gnade
schlimm sie auch seien. Diese Befürchtung ist nichts an- und Vergebung unserer Schuld. Weinen wir darüber,
deres als ein Kniff des Bösen, der auf diese Weise errei- daß wir unsere seelischen und körperlichen Kräfte un-
chen will, daß der Beichtende seine Sünden verberge nütz verschwendet haben und Gottes Liebe unablässig
und keine Lossprechung erhalte. Es ist aber gerade umge- kränken, und bitten wir, der Herr möge sich nicht unse-
kehrt: Wenn nämlich der Beichtvater ein gläubiger rer Sünden und Unwahrheiten entsinnen, sondern uns
Mensch ist, wird er das Beichtkind um so mehr lieben - in sein Haus aufnehmen, wie er den verlorenen Sohn
das ist eine Eigenschaft des Beichtsakraments. aufgenommen hat.
Ertrage alles Geschimpfe, alle Verleumdungen und Das soll unsere ganze Sorge sein. Täglich vor dem Ein-
alle Vorwürfe, die berechtigten und die unberechtigten, schlafen müssen wir uns erforschen und alle Gebots-
denn sie sind nützlich, waschen die Sünden von der übertr~tungen bereuen, die wir am selben Tag zugelas-
Seele ab und fördern - falls Du sie unerwidert läßt - die sen haben. Rufen wir uns auch unser ganzes früheres
Demut. Sprich wie der gute Schächer: "Wir empfangen, Leben in Erinnerung, und bereuen wir alles so lange, bis
was unsere Taten wert sind. Herr, gedenke an mich, wir deutlich spüren, daß Gott uns unsere Sünden verzie-
wenn du in dein Reich kommst." hen hat. Bitten wir dabei den Herrn aus vollem Herzen,
er möge uns helfen, fortan nicht mehr zu sündigen noch

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seinen heiligen, in den Geboten niedergelegten Willen Liebe ... !
zu beleidigen. Hüten wir uns auf jede erdenkliche Du solltest schon längst wissen, daß es einen Teufel und
Weise, unseren Nächsten zu beleidigen, denn es ist leich- Dämonen gibt, welche in ihrer grenzenlosen Bosheit auf
ter, sich mit Gott zu versöhnen als mit den Mitmen- alle möglichen Arten versuchen, den Menschen ins Ver-
schen ... Sei demütig vor allen, sei nach Kräften allen derben zu stürzen. Wie tun sie das? Nun, sie wirken auf
dienstbar, mache niemandem Vorwürfe, richte nicht, ur- die Leidenschaften ein und versuchen diese so "aufzu-
teile nicht. Versöhne Dich mit allen, vergib allen, sonst blasen", daß sie den Menschen umbringen.
wirst auch Du von Gott keine Vergebung erhalten. Diese Wer zum Beispiel gerne trinkt, den wollen die Dämo-
Bedingung hat er selbst gestellt: Wo ihr den Menschen nen dazu bringen, immer mehr zu trinken und bis zur
ihre Sünden nicht vergebt, so wird euch euer Vater im Trunksucht, zu Streitigkeiten, ja zu Mord und Selbst-
Himmel eure Sünden auch nicht vergeben" (Mt 6, 15). mord zu treiben, um ihn so für ewig zugrunde zu rich-
Bring in diesen Tagen der Großen Fasten Dein Leben ten. Einen anderen gewöhnen die Dämonen ans Stehlen,
in Ordnung, versöhne Dich mit Gott und den Men- einen dritten verführen sie ganz unmerklich zum Hoch-
schen. Sei reumütig und beweine Deine Unwürdigkeit mut, zur Eitelkeit, zum Stolz und schließlich zum geistli-
und Deinen Untergang, und Du wirst Vergebung erhal- chen Wahn und bringen ihn so zu Fall. Noch auf viele
ten und auf Erlösung hoffen können. "Ein geängstigtes andere Arten suchen sie des Menschen ewigen Tod.
und zerschlagenes Herz wirst du, 0 Gott, nicht verach- Denk einmal ruhig darüber nach, welchen Grad der
ten." Ohne diese Haltung helfen Dir die größten Opfer seelischen Umnachtung man erreicht haben muß, um
und Almosen nichts. "Du hast nicht Lust zum Opfer, ich wegen eines kleinen Kummers bei den ewigen, gräßli-
wollte dir's sonst wohl gebenj Brandopfer gefallen dir chen Qualen anzulangen. So schwer es hier auch sei -
nicht. Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter lebten wir auch tausend Jahre in schweren Leiden auf
Geist" (Ps 5 I). der Erde, einmal wird es ein Ende haben. In der Hölle
Bitte Gott, den Herrn, innig um die größte und not- aber werden die Qualen ewig dauern. (... ) Wie schreck-
wendigste aller Gaben: die eigenen Sünden zu sehen und lich! Willst Du wegen ein paar Kleinigkeiten in einen
darüber zu weinen. Wer diese Gabe besitzt, hat alles. solchen Zustand kommen, nur weil sie - sei sie auch
Der Herr erleuchte Deinen Verstand und segne Dich! dumm und böse - Dich in irgendeiner Weise beleidigt
Gruß und Gottes Segen an alle. hat? Wenn Ihr solche Lappalien nicht aushaltet, wie
fürchtest Du Dich denn nicht vor den Höllenqualen?
Du..wirst sagen, du denkst in dieser Zeit an nichts und
Du möchtest dich erhängen. Wahr sprichst Du: Du
denkst nichts, vergißt Gott und die zukünftigen ewigen
Qualen. Auch das ist wieder eine List der Dämonenj so
wirken sie auf die Seele des Menschen ein.
Wo der Herr ist, da ist Friede, Licht, Vernunft und

50 SI
Freude. Wo der Teufel ist, da ist Verwirrung, Dunkel der nes Klimakos 8 meint: "Weise mit der Hand der Demut
Seele, Umnachtung des Geistes, Verzweiflung und Be- die Freude zurück, die auf dich zukommt, so als wärest
reitschaft zu allem Bösen. du ihrer unwürdig, auf daß du dich nicht von ihr ver-
Ich habe schon oft davon gesprochen und warne Dich blenden läßt und nicht den Wolf statt des Hirten emp-
noch einmal davor, dem Teufel die Hand zu reichen. fängst." Dieser Gedanke wird in verschiedener Form von
Bete zu Gott und bitte ihn in ruhigem Zustand, er möge allen heiligen Kirchenvätern ausgesprochen. Alle Men-
es nicht zulassen, daß Du der Umnachtung und den Dä- schen sind für Sünden empfänglich und besonders für
monen verfällst. Der Herr wird Dich verteidigen, wenn jene, die nicht weniger Schaden stiften als die großen.
Du selbst nicht den ersten Schritt in die Hölle tust. Denk Niemand kann aus eigener Kraft alles Schlechte erken-
an Judas. Er gewährte dem Teufel Zutritt in sein Inneres, nen und bekämpfen. Vor der Sünde bewahren kann uns
starb eines schrecklichen Todes und kam so auf den Höl- nur das Eingeständnis unserer Schwäche, Armut und
lengrund ewiger Qual. Sündhaftigkeit und unserer unbeweglichen Schuld vor
Spaße nicht mit diesen Dingenj meide diese Gedan- Gott, kurz das unablässige "Weinen des Herzens", wie es
ken (eines Selbstmordes). Der Herr helfe Dir, das Ge- alle Heiligen kannten. Diese Haltung bringt uns geistli-
schriebene zu verstehen und den Fängen der Dämonen che Gaben und bewahrt sie uns, wenn wir uns ihrer wür-
hier und im Jenseits zu entgehen. Mögest Du nach eini- dig erweisen. Der Asket, der nicht das Weinen des
gen Nöten hier auf Erden ins Reich Gottes, in die ewige Herzens hat, erliegt dem geistlichen Wahn, d. h. einer
Freude und Seligkeit eingehen. Amen. falschen Haltung, und wenn er diese nicht aufgibt, kann
er einer klaren dämonischen Täuschung erliegen und
umkommen. In unserer Zeit geschieht dies alles nicht
auf grelle Weise (ich meine nicht das offensichtliche
* Böse), ·aber es geschieht, und die Mehrzahl der Entsagung
übenden Menschen lebt zeitweise oder ständig im
"Wahn". Es ist dies eine recht subtile Angelegenheit ...
Hochverehrte ... ! Den Erfolg des geistlichen Lebens mißt man nicht an
Zu Ihren Erlebnissen im Zusammenhang mit dem Oster- den geistlichen Tröstungen, die auch vom Bösen stam-
gottesdienst sage ich nur, daß "denen, die Gott lieben, men können, sondern an der Tiefe der Demut.
alle Dinge zum Besten dienen" (Röm 8,28). Und "das
Reich Gottes kommt nicht so, daß es zu beobachten 8 Heiliger, lebte 4CJl'Tahre als Eremit auf dem Sinai. Verfasser von An-
wäre" (Lk 17,20). Gerade wenn wir auf geistliche Freu- weisungen für Mönche zum Kampf gegen die Versuchungen, starb um
649· Sein Werk wurde im 19. Tahrhundert in Rußland vom slawophi .
den warten, kann es geschehen - und meistens ist es len Denker I. W. Kirejewskij verbreitet und kommentiert.
auch so -, daß wir sie nicht erleben. Die richtige seeli-
sche Haltung besteht darin, sich keinerlei geistlicher
Tröstungen würdig zu fühlen. Mehr noch, der hl. Johan-

53
Liebe . . . ! Schritt und Tritt bereit, stolz und eitel zu sein. Es helfe
Friede sei Ihnen. Ich beeile mich, Ihnen ein paar Worte Ihnen der Herr, der Schlange zu entgehen. Ohne Arbeit,
zu schreiben, solange es hell ist, da man hier das Licht ohne Achtsamkeit sich selbst gegenüber und ohne Hilfe-
nicht einschaltet und überdies die Lampe kein Glas hat. ruf zu Gott können Sie diesen ausnehmend bösen und
Ich habe Ihre Beichte über die Eitelkeit gelesen und in schlechten Feind nicht bezwingen. Die Erscheinungen,
ihr nichts gefunden, was mich von Ihnen "entfernen" von denen Sie schreiben, sind offensichtlich und plump.
könnte. Sie haben nichts Besonderes geschrieben. Sie, ja Es gibt weit feinere Formen, ob deren man verzweifeln
wir alle haben nichts, womit wir uns tatsächlich brüsten könnte, wäre nicht Gottes Hilfe. Halten Sie sich im
könnten. Alle sind wir durch unser Leben fern von Gott. Kampf gegen die Eitelkeit ans Evangelium und an das
Was ist an uns selbst denn wertvoll, mit welcher Berech- Beispiel unseres Herrn Jesus Christus . .. Hoffen Sie
tigung können wir mit erhobenem Haupt vor Gottes Ge- nicht auf sich selbst, sondern auf den Herrn - nicht nur
richt erscheinen? . . . im Großen, sondern auch im Kleinen. Ohne den Herrn
Jedem Menschen eignet die Eitelkeit derart, daß diese können wir nichts wahrhaft Gutes und Nützliches für
ihn von außen bis in die verborgensten Tiefen hinein uns tun; das scheinbar Gute indes, gemäß dem klaren
ganz durchdringt. Gleichzeitig aber ist sie auch eine Wort eines Asketen, erweist sich stets als schädlich (ge-
hochgiftige Eigenschaft, die im geistlichen Leben jede meint ist alles, was I. ohne Gebet und 2. ohne den Herrn
Vorwärtsbewegung blockiert. Es ist notwendig, sie zu- um Hilfe zu bitten getan wird).
rückzudämmen und dann zu vernichten; jedenfalls soll Die Gebete, die aus einem frommen, einem "geäng-
man unablässig auf sich achtgeben und jedes Auftreten stigten und zerschlagenen" Herzen kommen, sind heilig;
der Eitelkeit durch Herzensreue unterdrücken (aus gan- die pharisäischen (die stolzen und eitlen) Gebete hinge-
zem Herzen zum Herrn zu seufzen: Herr, wieder hat die gen sind nicht nur unheilig: sie sind dem Herrn ein
Schlange ihr Haupt erhoben), sie wütend verjagen und Greuel.
beten: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich Verzeihen Sie mir. Suchen Sie das Heil ...
meiner. Ich will nicht und nehme nicht an; erlöse mich
von ihr und laß mich meine Sünden sehen. - Lesen Sie
über die Eitelkeit und auch über den Stolz bei Johannes
Klimakos. *
Halten Sie sich jede kleinste Übertretung des göttli-
chen Gebots vor, und lassen Sie keine Selbstrechtferti- Liebe . . . !
gung zu! Denken Sie an das Gebot des Erlösers: "Wenn Ich habe Ihren Brief mit der Nachricht von L.s Krankheit
ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: erhalten. Sie, L., geht mir nicht aus dem Sinn. Zwar
Wir sind unnütze Knechte" (Lk 17,10). Wir aber befol- müssen wir alle, die Großen und die Kleinen, diese Welt
gen nicht nur nicht alle Gesetze, sondern nicht einmal unweigerlich verlassen. Wenn dies jedoch einem uns na -
ein einziges so, wie wir sollten, und sind dabei auf hestehenden lieben Menschen bevorsteht, protestieren

54 55
wir unwillkürlich aus ganzer Seele dagegen. In jedem nun noch lange zu leben hat oder bald stirbt. Oh, wäre
Menschen ist das Bewußtsein seiner Unsterblichkeit tief ich verwegen genug zu sagen, daß meine Seele immerdar
verankert. Er ist auch tatsächlich unsterblich, und in bei ihr sein wird, hier und im zukünftigen Leben!
dem, was wir den Tod nennen, steckt ein neues Gebo- Blicken Sie L. mit aller Liebe, die Sie zu ihr empfinden,
renwerden in eine andere Welt, ein Übergang von einem in die Augen, streichen Sie ihr übers Haar und übers Ge-
Zustand in einen anderen - letzterer ist für die Mehr- sicht und küssen sie ihr tausendmal die Hände - als
zahl zweifellos besser, unendlich besser. Deshalb sollte Gruß von mir. Gott ist bei uns!
man beim Herannahen des Todes auch nicht betrübt Wenn ein Mensch einen anderen lieben und bedau-
sein, sondern sich eher freuen. Doch entweder glauben ern kann, wie groß ist dann die Liebe Gottes zu uns, die
wir zuwenig an das zukünftige Leben oder fürchten uns ihn für unsere Erlösung ans Kreuz gebracht hat. Möge
davor, und zudem hält uns unser hiesiges Leben hartnäk- sich L. deshalb nicht fürchten, sondern auf Gottes gren-
kig zurück. Vom geistlichen Standpunkt aus müßte man zenlose Liebe hoffen. Möge sie ihr Christsein rechtferti-
sich über L. freuen: Der Herr gibt ihr Gelegenheit, sich gen und Liebe dem Gott entgegenbringen, der auch für
auf das zukünftige Leben vorzubereiten. Doch gleichzei- sie schreckliche Qualen und Beleidigungen, ja den Kreu-
tig wird man auch von Angst gepackt: Wird sie auch zestod erlitten hat. Dann wird die himmlische Liebe die
nicht murren? Wird sie auch nicht kleinmütig werden? irdische Liebe zu ihrer Tochter machen, zur Teilhaberin
Wenn sie nur demütig wird, sich mit ganzem Herzen 3m Ruhm und an der Seligkeit des göttlichen Lebens.
Gott zuwendet, alle ihre Verfehlungen aufrichtig bereut Seine Liebe zu Gott unter Beweis stellen muß man, in-
und gläubig und andachtsvoll die heiligen Sakramente dem man die Trauer über das Abschiednehmen von die-
empfängt. Dann würde ihr der Tod zur Freude, zur er Welt erduldet und die Krankheit ohne Murren auf
neuen Geburt, zum übergang zu denen, die sie ganz sich nimmt; so hat man Anteil an den Leiden Christi:
stark lieben und erwarten, um sie mit der vollkomme- "Wenn wir mit ihm leiden, werden wir auch mit ihm
nen Freude zu erfüllen, die nie ein Ende nimmt und die verherrlicht werden."
"das Auge nie geschaut, das Ohr nie gehört und das Herz Ich wiederhole es: L., meine Seele ist mit Ihnen, sie
nie erfahren" hat. wünscht Ihnen ganz fest, was oben beschrieben ist. Dul-
Richten Sie L. mein tiefes Mitgefühl aus und meinen den Sie, ohne zu murren. Wenn der Glaube schwindet,
großen Wunsch, sie möge ihre Trauer überwinden und sprechen Sie die Worte: "Herr, ich will glauben, ich will
leicht und freudig ins zukünftige Leben eingehen, wel- eine richtige Christin sein; Herr, hilf meinem Unglau-
ches unsere wahre Heimat ist, die seit der Erschaffung ben! ", und Gott wird Sie nicht im Stich lassen!
der Welt für uns bereitsteht, und wo der Mensch dem
Engel gleich wird, wo sein Antlitz "wie die Sonne" er-
strahlt. Richten Sie ihr auch folgendes aus: daß sie mir,
ohne mich zu kennen, über manche Jahre hinweg Liebe
entgegengebracht hat, werde ich nie vergessen, ob sie

56 57
oder er kämpft und leidet und wächst dadurch im Gei-
Christus ist auferstanden! 9 ste.
Ich habe Ihren entmutigten Brief erhalten. Sie kennen Ihr Zustand, von dem Sie andeutungsweise schreiben,
diese geistlichen Gesetze: "Durch viel Trübsale müssen ist eine ebensolche, dem Alten Menschen eignende Lei-
wir in das Reich Gottes gehen" (Apg 14,22); )n der Welt denschaft, doch hat sie der Feind, der sich stets versteckt
habt ihr Angst" (Joh 16,33) und "in eurer Standhaftig- hält, maskiert und durch allerlei Zusätze kompliziert.
keit werdet ihr eure Seele retten" (Lk 21, 19). Dies soll Obwohl die Dämonen als gefallene Wesen umnachtet
sich jeder Gläubige fest merken. Der Gottmensch ist be- sind, haben sie ihren engelhaften Verstand und andere
spuckt, geschlagen und geohrfeigt worden und hat wei- Fähigkeiten in einem gewissen Maß bewahren können.
tere Beleidigungen ertragen bis hin zum Kreuzestod. Die Sie haben die menschlichen Eigenschaften genauestens
Gottesmutter ward vom Schmerz und vom Leid des Erlö- studiert, die physischen wie die psychischen, und sich
sers mitten ins Herz getroffen. Und was erlitten nicht al- dadurch Zugang zum Körper, zu den Nerven und zum
les die Apostel, die Märtyrer, die Bekenner, die Heiligen I Iirn des Menschen verschafft. Sie wirken auch auf seine
und andere aufrichtige Nachfolger Christi? seelischen Merkmale und Erscheinungen ein und agie-
"Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich ren dabei stets zum Bösen und zum Verderben des Men-
selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir" (Mt schen. Da nun dieser die offensichtlichen Leidenschaf-
16,24). ten und das von ihnen ausgehende Übel selbst erkennt,
Wenn Sie ehrlich bemüht sind, Jesus Christus nachzu- streben die Dämonen danach, Verwechslungen vorzu-
folgen, gibt es keinen andern Weg als den von ihm aufge- täuschen und Verwirrung zu stiften und so den Men-
zeigten, den Weg der äußeren Leiden, der körperlichen schen irrezuführen: So verleihen sie einer Leidenschaft
Krankheiten und des unablässigen Kampfes gegen alle eine besonders tiefe Bedeutung oder statten sie mit ei-
Leidenschaften, welche sich uns auf die verschiedensten nem einnehmenden Äußeren aus usw. Zahllos sind ihre
Arten aufdrängen. Es gibt die offensichtlichen Leiden- chliche, schlauen Lügen und Ränke zum Betrug und
schaften: Unmäßigkeit in Essen und Trinken, vielfältige zum Verhängnis des Menschen.
Unkeuschheit, Geldgier, Traurigkeit, Lügenhaftigkeit, Wir unerfahrenen Anfänger, die wir keine geistlichen
Mutlosigkeit, Eitelkeit, Stolz, Unglaube, Neid, Richten Väter haben, müssen eines wissen: Alleine können wir
des Nächsten usw. Sie alle hat der Schüler Christi konse- weder die Leidenschaften noch die Dämonen besiegen,
quent zu bekämpfen; er muß sich selbst und seine Lei- doch sollen wir sie unseren Kräften entsprechend be-
denschaften überwinden, und das erfordert Anstren- kämpfen und im Falle eines Angriffs den Herrn unabläs-
gung und Geduld. Oft bedeutet es wahres Leiden und ein sig um Hilfe anrufen. "Sie" - die Feinde und die
Kreuz, vor dem es kein Entweichen gibt. Entweder ergibt Leidenschaften - "umgaben mich, und im Namen des
sich der Mensch ihnen kampflos und verrät Christus, Herrn will ich sie zerhauen (Ps II 8, II)." Aus eigener
Kraft werden Sie nicht gewinnen, geschweige denn ein
9 Russischer Ostergruß. anderer Mensch, der Ihnen beistünde - nein, siegen

58 59
kann allein der Herr. Beten Sie demnach häufiger mit 1960
Andacht und Herzensreue, bekennen Sie dem Herrn Friede und Erlösung wünsche ich Ihnen, die Sie in den
Ihre Sünden und Leidenschaften, Ihre Schwäche auch , Stürmen des Lebens stehen!
und bitten Sie ihn um Vergebung und Hilfe. Nach einem Ihren Brief hatte ich erwartet.
solchen Gebet werden Sie schon bald Ruhe und Frieden Auf Ihre Beichte antworte ich: "Jesus Christus ist un-
in der Seele verspüren, eine gewisse Demut und die Ent- ser Herr und unser Gott. Amen."
schlossenheit, um des Herrn und um Ihrer Erlösung wil- So tief Sie auch fallen mögen, verzweifeln Sie nicht
len alles zu erdulden. und verlieren Sie den Glauben nicht ganz. Bewahren Sie
Noch einige Worte zu Ihrem Zustand, den Sie offen- In Ihrem Gewissen wenigstens ein kleines "Pünktchen",

bar für etwas zu halten geneigt sind, was nur Ihnen eigen das Ihren Zustand sieht und erkennt und ihn bereut: so
ist, nämlich das Gefühl der Einsamkeit, der Verlassen- werden Sie im Meer der Lebens nicht ertrinken. So weit
heit u.ä. wird es der Herr nicht kommen lassen, sondern Ihnen -
Ich bin noch nie einem Mädchen oder einer alleinste- wie dem ertrinkenden Apostel Petrus - im entscheiden-
henden Frau begegnet, welche nicht unter diesen Gefüh- den Augenblick die Hand reichen. "Die Welt wird euch
len gelitten hätte. Das liegt offenbar in der weiblichen hassen" (vgl. Lk 6,22), hat Jesus zu seinen Jüngern ge-
Natur. Nach dem Sündenfall sprach Gott zu Eva: "Dein sagt. Bis heute erfüllt sich diese Prophezeiung ununter-
Verlangen soll nach deinem Manne sein" (Gen 3, r6). brochen in den Nachfolgern Christi, doch auch ein
Dieses - nicht nur physische, sondern überwiegend, ja anderer Satz geht seither in Erfüllung: "Faßt den Mut,
bisweilen ausschließlich psychische - Verlangen regt ich habe die Welt überwunden" (Joh r6, 33). "Ihr seid
sich sichtlich in allen einsamen Frauen. Unbewußt wird von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt", heißt es
es auf verschiedenste Weise abgewandelt und "ausge- bei Johannes (8, 23). Das Wort "Welt" meint nicht nur
schmückt". Al,ls Adams Rippe geschaffen, strebt die Frau die äußere Welt, die gefallene Menschheit, sondern auch
an ihren Platz, um einen einzigen, ganzen Menschen zu unseren eigenen Alten Menschen mit seinen Leiden-
bilden. Seien Sie nicht beleidigt, daß ich Ihnen das schaften und seinem Hang zur Sünde. Diese Welt steht
schreibe, sondern versuchen Sie, sich über Ihre Zustände in der Gewalt des Teufels, der hier seine Werkzeuge fin-
Klarheit zu verschaffen. Die Leidenschaften gehören je- det, mit welchen er Christi Schüler jagt und verfolgt und
denfalls zum Alten Menschen; man soll sich in ihnen ins Verderben zu stürzen sucht. Nun hat aber der Herr
nicht aufreiben, sondern sich ihnen zur Wehr setzen die Welt, hat den Teufel besiegt; gewaltsam und gegen
mit Fasten, Beten, maßvollem Lesen der heiligen Kir~ den Willen des Menschen kann der Teufel niemanden
chenväter und des Neuen Testaments, mit körperlicher schaden. Nur wer selbst dem Teufel bewußt die Hand
Arbeit und bisweilen mit Erschöpfung ... reicht, fällt in seine Gewalt. Wer sich ihm widersetzt
Der Herr erleuchte Ihren Verstand zum Guten. Er und den Herrn Jesus Christus um Hilfe anfleht, ist außer
segne Sie und helfe Ihnen, den rechten Weg zu finden Gefahr - ihm können und werden die Versuchungen des
und auf diesem das Reich Gottes zu erlangen! Bösen gar zum Vorteil gereichen.

