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Jens Heinrichs und Andreas Gerdes

Technologietransfer in der Antike – Untersuchungen von römischen und


punischen Zisternenverputzen im Mittelmeerraum

Already in the ancient world, water reservoirs were lined with a protective mineral layer. Even today, many
of these ancient linings are still completely intact and the cisterns can be used easily for water storage. Only
high durability of the linings can guarantee long-term water supply. This is also valid for modern linings in
drinking water reservoirs, which already show damage after a few months. For this reason, ancient cisterns
and their linings (hydraulic lime mortar) in the Mediterranean area have been investigated (optical classifica-
tion, chemical-mineral composition and physical properties), in order to compare these with linings of modern
drinking water reservoirs. Special attention is paid to the identification of factors which determine the durability
of mineral linings. This cooperative project between the Institute for Classical Archaeology at the University of
Tübingen and the Karlsruhe University of Applied Sciences is financed by the Bundesministerium für Bildung
und Forschung (Federal Ministry of Education and Research).

Einleitung das außerdem vom Akademischen Auslandsamt


und dem Institut für Angewandte Forschung der
Wasser bzw. dessen Speicherung bildet seit jeher
Hochschule Karlsruhe unterstützt wurde, wurden
die Grundlage menschlicher Ansiedlungen und
Verputzproben aus antiken Zisternen verschie-
spielt daher in Kulturen aller Epochen eine zent-
dener Siedlungen im Mittelmeerraum entnom-
rale Rolle. Wesentlicher Aspekt dabei ist vor allem
men. Diese wurden hinsichtlich ihrer chemischen,
eine hohe Versorgungssicherheit, was jedoch
mineralogischen und physikalischen Eigenschaf-
eine langfristige und störungsfreie Nutzung der ten untersucht, um Zusammensetzung, Qualität
Wasserspeicher voraussetzt. An der prinzipiellen und Dauerhaftigkeit zu charakterisieren. In die-
Bauweise von Wasserspeichern hat sich von der sem Beitrag werden ausgewählte Ergebnisse
Antike bis heute nichts Grundsätzliches verändert, der Untersuchungen an den antiken Verputzen
d. h. auf die wasserberührten Flächen eines trag- vorgestellt und mit modernen Beschichtungen

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fähigen Baustoffs wird eine mineralische Schutz- von Trinkwasserbehältern vergleichend diskutiert.
schicht aufgebracht. Durch den stetigen Kontakt
mit Wasser verändern sich im Laufe der Nut- Untersuchungsgegenstand
zungsdauer Zusammensetzung und Eigenschaf-
Untersuchungsgegenstand in diesem Beitrag
ten dieser Beschichtungen. Im Extremfall kommt
sind Proben antiker Zisternenverputze in der
es durch Auslaugungsprozesse zum Versagen.
punisch-römischen Siedlung auf Pantelleria/
Eine mikrobiologisch einwandfreie und sichere
Italien (5. Jh. v. – 5. Jh. n. Chr.), die auf der
Lagerung des Wassers ist dann nicht mehr mög-
deutsch-italienischen Ausgrabungsstätte „Akro-
lich. Der Dauerhaftigkeit dieser Beschichtung
polis“ entnommen wurden (s. Abb. 1) [2].
kommt daher eine besondere Bedeutung zu.
Moderne Beschichtungen von Trinkwasserbehäl- Durch das Fehlen von Süßwasserquellen auf der
tern zeigen aber häufig bereits nach wenigen Insel stellte das Auffangen und Speichern von
Monaten der Applikation Schäden auf [1], wäh- Regenwasser bis in das mittlere 20. Jahrhundert
rend einige antike Zisternen bis zum heutigen die einzige Möglichkeit der Wasserversorgung
Tag intakt und auch in Gebrauch sind. Hier dar. Daher befinden sich auf engstem Raum
treffen sich die Interessen der Archäologie und (Inselgröße: 82 km²) mehr als 580 dokumentierte
der Werkstoffforschung im Bauwesen. In einem Wasserreservoire verschiedener Zeitstellungen,
durch das Bundesministerium für Bildung und darunter 42 antike Zisternen im Areal der „Akro-
Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekt, polis“ San Marco – Santa Teresa [3].

