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Tatort Arbeitsmarkt

Bekämpft die Armen


statt die Armut!
Die Vorschläge der Hartz-Kommission
Ein Arbeits- und Diskussionspapier vom GegenInformationsBüro Berlin / Oktober´02

Bei dieser Umstrukturierung handelt es sich


um einen umfassenden Angriff gegen alle
(Lohn-)ArbeiterInnen, unabhängig davon,
ob sie zur Zeit in (Lohn-)Arbeit sind oder
nicht. Sie zielt auf den Austausch regulärer
(Lohn-)Arbeitsverhältnisse durch entgaran-
tierte (Lohn-)Arbeit und damit auf eine
umfassende Entwertung der (Lohn-)Arbeit
im doppelten Sinn: auf eine Senkung der
Löhne und den Abbau erkämpfter Rechte.

Vor allem Frauen werden die Verliererinnen


der Umstrukturierung sein!
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ein Zusammenschluß parteipolitisch
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Zur Broschüre...
Tatort Arbeitsmarkt
Bei dieser Broschüre handelt es sich um
eine Zusammenfassung und erste Aus-
wertung der 13 Module des Berichtes der
Hartz-Kommission zur Arbeitsmarkt-
reform, der am 18. August 2002 im
Französischen Dom in Berlin der rot-grü-
nen Regierung übergeben wurde und
seitdem die Gemüter bewegt.

Bei jeder Radio- und Zeitungsmeldung


kamen neue Aspekte oder auch für unse-
re Auswertung neue Gedanken hinzu. Da
aber die Zeit drängt, und wir sonst nicht
fertig werden, stellt diese Broschüre quasi
ein Zwischenergebnis unseres Diskus-
sionsprozesses dar. Sie ist als ein Arbeits-
und Diskussionspapier für die schon lau-
fende Debatte und Auswertung von
Unten gedacht. In der medial aufbereite-
ten Debatte vermissen wir einen zentralen
Download Punkt: die Information über die tatsäch- Aufbau der Broschüre
Diese Broschüre sowie der Antrag von lichen Inhalte, die strategische Ausrich- Wir haben uns an die Struktur des
SPD und Bündnis90/Die Grünen zur so- tung der 13 Module und ihre praktische Originalberichts gehalten. Das Hartz-
fortigen 1:1-Umsetzung der Vorschläge Bedeutung. Papier ist in 13 Module eingeteilt, die ihr
der Kommission mit dem Titel: „Neue Be- im Einzelnen nacheinander in der
schäftigung – schnelle Vermittlung – erst- Durch eine scheinbar kritische Medien- Broschüre beschrieben findet. Am Ende
klassiger Service – Reformvorschläge der debatte um die sog. Hartz-Reform wird jedes Moduls steht eine dazugehörige
Hartz-Kommission unverzüglich umsetzen“ die bereits jetzt schon laufende Umstruk- Einschätzung bzw. erste Thesen zur
können von unserer Internet-Seite her- turierung verschleiert und personifiziert. Diskussion.
untergeladen werden. Aussagen, wie Peter Hartz und/oder die
http://www.gegeninformationsbuero.de Kommission haben es mit den Vorschlä- Längere Zitate aus dem Bericht sind weit-
gen zur Arbeitmarktreform „nur gut ge- gehend kursiv gesetzt, einzelne Wörter
meint“ oder einiges sei ja „sinnvoll“, oder kurze Aussagen stehen meist in
anderes gehe jedoch „nicht weit genug“ Anführungszeichen.
oder sei gar abermals „reformbedürftig“,
haben keinen tatsächlichen Informations- Die Verwendung bestimmter Begriffe wird
gehalt. vorab „Begriffe und Definitionen“ be-
schrieben und begründet. Eine allgemei-
Kaum eine/r wird den langen Bericht ne Einschätzung zur Umstrukturierung
lesen. Liest mensch ihn aber doch, so des Arbeitsmarktes findet ihr im Abschnitt
wird vieles bekannt vorkommen, denn wir „Die Vorschläge der ‘Hartz-Kommis-
stecken mittendrin: In der Umstruktu- sion’“. Unter „Leitidee und strategische
rierung des Arbeitsmarktes genauso wie Ausrichtung“ haben wir die ideologi-
in der Veränderung der Bedingungen auf schen und strategischen Kernaussagen
dem Arbeits- oder Sozialamt. Der Um- der Kommission zusammengefasst und
strukturierungsprozess ist bereits voll im einer ersten kritischen Betrachtung unter-
Gange! zogen.

