Sie sind auf Seite 1von 16

:antifaschistische Nr.

25
nachrichten g 3336 4.12.2003 19. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
www.antifaschistische-nachrichten.de

Frankfurt. Die I.G. Farben AG dert deshalb der Geschäftsführer des


i.A. ist zahlungsunfähig und steht Dachverbands der Kritischen Aktionärin-
seit dem 11. November 2003 un- nen und Aktionäre, Henry Mathews.
ter Verwaltung einer gerichtlich bestellten Das Nachrichtenmagazin „Der Spie-
Insolvenzverwalterin. Die bisherigen Li- gel“ berichtete am 17.11., dass Aktionäre
quidatoren Otto Bernhardt, MdB, und RA die Stiftung der Firma benutzen wollen,
Volker Pollehn (beide CDU) haben keine um bei der Schweizer Großbank UBS
Kontrolle mehr über das Unternehmen, vermeintliches Alt-Eigentum der I.G.
bleiben aber Vorstände der Stiftung zur Farben einzuklagen. Mathews: „Die Zo-
Entschädigung von Zwangsarbeitern, die cker-Aktionäre der I.G. Farben missbrau-
I.G. Farben im Jahr 2000 gegründet hat. chen die Opfer des einstigen Nazi-Kon-
Das Restvermögen der Firma besteht zerns, um weiterhin ihre eigenen Taschen
aus wenigen Immobilien, die voraus- zu füllen ... Die Stiftung wurde auf Be-
sichtlich von der Insolvenzverwalterin schluss der Hauptversammlung 1999 ge-
verkauft werden. Der Verkaufserlös dürf- gründet, um überlebende Zwangsarbeiter
te an mehrere Banken fließen, denen I.G. zu entschädigen, aber nicht, um Aktionä-
Farben 28,2 Mio. Euro schuldet. Die re reich zu machen.“
überlebenden Zwangsarbeiterinnen und Zur Zeit kann die Stiftung mit ihren ge-
Zwangsarbeiter des einstigen Nazikon- ringen Mitteln und ohne Personal weder
zerns gehen höchstwahrscheinlich leer die Betreuung des Archivs gewährleisten
aus. Ihre einzige Hoffnung, nach mehr noch Entschädigungszahlungen leisten,
als 50 Jahren verschleppter Liquidation obwohl Anträge dafür vorliegen. Selbst
der I.G. Farben wenigstens noch symbo- ihre künftige Adresse ist unklar, man kön-
lische Entschädigungen zu erhalten, be- ne nur „hoffen, dass die Insolvenzverwal-
steht in einem Verzicht der Kredit geben- terin uns die Räume noch einige Zeit
den Banken. lässt.“ so Bernwardt, einer der Kuratoren.
„Die Gläubigerbanken müssen auf das Die Kritischen Aktionäre fordern seit
Blutgeld aus dem Restvermögen der I.G. Jahren, die Leitung der Stiftung an die
Farben verzichten und es den Zwangsar- Zwangsarbeiter oder von ihnen benannte
beitern überlassen, die den höchsten mo- Vertreter zu übertragen.
ralischen Anspruch darauf haben,“ for- www.kritischeaktionaere.de ■
: meldungen, aktionen
der Synagoge postieren. Diese war nach
dem Ende des sogenannten „Aufstand
der Anständigen“ schnell wieder vor der
Unbefangene Rhetorik ? schießung von 335 Geiseln in Rom be- Synagoge abgezogen worden und stand
Berlin. Arnulf Baring, einst Redner teiligt. hma ■ im vergangenen Sommer meist zur
beim rechten „Bund Freier Bürger“ und Drangsalierung Obdachloser im Hagener
im vergangenen Jahr noch Teilnehmer NPD-Nachwuchs marschiert Volkspark.
einer Diskussion, die vom um die „Junge Dass die Polizei nach eigenen Anga-
Freiheit“ angesiedelten „Institut für NRW. Gleich drei Veranstaltungen kün- ben niemals mit einem solchen Anschlag
Staatspolitik“ durchgeführt wurde, be- digt die NPD-Jugendorganisation „Junge gerechnet hat, zeigt nur ein weiteres Mal
klagt ein angeblich fehlendes Selbstbe- Nationaldemokraten“ in Nordrhein- die Unfähigkeit der Hagener Polizei die
wusstsein der Deutschen. Westfalen für den Dezember an. Am 13. Gefahr des Antisemitismus richtig einzu-
Diese machten „Auschwitz zur Dezember soll ein „Julfest“ mit Suppen, schätzen. Ein entschiedenes Vorgehen
Grundlage ihrer Selbstdeutung“. Aber Gebäck und Glühwein stattfinden, am von Seiten der Hagener Polizei gegen
aus einer Katastrophe und einem Verbre- 20.12. eine „Wintersonnenwendfeier“ Antisemitismus hat es bisher nicht gege-
chen wie dem Holocaust könne man und am 31. Dezember ein „Silvester- ben. So konnte noch vor wenigen Wo-
„kein Selbstgefühl pflanzen“. Nötig sei, marsch“. Als Kontaktadressen werden chen der Neonazi Horst Mahler im Bei-
so Baring unlängst vor dem Bankenver- der JN-Landesvorsitzende Nico Wed- sein des Staatsschutzes in einer Hagener
band NRW, zwar kein Schlussstrich, ding aus Duisburg bzw. der „Amtsleiter Gaststätte ungestört über die „jüdische
denn „das klebt an uns so lange es Neue Medien“ Mathias Rochow angege- Weltverschwörung“ fabulieren, Veran-
Deutschland gibt“, sondern ein neuer ben. hma ■ stalter war damals das neonazistische
Zugang, eine „unbefangene Rhetorik „Deutsche Kulturwerk“. Eben dieses
zum Dritten Reich“. MTM insolvent konnte ausgerechnet heute wieder eine
Nur mit einem „halbwegs positiven Veranstaltung in der näheren Umgebung
Verhältnis zu uns selbst, kommen wir da Bad Soden-Salmünster/Kiel. Der durchführen. In der Gevelsberger Gast-
raus“, so Baring. MTM-Versand um Martina Waßmuth, stätte „Haus Lichtenplatz“ hetzte das
„Hitler wabert um uns herum und ver- der bislang auch die „Deutsche Militär- NPD-Vorstandsmitglied Holger Apfel
hext unser Denken“, so Baring in einem zeitschrift“ (DMZ) vertrieb, ist zah- unter Polizeischutz ungestört gegen Is-
Interview mit der „NWZ“. „Das Dritte lungsunfähig. Fortgeführt werden die rael. Mitglieder der Antifa Hagen, die die
Reich war etwas Furchtbares, aber auch Aktivitäten des MTM-Versandes durch antisemitische Veranstaltung verhindern
Begrenztes, das nach 12 Jahren erledigt den Kieler Verleger Dietmar Munier wollten, wurden von einem massiven Po-
war. Wir müssen diese Zeit zur Ruhe le- („Arndt-Buchdienst/Europa-Buchhand- lizeiaufgebot zurückgedrängt.
gen“. lung“). Antifa Hagen c/o Quadrux Buchladen
Es werde nur besser, „wenn wir positi- Der ehemalige Aktivist des NPD-Ju- Langestr. 21, 58089 Hagen
ver denken und Selbstgewissheit gewin- gendverbandes „Junge Nationaldemo- E-mail: antifa-hagen@gmx.de ■
nen“. Auch die Eliten seien „ein Spiegel- kraten“ präsentiert sich in der neuesten
bild der allgemeinen Stimmung“, so Ba- Ausgabe des Versandkataloges „Lesen & Nazikonzert am 22.11.
ring. Man merke dies „an der kranken Schenken“ auf einem Foto mit seinem
Diskussion über Hohmann“. „Das war „väterlichen Freund Franz W. Seidler“. Bergisdorf. Am 22.11.03 hat die NPD
ein lächerlich kleiner Fehltritt, der zu et- Der emeritierte Professor der Bundes- Thüringen in Bergisdorf bei Zeitz (Sach-
was ungeheuer Großem aufgepustet wehr-Universität in München hat im sen-Anhalt) eine Veranstaltung mit den
wurde“ und ein „krankhafter Versuch, al- „Pour le Merite-Verlag“ gerade ein Buch Bands Eugenik, Blutstahl, Sachsonia,
les an der Elle des politisch Korrekten zu mit dem Titel „Avantgarde für Europa. Thor, Jungsturm, Act of Violence, Fron-
messen“. Das „ganze Gerede“ von „an- Ausländische Freiwillige in Wehrmacht talkraft, Sleipnir, DNA und den Rednern
geblich bedrohlichen Rechtsradikalen“ und Waffen-SS“ herausgegeben. Ein Frank Schwerdt (Landesvorsitzender
halte er für „Quatsch“. Standardwerk über die „ersten Euro- Thüringen, Bundesgeschäftsführer NPD)
Hingegen störe ein angeblich „nach päer“, so Munier. An der Herausgabe des und Ralf Ollert (Stadtrat für BI Auslän-
links verschobenes Parteienspektrum“ verspäteten Heftes der „Deutschen Mili- derstopp Nürnberg) angemeldet. Die
die „Balance der Kräfte der Bewegung tärzeitschrift“ arbeite gerade ein „neuer Versammlungsleitung liegt bei Gordon
und der Beharrung“, so Baring. Auch Herausgeber“ unter „Hochdruck“, heißt Richter und Andre Berghold (beide Lan-
CDU-Chefin Merkel habe unsichere In- es in dem neuen Versandkatalog, in dem desvorstand NPD Thüringen). In ähn-
stinkte und sei „sozialdemokratischer“ u.a. auch Anstecker mit der Aufschrift licher Besetzung hat eine solche Veran-
als eigentlich für eine Chefin der Uni- „Nationaler Widerstand“ angeboten wer- staltung nach NPD Angaben bereits am
onspartei richtig ist. den. hma ■ 25.10. in Gera stattgefunden. Richter
RP 21.11.03 / NWZ 15.11.03 - hma ■ und Berghold u.a. (auch Kreisvorstand
Gera) sind ebenfalls für das NPD Ope-
Post-Faschist Anschlag auf Hagener nair im Juni diesen Jahres in Gera verant-
wortlich. afa.halle@gmx.de ■
Italien/Rom. Die italienische Rechts- Synagoge
partei „Alleanza Nazionale“ hat ihren Hagen. In der Nacht vom 21. auf den 600 Menschen protestierten
Abgeordneten Antonio Serena aus der 22. November haben Unbekannte die
Partei ausgeschlossen. Serena hatte ein Hagener Synagoge in der Potthoffstraße in Marienfels gegen Auf-
Video mit der Biographie des zu lebens- mit antisemitischen Parolen beschmiert marsch von Neofaschisten
langer Haft verurteilten NS-Kriegsver- („fuck israel“ u. a.). Sofort nach Be- Marienfels. Gut 600 Menschen fanden
brechers Erich Priebke unter dem Titel kanntwerden der Tat rief die Antifa Ha- sich am22.11. in Marienfels ein, um ge-
„Vae Victis“ an andere Parlamentarierer gen zu einer Solidaritätskundgebung für gen einen Aufmarsch von alten und neu-
verschickt. Der frühere SS-Offizier die Hagener jüdische Gemeide vor der en Nazis zu demonstrieren. Ein breites
Priebke, u.a. Leserbriefschreiber in „Na- Synagoge auf. Bündnis hatte zu dieser Demo aufgeru-
tion und Europa“ und der „Deutschen Die Hagener Polizei will nun wieder fen. Bürgermeister Harlos zeigte sich
National-Zeitung“, war 1944 an der Er- rund um die Uhr eine mobile Wache vor mit der Resonanz und auch mit dem