Abb. 1: Links: Vulkaninsel Pantelleria im Mittelmeer, Mitte u. rechts: Blick auf die Ausgrabungsstätte „Akropolis“

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Neben unterschiedlichen Bauformen (unregel- Verputz Hauptmerkmale
mäßig in den Fels gehauene und regelmäßig Schicht- Größt-
gemauerte Zisternen) sind dort auch verschie- Gruppe Typ Zuschläge
dicke korn
dene Mörteltechnologien und Applikationstechni- Ascheputz A Holzkohle, Keramik 5-10 mm 30 mm
ken zu erkennen [4]. So wurden die antiken Zis-
Kalkputz mit B große Keramikstücke 18-70 mm 50 mm
ternen zur Abdichtung mit hydraulischen Kalk-
Keramik C kleine Keramikstücke 10-25 mm 8 mm
verputzen unterschiedlichster Zusammenset-
zung ausgekleidet. Der Erhaltungsgrad ist dabei Kalkputz mit D 1 Vulkangesteinstyp 20-30 mm 6 mm
sehr unterschiedlich. Einige Verputze wirken Vulkangestein E 2 Vulkangesteinstypen 20-30 mm 3 mm
fast wie neu und sind vollkommen intakt. Daher Mischputz F Keramik, Vulkangestein 25-30 mm 15 mm
werden viele antike Zisternen auf Pantelleria
bis heute unverändert zur Wasserspeicherung Tab. 1: Hauptmerkmale der unterschiedlichen Verputztypen in
genutzt. Hingegen ist bei anderen Zisternen die den Zisternen auf Pantelleria
ursprünglich glatte Oberfläche bzw. die gesamte
Verputzschicht völlig zerstört. So wurden bereits Mineralogische Zusammensetzung
in antiker Zeit bei 14 der untersuchten Zisternen Exemplarisch wurde an einer Bodenprobe aus Zis-
Neuverputzungen (mehrere Schichtabfolgen terne 1 (Abb. 3, rechts, Schnitt durch den entnom-
sichtbar) vorgenommen (s. Abb. 3, rechts). menen Bohrkern) für die drei unterschiedlichen
Schichten (Verputztyp B, E und D) die mineralogi-
Vorgehensweise und Methoden sche Zusammensetzung mittels Röntgendiffrakto-
Im Rahmen des Projekts, an dem im August 2008 metrie ermittelt. Als Hauptbestandteile wurden bei
auch sechs Studierende der Hochschule Karls- allen Verputztypen Quarz und Calcit identifiziert.
ruhe teilgenommen haben, erfolgte zunächst Der Kalkverputz mit Keramik (Typ B) weist neben
eine optische Beurteilung bzw. Klassifizierung des einigen Feldspäten keine weiteren Auffälligkeiten
allgemeinen Zustands der Zisternen und der Ver- auf. In beiden Kalkverputzen mit Vulkangesteinen
putze (Erhaltungszustand, Bauform, Verputztyp, (Typ D und E) befinden sich Feldspäte und Pyroxe-
Schichtdicke, farbliche Beschreibung). Anschlie- ne wie Diopsid und Augit. Auffällig beim Verputztyp
ßend wurden Bohrkerne für die chemischen, D ist das rötliche Mineral Hämatit.
mineralogischen (Röntgendiffraktometrie, Thermo-
Die quantitative Bestimmung des Calcit-Gehalts
gravimetrie) und bautechnologischen (Porosität,
in Gew.-% gibt Hinweise auf den Bindemittel-
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Wasseraufnahmekoeffizient) Untersuchungen ent-


gehalt und erfolgte mit Hilfe der Thermogravi-
nommen. Einige Untersuchungen wie beispielswei-
metrie. Um darüber hinaus eine Aussage zur
se Druck- und Haftzugfestigkeit erfolgten vor Ort.
Verarbeitung (Verteilung des Calcit-Gehalts in
einer Schicht) bzw. zur zeitlichen Veränderung
Ergebnisse
des Werkstoffs zu erhalten, erfolgte die Analyse
Optische Klassifizierung schichtweise in Millimeter-Schritten. Das Ergeb-
nis des Tiefenprofils ist in Abbildung 3 (links)
Bisher wurden insgesamt vier Hauptverputzgruppen
dargestellt. Hier zeigt sich, dass Verputztyp B.2
in den Zisternen auf der „Akropolis“ identifiziert.
einen Calcit-Gehalt in der Mitte seiner Schicht
Die optische Klassifizierung (s. Tab. 1) erfolgte
von ca. 13 Gew.-% und Verputztyp D von ca.
hierbei vorrangig nach dem Hauptzuschlag, da bei
26 Gew.-% aufweist. Zu beachten ist, dass der
allen Putzen hydraulischer Kalk als Bindemittel zum
Calcit-Gehalt nicht nur allein auf das Bindemittel
Einsatz kam. So wurden Asche (Holzkohle) in der
zurückzuführen ist. Beim Verputztyp B bestehen
Spätantike (Gruppe 1), Keramik in römischer Zeit
einige keramische Zuschläge neben Quarz und
(Gruppe 2) und lokale Vulkangesteine [5] in mittel-
Silikaten ebenfalls aus Calcit. Die vulkanischen
bis spätpunischer Zeit (Gruppe 3) verwendet. Die
Zuschläge weisen hingegen kein Calcit auf.
letzte Gruppe 4 bilden Mischverputze, die sich aus
den Zuschlägen Vulkangestein und Keramik zusam- Beide Verputztypen zeigen eine homogene Ver-
mensetzen. Aufgrund unterschiedlicher Zuschlags- teilung des Calcit-Gehalts über ihre Schichtdicke.
größen, Zuschlagsarten, Schichtdicken und Farbge- Lediglich zum Schichtende steigt dieser markant
bungen erfolgt innerhalb einer Verputzgruppe eine an, d. h. dort sind die Zuschläge viel feiner bzw.
weitere Differenzierung in Verputztypen. ist der Anteil geringer. Dies deutet auf die Ver-

