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NTIBERLINER

A
K a m p f b l a t t g e g e n P r i v a t i s i e r u n g / / N r. 9 / / D e z e m b e r / J a n u a r 2 0 0 6

2 Drecksarbeit. Wer macht


den Dreck weg? Über das
4 Privatisiert. Der Raubzug
läuft in Berlin auf
7 Nachruf. Der Antifaschist
und Kommunist Peter
Leben migrantischer Hochtouren. Die ersten Gingold ist im Alter von
Hausarbeiterinnen Folgen sind absehbar 90 Jahren gestorben
In eigener Sache strukturellen Notlage zweier
Der Anti- Hungerlohn für Frauen aussehen kann, die eine
berliner ist mit dem Problem Haushalt, Erzie-
eine Zeit-
schrift für
Drecksarbeit hung und Berufstätigkeit zu be-
wältigen, die Andere arm, oft ohne
linke Politik Weibliche Lohnarbeit war Arbeitserlaubnis und daher auf
und Kultur, die alle hierzulande noch bis in die Beschäftigung im Privathaushalt
zwei bis drei Monate 70er Jahre heftig umstrit- angewiesen, birgt viele Probleme
erscheint und kosten- ten. Während der Mann den in sich.
los in Berlin verteilt Familienlohn nach Hause Denn dieses Verhältnis ist Aus-
wird. Oft werden wir bringen sollte, wurde von druck der weltweiten kapitalisti-
verständnislos nach der Frau erwartet, sich um schen Arbeitsteilung, bei der die
unserem Namen ge- Heim und Herd zu kümmern, weißen, hoch Qualifizierten in
fragt und was wir also zu putzen, zu kochen den Städten, in denen es eine
denn gegen die Berli- und die Kinder zu erziehen Konzentration von Kapital gibt,
ner hätten. Dabei le- gutbezahlte Arbeiten mit langen

I
ben wir sogar sehr n vielen Familien aus den Arbeitszeiten verrichten, während
gern in Berlin. Ihren unteren Schichten sah die die Hausarbeit durch die ver-
Namen hat die Zeitung Realität jedoch so aus, dass meintlich Schwächsten, v.a. die
vom ehemaligen Berli- weiterhin beide Partner Geld ver- Migrantinnen, erledigt wird, deren
ner CDU-Bürgermeister dienen mussten, wobei der Frau Ausbildung hier nicht anerkannt
Eberhard Diepgen, der zusätzlich die Aufgabe zukam, der ist. Die Arbeitsteilung wird also of-
die Kreuzberger als Hausarbeit nachzugehen. fensichtlich nach rassistischen Kri-
»Antiberliner« brand- terien vorgenommen, da viele der
markte, nachdem sie Vom Regen ... migrantischen Hausarbeiterinnen
am 1. Mai 1987 nach- Heutzutage stehen in der BRD selbst hochqualifiziert aus ihren
drücklich darauf be- Frauen aus jeglichen Schichten in Herkunftsländern gekommen
standen hatten, den Lohn und Brot. Die meisten die- sind. Dort gehören sie meist dem
Tag der Arbeit ohne ser Frauen verdienen ihr Geld mit »Das bißchen Kochen Mittelstand an, sind nicht selten
Polizei zu feiern. Ein ungesicherten und schlecht be- ist doch halb so sogar Akademikerinnen. Der Un-
wild« (Johanna von
Ehrentitel für anstän- zahlten, kurz: prekären Jobs. Das terschied zwischen ihnen und ih-
Koczian)
dige Berliner also ... entspricht auch der generellen ren Arbeitgebern ist also oft nur
Tendenz auf dem Arbeitsmarkt, Wer kümmert sich um den Nach- das Geburtsland.
denn nur noch etwa 30 Prozent wuchs in Anbetracht des aktuellen
Impressum: aller Beschäftigungsverhältnisse Mangels an Kindergarten- und ... in die Traufe ...
· V.i.S.d.P.: E. Diepgen, gründen sich auf einem unbefri- Hortplätzen!? Doch dies ist nicht der einzige
Fasanenweg 30,
steten Vertrag. Doch abseits dieses Bei denen, die es sich leisten Missstand, denn der Lohn für be-
10123 Berlin
prekären Niedriglohnsektors gibt können, sind es immer öfter Haus- zahlte Hausarbeit ist in der Regel
· Redaktionskontakt:
antiberliner@web.de es auch zunehmend mehr gut arbeiterinnen, Frauen, die sich et- äußerst niedrig. Hausarbeit wird
· Unterstützer: Antifa- (aus-)gebildete und hoch qualifi- was Geld zu Hartz IV dazu verdie- als gering qualifiziert angesehen,
schistische Linke Berlin zierte Frauen, die in finanziell lu- nen wollen, oder auch weniger gerade weil sie komplex ist und
· Namentlich gekenn- krativen und prestigeträchtigen gut (aus-)gebildete Arbeiterinnen, nicht spezialisiert sein darf. Von
zeichnete Artikel spie- Berufen aktiv sind, eine Karriere die trotz Arbeit arm und deshalb einer Hausarbeiterin soll vom Ko-
geln nicht unbedingt anstreben und wie ihre männli- auf einen zweiten, oder sogar drit- chen und Putzen, über die Kin-
die Position des Redak- chen Kollegen am Besten rund ten Job angewiesen sind.Vor allen derbetreuung bis hin zur Pflege
tionskollektivs wider um die Uhr beruflich aktiv sein Dingen aber sind es Migrantin- hilfsbedürftiger Menschen alles
sollen. nen, oft ohne Aufenthalts- und verlangt werden können. Diese
Wer aber kümmert sich bei Arbeitserlaubnis, die ihre Her- Abwertung als nicht-spezialisierte
diesen Frauen und gegebenenfalls kunftsländer und Familien verlas- Arbeit wird verstärkt durch die
einer ganzen Familie um den sen mussten, um der Armut zu rechtlich unsichere Situation, der
Haushalt, wenn jener Arbeitsbe- entkommen. Migrantinnen mit fehlender Ar-
reich noch immer als die Zustän- Doch was auf den ersten Blick beits- und Aufenthaltserlaubnis so-
digkeit der Frau angesehen wird!? wie die praktische Lösung einer wieso schon unterliegen. Der