60 6r
Wir verfallen der Sünde und leben wie der Alte Stein der Gefühllosigkeit wegwälzen wird, wenn die Zeit
Mensch: Machen wir daraus ein Mittel zur Demut. Der ll3für reif ist. In Zeiten der Abstumpfung, der Kleingläu-
Mensch, der die Demut erworben hat, verfügt über ei- bigkeit, der Zweifel, der seelischen Kälte, der Trauer, der
nen besonderen inneren Zustand, der es ihm gestattet, Krankheiten und aller möglichen Unbilden soll man
alle Angriffe des Teufels abzuwehren. Der Demütige dem Herrn die Treue halten. Wenn Gott es geschehen
hofft nicht mehr auf sich selbst, sondern auf den Herrn. Hißt, daß der Glaube in uns beinahe erloschen ist, müs-
Der Herr aber ist allmächtig; er hat den Teufel besiegt, sen wir diesen durch einen Willensakt in uns festigen;
und er besiegt ihn auch in unserer Seele, wenn wir nicht zeigen wir auf diese Art stets von nl;uem, wonach wir
auf unseren eigenen Willen bauen, sondern fien Herrn streben und wem wir den Vorzug geben ...
anrufen und uns seinem Willen fügen. Die Starzen sagen, jeder guten Tat gehe eine Versu-
Lassen Sie sich nicht endgültig schwächen. Denken chung voraus oder folge ihr. Wirklich: einer solchen gu-
Sie nicht etwa, der Beichtvater empfinde Abscheu vor ten Tat wie dem Gebet aus vollem Herzen und
den gebeichteten Sünden. Wenn die Zerknirschung des besonders der heiligen Kommunion kann der Böse nicht
Beichtkindes echt ist, erfährt der Priester im Gegenteil ohne Rache zu nehmen zusehen. Er strengt seine Kräfte
großes Wohlwollen und große Liebe für den Reuigen. an, um uns weder richtig beten noch die heiligen Gaben
Wirklich, es ist so! Dieser Zustand des Beichtvaters ist würdig empfangen zu lassen. Und wenn es ihm nicht ge-
Zeugnis dafür, daß der Herr dem Reuigen vergibt und lingt, dies zu verhindern, versucht er nachher, uns die
ihn liebevoll in seine Arme schließt wie den verlorenen empfangene Freude so zu vergällen, daß davon keine
Sohn. Spur mehr übrigbleibt. Alle, die am geistlichen Leben
So fassen Sie denn Mut. Möge sich Ihr Herz stärken. teilhaben, wissen das bestens. Bitten wir deshalb den
"Der in euch ist, ist mehr als der, der in der Welt ist." Herrn mit Demut und zerknirschtem Herzen, er möge
Der Herr helfe Ihnen in allem Guten; er leite Sie zum uns vor den Ränken'des Feinges bewahren, des Feindes,
richtigen Handeln an, er stärke lLld festige Sie auf dem der unmittelbar auf unsere Seele einwirkt oder durch
Felsen seiner Gebote und führe Sie zur Erlösung und zur Menschen, die in seiner Macht stehen.
ewigen Glückseligkeit. Amen. Seien Sie darüber nicht erstaunt. Dieser Kampf ist
grausam, und "wenn nicht der Herr das Haus baut, arbei-
ten die Erbauer vergeblich, und wenn nicht der Herr die
Stadt behütet, wacht der Wächter umsonst". Wir müs-
* sen uns in Gottes barmherzige Hände begeben und ihm
unsere Ohnmacht und Schwäche eingestehen, uns vor
... sich freuen! den sichtbaren und unsichtbaren Feinden zu schützen.
Wer wird uns den Stein, den riesigen, vom Grab wegwäl- Haben Sie keine Furcht. Der Teufel tut nicht das, was er
zen? - Wer hat ihn denn weggewälzt? Ein Engel, auf Got- möchte, sondern nur das, was ihn der Herr tun läßt.
tes Geheiß. Er ist es auch, der von unserem Herzen den Siehe das Buch Ijob.

62
Gottes Segen sei immerdar mit Ihnen. Verzagen Sie 1. die Erkenntnis der eigenen Verderbtheit und Sünd-
nicht. Möge das Kreuz Christi Sie stets an Gottes unend- haftigkeit;
liche Liebe zum gefallenen Menschen erinnern. Genügt 2. die allmähliche Heilung von den seelischen Ge-
nicht allein dieser Gedanke, um sich Gott ganz zu über- schwüren.
antworten? Wer das Reich Gottes auch nur ein wenig Ohne den ersten Abschnitt wird es den zweiten nicht
sucht, den wird der Herr nie ohne Hilfe und Trost las- geben. Die Erkenntnis des eigenen Sündigens führt oft
sen. Der Herr liebt sie! Erdulden Sie ihn! zu aufrichtiger, tiefer Demut, welche die Bedingung da-
für ist, daß wir Heilung erlangen, ohne Schaden zu neh-
men, und auch mit anderen Gottesgaben beschenkt

* werden. Ohne .die Demut nämlich werden uns diese


schaden, ja ins Verderben führen.
Eignen Sie sich aus Büchern und mit Hilfe Ihrer eige-
.. . Friede und Erlösung! nen Erfahrung die geistliche Erkenntnis des Heilswegs
... bei uns ist unter großen Schmerzen eine Klosterfrau an.
gestorben. Wir müssen von Gott rechtzeitig "ein christli- Der Herr lenke Sie zu allem Guten hin; er segne Sie
ches Erbe unseres Lebens" erbitten, wie wir es in den Li- und bewahre Sie vor allem Bösen.
taneien der Gottesdienste tun, ,Jriedlich, ohne Qual und
Schande, und ein gutes Bestehen vor dem furchtbaren
Richterstuhl Christi". Stellen wir uns unser Ende vor,
die Not und die Krankheit, die herbeistürzenden Dämo- *
nen, die Unzahl unserer Verfehlungen und die Macht
des Bösen über Teile unserer Seele, schließlich das Feh- .. . Friede sei mit Ihnen!
len guter Taten, auf welche wir zu unserer Entlastung Sie grämen sich gleichsam darüber, daß die Jahre verge-
hinweisen könnten. Die einzige Hoffnung ist die Barm- hen und Sie Ihren Platz im Leben nicht gefunden haben.
herzigkeit, die Gott allen erweist, die an ihn glauben und Das ist von dieser Welt und vom Fürsten dieser Welt. Er
ihre Sünden bekennen. macht Ihnen Angst und verwirrt Ihre Gedanken, flößt
Entblößen Sie im Gebet Ihre Seele vor Gott in ihrer Ihnen Besorgnis ein und lügt ohne Ende: So verrät er sich
ganzen Unvollkommenheit, ohne Selbstrechtfertigung, auf allen Gebieten.
und sagen Sie wie eine Aussätzige: "Gott, sei mir Sünde- Worin liegt das Wesen des Christentums? Darin, daß
rin gnädig." Auf einem solchen Gebet liegt stets Gottes der allmächtige, allwissende Schöpfer des Weltalls den
Segen; es rechtfertigt den Sünder oder die Sünderin, die Menschen derart liebt und bemitleidet und sich so um
mit seelischem Aussatz geschlagen ist. ihn und um seine Erlösung bemüht, daß er seinen einge-
Im seelischen Leben des Christen gibt es zwei Ab- borenen Sohn der Schande, dem Kreuz und dem Tod
schnitte: preisgab. Der Herr kümmert sich nicht nur um die
Menschheit als Ganzes, sondern auch um jeden einzel- von den Mitmenschen erlittenen Beleidigungen dem
nen: Er hält ihn stets in seiner Hand, verteidigt ihn vor Herrn anzuvertrauen: Er weiß, wann es für Sie nützlich
den sichtbaren und unsichtbaren Feinden und schenkt sein wird, Sie davon zu befreien.
ihm durch Menschen, Bücher und Lebensumstände den Glauben Sie nicht an sich und die Menschen. Glauben
Verstand. Wenn es nötig ist, den Menschen zur Beleh- . Sie an das Wort Gottes, an das Evangelium. Studieren Sie
rung und zur Abwendung von noch größerer Not zu be- es im Lichte Ihres Lebens und Ihrer Erfahrung. Das Le-
strafen, tut Gott dies auf barmherzige Weise, und sobald ben in Christo wird Ihnen eine solche Fülle geben, ein
der Mensch dies ohne Schaden übersteht, belohnt ihn solches Verstehen des Ganzen, eine solche geistliche
Gott reichlich, als tue es ihm leid, ihn bestraft zu haben. Freude und Standhaftigkeit, daß Ihnen das Leben der
Wer auch nur ein bißchen innerlich zu sehen gelernt weltlichen Menschen nichtig, schal, armselig und eitel
hat, kann diese erstaunliche Vorsehung Gottes für den vorkommen wird (was es auch ist), voll von kleinem Ge-
Menschen im Großen und im Kleinen ohne weiteres zänk und Verdruß und oft auch großem Leid. Sie sind
wahrnehmen. Wirklich: wenn Gott dem Menschen zu- glücklich. Bewahren Sie dieses Glück. Danken Sie dafür
liebe sein Teuerstes hingegeben hat, nämlich seinen Gott, und er wird ihre Dankbarkeit vertiefen und seine
Sohn, wie kann er es an irgend etwas anderem mangeln Gnade vervielfachen. So sei es! Der Herr behüte und
lassen? Auch das ganze Universum stellt ja angesichts segne Sie!
dieses Opfers nichts dar. Der Herr läßt es an nichts er-
mangeln, und zwar besonders jenen, die zu ihm hinstre-
ben, sein Wort zu erfüllen trachten und jede begangene
Sünde als Verletzung seines Willens, als Unaufmerksam- *
keit, Undank und fehlende Liebe zu ihm bereuen.
"Wer zu mir kommt, den werde ich nicht verstoßen." Liebe ... !
Der Herr freut sich über jeden, den es zu ihm zieht, un- Danke für die Glückwünsche. Ich gedenke auch der
ermeßlich mehr als eine Mutter über die Liebe, die ihr Bitte von ... Er tut mir sehr leid; bisweilen gedenke ich
Kind ihr entgegenbringt. seiner in Liebe und wünsche ihm, er möge aus den
Fürchten Sie sich deshalb nicht vor der Zukunft. Gott Klauen des Teufels befreit werden. Er soll jetzt nicht in
ist heute, morgen und in Ewigkeit mit uns. Fürchten Sie Philosophie und Wissenschaft das suchen, was er verlo-
sich lediglich davor, ihn durch irgendeine Sünde zu be- ren hat, sondern durch eine Willensanstrengung "glau-
leidigen. Wenn wir aus Schwäche etwas Unschönem ver- ben, ohne zu sehen", und sein Leben nach dem Glauben
fallen, so sollen wir bereuen, und der Herr wird uns einrichten. Dann wird Hilfe kommen von oben; sie wird
vergeben. Nur sollen wir nicht bewußt die Sünde wählen das feindliche Dunkel vertreiben und die Wahrhaftig-
und uns weder rechtfertigen noch gegen Gott murren. keit des Christentums so machtvoll und überzeugend in
Fürchten Sie sich vor nichts. Haben Sie den Mut, all Ihre ihm bekräftigen, daß er aus ganzem Herzen ausrufen
Trauer, Ihre Zweifel, Ängste und von den Dämonen und wird: "Herr, ich bin bereit, alle beliebigen Leiden auf

66
mich zu nehmen: Sage dich nur nicht von mir los! " Das dern indem man sie verjagt, weiter mit dem Willen, mit
haben alle erfahren, die Gott suchten. "Bittet, so wird dem Gebet - besonders dem Jesusgebet - und der von
euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so Herzen kommenden Bitte um Vergebung. Ob des heili-
wird euch aufgetan ... Welcher ist unter euch Men- gen Namens Jesus, vor dem sich jedes himmlische, irdi-
schen, so ihn sein Sohn bittet um einen Fisch, der ihm sche und höllische Geschöpf verneigt, wird das Treiben
eine Schlange biete? So denn ihr, die ihr doch arg seid, des Feindes geschwächt, ziehen Friede, Hoffnung,
könnt dennoch euren Kindern gute Gaben geben, wie- Glaube und Demut ins Herz ein und geht jede Versu-
viel mehr wird euer Vater im Himmel Gutes geben de- chung vorüber. - Solange er aber wissenschaftliche und
nen, die ihn bitten" (Mt 7,8- II). philosophische Werke und allerlei Apologien liest ver-
Warum ißt er "Schweinefleisch" und verwirft die Kir- sinkt er nur noch tiefer im Morast. Er soll das alle; sein
chenväter? Er meint doch nicht im Ernst, sie seien alle ei- lassen und sich zu Dem wenden, welcher der Weg, die
nem Trug erlegen? Wenn auch nur einer von ihnen die Wahrheit und das Leben ist.
Wahrheit gesagt hat, ist auch das ganze Christentum Helfe ihm Gott! Ich schreibe dies als Bruder, nicht als
wahr. Und unter welchen Qualen legten die Märtyrer Lehrer.
Zeugnis ab von der Wahrheit, die sie erkannt hatten! Er
braucht natürlich seine eigene, persönliche Erfahrung.
Wenn er bittet, wird ihm gewiß gegeben werden.
Verzweifeln Sie in Ihrer Trübsal nicht, und lassen Sie
*
die Arme nicht sinken! Lesen Sie öfter und mehr als bis-
her das Evangelium. Jesus Christus hat allen Reumüti- Liebe ... Friede sei mit Ihnen!
gen vergeben, sie aber auch gewarnt: Gehe hin und Ich dachte, Sie wollten mir überhaupt nicht schreiben,
sündige fortan nicht mehr. Suchen Sie vermehrt bei ihm und freute mich daher, als ich trotzdem einen Brief von
Schutz, gestehen Sie sich Ihre Verfehlungen ein, bitten Ihnen erhielt. Sie haben aus meinem Brief spüren kön-
Sie um Hilfe, zwingen Sie sich -laut oder in Gedanken - nen, daß ich Sie nicht verurteile, sondern Sie aufrichtig
zum unablässigen Jesusgebet. bemitleide und großes Mitgefühl mit Ihrer Not habe. In
Der Herr führe Sie und bewahre Sie vor allem Bösen. Krankenhäusern verurteilt man einander nicht wegen
Falls Sie ... schreiben, richten Sie ihm einen Gruß von dieser oder jener Krankheit; so auch wir, die wir an seeli-
mir aus, und sagen Sie ihm, die Kirchenväter hielten den schen Krankheiten, den Sünden, leiden. Wir müssen in-
Unglauben für eine ebensolche Leidenschaft wie die Un- des fest wissen und nie vergessen, daß man in keiner
zucht, die Hoffart, den Stolz u. a. Der Feind agiert hier Lage verzweifeln soll. Die Verzweiflung - sie führt nicht
mehr als der Mensch. Den Unglauben muß man denn selten zum Selbstmord - ist der Tod der Seele. Man kann
auch wie die anderen Leidenschaften bekämpfen, nicht die allerschwersten Sünden bereuen und dafür Verge-
indem man über die schlechten Gedanken nachdenkt bung erhalten. Manchem schlimmen Räuber und Mör-
und mit ihnen gleichsam zu diskutieren beginnt, son- der wurde auf seine echte Reue und Besserung hin nicht

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nur verziehen, sondern gar die Heiligkeit zugesprochen, ~l·n . Dann sehen Sie selber weiter. Man muß Leid ertra-
so Moses dem Äthiopier lo , Barbarus dem Räuber ll , Da- gCIl, den Menschen Gutes tun, sich mit Fasten und
niel 12 u. a. Damit zeigt uns der Herr, daß wir nicht ver- Verbeugungen kasteien u. a., soweit die Kräfte ausrei-
zweifeln sollen wie Judas, sondern Buße tun und so das chen . Sprechen Sie weniger mit allen Leuten, und gehen
Heil erlangen ... Illl! ihnen aus dem Weg.
Die Rührung ist eine Gottesgabe. Sind wir ihrer wür- rm Chor betet man nie. Man suche sich lieber ein stil-
dig? Keinesfalls soll man während des Gebets irgendwel- les plätzchen in der Kirche aus, wo man sich verstecken
che gnadenvolle Zustände erstreben. Gemäß der ent- IIlld es dem Zöllner gleichtun kann.
schiedenen Forderung des Bischofs Ignatij Brjantschani- Hoffen Sie nicht auf die Gewaltigen dieser Welt und
now l3 hat das Gebet ausschließlich ein Reuegebet zu ;luf die Söhne der Menschen. Hoffen Sie auf Gott, und
sein. Das hat der Herr selbst in seinem Gleichnis vom strengen Sie sich an. Wenn Sie sich Ihrerseits nicht an-
Zöllner und vom Phärisäer gelehrt. Für uns Sünder ge- strengen, wird Ihnen auch Gott nicht helfen, wie das Bei-
nügt das Gebet des Zöllners. Lernen Sie bei ihm beten; spiel des Judas zeigt. Viel vermag das "begünstigte"
denken Sie nur nicht, das sei so einfach, nein: es ist et- Cebet, d. h., wenn derjenige, der um ein Gebet bittet,
was, was sehr in die Tiefe unseres Wesens geht. Im Gebet selbst mit seinem Leben das Gebet seiner Mitmenschen
nämlich tut sich der Abgrund des Herzens auf, der voller unterstützt.
Garstigkeiten steckt: "Dies ist ein großes und weites Der Herr stehe Ihnen auf dem Weg des Heils bei.
Meer, dort sind Ungeheuer ohne Zahl." Zwingen Sie sich dazu, öfter des Herrn zu gedenken,
... Ich rate Ihnen vorläufig ab, vor dem Sonntag der dcnn wer geliebt wird, ist immerdar im Gedächtnis des
Kreuzesanbetung l4 die heilige Kommunion zu empfan- Liebenden. Fühlen Sie sich jetzt und in Zukunft stets als
der Zöllner, und beten Sie wie er, zu Hause und in der
Kirche und überall, sooft Sie können. Es behüte Sie der
10 Heiliger, ca. 320-395 (von räuberischen Beduinen ermordet); war
Herr!
Anführer einer Räuberbande, bekehrte sich und wurde Mönch in der
Sektischen Wüste im Nildelta.
II Heiliger aus Nordgriechenland, auch er zunächst Räuber. Nach Be·

kehrung und Buße asketisches Leben im Walde. Gewaltsamer Tod


durch vorbeiziehende Kaufleute.
12 Gemeint ist wohl Daniel von Sketis, Mönch der Sketischen Wüste
*
(6. Jh.). Er entkam einer Räuberbande dadurch, daß er seinen Wächter
erschlug. Zur Buße pflegte er Kranke. Liebe ... ! Der Friede des Herrn sei mit Ihnen!
13 Ignatij Brjantschaninow, in der Welt Dimitrij Alexandrowitsch B.
(1807-1867), erhielt in Petersburg zunächst eine Ingenieursausbildung, Geben Sie sich Mühe, die Worte Ihrer Gebete aufmerk-
bis er ins Kloster eintrat und 1831 Priester wurde. 1857 zum Bischof sam zu sprechen. Falls Ihre Gedanken sich zerstreuen,
geweiht, zog er sich 1861 in ein Kloster zurück, wo er bis zu seinem uchen Sie den Fehler bei sich, "öffnen Sie sich Gott",
Tod als Starez seine geistlichen Kinder lenkte. Autor von asketischen
und theologischen Schriften. und konzentrieren Sie sich wieder auf das Gebet. Ihr
14 Dritter Fastensonntag. Herz wird sich so allmählich erweichen und Sie biswei-

70
len wohl auch zur Zerknirschung, ja zu Tränen führen. wir in unserer Seele nur Irdisches angesammelt ha-
\ ' rI111

Geben Sie diese Augenblicke ganz dem Gebet hin, und IW I1 I Was nützt es, wenn Sie die ganze Welt erwerben,
hören Sie nicht auf den Feind, der tausend Gründe fin- IIl1l'1 Seele aber schaden?

den wird, Sie vom Gebet abzuhalten und Sie von der I kr Herr erleuchte Sie und bewahre Sie vor jedem
dringenden Notwendigkeit irgendeiner anderen Tätig- I )hr!
keit zu überzeugen.
Der Gedanke, ein bisweilen zerstreutes Gebet sei
Sünde, stammt vom Teufel. Auf jede erdenkliche Weise
will er uns vom Gebet ablenken, da er weiß, welche *
Gnade wir davon empfangen. Erkennen Sie die Ränke
und Schliche des Feindes, und hören Sie nicht auf ihn. Ilcbe . .. !
Sich selbst glauben soll man nicht, doch Reuearbeit lei- Il h will versuchen, eine Antwort auf Ihre Zweifel zu ge-
sten muß man. Der Herr ist gekommen, die Sünder zu IWII .

erretten, aber die reuigen. Judas sündigte reuelos: Er ver- I . Ihre "Gedanken und Gefühle" stammen offensicht-

fiel der Verzweiflung und erhängte sich. Petrus dagegen lich vom Feind. Das beste Mittel, sich von ihnen loszu-
bereute, und er fand wieder zu seiner Würde als Apostel. Il' j(kn, ist, sie dem Beichtvater zu eröffnen.
Jerusalem sündigte und erlebte einen grauenhaften Un- 2 . Wenn sie auftauchen, sprechen Sie unablässig die
tergang wie Sodom und Gomorra, Chorazin, Betsaida, Worte: "Herr, erbarme dich!" oder das Jesusgebet. Sagen
Kafarnaum. Ninive wiederum zeigte Reue und ward ge- ~ IC cher das erste, und zwar so lange, bis die dämoni-
rettet. ~chcn Einflößungen verschwunden sind. Denken Sie an
Wir sind alle Sünder und brauchen Reue: Nur dem die Worte des Psalms, und beziehen Sie sie auf die Dä-
Reuigen gilt das Kreuzesopfer des Erlösers. Weiter sagt monen: "Sie umgaben mich allenthalben; aber im Na-
der Herr den Menschen, denen er vergeben hat: "Geh l11en des Herrn will ich sie zerhauen. Sie umgaben mich
hin und sündige fortan nicht mehr." Wir müssen von wie Bienen (... j; im Namen des Herrn will ich sie zer-
uns aus alles tun, um nicht einer schweren Sünde zu ver- hauen" (Ps II8, II-l2j. So soll ein jeder handeln, denn
fallen. Wenn wir direkt am Abgrund stehen, ist es leicht, :1 us eigener Kraft vermögen wir nichts. In allem ist De-
uns einen Stoß zu versetzen und uns hinunterzustürzen. l11ut zu üben.
Stehen wir dagegen abseits, muß man uns zuerst zum Im Zustand der völligen seelischen Erkaltung und
Abgrund schleppen, und in dieser Zeit können wir um Vcrfinsterung soll man unbedingt die Gebetsregel erfül-
Hilfe rufen. Deshalb ist es ratsam , die Orte zu meiden , len - trotz Kälte, Zerstreuung usw. "Gib dein Blut und
wo die Sünde droht. l'mpfange den Geist."
Liebe ... , "wenden Sie sich von der Erde weg zu Gott Jedes Gestehen einer Sünde unter aufrichtiger Reue
hin", rät der hl. Sissojos der Große. Alles Irdische ver- bringt den Beichtenden dem Priester näher, macht ihn
fliegt wie Nebel, und was wird von uns übrigbleiben, 1ieber und teurer. Das ist eine allgemeine Erscheinung,

72 73
Je mehr Anstrengung der Mensch darauf verwendet, i'r lI:deDeiner Seele, liebe ... !
sich von jeder Sünde, von sündigen und auch nur leeren Was verzagst Du so? Wo ist Dein Glaube? Verspricht der
Gedanken, Gefühlen und Wünschen zu läutern, je mehr I krr etwa nicht, denjenigen alles Nötige zu schenken,
er sich zu einem unablässigen, reinen und aufmerksa- die das Reich und die Wahrheit Gottes suchen? Prüfe
men, von Herzen und fromm gesprochenen Gebet I )Ieh ob Du das wirklich suchst, ob Du an das ewige Le-
zwingt, desto schwächer werden seine Leiden, und desto h 'n ~laubst und an die Lehre der heiligen orthodoxen
leichter vermag er sie zu ertragen. Denn das Ziel, für Kirche oder genauer an die Lehre des Herrn, wonach je-
welches Leiden nötig ist und auf uns herabgesandt wird, der Mensch nach dem Tod seinen Lohn nach seinem
erreichen wir so auf einem anderen Weg, auf dem Weg <. ~lauben und seinen Taten empfängt. Glaubst Du an die
der mühevollen Erfüllung der Gebote und der ständigen Worte des Herrn, daß Dir ohne den Willen des himmli-
Zerknirschung über unser Ungenügen diesen Geboten schen Vaters kein Haar vom Haupt fällt? Wenn Du das
gegenüber. Dadurch können wir die anderen Mittel und ;d les glaubst und dazu noch weißt, daß der Herr die Welt
die Leiden ersetzen. Besonders haben wir darauf achtzu- ~() geliebt hat, daß er seinen Sohn der Schande und dem
geben, daß wir im Kontakt mit den uns nahestehenden Kreuz preisgegeben hat, um jeden, der an ihn glaubt, zu
Menschen gefügsam und gut seien. "Unser Heil liegt im letten, dann sollst Du Dich ohne Murren dem Willen
Nächsten", sagt der hl. Pimen der Große. Wenn sich also des Allmächtigen fügen. Weine nicht über den Verlust
der Mensch zu seinem Nächsten richtig verhält, d. h. Deiner Stelle, sondern darüber, daß wir auf Gottes Liebe
dem Gebot der Nächstenliebe nachlebt, wird er dadurch mit Murren, Kleinmut, Ungeduld und allerlei Gebots-
auch imstande sein, alle anderen Gebote und besonders iibertretungen antworten. Sagt ·nicht der Herr selbst,
das oberste zu erfüllen: Liebe Gott, deinen Herrn, aus wen er liebe, den bestrafe er und entreiße ihn durch Lei-
vollem Herzen. Wer auch nur einen einzigen Menschen den der Erde? Auf diese Weise hilft er uns, unser Herz
haßt, der kann Gott nicht lieben. Es ist ja verständlich, nicht nur während der Liturgie emporzuheben, sondern
daß Liebe und Feindschaft nicht in derselben Seele hau- immerdar.
sen können. Die Liebe zum Nächsten aber führt zur Wir haben doch kein Recht, dem Herrn vorzuschrei-
Liebe zu Gott: Beide sind ein Mysterium und haben mit hen was er mit uns tun soll! Wenn wir uns ihm aber fü-
den Beziehungen des Alten Menschen überhaupt nichts gen' müssen, hören wir auf, zu murren und irdische
mehr gemeinsam. Nur die Erfahrung vermag dem Men- Unbilden zu beweinen und beweinen unsere Sünden,
schen die Tiefe der Gebote zu zeigen; ihre Erfüllung er- unsere ständigen Übertretungen seiner Gebote, unseren
neuert die Seele. Kleinmut, unseren Unglauben, unsere Gefühllosigkeit,
Suche Erlösung, verzage nicht, murre nicht und ver- mit denen wir den Herrn Tag für Tag beleidigen. Sehen
letze niemanden mit einem spitzen Wort. wir indes unsere Sünden nicht, sollen wir um so mehr
Bete und halte stets Gott vor Augen. weinen , da unsere Seele sich verhärtet und verfinstert
hat und unser inneres Auge erblindet ist.
Verneigen wir uns bis zur Erde und bitten wir den