Abb. 2: Unterschiedliche Verputztypen: von links nach rechts: Typ B, C, E, F

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Abb. 3: Tiefenprofil des Calcit-Gehalts (CaCO3)

wendung eines Vorputzes hin, um so beim Ver- halb der Zisterne ähnlich hohe Werte mit sehr
putztyp D den Haftverbund zum Felsuntergrund geringen Standardabweichungen (StdAbw) ergibt.
und bei der Instandsetzung mit Verputztyp B eine Dies deutet auf eine gleichmäßige Verarbeitung
Haftbrücke zum Verputztyp E zu gewährleisten. der Verputzschicht hin. Die Druckfestigkeiten
sind geringer als bei modernen Beschichtungen.
Vergleich antiker mit modernen Verputzen Bei der Bestimmung des Wasseraufnahmeko-
Aufgrund der unterschiedlich verwendeten Bin- effizienten wurden Werte zwischen 0,001 und
demittel und Applikationstechniken in der Antike 0,5 kg/m²¥h ermittelt, was nach heutiger Einteilung
und Moderne resultieren daraus erwartungs- einem wasserabweisenden Material entspricht. Da
gemäß auch unterschiedliche physikalische der Verputztyp B aber eine relativ hohe Gesamtpo-
Eigenschaften. So werden heute Maschinen zur rosität aufweist, muss dessen Oberfläche speziell
Applikation des Spritzmörtels eingesetzt (Tro- bearbeitet worden sein, um dies zu erreichen.

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cken- oder Nassspritzverfahren). Durch die hohe
Aufprallenergie verdichtet sich dieser und es kön- Kennwerte, Beschichtung
nen niedrige Werte für die Porosität erzielt wer- Eigenschaften Antik (Verputztyp B) Modern
den. Die Oberflächenglättung erfolgt ebenfalls Bindemittel Hydraulischer Kalk Zement
maschinell. In der Antike wurden hingegen alle
Zuschläge Keramiksplitt und -mehl Quarzsand, Kalkstein
Arbeitsvorgänge per Hand verrichtet. In Tabel-
le 2 sind weitere wichtige Kennwerte des am Schichtdicke Wand/Boden 29-38 mm / 27-46 mm 5-15 mm
häufigsten vorgefundenen antiken Verputztyps B Größtkorn Wand/Boden 18 mm / 21 mm 4 mm
aus Zisterne 1 und einer modernen Beschichtung Gesamtporosität § 37 Vol.-% < 12 Vol.-% *
nach Regelwerk [6] gegenübergestellt. Haftzugfestigkeit § 0,3 N/mm² > 1,5 N/mm² *
Es zeigt sich, dass der antike Verputztyp B aus Druckfestigkeit/StdAbw 20-30 N/mm² / 2-8 N/mm² § 45 N/mm² / 2-5 N/mm²
Zisterne 1 gegenüber einer modernen Beschich- Wasseraufnahme- § 0,3 kg/m²¥h § 0,03 kg/m²¥h
tung neben größeren Zuschlägen auch tech- koeffizient (wasserabweisend) (wasserabweisend)
nisch bedingt größere Schichtdicken aufweist. * diese Werte sollen nach 28 Tagen der Applikation erreicht werden
Bemerkenswert ist, dass die Bestimmung der
Druckfestigkeit des antiken Verputzes B inner- Tab. 2: Vergleich der Kennwerte einer antiken und modernen Beschichtung

Abb. 4: Arbeiten auf der Ausgrabungsstätte (Probenentnahme, Haftzugfestigkeitsmessung, Vermessungsarbeiten) mit tatkräftiger Unterstützung
der Studierenden T. Bürkle, J. Linzmeier, D. Becker, K. Farrenkopf, A. Röhm und M. Grünheid