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stellten Probleme liegen in der Grüne Neonazis
weltweit ungleichen Verteilung Nach Angaben der Ber-
der Güter sowie in den patriar- liner Morgenpost wurde
chalen Strukturen, die diese be- im Berliner Stadteil
günstigen. Ein umfassender Lö- Schöneweide eine dort
sungsansatz muss die ökonomi- stationierte Bundespo-
schen Unterschiede sowohl auf lizei-Einheit aufgelöst.
nationaler, wie auch auf interna- Beamte aus dieser Ein-
tionaler Ebene beseitigen, denn heit tauschten unter-
Hauptgrund für die Emigration einander Nazimusik aus
ist die Armut. So bedarf es einer und sahen nach Aussa-
Wirtschaftsordnung, die nicht an gen anderer Polizisten
den Bedürfnissen der meisten aus wie Teilnehmer ei-
Menschen vorbei produziert. Sich ner NPD-Veranstaltung.
neben dem Job um den Haushalt Die Polizeibeamten, die
kümmern zu können, das heißt auch gerne mal Nazi-
»Das bißchen Haushalt, macht sich von
noch ausreichend Zeit und Ener- shirts trugen, gaben
allein« (Johanna von Koczian)
gie zu haben, gehört auch zu die- sich Namen aus der
Lohn und die Arbeitsbedingungen duktionssektor weiterhin der Zu- sen Bedürfnissen. Dies wäre die nördischen Götterwelt.
können von den Arbeitgebern bis ständigkeitsbereich von Frauen Voraussetzung dafür, die klassen- So hieß der Zugführer
auf ein kaum noch zu vertragen- bleibt, sollen hier nur kurz ange- und geschlechterorientierte Ar- »Odin«.
des Niveau verschlechtert wer- dacht werden. beitsteilung, aber auch die nach
den. Selbst Lohnbetrug ist keine rassistischen Kriterien vorgenom- Grünweißer Partybus
Ausnahme. ... an den Strand? menen Spaltungen zu beenden
Weitere Probleme wie die Iso- Es wäre im Rückschluss jedoch und die Auseinandersetzung um
lation der Migrantinnen im frem- falsch die zunehmende Gleichbe- die Haus- und Erziehungsarbeit
den Haushalt, noch dazu eines für rechtigung von Frauen auf dem mit einer gerechten Beteiligung
sie unbekannten Landes, oder Arbeitsmarkt in Frage zu stellen. der jeweiligen Partner zu been-
dem Missstand, dass der Repro- Denn die Ursachen der darge- den. »Guutte Laune!«, soll es
von nun an aus
Deutschlands Polizei-
Mannschaftswagen tö-
nen, wenn wieder mal
Tante Käthe plaudert aus dem Nähkästchen
Antifas sich den Nazis in