2 : antifaschistische nachrichten 25-2003


friedlichen Verlauf sehr zufrieden. Was der „Vi- verbotene Neonazi-Symbole sicherge-
den Gedenkstein betrifft, ließ er indessen kingship“ stellt wurden. Die Region Ohrdruf gilt
keinen Zweifel offen: es bleibt bei dem vorhaben, als eines der Zentren rechter Aktivitäten
Beschluss des Gemeinderats, den Stein nach Gel- in Thüringen. In jüngster Zeit waren dort
zu entfernen. Schließlich will man nicht, senkirchen- verstärkt Übergriffe auf Aussiedler aus
dass Marienfels, ähnlich wie Wunsiedel, Buer umzu- Staaten der früheren Sowjetunion regis-
zu einem Wallfahrtsort für Rechtsextre- ziehen. triert worden.Die PDS-Landtagsfrak-
me wird. We i t e r - tionhat eine Sondersitzung des Innenaus-
„Zivilcourage zeigen und der Ideolo- hin existiert schusses des Landtags gefordert und die
gie des Hasses ein klares Nein entgegen zur Zeit im- Offenlegung des Ausmaßes rechtstremer
zu setzen“, forderte der Redner der Anti- mer noch Bestrebungen und Organisierung in Thü-
fa. „Antifaschistisches Handeln bedeutet die rechte ringen. junge Welt 29./30.11.03 ■
aber auch gesellschaftliche Bedingungen Szeneknei-
und Tendenzen zu benennen, die den pe „Ruhr- Rechte Fördergemeinschaft
Nährboden für faschistoides Denken und pott Classic“ in Gelsenkirchen-Horst, die
Handeln bereiten.“ Dazu gehört unter an- vielleicht noch mehr als das „Vikingship“ für Soldatenverbände trifft
derem auch, dass mittlerweile neofa- einen Treffpunkt für Rechte darstellt und sich wieder bei Burschen-
schistische Aufmärsche wieder möglich in dem Nazis leichter neue Leute für ihre schaft Teutonia-Germania
sind, wo in Redebeiträgen nationalisti- menschenverachtende Ideologie begei-
sches und rassistisches Gedankengut stern können. Das „Ruhrpott Classic“ Marburg. Wie aus der Oberhessischen
wieder öffentlich geäußert werden kann. dient auch überregional als Anlaufstelle Presse vom 18.11.2003 zu erfahren war,
„Faschismus ist keine Meinung, sondern für die Rechte und sichert organisierten trifft sich die Fördergemeinschaft für
ein Verbrechen“, so das Motto des Bünd- Nazis eine „gute“ Einnahmequelle für Soldatenverbände (FfS) wieder in den
nisaufrufs. ihre menschenverachtende Arbeit. Räumen der Burschenschaft Teutonia-
In Marienfels hatten sich gut 100 alte „Vikingship“ versenkt!?, „Ruhrpott Germania in der Schückingstraße 17 in
und neue Nazis eingefunden. Sie waren Classic“ dichtmachen!!! Marburg. Die seit Jahren als antisemi-
gezwungen, eine stark verkürzte Route Antifa Gelsenkirchen ■ tisch und extrem deutsch-national be-
im Gegensatz zu ihrer ursprünglichen kannte FfS, deren Mitglieder sich u.a.
Planung und Anmeldung zu akzeptieren. Naziaufmarsch am 6.12 in aus Amtsträgern konservativer bis
Auch darüber zeigte sich das Bündnis rechtsradikaler Parteien (CDU, REP,
sehr zufrieden Nürnberg verhindern NPD) zusammensetzten, fiel in den letz-
Presseerklärung für das Bündnis , Antifa Demo am 6.12.03 um 10 Uhr ten Jahren dadurch auf, dass sie sich ve-
AntiFa Nierstein am Rathenauplatz, Nürnberg hement gegen die sogenannte „Wehr-
e-Mail:: mail@antifa-nierstein.de ■ Nürnberg. Am 6. Dezember wollen machtsausstellung“ einsetzte und Vorträ-
wieder Neonazis um den Zirndorfer Fa- ge abhielt, deren Redner zum Teil dem
„Vikingship“ versenkt!? schisten Gerd Ittner durch Nürnberg rechtsradikalen Lager angehörten. Einen
marschieren. Durch permanente Präsenz dieser Vorträge sollte im August 2001, in
Gelsenkirchen. Laut einem Bericht auf den Straßen Nürnbergs wollen sie die den damals regelmäßig von der FfS ge-
des Lokal-Radiosenders „Radio-Em- Bevölkerung zermürben und ihre Posi- nutzten Räumen der Burschenschaft, der
scher-Lippe (REL)“ am Mittwoch den tion in der Stadt festigen. Für das kom- bekannte rechtsradikale
19.11.2003, hat der Vermieter des „Vi- mende Jahr sind weitere provokante Auf- Redner Wolfgang Juchem abhalten.
kingship“ auf der Cranger Straße 155 in märsche der AntifaschistInnen verhinderten den Vor-
Gelsenkirchen-Erle den Mietvertrag zum Faschisten zu erwarten. ... trag durch eine Blockade. Die Burschen-
Ende dieses Jahres gekündigt. Weiter hat Ignorieren hilft nicht! Oft wird gefragt, schaft wurde erst an diesem Tag darüber
der rechte Laden jetzt schon keine regel- ob es nicht das Beste sei, die Faschisten informiert, wer in ihren Räumen reden
mäßigen Öffnungszeiten mehr. Dazu und ihre Aufmärsche einfach zu ignorie- sollte, und war darüber so verärgert, dass
kam es, als nach der Demonstration ge- ren, um ihnen nicht zusätzliches Gewicht sie der FfS die weitere Nutzung ihrer
gen den rechten Verkaufsladen „Vikings- zu verleihen. Doch seit über zehn Jahren Räume untersagte.*
hip“ am 8.11.2003 einige erboste Auf- zeigt sich deutlich: Durch Ignorieren las- Dies scheint jetzt wieder vergessen zu
schreie in der Öffentlichkeit zu verneh- sen sich Faschisten nicht bekämpfen – sein, hielt die FfS doch laut Oberhessi-
men waren. Es wurde die Polizeibruta- ganz im Gegenteil werden sie dadurch scher Presse dort einen Stammtisch ab.
lität gegenüber den „linken“ Demon- gefördert. Möglich wurde dies, weil die FfS einen
strantInnen kritisiert und die Schließung aus dem Aufruf des Nürnberger Zusammenschluss mit der Kamerad-
des „Vikingship“ gefordert. In Folge die- Schülerbündnisses schaft Marburger Jäger (KMJ) plant oder
ser Aufschreie hat die Gelsenkirchener www.schuelerbuendnis.de ■ schon vollzogen hat und die KMJ die
Bezirksvertretung Ost einstimmig eine Räume der Burschenschaft seit Jahren
Resolution verabschiedet, in der sich ge- Nazi-Sprengstofflabor nutzt. Der Stammtisch trifft sich jetzt of-
gen die Ansiedlung des Ladens „Viking- fenbar unter dem Namen „Kamerad-
ship“ an der Cranger Straße ausgespro- gefunden schaft Marburger Jäger/2.PzGrenDiv –
chen wurde. Weiter forderten die Be- Thüringen. Das Sprengstofflabor eines Fördergemeinschaft für Soldatenverbän-
zirksverordnetInnen die Hauseigentüme- Neonazis entdeckte die Polizei bei einer de“. Es bleibt die Frage, ob sich die Bur-
rInnen auf, den Mietvertrag mit den Be- Hausdurchsuchung am 27.11. in Ohrdruf schenschaft wieder hat täuschen lassen,
treiberInnen umgehend zu kündigen, da bei Gotha. Ein als Mitglied der örtlichen zumal dies ihrem Bemühen um öffentli-
der Laden eine potenzielle Gefahrenquel- rechten Szene bekannter 19-Jähriger hat- che Distanz zur rechtradikalen Szene zu-
le für die öffentliche Sicherheit darstelle te die Werkstatt in einem Anbau des widerlaufen würde.
und sie im Bezirk Ost keinen Anzie- Wohnhauses seiner Eltern eingerichtet. ZDM Marburg, Friedhelm Schwarzer ■
hungspunkt für die rechte Szene wollen. Es wurden explosive Stoffe und eine Rei- * vergleiche auch Presseartikel Marburger Neue
Dies hat der Vermieter nun auf Grund he von Chemikalien sichergestellt. Zu- Zeitung vom 10.8.2001, Marburger Magazin Ex-
des öffentlichen Drucks getan. Nach neu- dem befand sich auf dem Grundstück ein press vom 9.11.2001, Oberhessische Presse vom
en (bisher unbestätigten) Gerüchten soll größerer Versammlungsraum, in dem 11.8.2001

: antifaschistische nachrichten 25-2003 3


Wer mal keine Demo oder ein-
zelne Outingaktionen organi-
sieren möchte, dem sei eine
Antifa Bustour
Aktionsform empfohlen, die jüngst in
Bremen erprobt wurde. Am symbol-
in Bremen und Umgebung
trächtigen Datum 9. November star-
tete in Bremen eine Bustour, bei der Von Rathjen ging es zu einem alten Be- Busladung Leute vor der Tür zu haben, ist
aktuelle und historisch interessante kannten, zu Rigolf Hennig in Verden. Er vielleicht nochmal anders beeindru-
Orte angefahren wurden. ist Oberstabsarzt der Bundeswehrreserve ckend...
und selbsternannter Staatspräsident eines Im gleichen Ort wohnt seit einiger Zeit
Neben „Besuchen“ bei aktiven Alt- und imaginären „Freistaates Preußen“. Robert Warnecke, ein Kameradschafts-
Neonazis standen auch Wohnorte Rechts- Als solcher träumt er von der Wieder- führer aus dem Bremer Umland, mit sei-
konservativer auf dem Programm. Ein herstellung des Deutschen Reiches ein- ner Familie. Auf sein Konto gehen in den
Ziel war, die Umgebung über die Umtrie- schließlich ehemaliger deutscher Kolo- letzten Jahren die Organisation von Nazi-
be ihrer NachbarInnen zu informieren. nien. Glücklicherweise werden sich diese rockkonzerten mit mehreren hundert Teil-
Darüber hinaus sollte darauf hingewiesen scheußlichen Großmachtphantastereien nehmerInnen in Kirchseelte südlich von
werden, dass es sich nur um die „Gipfel nie erfüllen. Säße er also bloß hin und Bremen, wo er bis November 2002 wohn-
der Eisberge“ in einer Gesellschaft han- wieder mit ein paar weiteren ewiggestri- te. Er war an diversen Aufmärschen, Info-
delte, in der Rechtssein Normalität ist. gen Kameraden im spinnerten Gedanken- tischen etc. beteiligt. Auch ihm wurde ein
Das heißt alle angefahrenen Orte und Per- Besuch abgestattet, Zettel verteilt und die
sonen standen nicht nur für sich selbst, Nachbarinnen und Nachbarn informiert .
sondern gleichermaßen symbolisch für Die letzte Station war in Stuhr-Obern-
konservative, rechtsextreme und neofa- heide, wo sich während des Krieges
schistische Politik und Strukturen in ihrer ein Außenlager des Konzentrationlagers
Gesamtheit. Außerdem wurden histori- Neuengam-
sche Stätten angefahren, die Zeugnis von me befand,
Verfolgung und Vernichtung im National- wo 800 jü-
sozialismus sind. Anhand von konkreten dische
Orten sollten die Verbrechen der Nazis Zwangs-
vergegenwärtigt werden. arbeiterin-
Die Stationen austausch auf dem Sofa, müsste man kein nen gefan-
Wort über ihn verlieren. Seine Geschichte gen waren
In Bremen wur- und seine gegenwärtigen Aktivitäten zei- und zu Auf-
de zunächst das gen jedoch, dass dies notwendig ist. räumarbei-
auf dem Gelän- Im Sommer 2003 setzte er sich in ei- ten nach
de von Merce- nem Brief an Joschka Fischer für den in Bombenan-
des Benz ste- Kanada in Haft befindlichen Holocaust- griffen in der Bremer Innenstadt einge-
hende Borg- leugner Ernst Zündel ein. In der Zeit- setzt wurden.
ward-Denkmal schrift „Der Preuße“, dem „offiziellen Am 4. April 1945 wurde das Lager von
verhüllt. Borg- Staatsorgan des Freistaates Preußen“, fin- der SS geräumt, der anschließende Todes-
ward war ein in den sich Beiträge von Horst Mahler, dem marsch endete im KZ Bergen-Belsen.
Bremen ansäs- Rechts-Verleger Heinz Mahnke und Bri- Heute ist nichts mehr von dem Lager zu
siges Autoun- gadegeneral a.D. Reinhard Uhle-Wettler, sehen. Es wurde direkt nach Kriegsende
ternehmen, das der sich für den Holocaustleugner David abgerissen. Mit dem Abriss verschwand
schnell nach Irving einsetzte. auch jeglche Erinnerung an das Außenla-
dem II. Weltkrieg einging. Während des Als am 5. Februar 2003 das Verdener ger. Erst in den 80er Jahren konnte durch
Krieges waren bis zu 65% der Arbeiten- Manifest unter Mitwirkung von Horst das Bemühen Einzelner ein Teil der Ge-
den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsar- Mahler verabschiedet wurde, war Rigolf schichte rekonstruiert werden. Bis heute
beiter. Produziert wurde neben zivilen Hennig ebenfalls dabei. Aufgrund dieses ist das Mahnmal weitgehend unbekannt.
Fahrzeugen Kriegsgerät, das den Be- rassistischen und antisemitischen Pam- Diese Station der Bustour stand im Zei-
triebsherren hohe Gewinne einbrachte. In phletes wird wegen Volksverhetzung er- chen des Gedenkens, es wurde ein Kranz
Bremen hat Borgward wegen seiner schö- mittelt. Bei dieser Station wurden Auffor- niedergelegt und Transparente am Stra-
nen Autos einen guten Stand, und über die derungen des „Freistaates Preußen“ ver- ßenrand aufgehängt.
Unternehmensgeschichte wird geschwie- teilt, sich per Speichelprobe, abzugeben Die Fahrt zwischen den einzelnen Sta-
gen. bei besagtem Hennig, an der „Feststellung tionen wurde dazu genutzt, die Mitfahren-
Dann gings nach Achim-Uesen. Dort des preußischen Genpools“ zu beteiligen. den zu informieren. Während auf der ges-
wohnt der Bauunternehmer Heinrich Auf der Rückseite fanden sich dann Infor- amten Tour so für die Busreisenden wohl
Rathjen, der gemeinsam mit anderen un- mationen über Hennig. am meisten passierte, waren die einzelnen
ter dem Deckmantel des Konservatismus Dann gings nach Schwarme, dort lebt Orte von Sonntagsruhe geprägt. Die Auf-
einmal monatlich Vorträge organisiert. und arbeitet der Tonstudioinhaber Johan- enthalte an den einzelnen Orten waren re-
Unter den Rednern und Gästen dieser nes M., der, obwohl selbst kein ausge- lativ kurz, aber überall hinterließ die Bus-
„Unabhängigen Bürgergemeinschaft“ be- machter Nazi, gerne Aufnahmen für Nazi- tour kleine Spuren, wie zum Beispiel Auf-
finden sich alte und junge Nazis, die The- bands wie zum Beispiel Endlöser, Boots kleber, verteilte Nachbarschaftsinfos etc.
men sind tendenziell rechtspopulistisch Brothers oder Oidoxie produziert. Ihm Der Kontakt mit den Ordnungskräften
gewählt. Zu einem ersten Eklat führte die sollte eine „letzte Warnung“ übergeben blieb auf der gesamten Strecke aus – ein
Veranstaltung zum Bau einer Moschee in werden, doch er weigerte sich mit uns zu Vorteil des schnellen Busfahrens von ei-
Achim, bei der kritische TeilnehmerInnen sprechen und zog es vor, die Tür nicht nem Ort zum anderen.
rausgeschmissen wurden. Bei dieser Sta- aufzumachen. Regionale Medien und In diesem Sinne: macht eins, zwei, vie-
tion wurde plakatiert und Informationen Antifazeitungen machten schon vorher le Bustouren!
verteilt. auf das Tonstudio aufmerksam. Doch eine AntifaschistInnen aus Bremen ■
: antifaschistische nachrichten 25-2003
4
Wehnen (Landkreis Ammer- Das jetzige Landeskrankenhaus Wehnen war während der Nazi-Zeit ein
land). Mit einer Gedenkstätte Tatort der Euthanasie:
auf dem Gelände des Landeskran-
kenhauses Wehnen wird voraussichtlich
im Frühjahr 2004 ein großer Wunsch des Endlich kommt die Gedenkstätte
1999 gegründeten Gedenkkreises Wehnen von Thomas Klaus
e.V. in Erfüllung gehen. In ihm sind An-
gehörige von Opfern der NS-Euthanasie den beschäftigt. Allein deshalb war klar, viele Widerstände überwinden. Unter an-
in der ehemaligen „Heil- und Pflegean- dass viele Patienten ihren dortigen Auf- derem verschwanden im Gesundheitsamt
stalt“ organisiert. Im jetzigen Landeskran- enthalt nicht überleben würden. In zahl- Oldenburg Akten, als Harms mit aus-
kenhaus Wehnen im Landkreis Ammer- reichen anderen Fällen wurde „nachge- drücklicher Rückendeckung der nieder-
land, nur einen Steinwurf von der Stadt- holfen“. Dabei entwickelte sich der Hun- sächsischen Landesregierung in Wehnen
grenze zu Oldenburg entfernt, wurden gertod immer mehr zu einer grausamen zu forschen begonnen hatte.
während der Nazi-Zeit – allerdings auch „Spezialität“ der Anstalts-Verantwort- Für die künftige Gedenkstätte hatte
kurz vor und nach ihr – mehr als 1.500 lichen. Patienten, die noch arbeitsfähig sich auch der CDU-Bundestagsabgeord-
Menschen als „unnütze Esser“, als „Le- waren, bekamen andere, höhere Rationen nete Thomas Kossendey aus Edewecht
bensunwerte“ umgebracht. Man ließ sie zugewiesen als die Mitpatienten. Weh- stark gemacht. Er erinnerte daran, dass es
verhungern, verabreichte ihnen tödliche nens Verwaltungsoberinspektor Heinrich früher das geflügelte Wort „Du gehörst
Medikamente oder nahm todbringende In- Siems, nach dem Ende der Nazi-Zeit nach Wehnen“ gegeben hatte. Es sollte in
fektionen in Kauf. Hauptverwaltungsbeamter im Gesund- ironischer Weise ausdrücken, dass der
Viele Jahre später soll eine Gedenkstätte heitsbereich, war merklich stolz auf diese Angesprochene ein Kandidat für die Psy-
im ehemaligen Kühlraum für die Aufbe- Methode. In einem Brief an die Kreis- chiatrie sei. In der Nazi-Zeit bekam diese
wahrung und Obduktion von Leichen nicht bauernschaft Ammerland vom 5. Oktober saloppe Äußerung jedoch eine andere
nur über die NS-Euthanasie im Oldenbur- 1942 rühmte er sich: „Viele 1.000 Kilo- Bedeutung; wer in Wehnen landete, wur-
ger Land, sondern auch über die Erbge- gramm Fleisch, Fette, Butter, Zucker so- de zum Todeskandidaten. Nach Auffas-
sundheitspolitik und die Katastrophenme- wie viele 10.000 Stück Eier habe ich we- sung des Politikers müsse man den Men-
dizin im Zweiten Weltkrieg informieren. niger verbraucht, als ich dies nach den schen heute zurufen: „Wir gehören alle
Während einer Feierstunde stellte die Mu- Bestimmungen ... hätte tun dürfen.“ nach Wehnen!“ Denn die Gedenkstätte
seumspädagogin Susanne Schlechter das Nach dem Krieg wurde über das Eu- mache die Leidenswege der Patienten
Konzept vor, während Sven Kranich die ar- thanasie-Kapitel in Wehnen der Mantel unter den Übergriffen der Ärzte, Pfleger
chitektonische Seite beleuchtete. des Schweigens gehüllt und die Vergan- und Beamten deutlich. „Sie führt uns vor,
Der Naturwissenschaftler und Histori- genheit nach Kräften verdrängt. Das hat was der Mensch dem Menschen antun
ker Dr. Ingo Harms hatte 1996 in seinem Ingo Harms erfahren. Beispielsweise kann“, so Kossendey. Diese Lektion gehe
Buch „Wat mööt wi hier smachten...“ die konnten die leitenden Beamten des Lan- jeden an.
Geschichte der „Heil- und Pflegeanstalt desfürsorgeverbandes (LFV) als der zu- Ähnlich äußerte sich auch Karl-Heinz
Wehnen“ dargestellt. Durch diese Disser- ständigen Gesundheitsbehörde schnell Meyer, der Vorsitzende des Förderkreises
tation wurde das Geheimnis gelüftet, das wieder Karriere machen. Der eine wurde für das Landeskrankenhaus Wehnen. Sei-
die Einrichtung in Wehnen jahrzehntelang Oberstadtdirektor in Oldenburg, der ne Hoffnung: „Die Gedenkstätte möge
umgeben hatte. zweite Oberkreisdirektor im Landkreis über den Ort der Ehrung und des Anden-
Von 1935 bis 1945 herrschte in Wehnen Oldenburg, und der dritte LFV-Chef stieg kens hinaus geeignet sein, Menschen –
eine unvorstellbare räumliche Enge, aus- zum Vizepräsidenten des Regierungsbe- vor allem auch jungen Leuten – zu hel-
gelöst durch eine völlige Überbelegung. zirks Oldenburg auf. Bei seinen Recher- fen, zwischen gut und böse zu unter-
Nur wenige Pflegekräfte und Ärzte wur- chen von 1993 bis 1996 musste Harms scheiden.“ ■

