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nachrichten g 3336 17.1.2002 18. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
Jahreswechsel mit
rechter Gewalt
In der Neujahrsnacht haben an mehre-
ren Orten rechtsextreme Jugendliche
randaliert: In Vetschau (Oberspree-
wald-Lausitz) überfielen mehrere den
Probenraum der Punkband „Warndrei-
eck“. Die Angreifer haben dabei zwei
Fenster eingeworfen. In Beelitz wurde
in der Neujahrsnacht ein Jugendklub
mit Hakenkreuzen, SS-Runen und
Nazi-Parolen beschmiert. In Lauch-
hammer (Oberspreewald-Lausitz) rie-
fen Jugendliche „Juden raus“ und han-
tierten laut Innenministerium mit „pi-
stolenähnlichen Gegenständen“. Ein
19-Jähriger schlug Silvester in Walsle-
ben (bei Neuruppin) einem dunkel-
häutigen Jugendlichen ins Gesicht.
Köln-
Am Neujahrstag rief der Täter „brau-
nes Arschloch“ und „Niggervater“, als Longerich,
er wieder auf den Jugendlichen traf,
der in Begleitung des Lebensgefährten
seiner Mutter unterwegs war. Das
die Dritte...
Fotos: Jörn Neumann, Version
Amtsgericht Neuruppin verurteilte
den 19-Jährigen inzwischen schon zu Köln. Alle paar Monate scheint Themen für die Teilnehmer politischer
zwei Wochen Dauerarrest. In Prem- die „Bürgerbewegung Pro- Auseinandersetzungen“. Neben der zu er-
nitz zog bereits weit vor Mitternacht Köln“ nun einen Aufmarsch wartenden Verballhornung des politischen
eine 15 köpfige, größtenteils nament- durchzuführen. „Mehrere hundert Pro- Gegners werden Fehler auch bei der eige-
lich und einschlägig wegen Gewaltde- Köln-Anhänger und Bürger aus dem nen Klientel benannt. „Normal ist Top, al-
likten bekannte, Gruppe Rechtsextre- Kölner Norden“ hatte Organisator les andere ist Flop“, heißt es in dem Arti-
misten durch den Ort, bewarf vorbei- Manfred Rouhs (früher DLHV und im- kel. Dass am Samstag ein Teilnehmer we-
fahrende PKWs mit Knallkörpern und mer noch Herausgeber von „Signal“) gen Zeigen des Hakenkreuzes verhaftet
Ähnlichem; Jugendliche wurden erwartet. „Bürger“ kamen auch dies- wurde, war wohl nicht so „top“.
attackiert, weil sie keine Böller raus- mal nicht und zahlenmäßig schlug der Der Trend auf Themen aufzuspringen,
rücken wollten. Später wurden dann Samstagstermin auch nicht zu Buche: die von reaktionären/konservativen Krei-
10 linksorientierte Jugendliche mit Mit 70 bis 80 Neonazis, darunter wie- sen aufgeworfen werden, scheint sich ins-
Böllern und Raketen angegriffen. Ge- der etliche aus den „Freien Kamerad- gesamt immer größerer Beliebtheit zu er-
gen 1Uhr griffen vier namentlich be- schaften“ NRWs, sammelten sich freuen. Wollten die Pro-Nasen schon mit
kannte Täter aus der Nazi-Gruppe ei- kaum mehr als beim letzten Mal auf der sog. Bürger-Kfor gegen Forensik und
nen linksorientierten Jugendlichen dem Altonaer Platz. Flüchtlingsunterbringung in Köln-Porz de-
und dessen Begleiter an. Ohne War- monstrieren, ist jetzt auch das „Bündnis
nung schlugen und traten die vier mit Seit Jahren nun schon versucht Manfred für Deutschland“ auf diesen Zug aufge-
Fäusten und Schuhen auf eines der Rouhs sich den Anstrich des konservati- sprungen. Nachdem eine „Initiative für
beiden Opfer ein. Außerdem zerschlug ven Biedermanns zu geben, bislang ohne mehr Ruhe in der Altstadt“ Gegenkundge-
einer der Tatbeteiligten einen Knüppel Erfolg. Die unter „Pro-Köln“ firmierenden bungen während des Christopher-
auf dem Kopf des selben Opfers, das Aufmärsche in Longerich gegen den sog. Street-Day-Straßenfestes anmeldete, kün-
mit dem Krankenwagen zur Rettungs- „Drogenstrich“ erfreuen sich fast aussch- digte das „Bündnis für Deutschland“ an, es
stelle gebracht werden musste. ließlich der Resonanz aus dem Lager der werde an den Kundgebungen teilnehmen
nach Infotelefon Garfield 06272- militanten Faschisten aus den „unabhängi- und „gegen Schweinskram, Unkultur und
3559, www.infoladen-moskito.de ■ gen Kameradschaften“, angereist aus ganz Ekelhaftigkeit vorgehen“. Die Initiative
NRW. Nicht dass diese Kreise aus ideolo- hat daraufhin auf ihre Aktion verzichtet.