77
Herrn: "Gibt mir, meine Sünden zu sehen!" Und wenn PI iede sei mit Dir!
wir uns durch Reue läutern, werden wir sehen, daß die 1)11 schreibst die ganze Zeit von Deinen gegenwärtigen
uns herabgesandten Leiden ein Ausdruck von Gottes IIl1d zukünftigen Leiden. Was soll ich dazu sagen? Die
Barmherzigkeit und Liebe sind; wir werden erkennen, All t wort gibt das Evangelium. Der Gottmensch hat sein<
daß wir diese Leiden mehr benötigen als alle irdischen h denleben nach manchem Spott und vielen Schlägen
Güter. Die Mutter des Herrn, "reiner als die Kerubim 1111 Kreuz beendet. Der gute Schächer, Symbol des reui-

und ungleich ruhmvoller als die Serafirn", wie es im Ge- gen Sünders, saß im Gefängnis und starb ebenfalls am
bet heißt, hat ein solches Leid erlitten, neben dem Deine KIl'uz. Auch der andere Verbrecher kam ans Kreuz, en-
schlimmsten Leiden nichts sind. Zudem läßt der Herr dete aber in den ewigen Qualen. Dies ist das Sinnbild der
keine Versuchungen und Leiden auf uns zukommen die )~,lnZen Menschheit.
unsere Kräfte übersteigen. Du hast noch nicht bis ~ufs Wie die sichtbare Welt, hat auch die ethische Welt
Blut gekämpft, ja, hast Du überhaupt den Feind, hast Du dlle geistlichen Gesetze, von denen das erste lautet:
Deine Leidenschaften bekämpft? Hast Du nicht in den ,.I )urch viele Trübsale müssen wir in das Reich Gottes
Tag hinein gelebt, hast Du nicht Deine Nächsten ver- t'ingehen" (Apg 14,22). Und: "Wer mir will nachfolgen,
letzt, ~~st Du nicht grob, nicht geschwätzig gewesen dn verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich
usw.? Uberprüfe Dein ganzes Leben im Gebet bereue IIl1d folge mir nach" (Mk 8,34). Hörst Du das? Wer auf

Deine Vergangenheit aufrichtig und mit Träne~, gelobe t ' 11 risti Spuren das Reich Gottes erlangen will, muß in
dem Herrn, alle Deine Kräfte im Kampf gegen die Sünde I.lnger und mühevoller Anstrengung alle Regungen des
einzusetzen. Arbeite an dieser Aufgabe, und bald wirst Alten Menschen unterdrücken und alle möglichen Lei-
Du Gottes Gnade spüren, ja ihm vielleicht aus voller dl'Jl und Krankheiten ertragen. In seiner unendlichen
Seele für die erduldeten Leiden danken. Übe Demut vor Weisheit sendet Gott jedem Menschen zu dessen Hei-
dem Herrn und vor den Menschen. (... ) lung, Läuterung und Erlösung ein Kreuz, das auf den
Verzweifle nicht, erdulde den Herrn, beweine Deine {'Iwrakter, die Eigenschaften und die Kräfte jedes einzel-
Sünden, Deinen Kleinmut, Deinen mangelnden Glau- 11 '11 abgestimmt ist. Wenn wir ohne Widerrede unser

ben an Gottes Vorsehung, und der Herr wird Dich trö- Kreuz tragen, unsere Sünden bereuen und uns nicht
sten. Il'chtfertigen, werden wir gleich dem guten Schächer ins
Vergib mir, bete für mich. Der Herr segne, erleuchte I{l'ich Gottes eingehen.
und tröste Dich. Wenn wir aber murren und die Menschen und Gott
I.istern, kommen wir wie der reuelose Übeltäter um, un-
I er großen Qualen und ohne erleichternde Hoffnung auf
l"lliisung. Die Entscheidung liegt bei uns; seien wir auch
* l'j Ilsichtig: Dem Kreuz entgeht keiner von uns. Erleich-
I ('I n wir uns also durch den Glauben an den Herrn, den
Kampf gegen die Sünde, durch Reue, Verzeihen, demüti-

78 79
ges Erdulden der Leiden und das Gebet zu Gott. In seiner 'I .1 \l'l1 wir darob nicht, bereuen wir und führen wir
Liebe will Gott unsere Erlösung; er läßt deshalb keine d 11 K Illlpf weiter. So können wir aus dem Sturz sogar
Leiden zu, die unsere Kräfte übersteigen und nicht unbe- Nllt 1'11 ziehen. Manches davon hast Du ja schon begrif-
dingt nötig sind. Die Leiden sind tatsächlich notwendig,
doch kann der Mensch dies erst einsehen, wenn er sich ""llek.impfe alle, auch die kleinsten Sünden. Wer im
durch Reue, Enthaltsamkeit von der Sünde und durch KI 1I1l'1I untreu ist, dem vertraut man auch im Großen
das Wort Gottes in bedeutendem Maße läutert. 1111 ht Sei auf der Hut; der Teufel kann Dir einflößen,
Vergib mir. Der Herr stärke und segne Dich und be- dll' oder jenes sei eine belanglose Kleinigkeit, und von
hüte Dich vor allem Bösen. "htlgeren Dingen sagt er, damit könne ja doch nie-
lli Illd fertig werden, das sei nur für die Asketen. Lies öf-
I I d;ls Evangelium und besonders auch die heiligen
IIlhl'nväter. Ohne Lesen ist es schwer, sein Heil zu er-
* IllIgt'n .
I)el Herr helfe Dir dabei ...

Liebe ... !
Du bittest mich, die Absolution für jene Sünden zu ge-
ben, die Du mir in den bei den letzten Briefen beschrie-
ben hast. Ich habe Dir geantwortet, ich hätte Dir alle *
gestandenen Sünden wie in der Beichte "vergeben und
erlassen. Du brauchst sie nicht mehr zu nennen, wenn
11
I ,,·he .. .!
Du bei einem anderen Priester beichtest. I h'1 Priede und die Gnade Gottes seien mit Dir. Deinen
Allzusehr zerknirscht zu sein und ob seiner Sünden 111 i 'f habe ich erhalten. Schon lange hast Du mir nichts
zu verzweifeln, ist nicht ein Zeichen von Demut, son- 1IIl'III über Deinen Zustand geschrieben. Ich freue mich
dern von Stolz. Wir müssen zerknirscht sein und bedau- IIla'l das, was Du schreibst, wenn Du es tatsächlich so er-
ern, daß wir mit unseren Sünden den Herrn beleidigen; I1 ht ha, t. Es kommt nämlich oft vor, daß man seine
wir müssen ihn um Vergebung bitten und uns bemühen, II :illme schildert oder etwas, das man gelesen oder ge-
nicht mehr zu sündigen; gewiß. Wenn wir aber erneut Illitt hat. Was Du schreibst, ist für einen Menschen, der
irgendeine Sünde begangen haben, sollen wir, ohne zu .lId dem rechten geistlichen Pfad wandelt, gesetzmäßig.
zögern, den Herrn nochmals um Vergebung bitten, und ",111 hc Dein Heil, arbeite, bete, bewahre Frieden mit al-

er wird sie uns geben. Er ist ja nicht gekommen, die Ge- Im; richte niemanden, sondern habe mit allen Erbar-
rechten zu retten, sondern die reuigen Sünder. IlIl'll Diejenigen aber, die offensichtlich sündigen, sollst
1)11 lIicht verurteilen: Bitte den Herrn darum, er möge
Die Aufrichtigkeit und Tiefe seiner Reue beweist der
Mensch dadurch, daß er sich fest vornimmt, fortan Ihlll'1l vergeben und ihnen Vernunft schenken.

nicht mehr zu sündigen. Sooft wir auch wieder stürzen - I ).IS Maß des geistlichen Wachstums des Menschen ist

80 81
seine Demut. Je höher er im Geiste steht, desto demüti- hlil~;l~n, ja des Kreuzestodes gereicht hat. Selbstver-
ger ist er, und umgekehrt. Nicht die Gebetsregeln, nicht IIIUlld lkh sind wir verpflichtet, auch alle Gebote aus vol-
die Verbeugungen, nicht das Fasten und auch nicht das Ir .. KriHtl'11 einzuhalten, aber ich wiederhole nochmals,
Lesen von Gottes Wort bringen uns Gott näher, sondern IIII~ ... Il' ohne Demut unnütz oder schädlich sind. Versteh
die Demut. Ohne sie sind alle, auch die größten, asketi- IUlrh nicht falsch.
schen Glaubenstaten nicht nur unnütz, sondern sie kön- Sl:hellkc Dir der Herr Vernunft! Er bewahre Dich vor
nen den Menschen geradezu ins Verderben stürzen. In r IllIltcrlist der sichtbaren und der unsichtbaren
unserer Zeit aber kann man beobachten, daß einer, IlIdl' lind segne Dich.
kaum hat er ein bißchen mehr gebetet, den Psalter gele-
sen oder die Fasten eingehalten, sich den anderen gleich
überlegen fühlt, die Mitmenschen richtet, sie ungefragt
zu belehren anfängt usw. Dadurch beweist er aber gerade *
seine geistliche Leere und zeigt, daß er weg von Gott "in
ein fernes Land" gezogen ist. Hüte Dich vor Eigendün- !.lehn ... ! Grüß Dich!
kel, vor einer guten Meinung von Dir selbst. Der Herr Je- Wll' lebst Du? Sehr gerne möchte ich Dich sehen und
sus Christus sagt, auch wenn wir alle Vorschriften 11111 I>ir sprechen. Ich höre, Du trinkst weiter viel und
einhielten, sollten wir uns für unnütze Knechte halten, I;hadcst Dir damit außerordentlich. Was erwartet Dich
die nur das getan haben, was uns aufgetragen ist. Das IUt diesem Weg? Ich schreibe es Dir gleich. Wenn Du
Heil aber ist eine Gottesgabe: das "geängstigte - das de- IlIdlt gegen dieses Übel ankämpfst, wirst Du in die volle
mütige - und zerschlagene Herz" (Ps 5 I, 19). Bitten wir Gl',w,llt der Dämonen geraten. Sie werden Dich dazu an-
deshalb den Herrn um Demut. Richten des Nächsten Illrheln, immer mehr zu trinken und Dein Nervensy-
und Empfindlichkeit sind damit unvereinbar. Wenn wir Il:111 zu zerrütten. So wirst Du erregbar und jähzornig
über andere urteilen oder gekränkt sind, sobald uns je- werden: Anfänglich leichte Auseinandersetzungen wer-
mand beleidigt, sind wir sehr weit von der Demut ent- dl'lI dann immer größer und langwieriger. Das Geld wird
fernt. Die heiligen Asketen dankten jenen ganz aufrich- Di r 'lUsgehen, man wird Dich von der Arbeit wegjagen
tig, die ihnen eine Beleidigung oder eine Kränkung ulld Du wirst Deine Habe verkaufen, um einen erniedri-
zugefügt hatten, da sie dadurch Demut üben konnten. ~l'llden Kredit bitten und, wer weiß, vielleicht gar steh-
Die Muttergottes bestätigt, daß Gott sie wegen ihrer De- lell . Deine Wut wird sich zum dämonischen Haß
mut auserwählt hat. Der Erlöser selbst ruft uns alle auf, ~tl'igern, der bis zur Mordlust führen kann. Die Dämo-
von seiner Demut zu lernen - nicht vom Fasten oder nen, die vorher im geheimen agiert haben, werden Dir
vom Gebet, nicht einmal von der Nächstenliebe, son- an jenem Punkt erscheinen, und zwar als Räuber, wilde
dern eben von der Demut. Durch sie allein wird der Tiere, Schlangen usw. Später können sie auch in ihrer ei-
Mensch mit dem Herrn eins im Geiste, mit dem Herrn, ~l'nen garstigen, abscheulichen Gestalt erscheinen.
dessen Demut bis zum Erleiden von Bespucken, von Wenn Du Dich auch dann noch nicht besinnst, werden

82 83
Sie sich dazu anstacheln, irgendein schweres Verbrechen I"h Wl-lIl~sll-ns ein, daß Du etwas Schlechtes tust, daß
zu begehen, etwa eine Brandstiftung oder einen Tot- I)" I )Il'h zugrunde richtest und die Dir nahestehenden
sch lag, um Dich schließlich ganz verzweifeln und Selbst- Mrl\~d\l"1I lind Gott beleidigst. Sieh dies ein, falle wenig-
mord begehen zu lassen. Würde der Mensch mit dem H'II'! dllmal 3m Tag vor dem Herrn nieder und sage
Tode gänzlich verschwinden, könnte man sich direkt Ihlll : "I krr, ich gehe zugrunde, rette mich, laß nicht zu,
freuen, daß die Qualen vorbei sind, aber der Tod ist ja IIII~ leh mich ganz ins Verderben stürze. Herr, erbarme
eben keine Vernichtung. Der Trinker und Selbstmörder Ilch IIll-iller, deines armen Sünders." Wenn Du diese
gerät von kleinen und zeitweiligen Leiden endgültig in WOll e Li~d ich aus vollem Herzen sprichst, wird der Herr
die Macht der Dämonen und in eine schreckliche Pein, Dir' lilie Deine Sünden vergeben und Dich vor dem Un-
die kein Ende nimmt. triXilll~ retten. Als erster kam der Schächer am Kreuz ins
So wie die geistlichen Menschen, welche die Sünde be- I'llllldics; das hat der Herr so eingerichtet, um uns Sün-
kämpfen und sie zu besiegen sich anstrengen, nach und 1t'1' ullter die Arme zu greifen und uns zu trösten. Dem
nach die Fähigkeit erlangen, zuerst die geistliche Welt Will" halt Reumütigen vergibt der barmherzige Gott al-
und später die Welt der Engel zu schauen, werden die Ic~ . Kein Sünder darf also verzweifeln: Sag nicht, Du
Menschen, die großen Lastern ergeben sind - besonders rl~1 schon verloren - das ist ein Gedanke des Teufels.
der Trunksucht und der Unzucht - und nicht Buße tun, ,Im Ifimmel wird Freude sein über einen Sünder, der
die Dämonen sehen und zu ihren Sklaven werden. Jluge tuI" (Lk 15,7).
Schon das Aussehen eines geistlichen Menschen und !kr Erlöser ist in die Welt gekommen, "um die Verlo-
eines in der Gewalt der Dämonen Stehenden sagt klar ICI\l~1l zu suchen und zu retten." Hab keine Angst vor

aus, wohin die beiden Wege führen. "An ihren Früchten lell Diimonen. Wenn sie in irgendeiner Gestalt auftau-
werdet ihr sie erkennen", sagt der Herr (Mt 7, 16). dWII, rufe den Namen des Herrn Jesus Christus an, be-
Mein lieber, teurer, guter, gescheiter ... ! Halt ein, wo- kn-uzigc Dich und sie, und sie werden wie Rauch
hin treibst Du? Wenn es für Dich auf Erden schwer ist, -,.,Uiuben. Bewaffne Dich nicht mit Messern oder ande-
wie wird es erst nach dem Tode sein? Leidenschaften, Irll Cegenständen - davor fürchten sie sich nicht -, son-
tausendmal stärker als im irdischen Leben, werden Dich dern bmpfe mit dem Namen Gottes.
wie ein Feuer verbrennen, und Du wirst nicht die ge- Ich habe im Gebet stets Deiner gedacht. Ich verspre-
ringste Möglichkeit haben, sie zu löschen. Die Gewis- chl' Dir, in jeder Liturgie für Dich ein Teilchen aus dem
sensbisse über das vergeudete Leben und die begangenen Oplrrbrot herauszuschneiden und den Herrn zu bitten,
Verbrechen werden wie ein Wurm ständig an Deinem rr möge Dich zur Vernunft bringen und Dir helfen, ei-
Herzen nagen, und das Bewußtsein, daß Du Dich selbst IIrn Ausweg aus Deinem Unglück zu finden. Leiste auch
der ewigen Glückseligkeit in der Gesellschaft der Heili- Du ~Ieichzeitig Widerstand, wenigstens ein bißchen,
gen und der Engel beraubt hast, wird Dich in alle Ewig- ulld reiche den Dämonen nicht die Hand. Ich sag' es Dir
keit quälen. Ilndl einmal: Bitte mindestens einmal am Tag den Herrn
Bringst Du es nicht fertig, das Trinken zu lassen, so nllt einer tiefen Verbeugung, er möge Dich nicht dem

84 85

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nämlich ist man stets zerstreut. Gib aber nicht auf, ver- Du keine Besserung feststellen kannst. Bemühe Dich,
zweifle nicht, sondern gedulde Dich, warte und halte nach den Geboten des Evangeliums zu leben, widerstehe
Dich unwürdig, irgendwelche geistlichen Gaben zu emp- jeder Sünde in Taten, in Worten oder in Gedanken, und
fangen. In der Tat sind wir alle nicht nur unwürdig, in gib nicht freiwillig Deinen schlechten Neigungen nach.
den Genuß einer besonderen Gnade zu kommen, son- Hast Du es dennoch getan, bereue es vor dem Herrn,
dern auch den Namen Gottes auszusprechen ... bitte ihn um Vergebung und nimm den Kampf gleich
Betet für mich; auch ich gedenke Euer. Arbeite an Dir. wieder auf. Halte es so bis zum Tode.
Laß den Kopf nicht hängen, erdulde alles und danke Denke daran, daß Du allein nicht gewinnen kannst -
dem Herrn für alles. rufe bei jeder Versuchung unseren Herrn Jesus Christus
um Hilfe an. Dann wird Dein guter Wille von Gottes
Kraft unterstützt werden, die jede Sünde und jedes dä-
monische Wirken zunichte machen kann. Wenn es Dir
* gelingt, ein sündiges Verlangen zu überwinden, so
schreibe dies nicht Dir, nicht Deiner Kraft zu, sondern
Lieber ... ! Friede sei mit Dir! dem Herrn, und danke ihm für seinen Beistand.
Danke für den Brief; ich hatte schon angefangen, mir Schreibst Du es hingegen Dir zu, verfällst Du wieder der
viele Sorgen um Dich zu machen. Leider lastet Deine gleichen Sünde.
Vergangenheit schwer auf Dir, aber ich bin froh, daß Du Rufe öfters den Namen Gottes an. Du hast ungefähr
das wenigstens einsiehst, und ich verurteile Dich deswe- begriffen, was gut und was böse ist - jetzt erwartet der
gen auch nicht. Der Mensch ist so schwach und die Herr von Dir, daß Du Dich ihm und seinen heiligen Ge-
Sünde in Seele und Körper so stark (und die Dämonen boten anschließest und Dein Leben nach ihnen und
verbeißen sich derart in den, der ihrer Gewalt zu entrin- nicht nach den Einflößungen der Dämonen oder nach
nen versucht), daß Rückfälle und bisweilen gar eine Deiner gefallenen, sündigen Natur ausrichtest. Du bist
Rückkehr ins frühere Leben unvermeidlich sind. Laß frei in der Wahl: Der Herr beobachtet, wohin Dein Wille
Dich dadurch weder beirren noch entmutigen - alles Dich führt. Das Erdenleben ist uns ja dafür gegeben, daß
braucht seine Zeit. Ins Reich Gottes geht man, wie Du wir hier frei zwischen Gott und dem Teufel wählen.
weißt, mit Leiden, Kämpfen und großer Kraftanstren- Und das künftige Leben hängt deshalb vom irdischen ab.
gung ein. Du hast im Evangelium gelesen, das Himmel- Wer sein ganzes Leben der Sünde frönt und dem Teufel
reich sei einem Sauerteig gleich, das mit Mehl vermengt dient, wird auch nach dem Tod in seiner Gesellschaft
wird, bis es versäuert. So wird auch die Seele nicht au- bleiben. Wer aber im Leben zu Gott strebt, geht, auch
genblicklich vom neuen Sauerteig des Evangeliums wenn er bisweilen gestürzt ist, nach dem Tod mit Gott
durchsäuert. Manchmal läuft dieser Prozeß rasch ab, in die ewige Glückseligkeit ein.
und bisweilen verlangsamt er sich: Du weißt schon, wo- Der Herr hat Dir Deine Krankheit nicht umsonst her-
von ich spreche. Laß Dich deshalb nicht beirren, wenn abgesandt - nicht so sehr für begangene Sünden, obwohl

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Verderben preisgeben, sondern die ewigen Qualen ab- Alles, was ich Dir hier geschrieben habe, ist die un-
wenden. zweifelhafte Wahrheit. Hab Mitleid mit Dir und sei
Habe doch Mitleid mit Dir und mit ... Du hast sie barmherzig zu Dir.
doch früher geliebt, und vielleicht auch jetzt noch. Tut
es Dir denn wirklich nicht leid, sie zu quälen? Bitte sie
um Verzeihung, wenn Du sie kränkst, auf daß der Herr
auch Dir verzeihe. Wenn Du selbst mit Deinen Näch- *
sten in Unfrieden lebst, wie wirst Du Dich mit Gott ver-
söhnen können? Was immer Du auch tun magst: Friede sei mit Dir, lieber ... !
Verzweifle nicht. Bete in einem klaren Augenblick zu ... zum inneren Gebet möchte ich Dir folgendes sagen:
Gott, und er wird Dir helfen und Dir verzeihen. Besinne Nimm Dir nicht irgendwelche großen Aufgaben vor,
Dich! Komm zu uns, hier kannst Du beichten, kommu- setze Dir keine Fristen, sondern meide stets und in allem
nizieren und geistliche Bücher lesen ... das Böse, die Übertretung äußerer oder innerer Gebote,
... Ich bin ein sündiger Mensch und bemitleide Dich und zwinge Dich zum Guten. Wenn es Dich auch große
aus ganzem Herzen. Der Herr aber bemitleidet jeden Anstrengungen und Kämpfe kostet, sollst Du versuchen,
Sünder tausendmal mehr und wartet nur auf dessen Um- nicht nach Deinem Willen zu handeln, sondern wie es
kehr, tim ihm alle Sünden und Abscheulichkeiten zu der Herr in seinen heiligen Geboten will. Nicht umsonst
vergeben und ihn zu erlösen. Wende Dich im Gebet heißt es, das Himmelreich leide Gewalt, und "die Gewalt
zum Herrn, bereue Deine Sünden und meide schlechte tun, die reißen es zu sich" (Mt I 1,12). (... ) Du bist von
Menschen. Hör auf zu trinken, richte Dich nicht zu- der großen Gnade Gottes gerettet worden, der den Tod
grunde. des Sünders nicht will. Du warst dem geistlichen Unter-
Wendest Du Dich nicht in Reue und Demut zum gang bereits nahe, und nach dem Tod hätte Dich der Ab-
Herrn, erwartet Dich noch hienieden großes Leid und grund der Hölle erwartet; Du wolltest und konntest
nach dem Tod Heulen und Zähneknirschen, der uner- mahnende Worte nicht hören. Es bedurfte eines radika-
sättliche Wurm und das unauslöschliche Höllenfeuer; len Mittels, um Dich vom verhängnisvollen Weg abzu-
eine ewige, schaurige und unvorstellbare Qual. bringen, eines Mittels, das Dir dann der Herr auch in
So schwer es auch sei, alles Irdische nimmt ein Ende. Form einer Krankheit geschickt hat. Begehre deshalb
Nach dem Tod aber bricht die Ewigkeit an, die Ewigkeit nicht gegen Gott auf, verzage nicht, sondern danke ihm
in unsäglicher Glückseligkeit oder in grauenhafter Qual. für seine Güte und für seine Sorge um deine Rettung.
Die Entscheidung liegt in unseren Händen. Der Herr "Wen Gott liebt, den bestraft er". Du bist nun näher
wünscht allen Menschen das ewige Glück, aber er zu ihm gekommen, beleidige ihn nicht durch deine Un-
zwingt niemanden dazu. Wenn Du nicht mit ihm im dankbarkeit und die Verletzung seiner heiligen Gebote.
Licht und in der Freude sein willst, kommst Du zum Um ein konzentriertes Gebet zu erreichen, muß man
Teufel in die ewige Finsternis und Qual. vor Gott und den Menschen demütig sein. Ohne Demut

86
nach der Gesetzmäßigkeit des Sündigens auf jede Sünde der Herr ~on uns weisen. "Geht hin von mir, ihr Ver-
Trauer folgt - als vielmehr aus Liebe zu Dir, um Dich fluchten, in das ewige Feuer" (Mt 25,4 I). Das ist Gottes
vom sündigen Leben loszureißen und Dir den Weg des Gericht, das schon hienieden die verstockten Sünder
Heils zu weisen. Sei Gott dafür dankbar; er hat sich um trifft, die Gottes Wort verachten und das Evangelium
Dich gesorgt. Beleidige ihn also nicht mit freiwilligen zur Rechtfertigung ihrer Sündhaftigkeit verdrehen. Weh
Sünden, sondern bekämpfe alles Böse. Sonst kann es ihnen! Ewige Höllenqual, Heulen und Zähneknirschen
sein, daß Du noch mehr als früher leidest. erwartet jene, die Gottes Liebe geringachten, die um
Vergib mir, falls ich Dich auf irgendeine Weise ge- schmutziger weltlicher "Freuden" willen ihre Christen-
kränkt haben sollte. Viele Grüße und Gottes Segen. würde verkaufen und lieber den Willen des Teufels aus-
führen. Wessen Wille der Mensch hier auf Erden erfüllt,
mit dem wird er auch nach dem Tode zusammen sein.
* Wer hier der Diener des Teufels ist, wird dies auch im
Jenseits sein und das Schicksal der Dämonen teilen.
Lieber ... ! ... , Du hast alle inneren und äußeren Voraussetzun-
Dein Traum zeigt klar drei Dinge, erstens: die Feinde un- gen für Reue und Erlösung; das ist heutzutage eine Sel-
seres Heils versuchen in unsere Seele einzudringen, sie tenheit. Wenn Du diese Fähigkeit nicht nutzest und die
auszuplündern, sie zu besudeln und für den Herrn un- Sorge um Dein Seelenheil aufschiebst, kannst Du Dich
tauglich zu machen. Zweitens: vor ihnen retten soll man gründlich täuschen: der morgige Tag gehört uns nicht
sich durch das Gebet in Haus und Kirche sowie durch mit Bestimmtheit. Der Herr warnt uns, wir sollen jeden
die Erfüllung der Gebote. Drittens: der Herr hat mit je- Augenblick bereit sein, da wir weder den Tag noch die
dem Menschen Mitleid und wünscht dessen Erlösung. Stunde unseres Todes kennen.
Welcher Liebe zum Sünder bedarf es, daß der Schöpfer Ich rate Dir dringend, keine einzige Sünde zu rechtfer-
der Welt selbst auf der Erde Menschengestalt annimmt tigen, so klein sie Dir auch scheinen mag. Jede Sünde ist
und es zur Erlösung der Sünder auf sich nimmt, be- ein Akt gegen den Willen Gottes und ein Zeichen der
spuckt, geschlagen und beschimpft zu werden und den Lieblosigkeit dem Herrn gegenüber. "Mich liebt, wer
Kreuztod auf sich zu nehmen! meine Gebote hält." Jede begangene Sünde muß daher
Wenn wir auf diese Liebe Gottes mit Gleichgültigkeit durch Reue geläutert werden .
antworten, mit Unglauben, Lauheit der Sünde gegen- . . . Suche Dein Heil, sieh zu, daß Du Dich von dieser
über, mit bewußtem Übertreten der göttlichen Gebote Welt befreist, die allem Geistlichen und Gott selbst stets
und mit Selbstrechtfertigung anstelle von aufrichtiger feind war und sein wird.
Reue - was erwartet uns dann? Die Verstoßung aus Got- "Die Welt wird euch hassen", hat der Herr gesagt.
tes Gesichtskreis. "Mit welcherlei Maß ihr meßt, wird Wen meint er damit? Alle, die an den Herrn Jesus Chri-
euch gemessen werden" (Mt 7,2) spricht der Herr. Wenn stus glauben und seinen heiligen Geboten nachzuleben
wir in Taten Gottes Liebe von uns weisen, wird uns auch sich bemühen.