„Offizieller“ Volkstrauertag in Mannheim:


„Tag der nationalen Besinnung“ und Verhöhnung
nichtsoldatischer Opfer

von antifaschistischen und antimilitaris- Tag für „alle Opfer von Krieg und Ge-
tischen Menschen erstrittene gemeinsa- walt“ sein. Für Reichardt jedoch ist der
me Kompromissveranstaltung „entmili- Volkstrauertag ein „Tag der nationalen
tarisierter Volkstrauertag“ als offizielle Besinnung“. Besinnung nicht etwa über
Feierstunde der Stadt Mannheim ertra- Faschismus die Schande eines deutschen
gen. Angriffskrieges, der über die ganze Welt
Die diesjährige VDK-Feierstunde er- Tod und Verderben gebracht hat, sondern
öffnete der CDU-Landtagsabgeordnete Besinnung auf „berechtigten deutschen
Klaus Dieter Reichardt, zugleich Kreis- Nationalstolz“.
vorsitzender des VDK in Mannheim. Er Worauf ist Reichardt am Volkstrauertag
legte Wert auf die Feststellung, dies sei stolz? Auf die „vier Werte: Frieden, Frei-
Seit 1997 führt der Volksbund die „offizielle gemeinsame Feierstunde heit, Recht und Mitmenschlichkeit“. Eine
Deutsche Kriegsgräberfürsorge von VDK und Stadt Mannheim.“ Er nutz- Ungeheuerlichkeit: Anstatt in Scham über
(VDK) am Volkstrauertag wieder te die Gelegenheit, um in aller Offenheit die Verletzung genau dieser Werte Konse-
seine Feierstunde auf dem Mannheimer den reaktionären Grundcharakter des tra- quenzen für Gegenwart und Zukunft zu
Hauptfriedhof in der fatalen Tradition die- ditionellen Volkstrauertages zu beschwö- ziehen, wäscht Reichardt die deutsche
ses Feiertages durch – Heldengedenken ren. Nach bundeseinheitlicher und in Geschichte rein und propagiert National-
im Beisein von Veteranen- und Reservis- langwierigen Auseinandersetzungen for- stolz.
ten-Funktionären. Von 1990 bis 1995 mulierter, tatsächlich aber als Alibi die- „Antisemitismus und Totalitarismus
musste der VDK die in den Jahren zuvor nender Lesart soll der Volkstrauertag ein haben hier logischerweise keinen Platz“,

: antifaschistische nachrichten 25-2003 5


fügt er noch eilfertig an, um davon abzulen-
ken, dass er genau an diesem Traditionsfa-
„Organisierte Neonazis in Mönchengladbach?“
den des Volkstrauertages weiterspinnt. „Gibt es nicht !“
Dazu bedient er sich noch einer Ge-
schichtslüge: Der Volkstrauertag sei ein
„Reflex auf den Zweiten Weltkrieg“ gewe-
sen, behauptet der VDK-Vorsitzende, der
studierte Theologe und Historiker. Tatsäch-
S pätestens seit dem 1. November,
als die örtliche Neonazi-Szene 60-
100 „Kameraden“ aus ganz
Nordrhein-Westfalen zu einem Auf-
denn es waren ihre Idole, die nackte
Frauen und Kinder mit Hunden und
Knüppeln in die Gaskammern trieben.
Durch solche gewagten Forderungen
lich ist der Volkstrauertag in den zwanziger marsch durch den Stadtteil Rheydt mo- wollen sie ihre mörderische Ideologie
Jahren von Militärs, Wirtschaftsführern, bilisierte, kann an dieser Aussage mehr wieder gesellschaftsfähig machen. Das
Politikern und deutschnationalen Geist- als gezweifelt werden. Trotz des immer Potential aus dem die Neonazis in der
lichen gegründet worden, um Deutschlands agressiveren Auftretens der Mönchen- rechten Jugendszene schöpfen können
Wiederaufstieg nach der „Schande von Ver- gladbacher Neonazi-Szene in der Öf- ist auch in Mönchengladbach sehr hoch.
sailles“ zu forcieren durch Verankerung des fentlichkeit verschließen Stadt und Poli- Rechtsrock ist die Begleitmusik bei
Militarismus in der kriegsmüden Bevölke- zei ihr rechtes Auge und wollen von ei- Mord und Totschlag. So lebt hier der
rung. So konnte der Volkstrauertag pro- ner braunen Gefahr nichts wissen. Auch Rechtsrock-Musiker Dennis Heinrich
blemlos in den NS-Heldengedenktag mu- in der lokalen Presse werden die Mön- Joerissen (aktuell Schlagzeuger bei „Oi-
tieren. Sollte dies alles Reichardt unbe- chengladbacher Neonazis als lediglich doxie“, vorher bei „Reichswehr“), der
kannt sein? Seine Geschichtsentsorgung „rechtsgerichtet“ verharmlost und ihr fa- bereits wegen eines Überfalles auf aus-
krönt Reichardt mit einer grenzenlosen Ge- schistisches Weltbild ignoriert. ländische Menschen in Düsseldorf vor
schmacklosigkeit: „Wir gedenken in Ehr- Dabei handelt es sich bei diesen Leu- Gericht stand. Eine weitere, lokale
furcht und Dankbarkeit derer, die in der ten, die mal unter dem Deckmantel der Rechtsrock-Band mit eigenen Proberäu-
Geschichte vor uns standen“ „Wir geden- NPD/JN, mal als „Nationaler Wider- men nennt sich „Division Germania“
ken dankbar ihrer Opfer“. Dankbar wofür? stand „ oder auch als „Freie Kameraden und erscheint bei einem Nazi-Label in
Für die Millionen Opfer des Faschismus in des Widerstands Mönchengladbach“ Thüringen. Proberäume und Rechts-
den KZs, Vernichtungsanstalten und auf oder „Widerstandskämpfer Mönchen- rock-Konzerte dienen als Treffpunkte
den Schlachtfeldern? Für die Bombenop- gladbach“ agieren, nicht um „harmlose der rechten Szene und helfen den organi-
fer? Es kann ja eigentlich nur gemeint sein Nationalisten“, sondern um militante sierten Neonazis ihre Ideologie inner-
die Dankbarkeit für die Soldaten, die „Leib und bestens vernetzte Neonazis. halb der Subkultur zu etablieren.
und Leben für das deutsche Vaterland gege- Das hat nicht nur der 1. November be- Dass bei dem Aufmarsch am 1. No-
ben“ haben. So wie es am Volkstrauertag wiesen. Schon ihr äußeres Erschei- vember führende Neonazi-Kader von
schon immer gesagt und auf unzählige Ge- nungsbild mit Glatze, Kampfstiefeln, NPD (Wilibert Kunkel, Stolberg, NPD-
denksteine graviert wurde. Bomberjacken etc. offenbart den gewalt- Kreisvorsitzender), „Kampfbund Deut-
Manche der Anwesenden aus dem Um- tätigen Hintergrund ihrer Ideologie. scher Sozialisten“ (Paul Breuer, Köln)
kreis des VDK, der Vertriebenen- und Vete- Ganz in der Tradition des Terrors im Na- und „Kameradschaft Aachener Land“
ranenverbände hatten sicherlich „mutige tionalsozialismus, machen sie wieder (Rene Laube) teilnahmen, beweist die
Worte“ erwartet nach Art des Herren Hoh- Jagd auf Menschen die nicht in ihre sehr gute Verbindung zwischen Mön-
mann und des Ex-Generals Günzel. Diese menschenverachtende Weltanschauung chengladbacher Neonazis und militanten
Erwartung lenkte bestimmt auch ein paar passen (Anm. d. Verf.: bereits im Herbst „Kameraden“ aus der Region.
mehr Leute auf den Friedhof zur VDK-Ver- des Jahres 2000 terrorisierten Neonazis Zudem beteiligten sich Mönchenglad-
anstaltung. Und wenn sie richtig hingehört Altstadtbesucher, was durch ein riesiges bacher Neonazis in letzter Zeit an Aktio-
haben, wurden sie auch nicht enttäuscht. Zu- Polizeiaufgebot mit Einsatzkräften aus nen und Aufmärschen in Aachen, Dort-
mal am Ende der Veranstaltung, am Solda- Wuppertal nach mehreren Wochen end- mund und Berlin.
ten-„Ehrenmal“ nicht nur das unvermeidli- lich unterbunden werden konnte). Vor Dass sich am 1. November immerhin
che Traditions-Lied „Ich hatt’ einen Kame- dem 1. November konnten die Mön- ca.100 couragierte Menschen am Stadt-
raden“ erklang, sondern auch – nach Jahren chengladbacher Neonazis bereits zwei theater, dem ursprünglich geplanten Ver-
aufgezwungener nationaler Selbstverleug- sogenannte Mahnwachen abhalten und sammlungsort der Neonazis, einfanden
nung – endlich wieder das Deutschlandlied, wurden dabei von der NPD Aachen und die Faschisten dadurch nach Rheydt
wenn auch in der auf die dritte Strophe redu- unterstützt. Die erste Mahnwache vor ausweichen mussten, war schon mal ein
zierten Kurzfassung. dem Arbeitsamt an der Lürriper Straße Anfang.
Das Rollback in Sachen Volkstrauertag am 5. August hatte das rassistische Mot- Um eine totale Dominanz von Neona-
ist also in vollem Gange. Und Reichardt to „Arbeit zuerst für Deutsche“; die zis und rechten Jugendliche im Straßen-
kann dies – von der Stadt unwidersprochen zweite Mahnwache am 18. Oktober vor bild zu verhindern und damit auch die
– tun als Ausrichter der „offiziellen, ge- dem Stadttheater (Musicalbühne), fand Gefahr von Übergriffen auf Minderhei-
meinsamen Feierstunde von VDK und unter dem Motto: „Heimreise statt Ein- ten zu reduzieren, gibt es auch in Mön-
Stadt Mannheim.“ Der Oberbürgermeister wanderung! Deutsche wehrt euch gegen chengladbach noch einiges zu tun. Von
stiftet zwar auch Kränze zur vormittäg- den EU-Beitritt der Türkei“ statt. Gezielt der Stadt Mönchengladbach erwarten
lichen Veranstaltung des „Arbeitskreises wird gegen in Deutschland lebende Min- wir, das Neofaschisten künftig keine öf-
Volkstrauertag“ (DGB, DFG-VK, VVN- derheiten gehetzt und diese durch rassis- fentlichen Plätze und Straßen mehr für
BdA, Freireligiöse Gemeinde, AK Justiz), tische Vorurteile diskriminiert. ihre „volksverhetzenden“ Aktivitäten
aber er lässt sich offiziell nachmittags ver- Da dies den Neonazis nicht genügt, zur Verfügung gestellt bekommen. Denn
treten (meist durch Dr. Otto von der CDU). versuchen sie nun auch mit ihren Wahn- „Faschismus ist keine Meinung, sondern
Die Schirmherrschaft für den „entmilitari- vorstellungen an öffentlichen Diskussio- ein Verbrechen !“.
sierten Volkstrauertag“ mochte Widder nen teilzunehmen, wie am 1. November, Bei den Kommunal- und Europawah-
nicht übernehmen. Zu viel „Entmilitarisier- als sie wenige Tage vor dem Prozessbe- len im kommenden Jahr ist jedenfalls
tes“. Der OB und seine Partei fürchten in ginn gegen die Mörder von Tom und mit einem verstärkten Auftreten neofa-
der dünnen Wahlluft offenbar mehr Ärger Sonja in Aachen die Todesstrafe für Kin- schistischer Parteien zu rechnen. Hinse-
durch die Anhänger des VDK und der Ver- derschänder forderten. Dies ist ange- hen und handeln ist angesagt und nicht
triebenenverbände als von den Antifaschis- sichts der Verbrechen ihrer nationalsozi- totschweigen !
tInnen und der Friedensbewegung. tht ■ alistischen Vorbilder blanker Zynismus, VVN-BdA MG ■

6 : antifaschistische nachrichten 25-2003


Aus dem Umfeld der „Jungen Freiheit“ wird eine
Kampagne gegen die CDU/CSU-Führung gestartet
Dossier zum Appell „Kritische Solidarität mit Martin Hohmann“
Helmut Kellershohn (Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung)