»Der Gammelbraten« den Weg stellen, und


deren Aufmärsche mit
Straßenblockaden zum
Stillstand gebracht wer-

N
achdem die Spezialität hierzulande über Mengen vielleicht zu Islamisten. Doch zum den. Laut Spiegel online
Wochen in aller Munde war, wird Tante Gammelbraten ist sie nicht sehr bekömmlich. Da sind setzt die Leipziger Polizei
Käthe euch exklusiv das Hausrezept vor- sich die Innenminister von Bund und Länder einig. bei heiklen Einsätzen
stellen: Gesetze und verschärfte Kontrollen ändern nichts. neuerdings ein Gute-
Die wichtigste Zutat ist natürlich ein schönes Stück Mindestpreise!? Ja, gerne. Freier Markt hin oder her. Laune-Mobil ein. Zwei
Gammelfleisch. Je älter, desto besser. Erfahrene Gourmets Die staatlich subventionierte EU-Landwirtschaft muss mit Schlagermusik hoch-
erkennen Fleisch von dieser Qualität am kräftig-süßlichen vor der Billignahrung des Trikont geschützt werden. Wo gerüstete Lautsprecher-
Verwesungsgeruch. Es muss gut durchgehangen sein.Vier kämen wir hin, wenn diese Länder im Agrarsektor des fahrzeuge kommen zum
Jahre Minimum! Aber was sind die restlichen Zutaten? Weltmarkts eine ökonomische Konkurrenz darstellen Einsatz, wenn zum Bei-
Rassismus!? Aber sicher, eine Prise davon gibt dem und daher insgesamt als ebenbürtige Handelspartner spiel die Stimmung bei
Gericht erst die richtige Würze. Denn während Thüringer gesehen werden müssten!? So hat eben auch das Fleisch Demonstrationen zu
Rostbratwurst ausschließlich aus bestem Frischfleisch kre- seinen Preis. kippen droht. Aus denen
denzt wird, gehört das Gammelfleisch zum Döner ser- Wer sich das nicht leisten kann, dem können wir eine tönt dann z.B. von Ro-
viert. unterschätzte Delikatesse aus Übersee empfehlen: berto Blanco »Ein bis-
Innere Sicherheit!? Aber nein! Das schmeckt in rauen Pellkartoffeln mit Quark – Bon Appetit! schen Spaß muss sein«.

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SCHWERPUNKT

Fischer, Fischer, wie


tief ist das Wasser?
»Den Raubzug stoppen!« lautete die Überschrift der Zeitung privare, welche im Sommer dieses Jahres vom Berli-
ner Bündnis gegen Privatisierung anlässlich der Berliner Abgeordnetenhauswahl herausgegeben wurde. Sie sollte
einen Überblick über die Aktivitäten verschiedenster Initiativen dieser Stadt geben, welche sich Anfang 2006 zu-
sammengetan hatten, um den Raubzug zu stoppen