90 9I
1959 wenn ich auch Sündengeschwüre trage." Jesus Christus
ist auf die Erde gekommen, um das "entstellte Antlitz
"Wer einen berechtigten oder unberechtigten Vor- des Menschen wiederherzustellen." Alle Geschöpfe
wurf zurückweist, weist seine Erlösung zurück." Wenn schulden ihm, dem Vater und dem Heiligen Geist ewi-
uns unsere Augen für die eigenen Sünden aufgehen, se- gen Dank.
hen wir nicht einzelne Verfehlungen, sonders die völlige Mögen unsere Tugenden vor ihm verblassen; stellen
Verkommenheit unserer Seele, welcher ständig die ver- auch wir wie der Zöllner das Ebenbild Gottes in uns wie-
schiedensten Sünden entspringen, mehr noch: Wir er- der her und rufen wir aus: "Herr, sei mir Sünder gnädig,
kennen, daß selbst unsere guten Taten vom Gift der sei uns allen Sünder gnädig." Dann werden wir dieses Le-
Sünde durchdrungen sind. Wenn der Mensch das klar ben gerechtfertigt verlassen, wie der Zöllner den Tem-
sieht und sich anhand von Tausenden von Beispielen pel, und eintreten "durch die Tür und selig werden" (vgl.
völlige Rechenschaft darüber gibt, daß er den Aussatz Joh 10,9)·
seiner Seele nicht selbst zu heilen vermag, wird er auf
"natürliche" Weise (nicht mit künstlichen Tricks) zur
Demut finden, und ebenso "natürlich" wird er aufhö-
ren, seine Mitmenschen zu verurteilen und beleidigt zu *
sein, wenn er angegriffen wird. Er sieht dann nämlich im
Mitmenschen einen ebensolchen Zerfall wie in sich Lieber ...
selbst und wird ihn gleichsam als Unglücksgenossen be- Morgen ist Dein Referat. Schlag Dich gehörig gegen den
mitleiden. Ebenso hört er auf, die einen zu erhöhen und Duchesne 1s , und nimm auch die anderen dran. Wie
die anderen zu erniedrigen, ja er enthält sich überhaupt zeitgemäß das sein wird! Du hast natürlich in der
jeglichen Urteils, da einerseits alles sich im Zustand des "Prawda" vom 5.12. den Artikel von Alexander Ossi-
Gefallenseins befindet und andererseits "alles menschli- pow gelesen. Deine Reaktion, wie die jedes gescheiten
che Maß falsch ist", sosehr wir uns auch um Objektivität Menschen, ist verständlich. Sehr gerne möchte ich ge-
bemühen. Wie können wir also unsere Sünden rechtfer- nauer und besser erfahren, wie sich die Studenten dazu
tigen? Wie können wir beleidigt sein, wenn uns jemand verhielten. Verstehen sie, daß dieser Unglückliche in
eines Vergehens bezichtigt, das wir scheinbar nicht be- seinem Artikel sich als derartige moralische Null er-
gangen, dabei aber zahllose andere, abscheuliche Sünden weist (und dies - das ist die Hauptsache - nicht einmal
auf uns geladen haben, von denen niemand etwas weiß
und die der barmherzige Gott versteckt hält? 15 Gemeint ist vermutlich Louis Duchesne (1843-19221, Kirchenhi-
Trösten wir uns nicht mit unseren vermeintlichen storiker, Autor einer "Histoire ancienne de l'Eglise", Paris 1906-1910
Tugenden, sondern mit Gottes unergründlicher Liebe zu (seit 1912 aus dogmengeschichtlichen Gründen auf dem Indexl. Mögli-
cherweise wurde dieses Werk in der Leningrader Geistlichen Akade-
uns Sündern, mit dem Kreuz Christi und mit den Wor- mie, von der hier die Rede ist, im Fach "Kirchengeschichte" als
ten: "Ich bin das Bild deines unaussprechlichen Ruhms, Unterrichts· und Examenstext benutzt.

92 93
merkt), daß dieser Artikel auf den Leser eine Wirkung Priester auf ihre seelsorgerische Tätigkeit vor." Als je-
ausübt, die das Gegenteil von dem ist, was der Autor er- doch seine Position ins Wanken geriet, beschloß er, an
reichen wollte. Weder hat er sich gerechtfertigt, noch der anderen Front festen Boden unter den Füßen zu ge-
hat er der Religion geschadet, sondern gezeigt, daß der winnen. Solange man seine Lossagung noch brauchen
Herr zur rechten Zeit die versteckten Judasse offenbart und ihn aufnehmen konnte, beeilte er sich, dies zu tun,
und aus der Kirche entfernt. bevor es zu spät war.
Hast Du beachtet, daß im Absatz über das Gebet vor Als Jesus Christus nach der Sättigung der Fünftausend
dem Wort "Gottesdienst" drei Pünktchen stehen? Ich vom Brot des Lebens sprach, gingen viele von ihm weg,
bezweifle nicht, daß dort irgendein unflätiger Aus- da sie seine Worte nicht akzeptieren konnten. Diese
druck stand, etwa "Gebetsgeschwätz". Sogar die Redak- Leute handelten ehrlich. Ihre sinnliche Klügelei konnte
tion hielt es nicht für möglich, dies zu drucken. Der sich nicht bis zum Geist der Wahrheit aufschwingen. Ju-
Geist, der seine Feder führt, schüttet seine Bosheit das hingegen verließ Jesus Christus nicht, da er Geld in
hauptsächlich auf den Gottesdienst und auf das Jesus- einer Truhe mit sich führte, das er für sich brauchte. Er
gebet. Achte darauf! Der gefallene Mensch kommt hoffte auf noch Größeres. Gleich wie die anderen erwar-
während des aufrichtigen und rechten Gebets mit dem tete auch er den Anbruch des Reiches des Messias mit all
Weltenerschaffer in Beziehung, erhält von ihm große dessen Wohltaten für sich selbst. Als er jedoch sah, daß
Gnade und die Kraft, den mächtigen Geist zu verjagen, Jesus Christus sein Reich nicht auf Erden errichten
der sich Gott gleich dünkt. Wie kann man diese Belei- wollte und daß Ihn der Tod erwartete, nützte er auch
digung ertragen! Mögen alle die Bedeutung und die dies zu seinem Vorteil aus: Er lief ins Lager seiner Feinde
Kraft des Gebets und die Gnade verstehen, die Gott über, verriet Christus und erhielt die dreißig Silberlinge.
uns Sündern erweist! Denn Er mußte ja ohnehin sterben!
Der unglückliche Alexander hat mit seinen Worten Nicht umsonst vergleicht man die Menschen, die sich
über das Gebet gezeigt, daß er nie auch nur ein einziges in unseren Tagen von Christus lossagen, mit Judas. Dies
Mal gebetet und folglich auch nie an Gott geglaubt hat. geschieht nicht, um die Abgefallenen zu beleidigen (sie
Er sagt sich ja auch nicht von Gott los und nicht vom verdienen großes Mitleid), sondern weil in beiden Fällen
Christentum, sondern von seiner Vorstellung von Reli- die seelische Haltung dieselbe ist: Ohne Glauben, son-
gion und von Gott. Seine Lossagung selbst ist nicht das dern aus Gewinnsucht folgten sie Christus, und aus Ge-
Ergebnis aufrichtigen Zweifels oder einer Suche. Nein. winnsucht verkauften sie ihn auch.
Allzu nichtig sind die Gründe, die er dafür vorbringt. Er Verräter haben indes noch nie und nirgends
ist sichtlich ein praktischer Mensch, ein Mensch von Vertrauen und noch weniger Achtung genossen. "Der
dieser Welt. Solange seine Lage mehr oder weniger gesi- Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann ge-
chert war und er ein hübsches Gehalt beziehen konnte hen ... "
maskierte er sich als Gläubiger, küßte die Hände der Bi: Alexander war vor der Lossagung unaufrichtig, und er
schöfe, die er verachtete, und "bereitete die zukünftigen ist es auch nach der Lossagung. Er ist ein psychologischer

94 95
Narr, der sein Haus auf Sand baut. Ob einer kleinen Ver- müßte man sich ja mit Schrecken eingestehen, der
suchung stürzte es ein, und sein Sturz war groß 16. Mensch sei ein verschwindend kleines Partikelchen ei-
Wir warten auf einen Brief von Dir. Geh nicht zur ner riesigen, seelenlosen Maschine, die sich keinen Deut
Post bei der großen Kälte. Vielleicht kommst Du zum um den Menschen kümmert und nichts von ihm wissen
Sankt-Nikolaus-Tag? will, sondern ihn unbarmherzig verkrüppelt oder zer-
Gott behüte Dich. malmt, wenn die Gesetze dieser Maschine es erfordern.
Vernunftbegabte Wesen, die sich als selbständige Per-
sönlichkeiten erkannt haben, als ein Ich, als neue eigen-
ständige Lichtquellen (Iwan Karamasows "Würmchen")
* und als Zentren, für welche die ganze Welt - ein Kreis
mit Radius n - lediglich ein Objekt der Erkenntnis und
Lieber ... ! des Handelns ist, wobei auch Gott in einer gewissen
Das Böse ist nicht von Gott geschaffenj es ist wesenlos. Weise nur ein Objekt ist, solche Persönlichkeiten also
Das Böse ist die Entstellung der Weltordnung (und wenn haben vor dem Sündenfall ihre Größe weitaus besser er-
wir von Menschen und Engeln sprechen, der ethischen messen als die gefallenen Menschen. Von ihnen heißt es:
Ordnung) durch den freien Willen des Menschen und "Ihr seid Götter und Söhne des Allmächtigen." Sie kann-
der Engel. Ohne die Freiheit gäbe es auch die Möglich- ten das Böse nicht und vermochten das Gute, über wel-
keit nicht, die ethische Ordnung zu entstellen, welche ches sie verfügten, nicht ganz zu ermessen. Der Wunsch,
weise und vollkommen ist. Die Engel und die Menschen "wie die Götter" zu werden, "die Gut und Böse kennen",
unterwürfen sich wie Automaten den Gesetzen der phy- brachte sowohl die Engel als auch die Menschen zu Fall.
sischen und der ethischen Welt, und es gäbe das Böse Hier beginnt die Geschichte der Menschheit.
nicht. Doch ohne Willensfreiheit gäbe es im Menschen Den Menschen in Ehrfurcht und in Liebe zu Gott zu
und in den Engeln auch nicht Gottes Ebenbild. Ein rich- erziehen, ohne seine Willensfreiheit zu beeinträchtigen,
tiges Wesen ist ohne Willensfreiheit undenkbar. Übri- und ihn zur Würde von Gottes Sohn zu erheben ist eine
gens müssen alle atheistischen Lehren die Willensfrei- äußerst komplizierte Aufgabe, eine Aufgabe, die für den
heit verneinen, wenigstens in der Theoriej in der Praxis Menschen absolut unlösbar ist und sogar von Gott das
lassen sie ihr heimlich ein Hintertürchen offen, sonst größte Opfer abverlangte: Menschwerdung, Kreuzestod
und Auferstehung.
Ein hochmütiger Mensch kann nicht erlöst werdenj er
16 Anmerkung des Herausgebers: Dieser Brief wurde zur Zeit der Kir-
chenverfolgung unter Chruschtschow verfaßt, als einige Priester vom
kann sogar im Paradies von Gott abfallen, und zwar end-
Glauben abfielen und dies in der Presse kundtaten. Hier ist die Rede gültig, wie die Dämonen.
von Alexander Ossipow, Professor für Altes Testament an der Lenin. Deshalb läßt der Herr uns zeit unseres Lebens spüren,
grader Geistlichen Akademie. Zur Zeit seiner Lossagung von der Kir-
che stand er wegen Zweitheirat unter Verbot der Ausübung seines daß wir ohne ihn nichts sind als Sklaven unserer kleinen
Priesterberufs. Leidenschaften, ja des Teufels. Deshalb auch will der

97
Herr bis zu unserm Tod nicht, daß das Unkraut ausgeris- Wenn wir auch fallen und Böses tun, erkennen wir
sen werde; wir sollen nicht "zugleich den Weizen aus- dies als Sünde, verurteilen uns, bereuen und bitten Gott
raufen" (Mt 13,29): Ohne seine Schwächen und mit um Vergebung und bekräftigen dadurch unsere Wahl
ausschließlich guten Eigenschaften ausgestattet, verfiele des Guten - wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen.
der Mensch unweigerlich dem Hochmut. Wenn wir nun Das ist ein sehr weites Feld. Du sagst richtig, der
mit unseren wenigen und bescheidenen Tugenden es Mensch müsse in die Demut, das Gegenteil des Hoch-
schon fertigbringen, hochmütig zu sein, was wäre erst, muts, eingehen. Diesen Gedanken habe auch ich hier
wenn wir bereits im Erdenleben die ganze Herrlichkeit auszudrücken versucht, nur mit anderen Worten. Viel-
der vergöttlichten Seele schauen könnten? Selbst der leicht war es für Dich interessant, diese Zeilen zu lesen,
Apostel Paulus brauchte die "negative Hilfe" eines gefal- und wenn nicht, werden sie Dir wohl ein andermal von
lenen Engels, um nicht der überheblichkeit zu verfallen. Nutzen sein. Man kann es überzeugender und schöner
Und wir denn? sagen mit Zitaten aus den heiligen Kirchenvätern. Dies
So wie der Herr uns Menschen erlösen will, sucht der hier sind nur Skizzen jener Gedanken, die ich mir in den
Teufel unser Verderben. Der Teufel flößt uns die Illu- letzten Jahren zu eigen gemacht habe. Verzeih ...
sion eines Sieges über uns selbst ein und verführt uns da-
durch zu Selbstzufriedenheit und Hochmut. Desglei-
chen schenkt er uns Erfolge in der Unterwerfung der
Natur und flüstert uns zu: "Durch das Wissen (die Wis- *
senschaft) werdet ihr die Natur besiegen, unsterblich
sein und zu Göttern werden. Ihr könnt schon jetzt stolz Lieber ... ! Friede sei mit Dir!
sein auf eure Errungenschaften ... " Wie gegensätzlich Du fehlst uns bereits. Wie geht es Dir? Achte nicht dar-
die beiden Ausrichtungen sind, liegt auf der Hand: Got- auf, wenn man Dich ungerecht behandelt. Du trittst im-
tes Fürsorge um unsere Erlö~ung und des Teufels Bemü- mer weiter ins Leben ein, die Menschen aber sind alles
hen, auch diejenigen ins Verderben zu stürzen, die alle gefallene Geschöpfe; dies wirkt sich natürlich auf die Be-
ihre Kräfte für das "einzig Notwendige", das Reich Got- ziehungen zu den Mitmenschen aus. Deshalb hat der
tes, einsetzen. Von der Theorie geht das ins Leben über, Herr ja zu seinen Jüngern gesagt: "Gehet hin; siehe, ich
steht doch der Mensch - bald fallend, bald wieder sich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe" (Lk
aufrichtend - in ständigem Kampf gegen das Böse, gegen IO, 3), aber auch: "Ich werde mit euch sein bis ans Ende
den Teufel und dessen Einflößungen. In diesem Kampf der Welt."
erkennen wir unsere Schwäche und die Schlauheit des Es braucht zwar auch unsere Klugheit und Umsicht,
Feindes, aber auch Gottes Hilfe und Liebe zu uns. So ler- das Wichtigste aber ist, den für den leiblichen Menschen
nen wir den Preis von Gut und Böse kennen, entschei- unsichtbaren, für den geistlichen Menschen indes sicht-
den uns bei vollem Bewußtsein und ohne zu schwanken baren Herrn unablässig um Hilfe anzuflehen, den Herrn,
für das Gute und für Gott, dessen Ursprung. der jedem auf ihn Hoffenden verspricht, ohne seinen -

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Narr, der sein Haus auf Sand baut. Ob einer kleinen Ver- müßte man sich ja mit Schrecken eingestehen, der
suchung stürzte es ein, und sein Sturz war groß 16. Mensch sei ein verschwindend kleines Partikelchen ei-
Wir warten auf einen Brief von Dir. Geh nicht zur ner riesigen, seelenlosen Maschine, die sich keinen Deut
Post bei der großen Kälte. Vielleicht kommst Du zum um den Menschen kümmert und nichts von ihm wissen
Sankt-Nikolaus-Tag? will, sondern ihn unbarmherzig verkrüppelt oder zer-
Gott behüte Dich. malmt, wenn die Gesetze dieser Maschine es erfordern.
Vernunftbegabte Wesen, die sich als selbständige Per-
sönlichkeiten erkannt haben, als ein Ich, als neue eigen-
ständige Lichtquellen (Iwan Karamasows "Würmchen")
* und als Zentren, für welche die ganze Welt - ein Kreis
mit Radius n -lediglich ein Objekt der Erkenntnis und
Lieber ... ! des Handelns ist, wobei auch Gott in einer gewissen
Das Böse ist nicht von Gott geschaffen; es ist wesenlos. Weise nur ein Objekt ist, solche Persönlichkeiten also
Das Böse ist die Entstellung der Weltordnung (und wenn haben vor dem Sündenfall ihre Größe weitaus besser er-
wir von Menschen und Engeln sprechen, der ethischen messen als die gefallenen Menschen. Von ihnen heißt es:
Ordnung) durch den freien Willen des Menschen und "Ihr seid Götter und Söhne des Allmächtigen." Sie kann-
der Engel. Ohne die Freiheit gäbe es auch die Möglich- ten das Böse nicht und vermochten das Gute, über wel-
keit nicht, die ethische Ordnung zu entstellen, welche ches sie verfügten, nicht ganz zu ermessen. Der Wunsch,
weise und vollkommen ist. Die Engel und die Menschen "wie die Götter" zu werden, "die Gut und Böse kennen",
unterwürfen sich wie Automaten den Gesetzen der phy- brachte sowohl die Engel als auch die Menschen zu Fall.
sischen und der ethischen Welt, und es gäbe das Böse Hier beginnt die Geschichte der Menschheit.
nicht. Doch ohne Willensfreiheit gäbe es im Menschen Den Menschen in Ehrfurcht und in Liebe zu Gott zu
und in den Engeln auch nicht Gottes Ebenbild. Ein rich- erziehen, ohne seine Willensfreiheit zu beeinträchtigen,
tiges Wesen ist ohne Willensfreiheit undenkbar. Übri- und ihn zur Würde von Gottes Sohn zu erheben ist eine
gens müssen alle atheistischen Lehren die Willensfrei- äußerst komplizierte Aufgabe, eine Aufgabe, die für den
heit verneinen, wenigstens in der Theorie; in der Praxis Menschen absolut unlösbar ist und sogar von Gott das
lassen sie ihr heimlich ein Hintertürchen offen, sonst größte Opfer abverlangte: Menschwerdung, Kreuzestod
und Auferstehung.
Ein hochmütiger Mensch kann nicht erlöst werden; er
16 Anmerkung des Herausgebers: Dieser Brief wurde zur Zeit der Kir-
chenverfolgung unter Chruschtschow verfaßt, als einige Priester vom
kann sogar im Paradies von Gott abfallen, und zwar end-
Glauben abfielen und dies in der Presse kundtaten. Hier ist die Rede gültig, wie die Dämonen.
von Alexander Ossipow, Professor für Altes Testament an der Lenin- Deshalb läßt der Herr uns zeit unseres Lebens spüren,
grader Geistlichen Akademie. Zur Zeit seiner Lossagung von der Kir-
che stand er wegen Zweitheirat unter Verbot der Ausübung seines
daß wir ohne ihn nichts sind als Sklaven unserer kleinen
Priesterberufs. Leidenschaften, ja des Teufels. Deshalb auch will der

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des Herrn - Willen werde ihm kein Haar vom Haupte brauchten dringend frische Luft - ich war schon von
fallen. Kräften gekommen, und auch den andern tat die Bewe-
Die Apostel hofften auf ihn und erduldeten alles, aber gung gut.
sie besiegten die Welt: Wenige Schafe wurden mit einer Ich habe meine Erklärung von Rubljows Ikone "Die
Unmenge von WolfsrudeIn fertig. Zeugt das etwa nicht Dreifaltigkeit" entdeckt. Wenn Du kommst, erzähle ich
von der Kraft und der Vorsehung Gottes? Der Herr ist Dir davon. Ich bin überzeugt, daß diese Erklärung die
heute und in Ewigkeit derselbe wie gestern. Wende Dich richtige ist. Ich weiß nicht, ob es sie irgendwo schon gibt.
in allen Nöten und Mühen zu Gott, und "er wird dich Bei Alpatov 19 nicht, obwohl er nahe an sie herankommt.
tränken". Schreibe mir, wie es Dir geht ... Sei nicht traurig,
Immer, auch in der größten Eile, kann man sich in Ge- wenn Du Unnannehmlichkeiten hast, und "vertraue
danken an den Herrn wenden und sagen: "Jesus Chri- Deine Gram Gott an".
stus, Sohn Gottes, erbarme dich meinerj Herr, sei mir
Sünder gnädig"j oder, wie Barsanuphios der Große 17 rät,
denke wenigstens daran, daß es den allsehenden Herrn
gibt, der auch Dich sieht - das reicht bereits, um den
Weg aus einer schwierigen Lage zu finden. Wenn Dich
*
aber ein Leid trifft und das Gebet keine Erleichterung Lieber ... !
bringt, laß den Mut nicht sinken, murre nicht und ver- Deinen Brief haben wir erhalten. Denke, daß Du uns
falle nicht dem Unglauben, sondern denke daran, daß es nicht vergißt. Gewöhnlich erhält man um so weniger, je
ohne Leiden keine Erlösung, ja nicht einmal eine Lebens- mehr man erwartet.
erfahrung gibt. Der Glaube und das Gebet bewirken, daß Vater Pawel tut mir sehr leid. Man darf ihn keinesfalls
das Leiden uns einen großen Nutzen bringt, ohne Beten verurteilen, sondern soll jedesmal, wenn man an ihn
aber zu Murren und Kleinmut führen und Seele und denkt, aus ganzem Herzen seufzen und sagen: "Herr, hilf
Körper Schaden zufügen kann. Deshalb müssen wir ler- deinem Diener, erlöse ihn!" Er braucht unser Mitgefühl
nen, stets mit Gott zu sein - er ist immer mit uns. "Gott und unsere Gebete. Wenn ein Glied leidet, so leidet auch
ist mit uns! Höret, ihr Heiden (ihr Leidenschaften, ihr der ganze Körper. Wir sollten alle darum bitten, für ihn
Dämonen und gefallenen Menschen, ihr Werkzeuge des eine Liturgie zu feiern, und den Abt der Lawra ersuchen,
Bösen), und unterwerft euch, denn Gott ist mit uns!" 18 in allen Kirchen des in der Versuchung Stehenden ge-
... Sonst habe ich nichts zu berichten. Heute waren denken zu lassen.
wir zum erstenmal seit Weihnachten im Wald. Wir Dies ist ein Ergebnis der falschen Grundlage des Prie-
sterseminars. Man hat mechanisch den äußeren Aufbau
17 Koptischer Mönch des 6. Jahrhunderts, lebte als Rekluse im Kloster
des Seridos bei Gaza. 19 Bekannter sowjetischer Kunsthistoriker, Spezialist der altrussischen
18 Aus einem Gesang des russisch-orthodoxen Festgottesdienstes.
Kunst.