Am Tag des Ausschlusses Mar- wird sicherlich nichts dagegen haben, war bis 1993 Superintendent des Kirchen-
tin Hohmanns aus der CDU/ wenn „Die Deutschen Konservativen“ kreises Havelberg – Bad Wilsnack/Bran-
CSU-Fraktion durften die Abge- (Vorsitzender: Werner Joachim Siegerist) denburg und Ende der 90er Jahre Leiter
ordneten frühmorgens eine So- in der jüngsten Ausgabe der JF mit einer der „Konferenz Bekennender Gemein-
lidaritätsanzeige für Hohmann („Kriti- ganzseitigen Anzeige den verstorbenen schaften“, der Dachorganisation der evan-
sche Solidarität mit Martin Hohmann“, Erzbischof Dyba um „Mut und Kraft“ für gelischen Bekenntnisbewegung. In dieser
„Appell für Hohmann“) in der FAZ Hohmann bitten.1 Eigenschaft kritisierte er 1999 den evan-
bzw. der SZ zur Kenntnis nehmen. Viel- Dr. Fleissner unterstützt die Zeitung gelischen Kirchentag wegen der „grund-
leicht hat den einen oder anderen die regelmäßig mit Anzeigen zu seinem reich- sätzlichen Infragestellung der Judenmis-
Lektüre bestärkt, gegen den Aus- haltigen Bücherangebot, während die JF sion“ (Idea Nr. 23 v. 9.6.1999).
schluss zu stimmen oder sich zu enthal- sich mit Rezensionen revanchiert. Fritz Mitglied des Bundesvorstandes des
ten. Schenk wiederum schrieb in den Jahren CKDF und Pressesprecher war 2001 An-
2001/02 häufig Artikel. Langjährige Auto- dreas Schneider, der auch als Herausgeber
ren in den 90er Jahren waren Frank Lie- eines Online-Magazins „Ostrakismos.net“
1. Für den Außenstehenden erscheint
die Liste der 25 Unterzeichner zu-
nächst relativ nichtssagend. Selbstver-
bermann (CDU Weingarten), Mitautor bei
der publizistischen Missgeburt der so ge-
fungiert. In einem Rückblick auf die Ge-
schichte des CKDF berichtet er, dass der
ständlich: Man kennt den Initiator
Fritz Schenk, den langjährigen Co-
Moderator und Redaktionsleiter
des ZDF-Magazins, der dann bis
zu seiner Pensionierung 1993
Chef vom Dienst der Chefredak-
tion des ZDF war. Man kennt Dr.
Herbert Fleissner als Chef eines
Verlagsimperiums, der schon in
den 90er Jahren versuchte, mit der
Förderung bestimmter Autoren
(Rainer Zitelmann, Ulrich
Schacht, Heimo Schwilk, Karl-
heinz Weißmann) die Grenzen des
Sagbaren in der Berliner Republik
auszutesten (vgl. Zitelmann/Weiß-
mann/Großheim [Hg.] 1993;
Schwilk/Schacht [Hg.] 1994).
Und man kennt den ehemaligen
CDU-Bürgermeister und Rechts-
außen der Partei Heinrich
Lummer, der heute als Ehrenvor-
sitzender des Vereins „Die Deut-
schen Konservativen“ [DK] fun-
giert. Ansonsten aber scheinen mehr oder nannten ‘89er-Generation (vgl. Bubik Aufbau der Landesforen, d.h. die „Rekru-
weniger einfache Mitglieder der [Hg.]1995), und Michael Oelmann, seines tierung von Interessenten (...) über monat-
CDU/CSU bzw. ihrer Vereinigungen (JU, Zeichens Herausgeber des „Wirtschafts- liche Kleinanzeigen in der Jungen Frei-
RCDS, Mittelstands- und Wirtschaftsve- blatt[s]. Das Standortmagazin für den heit“ gelaufen sei.
reinigung) die Liste zu dominieren, sieht Kreis Mettmann“. Auf Oelmanns Adresse Der CDU-MdB Claus Jäger, 1993 aus
man einmal von dem niedersächsischen und Fax-Nummer verweist der Solidari- der CDU ausgeschieden, Mitglied des er-
Landtagsabgeordneten Thorsten Thümler tätsappell potenzielle Unterstützer zur sten Bundessprecherrats, habe „das
ab. Bei vier Unterzeichnern fehlen Anga- Kontaktaufnahme, für eine Interne- Ver- Deutschland-Forum in einer Presseerklä-
ben zur Parteizugehörigkeit. sion des Appells gab sich Oelmann als In- rung als ‚freie Initiativgruppe innerhalb
itiator aus (vgl. NRZ v. 15.11.2003). der Union‘ [definiert]. Vor allem junge
Parteimitglieder aus der Jungen Union
2. Dieser erste Blick, der vom Bekannt-
heitsgrad ausgeht, täuscht. Bei min-
destens 16 Personen lassen sich Bezüge 3. Unter den übrigen Personen fallen
besonders zwei Gruppierungen ins
und den sog. Leserkreisen der Jungen
Freiheit“ hätten „aktiv am Zustandekom-
zur Jungen Freiheit (JF) feststellen. Erst Auge. Das Christlich-konservative men dieser Initiative mitgewirkt“. Landes-
unlängst mobilisierte die JF u.a. ihren Deutschland-Forum (CKDF), gegründet sprecher des baden-württembergischen
langjährigen Förderer, Autor und Inter- 1992, das heute nur noch über einige we- Landesforums war denn auch der (ehema-
viewpartner Hohmann (vgl. JF 41/2003), nige Landesforen verfügt, ist mit mindes- lige) JF-Redakteur Roland Bubik, wäh-
um Stimmung gegen eine Tagung des tens zwei Personen, darunter ihrem ehe- rend in Hessen JF-Autor Frank Bötzkes
nordrhein-westfälischen Verfassungsschut- maligen kommissarischen Vorsitzenden, den Landesvorsitz übernahm. Auch Hein-
zes zur Neuen Rechten (8.10.2003) zu ma- Superintendent i.R.. Woronowicz (1998- rich Lummer mischte mit. Im September
chen. Heinrich Lummer selbst ist ständi- 2001), vertreten. Woronowicz kommt aus 1996 wird er zeitweilig stellvertretender
ger Mitarbeiter der JF (lt. Impressum) und der kirchlichen Opposition in der DDR, Bundessprecher.

: antifaschistische nachrichten 25-2003 7


In Hessen, so berichtet Schneider wei- der CDU ); Hans-Jürgen Mahlitz (Chef- glied einer „Unabhängigen Bürgerge-
ter, nannte sich das dortige Landesforum redakteur Allgemeine Preußische Zei- meinschaft“, die seit zwei Jahren in
Arbeitskreis Konservativer Christen tung/Das Ostpreußenblatt), Prof. Erwin Achim Vortragsabende mit rechtsextre-
(AKC), in dem Herbert Gassen eine zen- K. Scheuch, Alexander von Stahl (Gene- men Tönen (vgl. Achimer Kreisblatt v.
trale Rolle spielte. 1998 wird er Stellver- ralbundesanwalt a.D. und Rechtsvertreter 22.9.2003) veranstaltet. Der Rest ist wohl
treter von Woronowicz. Die engen Bezie- der JF im Streit mit dem NRW-Verfas- vor allem deswegen in die Liste der
hungen Hohmanns zum AKC sind be- sungsschutz) und nicht zuletzt der ein- Unterzeichner aufgenommen worden,
kannt. Zu der im Internet lange Zeit ein- gangs erwähnte Historiker Karlheinz weil es sich zumeist um JU-Mitglieder
sehbaren Programmatik des AKC schrieb Weißmann, Leiter des „Instituts handelt.
er ein Grußwort. Mittlerweile hat der Anmerkungen:
AKC seine 1 „Darum sollten wir Erz-
Website ein- bischof Dyba im Gebet
bitten: (1) Gib Martin
gestellt. Hohmann Kraft in diesen
Enge schweren Stunden; (2)
Kontakte Gib M.H. Mut und Stand-
hatte das festigkeit; (3) Schütze
M.H.’s Familie; (4) Laß
CKDF zu M.H. nicht verzweifeln;
den „Christ- (5) Gib M.H. die Fackel,
demokraten mit der er einem von
für das Le- Verwirrung bedrohten
Volk den richtigen Weg
ben“ (CDL). weisen kann, auch der
Diese Organi- CDU/CSU – zur Not
sation widmet auch gegen sie.“ (Her-
sich aus christ- vorh. d. Verf.) Diesem
blasphemischen ‚Ge-
lich-funda- bet‘ entsprechend heißt
mentalistischer es dann auf der Website
Sicht dem ‚Le- der DK: „Frau Merkel ist ein Unglück für die ge-
samte CDU/CSU“ (vgl. Treitschkes „Die Juden
bensschutz’. für Staatspolitik“ (IfS), das u.a. die neue sind unser Unglück“).
Die Unterzeichnerin der Solidaritäts- Zeitschrift „Sezession“ herausgibt (vgl.
2 In Reschkes Aton-Verlag wurden, wie auch in
adresse für Hohmann, Odila Carbanje, Kellershohn 2003). Der Unterzeichner Fleissners Universitas-Verlag, mehrere Gemein-
ist die Landesvorsitzende in NRW und und JF-Autor Christian Vollradt, stellver- schaftspublikationen der „Stimme der Mehrheit“
Schatzmeisterin im Bundesvorstand. tretender Vorsitzender der Paneuropa Ju- veröffentlicht, in denen mehrere Unterzeichner
gend Niedersachsen/Bremen, schreibt in Aufsätze veröffentlichten, darunter Andreas
Schneider, Lienhard Schmidt und Dr. Ingo Resch.
dieser Zeitschrift.
4. Die zweite wichtige Gruppierung ist
der Bund der Selbständigen (BDS)
in Nordrhein-Westfalen. Hohmann ist der
Als Interviewpartner der JF stellten
sich aus dem Kreis der Gründungsmit-
Auch Martin Hohmann publizierte in diesem Ver-
lag.

stellvertretende Vorsitzende dieser mittel- glieder folgende Personen zur Verfügung:


ständischen Unternehmerorganisation in Herbert Fleissner, Dr. Heiner Kappel, REP versprechen sich Zulauf:
NRW und gewissermaßen ihr Lobbyist. Achim Rohde (FDP), Erwin K. Scheuch „Die Union hat das nationalkonservative
Als Unterzeichner treten der Vorsitzende (griff in seinem letzten Interview den Spektrum endgültig abgeschrieben“, kom-
Hans-Peter Murmann und der Verleger NRW-Verfassungsschutz an; vgl. JF mentierte der Bundesvorsitzende der Repu-
blikaner Rolf Schlierer den Beschluss der
Wolfgang Reschke (Aton-Verlag) in Er- 41/2003), Alexander v. Stahl und Weiß- CDU/CSU-Bundestagsfraktion, den Ful-
scheinung, letzterer in seiner Eigenschaft mann. (Erika Steinbach, Präsidentin des daer Abgeordneten Martin Hohmann aus-
als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bundes der Vertriebenen, stellvertretende zuschließen. Der willkürliche und faden-
Freie Publizisten, Journalisten und Histo- Vorsitzende der OMV, bestreitet ihre scheinig begründete Rausschmiss des Ab-
riker im BDS. Diese Arbeitsgemeinschaft Gründungsmitgliedschaft, die etliche Me- geordneten sei ein Fußtritt für alle konserva-
ist von besonderem Interesse in Hinblick dien 1997 gemeldet hatten. - die Red.) tiv Gesinnten, die es immer noch in der
auf die JF. Die sog. „Stimme der Mehr- Union ausgehalten hätten. Schlierer: „Die
heit“ wurde im Mai 1997 ins Leben geru- Republikaner bieten allen konservativ Ge-
fen. Zu den Gründungsmitgliedern gehör-
ten neben Reschke2, Herbert Fleissner (!)
5. Von den weiteren Unterzeichnern
sind noch erwähnenswert: der Bur-
schenschaftler Dr. Eberhard Frohnecke,
sinnten, die in CDU und CSU heimatlos ge-
worden sind, eine neue politische Heimat“
aus REP-Pressemitteilung
und Martin Hohmann: die vormals stän- ehemals im Bundesvorstand des Bundes
digen JF-Mitarbeiter Prof. Klaus Hor- Freier Bürger; der Jurist F. Roland A.
nung (CDU-Mitglied und bis vor kurzem Richter, Autor in den Zeitschriften Criti- NPD hetzt gegen Zentralrat:
Vorsitzender des Studienzentrums Wei- cón, Gegengift (eingestellt) und „eigen- „Die Ereignisse um den CDU-Bundestags-
kersheim) und Prof. Hans-Helmuth Knüt- tümlich frei“ (rechts-„libertäres“ Blätt- abgeordneten Martin Hohmann haben
ter (ebenfalls CDU-Mitglied und vermut- chen im Geiste des Mussolini-Verehrers wieder einmal deutlich gemacht, wer in die-
ser Republik das Sagen hat: Der Zentralrat
lich wegen seiner bekannt gewordenen Ludwig von Mises) und in den Sammel- der Juden in Deutschland. Nicht die Regie-
rechtsextremistischen Äußerungen ‚vor- bänden Knütters (zusammen mit Stefan rung, nicht das Parlamernt und schon gar
sichtshalber‘ aus dem Impressum der JF Winckler) „Handbuch des Linksextre- nicht die Wähler. Ein Räuspern von Paul
genommen) sowie der langjährige JF-Au- mismus“ (erschienen im Stocker-Verlag) Spiegel reicht, um unsere politische Klasse
tor Prof. Eberhard Hamer (Leiter des und „Der Verfassungsschutz“ (erschienen zu den gewünschten Entscheidungen zu
Mittelstandsinstituts Niedersachsen). bei Fleissner); der Verleger Dr. Ingo drängen. ... Das etablierte Parteienkartell
Weitere JF-Autoren aus dem Grün- Resch, von dessen Verlag Publikationen jedenfalls hat wieder einmal gehalten. Mit
dungskreis sind: Dr. Heiner Kappel (ehe- z.B. von Christa Meves, Roland Baader denen eine grundsätzliche Wende herbei-
zuführen, ist nicht möglich. Es anzugreifen,
mals Vorsitzender des Bundes Freier Bür- und dem JF-Vorzeigegeneral Schultze- lohnt allerdings. Schon um der Zukunft un-
ger, heute Deutsche Partei/Die Freiheit- Rhondorf vertrieben werden; das Mit- seres Landes willen.“
lichen), Uwe Greve (Landesvorsitzender glied im Präsidium des Studienzentrums PM NPD, gez. Frank Schwerdt,
der schleswig-holsteinischen Ost- und Weikersheim Lienhard Schmidt; der Ge- 11. November 2003
Mitteldeutschen Vereinigung [OMV] in schäftsführer Heinrich F.J. Rathjen, Mit-