gischen Gründen unerwünscht wären, das Antifaschisten waren am Samstag meh-
Aus dem Inhalt: Problem liegt woanders. In der neuesten rere Hundert vor Ort. Ein massives Poli-
Ausgabe von Rouhs’ Zeitschrift „Signal“ zeiaufgebot verhinderte zwar ein Aufein-
Fragen an die ärztliche
finden sich hierzu interessante Einlassun- andertreffen. Immer wieder wurden aber
Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
gen. Unter dem Titel „Von Troublemakern kurzfristig Straßenkreuzungen blockiert,
2001: weltweit 46 kriegerische
und Problemlösern“ erörtert ein anony- so dass der gespenstische Fackelzug ziem-
Auseinandersetzungen . . . . . . 8
mer Schreiber „...die Bedeutung von Klei- lich schnell in menschenleere Straßen ver-
dung, Sprache und der Wahl der richtigen schwand. CHR, u.b. ■
: meldungen, aktionen
31.606 Straftaten von Neonazis, 10.369
im Bereich „Linksextremismus“. Umge-
Schily streitet mit Neonazis rechnet heißt das: In den vier Jahren
um Internet-Seite „Den Deserteuren und Kriegsdienstver- 1995 bis 1999 bearbeitete jeder Beamte
weigerern – Kampagne gegen Wehr- der Abteilung „Rechtsextremismus“ 527
Hamburg/Berlin. Bundesinnenminister pflicht, Zwangsdienste und Militär“ ist Straftaten. Sein Kollege im Bereich
Otto Schily streitet mit dem US-Neonazi bereits am Tag der Ehrung heimlich vom „Linksextremismus“ hatte im gleichen
Gary Lauck um Namensrechte im Inter- Ehrenhof der Gedenkstätte Deutscher Zeitraum nur mit 94 Straftaten zu tun.
net. Dabei geht es nach einem Bericht Widerstand entfernt worden. Pro Straftat ermittelten in diesen Jahren
des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ be- Gegen 500 Euro, zahlbar an den also fast sechs Mal so viele BKA-Beam-
sonders um die Internet-Domain www. Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsor- te gegen Linke wie gegen Neonazis.