D
as neoliberale Paradigma ist von der Politik gen. Oder aber dadurch, dass private Unternehmen Leistungen an-
längst übernommen und wird auch ständig bieten, die von Menschen erwirtschaftet werden, die zu niedrige-
propagiert: Privatisierungen von staatlichen ren (meist Billig-) Löhnen arbeiten.
und kommunalen Unternehmen und Dienst- Mit Privatisierungen sind somit immer Entwicklungen verbun-
leistungen führen infolge des Wettbewerbs den, die sich gleichzeitig negativ auf das Gemeinwohl und die ge-
auf dem Markt zu Preissenkungen für die Verbraucher. Private Un- samte Volkswirtschaft (sei es die einer Kommune oder einer ande-
ternehmen arbeiteten billiger, bürgernäher – und vor allem effi- ren größeren regionalen Einheit) auswirken.
zienter. Nicht zuletzt die »leeren Kassen« der öffentlichen Haus- Zweitens: Nicht nur das Argument der Entlastung der »leeren«
halte, welche die Bereitstellung einer umfangreichen Daseinvor- öffentlichen Kassen, bzw. das der Haushaltssanierung – von Medien,
sorge von Seiten des Staates (bzw. der Kommunen) nicht mehr er- Post, Bahn, Schulen, Müllentsorgung, Strom,Wasser und Abwasser
möglichten, dienten und dienen weiter als Argument zum Schwin- – entpuppten sich als leere Versprechung, ja sogar als scheinbar be-
gen des Privatisierungshammers. Unverholen wird sogar behaup- wusste Falschargumentation. Denn Privatisierungen, so zeigt Jour-
tet, die öffentlichen Haushalte würden durch derartige Maßnah- nalist und PhilosophWerner Rügemer in einer zum ersten Mal vor-
men saniert. Folglich gäbe es keine Alternative zur Privatisierung. gelegten Bilanz für die gesamte Bundesrepublik, erwiesen sich in
fast allen Fällen als »eine neue Quelle der öffentlichen Verschuldung,
Dass dies aber so nicht richtig ist, ergibt sich aus folgen- der Arbeitslosigkeit, der Teuerung«. So zeigt er unter anderem, dass
den Betrachtungen: die Kommunen ihr »Tafelsilber« weit unter dem Wert an Konzer-
Erstens: Es ist durchaus richtig, dass private Unternehmen effizien- ne verscherbelten.
ter wirtschaften können. Doch was heißt das? Zunächst muss klar Dass diese kurzfristigen und einmaligen Einnahmen aus den Ver-
sein, dass die Privatwirtschaft im Gegensatz zur öffentlichen Wirt- käufen außerdem in einem schlechten Verhältnis zu den langfristi-
schaft vom Eigeninteresse, von in- gen Belastungen für die Kommunen
dividuellen Geschäftsplänen, vor al- stehen, ergibt sich etwa aus dem
lem aber dem Ziel der Profitmaxi- Wegfall von Miet- und Steuerein-
mierung geleitet ist. Gewinnver- nahmen, aus Haushaltsbelastungen
wendung im Sinne des Gemein- durch über Jahrzehnte garantierte
wohls und eine sozial-orientierte Renditen für die privaten Konzer-
Preispolitik wie bei gemeinwirt- ne (bei »Öffentlich-Privaten Part-
schaftlichen Unternehmen sind nerschaften«) und nicht zuletzt aus
beim Marktagieren von Privatun- den von der Allgemeinheit zu tra-
ternehmen jedoch ausgeschlossen. genden, bereits beschriebenen Fol-
Zudem ist der Markt in einer gen des auf Gewinnmaximierung
existierenden kapitalistischen Wirt- gerichteten Wirtschaftens der Pri-
schaftswelt per Definition durch vatunternehmen.
Konkurrenz und Wettbewerb ge- Drittens: Keinesfalls darf uner-
prägt, welche sich in den letzten wähnt bleiben, dass Privatisierung
Jahren, infolge der kapitalistischen öffentlicher Bereiche – jedenfalls
Globalisierung noch verschärften. nach der vorherrschenden Praxis –
Um hier als privates Unternehmen mit extremer Geheimhaltung ver-
bestehen zu können, sind andau- bunden ist. Sowohl demokratische
ernde Effizienzsteigerungen von Mitsprache beim Zustandekom-
Nöten, die meist durch Reduzie- men, als auch demokratische Kon-
rung der Beschäftigtenzahl erfol- W a n d b i l d i n B e r l i n - K r e u z b e r g trolle blieb und bleibt versagt.