100
101
der früheren Schule übernommen, aber ohne deren Vor- 5. die Werke der heiligen Kirchenväter und durch sie
züge, ohne deren erfahrene und gebildete Lehrer und das Evangelium verstehen und fühlen lehren und zeigen,
ohne Berücksichtigung der heutigen Zustände - und wie man daraus etwas Eigenes, Vertrautes und Lebendi-
ließ es dabei bewenden. Zu den Zöglingen herrscht ein ges macht, das alle Bedürfnisse der Seele in jeder Lebens-
Verhältnis wie zu Lagerinsassen und nicht wie zu freien lage befriedigt, und nicht ein Lernobjekt;
Persönlichkeiten, denen man allseits beistehen muß, al- 6. die Gebote des heiligen Evangeliums nicht als Hin-
lem voran ihren Glauben zu festigen, den lebendigen dernisse für ein freies Leben zu sehen lehren, sondern als
Glauben an Gott, an statt sie einen Haufen gedanklichen Weg zu einer wertvollen Perle, für die der Mensch freu-
Rohstoff auswendig lernen zu lassen. Gibt es ein Unter- dig alles hergibt; d. h. alle weltlichen Interessen und Ver-
richtsfach, das auch nur in den Kopf geht (vom Herzen gnügen, alles von der Welt Hochgeschätzte zurückläßt,
gar nicht zu sprechen), das der Lernende sich aneignet? und zwar nicht aus Zwang, sondern weil ihm die Seele
Ich bezweifle das, da man den Zöglingen nur eine Menge den Weg zu dieser Perle weist. Diese aber kann jeder
Fakten, ein rohes, unverdautes Material bietet, schlim- schon auf Erden finden, der den Glauben an Christus in
mer noch: Ist der Glaube klein, führt die Behandlung sich trägt und sich nach Kräften bemüht, den Geboten
geistlicher Wahrheiten durch den "falschen" Verstand des Evangeliums nachzuleben.
zu einer "Entwertung" dieser Wahrheiten. Der Schleier Schon diese kurze, unvollständige Liste der Aufgaben
des Geheimnisses und der tiefen göttlichen Weisheit des Priesterseminars zeigt, wie weit die heutige geistliche
wird ihnen so genommen. Diese Wahrheiten werden Schule von diesen Zielen entfernt ist. Alles müßte neu
zum Gegenstand von Diskussionen und Widersprüchen, gemacht werden, angefangen bei den Lehrplänen über
die dem Lernenden fremd sind; der Glaube wird auf die Verwaltung bis zu den Räumlichkeiten. Man wird
diese Weise schwächer und verschwindet ganz. Deshalb entgegnen, dazu sei jetzt nicht der Zeitpunkt. Wenn
kommen aus den Priesterseminaren manche der giftig- nicht alles, so läßt sich doch einiges tun. Die Hauptsache
sten Atheisten.
ist, diese Ziele im Auge zu behalten und alles zu unter-
Man hat die Zöglinge mit Fächern überlastet. Sie ha- nehmen, was möglich ist - das andere kann man nur be-
ben gar keine Zeit, über den einzupaukenden Stoff nach- dauern. Dann würde man sich ganz von selbst zu den
zudenken: Der Lehrplan ist falsch angelegt. Die geistli- Lernenden nicht mehr wie jetzt verhalten, sondern wie
che Schule muß
zu lebendigen Seelen, vor denen vom Rektor bis hinab
1. den Glauben festigen;
zum Gehilfen sich alle als Schuldner fühlen müssen, die
2. beten lehren;
ihre Schuld nicht abzuzahlen vermögen.
3· dem Zögling die Erkenntnis seiner selbst und sei- Ich bin schon ins Schwatzen gekommen. Sieh diese
ner Sündhaftigkeit vermitteln; Zeilen als einen sehr ungefähren, schnell hingeschriebe-
4· ihm den Kampf gegen Sünde und Versuchun- nen Entwurf an. Doch der Richtung und dem Sinn nach
gen nach dem Vorbild der heiligen Kirchenväter beibrin- muß es so sein. Das Haupthindernis ist das Fehlen der
gen;
entsprechenden Leute. Sitzen wir an den Wassern zu Ba-
102
10 3
bel und weinen wir 20. Mag sein, daß der Herr sich unser diese Gaben zu würdigen, den Herrn aus ganzem Herzen
erbarmt und uns erlöst, die wir die Gefährlichkeit unse- und aus ganzer Seele, mit all seinen Sinnen und Kräften
rer Lage erkennen und, wenn immer möglich, ausrufen: zu lieben, muß der Mensch einen besonderen Weg ge-
Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich über mich hen, auf welchem er das Böse, die Leiden und den Tod
Sünder!
bis zur Neige erfahren kann und so begreifen lernt, daß
Der Herr behüte Dich. er fern von Gott stets leiden wird und daß seine Seligkeit
in der Gemeinschaft mit Gott und in der Liebe zu ihm
besteht. Weiter muß der Mensch die Erfahrung machen,
* daß er aus eigener Kraft die Gemeinschaft mit Gott nicht
wieder herzustellen vermag. Dies ist nur möglich, wenn
er sich von jedem Makel des Leibes und des Geistes läu-
Lieber ... !
tert; die Erfahrung der Jahrtausende indes hat gezeigt,
Gott wünschte in seiner Gnade, sich mit vernunftbegab- daß niemand sich selbst läutern kann. Der Mensch, der
ten, freien Wesen zu umgeben, die seiner Herrlichkeit, seinen eigenen Kräften überlassen wird, muß sein irdi-
seines Lebens und seines Wesens teilhaftig werden sches Leben fern von Gott verbringen und wird auch
könnten. Dazu schuf er die Welt der Engel und später nach seinem Tode von Gott getrennt, in der Hölle, sein.
den Menschen. Ein Teil der Engel mißbrauchten ihre Als die Menschheit dies vollständig begriffen hatte,
Freiheit, wiesen die Einheit mit Gott zurück, ja wider- vollbrachte Gott eine Tat, die den Himmel (die Welt der
setzten sich ihm und verfielen dem Stolz. Diese Engellö- Engel) und die Erde (das ganze sichtbare Universum) er-
sten sich freiwillig aus dem göttlichen Leben heraus beben ließ. "Für uns Menschen und um unseres Heils
wurden aus dem Himmel verstoßen und dazu verurteilt', willen" (Credo) ist der Herr selbst vom Himmel herabge-
am Boden zu kriechen, fern von Gott, und in ihren Lei- stiegen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen
denschaften zu vermodern, ja sich von ihnen zu ernäh- Geist und aus Maria, der Jungfrau, und ist Mensch ge-
ren, wie Gott zur Schlange sprach: "Du sollst Erde essen worden. Freiwillig hat er Verfolgung, Bespuckung und
dein Leben lang" (Gen 3,14). den Kreuzestod auf sich genommen, um den Menschen
Auch der Mensch fiel, aber nicht so wie die früheren zu erlösen. Er vereinigte die Menschen mit sich und er-
Engel. Schon vor der Erschaffung des Menschen sah der litt all das, was ein jeder von uns erleiden muß, um die
Herr voraus, daß dieser nicht imstande sein würde , Gott Gemeinschaft mit Gott wiederherzustellen. Darin trat
immerdar treu zu bleiben und Gottes Gaben voll und Gottes unermeßliche Liebe so zutage, daß sie auch das
ganz anzuerkennen, als da sind das Leben, die menschli- verstockteste Herz erweichte und zu sich rief.
chen Eigenschaften, die Seligkeit des Paradieses. Um Um erlöst zu werden, muß der Mensch in seinem Er-
denleben fest an den Herrn glauben, seine Sündhaftig-
20 vgl. Ps 137, I. Dieser Psalm wird in den Gottesdiensten der Großen keit erkennen, sich zum Herrn hinwenden, auf dessen
Fastenzeit gesungen.
Liebe mit seiner Liebe antworten und diese Liebe mit ei-
10 4
1°5
nem Leben nach dem göttlichen Wort bezeugen. Auch schen keine Glaubenstat, kann er doch stets dem Stolz
muß er unfähig werden, seinen freien Willen gegen Gott verfallen und von Gott abfallen. Den Menschen verbin-
zu richten, und zwar nicht aus Unterdrückung des det auch die Liebe mit Gott, aber ohne Demut kann es
freien Willens und wegen äußerer Umstände, sondern auch keine Liebe geben.
aus Hingabe, Liebe und Dankbarkeit zu Gott.
Wenn es auch irgendwelche anderen Wege zur Erlö- I. Versucht der Mensch rein verstandesmäßig zu verste-
sung des Menschen gibt, worauf etliche heilige Kirchen- hen, warum Gott zur Erlösung der Menschheit den Weg
väter mit der Begründung hinweisen, Gott sei allmächtig der Menschwerdung Jesu Christi gewählt hat, wird er
und könne uns auf verschiedene Weise retten, soll man unschlüssig und neigt zur Annahme, Gott könne uns
aus Gottes Eigenschaften meiner Ansicht nach doch auch auf andere Weise erlösen, ja uns einfach unsere
schließen, daß der von ihm gewählte Weg der beste und Sünden vergeben und uns ins Paradies führen: Darauf
der kürzeste ist. gibt der Apostel Paulus eine Antwort: "Die göttliche Tor-
Das "Ich" des Menschen, seine Persönlichkeit er- heit ist weiser, denn die Menschen sind" (I Kor 1,25;
kennt seine Existenz, erkennt sich als der Mittelp~nkt vgl. auch 1 Kor 1,18). Der Mensch soll also das Geheim-
von allem und stellt sich als Subjekt allem, was außer- nis der Menschwerdung von Gottes Sohn glaubensmä-
halb liegt - dem Objekt -, gegenüber. Dabei ist das Ob- ßig und demutsvoll akzeptieren und sich eingestehen,
jekt nicht nur das ganze Weltall, sondern auch Gott. daß dieses Mittel zur Erlösung notwendig, ja das beste
Daher die ständige Versuchung, sich zu erhöhen, alles ist.
"Objektive" und - schrecklich zu sagen - auch Gott zu 2. Wäre nicht der Herr selbst Mensch geworden und
unterwerfen und ihn sich gleichsam als Verlängerung hätte er nicht für uns gelitten, wären wir gar nicht zur
des eigenen Ich untertan zu machen. Und je mehr Bega- Erkenntnis von Gottes Liebe zum Menschen gelangt.
bungen jemand an sich wahrnimmt, desto leichter glei- Schwere Leiden - eigene oder der Mitmenschen -, be-
tet er auf diesen Weg ab. Dabei ist ihm der Teufel der sonders starke Manifestationen des Bösen, Grausamkeit
sich Gott und den Menschen endgültig zu Feinde~ ge- und Lüge in der Welt: dies alles vermag der Mensch ir-
macht hat, behilflich. gendwie zu ertragen, sich damit abzufinden, ohne "dem
So mußte denn der Herr einen solchen Weg für die Herrgott das Eintrittsbillett in die Welt", wie Iwan Kara-
Menschen wählen, daß sie im Jenseits nicht dem Stolz masow sich ausdrückt, zurückzugeben. Hat nicht Gott
verfielen wie der Teufel, sondern bewußt Gott liebten selbst, der Schöpfer der ganzen Welt, für die Vernich-
und sich ihm endgültig, auf alle Zeiten und ohne Mög- tung des Bösen und zur zwanglosen Hinführung der
lichkeit des Abfallens unterwürfen. Menschen zum Reich des Guten und der Liebe gelitten?
Und da die dem Stolz entgegengesetzte seelische Ei- 3. Wenn der Mensch die ganze Tiefe des Falls schaut,
genschaft die Demut ist, schätzen auch die Heilige den die Menschheit und er selbst getan, wenn er seine
Schrift und die Mutter Gottes und die heiligen Kirchen- Nichtigkeit und seine seelische Gesetzlosigkeit erkennt,
väter die Demut so hoch. Ohne Demut hilft dem Men- seine völlige Unwürdigkeit, am Gottesreich teilzuhaben;
106
107
wenn er sich auch seine Schwäche eingesteht und die
Unmöglichkeit, von allein diesem Zustand zu entrinnen Lieber . .. !
(selbst bei einem Neubeginn seines Lebens); wenn er Danke für den Brief. Ich habe O. geschrieben, wer das
schließlich darob völlig verzweifelt und in eine Hoff- Reich Gottes ernsthaft erstrebe, müsse einsam sein, und
nungslosigkeit gerät, welche die alten Heiden und die demjenigen, der diesen Weg beschreite, gebe Gott Trö-
heutigen Atheisten in den Selbstmord oder zur Gotteslä- stungen, neben denen sämtliche irdischen Freuden
sterung trieb und treibt, dann ist der Ausweg aus dieser nichts seien. Man darf nur nicht "zurückschauen", nach
Lage der Glaube an Gott. Gott, der zur Erde herabgestie- dem Beispiel von Ignatij Brjantschaninow 21.
gen und zum Lamm geworden ist, das hinwegnimmt die Wir müssen alle um die geistliche Weisheit bitten, da
Sünden, die Greuel und die Fäulnis der Welt. Der es ja auch eine dämonische Weisheit gibt (vgl. Jak 3, 15).
Glaube, daß Gott keinen von denen, die sich mit zer- Die Menschen sind ihrem Wesen nach und im Grunde
knirschtem Herzen an ihn wenden, wegen seiner Sün- ihrer Seele alle besser als in ihrem sichtbaren Leben. Im
den wegweist, sondern ihn läutert, wiederherstellt und Sakrament der Taufe haben wir das Ebenbild und die
zu sich nimmt, daß er alle Sünden durch seine Liebe ver- Gnade Gottes erhalten, unsere Persönlichkeit, unser Ich.
deckt und sie vergessen macht - dieser Glaube erhebt je- Dies ist eine gewaltige Gottesgabe: Aus dem Nichtsein
den großen Sünder zur Würde von Gottes Kindern. ersteht ein neuer Mittelpunkt der Selbsterkenntnis, das
Wären nicht die Menschwerdung und die Leiden des Ich, welches sich selbst und die ganze Welt erkennt. Das
Erlösers gewesen, wie hätten wir an die Möglichkeit ei- Ich ist dem ganzen All gleich, denn es hat als selbsterken-
ner solchen Liebe Gottes zu uns Menschen glauben kön- nende Persönlichkeit nicht nur das Universum, sondern
nen? Nein, wir hätten dies nicht gekonnt und wären der auch Gott zum Objekt. Das Ich strebt danach, zu erken-
Verzweiflung verfallen, vielleicht auch dem Bösen, und nen, zu verstehen, d. h. das ganze Universum und Gott
wären zu Feinden des Guten und Gottes geworden wie selbst einzunehmen und sich einzuverleiben. "Ihr seid
Satan. Nur die Menschwerdung und das Kreuz von Got- Götter und Söhne des Allmächtigen." Zum Erkennen ist
tes Sohn können die Menschen erlösen und nicht ir- der Mensch von seinem Schöpfer auch aufgerufen, aber
gendwelche anderen Mittel. Die Gewalt des Bösen nur "auf gesetzlichem Wege". So großartig ist der
müssen wir erfahrungsgemäß in uns und in der Welt er- Mensch! Deshalb scheint er bisweilen auch so schön, ob-
kennen, um Gottes Opfer ganz zu erfassen und seine wohl sein wunderbarer Wesensgrund wie begraben liegt,
Notwendigkeit für die Erlösung des Menschen anzuer- verschüttet vom Unrat der Empirie, d. h. von armseligen
kennen. Kenntnissen und Gefühlen, kleinem Krimskrams, be-
langlosen Interessen und Aufgaben usw. (... )
In der Jugend - manchmal auch später - verfügen wir
über die Fähigkeit, die Tiefe der menschlichen Seele

21 Vgl. Anm. 13.

lO8 109
durch diese Empirie hindurch zu erfassen. Mit zuneh- li chen Leben loszureißen und zum Wesentlichen vorzu-
menden Jahren zwingt uns der ständige Konflikt mit ~ toßen, von der empirischen zur numenalen Sphäre,
dem Alten Menschen in uns zur Vorsicht diesem gegen- dorthin, wo Wahrheit, Friede und Freude herrschen.
über - dazu ruft uns ja auch der Erlöser auf. Ich möchte Folge dem Erlöser - er ist der Weg, die Wahrheit und das
mich nicht länger darüber auslassen, obwohl es noch Leben. Er ist die Türe; nur durch ihn können wir die
manches dazu zu sagen gäbe. Ich hoffe, daß Du mich Wahrheit und das ewige Leben erlangen, nur mit seiner
auch so verstehst. Ililfe der Eitelkeit und dem Reich des Teufels entkom-
Vor einigen Tagen habe ich - zwar nur sehr flüchtig- men.
die "Brüder Karamasow" wieder gelesen. Da wird wahr- Bleibe gesund. Der Herr behüte Dich.
haftig die Seele freigelegt! Neben Dostojewskijs Psycho-
logie nimmt sich die wissenschaftliche Psychologie wie
eine jämmerliche Parodie aus. Ich war einst so naiv daß
ich zur Erkenntnis der Seele zu gelangen glaubte i~dem *
ich Psychologievorlesungen besuchte. Wie viele Dumm-
heiten macht man als junger Mensch, wenn einen nie- Lieber ... !
mand leitet und führt! Ich tappte tatsächlich im ... Der hl. Isaak der Syrer schreibt in seiner zweiten Ho-
Dunkeln. Der "Fürst der Welt" blendet die Menschen milie: Versuche in deine innere Kammer zu gelangen,
derart, daß sie sich wie Blinde vortasten und deshalb von und du wirst die himmlische Kammer erblicken, "denn
einer Pfütze in die andere treten. die beiden sind identisch, und wenn du die eine betrittst,
Wenn man ihre Ergebnisse als eine absolute Größe siehst du beide. Die Leiter des himmlischen Reichs ist in
auffaßt, ist die Wissenschaft eine Lüge, wird doch die dir, versteckt in deiner Seele. Vertiefe dich in dich selbst,
Wissenschaft von morgen diejenige von heute widerle- und du wirst dort die Sprossen finden, auf denen du auf-
gen. Die Kunst ist zum größten Teil eine bewußte Fäl- steigen kannst."
schung, und was die Politik betrifft, war sie schon immer Der Herr hat gesagt: "Das Reich Gottes ist inwendig in
voller Lug, Trug und Verbrechen, und alles hat man als euch" (Lk 17,2 I). Deshalb schreiben die heiligen Kir-
das Gegenteil ihrer Losungen aufzufassen. Was man chenväter allen so eindringlich vor, nach Möglichkeit
schließlich das "Leben" nennt, ist alles eitel, ganz eitel unablässig das Jesusgebet zu sprechen. Durch dieses
und nur eitel; besonders herrscht schreckliche Kleinlich- nämlich gelangt der Mensch zu sich selbst. Ich schreibe
keit, Leere und Lüge ohne Ende. Kurz, eine "Zeit der darüber deswegen jetzt, weil es während der langen Got-
Lüge" und das Reich des Fürsten dieser Welt. tesdienste, gerade in den Großen Fasten, besonders be-
Ich schreibe diesen Brief am Morgen, mit frischen quem und leicht ist, das Jesusgebet zu praktizieren, und
Kräften, weshalb ich auch zuviel geschwatzt und mich zwar über längere Zeit. Ich rate Dir dringend, die Rat-
ins Gebet der "Philosophie" vorgewagt habe. schläge der heiligen Kirchenväter nicht in den Wind zu
Mein Lieber, versuche Dich vom eitlen und oberfläch- schlagen. Auf jede erdenkliche Weise will uns der Teufel

IIO III
von diesem Gebet abhalten. Man muß das wissen, sich hd)t sich der Mensch gleichsam von der Erde ab; er wird
dagegen zur Wehr setzen und sich zu diesem wundervol- 1111 alles kriechende Getier unerreichbar und frei wie ein
len Gebet zwingen. Vogel, dem der Käfig aufgetan wird. Das meinen die hei-
Der Herr hat uns gezeigt, wie wir schon hier auf Erden ligen Kirchenväter, wenn sie sagen: "Löse dich von der
den Weg in sein Reich einschlagen können; wir aber su- lirde."
chen klägliche Brosamen der Wahrheit in Wissenschaft, Wir aber haben uns im Gegenteil von Gott gelöst und
Philosophie und wo sonst noch immer, anstatt der lillS an die Erde gebunden; wir kriechen auf ihr herum
Wahrheit selbst nachzugehen, im Evangelium und bei IIl1d ernähren uns von Staub, d. h. von den Leidenschaf-
den heiligen Kirchenvätern, die das Evangelium in ih- tl'lI, und quälen uns selbst und unsere Mitmenschen.
rem Glaubensleben verwirklicht haben. Wie jämmerlich Wir gehen im Schein unseres eigenen Feuerchens und
sind wir - verdammen uns selbst zu einer unglückli- schirmen uns vor dem Licht Gottes ab. Der Teufel ver-
chen, halbtierischen Existenz und machen dazu noch sprach Jesus Christus alle Reiche der Welt, wenn er sich
die Mitmenschen für unsere Probleme verantwortlich. Ihm beuge, bei uns aber braucht es nur ein Linsengericht
Nach unseren Taten werden wir empfangen. (vgl. I Mos 25,27-34)' und schon verbeugen wir uns
... Wie steht es mit der Gesundheit von Vater Pitirim? lind dienen mit Übereifer, ohne dies zu bemerken. So er-
Gott liebt ihn sichtlich, da er ihm Leiden schickt, ohne hlindet die Seele an der Eitelkeit des Lebens. Gedenken
die heute niemand erlöst werden kann. Wenn er nur wir wieder der Worte: "Hütet euch, daß eure Herzen
nicht dagegen aufbegehrt ... nicht beschwert werden mit Fressen und Saufen und mit
Ich will Dir noch etwas sagen, was mir eben wieder in Sorgen der Nahrung" (Lk 21,34). (... )
den Sinn gekommen ist: Wenn Du in den Vorlesungen Verzeihe die ungefragten Ratschläge. Vielleicht bleibt
sitzest, nicht zuhören magst und auch nichts anderes etwas davon hängen, und ich erleichtere dadurch meine
tun kannst, willst Du da nicht das Jesusgebet "üben"? Seele - doch rede ich nur und tue nicht, was ich tun
Dieser Ausdruck wird sehr oft verwendet, doch er be- muß. Weh mir!
weist, daß die betreffenden Leute nicht wissen, was das
Gebet ist. Nicht "üben" sollen wir ein Gebet - warum
denn nicht gleich von "Training" sprechen -, sondern
uns mit größter Ehrfurcht vor Gott hinstellen und den *
Namen Gottes im Bewußtsein unserer völligen Unwür-
digkeit aussprechen und in der Hingabe an seine Gnade Lieber ... grüß Dich!
und sein Erbarmen aufmerksam und ehrfürchtig die . .. Ich nehme an, daß Dich Vater P. über das abgefragt
Worte des Gebetes aufsagen. hat, was Ihr nicht glaubtet vorzubereiten müssen; er hat
Das rechte Gebet wird dem Herzen sehr rasch zeigen, das wohl absichtlich getan, und Du bist durchgefallen.
wie man zu beten hat ... Uns ist ja das Gebot gegeben: Gräme Dich nicht, sondern übe Demut. Wir alle haben
"Betet ohne Unterlaß" (I Thess 5, n). Durch das Gebet lIochmut und Selbstsicherheit im Überfluß. Wir müs-

112 II3
sen uns wirklich sehr oft eine Blöße geben, um unsere Ilicht irgendwelche Gottesgaben erhalten, ohne Schaden
Begrenztheit zu verstehen und zu begreifen, daß wir .:11 nehmen. Deshalb wird auch vorausgesagt, daß in der
Gottes Hilfe ständig nötig haben. Wenn alle unsere seeli- hldzeit angesichts des zunehmenden Stolzes die Men-
schen Kräfte durch die Sünde verdorben sind, so gilt das ~t"hen nur gerettet würden, indem sie ihre Leiden und
ganz besonders für das Bewußtsein unserer Persönlich- Ihre Krankheiten erdulden; die Glaubenstaten aber wür-
keit, für unser Ich. den ihnen genommen.
Als Ebenbild Gottes, als dazu Berufener, Gottes Kind Danke deshalb Gott für dieses und für andere Vor-
und Teilhaber am Wesen Gottes zu sein, ist der Mensch kommnisse, danke auch den Werkzeugen der Vorse-
tatsächlich eine große Kostbarkeit, die mehr wert ist als Illlng, durch welche uns der Herr Demut lehrt. Wen der
die ganze Welt. Wir sollten dies realisieren, Gott dafür I Jerr liebt, den straft er ... Gelange durch Erfahrung zu
danken und uns dementsprechend verhalten - aber wie den Wahrheiten des Christentums.
steht es damit? Entweder verkennen wir unsere Größe, Das Priesterseminar vermittelt einige theoretische
oder wir verlieren aus Verdorbenheit unser ganzes Ich in Kenntnisse über das Christentum. Mit diesen Kenntnis-
Lappalien, kämpfen für unsere engherzige Eigenliebe, ~l!n ist es auch einem durchaus verdienten Träger des
brüsten uns, sind überheblich und machen uns so vor I )oktortitels der Theologie möglich, nicht nur nicht an
Gott und den Menschen unmöglich. Diese Verkommen- hristus zu glauben, sondern auch die Existenz Gottes
heit ist schlimmer als die anderen Sünden und läßt sich zu leugnen. Einzig die Erfahrung und der tatsächliche
auch schwerer heilen, da sie den Grund unserer Seele, Umgang mit Christus verleihen den lebendigen, sehen-
unser Fundament, unser Ich berührt. den Glauben. Erworben werden sie mit viel Leid, Versu-
Das Mittel zur Behebung dieses Leidens ist die Demut, chungen, mit Fallen und Wiederaufstehen u. a., was alles
die deshalb auch so wertvoll ist. Ich sage dies ungefähr, zunächst zur Demut hinführt, von der es mehrere Stu-
ohne den Gedanken genau zu formulieren. Das Thema fen gibt, und später auch zu den geistlichen Gaben. Bitte
ist zu weit und zu komplex, als daß es in einigen Sätzen Gott um die Weisheit, Dir auch Deine Sünden und Ver-
abgehandelt werden könnte. Bis ans Ende des Lebens suchungen zunutze zu machen, damit sie Dein geistli-
muß jeder Mensch gegen sein lügenhaftes, sündiges Ich ches Wachstum fördern. Das wichtigste aber ist, stets
ankämpfen. Der Maßstab des Erfolgs im geistlichen Le- das Reich Gottes zu suchen.
ben ist die Tiefe der Demut. Deshalb sollen wir von der Der Herr behüte Dich und geleite Dich auf seinem
Hand Gottes jede Erniedrigung, Beleidigung und Krän- Weg ins ewige Leben.
kung, ja unser Fallen und alles, was sonst noch der Un- Verkaufe den Herrn weder für kleine noch für große
terdrückung unseres unechten Ichs dient, akzeptieren, Dinge. Besser die Armut von Alexios dem Gottesmen-
und zwar nicht mürrisch, sondern dankbar. Aber auch schen als die Reichtümer und aller Ruhm dieser welt! 22
wenn wir dies bis ans Ende des Lebens tun, vermögen wir
uns nicht vollständig von der Eitelkeit und vom Hoch- 11 Der hl. Alexios von Edessa, in der russischen Kirche bekannt uno
mut zu befreien. Ohne Demut kann der Mensch auch ler dem Beinamen der Gottesmensch, wurde ca. 360 in Rom als Sohn