bundesinnenministerium.com, die von ge, stellte das Berliner Amtsgericht am ● Seit April 2000 sind beide Abteilungen
Lauck reserviert wurde und für rechtsex- 10. Januar jetzt das Verfahren gegen den zusammengefasst. Doch die Bagatelli-
treme Propaganda benutzt wird. Vor der Major ein. Die Richterin verlangte ledig- sierung rechter Gewalt und die Aufbau-
UN-Schlichtungsstelle für Netzstreitig- lich, dass er sich für seine Äußerung ent- schung der Gefahren von links geht auch
keiten (Wipo) wolle Schily die Domain schuldigt. Baumann hatte – wie er beton- heute noch weiter. Derzeit sind nach An-
nun Lauck streitig machen. Eine Spre- te – die Anzeige auch im Namen der von gaben der Bundesregierung beim BKA
cherin des Bundesinnenministeriums be- der Wehrmachtsjustiz zum Tode verur- 40 Beamte mit Analyse und Auswertung
stätigte den Konflikt um die Domain, der teilten Kameraden erstattet. Er kritisierte im Bereich Rechtsextremismus beauf-
allerdings schon auf das Jahr 2000 erneut, dass sich die Bundestagsmehrheit tragt, nur noch 20 Beamte analysieren
zurückgehe. Richtig sei auch, dass die trotz rot-grüner Versprechungen noch linke Gewalt. Gleichzeitig meldet das
Anrufung der in Genf ansässigen Wipo immer nicht zur Aufhebung der Un- BKA im Bereich politisch motivierter
erwogen werde. Parallel werde aber auch rechtsurteile „ohne Wenn und Aber Gewalt für 2001 bisher 13.071 Straftaten
auf anderem Weg versucht, Lauck die durchgerungen hat“. von Neonazis gegenüber 3.349 von mut-
Namensrechte streitig zu machen. ■ PM Kampagne gegen Wehrpflicht, maßlichen „Linksextremisten“.
ND, FR 11.1.02. ■ Pro Straftat werden also auch unter
Bundeswehr-Major muss Schily immer noch doppelt so viele
Skandalöse Planstellenpoli- BKA-Beamte gegen mutmaßliche
sich entschuldigen „Linksextremisten“ eingesetzt wie gegen
Berlin. Am 20. Juli 2000 war das Areal tik im Bundeskriminalamt Neonazis. PM Ulla Jelpke ■
um den Bendlerblock der Bundeswehr Berlin. Obwohl die Zahl rechtsextremi-
zur Sondernutzung überlassen worden, stischer, fremdenfeindlicher und antise- DFB-Sportförderverein zieht
um dort abends ein Rekrutengelöbnis zu mitischer Straftaten in den letzten Jahren
zelebrieren. Trotzdem legte die Kampa- ständig drei bis vier Mal so groß war wie Unterstützung zurück
gne gegen Wehrpflicht einen Kranz zu die im Bereich Linksextremismus, waren Berlin. Die Ausstellung „Tatort Stadi-
Ehren des konsequenten Widerstands ge- im Bundeskriminalamt ständig weit on“, die jetzt in Hamburg im DGB-Haus
gen den Krieg nieder. Ludwig Baumann, mehr Beamte mit Ermittlungen im Be- im Besenbinderhof gezeigt wird, muss
Vorsitzender der Bundesvereinigung Op- reich „Linksextremismus“ beauftragt als ohne die finanzielle Unterstützung des
fer der NS-Militärjustiz, hielt die An- gegen Neonazis. Diese skandalöse Baga- DFB-Sportfördervereins auskommen.
sprache. Diese Ehrung wurde von zahl- tellisierung rechter Gewalt geht aus der Die Ausstellung beinhaltete bei ihrer
reichen Feldjägern überwacht. Dabei be- jetzt vorliegenden Antwort der Bundes- Eröffnung in Berlin (s. AN 1-02) eine Ta-
zeichnete der verantwortliche Offizier regierung auf eine Anfrage der PDS her- fel, die auch Aussagen des DFB-Präsi-
der Feldjäger, Major Dirk R., Ludwig vor. Im einzelnen: denten Mayer-Vorfelder enthielt, so z.B.
Baumann im Anschluss an die Gedenk- ● In den Jahren 1991 bis 1994 waren im den Satz: „Die Chaoten in Berlin, in der
veranstaltung als einen „Straftäter“. BKA im Bereich „Linksextremismus/- Hafenstraße in Hamburg und in
Trotz mehrmaliger Aufforderung Lud- terrorismus“ 183 Beamte eingesetzt, im Wackersdorf springen schlimmer herum
wig Baumanns und von Mitarbeitern der Bereich „Rechtsextremismus/-terroris- als die SA damals“.