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Diese allgemeine Geheimhaltung von Privatisierungsabläufen ist den privaten Anteilseignern eine jährliche Rendite von mindestens
durch eine eigenartige Symbiose aus Vertretern von Wirtschaft, Po- acht Prozent nicht etwa auf den Kaufpreis der Investoren (1,69
litik,Wissenschaft und auch Justiz geprägt, die alle der neoliberalen
Mrd.), sondern auf das »betriebsnotwendige Kapital« (steigend) zu-
Wirtschaftsdoktrin, der Liberalisierungs- und Privatisierungslogik gestanden – und das garantiert bis zum Ende des Vertrages im Jahr
folgen. Man könnte meinen, die Akteure se- 2028. Um die Preise nicht weiter steigen zu
hen die Bevölkerung als minderbemittelt oder lassen, verzichtet das Land Berlin inzwischen
uninteressiert an, während sie ihre intriganten sogar auf große Teile seiner Konzessionsab-
Machenschaften verfolgen. gabe. So ergaben sich durch den Verzicht
zwischen 2000 und 2005 lediglich Einnah-
Am Beispiel der Teilprivatisierung der men in Höhe von 171 Mio. Euro für Berlin,
Berliner Wasserbetriebe (BWB), nur ei- RWE und Veolia bekamen zusammen immer-
nem Beispiel von vielen, lassen sich die hin 495 Mio. Euro.
bereits erläuterten Kritikpunkte ver- Fünftens: Zwar wurde vereinbart, dass bis
deutlichen: zum Jahr 2014 keine betriebsbedingten Kün-
Erstens: 1999 veräußerte der Berliner Senat digungen erfolgen dürfen. Dennoch ist durch
49,9 Prozent der BWB an die transnationa- interne Umlagerungen und Vorruhestandsre-
len Unternehmen RWE (Essen) und Veolia gelungen bislang die Beschäftigtenzahl von
(Paris) für umgerechnet ca. 1,69 Mrd. Euro. 6262 (1999) auf 4.950 Mitarbeiter (2006) re-
Allerdings verpuffte diese einmalige Einnah- duziert worden, betrachtet man Vollzeitar-
me im ohnehin schon maroden Berliner beitsplätze, so sind es derzeit eigentlich nur
Haushalt weitestgehend. noch 4.500.
Zweitens: Trotz der verbleibenden fakti- Sechstens: Mit der Teilprivatisierung wur-
schen Anteilsmehrheit des Landes Berlin hat- den die Neuinvestitionen zurückgefahren.
ten die Manager von RWE und Veolia sofort Folge davon ist nicht nur der Verlust von zir-
die Zügel in der Hand, was durch das Ersin- ka 8.000 Arbeitsplätzen bei regionalen Un-
nen einer ungewöhnlich komplizierten ternehmen und Zuliefererbetrieben. Auch
Rechtskonstruktion (Holding-Modell) er- die langfristige Qualitätssicherung des Berli-
reicht wurde. Dieses Konstrukt, bei welcher ner Wassers und eine ökologische Nachhal-
ein öffentlich-rechtliches Unternehmen un- tigkeitssicherung sind gefährdet.
ter die Kontrolle zweier privater Konzerne ge- Anhand dieser sich noch lange nicht er-
Glasklar? Das war einmal!
stellt wurde, kann als Steuerfluchtmodell be- schöpfenden Auswahl an Fakten rund um die
zeichnet werden. Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe wird das Ausmaß von
Drittens: Vertraglich war vereinbart, dass bis Ende 2003 keine Privatisierungen deutlich. Der Verkauf von Unternehmen der öf-
Preiserhöhungen erfolgen durften. Zum 1.1.2004 wurden sie dann fentlichen Daseinsvorsorge bringt nicht nur Preissteigerungen für
um 15 Prozent, im Jahr 2005 um 5,4 Prozent und zum Jahresan- die Verbraucher, es erfolgt auch keine Entlastung der öffentlichen
fang 2006 um 2,5 Prozent erhöht – insgesamt also bisher um ca. 23 Haushalte. Im Gegenteil: Die Haushalte werden langfristig weiter
Prozent. Selbst eine Klage auf Einsicht in die Tarifkalkulation der belastet. Die zur langfristigen Qualitäts- und ökologischen Nach-
BWB, die der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungs- haltigkeitssicherung benötigten Investitionskosten werden herun-
unternehmen vornahm, wurde mit der Begründung abgewiesen, die tergefahren. Nicht zuletzt hat die Allgemeinheit die gesellschaftli-
Tarifkalkulation enthalte vertrauliche, unternehmerische Daten. chen »Kosten« zu tragen, die dem Arbeitsplatzabbau folgen.
Viertens: Die »Teilprivatisierung« 1999 wurde in Form von Ge- Bleibt das Fazit, dass mit der Übersetzung des Wortes »privare«
heimverträgen zwischen der Berliner Senatsverwaltung für Wirt- = »rauben« (aus dem Lateinischen) alles über das Wesen von Priva-
schaft und RWE/Veolia realisiert, welche sowohl der Mehrheit der tisierungen gesagt ist – der Raub am öffentlich Gut zugunsten pri-
Abgeordneten unbekannt waren, als auch weiterhin für die Allge- vater Profitmaximierer.
meinheit unter Verschluss bleiben. Innerhalb dieser Verträge, wird Mathias Behnis

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Kampf um Oaxaca
Privatisierung weggespült
Cochabamba, die drittgrößte Stadt Boliviens, hat es vorgemacht. Im Jahre 2000 gelang es
die ein Jahr zuvor vom Internationalen Währungsfond (IWF) erzwungene Privatisierung der
öffentlichen Wasserversorgung zurück zunehmen

Beim schon fast obliga-


torischen Lehrerstreik
im mexicanischen Oaxa-
ca, bei dem der Forde-
rung nach mehr Lohn
jährlich Nachdruck ver- Massendemonstration und Proteste mit Miltäreinsatz in Cochamba
liehen wird, forderte