I 14 115
Triff ein für allemal Deine Wahl, und halte Deinen Weg Das Herz des neuen Menschen ist fähig, jene Zu-
gegen alle Widerstände ein! Htände zu "fühlen", von denen geschrieben steht, das
(... )
Auge habe sie nicht gesehen, das Ohr nicht gehört und
da s Herz (das leibliche, das seelische, das "alte") nicht
* wahrgenommen.
Ich habe geschrieben "fühlen", doch das ist ungenau.
1962
Man kann sagen: erleben. Dieses Erleben ... und schon
Geistlich ist ein Mensch, wenn er den Heiligen Geist an halte ich wieder inne im Schreiben; der Ausdruck hat
sich gebracht hat und selbst zum Tempel des Heiligen eine subjektive Färbung, und ich spreche deshalb besser
Geistes geworden ist. "Ihr seid Gottes Tempel, und der von Wahrnehmung. Diese Wahrnehmung durch das
Geist Gottes wohnt in euch" (I Kor 3,16). Herz also ist so von Glückseligkeit und unsäglicher
Wie man den Heiligen Geist erwerben kann, darüber Freude bestimmt, daß sie die ganze Seele des Menschen
sprechen das Evangelium und - besonders ausführlich - crfaßt und ihn mit größter Dankbarkeit zu Gott als
die heiligen Kirchenväter. Das müssen Sie wissen. Quelle dieses Zustandes, mit Liebe zu ihm und mit dem
Welches sind die Kennzeichen des geistlichen Men- Wunsch erfüllt, alle Qualen und Leiden für ihn zu ertra-
schen, wie sie von den Kirchenvätern beschrieben wer- gen. Dies um ihm zu danken, ihm Gegenliebe zu erwei-
den? Der geistliche Mensch unterscheidet sich grund- sen und um dieser Wohltaten nicht verlustig zu gehen.
sätzlich vom seelischen oder vom leiblichen, was hier "Wie soll ich dir, 0 Herr, für alles vergelten, was du
fast gleichbedeutend ist. Jener ist der neue Mensch, die- mir getan?" So richtet sich auch der Wille des Neuen
ser aber - der seelische - der alte. Was ist an jenem neu? Menschen gänzlich auf die Liebe und die Dankbarkeit
Alles: der Verstand, das Herz, der Wille, der ganze Zu- zu Gott, auf den Wunsch, in allem nicht nach dem eige-
stand, sogar der Körper. nen Willen, sondern nach dem Willen Gottes zu han-
Der Verstand des neuen, des geistlichen Menschen deln.
vermag weit entfernte Begebenheiten wie auch Vergan- Kurz, der Mensch, der den Heiligen Geist erworben
genes und manches Zukünftige zu erfassen; er begreift hat, erneuert sich von Grund auf, und er wandelt sich in
das Wesen der Dinge, nicht nur deren Erscheinungen; er seinem Verstehen, in seinem Herzen und in seinem
sieht die Seelen der Menschen, der Engel und der Dämo- Wollen.
nen, und vieles aus der geistlichen Welt, dem Jenseits, Auch der Leib des geistlichen Menschen verändert
offenbart sich ihm. "Wir haben Christi Sinn", sagt der sich und wird teilweise dem Leib Adams vor dem Sün-
"geistliche" Apostel Paulus (I Kor 2, 16). denfall ähnlich und damit zu "geistlichen Erfahrungen"
fähig (auf dem Wasser gehen, ohne Nahrung auskom-
eines wohlhabenden Senators geboren. Am Tage seiner Heirat verließ men, augenblickliches Überwinden großer Entfernun-
er heimlich sein Elternhaus und lebte insgesamt 34 Jahre unerkannt gen usw.).
als Bettler und Asket in Edessa und in Rom.
Der Zustand der Geistlichkeit schenkt dem Men-
116
II7
schen zudem Erlebnisse und Wohltaten, die der Apostel dell Menschen geistlich sind und noch im Zustande des
Paulus in die Worte faßt: "Dieser Zeit Leiden sind der Alten verharren. Im besten Fall erkennen wir dies,
Herrlichkeit nicht wert, die an uns soll offenbart wer- k.ll11pfen und bemühen uns um das Geistliche, tun je-
den" (Röm 8, 18). Der hl. Seraphim hat die Übereinstim- doch nicht genug dafür. Wir sind auch fähig, geistliche
mung mit den alten Kirchenvätern darüber so gespro- Menschen zu schätzen, nicht aber, sie zu erkennen und
chen: Wenn der Mensch um jenen Zustand der ,'11 begreifen, und halten sie aus fremder Meinung geist-

Glückseligkeit wüßte, den es schon hier auf Erden und lich, und auch dies meist fälschlicherweise.
um so mehr im künftigen Leben gibt, wäre er bereit, tau- Der leibliche Mensch schließlich ist noch tiefer als der
send Jahre in einer Grube voll scheußlichen, an seinem ~l'elische einzustufen. Der Begriff "alt" kann auf beide
Körper nagenden Getiers auszuharren, nur um jenen Zu- .lllgewendet werden: Keiner von ihnen ist erneuert. Und
stand zu erreichen 23. doch ist der leibliche Mensch gröber als der seelische,
Hier noch kurz etwas zum Begriff des geistlichen Illateriellerj er glaubt weniger oder überhaupt nicht an
Menschen und des Geistlichen überhaupt. In den Sakra- Icsus Christus, vom Geistlichen aber hat er nicht die ge-
menten der Taufe und der Firmung 24 kleidet sich der Iingste Vorstellung (vgl. Gal 5,19-21).
Mensch in Christus (vgl. Ga13,27) und in den Heiligen Ich weiß nicht, ob diese Erläuterungen Euch zufrie-
Geist, und es hängt vom freien Willen des Menschen ab, denstellen. Schreib mir, wie Ihr dies aufgenommen habt,
ob er sich ganz vom Sauerteig des Reiches Gottes durch- I)u und die anderen. Sag niemandem, woher Du diese
dringen lassen will (vgl. Mt 13,33), ob er selbst der Sauer- Erklärung hast.
teig des Heiligen Geistes und ein neuer Mensch nach Die weltlichen Menschen (d. h. die seelischen und die
dem Vorbild Jesu Christi werden oder all dies durch ein leiblichen) nennen jene "geistlich", die ein Priesteramt
Leben nach dem Gesetz des Alten Menschen unterdrük- bekleiden, oder die Mönche oder sogar schon jeden, der
ken will. ein bißchen im Psalter zu lesen anfängt, zur Kirche geht
Der seelische, der "natürliche" Mensch dagegen lind geistliche Bücher liest.
nimmt nicht an, was von Gottes Geist ist, da es "ihm Aus dem Gesagten wird ersichtlich, wie falsch das ist.
eine Torheit ist" (I Kor 2, 14). Das sehen wir auf Schritt Desgleichen nennt man viele Bücher geistlich, sobald sie
und Tritt, da ja weder wir selbst noch die uns umgeben- von geistlichen Dingen handeln.
Dabei gibt es fast keine geistlichen Bücher. Geistlich
23 Seraphim von Sarow, weltlicher Name Prochor Moschnin sind nur die Heilige Schrift und die Werke der heiligen
(17 6 0- 18 33), führte 55 Jahre lang ein strenges asketisches Leben als Kirchenväter. An ihnen kann man durch Erfahrung ein
Mönch, teilweise in völligem Schweigen und in absoluter Klausur. Seit
182 5 wirkte er als Starez für Tausende, die bei ihm Rat und Trost such- bißchen verstehen lernen, was geistlich ist. Vergleiche
ten. Die russische Kirche sprach ihn 1903 heilig und sanktionierte da- die Schriften von Ignatij Brjantschaninow mit denjeni-
mit die große Verehrung, die er beim Volk genoß. Er gilt als einer der gen irgendeines Theologieprofessors! 25
bedeutendsten Heiligen Rußlands der neueren Zeit.
24 Taufe und Firmung werden in der orthodoxen Kirche zusammen ge.
spendet. I' Vgl. Anm. 13.

I I 8 119
Hier noch zwei Zitate, die das Gesagte bekräftigen:
"Diese sind (... ) Fleischliche, die da keinen Geist haben" c,uß' Dich, ... !
(Jud 19). "Das ist nicht die Weisheit, die von oben herab- I leine Briefe habe ich erhalten. Ich will kurz auf einige
kommt, sondern irdisch, menschlich und teuflisch" (Jak ... tellen eingehen.
3, 15)· "Der Mensch kann das Gute aus eigener Kraft nicht
In den Schriften der heiligen Kirchenväter steht viel tun, und zwar nicht deswegen, weil er ein gefallenes We-
über das Geistliche, über die Vergöttlichung des Men- H 'n ist, sondern wegen seiner ihm in der Schöpfung ver-
schen durch die Gnade und über den leiblichen und den liehenen Natur." Woher hast Du diesen unsinnigen
seelischen Zustand. <..edanken! Ihn kann ein Christ tatsächlich nur äußern,
Leider haben die seelischen und die leiblichen Men- wenn er nicht normal ist. Was hätte es dann für einen
schen keinen Sinn für die Lektüre geistlicher Bücher. Sinn gehabt, Gebote zu erlassen? Das Gute ist ja die Er-
Wenn sie aber nur mit dem Verstand lesen, bleiben sie fOllung der göttlichen Gebote. Wie kann die Erfüllung
kalt und hungrig, verstehen die Kraft des Geschriebenen der Gebote zur Bedingung des Heils gemacht werden,
nicht und geben das Lesen auf, um sich den Theologie- wenn der Mensch von seiner Natur her außerstande
professoren zuzuwenden. wäre, sie zu befolgen?
Ziehe aus meinem Geschreibsel nicht den Schluß, ich Vor dem Sündenfall war der Mensch frei, das Gute zu
hätte das Geistliche im Menschen aus eigener Erfahrung wählen und zu tun, nachher wurde er zum Sklaven der
erkannt. Nein. Doch dem Suchenden gibt der Herr ge- Sünde. Der hl. Symeon der Neue Theologe 26 sagt, der
mäß seinem wahrhaftigen Wort, besonders am Anfang Mensch habe mit dem Sündenfall die Freiheit verloren,
des Weges, etwas von den künftigen Glückseligkeiten zu das Gute zu tun, und geblieben sei nur die Freiheit, das
kosten, um ihn zur weiteren Suche zu ermutigen. Davon Gute zu wählen, es vorzuziehen, es zu wollen. Um es zu
sprechen alle, die es erfahren haben. tun, muß sich der Mensch im Gebet an Gott wenden,
Wir aber, kaum haben wir eine bescheidene Erkennt- auf daß er uns die Kraft gebe, das Gute zu vollbringen,
nis gewonnen, kehren wie Hunde zu unserem Auswurf das wir wollen. Der hl. Isaak der Syrer sagt dasselbe.
zurück und gehen so der himmlischen Wohltaten verlu- Das Ungenügen in der Erfüllung der Gebote wird
stig. Was bleibt - und auch das nur bei einigen wenigen durch die Zerknirschung des Herzens wettgemacht.
- ist das Trauern über das verlorene Paradies, ohne daß Ich erdreiste mich zu sagen, daß die Zerknirschung
man sich indes anstrengen würde, dahin zurückzukeh- und das Weinen des Herzens über die Übertretungen der
ren (... ) Gebote wertvoller sind als deren Erfüllung aus eigenem
Bleibe gesund. Es behüte Dich der Herr vor dem Leib- Willen. Letztere nämlich führt zum Stolz, wodurch das
lichen und vor dem Teufel. Gute wieder zunichte gemacht wird. Die Zerknirschung

26 Byzantinischer Heiliger, Mystiker und geistlicher Schriftsteller

1949- 1022 ).

120 121
des Herzens dagegen ersetzt (durch Gottes Gnade) die gu- wollte tun und das, was er nicht hat tun können, durch
ten Werke und hält den Menschen in Demut, ohne die Il'rknirschung "ergänzen".
alle guten Werke eitel, ja verderblich sind. übrigens verwenden wir die Begriffe "Zerknirschung
Du fragst mich, ob folgender Gedanke des Bischofs dl's Herzens", "Weinen des Herzens", wissen jedoch
Theophan wahr sei: "Die Gnade wirkt nur auf den Ver- kaum oder zuwenig, was sie bedeuten und welches ihre
stand und auf die Gefühle ein, den Willen des Menschen WIrkung ist. So ist es auch in anderen Fällen: Wir ge-
aber läßt sie unangetastet." 27 hrauchen Wörter, deren Kraft wir nicht erahnen ...
Es gilt allgemein, daß der Herr (die Gnade an sich) dem Hier ist alles beim alten. Wir warten. Bleibe gesund.
Willen des Menschen keine Gewalt antut. Das erzwun- l)cr Herr lenke Dich zu allem Guten!
gene Gute ist nicht das Gute. In diesem Sinne scheint der
Gedanke des Bischofs Theophan richtig. An der Hypo-
these aber, die Gnade wirke nur auf den Verstand und
die Gefühle ein, und dies geschehe zur Rettung des Men-
*
schen, um ihm das Auffinden der Wahrheit und des
Heils zu erleichtern, sind einige Abstriche zu machen. Lieber ... !
Die menschliche Seele besteht ja nicht aus einzelnen, I leute habe ich Deinen Brief über die Heiligkeit der Kir-
voneinander unabhängigen Bestandteilen - Verstand , che erhalten. Bevor man der Frage nachgeht, warum sie
Gefühl, Wille usw. -, sondern sie bildet eine wesensmä- heilig ist, muß man die Kirche definieren oder einen Be-
ßige Einheit. Die Läuterung oder die Erleuchtung von griff von ihr geben. Was ist die Kirche? Sie ist der Leib
Verstand und Herzen wird auch gnadenvoll auf die Christi (Kol I,24). Ihr Haupt ist Christus (Kol I, I8). Bei
ganze Seele, folglich auch auf den Willen, einwirken. ,ott gibt es weder die Vergangenheit noch die Zukunft j
Hilft der Verstand der Asketen, der die Wahrheit und es gibt einzig die Gegenwart. "Wie er (Gott) uns denn er-
die Folgen der Sünden klar erkennt, und hilft das Herz, wählt hat durch denselbigen (Christus), ehe der Welt
das zu Gott strebt, etwa nicht der Seele, den Weg des Grund gelegt war ... und er hat uns verordnet zur Kind-
Heils, den Weg zu Gott, zu finden? Und wer den Weg ab- schaft gegen ihn selbst durch Jesum Christ, ... an wel-
lehnt, der zur Finsternis, zum Bösen und ins Verderben chem wir haben die Erlösung durch sein Blut, die
führt, erfährt eine indirekte Einwirkung auf seinen Wil- Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner
len. Man kann das oben Gesagte wiederholen: Wenn der Gnade" (Eph I, 4-5· 7)·
Mensch das Gute sieht und auf dem Pfade des Heils wan- Die an Christus glauben, werden durch das Sakrament
deln will, muß er dazu Gott um Hilfe bitten, das Ge- der Taufe zu Gliedern der Kirche, und im Sakrament der
Kommunion verbinden sie sich zu einem Leib und zu ei-
nem Geist mit dem Herrn. Wenn sich ein Mensch in
27Gemeint ist wohl der russische Bischof Theophan IG. W. Go- Worten oder Taten nicht bewußt vom Herrn lossagt,
worowl, genannt "der Einsiedler", Autor asketischer und exegetischer
Schriften. Starb 1894. den Geboten des Evangeliums gemäß zu leben bemüht

I22 I23
ist und seine Verfehlungen bereut, ist er nicht potentiell, Es erstaunt mich nicht, daß die bulgarischen Professo-
sondern real heilig, da er ein Glied der Kirche und ein Il'n - wie auch viele der unsrigen, wenn nicht gar alle -
Teil des Leibes Christi ist. ~Ich von protestantischen Arbeiten inspirieren lassen
Durch schwere und willentliche Sünden fällt der lind sogar deren Auffassungen übernehmen. Der Prote-
Gläubige vorübergehend von der Kirche ab und kann ~t:lntismus ist Intellekt und äußeres Wissen, die Ortho-
sich durch die Reue, diese "zweite Taufe", wieder mit doxie dagegen das sakramentale Leben in Christus.
ihr verbinden. Der Beichtvater liest über dem Beichten- Manche Menschen haben zu leben aufgehört - es ist
den die Worte: "Versöhne und vereinige ihn, 0 Herr, mit leichter, große Überlegungen anzustellen als an sich zu
deiner heiligen Kirche ... " Zeigt der Sünder dagegen .Irbeiten, den Alten Menschen in sich zu bekämpfen, zu
keine Reue, verharrt er außerhalb der Kirche. beten usw. "Das Christentum entfernt sich unmerklich
?er Mensch ist nach dem Ebenbild Gottes heilig; des- von den Menschen, es bleibt einzig die Heuchelei zu-
gleIchen ist er heilig, weil er sich im Sakrament der rück." Das sind Worte des hl. Tichon von Sadonsk 28, zi-
Taufe in Christus "einkleidet", und besonders heilig ist t iert von Bischof Ignatij Brjantschaninow.
er, wenn er Leib und Blut Christi empfängt. Es behüte Dich der Herr!
Wenn er die Sünde bekämpft und trotz Verwundun-
gen seinen Kampf fortsetzt, Reue zeigt, von Gott Verge-
bung und Hilfe erbittet, ist er ein heiliger Soldat Christi
der im Kampf gegen die Sünde manche geistliche~
*
Schätze erwirbt, deren er auf andere Weise nicht hätte Lieber ... !
habhaft werden können. Wie der menschliche Leib !eh gratuliere Dir, wenn auch mit Verspätung, zum Na-
fremde Stoffe durch ein Geschwür abstößt, entfernt der menstag und zum Geburtstag. Ich fühlte mich in letzter
Herr auch die Fremdkörper aus der heiligen Kirche, oder Zeit schlecht und konnte mich gar nicht dazu aufraffen,
genauer gesagt, sie selber fallen von der Kirche ab. Des- zur Feder zu greifen.
halb bleibt sie auch stets heilig. Sie ist der sakramentale Du bist 25 Jahre alt geworden. Du bist schon ein er-
Leib Christi, die Säule und die Grundfeste der Wahrheit. wachsener Mensch. In der Jugend machen alle einen gro-
Der vielgepriesene Verstand kann dies nicht begreifen ßen Fehler, indem sie auf die Zukunft verschieben, was
dazu i~t Glaube nötig. "Ich glaube an die eine, heilige: sie unter Aufbietung aller Kräfte jetzt tun sollten.
katholIsche und apostolische Kirche."
Wer durch Erfahrung in das Geheimnis des Christen- l8 Tichon von Sadonsk, weltlicher Name Timofej Sokolow
tums eindringen will, muß alle seine Kräfte auf das geist- (1724-1783), Bischof, geistlicher Schriftsteller, Pädagoge, Prediger, von
liche Handeln richten und soll nicht versuchen alles der russischen Kirche 1861 heiliggesprochen. Seine Hauptziele waren
. . ' die innere Erneuerung des Priesterberufs und die Gründung bzw. die
~.ur mIt semem Intellekt zu verstehen. - Dies einige Verbesserung der Volksschulen und der geistlichen Lehranstalten. Die
Uberlegungen zu dem von Euch angeschnittenen letzten 16 Jahre seines Lebens verbrachte er als hochverehrter Starez
Thema. im Kloster von Sadonsk (Gebiet Woronesch).

12 4 12 5
Und als Ergebnis davon schwindet die Zeit, der tl'll . Verurteile niemanden. Hüte Dich dabei vor dem
Mensch altert, die Bedingungen können sich zum Ilochmut als der giftigsten Schlange, die alles Geistliche,
Schlechteren wenden, oft läßt uns die Gesundheit im das Du erworben hast, töten und vernichten kann.
Stich - und wir tun nicht, was wir hätten tun müssen , Das ist mein Vermächtnis zu Deinem 25. Geburtstag
wozu uns der Herr aufgerufen hatte und was Verstand IU r Dein ganzes restliches Leben. Wie es äußerlich ausse-
und Herz längstens wußten. Dann bleibt nur noch , das hl!n wird, bleibt dem Willen Gottes überlassen, jedoch
frühere fruchtlose Leben zu bedauern und Buße zu tun. ~()Il man stets in seinem Handeln und in seinen Gedan-
Gedanken tauchen auf: ,Wenn es möglich wäre, das ken und in seinem Herzen mit Gott sein. Dann wird al-
Leben wieder von vorne anzufangen, beginge ich man- I ' . gut. Das Solideste - die Wissenschaft - verwirft heute
chen Fehler nicht mehr.' Das stimmt überhaupt nicht. die Gesetze von gestern. Die Kunst ist käuflich gewor-
Wie im Apfelkern ein ganzer Apfelbaum und nicht eine den und dient den Leidenschaften. Auf die Menschen ist
Espe angelegt ist, so ist auch jede individuelle Persönlich- kein Verlaß. In Gott allein ist Festigkeit und Friede, Ver-
keit in ihrem Wesen etwas "Unaustauschbares". stand und Freude und ein unerschütterlicher Fels gegen
Der äußere, empirische, Alte Mensch kann und muß die Stürme des Lebens.
in den neuen umgewandelt werden, der sich nach den Wie gerne möchte ich, Du nähmest diese Worte nicht
Geboten des Evangeliums ausrichtet. Ilur mit den Ohren auf, sondern mit Deinem ganzen Le-
Deshalb gilt folgende allgemeine Regel: In jedem Al- ben! Das schenkte Dir Rettung, Freiheit von den Men-
ter, unter beliebigen Umständen und in jeder Tätigkeit schen und den Umständen und ein friedliches Dasein
muß man gemäß dem Evangelium handeln. So wird es mitten im bewegten Meer des Lebens. Ich spreche von
keine Fehler geben und auch nicht spätes Bedauern und ganzem Herzen und aus aller Kraft. Ich rate Dir, darüber
späte Reue. Ob der Erfüllung der evangelischen Gebote nachzudenken und entsprechend zu handeln: Es sind die
wird die Persönlichkeit des Menschen, sein göttliches ,ebote des Herrn Jesus Christus! Ich erinnere Dich nur
Ebenbild, sein numenales Wesen wachsen, sich als Got- daran. Wenn wir an die Existenz Gottes und an Gottes
tes Ebenbild erkennen, sich der äußeren Welt widerset- ohn glauben, müssen wir auch seine Worte aufnehmen
zen und sich über sie erheben. Der Mensch wird eine wie ein unabänderliches Gesetz, dessen Erfüllung irdi-
reale, durchaus wahrnehmbare und fühlbare Verbin- sches Wohlergehen und Rettung bringt. Amen.
dung mit Gott aufnehmen, eine Verbindung, die so stark
ist, daß keine Winde und Stürme dieser Welt sie ins
Wanken bringen können.
Fazit aus dieser Weitschweifigkeit: Fange heute an, *
sorgfältig auf Dich achtzugeben; übertrete nach Mög-
lichkeit nicht das geringste Gebot des Evangeliums, sei es Hochverehrter, lieber Vater M.!
mit der Zunge, dem Sehen, dem Hören, dem Tasten u. a. Obwohl Gottes Ratschluß unerforschlich ist, hat der
Wer im Kleinen treu ist, wird Macht über vieles erhal- Herr seinen Heiligen das offenbart, was den Heilsuchen-

126
127
den frommtj vieles davon ist zu unserem Trost und zu .Ingerechnet werden wie den Arbeitern der elften
unserer Erbauung niedergeschrieben worden. St unde, so als hätten wir unser ganzes Leben asketisch
So legen uns die Heiligen dar, daß es in der Endzeit gelebt. Mehr noch, Antonios der Große, der Abbas Ischa-
überhaupt kein Mönchtum mehr geben würde, und Ilon und andere versichern, daß die Menschen, die in
wenn es an einzelnen Orten äußerlich aufrechterhalten der Endzeit ihr Heil im stillen Erdulden des Leidens su-
bleibe, so ohne die mönchische Askese. chen, noch mehr verherrlicht würden als die alten Vä-
Jene, die das Reich Gottes suchen, werden keine eige- ter 29 • ( ••• )
nen Glaubenstaten vollbringen - das Heil wird allein Durch eure Geduld werdet ihr eure Seelen bewahren.
vom Erdulden von Leid und Krankheiten kommen. I)cr Herr helfe Ihnen, die Ihnen auferlegten Kreuze zu
Warum wird es keine Glaubenstaten geben? Weil in den Ende zu tragen. Amen.
Menschen keine Demut sein wird, und ohne die Demut
bringen die Glaubenstaten mehr Schaden als Nutzen, ja
sie können einen Menschen zugrunde richten, da sie un- *
willkürlich Hochmut und Eitelkeit erzeugen. Einzelne Lieber Vater M.,
asketische Glaubenstaten können nur unter der Füh- Ihren Brief habe ich erhalten. Verzeihen Sie, daß ich ihn
rung ganz erfahrener geistlicher Menschen zugelassen so lange nicht beantwortet habe. Einmal hinderte mich
werden, doch findet man solche heutzutage nicht mehr. die Arbeit daran, ein andermal war ich unterwegsj da-
Der einzige geistliche Vater ist heute der Herr selbst j hel- durch ist recht viel Zeit verflossen. Vor allem aber fällt
fen können auch Bücher, sofern sie vorhanden sind und es mir auch deswegen schwer, Ihnen zu schreiben, weil
verstanden werden. Auf welche Weise führt uns denn Sie weit erfahrener sind als ich, weil Sie mehr erlitten ha-
der Herr? Er läßt Verfolgungen zu, Verspottung, Krank- ben und mehr wissen. Was kann ein Mensch Nützliches
heiten und ein langes, beschwerliches Alter. oder Tröstliches sagen, der sein ganzes Leben in Eitelkeit
Im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt und Eigenwille verbracht hat? Auf Ihre Bitte hin will ich
20,1-16) erhalten die in der elften Stunden Gedungenen trotzdem versuchen, Ihnen einen Gedanken mitzutei-
gleichviel wie die ersten. Dieses Gleichnis läßt sich auf len, der gleichzeitig überrascht und tröstet: Das uner-
uns heutige Mönche und Sucher des Reiches Gottes an- meßliche Universum ist von Gott geschaffen - wie groß
wenden, die wir den ganzen Tag unseres irdischen Le- i t demnach Gottes Allmacht? Im Universum ist alles
bens nachlässig und sorglos verbracht haben. Trotzdem (das Ganze und jeder Teil, etwa im menschlichen Orga-
ruft uns der Herr in seiner grenzenlosen Barmherzigkeit nismus) wunderbar aufeinander abgestimmt - wie groß
gegen Ende unseres Lebens auf, in seinem Weinberg zu muß Gottes Weisheit sein! Und so groß wie Gottes All-
arbeiten, d. h. unser Alter, unsere Krankheiten und den
19 Der hl. Antonios (251-356), genannt der Große, ägyptischer Ein-
Verlust oder die Leiden der uns nahestehenden Men-
siedler und Asket, Ratgeber für Pilger, Vorbild für Tausende von Mön-
schen zu erdulden. Wenn wir, ohne zu murren, all dies chen , die gleich ihm in die Wüste zogen. - Abbas (= Abt) Ischarion,
Schwere ertragen, wird auch uns dieses kurze Ausharren einer der Wüstenmönche.