Kampagne nahm der Offizier seine be- mus“ dagegen nur 20 Beamte. Für die Das Angebot an den DFB, eine eigene
leidigende und kränkende Äußerung gleichen Jahre beziffert das BKA die Tafel zur Selbstdarstellung der Ausstel-
nicht zurück. Ludwig Baumann erstatte- Zahl der Straftaten von Neonazis auf lung hinzuzufügen, wurde abgelehnt,
te daraufhin Strafanzeige. 14.335, im Bereich Linksextremismus stattdessen die Aussteller aufgefordert,
Die Kampagne gegen Wehrpflicht, dagegen auf 7.809. Umgerechnet auf die die Tafel zum DFB abzuhängen. Für
Zwangsdienste und Militär ehrt seit Jah- von jedem Beamten zu bearbeitenden Hamburg wurde die Tafel überarbeitet
ren am 20. Juli in der Gedenkstätte Deut- Straftaten bedeutet das: auf je 43 Strafta- und enthält nun Mayer-Vorfelder Zitate,
scher Widerstand mit einer Kranznieder- ten mutmaßlicher Linksextremisten in die sowohl aus dessen Zeit als CDU-Po-
legung den Widerstand von Deserteuren diesen drei Jahren kam im BKA ein zu- litiker stammen als auch aktuelle Aus-
und Kriegsdienstverweigerern, gegen die ständiger Beamter. Bei Neonazis dage- sprüche wie seine Aussage gegenüber
die NS-Militärjustiz 46.000 Todesurteile gen hatte jeder BKA-Beamte im glei- dem Stern Anfang 2001 „Ich bin stolz ein
verhängte, von denen über 20.000 voll- chen Zeitraum 717 Straftaten zu bearbei- Deutscher zu sein“ und ein Zitat aus der
streckt wurden. Einer von ihnen war ten. Beamte im Bereich Rechtsextremis- Berliner Fußball-Woche vom Oktober
Ludwig Baumann, der 1942 wegen mus hatten also bis 1994 im Schnitt 17 2001: „Wenn beim Spiel Bayern gegen
„Fahnenflucht“ zum Tode verurteilt und Mal so viele Straftaten zu bearbeiten wie Cottbus nur zwei Germanen in den An-
anschließend zu zwölf Jahren Zuchthaus ihre Kollegen der Abteilung Linksextre- fangsformationen stehen, kann irgend et-
begnadigt und im Wehrmachtsgefängnis mismus. was nicht stimmen.“
Torgau inhaftiert wurde. Der Widerstand ● Von November 1994 bis April 2000 Die Förderung wurde zugesagt, als der
von Deserteuren und Kriegsdienstver- waren im BKA 100 bis 110 Beamte zur DFB die Ausstellung noch nicht gesehen
weigerern gegen den verbrecherischen Verfolgung von Linksextremismus ein- hatte. „Die fehlenden gut 5100 Euro
Angriffskrieg wird bei den alljährlichen gesetzt, nur 50 bzw. 60 Beamte gegen werden nun notgedrungen aus einem
staatlichen Feiern am 20. Juli völlig aus- Neonazis. Auch hier zum Vergleich die übergeordneten Topf unseres europawei-
geblendet. Der Kranz mit der Aufschrift Zahl der Straftaten 1995 bis 1999: ten Netzwerks Football Against Racism
„sonstwas“ beabsichtigte – , hatte en brutal gegen die Eingekesselten vor- im März 2001 befasste sich das Ober-
Pech. An dieser Stelle kesselte näm- gegangen, hätten sie beispielsweise zum verwaltungsgericht Dortmund mit zwei
lich die Polizei mehr als 500 Personen Stürzen gebracht und ihnen so Verlet- Polizeikesseln am Rande von Protesten
ein, und das immerhin für rund drei zungen zugefügt. Nach den Beobachtun- gegen Naziaufmärsche im Oktober und
Stunden. Hintergrund war ein Auf- gen von Tanja Hoppe wurden außerdem Dezember 2000 in Dortmund und Düs-
marsch der rechtsextremistischen Sitzblockaden, die aus Protest gegen die seldorf. Die Richter bewerteten die Poli-
„Nationaldemokratischen Partei NPD gebildet worden waren, „mit unan- zeikessel als rechtswidrig, weil die Ver-
Deutschlands“ (NPD), die den 45- gemessener Gewalt aufgelöst“. In der sammlung nicht – gut hörbar und mehr-
jährigen Neonazi-Führer Christian Regel hätten sich die Polizisten nicht fach geschehen – aufgelöst worden sei.