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Zusammenfassung und Ausblick Literatur
Neben der optischen Typisierung wurden werk- [1] M. Schwotzer; A. Gerdes, Durability of cement
stofftechnologische Untersuchungen (chemisch- based materials in contact with drinking water,
mineralogische Zusammensetzung und physi- Internationl RILEM TC 211-PAE Final Confer-
kalische Eigenschaften) durchgeführt, um eine ence, Juli 2009 Toulouse, Concrete in Aggres-
werkstoffbasierte Typologie zu erstellen und sive Aqueous Environments, Vol. 1.
Vergleichskennwerte zu ermitteln. Hierzu fanden
[2] Th. Schäfer; M. Osanna, Cossyra I: Vorläufige
Methoden aus der modernen Baustoffforschung
Ergebnisse der Grabung auf der Akropolis von
Anwendung.
S. Marco/Pantelleria, (in Vorbereitung).
In den Zisternen der Ausgrabungsstätte „Akro-
[3] V. Castellani; S. Mantellini, Water management
polis“ in der punisch-römischen Siedlung auf
on Pantellera in Punic Roman Times, Interna-
Pantelleria konnten vier unterschiedliche Ver-
tional Conference Rom 2001, Arid Lands in
putzgruppen mit hauptsächlich keramischen und
Roman Times, Rom 2003, S. 51–58.
vulkanischen Zuschlägen optisch klassifiziert
werden. Der römische Verputz mit keramischen [4] F. Schön; H. Töpfer, Trinkwasserspeicherung in
Zuschlägen (Typ B) ist dabei der am häufigsten der Antike – ein Vorbild für heute?, Symposium:
vorgefundene. Bei allen Verputzen wurde hyd- Nutzung und Unterhalt von Trinkwasserbehäl-
raulischer Kalk als Bindemittel verwendet, wobei tern, 11. – 12.12.2008 in Ostfildern.
die Calcit-Gehalte aufgrund der verschiedenen
[5] H. Pichler, Italienische Vulkan-Gebiete V, in
Zuschlagsgrößen stark unterschiedlich, aber
Sammlung Geologischer Führer, Band 83,
innerhalb einer Verputzschicht homogen sind.
Gebrüder Borntraeger Verlag, Berlin, 1989.
Die ermittelten Werkstoffeigenschaften des anti-
[6] DIN, DVGW Regelwerk, Technische Regel, Ar-
ken Verputztyps B, welche sich aus den verwen-
beitsblatt W 300, Juni 2005, Wasserspeicherung
deten Materialien und der Applikationstechnik
– Planung, Bau, Betrieb und Instandsetzung von
ergeben, deuten auf eine gleichmäßige Verar-
Wasserbehältern in der Trinkwasserversorgung,
beitung der Werkstoffe und hohen handwerkli-
Beuth Verlag GmbH, 2005.
chen Ausbildungsstand hin. Sie sind offensicht-
lich ausreichend, um in Zisterne 1 Regenwasser
zu speichern. Der Verputztyp B wurde gezielt
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zur Abdichtung einer Zisterne hergestellt und Autoren


appliziert. Die verwendeten Techniken z. B. zur
Oberflächenglättung sind bisher nicht bekannt,
sollen aber Gegenstand weiterer Untersuchun- Jens Heinrichs
gen werden. wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für
Die Ergebnisse sollen zum einen der Archäo- Angewandte Forschung sowie am Institut für
logie zur Beantwortung relevanter Fragestel- Funktionelle Grenzflächen in der Arbeitsgruppe
Chemie/Sensorik mineralischer Grenzflächen
lungen wie z. B. der regionalen und zeitlichen
am Karlsruher Institut für Technologie (KIT –
Verbreitung von Bautechnologien dienen. Der- Campus Nord)
zeit wird aber auch daran gearbeitet, durch den
Vergleich der Werkstoffeigenschaften und des Prof. Dr. Andreas Gerdes
Langzeitverhaltens antiker hydraulischer Mörtel Professor an der Fakultät für Elektro- und Infor-
die Faktoren zu identifizieren, welche die Dauer- mationstechnik und Leiter der Arbeitsgruppe
haftigkeit dieser Werkstoffe maßgeblich bestim- Chemie/Sensorik mineralischer Grenzflächen
men. So können neue Impulse für die moderne im Institut für Funktionelle Grenzflächen am
Werkstoffentwicklung entstehen. Karlsruher Institut für Technologie (KIT – Cam-
pus Nord)

Kontakt
Prof. Dr. Andreas Gerdes
Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft
Fakultät für Elektro- und Informationstechnik
Moltkestraße 30
76133 Karlsruhe
E-Mail: andreas.gerdes@hs-karlsruhe.de
Telefon: 0721 925-1354

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