128 12 9
macht und Weisheit ist auch "Gottes Herz", d. h. Gottes Unsere Seele, das Ebenbild Gottes, strebt danach, sich
Liebe. .In Christi Leiden zu beteiligenj nur unser Kleinmut und
Diese unvorstellbare Liebe zeigt sich uns in der unsere Schwäche fürchten sich davor, obwohl wir gewiß
Menschwerdung des Gottessohnes Jesus Christus, im genug Kraft zum Ausharren hätten.
Hinnehmen von Schlägen, Spott und Hohn und schließ- Nun schickt Gott aus Liebe zu uns jedem nach seinen
lich der Kreuzigung. Diese Liebe ist wahrhaft unvorstell- Kräften Leiden und Krankheiten, gleichzeiitg aber auch
bar und unendlich groß. Die ganze Welt der Engel war die Geduld, sie zu ertragen, um uns zu Teilhabern seiner
bestürzt, als sie Zeuge der Menschwerdung und der Leiden zu machen. Wer hienieden um Christi Willen
Kreuzigung wurde, die der Weltenerschaffer aus Liebe nicht leidet, wird im Jenseits vom Gewissen geplagt wer-
zum gefallenen Menschengeschlecht auf sich nahm. den: Es war möglich, seine Liebe zu Christus unter Be-
Der Apostel Johannes versichert durch den Heiligen weis zu stellen, man tat es aber nicht, da man allen
Geist, Gott habe nicht nur unendliche Liebe, sondern er Leiden auswich und sich vor ihnen drückte. Unser Ge-
sei selbst die Liebe. wissen wird uns vorwerfen, daß wir auf Gottes Liebe
Die Liebe deckt nach den Worten des Apostels Paulus nicht mit unserer Gegenliebe geantwortet haben.
alles zu. Sie deckt auch unsere Sünden, Mängel, Schwä- Danken wir deshalb von ganzem Herzen dem Herrn
chen, unsere Ungeduld, unser Aufbegehren usw. für alles, was ihm auf uns herabzusenden beliebt. Nicht
Der an Christus Glaubende braucht nur seine Schwä- aus Zorn und nicht zur Strafe schickt uns der Herr Lei-
chen und Sünden zu erkennen, und schon läutert und den und Krankheiten, sondern aus Liebe zu uns, obwohl
heilt Gottes Liebe die Wunden seiner Verfehlungen. Die dies nicht alle Menschen immer verstehen. Deshalb
Sünden der ganzen Welt gehen im Meer der göttlichen steht auch geschrieben: Sagt Dank für alles. Man muß
Liebe unter wie ein ins Wasser geworfener Stein. Räu- sich aus ganzer Seele dem trefflichen Willen Gottes
men wir der Niedergeschlagenheit, der Hoffnungslosig- überantworten, der uns erlöst und liebt und uns durch
keit und der Verzweiflung keinen Platz ein! Der Herr hat die kleinen Leiden des Erdenlebens zur ewigen Glückse-
die Menschennatur mit dem Wesen Gottes verbunden, ligkeit und zur Herrlichkeit der Kinder Gottes hinzufüh-
er hat mit seinem heiligen Blut die Sünden der ganzen ren trachtet ...
gläubigen Menschheit abgewaschen und hat uns gefal- Möge dies mit uns allen geschehen. Amen.
lene Menschen zu seinen Söhnen gemacht, er ist in den Verzeihen Sie, liebes Väterchen 30, daß ich mich er-
Himmel aufgestiegen und läßt uns des göttlichen Lebens dreistet habe, etwas zu schreiben. Der Herr wecke in Ih-
und der ewigen Freude teilhaftig werden. rem Herzen Dankbarkeit, größte Ehrfurcht und völlige
Die irdischen Leiden, Krankheiten und Gebrechen des Hingabe an seinen heiligen Willen sowie die Bereit-
Alters werden uns im Jenseits zur Freude gereichen. schaft, aus Liebe zu ihm alles zu ertragen.
Wenn der Herr für uns gelitten hat, wie sollen wir da
nicht - wenigstens in bescheidenem Ausmaß - an den 10 Russisch "Batjuschka"; übliche, liebevolle Anrede an Gemeinde-

Leiden Christi teilhaben! priester.

13 0 I 3I
Liebe L. W., d 'rn das Gebet als Ausdruck eines zerknirschten Her-
(... ) Wenn alle Gebote sich auf zwei zurückführen las- zens. Alsbald ruft es Rührung und Herzenswärme
sen, auf die Liebe zu Gott und zum Nächsten, und wenn hervor, und davon wiederum wird es leicht, das Jesusge-
die Liebe durch die tätige Erfüllung der im Evangelium hct aufzusagen. Das bewußte, innerliche und äußerliche
festgelegten Gebote erlangt wird, muß man auch das Erfüllen der Gebote des Evangeliums, das Wachen und
Wissen dessen erwerben, was auf dem kürzesten und das zerknirschte Jesusgebet sind eine unschlagbare
leichtesten Weg zur Erfüllung dieser Gebote führt. Der Waffe und die einzige, zu welcher wir in unserer Zeit
weltliche Mensch kann sich auf körperliche Betätigung Zugang haben. Diese Gebetsarbeit hält den Menschen
beschränkenj derjenige indes, der seine geistliche Suche stets in geistlicher Spannung und macht ihn weder von
intensiver betreibt, benötigt darüber hinaus eine innere Büchern noch von den Lebensbedingungen, ja nicht ein-
Tätigkeit. Der Herr selbst hat in zwei Worten angegeben, mal vom Gesundheitszustand abhängig. Immer - außer
worin diese besteht und was in schweren Zeiten beson- vielleicht, wenn man sich in eine Arbeit vertieft, die
ders not tut: Wachet und betet (Mk I3, 33). Und zwar starke Konzentration erfordert - und überall ist sie zu-
nicht zu irgendwelchen Stunden, sondern immer. Wa- gänglich.
chen heißt achtgeben auf sich, auf seine Gedanken, auf Ich wünsche Ihnen, daß Sie dies verstehen und sich
seine Worte und Gefühlej achtgeben und alles, was dem dazu erziehen. Legen Sie sich eine bescheidene, Ihren
Evangelium widerspricht, mit dem Jesusgebet vertreiben Umständen und Kräften angemessene Gebetsregel zu-
("betet"). Diese innere Tätigkeit, dieses geistliche Tun er- recht, und erfüllen Sie zur übrigen Zeit nach Möglich-
setzt alles, obwohl auch andere Tätigkeiten zur Erleich- keit Tag und Nacht die Regel unseres Herrn Jesus
terung nicht ausgeschlossen werden. Sich unablässig Christus: Wachet und betet. Dadurch wird es Ihnen
zum Jesusgebet zwingen, ist der beste Beweis, daß der möglich sein, alle kommenden materiellen und seeli-
Mensch mit dem Herrn sein und seine Gebote zu erfül- . chen Unbilden abzuwenden.
len gewillt ist. Vergeben Sie mir, liebe L. W. Schreiben Sie.
Sogar im Tempel sprach der Zöllner nur fünf Worte
und ging gerechtfertigt von dannen. Die heiligen Kir-
chenväter sagen, man könne alle Gebete durch das Jesus-
gebet ersetzen. *
Richtig wird dieses Gebet gesprochen, wenn es von
unablässiger Reue begleitet wird, wenn es Ausdruck der Teure N. M.!
Zerknirschung über unsere Unwürdigkeit, Sündigkeit Verzeih mir, daß ich Deinen lieben Brief so lange nicht
und das Bewußtsein ist, daß wir die Gebote des Evange- beantwortet habe. Ich fühle mich schwach, und die Ge-
liums ständig übertreten. Das Gebet des Zöllners war ein danken an den Tod wollen mich nicht verlassen. Ich
solcher Ausdruck der Zerknirschung. Nicht die Stimme, sehe, daß ich, falls ich das Jahr I963 erleben sollte, es je-
die das Jesusgebet ausspricht, bringt ein Resultat, son- denfalls nicht überleben werde. Persönlich ist mir der

I33
Tod willkommen. Ich weiß, daß es ein künftiges Leben nähere sich der Schlange immer mehr, bis er in ihrem
und Gottes Erbarmen zu uns gibt und daß für all diejeni- Schlund landet ...
gen, die an Jesus Christus glauben, die feste Hoffnung In den Abendgebeten finden sich die Worte: "Entreiße
besteht, in das selige und nicht in das qualvolle ewige Le- mich, oh Herr, der verderbenbringenden Schlange, die
ben einzugehen. den Rachen aufreißt, mich zu fressen und mich lebendi-
Die religiösen Wahrnehmungen sind keine Psycholo- gen Leibes in die Hölle mitzureißen." Dieser Satz ist aus
gismen, sondern sie sind ebenso real wie die Wahrneh- der Erfahrung heraus geschrieben worden. Wer im Wir-
mungen der physischen Welt. Das Erdenleben ist uns kungsbereich dieses Geistes steht, fühlt das selber nicht
nicht zum Genießen gegeben, sondern zur Selbster- lind glaubt auch denen nicht, die sich schon davon losge-
kenntnis und zur Erkenntnis Gottes. Der Mensch muß rissen haben.
sich im Laufe seines irdischen Lebens entscheiden und Es segne Sie der Herr; er behüte Sie vor allem Bösen
unwiderruflich zum Guten oder zum Bösen hin bestim- und geleite Sie nach dem Tod in die ewige Seligkeit.
men, zu Gott oder zum Teufel. Wer Gott und dessen Ge-
rechtigkeit sucht, wird Gott und ein neues Leben finden
- hier auf Erden in seinen Anfängen, nach dem Tode
aber in seiner ganzen Fülle. Der Egoist hingegen, der auf
*
Erden nichts als den Genuß sucht, wird den Teufel fin- Liebe Mutter P., Friede sei Dir und Rettung!
den, und nach dem Tode wird er ins Reich des Gleichge- Du bittest mich, Dir zu schreiben. Wie sich ein Ertrin-
sinnten kommen, in die Hölle, in die Gesellschaft der kender an einen Strohhalm klammert, suchst auch Du
schlimmsten Egoisten und Übeltäter. Unser zukünftiges in Deinem seelischen Durcheinander Unterstützung bei
Schicksal liegt in unseren Händen ... den Mitmenschen. Meine Lebenserfahrung hat mich zur
Verzeih, daß ich vielleicht nicht das schreibe, was Du überzeugung gebracht, daß uns niemand helfen kann,
brauchst. Ich bedaure, daß ich diesen Sommer nicht zu weder wir uns selbst noch andere, sondern allein der
Euch gefahren bin und Euch nicht gesehen habe. Herr.
Es zieht mich weg von diesem Leben und vom Geist Dein seelischer Zustand verschlimmert sich nicht
dieser Welt, einem Geist, der die ganze Welt in seine Ge- nur, sondern wird zeitweilig unerträglich, weil Du wenig
walt genommen hat. Nur von der Seite her können wir Hoffnung auf Gott hast. Du schaust auf Deine Sünden
die ganze Entsetzlichkeit und den ganzen Schrecken die- und glaubst, Du müssest für sie von Rechts wegen im
ser Welt sehen und fühlen. Es gibt nur noch wenige Jenseits und auch schon hienieden leiden usw. Wenn
Menschen, die imstande wären, sich den Einwirkungen man die Dinge so betrachtet, kann man vollends ver-
dieses bösen Geistes zu entziehen. Das ist schrecklich. zweifeln. Darf ein Christ das tun? Wenn der Mensch
Man sagt, der Frosch, der dem Blick der Schlange begeg- durch seine eigenen Vorzüge gerettet würde, hätte Jesus
net, könne sich davon nicht mehr losreißen; er quake in Christus nicht Mensch zu werden und für uns zu leiden
seiner Todesangst, ohne wegspringen zu können, und brauchen. Noch nie ist jemand ausschließlich durch

135
seine eigenen Verdienste ins Reich Gottes eingegangen. he timmt erhalten - das sind die Worte des Herrn. Got-
Der Mensch muß folgendes verstehen: t 'S Wort aber hat die ganze Welt erschaffen und verhin-

I. Er ist "alt", verdorben, gefallen und unwahr, seine d 'rt, daß diese sich in ein Chaos verwandelt. Dasselbe
Seele ist völlig entstellt usw.: Wort sagt uns die Vergebung der Sünden und das ewige
2. er muß sich davon überzeugen, daß er sich nicht aus Leben zu, wenn wir glauben und Buße tun. Gottes Wort
eigener Kraft zu bessern vermag, obwohl er unablässig wird durch die Menschwerdung des Gottessohnes und
seine Sünden bekämpfen und seinen Zustand beweinen durch dessen Kreuzesleiden bekräftigt.
soll; An das alles glaubst Du ja. Warum verzweifelst Du
3. er muß sich an den Herrn wenden wie der Zöllner. denn an Deiner Erlösung? Wie kannst Du annehmen,
"Herr, sei mir armem Sünder gnädig. Ich ertrinke im c.ott schicke Dir - hienieden oder nach dem Tod - Lei-
Meer meiner Sünden, errette mich, Herr Jesus Christus, den, die Deine Kräfte übersteigen? Nein! Deine jetzige
wie Du all jene errettet hast, die Dich um Vergebung ba- Stimmung, Deine Depression, Deine Trauer und das
ten, die Verbrecher, die Zöllner, die Huren usw." Ubrige sind des Teufels. Reich ihm nicht die Hand, ver-
"Gott ist Liebe." Aus Liebe zum gefallenen Menschen- Jage alle trüben Gedanken mit dem Anrufen des Namens
geschlecht hört der Herr nicht auf, sein gewaltiges Opfer Jesu Christi und dem Gebet des Zöllners und danke dem
zu vollziehen. Gott Vater schickt seinen Sohn ans Kreuz , Ilerrn für alles: für seine Liebe zum Menschenge-
der Sohn bleibt bis zum Kreuzestod gehorsam, und der schlecht, für seine Langmut Deinen Sünden gegenüber,
Heilige Geist sucht ohne Abscheu die sündige Seele des flir die Barmherzigkeit, die er Dir und allen Menschen
Menschen auf, um sie zu läutern und zu erlösen 31. erweist, für Deine Krankheit - sei für alles dankbar, füge
Was kann der Herr für unsere Seelenrettung noch I ich seinem Willen und seiner Güte, und Du wirst Er-
mehr tun? Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern leichterung empfangen.
er will, daß dieser sich bekehre und lebe. "Also hat Gott Du leidest für Deinen Mangel an Glauben; Du rich-
die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, test Deine ganze Aufmerksamkeit auf Dich und Deine
auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, Sünden und vergißt darob beinahe die Liebe Gotte .
sondern das ewige Leben haben" (Joh 3,16). Das heißt, Mach es umgekehrt. Gedenke zuerst und stets der Barm
daß jedem die Rettung sicher ist, der an Christus glaubt herzigkeit Gottes und der Kreuzesleiden Christi um U 11 •
und ihn um Erlösung von Sünde und ewiger Qual bittet. serer Erlösung willen, und dann erst Deiner Sünden.
Für unsere Reue verspricht der Herr Vergebung und Mögen Deine Sünden der Anlaß und der Antrieb zu 111
Gnade, und wenn wir bitten, werden wir das Erbetene Gebet des Zöllners und zur Vertiefung ins Gebet sei 11
und nicht Grund zur Verzweiflung.
Sei klug. Erliege nicht den Ränken der Feinde; V'r -
31 Vgl. das Gebet zum Heiligen Geist in der orthodoxen Kirche: achte sie, sprich nicht mit ihnen und gedenke des uns l·r
"Himmlischer König, Tröster I... ) und Lebensspender: Komm und läsenden Herrn. Er lenke hier und im künftigen Lehl'1l
nimm Wohnung in uns, reinige uns von allem Makel und errette 0
Gütiger, unsere Seelen!" ' Deinen Verstand.

1\1
13 6
Friede Deiner Seele, Mutter P.!
Augen hat, dann bleibt nur eine Hoffnung und eine Zu·
Fast alle stecken wir in der Lage eines Menschen der auf t lucht - unser Erlöser Jesus Christus! Bis zu dieser Zeit
einem Bild ein üppiges Gastmahl mit einem Tisdh voller w,lr er fern von uns, oder genauer, wir waren fern von
leckerer Speisen betrachtet, dabei aber hungrig bleibt. IIlIn ; jetzt aber ist er der einzige Erlöser, der vom Him-
Fremdes Brot kann uns nicht ernähren. So lesen wir das 1I1l'I herniedergestiegen ist, uns zu retten, der unsere
Wort Gottes und die heiligen Kirchenväter, so beten Slinden auf sich genommen und deren Folgen ertragen
auch die meisten von uns, d. h., wir sprechen die Wörter 11,11 Er hat mit seiner Liebe unsere Verfehlungen zuge-
fremder Gebete aus, die Seele aber ist hungrig, leer und deckt und uns für unseren Glauben an ihn und für un-
kann ohne Nahrung jederzeit sterben. ,t'rT Reue versprochen, alles zu vergeben, Leib und Seele
Wenn die Zeit der Prüfung unseeres Lebenswerks 11 läutern, die reuigen Sünder schon hier auf Erden im
kommt, stellt sich heraus, daß wir nichts besitzen und ~;Ikrament der Kommunion mit sich zu vereinen (als
daß unser Talent keinerlei Früchte getragen hat, schlim- I'l.lnd für die ewige Vereinigung im künftigen Leben),
mer noch: Wir sind nicht einmal imstande, das erhal- IIll S zu seinen Kindern zu machen und uns dadurch an
tene Talent auch nur zurückzugeben, da wir es wie der dn ewigen Herrlichkeit Gottes teilhaben zu lassen. Dar-
verlorene Sohn in Sünde und in weltlicher Eitelkeit ver- 111 besteht das Christentum!
praßt haben und dabei anderen Menschen noch Lektio- Das ist Gottes Liebe, Gottes Erbarmen mit dem gefal-
nen erteilen. Arme Leute sind wir! Was bleibt uns übrig It'nen Menschengeschlecht. Leid, Bedrängnis, ewige Ge-
zu tun? Unserem Erlöser Jesus Christus gehorsam sein! wi ssensbisse, der ewig nagende Wurm und unauslöschli-
Du fragst, wie Du beten sollst? Christus sagt uns allen I lIe Feuer im Herzen erwartet jene, die diese Liebe
wir sollen beten wie der Zöllner und den Herrn anrufe~ {,ottes verschmähen und Gottes Opfer für uns nicht
wie die Witwe den ungerechten Richter. Der Herr lehrt wlirdigen. Es schweige jeder menschliche Leib und stehe
uns auch hier: Mache Dir Deine Armut, Deine unbe- 111 Furcht und Zittern vor Christi Kreuz 32 und vor Got-
glichene Schuld bewußt, erkenne und spüre Deine Feh- II' S Liebe, die jeden Sünder zur Erlösung durch Glaube
ler vor Gott, vergiß all Deine guten Taten (eigene guten IlIltI Reue aufruft. Christus ist nicht gekommen, die an
Taten haben wir nicht, und gibt es doch welche, sind sie Ihren Sünden erstickende Welt zu richten, sondern sie
durch alle möglichen schlechten Zutaten wie Hochmut 11 retten. Tut Buße, das Reich Gottes ist nah! Sünder, er-
Überheblichkeit, Gewinnsucht usw. verschmutzt) und kl' nnt euer Verderben und eure Schuld; suchet nicht
bitte als der Schuldner und als der verlorene Sohn den Ih'chtfertigung in euren guten Taten. Gesteht euch eure
Herrn um Gnade, d. h. um Vergebung all Deiner Verfeh- '-llhwäche und Ohnmacht ein, euch selbst von euren ver·
lungen. Bitte um nichts anderes denn Gnade. Wenn der ,~,ll1genen, gegenwärtigen und zukünftigen Sünden los·
Mensch im Herzen spürt, daß seine Seele vom Aussatz : lIl11achen. Fleht den einen Allmächtigen, den einen
der Sünde befallen und mit Geschwüren übersät ist, daß
er zu schwach ist, um sich selber zu heilen, und wenn er
.1 All s den Gesängen des Karfreitagsgottesdienstes der russisch ort ho
schließlich den Tod und das Schicksal im Jenseits vor d" xl' n Kirche.
IIl'I r die Buße und die übrigen Sakramente gegeben. Be-
Barmherzigen, den einen Erlöser, unseren Herrn , an ,
11'IH!n wir aufrichtig, vergibt uns der Herr, d.h., er läu-
und er wird euch vergeben, läutern, euch annehmen,
Irrt unsere Seele von den Sündengeschwüren und
eure Not erleichtern, die Seelenqualen abwenden und
Vl'l heißt dem Reuigen das Reich Gottes. Siebenmal im
uns wie den guten Schächer, die Dirne und die anderen
I .I~ tust Du Buße und ebensooft erhältst Du Verzei-
Sünder in sein ewiges Reich aufnehmen ... Amen.
IllIng. Glaubst Du hingegen nicht an Gottes Wort, wirst
1)\1 Dich natürlich fürchten und der Macht der Dämo-
Ill'n verfallen, die Dich quälen werden. Du willst Dich
* IIltenbar wie der Pharisäer auf Deine guten Werke beru-
Il'n wenn auch vielleicht unbewußt. Sei Du aber wie der
Mutter P.! Friede sei mit Dir!
Itil'lner, d. h., überlasse die ganze Rettung der Barmher-
Es ist nicht das erste Mal, daß Du mir von der Angst vor
: I~keit Gottes und nicht Deinen guten Werken, und Du
dem Tod schreibst. Fixierst Du aufmerksam irgendeinen
Wirst aus diesem Leben wie der Zöllner treten, nämlich
Gegenstand, wirst Du ihn klar erkennen, während die
Kl' l cchtfertigt, d. h., Du wirst ins Reich Gottes eingehen.
umliegenden Gegenstände verschwommen erscheinen
Achte auf diesen Aspekt, erinnere Dich daran, daß der
werden. So ist es auch mit der Angst vor dem Tod. Siehst
11 'rr die Menschen nicht zur Qual erschaffen hat, son-
Du den Tod mit den Augen des Alten Menschen und
richtest Du Deine ganze Aufmerksamkeit nur a~f die
.ll'rn zur göttlichen Freude. Der ganze Himmel freut sich
liber jeden bußfertigen und damit geretteten Sünder.
Todesqualen, wachsen diese in Dir ins Unermeßliche
Der Tod ist eine Geburt, und eine Geburt geschieht
und erschrecken Dich. Dazu kommt noch das Wirken
~rltcn ohne Kummer. Doch dieser wird zu Freude, da ein
der Dämonen. Verharrt man in einem solchen Zustand
Mensch für das Reich Gottes geboren wird. Halte Dir
kann man völlig aus den Fugen geraten. Auf den Tod soll
Il'lle Sünde vor, jeden schlechten Gedanken, den Klein-
man gemäß dem biblischen Wort sehen: "Ich habe Lust
IIIUt die Zweifel die sinnlose Angst vor dem Tod: halte
abzuscheiden und bei Christus zu sein" (Phil 1,23)' wie , '
1)Ir das vor und bereue es allsogleich, und so wirst Du
es der Apostel Paulus tat und wie es alle Heiligen taten.
Ruhe und Frieden in der Seele und Hingabe an den Wil-
Das Erdenleben ist eine Verbannung zur Besserung. Wie
Irll Gottes erlangen. Und die ganze Kirche betet für uns:
es froh macht, aus dem Gefängnis oder aus dem Lager
"Pin christliches Ende unseres Lebens, friedlich, ohne
entlassen zu werden, so macht es froh, oder besser ge-
()ual und Schande, und ein gutes Bestehen vor dem
sagt: unendlich froher, aus dem finsteren Erdenleben zu
Iurchtbaren Richterstuhl Christi: lasset uns erflehen vor
scheiden. Du wirst sagen: Gut, wenn man ins Himmel-
drin Herrn ... "33 Stimme auch Du in den Gesang der
reich kommt, was aber, wenn einen die Hölle erwartet?-
Was hindert uns daran, ins Himmelreich einzugehen? Es Kirche ein.
steht geschrieben: "Erfülle das Gebot", dann wirst Du ge-
rettet werden. Da wir nun schwach, verderbt und den 1\ Aus der Bittlitanei zur Vorbereitung auf die Kommunion in der hei ·
h~\l'n Liturgie.
Dämonen untertan oder zugänglich sind, hat uns der