8 : antifaschistische nachrichten 25-2003


Wie erst jetzt im Zuge der Hoh-
mann/Günzel-Debatte bekannt
wurde, ist die extrem rechte Ham-
Führungsakademie der
burger „Staats- und Wirtschaftspoliti-
schen Gesellschaft“ (SWG) im Juni die- Bundeswehr
sen Jahres Gast bei der „Führungsakade-
mie der Bundeswehr“ (FÜAK) in Ham-
burg gewesen. Laut SWG „folgte eine be-
empfängt Neue Rechte
merkenswert offene, informative Ausspra- Bundestag saßen. 1986 wurde der Haupt- Die Themenpalette der Vorträge umfasst
che“, der Kommandant der Kaderschmie- sitz der SWG nach Hamburg verlegt und Geschichtsrevisionismus, Revanchismus,
de deutscher Offiziere, Generalmajor hier wurden und werden nun regelmäßig völkischen Nationalismus und Rassismus.
Hans-Christian Beck „informierte sehr Veranstaltungen, aktuell im Haus der Die nunmehr seit 40 Jahren stattfinden-
eingehend über die neuen Aufgaben der „Burschenschaft Germania Königsberg“ den Vorträge der SWG werden, je nach
Bundeswehr“ und ließ es sich nicht neh- durchgeführt. Bekanntheit des Referenten, von 100 bis
men die Neuen Rechten persönlich in ei- In den 80er Jahren stand Prof. Emil 300 Personen des konservativen bis neo-
nem anderthalbstündigen Vortrag zu in- Schlee als stellvertretender Vorsitzender faschistischen Spektrums besucht, die
formieren. Nach dem die Fakten nun an Wellems zur Seite, während er gleichzei- Auflagen der SWG-Zeitschrift „Deutsch-
die Öffentlichkeit gekommen sind, wird tig Spitzenfunktionär der REPs war. Als land-Journal/Fragen zur Zeit“ haben laut
schnell zurück gerudert: „Die SWG wird Wellems 1995 starb, ging eine wichtige Eigenangaben eine halbe Million erreicht,
nicht mehr eingeladen und kommt auch Integrationsfigur für das gesamte Lager ihre Inhalte finden sich aber auch im Ost-
nicht mehr in unsere Räume“, erklärte von nationalkonservativ bis neofaschis- preußenblatt wieder.
Beck . Dabei war die SWG schon einmal tisch verloren, so war Wellems z.B. auch Im Gleichschritt rechts
2001 mit einem Besuch bei der FÜAK ge- – die SWG und das
scheitert, der damalige VS-Vize Manfred Militär
Murck hatte nach Presseberichten wegen
rechtsextremistischer Kontakte gewarnt. Sowohl personell als
Erkenntnisse, die nach 2 Jahren schwarz- auch thematisch spielt
schill Senat jetzt wohl schon vergessen das Militär bei der
sein sollen. SWG eine besondere
Vom Gauleiter-Kreis zum extrem-rech- Rolle. Erst recht seit
ten Bildungsverein dem Start der Ausstel-
lung „Vernichtungs-
Am 15/16. Januar 1953 zerschlug die bri- krieg - Verbrechen der
tische Hochkommision die letzte große Wehrmacht“, macht die
Verschwörung alter Nazis nach 1945, den SWG mobil zur Ehren-
sog. Gauleiter-Kreis um den ehemaligen rettung der deutschen
Reichspropagandaminister Werner Nau- Soldaten, sowie zur
mann. Mit Unterstützung von Kreisen der Entlastung von Wehr-
Industrie hatten Naumann und andere ein macht und SS und zur
Netz zwischen ehemaligen Teilen der Relativierung des Na-
Wehrmacht, der SS, des Sicherheitsdien- tionalsozialismus. Al-
stes und ehemaligen NS-Propagandisten fred Schickel,
aufgebaut, ein ideologisches Konzept zur Leiter der berüch-
antikommunistischen Neuordnung Euro- Der Stoff, aus dem tigten „Zeitge-
pas entworfen, sowie schwerpunktmäßig die Vorwürfe der schichtlichen For-
die nordrhein-westfälische FDP unter- Revisionisten ge- schungsstelle In-
wandert. Diese Konspiration alter NS-Eli- gossen werden. golstadt“ schrieb
ten, die versuchte neofaschistische Ideo- Das Kragenspiel und referierte re-
logeme in die Politik der noch jungen zeigt einen SS-An- gelmäßig zum
BRD zu lancieren, tagte u.a. auch in Ham- gehörigen. Doch Thema Ge-
burg. Ihre Aufdeckung und Zerschlagung die Verbrechen schichtsrevisio-
erregte damals großes Aufsehen.1 jahrzehntelang Herausgeber des revan- der SS entlasten nismus. Titel eini-
Hugo Wellems ein ehemaliger Referent chistischen „Ostpreußenblattes“. nicht die Wehr- ger seiner Arbei-
des Reichspropagandaministeriums, da- An Wellems Stelle bei der SWG trat, macht von ihrer ten für die SWG
mals von jenem Dr. Werner Naumann ge- und hiermit sind wir unmittelbar beim maßgeblichen Be- sind: „Probleme
führt, gründete dann 1962 die SWG, wel- Thema, der Brigadegeneral a.D. Reinhard teiligung am Ver- der Vergangen-
che getrost in diese Tradition gestellt wer- Uhle-Wettler, ein Militarist, der schon im- nichtungskrieg. heitsbewältigung“
den kann. Ein rechter Insider erklärte mer für eine Entlastung der deutschen (1983), „Roose-
1972 „Mitglieder dieser Gesellschaft (ge- Wehrmacht eintrat und den militärpoliti- velts Weg in den Krieg“ (1991), „Das
meint ist die SWG) sind... Leute von schen Teil des Republikaner-Programms Kartell der Lüge“ (1992), „Das ungesühn-
Rang und Namen; insbesondere aber re- schrieb. te Verbrechen von Katyn“ (1993). Ein
krutieren sie sich aus Mitgliedern des so- Der SWG sind als Mitglieder oder Re- knallharter Revisionist ist auch Dirk Ba-
genannten Staatssekretär-Naumann-Krei- ferenten jedoch keineswegs nur alte und vendamm, der 1995 über „Hitlers oder
ses.2“ neue Nazis, sowie Vertreter der sog „Neu- Roosevelts Krieg“ lamentierte und seit
Wellems, der 1930 der NSDAP beitrat en Rechten“ zuzurechnen, sondern sehr 2002 Geschäftsführer der SWG ist.
und u.a. auch Mitglied der Legion Condor honorige Personen aus der Mitte der Ge- Roosevelt, so Bavendamm, hätte schon
war, gründete die SWG gemeinsam mit sellschaft. Konservative Professoren, Dut- mittels des Versaillervertrages Deutsch-
zwei weiteren Altnazis (Karl Friedrich zende von ehemaligen Diplomaten und land zu knebeln versucht, hätte dann eine
Grau und Arthur Mißbach), welche nach Militärs, Vertreter aus der Wirtschaft, so- systematische Aufrüstung der USA gegen
1945 der CDU beitraten und zeitweise im wie Politiker, auch aus dem Bundestag. Deutschland betrieben, und Deutschland

: antifaschistische nachrichten 25-2003 9


schließlich mittels Diplomatie und Ge- Massaker zur Folge hatte:“ Die Versor- ● Der militante Klerikale Pater Lothar
heimverträgen in den Zweiten Weltkrieg gung in deutschen Kriegsgefangenenla- Groppe, jahrelang Beiratsmitglied der
getrieben. Der Krieg den Deutschland gern sei vorbildlich gewesen, eventu- SWG, war zuvor Militärpfarrer sowie Do-
dann 1939 begann, sei noch ein „alter elle Massensterben höchstens dem zent an der FÜAK.
Krieg“, quasi ein sauberer und ehrlicher, schlechten gesundheitlichen Zustand der ● Der Regioleiter für Hamburg der
gewesen, erst der Kriegseintritt der USA Rotarmisten bei ihrer Gefangennahme SWG, Oberst a. D. Manfred Backerra,
1941 hätte den Krieg zum „neuen Krieg“, durch die Wehrmacht geschuldet. Auch war ehemaliger Chefdozent für Militäri-
zum totalen und auf Vernichtung angeleg- die millionenfache Deportation von so- sches Nachrichtenwesen an der FÜAK. Er
ten Krieg werden lassen. „Dieser Krieg wjetischen Soldaten und Zivilisten zur dürfte wohl auch die aktuellen Kontakte
war räumlich und zeitlich im Prinzip Zwangsarbeit in das Deutsche Reich ent- zur FÜAK gebahnt haben.
überhaupt nicht mehr begrenzt, und er schuldigt Post. Denn wie er richtig er- Bis 1996 lehrte Generalmajor a.D.
gipfelte in der fabrikmäßigen Vernichtung kennt: Gerd Schultze-Rhonhof an der FÜAK. Er
der europäischen Juden, im konventionel- „Ohne die Ostarbeiter wäre
len und nuklearen Bombenkrieg gegen der Krieg ab 1943 gar nicht
die deutsche und die japanische Zivilbe- mehr führbar gewesen.“
völkerung sowie in der ethnischen Säube- Der von der gesamten natio-
rung der deutschen Ostgebiete.“ So wer- nalkonservativen und extremen
den die USA durch Bavendamm nicht nur Rechten gefeierte „Kronzeuge“
zu den Verursachern des Krieges gemacht, gegen die Wehrmachtsausstel-
sondern der Vernichtungskrieg gegen die lung Rüdiger Proske aus Ham-
Sowjetunion sowie der Holocaust prak- burg referierte im Februar 1998
tisch als die Folge von Roosevelts Kriegs- bei der SWG. Ebenfalls 1998
führung dargestellt. dozierte Franz Uhle-Wettler
Ebenfalls 1995 trat dann mit Walter bei der SWG über seine „Ge-
Post erstmals ein Geschichtsrevisionist danken zur Traditionswürdig-
bei der SWG gegen die Ausstellung „Ver- keit der Wehrmacht“, er ist der
nichtungskrieg - Verbrecher der Wehr- Bruder des SWG-Vorsitzenden
macht“ an und propagierte seine Thesen und seit Jahren in der rechtsex-
unter dem Titel „Die Verunglimpfung der tremistischen Szene tätig. Er
Wehrmacht.“ Neben dem Hamburger In- brachte es als Soldat immerhin
stitut für Sozialforschung wetterte Post bis zum Kommandeur der
NATO-Verteidigungsakademie
auch gegen das offizielle historische Insti-
tut der Bundeswehr. Die Arbeiten im „Mi- in Rom. Weitere ehemalige Mi-
litärgeschichtlichen Forschungsamt in litärs referierten bei der SWG:
Freiburg“, insbesondere die von Manfred Wolfgang Altenburg, General
Messerschmidt und Wilhelm Deist, seien a.D.; Lothar Domröse, Gene-
durch die Geschichtswissenschaft der So- ralleutnant a.D.; Ernst Feber,
wjetunion beeinflusst. General a.D.; Adolf Heusinger, General ist gern gesehener Gast bei der SWG, re-
Im übrigen unterstützte Walter Post die a.D.; Gerhard Hubatscheck, Oberstleut- ferierte dieses Jahr zum Thema „1939 –
Präventivkriegs-Thesen seiner Vorredner nant a.D.; Heinz Karst, Brigadegeneral Der Krieg der viele Väter hatte“ und
bei der SWG und widmete seinen Vortrag a.D.; Gerd-H. Komossa, Generalmajor schrieb 1998 einen Beitrag für die SWG,
insbesondere der leider unvermeintlich a.D.; Wolfgang Schall, MdEP, Brigadege- der zuvor in der Tageszeitung „Die Welt“
brutalen Partisanenbekämpfung. Partisa- neral a.D.; Harald Wurst, General a.D. abgedruckt wurde.
nen- und Geiselerschießungen seien nach Die besondere Nähe der SWG zur Aber nicht nur ehemalige Militärs dür-
Kriegsrecht erlaubt und gerechtfertigt. Bundeswehr und zur FÜAK im Besonde- fen bei der Neuen Rechten in Hamburg re-
„Die deutsche Besatzungsmacht im Osten rem erklärt sich über ihr Personal: ferieren: Gerade frisch von der Front im
erklärte die Juden als für den Partisanen- ● Der Vorstandsvorsitzende der SWG Kosovo zurück, berichtete Brigadegeneral
krieg verantwortlich, was entsprechende ist Brig.-Gen. a.D. Reinhard Uhle-Wettler, Helmut Harff, Kommandeur Deutsches
Autor etlicher Heereskontingent und Nationaler Befehls-
„Bald werden wir neue Kriegstote beklagen“ Bücher zur Mi- haber im Einsatzgebiet, 1999 vor der
litärgeschichte, SWG über: „Militärische Friedenssiche-
Köln.16.11.03. Kritik an der offiziellen Kundgebung am Volks- REP-Berater und rung – Erfahrungen aus dem Einsatz im
trauertag übten Mitglieder der Gruppe „Pax an“ und andere mitverantwortlich Balkan“. Seine Quintessenz aus dem völ-
Antimilitaristen, darunter Mitglieder der VVN/BdA. Erneut war für die militärpo- kerrechtswidrigen Kosovo-Krieg: „Wer
„Pax an“ untersagt worden, eine Rede zu halten. Die etwa 180 litischen Aussa- schneller schießt und besser trifft, der
Anwesenden konnten aber während der Ansprache von Bürger- gen im REP-Pro- überlebt. Darum geht es hier.“
meister Wolf die Kurzfassung dieser abgelehnten Rede auf ei- gramm. Von allem nichts gewusst ?
nem Transparent, das langsam abgerollt wurde, genau studieren. ● Sein Stellver-
Da dieses Rolltransparent hinter dem Mikrofon auf erhöhten treter Peter Fi- Nachdem zuerst die taz-hamburg die neu-
Treppenstufen stand, richteten sich die Augen des Militärs, der scher, Redakteur erlichen Kontakte der Bundeswehr zur
Burschenschafter und anderer Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Ostpreußen- SWG öffentlich machte, geriet Presse-
auf den stückweise zu lesenden Text: blatt und glühen- stabsoffizier Ralf Burmeister in Erklä-
„Sehr geehrte Damen und Herren, wir gedenken der Toten der Carl-Schmitt- rungssnot: Nach einer „internen Überprü-
beider Weltkriege. Wie jedes Jahr vergessen wir dabei die Gräu- Verehrer, wurde fung hatten wir keine Einwände gegen die
eltaten deutscher Soldaten. Wieder werfen wir Opfer und Täter von der Bundes- SWG.“ Weder dem Militärischen Ab-
in einen Topf. Wieder werden die Opfer der Bundeswehr in aller wehr 1996 zum schirmdienst (MAD) würden Erkennt-
Welt verschwiegen. Bald werden wir neue Kriegstote beklagen.“ Pressesprecher nisse über rechtsextreme Kontakte der
Bis zum Ende der Veranstaltung konnte diese Anklage von des IFOR-Kontin- SWG vorliegen, noch dem Verfassungs-
allen gelesen werden. gba ■ gents in Kroatien schutz (VS). Die enge Verstrickung von
befördert. FÜAK und ehemaligen Militärs bei der

