(s. Weißenfels 1985, S.103) muß so in seiner Person abge- Bedrohung/Änstigung/Überwältigung; es entsteht eine ohn-
wehrt werden, so daß die Abwehr die Supervision als sie mächtige Position des Personals analog der ohnmächtigen Si-
selbst trifft. Sie wird sie nicht versehentlich treffen, tuation der zwangsuntergebrachten Patienten. Zugleich jedoch
dient doch Supervision auch dem Erkennen von Affektabspal- bildet sich ein zweites Thema, das Thema der Schuld (s.o.),
tungen und Deformanten mit dem Ziel -so Weiß (1988, S.266)- heraus mit Schuldbewußtsein, Insuffizienzgefühlen usw. , auf
nachzufragen, wie sich diese Deformanten an frühere biogra- die von Seiten der Mitarbeiter abwehrend-(ver-)leugnend rea-
phische Erfahrungen des einzelnen anknüpfen und so als Reak- giert werden muß. Daß dieses zweite Thema aktuell wird, ist
tionsbildung in der Alltagspraxis zum Tragen kommen. "Für durch die (unbewußte) Phantasie bestimmt, daß Hinterfragung,
Supervision heißt das, nicht wie in der Therapie ins Unbe- Bedrohung, Verfolgung nur geschehen, wenn der einzelne/das
wußte vorzustoßen, sondern lediglich bis zum Bereich des Team ' schuldig' ist - aber all dies igt ein den Supervision
bewußtlos Entstandenen/Gemachten" (Weiß 1988, S.267). Das anordnenden Dienststellen unbewußtes Thema . . .
aber dürfte vielen potentiellen Teilnehmern an Supervision
zu weit gehen. Sinn und Macht
Die schwierige Arbeit mit den zwangsuntergebrachten, schwer
Pühl (1988) erarbeitet als zentrale These, "daß über die je gestörten Patienten erscheint z.T. aussichtslos, insbeson-
spezifische Gruppenstruktur Angst kanalisiert wird und daß dere auf den sog. 'Parkstationen' (Rasch 1986), auf denen
. . . Supervision hier . . . die wichtige Bedeutung zukommt, kein therapeutischer Anspruch mehr besteht, sondern Siche-
entwicklungseinengende Strategien des jeweiligen Kollektivs rung bis zur Erreichung der Höchstfrist oder bis zur Umkehr
zu reflektieren und dadurch zu verändern" (S. 269). Er führt der Vollstreckungsreihenfolge oder bis zur Erledigung der
diesen Ansatz weiter aus und schreibt: Maßregel durch die StVK erfolgt. Die Hoffnungslosigkeit und
Ohnmacht der Patienten überträgt sich so auch auf die Sta-
"Über die Struktur einer Gruppe wird Angst kanalisiert.
Unter diesem Gesichtspunkt kann die Hierarchie- bzw. Leiter- tionsmitarbeiter, läßt diese die eigene Arbeit als sinnlose
zentrierung einer Gruppe als Versuch der Angstbewältigung
ihrer Mitglieder verstanden und untersucht werden. Auch lei- Schließertätigkeit, als aussichtsloses Sichern, als depres-
terlose Kollektive suchen unbewußt nach Formen der Angstbe- siv gefärbtes berufliches Schicksal ohne Ausweg erscheinen.
wältigung durch eine spezifische Gruppenstruktur. Diese Das Ansprechen dieser Gefühle, die Klärungs- oder Überset-
Struktur bleibt aber meist unsichtbar und zeigt sich m. E. in
Mythenbildung oder Ideologisierung. Solche Gruppenmythen zungsversuche durch einen Supervisor verändern die Situation
übernehmen für das Kollektiv ebenfalls eine strukturierende keineswegs im Sinne einer Erleichterung, eines konstruktiven
Orientierung und binden dadurch Ängste.
Schritts nach vorn oder eines Auswegs - vielmehr erfolgt
Die Strategie der Mythenbildung ist häufig eingebunden bzw. eine Bewußtmachung dieser depressiven Position, was zu Ver-
wechselt sich ab mit der Etablierung eines Außenfeindes"
(S. 270). ärgerung, Wut, Enttäuschung, zum Gefühl des Im-Stich-
gelassen-werdens führt. Nicht weiter verwunderlich in dieser
Diesen Außenfeind stellen Patienten ggf. ebenso dar wie Vor-
Fülle von heftigen Reaktionen, beschreiben doch Bunkert und
gesetzte, Bürokratien, die Justiz, andere Stationen - oder
Huppertz (1974) die Empfindungen der Sinn- und Machtlosig-
eben auch der Supervisor. Hiermit kommt es zur Herausbildung
keit als "Plausibilitätsverlust" und behaupten nach einer
eines kollektiven Themas, dem Thema der Verfolgung/
Studie als Ergebnis, daß Supervision bezüglich der Verringe-
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Entsprechend ist denn auch die Angst vor Differenzierung in Zwang und Verweigerung
der Supervision:
Supervision sei dazu da, Zivilcourage zu entwickeln und zu
"Die eigene Arbeit darzustellen, Profil zu zeigen, unter- entfalten, den einzelnen zu ermutigen, seine Wahrnehmungen,
liegt schon immer den ausgesprochenen wie unausgesprochenen Eindrücke, Gedanken wie Meinungen auszudrücken und zu ver-
Bewertungen der Kollegen. Die Supervisionsnorm, eher die
problemhaften Seiten der eigenen Arbeit vorzustellen anstel- treten: "Sie kann helfen, verlorengegangene Spontaneität und
le der ' Schokoladenseiten' erhöht die Angstschwelle. Direktheit zurückzugewinnen" (Schaaf 1987, S.91).
Die Ängste -Kollegen könnten Kompetenzdefizite sehen wie
aufdecken, könnten mich nicht mehr als attraktiv empfinden Weber (1987) beschreibt, das Äußerste, was Supervision lei-
etc. - sind häufig gekoppelt mit phantasierten Ängsten vor
Integrationsverlust, vor Rückstufung, vor Verlust des Ar- sten könne, sei a) die Hinterfragung der eigenen Vormacht-
beitsplatzes.
stellung gegenüber dem Patienten um sich auf einen Dialog
Die Äußerung von kritischen Bewertungen während des Supervi- "ohne falsche Verbrüderung" einzulassen , und b) der Umgang
sionsprozesses wird automatisch gekoppelt mit potentiell ne- mit den Konflikten in der Institution, so daß und damit sie
gativen Folgewirkungen im kollegialen Begegnungs- und Ar-
beitsprozeß im Alltag. für den Patienten weiter wirksam bleiben.
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