14°
Friede sei mit Dir, Mutter N., und Erlösung! 11;llten sich fälschlicherweise des Himmelreichs würdig-
... Du weißt gut, was die alten Väter über unsere Zeit le sind stolz und nur scheinbar gerecht. Alle Heiligen
vorausgesagt haben: Die Menschen werden ihr Heil im d.lgegen hielten sich für große Sünder. Das weißt Du seI-
Glauben, im Erdulden von Not und Krankheit und in her gut; ich erinnere Dich nur ein bißchen daran.
der Buße finden. Glaubenstaten haben wir keine. Jeder- Deine Absicht, alles wegzugeben oder für Dein tägli-
zeit und in allem übertreten wir Christi Gebote. uns I hes Brot nicht zu arbeiten, stammt vom Feind. Arbeite
bleibt nur, Buße zu tun, auszuharren und zu gla~ben, 11;lch Kräften und setze Deine Hoffnung auf den Herrn,
daß der Herr Jesus Christus, der gekommen ist, die Ver- der das ganze Universum ernährt. Wer im Glauben, in
lorenen aufzusuchen und zu retten, auch uns rettet. .1I1gemessener Erfüllung der Gebote und reuevoll Chri-
Daran müssen wir fest glauben. Wer aber auf seine guten ~l us entgegenschreitet, wird auch nach dem Tod mit
Werke setzt, baut sein Haus auf Sand. Die Rettung des dlln sein. "Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hin-
Menschen ist eine Gnade Gottes, ein Geschenk Gottes .11Isstoßen" (Toh 6,37). Diese Aussage richtet sich an je-
an die gefallene Menschheit, die an Christus glaubt, ihre dermann. Der Christ hat keinen Grund zu verzweifeln
Verderbnis erkennt und mit der Stimme des Zöllners . Sei friedlich und ruhig.
ausruft: "Gott, sei mir Sünder gnädig."
Von den Werken der Menschen hat Jesus gesagt:
"Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so
sprechet: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, *
das wi.r zu tun schuldig waren" (Lk 17, ro). Was heißt,
daß WIr als Knechte und Geschöpfe Gottes seinen gan- Llcbe Tochter!
zen Willen, d. h. die Gebote, erfüllen müssen. ob aber Ich habe von Dir einen Brief erhalten. Der Herr helfe
selbst jener, der alle erfüllt hat, ins Himmel:eich ein- I)ir, diesen Strudel zu überleben, das Meer des Lebens zu
geht, ist Sache der Gnade Gottes. Nicht unsere Werke ltberqueren und einen sicheren Hafen anzulaufen. Wie
sondern unsere Demut bewegen den Herrn zur Gnade: schwer das heutzufage ist, besonders für d~e jungen
Den Tod fürchten und sich auf ihn vorbereiten soll Menschen! Bitte unablässig den Herrn und dIe Gottes-
man, aber darob verzweifeln und die Hoffnung verlie- mutter um Hilfe. Präge Dir fest ein: Wenn der Mensch
ren, i~t des Feindes. Der Herr hat uns allen geboten, je- ;IUS voller Seele die Sünde zurückweist, kann ihm die
derzeIt auf den Tod gefaßt zu sein. Deshalb stammen ganze Hölle nichts anhaben, denn Gottes Beistand wird
Träume, die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung her- Ihm gewiß sein. Wenn jedoch der Mensch selbst zur
vorrufen, vom Feind. Die Träume von Gott dagegen Sünde neigt, mit seinen schlechten Gedanken gleichsam
wecken Rührung und Demut und stärken die Hoffnung I ns Gespräch kommt, an statt sie zu verjagen wie giftiges
auf den Erlöser, der um der Verlorenen und nicht um Cetier, wird der Feind Zugang zum Herzen finden und
der Selbstgerechten willen Mensch geworden ist und den der Herr die Sünde zulassen. Ebenso läßt der Herr für
Kreuzestod auf sich genommen hat. Die Selbstgerechten Ilochmut, Stolz oder für ständiges Richten des Nächsten

143
zu, daß wir fallen. Deshalb soll man wachen und in Ge· h 11 obwohl diese Zeit bisweilen schwer zu ertragen
danken oder im Herzen keine Schlange wärmen, auf daf\ I N(:,," wir wappnen uns mit Geduld und glauben fest,
sie nicht beiße. I d dl' l Frühling und der Sommer wieder kommen wer-
Einzig durch das Wachen, durch das Zügeln unserer I, 11 so wird auch auf Deine Trauer Freude folgen. In
Sinne (Sehen, Hören, Fühlen) und die nach Möglichkeit 11 IIIl'r Lage 34 reagieren die Neulinge auf zwei Arten:
ständige Anrufung des Namens Gottes kann der Mensch I Sie fühlen sich wie im Paradies ... und kühlen
\11111 ab, werden bedrückt und betrübt, hören auf kei-
den Schlichen des Feindes entgehen und sich vor einer
schweren Sünde schützen. Mit dem Namen Jesu Christi I1 Ilrl Ratschläge, fügen sich der Obrigkeit nicht mehr.

sollen wir die in uns aufkeimenden sündigen Gedanken I !tl.lchen das gleiche durch wie Du jetzt, und entwe-
und Gefühle vernichten, bevor sie Wurzeln geschlagen I I v 'rlassen sie uns, oder sie halten durch, werden de-
1111111).\ und erlangen durch Selbsterkenntnis Reue,
haben.
Es gibt keinen anderen Weg und kein anderes Mittel 1' , IIlut und das verlorene Paradies zurück und danken
11111\ unaufhörlich Gott und allen, die ihnen geholfen
zu unserer Läuterung als "wachen und unablässig beten"
und damit fähig werden, alle Heimsuchungen und 11111('11, ihr Leben so einzurichten;

Werkzeuge des Feindes von unserer sündigen Natur ) die anderen fangen so an wie Du: Traurigkeit, Nie-
fernzuhalten. Übe Geduld, arbeite, kämpfe, reiche dem t. I!'('schlagenheit, Kleinmut, Frechheit, Bereitschaft
11 !tl Ausreißen, Abscheu vor allem Geistlichen, Grob-
Feind nicht die Hand, bleibe dem Herrn treu, und er
wird Dich nicht im Stich lassen, wenn auch die ganze I" IIl'n zu den Mitmenschen, Wunsch davonzulaufen
Welt wider Dich aufstünde. "Gott ist mit uns! Höret, ihr II.W .

Heiden, und unterwerft euch, denn Gott ist mit uns!" l);ts ist der Feind unserer Erlösung, der mit einer gan-
Der Herr segne und behüte Dich. 11 Armee über den Neuling herfällt, um ihm den Ein-
Ilitt ins Himmelreich zu verwehren, das in uns ist. Du
I" I jetzt in einem schweren Zustand, der in sehr be-

* , Itt'ldenem Maße an die Höllenqualen erinnert. Halte


1111 .Iher auch das Gegenteil vor Augen: Da es Höllenqua-

Liebe S.! l, 11 ).\ibt, gibt es auch die unsägliche Freude und Seligkeit,
Heute, am Fest der Enthauptung Johannes' des Täufers Wll' sie das Auge nicht gesehen, das Ohr nicht gehört
!llId das Herz nicht erfahren hat", eine Seligkeit, die in
habe ich einen Brief von Dir erhalten, der so traurig und
kleinmütig ist, als habe man Dich ins Gefängnis gewor- IIII ~ verborgen liegt, die das Reich Gottes ist, das wir er-
fen. Aber nicht einmal im Gefängnis dürfte man so nie- Ill'IH.:n sollen. "Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes
dergeschlagen sein. Wie sich in der Natur das Wetter IIIHI nach seiner Gerechtigkeit" (Mt 6,33)·
ändert, so sicher vollziehen sich auch Wechsel in unser
aller Innerem. Man kann doch im Herbst nicht ob dem H l., "t aufgrund des Briefes zu vermuten, daß die Adressatin vor kur-
"11 111 die Verbannung geschickt wurde.
Wetter verzweifeln, das uns Schlamm und Dreck be-
145
144
Wie können wir das tun? So, wie es alle vor uns getan f;llschen Licht des Feindes. Richte niemanden. Höre auf
haben: mit Glauben, Gehorsam, Gebet, Ertragen von äu- die Vorgesetzten und tu ohne Murren das, was sie Dir
ßerer und innerer Not, durch Achtgeben auf sich selbst, hdehlen. Wenn Du freie Zeit hast, lies betend den Psal-
durch das Erkennen der eigenen Sünden und durch stän- ter oder das Evangelium - diese Bücher gibt es bei Euch
dige Reue; dadurch werden wir demütig und hören auf, .dlemal. Bemühe Dich, überall, voller Aufmerksamkeit
den Nächsten zu richten. Der Demut folgt die Freude lind aus vollem Herzen das Jesusgebet zu verrichten.
über den Heiligen Geist und das Reich Gottes. Du hast Einer der Ränke des Feindes besteht darin, Dich in
mit Trauern und Niedergeschlagenheit begonnen; das ist I kiner niedergeschlagenen Gemütsbewegung mit ande-
gut. Je weiter Du fortschreitest, desto leichter und siche- I en Menschen zusammenzuführen und Dich zu langen

rer wirst Du neue Siege erringen. Ich versichere Dir, daß l.esprächen und leerem Zeitvertreib anzuhalten. Über-
Du jetzt zeitweise Trost vom Herrn erhalten wirst, der winde Deinen Zustand mit Geduld, Beten, Demut und
will, daß alle Menschen selig werden und die Wahrheit Dank an den Herrn. Der Herr ist nah. Wenn Du ihn
erkennen. Und der Herr läßt beim Menschen nur so viel ,llICh nur ein klein bißchen liebst, freust Du Dich über
Versuchungen zu, wie jeder ertragen kann. die Möglichkeit, ihm Dein Leben zu weihen und alles
Denke daran, daß Dich der Feind mit dem Ziel ange- llir ihn zu erdulden. Gedenke des Lebens Johannes' des
griffen hat, Dir den Weg des Heils zu verbauen, und l1iufers, des Erlösers, der Gottesmutter, der Märtyrer
wehre Dich mit einem kurzen, am besten dem Jesusge- lind der Heiligen. Was haben sie nicht alles erduldet!
bet, mit Geduld, Arbeit und Gehorsam. Hänge insbeson- Kann Dein Zustand auch nur entfernt mit ihren Glau-
dere nicht in Gedanken Deinem früheren, angenehmen henstaten und Nöten verglichen werden? Lies die Heili-
Leben nach, meine nicht, Du könnest auch zu Hause se- genviten, die es bei Euch bestimmt gibt, und vergleiche
lig werden, Dein Leben wie die andern einrichten usw. 'IC mit Deiner jetzigen Lage. Schreibe ausführlich über
Falls Dir das nicht gelingen will, stelle Dir vor, Du wä- .dles, und ich werde versuchen, Dir nach Kräften zu ant-
rest für fünf oder zehn Jahre ins Gefängnis gekommen worten. Der Herr ist mir Dir, und er wird Dich nicht
(was ohne weiteres möglich ist). Halte Dir lebhaft ein sol- ohne Hilfe und Trost lassen.
ches Leben vor Augen, und das Deinige wird Dir im Ver-
gleich dazu paradiesisch vorkommen. In Deiner Lage
kannst Du schnell einen Fehler machen, angeklagt wer-
den und unter die Räder des Gesetzes geraten. *
Der Herr hat Dir eine Gnade erwiesen; danke ihm jetzt
dafür und für alles und besonders auch, daß er Dich in 1'lIede sei mit Dir, Schwester!
den Kreis seiner Freunde aufgenommen hat. Habe Ge- Was schreibst Du mir so verzweifelte Briefe? Bist Du
duld, meine Liebe, und wenn Du wieder zur Ruhe l't wa die Einzige, die es dort schwer hat? Es geht nicht um
kommst, wirst Du Dich und Deine Mitmenschen im die äußeren Schwierigkeiten, das verstehst Du ja wohl
richtigen Lichte sehen. Vorläufig erscheint Dir alles im ~l'lbst, sondern um Deine seelische Verfassung. Wohin

147
Du auch gehen magst, vor Dir selbst und vor dem Feind dermann ohne Ausnahme nötig hat: die Trübsal. Und
wirst Du Dich nicht verstecken können. All das Deine Du? Du verstehst das nicht und hältst die Trübsal und
würde Dich an einem anderen Ort noch schlimmer quä. dns Leiden für Dich für überflüssig, ja verderblich. Ver-
len als hier. Vergiß das geistliche Gesetz nicht, das da derblich sind sie tatsächlich, aber nicht für Deine Seele,
lautet: "Durch viel Trübsale müssen wir in das Reich sondern für Deine sündige gefallene Natur; für den Al-
Gottes gehen" (Apg 14,22); "Will jemand mir nachfol- len Menschen sind sie verderblich, aber erlösend für den
gen, der verleugne sich selbst, und nehme sein Kreuz auf Neuen Menschen. Der Feind weiß das und versetzt Dich
sich, und folge mir" (Mt 16,24); "Seid geduldig in Trüb- In Aufruhr, flößt Dir falsche Gedanken ein und Unge-
sal" (Röm 12, 12); "Wer bis an das Ende beharrt, der wird duld, Verzweiflung, Verurteilen der Mitmenschen, der
selig" (Mt IO,22); "In der Welt habt ihr Angst" (Joh Lebensumstände und der Obrigkeit usw. Du mußt das
16,33); "Die Welt haßte sie" (Joh 17,14) usw. verstehen und durch Erfahrung erkennen und dich dem
Die heiligen Kirchenväter haben für diesen Gedanken Teufel widersetzen. Gemäß Gottes Wort sind die Leiden
eine einprägsame Formel: "Gib das Blut und empfange und die Trübsal im Erdenleben des Christen nicht nur
den Geist." Dieses Gesetz gilt für alle, die ihr Heil su- kein Übel, sondern eine Gabe Gottes: "Denn euch ist ge-
chen. In jedem Beispiel aus den Heiligenviten findest Du geben um Christi willen zu tun, daß ihr nicht allein an
die Bestätigung dieses Gesetzes, beim Vorbild Jesus Chri- ihn glaubt, sondern auch um seinetwillen leidet" (Phil
stus, bei den Aposteln, Märtyrern, Bekennern, Heiligen. 1,29)·
In minderem Maße wurden auch alle anderen die Die Erträglichkeit der zu unserem Heil notwendigen
fromm Christus nachzuleben sich bemühten, verfolgt, Leiden und Trübsal hängt von unserer Einstellung ab.
verhöhnt, erlitten Krankheiten und innere und äußere Wenn wir Gottes Wort von der Unabdinglichkeit und
Trübsal. Außerdem mußt Du die Prophezeiungen der al- Unabänderlichkeit der Leiden glauben, wenn wir unsere
ten Väter kennen, wonach die Mönche und Nonnen in zahllosen Sünden in Worten, in Taten und Gedanken
der Endzeit nicht durch Glaubenstaten ihr Heil erlangen anerkennen und überzeugt sind, daß wir noch weit
können, sondern allein durch das Erdulden der Trübsal. schlimmere Leiden verdienen; wenn wir schließlich vor
Das ist derart wahr und-unabdingbar, daß das sicherste Gott und den Menschen Demut üben, dann werden un o
Anzeichen der Auserwähltheit eines Menschen und der sere Leiden erträglich und führen uns zu einer Seligkeit,
Liebe Gottes zu ihm mannigfaltige Trübsal und Krank- die teurer ist als die Welt mit all ihren Freuden. Wen n
heiten sind. Und umgekehrt: wenn sich ein Mensch für wir dagegen aufbegehren gegen unsere Trübsal und un
gläubig hält, aber keine Trübsal und keine Krankheiten sere Krankheiten und Schuldige dafür suchen bei den
kennt, ist dies nach Ansicht der heiligen Kirchenväter Mitmenschen, den Dämonen und den Umständen, und
ein Anzeichen dafür, daß der Herr an diesem Menschen wenn wir mit allen Mitteln den Prüfungen aus dem W cg
kein Wohlgefallen hat. gehen wollen, wird uns der Feind dabei behilflich sein .
Beziehe das Gesagte auf Dich. Der Herr, der Dein See- Er wird auf die scheinbar Schuldigen zeigen (die Obrig
lenheil will und Dich liebt, schickt Dir das Mittel, das je- keit, die Ordnung, die Nachbarn usw.) und uns zu Feind

14 8
schaft und Haß gegen sie, zu Rachegelüsten und den zu sehen." 35 Wenn wir diese Gaben erhalten die
Beleidigungen anstacheln. Dadurch stürzt er unsere Gabe, unsere Sünden zu sehen -, wenn wir ihre ganze
Seele in Finsternis, Verzweiflung und Hoffnungslosig- Last spüren, wenn wir die ganze Unannehmbarkeit ei nes
keit; er weckt in uns den Wunsch wegzuziehen, uns in sündigen Menschen für Gott realisieren und die Not
den Boden zu verkriechen. So vermeinen wir, unseren wendigkeit einsehen, ihre Vergebung und die Läuterung
scheinbaren Feind weder zu sehen noch zu hören. Tat- unserer aussätzigen Seele durch Gottes Kraft zu errei-
sächlich hören wir dabei auf unseren wirklichen Tod- ehen, dann werden wir vor dem Herrn niederfallen und
feind (und machen ihm eine Freude) - den Teufel, der weinen wie die Sünderin, und wir werden wie der Zöll-
uns all das Böse einflößt und uns zugrunde richten, ja ner aus der Tiefe unseres Herzens ausrufen: "Gott, sei
bisweilen in den Selbstmord, d. h. in den sicheren, end- mir Sünder gnädig", vergib mir meine Sünde, läutere
gültigen Untergang, treiben will. meine Seele, mach mich deines Himmelsreichs würdig
Willst Du Deinen Seelenfrieden finden und den Trost und liefere mich nicht meinen Feinden, den Dämonen,
und die sichere Rettung erwerben, unterwirf Dich der (lus.
kräftigen Rechten Gottes, und er wird Dich erhöhen, das Werde vor Gott gefügig und sprich wie der gute Schä-
heißt: Nimm alles, was Dir geschieht, als von Gott und cher: "Wir empfangen, was unsre Taten wert sind (... );
nicht als von den Menschen gesandt auf, denn in Wahr- Herr, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst"
heit kann nichts von dem, was uns zustößt, ohne den (Lk 23,41-42). Tu es nicht dem anderen Schächer
Willen Gottes geschehen. Die Menschen und die Um- gleich, der gegen alle aufbegehrte, fluchte, die anderen
stände sind lediglich Werkzeuge Gottes, die oft nicht für sein Leiden verantwortlich machte, wodurch er seine
verstehen, was sie tun. Jesus Christus hat allen verkün- Lage noch verschlimmerte und sich ins Verderben
det, die ihm bevorstehenden Kreuzesqualen seien nicht stürzte.
das Werk der Menschen - der Pharisäer, der Schriftge- Der Herr hat alles für unser Seelenheil getan, und er
lehrten, Pilatus', Judas' - nein, diese seien nur Werk- will jeden Sünder erlösen: So müssen auch wir selbst uns
zeuge: "Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein anstrengen und uns dazu zwingen, so zu leben, d. h. zu
Vater gegeben hat?" (Joh 18, I I). Der Kelch des Leidens handeln, zu denken und zu fühlen, wie dies unser Herr
wurde Jesus Christus nicht von den Menschen gereicht, Jesus Christus tat und im Evangelium lehrte.
sondern von seinem himmlischen Vater zur Erlösung
der gefallenen Menschheit. So wird auch uns, die wir \, Aus dem Fastengebet des hl. Ephräm des Syrers_
der Erlösung harren, der Herr den Kelch der Leiden rei-
chen und nicht die Menschen. Wenn der Herr für uns
gelitten hat, sag mir, wie sollen wir denn nicht für un-
sere zahllosen Sünden leiden, die wir zudem nicht ein-
mal sehen?
Wir müssen den Herrn bitten: "Gib mir, meine Sün-

15 1
ISO
TESTAMENT Über den Autor
Biographisches Nachwort von Nikita Struwe
Ich bitte alle meine Verwandten und mir nahestehenden
Menschen dringend, dem christlichen orthodoxen Glau-
ben fest die Treue zu halten und bis zum Tode alle An-
strengungen zur Seelenrettung mittels Erfüllung der
evangelischen Gebote und häufiger (mindestens einmal Über den Igumen Nikon war bisher wenig bekannt 1. Er
jährlicher) Beichte und Taufe zu unternehmen. Zeit starb am 7. September 1963, mitten in der heftigen anti-
meines Lebens habe ich den schwersten Umständen und religiösen Kampagne unter Chruschtschow. Das offi-
in Zeiten schlimmster Versuchungen Trost im Glauben zielle "Journal des Moskauer Patriarchats" begnügte sich
an den Herrn Jesus Christus und im Gebet gefunden. mit einem kurzen und ungenauen Nachruf in der Ru-
Ich bitte euch, einander Mitleid und Liebe zu erwei- brik "Zum Andenken an die Verstorbenen", wobei wie
sen und euch gegenseitig in materieller und geistlicher üblich die Lagerjahre verschwiegen wurden. Erst jetzt ist
Not zu helfen. Wo Friede und Liebe ist, da ist Gott, da eine eingehendere Lebensbeschreibung in den Westen
sind Freude und Rettungj Feindschaft und Neid aber gelangt, in welcher sich ein ungewöhnlicher Lebensweg
sind des Teufels. abzeichnet.
Sucht euer Seelenheil. Igumen Nikon (weltlicher Name Nikolaj Nikolaje-
witsch Worobjow) wurde im Jahre 1894 in einer kinder-
Igumen Nikon reichen Bauernfamilie des Gouvernements Twer, Kreis
Beschezk, geboren. Seine Grundausbildung erhielt er in
13. August 1963 der Realschule, wo er Begabungen auf den verschieden-
sten Gebieten zeigte: in der Musik, in Malerei und Ma-
thematik sowie in den Fremdsprachen. Er wollte zu-
nächst Psychiater werden und trat ins Petersburger
Neuropathologische Institut ein, als er einen entschei-
denden weltanschaulichen Umbruch erlebte. Er glaubte
nun nicht mehr an die Möglichkeit der Wissenschaft,
den Menschen zu erkennen, und erfuhr eine echte Hin-
wendung zu Gott. Nach den ersten beiden Semestern

I
.
Igumen oder Hegumenos, Vorsteher eines Klosters, auch Archiman-
drit genannt. Im Falle Nikons, der offensichtlich nie einem Kloster vor-
stand, hat diese Bezeichnung wohl die Bedeutung eines Ehrentitels.

153
kehrte er dem Institut den Rücken, begann ein abge- nene klare Erkenntnis, daß wir selber nichts sind außer
schiedenes, asketisches Leben zu führen und das Evange- ein Geschöpf Gottes, daß wir "nichts Eigenes haben, nur
lium und die Kirchenväter zu studieren, in denen er das die Gnade Gottes".
"einzig Notwendige", das "wahrhaft Wertvolle" fand. In den vorliegenden geistlichen Briefen des Starez Ni·
19 I 7 trat er in die Moskauer Geistliche Akademie ein , kon ist der starke Volksglaube zu spüren, "der nicht li-
die zu beenden ihm nicht vergönnt war, schlossen doch stig ist und grübelt", sondern ein Glaube, der durch die
die Behörden die Akademie im Jahre 1919. Der unaus- Kenntnis der Psychologie, durch die Kultur und im Kon-
gelernte Student kehrte zum asketischen Leben zurück takt mit den Problemen der Gegenwart die Weisheit er·
und verbrachte zehn Jahre in Einsamkeit und Gebet im langt hat. Die Grundlage der Ratschläge Nikons bilden
Städtchen Suchinitschi (südwestlich von Moskau). die Menschwerdung Gottes als Offenbarung seiner un-
Mönch wurde er erst 193 I in Minsk, wo er auch die Prie- endlichen Liebe zum Menschen, und die Realität der
sterweihe empfing. Am 23. März 1933, am Tag seiner Höllenqualen für diejenigen, die sich von dieser Liebe
Weihe zum Priestermönch, wurde Nikon verhaftet und endgültig lossagen. Wie die Kirchenväter und frühchrist-
für vier Jahre in sibirische Lager verschickt. Nach seiner lichen Asketen, auf die er sich beruft, wird der Igumen
Freilassung ließ er sich in Wyschnij W olotschok (ca. Nikon nicht müde, allem voran zur tätigen Demut auf-
30 0 km nordwestlich von Moskau) bei einem Privatarzt zurufen, "ohne die es im geistlichen Leben keinen Erfolg
als Hilfskraft nieder. und vielleicht auch keine Erlösung geben kann".
Als gegen Ende des Krieges manche Pfarreien wieder Trotz ihrer Verwurzelung in der höchsten und reinen
geöffnet wurden, erhielt Nikon zunächst eine Ernen- orthodoxen Tradition klingen die Briefe des Igumen Ni
nung nach Koselsk (in der Nähe von Kaluga, südwestlich kon modern, da sie nicht vom Verstand her, nicht aus
von Moskau), wo ihm jedoch aufgrund übler Nachrede Büchern und nach fremden Worten verfaßt sind, son
durch seine Mitbrüder, die den Zulauf seiner Predigten dem als Ergebnis eines langjährigen inneren Kampflos
beneideten, eine Zeitlang die Ausübung des Priesterbe- und aus den verborgenen Tiefen der echten geistlichen
rufs untersagt wurde. Hierauf versetzte man ihn nach- Erfahrung heraus.
einander nach Bjelow, Jefremow und Smolensk, von wo
er - gleichsam in die Verbannung - in eine verwahrloste
Pfarrei der Stadt Gschazk (heute Gagarin, westlich von
Moskau) geschickt wurde. Dort blieb er bis zu seinem
Tod und gewann als Geistlicher, Beichtvater und Starez
große Liebe. Sein Erfolg war so groß, daß ihm einmal ver-
boten wurde, Besucher zu empfangen. Nach seinem eige-
nen Bekenntnis erreichte er erst in diesem letzten
Lebensabschnitt die "ursprüngliche Demut", d. h. die
nicht verstandesmäßig, sondern mit dem Herzen gewon-

154 I \ ,

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