10 : antifaschistische nachrichten 25-2003


SWG mag hinreichend erklären, warum
der MAD keine Erkenntnisse hatte. Der
VS hingegen muss seine eigenen früheren
Rechtsradikale Satire
Erkenntnisse bewusst verleugnet haben,
um der SWG einen Persilschein auszu- oder Humor als Waffe?
stellen. Schon 1993 tauchte SWG-Vorsit- Wo die Propaganda versagt, da wurde. Letzterer öffnete die Spalten der
zender Reinhard Uhle-Wettler in einem hilft vielleicht Satire weiter: Das Tageszeitung für die extreme Rechte
geheimen Verfassungsschutzbericht des scheint das Rezept zu sein, nach und hoffte so, deren Publikum als neue
Hamburger VS auf. Zitiert wurde sein dem seit einigen Monaten in Leserschaft zu gewinnen. Das verhin-
Vortrag vor Burschenschaftern 1992, in Frankreich eine bislang recht mysteriö- derte nicht die Pleite des Projekts - die
dem er plädierte: „Für einen starken, auto- se Zeitung erstellt wird. In mehrwöchi- Tageszeitung musste 1998 eingestellt
ritären, national orientierten Staat... Große gen Abständen stößt man an den Kios- werden. Nicolas Miguet trat später
Teile des Staates seien korrupt, die Über- ken auf ein Farcenblatt, das äußerlich mehrfach, mit geringem Erfolg, als
fremdung Deutschlands und der Ausver- auf den ersten Blick der Pariser Abend- „Anti-Steuer-Rebell“ zu Wahlen an und
kauf der Nation schreite voran.“3 Regel- zeitung Le Monde ähnelt. Es trägt den gibt einige Börsenblätter für Möchte-
mäßig tritt er bei Vereinigungen wie der Titel L’iMonde, was gleich klingt wie gern-Absahner heraus. Weiterhin be-
„Gesellschaft für freie Publizistik“ (GFP) „l’immonde“ (Der oder die Schreckli- ackert er gern das Feld der extremen
oder „Aufbruch 99“ auf, die in VS-Be- che). Der Schrifttyp und die Gestaltung Rechten, auch wenn die Kader des
richten erwähnt werden. Im letzten Jahr der Titelseite sind denen beim großen Front National ihn gewöhnlich als „blo-
trat die Rechtsanwältin Gisa Pahl bei der Vorbild täuschend ähnlich. Für drei ßen Geschäftemacher“ abtun.
SWG auf. Unter ihrem Pseudonym Gisela Euro werden 16 Seiten angeboten. Sieht man noch genauer hin, dann er-
Sedelmaier wird sie im Hamburger VS- Dabei illustriert jeweils ein witzig ge- kennt man auch leicht den rechtsextre-
Bericht 1994 erwähnt als Mitarbeiterin in meinter Vorschlag die Seite Eins. Im men Hintergrund der vorgeblichen
Jürgen Riegers „Deutschem Rechtsbüro“, Sommer etwa war es ein Abdanken von Witzkanone. Ein vermeintlich drolliger
einer Rechtshilfe-Organisation für Neo- Präsident Chirac zugunsten des rebelli- Bericht über die französischen Gefäng-
nazis. schen Bauern José Bové, der damals die nisse, die „einen Stern im Jail interna-
So waren dem VS-Vize unter rot-grü- Schlagzeilen füllte. In der seit kurzem tional Guide einbüßen“, weil sie an
nem Senat Manfred Murck 1999 auch erhältlichen Dezember-Nummer ist es Komfort verlören, stellt sich alsbald als
„personelle Überschneidungen... (der der ehrgeizige und derzeit auf allen Ka- Hetze gegen so genannte kriminelle Im-
SWG – erk)... zu rechtsextremistischen nälen präsente Innenminister Nicolas migranten heraus.
Organisationen bekannt“, Erkenntnisse, Sarkozy, der sich angeblich in „Mada- Der Text endet damit, dass zwar die
die jetzt unter schwarz-schill schon ver- me Nicole Sarkozy“ verwandelte, näm- Ausbildung französischer Krimineller
gessen sein sollen. lich weil er erkannt habe, dass die Fran- durch den Komfortverlust gefährdet sei,
Würden diese doch eventuell eigene zosen bei der Wahl des Staatsober- „aber glücklicherweise importiert
Parteimitglieder in Bedrängnis bringen, haupts im Jahr 2007 (der ambitionierte Frankreich nicht wenige Verbrecher“.
denn nicht nur alte und neue Nazis, Neue Minister hat bereits letzte Woche seine Ein dagegen nicht einmal oberflächlich
Rechte und unverbesserliche Militaristen Kandidatur angekündigt) lieber eine lustiger Artikel über die französischen
referierten bei der SWG sondern auch na- Frau zur Präsidentin wählen würden. Gewerkschaften, die gerade dabei seien
tionalkonservative Unionsmitglieder; Ex- Allerdings bleibt der Humor meistens „sich zu fragen, wogegen sie jetzt noch
Innenminister Friedrich Zimmermann, stecken: Es bleibt bei einem einzigen demonstrieren können“ (das endet da-
Hans Filbinger und Alfred Dregger waren mehr oder minder witzigen Einfall. mit, dass der CGT-Chef zu einer „Demo
in der Vergangenheit zu Gast. Im Beirat Wenn dieser dann aber über eine halbe gegen Pizzas“ aufruft, „weil meine
der SWG saß bis Mitte der 90er Jahre Seite hinweg entwickelt wird, stellt sich Schwester letzte Woche eine Pizza ge-
Siegfried Zoglmann, ehemaliger Freiwil- rasch das Gähnen ein. gessen hat, die schlecht schmeckte“)
liger der Waffen-SS, der in den 70ern der Über die Hintergründe des satirisch soll allein deren Nutzlosigkeit heraus-
CSU beitrat und lange im Bundestag war. aufgemachten Le Monde-Verschnitts ist streichen.
Aus Hamburg kam 1997 SWG-Referent nicht viel zu erfahren. Die im Titelbal- Als nackte Propaganda erweist sich
Heiko Peters, er ist Vorstandsmitglied der ken angegebene Webpage (www.limon- ein Bericht über das angebliche neue
CDU-Blankenese. de.fr) stellt sich als nicht existent her- Konzept von UN-Generalsekretär Kofi
Als Referent über „Qualitäten und die aus. Das einzige Impressum, das die Annan: „In wenigen Jahren werden die
Probleme unseres Rechtsstaates“ war Zeitung enthält, erweist sich auf den er- Ausländer in der Mehrzahl der Länder
1999 ein Vortrag von Ronald Schill ge- sten Blick als Fantasieprodukt – es ent- in der Überzahl sein. Aber wenn die
plant, als dieses publik wurde, kniff der hält dieselben Namen wie jenes der Ausländer zahlreicher sind als die Ein-
standhafte Richter, man war schließlich nachgeahmten Tageszeitung, die nur sa- heimischen, dann sind sie auch keine
im Wahlkampf. Zum Thema „Innere Si- tirisch abgewandelt wurden. Aus dem Ausländer mehr. Man muss das nur
cherheit“ durfte dann bei einer SWG-Ver- Chefredakteur Jean-Marie Colombani noch den dummen und reaktionären
anstaltung aber doch noch ein halbes Jahr etwa wird Jean-Marie Colonbéni (ge- Leuten im Westen beibringen.“
später etwas gesagt werden, und zwar am segneter Dickdarm); Ähnliches wider- Und die Verschwörungstheorie wird
richtigen Ort – im Hamburger Polizeiprä- fährt anderen Redaktionsmitgliedern über ein Fake über die „Neujahrswün-
sidium. Kein Wunder, dass die Innenbe- bei Le Monde. sche 2004 von Ossama Bin Laden“ ver-
hörde nichts Schlechtes über die SWG zu Die einzige Information, die man bei breitet, worin dieser angeblich verse-
berichten hat. erk ■ genauerem Hinsehen darüber hinaus er- hentlich (bei einer Mikrophonprobe, die
hält, besagt, dass L’iMonde ein Produkt dann unerwartet gesendet wird) aufde-
1 siehe auch: Handbuch Deutscher Rechtsextre-
des Verlags von Le Quotidien de Paris cke, dass er „aus dem CIA-Hauptquar-
mismus, Jens Mecklenburg (Hg.) Berlin 1996 darstelle. So lautete der Name einer frü- tier spricht“ und von sich selbst sage,
2 Wolfgang Sinnemann in Das Deutsche Wort, zit heren Pariser Tageszeitung, die 1994/95 dass „ich für Amerika arbeite“.
nach Das schwarze Kassenbuch, PDA (Hg), Köln kurz vor dem Bankrott stand und von Bernhard Schmid, Paris ■
1973 einem windigen Geschäftsmann na-
3 zit. nach Informationsbericht LfV Hamburg Mai mens Nicolas Miguet übernommen
1993 VS-Vertraulich, S. 30

: antifaschistische nachrichten 25-2003 11


: ausländer- und asylpolitik
Keine Wahl, aber eine
Stimme
Jena. Vom 19. bis zum 21. November tra-
Ungewissheit für Flüchtlinge fen sich die Innenminister der deutschen
Bundesländer in Jena. Aus diesem An-
Innenminister streben ab Frühjahr 2004 Abschiebungen nach Afghanistan an lass rief die Karawane für die Rechte der
Flüchtlinge und MigrantInnen gemein-
Mit Spannung und Besorgnis pört, daß ernsthaft über Abschiebungen sam mit anderen Flüchtlings- und anti-
warteten Tausende Flüchtlinge in nach Afghanistan nachgedacht werde, rassistischen Gruppen zum Protest auf.
Deutschland auf das Ergebnis der während man gleichzeitig monatelang Zu einer bundesweiten Demonstration
zweitägigen Konferenz der Länderinnen- habe suchen müssen, um für die Bundes- am 20. November kamen rund 600 Men-
minister mit Bundesinnenminister Otto wehr einen halbwegs sicheren Einsatzort schen nach Jena. In der vorhergehenden
Schily (SPD) in Jena, die am gestrigen außerhalb Kabuls zu finden. Die Lage sei Pressekonferenz und in den Redebeiträ-
Freitag, 21.11. beendet wurde. Denn die – vor allem für Frauen – so unsicher, gen auf der Auftaktkundgebung am
Innenminister hatten auf ihrer Frühjahrs- dass sogar das Angebot der Stadt Ham- Holzmarkt im Zentrum von Jena wurde
konferenz im Mai 2003 nach Protesten burg, freiwilligen Rückkehrern 1000 scharfe Kritik an den aktuellen Plänen
von Flüchtlings- und Menschenrechtsor- Euro Startkapital mitzugeben, kaum der Innenminister formuliert: an der ge-
ganisationen davon abgesehen, einen wahrgenommen werde. planten Abschaffung der behördlichen
Termin für den Beginn von Zwangsrück- Der Hohe Flüchtlingskommissar der Informationspflicht bei Abschiebungen,
führungen nach Afghanistan festzulegen. Vereinten Nationen (UNHCR) zog seine an der Kriminalisierung des Widerstands
In den letzten Wochen gab es unter den Flüchtlingshelfer aus Afghanistan am gegen Abschiebungen, an den Vorberei-
Betroffenen jedoch große tungen massenhafter Abschiebungen von
Verunsicherung, als der Kriegsflüchtlingen u.a. nach Afghani-
Hamburger Innensenator stan, die die Ressortchefs für das Früh-
Dirk Nockemann (Schill- jahr 2004 anstreben.
Partei) Abschiebungen Darüber hinaus wurde die „Residenz-
noch vor dem Winter ver- pflicht“ und rassistische Polizeikontrol-
langte; der bayerische len verurteilt.
Innenminister Günther Flüchtlinge aus Togo, aus dem Iran,
Beckstein (CSU) kündigte aus dem Kongo und von den Philippinien
Zwangsrückführungen ab sowie VertreterInnen der Roma und Ash-
Frühjahr 2004 an. Dem kali berichteten über die Lage in ihren
widersprach NRW-Innen- Herkunftsländern und den Widerstand
minister Fritz Behrens gegen Diktatur und Krieg, über ihren
(SPD) im Morgenmagazin Alltag in Deutschland und über die
des WDR am Donnerstag: Angst ihrer Kinder, über Nacht plötzlich
„Es ist unverantwortlich, abgeschoben zu werden.
jetzt Flüchtlinge in dieser Der anschließende Demozug durch
Situation nach Afghani- die Innenstadt von Jena war laut und
stan schicken zu wollen. Auch der Irak Dienstag zurück. Zum Irak gab der bunt, mit vielen Transparenten (zwei wa-
ist dafür noch nicht sicher genug.“ UNHCR einen Lagebericht, wonach er ren über 50 Meter lang), Musik und po-
Geeinigt hat man sich auf einen Kom- weder die freiwillige Rückkehr von wervollen Sprechchören: „Stopp, stopp,
promiss, der für die Flüchtlinge weitere Flüchtlingen unterstützen noch gar die stopp, Abschiebung stopp“, „Innenmi-
Ungewissheit bedeutet. Zwar wird es zwangsweise Abschiebung akzeptieren nisterkonferenz-abschaffen, Polizeibru-
keine sofortigen Zwangsmaßnahmen ge- könne. Pro Asyl plädierte nachdrücklich talität-abschaffen“... Insgesamt eine sehr
ben, aber die Innenminister streben an, für einen Abschiebestopp, auch bezüg- beeindruckende Demonstration, die je-
die Rückkehr von Kriegsflüchtlingen lich der Kosovo-Flüchtlinge. Dem doch wenig Interesse bei der umstehen-
nach Afghanistan möglichst noch im schloss sich – nachdem man anfangs von den Bevölkerung fand. Der Kommenta-
Frühjahr 2004 einzuleiten. Für den Irak ihr in dieser Debatte gar nichts gehört torin der hiesigen Jenaer Zeitung, so
soll die freiwillige Rückkehr Vorrang ha- hatte – die Ausländerbeauftragte der konnte mensch am nächsten Tag lesen,
ben. Thüringens Innenminister Andreas Bundesregierung, Staatssekretärin Ma- war die Demonstration schlicht zu laut.
Trautvetter (CDU) gab zu, dass die Situ- rieluise Beck, an. Auch andere Innenpo- Der Umzug endete vor dem Hotel Es-
ation in beiden Ländern außerordentlich litiker der Grünen und der FDP äußerten planade, dem Tagungsort der Innenmi-
schwierig sei. Man wolle aber „Rückfüh- sich ablehnend zu den geplanten nister. Diese waren zu diesem Zeitpunkt
rungen in Angriff nehmen, sobald es die Zwangsrückführungen. Die PDS Saar jedoch nicht in ihrem Hotel, sondern
Sicherheitslage gebietet“. forderte die Wiederherstellung des Asyl- zum Fototermin auf der nahegelegenen
Mit diesen schwammigen Formulie- rechts. Am Donnerstag schließlich ver- Leuchtenburg. Eine Delegation der Ash-
rungen versuchte die Innenministerkon- anstaltete die „Karawane für die Rechte kali und Vertreter der Karawane, der To-
ferenz, sich alle Möglichkeiten offenzu- der Flüchtlinge und MigrantInnen“ eine goerInnen und der Roma übergaben ei-
halten, aber zugleich den Anschein zu er- Demonstration in Jena gegen die restrik- nem Mitarbeiter des thüringischen
wecken, die öffentliche Kritik ernst zu tive Flüchtlingspolitik von Bund und Innenministers Trautvetter ihre Forde-
nehmen. Im Vorfeld der Konferenz in Ländern. Damit wurde wenigstens ein rungen nach Abschiebestopp und Aner-
Jena gab es von vielen Seiten Proteste Teilerfolg erzielt. Aber nur mit weiterem kennung der Lage in ihren Herkunfts-
gegen die geplanten Zwangsabschiebun- öffentlichen Druck werden die Innenmi- staaten.
gen. Die Generalsekretärin der deut- nister davon abzuhalten sein, bei näch- Quelle: Karawane München,
schen Sektion von Amnesty Internatio- ster Gelegenheit Schutzsuchende Die Bilder sind vom Umbruch Bild-
nal, Barbara Lochbihler, äußerte die Be- zwangsweise in die unsicheren Kriegs- archiv. Eine Bilderseite gibt es unter
fürchtung, „der Staat will Härte zeigen“. gebiete abzuschieben. http://www.umbruch-bildarchiv.de/bild-
Amnesty International sei geradezu em- Ulla Jelpke, junge Welt, 22.11.03 ■ archiv/ereignis/201103jena.html ■