D
ein Polizeieinsatz meh- ies war nur durch den ten aus,welche sich selbstständig Sechs Menschen kamen dabei
rere Todesopfer. Darauf- über vier Monate an- an das Wassernetz angeschlossen ums Leben, Hunderte wurden
hin breitete sich der dauernden Protest ei- hatten und nun trotzdem den teu- schwer verletzt.
Protest zu einer vom nes breiten Bündnisses von Ge- ren Anschluss von »Aguas de Tu- Doch auch davon ließen sich
Großteil der Bevölke- werkschaften, Menschenrechts- nari« bezahlen sollten. So wurde die Protestierenden nicht ein-
rung getragenen Revolte gruppen,Studierenden und loka- einigen Stadtteilen das Wasser schüchtern, obwohl die Regie-
aus, in deren Verlauf len Aktionsgruppen möglich, die ganz abgedreht. rung mittlerweile das Kriegsrecht
die Verwaltung der Re- nicht an die Versprechungen der Um dies nicht tatenlos hin zu in der Region Cochabamba aus-
gionin die eigenen Privatisierung glaubten. nehmen formierte sich Ende 1999 gerufen hatte und Militär zur
Hände genommen wur- Nach dem Verkauf der öffentli- ein Aktionsbündnis lokaler Grup- Aufstandsbekämpfung einsetzte.
de. Am 27.10. begann chen Wasserversorgung von Co- pen, mit dem Ziel, die Privatisie-
chabamba an »Aguas de Tunari«, rung rückgängig zu machen und Schach matt
einem Subunternehmen des US- die Kontrolle über das Wasser in Am 4.April 2000 wurde die Stadt
amerikanischen Energiekonzerns die Hände der Bevölkerung zu erneut bestreikt.Wieder wurden
Bechtel, wurde schnell klar, dass bringen. Und so begann im Janu- Barrikaden errichtet Nichts ging
sich die Ziele des Unternehmens ar 2000 der »Guerra del agua« mehr in Cochabamba. So musste
nicht am Bedürfnis der Bevölke- (Wasserkrieg) mit einem General- die Regierung am 10.April letzt-
der Angriff der Regie- rung nach flächendeckender streik, der die ganze Stadt lahm- endlich die Forderungen der Pro-
rungstruppen, der wie- Trinkwasserversorgung orientier- legte. Zufahrtswege zur Stadt testierenden akzeptieren und den
der Todesopfer und Ver- ten. Das Ziel hieß Gewinnmaxi- wurden blockiert und das wirt- Rückkauf der städtischen Was-
letzte nach sich zog, mierung um jeden Preis.So stiegen schaftliche Leben zum Erliegen serversorgung veranlassen.
und dem massive Zer- die Abgaben für Trinkwasser um gebracht. Nach vier Tagen musste Seitdem steht Cochabamba als
störungs- und Ein- fast 200 Prozent,auf monatlich die bolivianische Regierung un- Symbol des Widerstandes gegen
schüchterungsaktionen über 30 Dollar an und die Gebüh- ter dem Ex-Diktator Hugo Ban- Privatisierung. Nicht nur, dass es
vorausgegangen waren. ren für einen neuen Anschluss zer nachgeben und zusichern, dass zum ersten Mal gelang, Privatisie-
Doch über eine Million wurden auf 450 Dollar festge- die Preissteigerungen zurückge- rung von öffentlichem Eigentum
Menschen machten am legt.Wasser wurde so für den nommen werden. wieder rückgängig zu machen,
6.11., bei einem soge- Großteil der Bevölkerung zum auch die Frage nach der Notwen-
nannten »Megamarcha« schier unbezahlbaren Luxusgut,da Der Preis ist heiß digkeit einer anderen Verteilung
deutlich, dass sie sich die meisten Menschen weniger als Als am 4.Februar 2000 erneut und Organisation von Grundgü-
so einfach nicht ein- 100 Dollar im Monat zum Leben zehntausende Menschen gegen tern wurde gestellt. Die Men-
schüchtern lassen wür- haben. die Privatisierung auf die Straße schen wollten den Versprechen
den. Ein Ende der Re- gingen, um ihrer Forderung nach des Marktes nicht mehr glauben
volte ist noch nicht in »Alles oder nichts!« Rücknahme der Privatisierung und setzten der neoliberalen Po-
Sicht, und es sind zu Unmut löste die Privatisierung Nachdruck zu verleihen, antwor- litik von IWF,Weltbank und re-
viele, um alle einzu- aber auch in den bevölkerungsrei- tete die Regierung mit militäri- gierender Elite ihren gemeinsa-
sperren. chen und indigenen Wohngebie- scher Gewalt auf die Proteste. men Widerstand entgegen.