Worch als Chefredner aufgeboten darauf beschränkt, Sitz-
hatte. Rund 2.000 Menschen aus Ol- blockierer einfach und
denburg und Bremen gingen gegen schmerzlos von der
die NPD auf die Straße. Straße zu tragen.
Man müsse sich vor
Tanja Hoppe gehörte zu denjenigen, die Augen halten, gegen
zur besagten Stunde am Lappan nicht wen in Oldenburg pro-
mit dem Bus fahren wollten, sondern et- testiert worden sei, so
was anderes vorhatten, nämlich der die 18-Jährige, die sich
NPD Paroli zu bieten. Die 18-jährige seit zwei Jahren mit
Rechtsanwaltsgehilfin wurde ebenfalls dem Thema „Rechtsex-
von Polizeibeamten „in Kampfmontur“ tremismus“ beschäftigt
umringt, und das in der Zeit von unge- („Als ich noch mit ei-
fähr 11.30 bis 14.30 Uhr. Nun hat die nem Russlanddeutschen
junge Frau rechtliche Schritte eingelei- zusammen war, wurden
tet. Tanja Hoppe fordert eine Entschädi- wir desöfteren angepö-
gung und will, dass der Oldenburger Po- belt. Das hat mich sen-
lizeikessel als „rechtswidrig“ eingestuft sibilisiert“). Gegen die
wird. NPD läuft zurzeit vor
Aus der Umringung beziehungsweise allem wegen Verbindun-
dem Kessel führte für Tanja Hoppe kein gen zu gewalttätigen Rechtsextremisten Die Rechtswidrigkeit des Kessels hätte
Weg heraus, trotz mehrerer Versuche: und Rechtsterroristen ein Verbotsverfah- laut Oberverwaltungsgericht Dortmund
„Ich hatte der Polizei immer wieder an- ren. Und der Hamburger Christian selbst dann gegolten, wenn aus der Ver-
geboten, meine Personalien festzustellen Worch spielt seit zweieinhalb Jahrzehn- sammlung heraus Straftaten begangen
und mich danach aus dem Kessel zu ent- ten die erste Geige, wenn es gilt, mili- worden wären.
lassen. Denn ich hatte ja meinen Perso- tante Neonazis zu mobilisieren und den Rechtlich ist also in Sachen Olden-
nalausweis dabei.“ Doch die Ordnungs- Holocaust zu verharmlosen. Unter an- burger Polizeikessel das letzte Wort
hüter hätten sich darauf nicht eingelas- derem war er der engste Mitstreiter des noch nicht gesprochen; die Bezirksre-
sen. Viele der Eingekesselten hätten ver- berüchtigten Neonazi-Führers Michael gierung Weser-Ems hat aufgrund des
sucht, friedlich mit den Polizisten zu re- Kühnen und genießt ein entsprechendes Vorstoßes von Tanja Hoppe ein Prü-
den und sich zu verständigen - und seien Ansehen bei den braunen Horden. fungsverfahren eingeleitet.
schließlich aus dem Kessel ausgebro- Bei der Oldenburger Polizei verweist Politisch scheint dagegen in der An-
chen. man mit Blick auf den Kessel Ende Ok- gelegenheit nicht mehr viel zu laufen.