12 : antifaschistische nachrichten 25-2003


Keine Abschiebung – Knäste – Lager
Demonstration und Kundgebung am Internationalen Tag der Menschenrechte
Mittwoch 10. Dezember 2003, 18 Uhr, Offenbach, Marktplatz
Asyl... findung des Wortes „Wirtschaftsflücht- weil ihm keine Chance eingeräumt wird,
Für viele Tausende, die vor dem Terror ling“. Damit leitete es die rassistische hier nach einem besseren Leben zu su-
des Hitlerfaschismus aus Deutschland zu Ausgrenzung derjenigen ein, die zuvor in chen.
fliehen versuchten, war die Gewährung die BRD geholt wurden, für die BRD ge- In Offenbach existiert seit 1995 ein
von Asyl im Exil die letzte Rettung vor arbeitet haben. Diese wurden plötzlich Abschiebeknast. Dieses Spezialgefängnis
den Nazis. Fast alle europäischen Länder unerwünscht. Kurze Zeit später fand ein wurde durch eine rot/grüne Regierung
und die USA verschärften ab 1938 ihre zweiter interessanter Wechsel der Wort- unter dem Deckmantel eines „Modell-
Einreisebestimmungen derart, dass diese wahl statt. Während vor 1989 der Flucht- charakters der Abschiebehaft“ einge-
Fluchtmöglichkeit den meisten verwehrt helfer ein – im Ost-West-Konflikt ange- führt. Heute sitzen hier ca. 60 Abschiebe-
blieb. Diese Erfahrungen führten 1949 siedelter – ehrsamer Beruf war, gibt es häftlinge. Der damalige grüne Justizmi-
zur Verankerung des Grundrechts auf seitdem allerorten nur noch „Menschen- nister Plottnitz sprach von einer „mög-
Asyl im Grundgesetz (GG) der BRD. schlepper“. lichst menschenwürdigen Unterbringung
1993 wurde dieses Grundrecht nach ei- ... in der EU derjenigen, die in Abschiebehaft gehen
ner beispiellosen rassistischen Hetze fak- müssen“ und von einer „möglichst sensi-
tisch abgeschafft. 2002 erreichten da- Seit 1991 arbeiten die europäischen blen Behandlung derjenigen, die sich in
durch nur noch 71.127 Menschen lebend Regierungen an einer „Harmonisierung“ einer schwierigen Situation befinden.“
und legal die BRD, um einen Asylantrag des EU-Asylrechts. Ziel ist es, so wenig Widerspruch
zu stellen. Gerade einmal 20% so viele wie möglich unerwünschte Menschen die
wie 1992 – und das nicht, weil die Welt Festung Europa betreten zu lassen. Dabei „Man ist hier wie ein Krimineller. Man
soviel friedlicher und gerechter gewor- hat sich die BRD mit einer besonders res- hat sich hierhin geflüchtet, nun fasst man
den wäre. triktiven Einwanderungspolitik, wie dem uns und steckt uns ins Gefängnis. (...)
... und Migration Flughafenverfahren, der sog. „Sicheren Aber in Gefängniszellen zu sitzen, ohne
Drittstaaten“-Regelung oder der Erfin- etwas begangen zu haben, ...wie soll das
1962 startete die BRD eine beispiello- dung der „Sicheren Herkunftsländer“ als ein Mensch akzeptieren?“ (ein Abschie-
se Kampagne zur Anwerbung von für die Vorreiter hervorgetan. behäftling)
deutsche Wirtschaft notwendigen Ar- Diejenigen, die es dennoch geschafft ES GIBT KEINEN GUTEN KNAST
beitskräften. Bis in die 70er Jahren folg- haben, hierher zu kommen, sind neben Abschiebehaft und die ständige Angst
ten ca 4,2 Mio Menschen diesem Ruf der vielen anderen rassistischen Schikanen vor der drohenden Abschiebung ins Un-
Arbeit“geber“. Doch schon 1973 antwor- auch mit dem staatlichen „Terror der Ab- gewisse sind eine besondere Form der
tete das deutsche Kapital auf Ölkrise und schiebehaft“ konfrontiert. Alle Menschen psychischen Folter. Allein zwischen 1993
Rezession mit Anwerbestopp und der Er- ohne deutschen Pass, die „ausreisepflich- und 2002 haben 45 Menschen in Ab-
tig“ sind, können schiebehaft ihr Leben gelassen, mindes-
in Abschiebehaft tens 243 haben sich selbst verletzt oder
Aufruf
Wer lange hier lebt, genommen wer- versuchten, sich umzubringen.
den. Abschiebe- Widerstand...
muss bleiben dürfen! haft ist ein Instru-
ment zur systema- von Menschen in Abschiebehaft war
■ Über 200.000 Menschen leben in Deutschland in Grundsätzen, zu denen wir uns immer wieder beken- tischen Abschre- und ist immer wieder kraftvoll, er zieht
einer rechtlichen Grauzone: behördlich »geduldet« – nen, nicht gerecht. Zu tragischen Folgen führt dies bei ckung und Krimi- sich durch die jüngere Geschichte der
aber ohne Aufenthaltsrecht; über 150.000 bereits Einzelnen wie bei ganzen Familien.
länger als fünf Jahre. Viele sind Kriegsflüchtlinge, nalisierung von Abschiebehaft seit 1993 in der BRD mit
■ In diesen Wochen verhandelt der Vermittlungs-
die kein Asyl erhielten, aber nicht abgeschoben wer-
ausschuss das Zuwanderungsgesetz. Auch das
Menschen ohne Hungerstreiks, Barrikaden, Dachbeset-
den konnten. Inzwischen haben sie sich in Deutsch-
land integriert. Für die hier aufgewachsenen Kinder
Zuwanderungsgesetz bietet bislang für die langjährig deutschen Pass. zungen und Revolten ... denn „wie soll
Geduldeten keine Lösung. Eine Bleiberechtsregelung
und Jugendlichen ist Deutschland ihr Zuhause. Doch
ist nicht vorgesehen. Es ist auch im Interesse der
Sie dient der kon- das ein Mensch akzeptieren?“
selbst nach jahrelangem Aufenthalt droht ihnen die
Abschiebung.
Bundesrepublik Deutschland, dass Menschen, die trollierten und rei- Und auch vor den Mauern der Ab-
sich integriert haben, ihr Leben in Deutschland weiter bungslosen Ab- schiebeknäste regt sich Widerstand.
■ Eine Abschiebung nach langjährigem Aufenthalt gestalten können.
ist eine unzumutbare Härte. Sie wird den humanitären schiebung von un- Widerstand gegen eben diese Knäste,
erwünschten Men- aber auch gegen den staatlichen und ge-
Unterschriften Wir appellieren an die Bundesregierung, die Bundesländer, schen. sellschaftlichen Rassismus, der dem Ein-
einsenden an: die Mitglieder des Vermittlungsausschusses und die Fraktionen: Die „Straftat“ zelnen das Treten nach unten erleichtert
Pro Asyl e.V. ● Verankern Sie eine Bleiberechtsregelung im Zuwanderungsgesetz!
eines Menschen, und die kapitalistische Ausbeutung effek-
PF 160624, ● Schaffen Sie erfüllbare Voraussetzungen für einen Übergang
60069 Frank- von der Duldung zum Aufenthaltsrecht.
der in Abschiebe- tiviert.
furt a.M. haft sitzt, ist es, „(...) jeder Mensch hat das Recht,
Wer lange hier lebt, muss bleiben dürfen! ohne das „richtige selbst zu entscheiden, wo und wie er le-
■ Initiiert von Dr. Christian Schwarz-Schilling, Bundesminister a.D. und
PRO ASYL, bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge
Papier“ in der ben will. Der Regulierung von Migration
BRD zu sein. Sei und der systematischen Verweigerung
Dr. Franz Alt · Dieter Baumann · Dr. Ulrich Beck · Dr. Elisabeth Beck-Gernsheim · Angelika Beer · Beginner · Biermösl Blosn · Mari-
anne Birthler · Bärbel Bohley · Dr. Norbert Blüm · Blumfeld · Funny van Dannen · Dr. Klaus von Dohnanyi · Dieter Dorn · Dr.
es, weil seine von Rechten steht unsere Forderung nach
Nadeem Elyas · Hans W. Geißendörfer · Dr. Heiner Geißler · Rodrigo González · Prof. Dr. Ulrich Gottstein · Günter Grass · Peter
Härtling · Hans Olaf Henkel · Dieter Hildebrand · Dr. Burkhard Hirsch · Prof. Dr. Hilmar Hoffmann · Bertram Huke · Prof. Dr. Walter
Gründe nicht an- Gleichheit in allen sozialen und politi-
und Inge Jens · Schorsch Kamerun/Die Goldenen Zitronen · Kid Alex · Hans Koschnick · Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erkannt werden, schen Belangen entgegen, nach der Res-
Editha Limbach · Wolfgang Lüder · Karl-Otto Meyer · Klaus Minkel · Christa Nickels · Prof. Dr. Dieter Oberndörfer · Prof. Dr. Peter
Opitz · Cem Özdemir · Edzard Reuter · Prof. Horst-Eberhard Richter · Charlotte Roche · Claudia Roth · Sam Ragga Band · Bosilkja
aus denen er vor pektierung der Menschenrechte jeder
Schedlich · Dr. Dagmar Scherf · Cornelia Schmalz-Jacobsen · Dr. Wolfgang Schmidbauer · Dr. Herbert Schnoor · Friedrich Schor-
lemmer · Sportfreunde Stiller · Christoph Strässer · Die Toten Hosen · Walter und Anna-Elisabeth Troeltsch · Farin Urlaub
Krieg, Bürger- Person, unabhängig von Herkunft und
Sebastian Weiss/Blumentopf · Wim Wenders · Dr. Waltraud Wirtgen · Harald Wisselinck · Dr. Monika Wulf-Mathies · Bernhard krieg oder Zerstö- Papieren.“
Wunderlich/Blumentopf … und viele weitere Unterzeichnende
rung seiner Le- Aus dem Aufruf
❏ Ich unterstütze diesen Aufruf mit meiner Unterschrift: ❏ Ich unterstütze diesen Aufruf mit meiner Unterschrift: bensgrundlagen „kein mensch ist illegal“
geflohen ist. Oder www.aktivgegenabschiebung.de ■

: antifaschistische nachrichten 25-2003 13


Biederfrau Pommerening betont nun bei je-
der Gelegenheit, die Inszenie-
rung sei doch eigentlich als Re-
und quiem auf das Sterben im Krie-
ge gedacht. Rehbergs Drama

Brandstifter biete hierfür im Gegensatz zu


den bis zum Überdruss gespiel-
ten etwa von Borchert oder
Erlangen. Seit Wochen tobt in Erlangen Brecht ganz neue Erfahrungs-
ein Theaterstreit. Ausgelöst hatte die hit- horizonte.
zige öffentliche Debatte die Grüne-Liste- Solche Erfahrungen passen
Fraktion im Stadtrat, die als einzige be- sicher nicht zufällig in aktuelle
merkt hatte, dass Theaterintendantin Sa- Geschichtsklitterungen. Zum
bina Dhein in den Spielplan 2003/2004 Hineinwachsen in „deutsche Proteste bei der Premiere von „Die Wölfe“
ein Kriegs- und Propagandastück aus der Normalität“ gehört nicht nur die
NS-Zeit hineingeschmuggelt hatte. Von Schlussstrichdebatte, sondern auch die Nachkriegsgeschichte mit der Nazizeit,
einem „zu Unrecht vergessenen Autor“ „Pflege eines positiven Nationalbewusst- dass sich dabei nur zu einem Bruchteil
Hans Rehberg ist die Rede im Pro- seins“. Fernsehdokumentationen über mit den deutschverantworteten Opfer be-
grammheft, dessen „ambivalente Hal- Vertreibungselend und deutsche Kriegs- fasst wird, der ‚Rest‘ aber mit den Tätern
tung“ zum NS-Regime es rechtfertige, gefangene, Günter Grass Roman über oder im Dienste der Täterschaft...Von
aus „dem widersprüchlichen Gehalt sei- die „Wilhelm Gustloff“ oder Friedrichs Ausnahmen abgesehen sind sie [die Tä-
nes komplexen Werkes“ das Stück „Die Buch über den Bombenkrieg der Alliier- ter] nicht nur straffrei davongekommen,
Wölfe“ zur Aufführung zu bringen. Die ten gegen die Zivilbevölkerung helfen sondern konnten ihre Karrieren auch un-
Grüne Liste hakte nach und förderte Er- mit, ein deutsches „Leidenssubjekt“ zu beschadet fortsetzen.“ (Giordano).
staunliches zu Tage. prägen, das besinnungslos über die Hans-Hermann Hann von der „Initiati-
Hans Rehberg, Jahrgang 1901, war seit Millionen anderen Opfer des deutschen ve“ warf dem Theater Erlangen und sei-
1930 Mitglied der NSDAP, Kulturwart Faschismus hinwegsieht. Mit welchem ner Indentantin die „Rehabilitierung ei-
unter Goebbels in Berlin, später Leiter Erfolg solche Manipulationen bereits in nes Nazischreiberlings“ vor. „Heute sol-
des Kulturamts der pommerschen „Kraft die Köpfe hineingetragen sind, zeigen len die unsäglichen Inhalte durch die
durch Freude“- Bezirksleitung und die Diskussionen in Erlangen. Ein nicht Hintertür der angeblichen kritischen
Kriegsberichterstatter bei Admiral Dö- geringer Teil der dortigen honorigen Auseinandersetzung mit Rehberg’s
nitz. Als Schwiegersohn des Dr. Erich Theatergemeinde kämpft unter dem Ban- ‚Wölfen’ rehabilitiert und wieder salon-
Lübbert, der in Werften und südafrikani- ner der freien Meinungsäußerung verbis- fähig gemacht werden.“ Hann stellt da-
schen Diamantenminen machte, hatte er sen um die Aufführung des Stücks „Die bei den Bezug her zur Geschichte und
beste Verbindungen in jenen Industriel- Wölfe“ – CDU-Hohmann und KSK-Ge- Gegenwart Erlangens: „Aber vergessen
lenkreis hinein, der im November 1932 neral Günzel lassen grüßen. Kritiker aus wir nicht: In unserer Stadt war der erste
in einem Geheimschreiben an Hinden- den Reihen der jüdischen Gemeinde rechtsextremistisch motivierte Mord in
burg die Ernennung Adolf Hitlers zum werden schon mal mit dem Satz abgefer- der Bundesrepublik Deutschland. Der jü-
Reichskanzler forderte. Auch das Drama tigt, man „dürfe nicht vor Juden einkni- dische Mitbürger Schlomo Levin und
„Die Wölfe“ ist keineswegs widersprüch- cken“, Mitglieder der Grünen Liste wer- seine Lebensgefährtin Frieda Poeschke
lich, vielmehr halten hier eine Handvoll den anonym am Telefon darauf hinge- wurden 1980 von einem Mitglied der
Offiziere noch 1944 die Blut-und-Boden- wiesen, man „habe sie beim Vergasen rechtsextremistischen Wehrsportgruppe
Ideologie hoch und kämpfen wild ent- vergessen“. Hoffmann kaltblütig ermordet...[Es]
schlossen „fürs Vaterland“. Gestorben Die Premiere wurde – trotz heftiger tummeln sich hier die intellektuellen
wird freilich hin und wieder auch in die- Widerstände – für den 16. November an- Scharfmacher der rechten Szene in ein-
ser ehrenwerten Gesellschaft der Ritter- gesetzt. Mit einer kurzfristig zusammen- zelnen Burschenschaften, bei deren
kreuzträger – die solcherart zur Witwe geschusterten „Begleitausstellung“, die nächtlichen Besäufnissen schon mal das
gewordene preußische Gutsbesitzerin selbst Dhein als „unvollendetes Produkt“ Horst Wessel Lied über die Straße ge-
presst schockiert ein „Oh!“ hervor, be- bezeichnet, wollen die Rehberg-Rehabi- brüllt wird. Und ausgerechnet hier in
sinnt sich aber dann rechtzeitig im dritten litierer die Legitimationskurve kriegen. dieser Stadt soll heute unter dem Banner
Akt wieder ihrer Pflichten. Doch der Erlanger Widerstand gegen die der „Freiheit der Kunst“ ein Nazi-Dich-
Als auf diese Informationen hin die er- „Rehabilitierung eines Nazischreiber- ter rehabilitiert werden?... Sehr geehrte
sten Proteste laut wurden, versuchte die lings“ ließ sich dadurch nicht bluffen. Frau Dhein, der Schoß ist fruchtbar noch
CSU, die Aufführung ins nahegelegene Über 100 ErlangerInnen folgten dem aus dem das kroch... Lassen Sie das
„Dokumentationszentrum Reichspartei- Aufruf der „Initiative gegen Nazipropa- Stück heute Abend nicht spielen.“
tagsgelände Nürnberg“ abzuschieben. ganda auf der Bühne“ zu einer Gegende- Die Premiere konnten die Demon-
Die dortige wissenschaftliche Leitung je- monstration. Der Protest – unter Beteili- stranten nicht verhindern. Dafür sorgte
doch winkte ab, mit diesem „braunen gung der Erlanger jüdischen Gemeinde – schon ein Aufgebot an Polizei und Be-
Schrott“ wolle man nichts zu tun haben war deutlich. „Schluss mit dem Nazi- reitschaftspolizei ( ausgerüstet mit
und rate dringend zur Absetzung des theater in Erlangen“, „Keine Bühne für Handschellen, Schusswaffen, Schlag-
Stücks. Der Kulturausschuss der Stadt Nazis“... Die Stadträtin der „Grünen Lis- stock, Videokamera), das die Demon-
Erlangen kam jedoch mit der Theaterlei- te“, Claudia Bittner, zitierte aus Protest- stranten weg vom Theatereingang hielt.
tung überein, die Aufführung durch ein briefen von Gerhard Zwerenz und Ralph Doch wurde erreicht, dass Geschichtsbe-
„Begleitprogramm“ in Form einer Aus- Giordano an die Theaterleitung. „Viel- wältigung im Gewande der „Spielbar-
stellung und einer Diskussion zu ent- leicht hoffen Sie..., das Seekriegs-Drama keit“ von Naziautoren, versteckt hinter
schärfen. Ohnehin, so die neue Sprachre- antinazistisch spielen zu können. Warum angeblicher „kritischer Auseinanderset-
gelung von Intendantin Dhein, sei kriti- dann Rehberg und nicht Goebbels, von zung“, verhindert wurde und eine große
sche Distanz ganz in ihrem Sinne, gerade dem es ja auch ein Bühnenwerk gibt.“ kritische Öffentlichkeit den Theaterskan-
deshalb wolle sie ganz bewusst „Gift- (Zwerenz). „Es ist charakteristisch für dal noch lange nicht als erledigt betrach-
schränkchen öffnen“. Regisseur Marc die Auseinandersetzung der deutschen tet. Isa Paape, Hans Hoyer ■