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Antifa-Gedenken
Ein Zeitzeuge und Straßenkämpfer »Wir sind gekommen,
Die antifaschistische Bewegung trauert um Peter Gingold. Am 28. Oktober 2006 verstarb er um zu bleiben«, ist das
im Alter von 90 Jahren in Frankfurt/Main. Gingold war Kommunist und Widerstandskämp- Motto der diesjährigen
fer gegen die NS-Barbarei Silvio-Meier-Demo. Zum
1940 heiratete er in Paris Ettie Stein Todestag findet jährlich
Haller. Aktiv in der Résistance, im Berliner Ostteil eine
nahm er 1944 am Aufstand des Demonstration statt, bei
französischen Widerstands teil und der Silvio Meier – einem
setzte seine antifaschistische Arbeit Antifaschisten, der vor
in den Reihen des 1. Pariser Regi- 14 Jahren von Neonazis
ments in Lothringen fort. ermordet wurde – ge-
Zurück in Deutschland gehör- dacht wird und lokale
te Peter Gingold zu den Grün- Nazistrukturen themati-
Peter Gingold bei der Bündnisdemonstra- dern der hessischen Vereinigung siert werden. Letztes
tion am 8. Mai 2005 zum 60. Jahrestag der Verfolgten des Naziregimes Jahr beteiligten sich bis
der Befreiung in Berlin-Mitte (VVN). Wir haben einen teuren zu 1.500 Leute an der
Genossen verloren. Sein Mut und Demonstration.

A
m 29. Oktober dieses seinen interessanten Reden im- sein Eintreten im Kampf gegen Sa, 25. November,
Jahres starb in Frank- mer wieder junge Menschen. den Faschismus bleibt uns in Er- mehr Termine und Infos
furt/Main der Antifa- Er wurde am 8. März 1916 in innerung. Die Erfahrungen mit unter: www.antifa.de
schist Peter Gingold. Er erlag im Aschaffenburg geboren und organi- ihm werden uns helfen unseren
Alter von 90 Jahren einer schwe- sierte sich dort als junger Mann im Kampf fortzuführen. Kein Bock auf Nazis
ren Krankheit. Kommunistischen Jugendverband. Buchtip: »Résistance = Wi- Dass Künstler wie Die To-
Gingold war Kommunist aus Bei einer Razzia der SA wurde er derstand – ein Leben lang!«. 60 ten Hosen, ZSK, Bela B.
jüdischem Elternhaus und Binde- verhaftet und kam ins Gefängnis. Seiten, 5 Euro, zu bestellen bei: u.v.a. sich für das Pro-
glied für viele Generationen von Nach mehreren Monaten kam er VVN-BdA Hessen, Eckenheimer jekt stark gemacht ha-
Antifaschisten. Für Schulen und frei und musste das Land verlassen. Landstr. 93, 60318 Frankfurt/M. ben, hat sicher ent-
Universitäten, Jugendverbände, scheidend für den Erfolg
Gewerkschaften oder autonome der »Kein Bock auf Na-
Antifa, für die Gesellschaft für zis«-DVD beigetragen.
christlich-jüdische Zusammenar- Mittlerweile wurde sie in
beit oder seine Partei, der DKP, 60.000er Auflage ko-
und natürlich für seine Genossen stenlos verteilt. Die DVD
vom VVN-BdA war er ein wich- informiert über die Rat-
tiger Ansprechpartner. Bis zum tenfängerei der Nazis,
Schluss war Peter Gingold auf der aber auch über antifa-
Straße aktiv und begeisterte mit schistische Kampagnen.
Downloads und Infos

Naziwirt verliert Kneipe zu einer Haftstrafe verurteilten Sängers der Rechts-


rockband Landser forderte.
findet ihr unter: kein-
bockaufnazis.de

D
ie antifaschsitische Kampagne »Hol Dir Mit Demonstrationen und Flugblattaktionen, vor
den Kiez zurück« konnte in Lichtenberg allem aber Öffentlickeitsarbeit wies die Kampagne Nazis raus
einen wichtigen Erfolg verbuchen. Die auf die Rolle des Lokals für die rechte Szene und Seit dem 4.11. kommen
Kneipe »Kiste«, die als Schnittstelle für Neonazis aus den fremdenfeindlichen und gewalttätigen Hinter- Zuschauer mit Kleidern
verschiedensten Spektren diente, musste dem Druck grund des Wirtes hin. »Wir haben alle Hebel in Gang der Marke »Thor Steinar«
nachgeben und schließen. Sie war Hauptangriffsziel gesetzt und Druck auf den Bezirk ausgeübt, so dass nicht mehr ins Stadion
der Kampagne, da dort regelmäßig Treffen von ver- der Treffpunkt letztendlich schließen musste«, so ein von Hertha BSC. Der Ver-
botenen Kameradschaften, rechten Rockern und Sprecher der Kampagne. ein will sich so von den
Hooligans aus der Naziszene stattfanden. Der Höhepunkt von »Hol Dir den Kiez zurück« Fans distanzieren, die
Der Wirt, Detlef Mirek, ist immer wieder bei Na- war ein Open-Air-Konzert mit 3.000 Besuchern in rechtes Gedankengut
ziaufmärschen in Erscheinung getreten, zuletzt bei der Weitlingstrasse. »verschlüsselt in Symbo-
einem Aufmarsch der NPD, der die Freilassung des www.lichtenberg-gegen-rechts.tk len« ins Stadion tragen.