Auf das Verhalten zahlreicher der tober auf Gewalttaten aus Kreisen der Die Oldenburger PDS-Fraktion hatte im
„Freunde und Helfer“ ist Tanja Hoppe Anti-NPD-Demonstranten und auf die städtischen Parlament einen Untersu-
nicht besonders gut zu sprechen. Ob- Verpflichtung, blutige Auseinanderset- chungsausschuss zum Polizeikessel be-
wohl sich auch Kinder und ältere Leute zungen zwischen den nur etwa 80 antragt, weil sie die Verhältnismäßigkeit
im Kessel befunden hätten, die mit den Rechtsextremisten und ihren zahlen- der Mittel verletzt sah und die Rolle des
Aktionen gegen die NPD überhaupt mäßig weit überlegenen Gegnern zu ver- Ordnungsamtes geprüft haben wollte.
nichts im Sinn hatten, seien Sanitäter hindern. Der NPD-Aufmarsch in Olden- Auf einer Ratssitzung im November
nicht in den Kessel gelassen worden. burg sei nicht verboten gewesen und wurde dieser Antrag mit den Stimmen
Die Polizei habe den Ring im Laufe der habe deshalb geschützt werden müssen. der Ratsmehrheit abgelehnt: In Olden-
Stunden immer enger gezogen und da- Das habe sicherlich auch den meisten burg regieren SPD, FDP und die Mini-
durch die Stimmung unter den Einge- Polizeibeamten gar nicht „geschmeckt“. gruppe BfO.
kesselten verschärft: „Die Leute im Kes- Tanja Hoppe ist zuversichtlich, dass Nun wähnt sich die Linkspartei poli-
sel haben zuerst einigermaßen gelassen ihre rechtlichen Schritte gegen die Ver- tisch mit ihrem Latein am Ende. Die
reagiert, sich aber zunehmend unwohl antwortlichen des Oldenburger Polizei- PDS-Fraktion erwartet aber noch immer
und bedroht gefühlt.“ Hinzu gekommen kessels von Erfolg gekrönt sein werden. von dem frisch gebackenen Oberbürger-
seien wachsender Hunger und Durst – Immerhin: Bereits 1987 hatte das Land- meister Dietmar Schütz (SPD) – einem
und drängende menschliche Bedürfnis- gericht Hamburg die Polizeiführer eines gelernten Juristen –, dass er sein auf der
se: Toiletten sind innerhalb eines Poli- Kessels aus dem Vorjahr wegen Frei- Ratssitzung gegebenes Wort hält und
zeikessels nicht vorgesehen... heitsberaubung zu Geldstrafen verur- das Verhalten der Ordnungshüter mit der
Einige der Polizeibeamten – so der teilt. 861 Demonstranten bekamen Polizei kritisch bespricht.
Vorwurf der jungen Oldenburgerin – sei- Schmerzensgeld zugesprochen. Und erst Thomas Klaus ■
Zum Interna-
tionalen Ju-
Internationales Jugendworkcamp
gendwork- Bergen-Belsen 15. - 21.4.2002
camp laden christli-
che und gewerk- am 12.4.02 ein, wobei für Jugendli- heute genutzte und umstrittene Militär-
schaftliche Jugend- che aus Deutschland noch einige gelände, das, erst im Landtagswahl-
verbände. Plätze frei sind. kampf 1998 geschlossene neo-faschisti-
60 Jugendliche aus sche Zentrum Hetendorf, der jüngste
Bergen-Belsen und die Jugend-
6 Ländern pflegen Nazi-Mordanschlag im nahen Eschede
bauliche Reste, ma- workcamps bis heute: und das neofaschistische Treiben der
chen Baracken und Die Gedenkstätte ist ein, als Park- Celler Kameradschaft im mittleren Nie-
Lagergrenze des anlage gestalteter, großer Friedhof. dersachsen sowie die Arbeit antifaschi-
ehemaligen Kriegsgefangenenlagers „Man kann sich hier gar nichts vor- stischer Bündnisse und Friedensgruppen
und KZ symbolisch wieder erkenn- stellen“ sagen besonders junge Besuche- der Region bieten u.a. weitere anschauli-
bar, sprechen mit Verfolgten des Fa- rInnen ständig. Seit Beginn des Jahres che Beschäftigung. Flüchtlinge von heu-
schismus und heute von Asylpolitik 1993 haben erstmals Jugendliche die te berichten über ihre Verfolgung in den
Betroffenen. „steinernen Zeugen“ des Holocaust Herkunftsländern und über ihre Situation
sichtbar gemacht. Gruppen von Schüle- und Behandlung in Deutschland. interna-
Die Umgebung von Bergen-Belsen mit rinnen, Auszubildenden, Jugendverbän- tionale kulturelle Angebote zum Thema
dem größten, bereits von den Nazis an- den haben Barackenfundamente, Lager- und zur Unterhaltung stehen ebenso auf
gelegten, Truppenübungsplatz und Mord straße und Feuerlöschbecken freigelegt dem Programm.