14 : antifaschistische nachrichten 25-2003


Schallende Ohrfeige für
die junge Bundesrepublik te er die Leitung des Verfassungsrefera-
tes des Bundesjustizministeriums über-
– „Das Personenlexikon zum Dritten Reich“ – nommen. Geiger stieg zum Senatspräsi-
denten am Bundesgerichtshof und paral-
Und wieder ist Ernst Klee ein pu- gingen nur wenige Jahre und Amend lel am Bundesverfassungsgericht auf,
blizistisches Meisterwerk gelun- durfte wieder angebliche oder tatsächli- war als solcher maßgeblich am so ge-
gen, das den Leser zugleich trau- che Verbrecher jagen: Beim Bundeskri- nannten Extremistenbeschluss des
rig und wütend stimmen kann. Der vor minalamt stieg er erneut zum Cheffahn- Bundesverfassungsgerichtes vom 22.
allem für seine Bücher über die Nazi- der – und zum Regierungskriminaldirek- Mai 1975 beteiligt und somit einer der
Medizin und Euthanasie bekannt gewor- tor – auf. juristischen Wegbereiter der Berufsver-
dene Träger des Geschwister-Scholl- Ernst Féaux de la Croix diente den bote-Praxis in der Bundesrepublik.
Preises hat sich nun an „Das Personenle- Nazis in der völkerrechtlichen Abteilung Der Genetiker Hans Nachtsheim,
xikon zum Dritten Reich“ heran gewagt. des Reichsjustizministeriums und war Mitherausgeber der „Zeitschrift für
Das rund 730-seitige Buch hat den dort sowohl für den Rechtsstatus von menschliche Vererbungs- und Konstitu-
Untertitel „Wer war was vor und nach Ausländern als auch für die Behandlung tionslehre“, hatte sich während der
1945“. „Fremdvölkischer“ zuständig. Unter an- Nazi-Zeit das Spezialgebiet „Erblichkeit
Jeder der rund 4.300 Einträge in dem derem verfasste er als Co-Autor eine der Epilepsie“ zugelegt. Ab 1941 führte
in dieser Art einmaligen Personenlexi- wichtige Denkschrift der „Akademie für er die Abteilung für Experimentelle Erb-
kon ist eine schallende Ohrfeige für die- Deutsches Recht“ des „Reichsrechtsfüh- pathologie am Kaiser-Wilhelm-Institut
jenigen, die nach dem Zusammenbruch rers“ und Ministers Hans Frank, in der für Anthropologie. Für Versuche in der
des Naziregimes in der jungen Bundes- auch ausschließlich deutschsprachigen Unterdruckkammer der Luftwaffe be-
republik Deutschland das Sagen hatten. „Fremdrassigen“ das „Deutschtum“ ab- nutzte Nachtsheim behinderte Kinder
Denn sie vermochten es – ob bewusst gesprochen wurde. Nach 1945 avancier- der Mordanstalt Brandenburg-Görden.
oder unbewusst – nicht, viele Nach- te er ausgerechnet zum obersten Bundes- Nach 1945 gelang dem braunen Wissen-
kriegs-Karrieren von überzeugten und beamten für die Wiedergutmachung von schaftler die Mitgliedschaft im Bundes-
aktiven Nazi-Anhängern oder willfähri- nationalsozialistischem Unrecht. gesundheitsrat und später im Wiedergut-
gen Bütteln der nationalsozialistischen Erwin Finkenzeller, 1923 Teilneh- machungsauschuss des Bundestages
Herrschaft zu verhindern. Klee berück- mer am Hitler-Putsch in München, blieb (sic) – eine Funktion, die den Träger
sichtigt in seiner Abhandlung die Berei- diesem braunen Gedankengut treu. Be- des Großen Bundesverdienstkreuzes
che Justiz, Kirchen, Wohlfahrtseinrich- reits 1926 der NSDAP beigetreten, über- nicht daran hinderte, weiterhin die
tungen, Kultur, Wirtschaft, Publizistik, nahm er die Werbeleitung in der Anzei- „Ausschaltung der Erbkranken aus der
Wissenschaft, Medizin, Polizei, Wehr- genabteilung des „Völkischen Beobach- Fortpflanzung“ per Gesetz zu fordern.
macht sowie tragende Personen aus Sa, ters“ und arbeitete später unter anderem Thomas Klaus ■
SS und NSDAP. als Geschäftsführer im Werberat der
Hier nur fünf von Tausenden Beispie- Deutschen Wirtschaft. Nach 1945 setzte Ernst Klee, Das Personenlexikon zum
len, die Ernst Klee akribisch und quel- er seine Karriere mit einer nicht minder Dritten Reich – Wer war was vor und
lensicher zusammengetragen hat. klangvollen Funktion fort, nämlich als nach 1945 –, S. Fischer Verlag GmbH,
Beispiel Kurt Amend: Der SS- Direktor in der Geschäftsführung der 2003, ISBN3-10-039309-0, 29,90 Euro
Sturmbannführer, ausgezeichnet mit „Frankfurter Allgemeine Zeitung“
dem Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit (FAZ).
Schwertern, leitete während der Nazi- SA-Rottenführer Willi Geiger, der
Zeit das gesamte Fahndungswesen des in seiner Dissertation aus dem Jahre
Reichskriminalpolizeiamtes – ein- 1941 das Berufsverbot für jüdische Jour-
schließlich der besetzten Gebiete. Zu- nalisten rechtfertigte, wirkte als Staats-
gleich fungierte er als Schriftleiter des anwalt beim Sondergericht Bamberg an
„Deutschen Kriminalpolizeiblatts“. Todesurteilen mit. Schon vier Jahre nach
Nach dem Ende des Nazi-Regimes ver- der Zerschlagung des Nazi-Regimes hat-

Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über:


GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73.
email: antifanachrichten@netcologne.de, Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.de
Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach
Redaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25,
20359 Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20. Für NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach,
GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart,
Tel. 0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln.
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro.
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. Sonderbestellungen sind
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt.
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein-
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. Informationen Nr. 58 sind erschienen!
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie Schwerpunkte: Widerstand von Sinti und
Buntenbach (Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsgemein-
schaften); Martin Dietzsch; Regina Girod (VVN - Bund der Antifaschisten); Dr. Christel Hartinger (Friedenszentrum e.V., Roma und widerständige Biografien. Das
Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke; Jochen Koeniger (Arbeitsgrup- Heft kostet 5,50 Euro und ist beim Stu-
pe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen (Mitglieder des Vorstandes der dienkreis Deutscher Widerstand, Ros-
Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschistische Nachrichten); Kreisvereini-
gung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo Lucifero (Landesleiter hbv in ver.di sertstr. 9, 60323 Frankfurt/Main zu be-
Thüringen); Kai Metzner (minuskel screen partner); Bernhard Strasdeit; Volkmar Wölk. ziehen.

: antifaschistische nachrichten 25-2003 15


: aus der faschistischen presse
viele nun einmal jüdischer Herkunft wa-
ren.“
In der Ausgabe 48 schließlich – Hoh-
mann ist inzwischen aus der CDU-Frak-
Die Junge Freiheit und habt, Hohmann wäre wahrscheinlich bei tion ausgeschlossen und das Ausschluss-
Hohmann ihnen gelandet. verfahren aus der CDU in Gang gesetzt –
In der Ausgabe 46 dokumentiert das befasst sich Dieter Stein mit dem Thema:
Junge Freiheit Nr. 46 bis 49/2003 Blatt die Rede vollständig und Doris „Die Union geht nicht gestärkt, sondern
Das Blatt wird vom Verfassungsschutz Neujahr entwickelt ein Argument, in erheblich geschwächt aus dieser Affäre
Nordrhein-Westfalen unter anderem dem sie die altbekannte Lüge vom jüdi- heraus. In einem Moment höchster Um-
wegen antisemitischer Berichterstattung schen Bolschewismus zwar nicht wieder- fragewerte, in dem die Wähler der
und Äußerungen beobachtet und führt holt, aber doch eindeutig umschreibt: Union, wenn jetzt Bundestagswahlen
zur Zeit zwei Gerichtsverfahren gegen „Wer den Skandal ausruft, statt sich wären, eine absolute Mehrheit bescheren
die Landesregierung NRW wegen dieser auf Fakten zu beziehen und zu argumen- würden, offenbart sie ihre geistige Füh-
Beobachtung. Man sollte annehmen, tieren, der hat etwas zu verbergen. Man rungslosigkeit und Kampagnenunfähig-
dass dies eine Redaktion zu vorsichtiger verschweigt vornehm, dass in Hohmanns keit. Die Union ging im Rahmen der
Berichterstattung über einen eklatanten Rede der Schatten des ungeklärten His- Hohmann-Kampagne erneut dem von
Fall von Antisemitismus bewöge. Das torikerstreits von 1986/87 sichtbar wird. der Linken erfolgreich am Leben gehal-
Gegenteil ist der Fall. In den Ausgaben Für den überproportionalen jüdischen tenen Mythos auf den Leim, CDU und
46 bis 48, aber auch noch in der Ausgabe Anteil unter den kommunistischen Revo- CSU grenzten sich nicht konsequent ge-
49 ist die Auseinandersetzung um Hoh- lutionären führt die Wissenschaft eine nug gegen ,rechts‘ ab.“ Und in einem
mann und Hohmann selbst das Schwer- Reihe überzeugender Gründe ... an. Der Interview erklärt Fritz Schenk, einer der
punkt-Thema. Bereits auf der Titelseite inkriminierte Umstand wird also histori- Initiatoren der Solidaritäts-Anzeige für
stellt die Redaktion Hohmann in eine siert, noch lieber aber tabuisiert. Denn er Hohmann: „Der Vorwurf des Antisemi-
Reihe mit dem ehemaligen Bundestags- evoziert die Frage nach einer Historisie- tismus wiegt aber politisch zu schwer
präsidenten Philipp Jenninger und dem rung des Nationalsozialismus als die und moralisch zu ungeheuerlich, als dass
Schriftsteller Martin Walser, beide an- überschießende Reaktion auf eine tief wir ihn mit dieser Entscheidung (dem
geblich wie Hohmann zu Unrecht wegen empfundene Bedrohung ... Diese Histo- Ausschluss aus der Fraktion, d. Red.) auf
ihrer Äußerungen des Antisemitismus risierung soll aus politischen und macht- uns sitzen lassen können. Laut Infratest-
verdächtigt. Auch in der nächsten Ausga- taktischen Gründen verhindert werden.“ dimap-Umfrage meinen 49 Prozent der
be stellt Peter Freitag den noch CDU- In der Ausgabe 47 nimmt Günter CDU-Mitglieder, dass man das, was Herr
Abgeordneten Hohmann in eine Reihe Zehm den amtlichen Volkstrauertag zum Hohmann gesagt hat, in unserem Land
mit Jenninger und Walser. Anlass, um über mangelnde „Erinne- sagen dürfen muss. Die Union kann sich
Christian Vollradt beschreibt in Aus- rungskultur“ zu klagen und zu behaup- also nicht damit abfinden, dass künftig
gabe 46 Hohmann als „Mentor“ des ten, an diesem Tag werde nur noch der die Hälfte ihrer Mitglieder im Verdacht
Blattes, der „ihre Kampagne für Presse- nichtdeutschen Opfer der vergangenen steht, latente Antisemiten zu sein.“
freiheit unterstützte. Ein Reserveoffizier, Weltkriege gedacht. Auch er findet dann In der Ausgabe 49 schließlich veröf-
der schon mal die Wiedereinführung von einen Weg, den jüdischen Bolsche- fentlicht das Blatt die Anzeige „Appell
Tapferkeitsauszeichnungen forderte. Ein wismus einzuführen: „Die , Affäre Hoh- an Angela Merkel und Edmund Stoiber –
gläubiger Katholik und dreifacher Fami- mann/Günzel‘ passt genau in diesen Kritische Solidarität mit Martin Hoh-
lienvater, der vor ,feiger‘ Toleranz Kontext, auch wenn an den inkriminier- mann“. Unterzeichnet haben den Appell
gegenüber der Homosexualität warnte. ten Stellen des Hohmannschen Referats bis dahin nicht 49% der CDU-Mitglie-
Einer, der Entschädigungszahlungen gar nicht an deutsche Opfer erinnert wur- der, sondern etwa 2000 Mitglieder von
auch für deutsche Zwangsarbeiter for- de, sondern an russische, ukrainische, CDU und CSU. Dieter Stein hofft darauf,
derte. Und schließlich ein ... direkt ge- weißrussische. Jene Millionen planvoll dass sich der Aufruf als Basis-Appell mit
wählter Patriot, der ... in seinem CDU- Erschossener und zu Tode Gehungerter Wirkung auf den CDU-Parteitag in Leip-
Kreisverband ein Liederbüchlein ver- kamen ins Bild, die von den Bolschewi- zig erweist. Bis jetzt deutet nichts darauf
breitete, in dem das Deutschlandlied in ken mitten im Frieden, ohne Kriegshand- hin, dass sich seine Hoffnung erfüllt.
drei Strophen abgedruckt worden war.“ lung, umgebracht wurden auf Komman- uld ■
Hätten die Republikaner mehr Erfolg ge- do eiskalter Politkommissare, von denen

BESTELLUNG: Hiermit bestelle ich … Stück pro Ausgabe (Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt)
O Halbjahres-Abo, 13 Hefte 22 Euro
Spendenkampagne
O Förder-Abo, 13 Hefte 27 Euro
Erscheinungsweise:
14-täglich
2000 Euro für die
O Jahres-Abo, 26 Hefte 44 Euro Antifaschistischen
O Förder-Abo, 26 Hefte 54 Euro
O Schüler-Abo, 26 Hefte 28 Euro
Nachrichten!
O Ich möchte Mitglied im Förderverein Antifaschistische Nachrichten werden. Der Verein unterstützt finanziell
und politisch die Herausgabe der Antifaschistischen Nachrichten (Mindestjahresbeitrag 30,- Euro).
Die ersten Spenden sind
Einzugsermächtigung: Hiermit ermächtige ich den GNN-Verlag widerruflich, den Rechnungsbetrag zu Lasten eingetroffen. Bisher sind es
meines Kontos abzubuchen. (ansonsten gegen Rechnung) 703,- Euro
(Stand 1. Dezember 2003)
Name: Adresse:
Vielen Dank!
Konto-Nr. / BLZ Genaue Bezeichnung des kontoführenden Kreditinstituts

Spendenkonto:
Unterschrift
GNN-Verlag, Postbank Köln,
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln, Tel. 0221 – 21 16 58, Fax 21 53 73, email: gnn-koeln@netcologne.de
BLZ 370 100 50,
Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kontonummer 10419507 Konto 10419507

16 : antifaschistische nachrichten 25-2003

Das könnte Ihnen auch gefallen