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YouTube-Lieblinge das Depot, werden von der
»Für die Bahn waren Bahn aus dem Verkehr genom-
wir ein rotes Tuch« men und sofort gereinigt. Das
Einzige, was oft bleibt von den
Florian Gaag hat für den eint allerdings kein klares poli- Bildern, ist ein Foto.
Folgende Kurzfilme neuen Writerfilm »Whole- tisches Manifest und ist in ihrer Im Film werden ständig Züge oder
können im Internet train« Regie geführt und Gesinnung nicht unbedingt ho- Wände bemalt. Gab es viele Hür-
unter der Homepage Drehbuch geschrieben. Gaag mogen.Vereinzelt gibt es State- den den Film zu drehen.Wie war
www.youtube.com gibt dem Antiberliner einen ments zum politischen Gesche- die Zusammenarbeit z.B. zwischen
angeschaut werden: Einblick in die Szene hen neben den Bildern. Man- der Deutschen Bahn und Euch?
che Writer verfolgen mit der Zum Thema Hürden: Ich habe

D
Ein deutscher Junge, ein Film Wholetrain Bewegung aber auch ein klares mich gefühlt wie ein Gaul bei
der leicht die Conte- ging mit großem Inter- Ziel: den öffentlichen Raum, einem nicht enden wollenden
nance verliert esse durch die Feuille- der von inflationären Werbe- Springreitturnier. Schon im
Suche: »niño loco ale- tons.Was gibt es für Feedbacks aus botschaften und Billboards be- Vorfeld war es schwer, über-
man« der Sprüherszene? haupt auch nur die Idee zu dem
Nur positive. Besonders gefreut Film zu vermitteln. An so ei-
Wie sang NOFX mal? hat mich, dass er bei Screenings nem kontroversen Thema woll-
»Kill all the white men« in New York auch viele legen- te sich keiner die Finger ver-
Suche: »police lzyjosh« däre Writer der dortigen Szene brennen. Und natürlich waren
begeistert und berührt hat. Er auch die potentiellen Geldge-
Promo

»Dass ist scheißer als scheint also eine universelle ber sehr skeptisch. Die ersten,
jetzt gegen ...« Qualität zu besitzen. David und Tino in die schließlich an den Film ge-
Suche: »dumm« Dein Film beschäftigt sich auch Akti on. Filmszene glaubt haben, waren die Da-
mit der Kriminalisierung der Sze- aus »Wholetrain« men und Herren vom Kleinen
Ach, wie schön war ne. Hast Du auch Erfahrungen mit Fernsehspiel/ZDF. Interessan-
doch die WM 2006 ... der Polizei gemacht, schließlich herrscht wird, für den individu- terweise hat uns dann nach zä-
Suche: »German Idiot wirkt der Film im Gegensatz zu ellen Ausdruck zurückzuer- hem Ringen auch die bayeri-
WM Tickets« anderen Filmen sehr authentisch? obern. sche Filmförderung unterstützt.
Zu Genüge. Ich bin in meiner Bemalte Wände, aber besonders be- Aber selbst als wir mehr
Warum man bei ei- aktiven Zeit als Writer und auch malte Züge sind weniger geworden. schlecht als recht finanziert wa-
nem Kinderwunsch danach mit den Herrschaften in Schläft die Szene ein oder nimmt ren, war das Zustandekommen
dreimal überlegen sollte allen denkbaren Varianten an- die Repression zu? des Films noch höchst unge-
Suche: »use condoms« einandergeraten und habe für Der Druck nimmt ganz klar zu. wiss. Kein westeuropäischer
meine »Verfehlungen« schließ- Polizei und Wachschutzunter- Verkehrsbetrieb wollte uns eine
Warum wir Berliner lich mit einem Knastaufenthalt nehmen rüsten auf und para- Drehgenehmigung erteilen.
keine Sachsen mögen: gebüßt. noide, um Wählergunst buhlen- Für die Deutsche Bahn waren
Suche: »Demo Uffta« Ist die Sprüherszene eine politische de Politiker, fordern härtere wir ein leuchtend rotes Tuch. In
Szene? Strafen. Aber es werden nach Warschau schließlich hat man
Das harte Leben der Graffiti-Writing ist per se poli- wie vor Züge besprüht, mehr als sich unserer erbarmt und die
Amish People tisch. Eine subversive, illegale, viele denken. Meistens verlassen dortige S-Bahnflotte zur »Zer-
Suche: »Amish Paradi- anarchische Kultur. Die Szene diese aber nicht einmal mehr störung« freigegeben.
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