und Anschläge von Neonazis in der Um- und parallel dazu im Archiv der Gedenk- Für die Teilnehmenden des Camps
gebung wird ebenso Thema sein wie stätte Fotos und Dokumente eben zu die- wird das gemeinsame Handeln in einer
Zwangsarbeit, Ausgrenzung und Milita- sen Orten aufgestöbert. Viele Fundstücke internationalen Gruppe aus 5 Ländern
rismus. Zum Jahrestag der Befreiung ge- kamen beim Graben zu Tage. Sowjeti- gerade an diesem Ort eine wichtige Er-
staltet das Jugendworkcamp gemeinsam sche Münzen, Essgeschirr, Stacheldraht fahrung sein. An den Gedenkfeiern zum
mit anderen Gruppen am 21.4.02, 13 usw.; Dinge die auf eine Geschichte von Jahrestag der Befreiung beteiligen sich
Uhr, die öffentliche Gedenkfeier auf der Menschen schließen lassen. Das „Spuren die Jugendlichen des internationalen Ju-
Eisenbahnrampe bei Bergen und um suchen, Spuren sichern“ genannte Pro- gendworkcamps zusammen mit Verfolg-
15.30 Uhr am Obelisk. jekt ist der Beginn, Bergen-Belsen be- tenverbänden, Kirchen, Antifagruppen,
Die Teilnahme kostet Euro 50,- . Darin greifbar und erfahrbar werden zu lassen. Schulen, Gewerkschaften usw. An die-
enthalten sind alle Kosten für Unter- im Mittelpunkt des Internationalen Ju- sem Tag werden wohl die Geschütze des
kunft, Verpflegung, Aktivitäten und Pro- gendcamps vom 15. - 21.4.02 steht das Truppenübungsplatzes zwischen Bergen
gramm. Die Woche ist als Bildungsur- „Ausgraben der Geschichte“ im ehem. und Fallingbostel schweigen.
laub anerkannt. Anreise: 15.4.02 abends. KZ, im Archiv, durch Gespräche mit Das Programm wird auf Wunsch von
Schülerinnen haben gute Chancen für die überlebenden Häftlingen und anderen der DGB-Jugend zugesandt. ■
Zeit vom Unterricht befreit zu werden, ZeitzeugInnen. Der von den Nazis ange- Information und Anmeldung bei:
zumal die niedersächsische Kultusmini- legte, und bis heute betriebene, größte DGB-Gewerkschaftsjugend, Niedersach-
sterin Schirmfrau des Workcamps ist. Truppenübungsplatz Westeuropas bot sen-Bremen, H-D. Charly Braun
Anmeldeschluss ist 12.3.02. Die mei- genügend Platz für sowjetische Kriegs- Dreyerstr. 6, 30169 Hannover
sten internationalen Gäste treffen bereits gefangenenlager und ein KZ. Das bis T. 0511-456252 oder T. 0511-1260161