Wir hoffen, dass wir mit dieser Broschüre Viel Spaß beim Lesen und Diskutieren.
einen Teil zur gemeinsamen Debatte und Über Rückmeldungen, kritische Anmer-
Organisation von Unten beitragen kön- kungen und eine lebendige Debatte wür-
nen, um die von der Kommission gefor- den wir uns freuen.
derte „proaktive“ Berichterstattung per Bis dann ...
GegenInformation aktiv zu durchkreuzen.
Begriffe
und Definitionen

Zunächst zum Begriff der sog. „Arbeits- wären, aber (unglaublich hin oder her) Büroetagen und Schwitzbuden denen
marktreform“. Der lexikalische Begriff allein die Tatsache ihrer Existenz hebt gehören, die darin arbeiten.
„Reform“ beinhaltet neben der allgemei- noch lange nicht die patriarchale Struktur
nen Bedeutung der Umgestaltung und und patriarchale Ausrichtung der (Lohn-) Entgarantiere Arbeit:
Neuordnung auch die „Verbesserung des Arbeitsverhältnisse aus den Angeln. Entwertete und entrechtete, d.h. sozial
Bestehenden“. Da es sich aber bei der und rechtlich ungeschützte (Lohn-)
sog. „Hartz-Reform“ um keine Verbesse- Das Zusammenspiel von Arbeitsverhältnisse, -bedingungen und
rung sondern eine Verschlechterung bzw. Patriarchat und Lohnarbeit: Löhne: Arbeit auf Abruf, zu einem
Zuspitzung der jetzigen Situation auf dem Entsprechend der patriarchalen Aus- Minilohn, von der „Hand in den Mund“.
Arbeitsmarkt handelt, ziehen wir es vor, richtung der Gesellschaft gelten Frauen, Von entgarantierter Arbeit im
diese Irreführung nicht zu teilen. denen die Rolle als „Hausfrau und Niedriglohnsektor sind vor allem Frauen
Mutter“ zugedacht ist, im Bereich der und MigrantInnen betroffen.
In der Tat handelt es sich bei der sog. Lohnarbeit als „Zuverdienerinnen“. Der
„Hartz-Reform“ um eine Umgestaltung Mann dagegen gilt als „Familiener- Die „Erwerbsfähigkeit“
und Neuordnung. Sie beinhaltet zum nährer“. D.h. Haus- und Familienarbeit bzw. „Erwerbsunfähigkeit“
einen die Weiterführung der internen ist unbezahlte (Reproduktions-)Arbeit, Bei der Neuregelung der Leistungen (M6)
Umgestaltung der alten Arbeitsamts- und auch der Lohn der „dazuverdienen- geht es um die neue Maßgabe der
struktur und darüberhinaus eine Neuord- den“ Frauen ist nach wie vor geringer als „Erwerbsfähigkeit“ bzw. „Erwerbsunfähig-
nung des Arbeitsmarktes im Sinne einer der Lohn des „Familienernährers“. keit“. Da es sich aber im Kern um die
Umstrukturierung der Lebens- und (Lohn)- Frauen unterliegen durch die patriarcha- Verwertbarkeit der Menschen in punkto
Arbeitsverhältnisse, die im wesentlichen le Rollenzuschreibung der Doppel- und Arbeitskraft handelt, wählten wir die
die Entwertung der Arbeit beinhaltet. Und Dreifachbelastung durch Haus-, Fami- Begriffe „Arbeitsfähigkeit“ bzw. „Arbeits-
das im doppelten Sinne bezüglich der lien- und Lohnarbeit und haben schlech- unfähigkeit“, obwohl „verwertbar“ bzw.
Löhne und der Rechte der (Lohn-) tere Ausgangsbedingungen auf dem „nicht verwertbar“ treffender ist. Aber im
ArbeiterInnen. Wir haben uns deshalb für Lohnarbeitsmarkt. Text schien uns das zu verwirrend und
den treffenderen Begriff der „Umstruk- kaum lesbar. Nach welchen Kriterien die
turierung“ entschieden. Wir wählten den Begriff „(Lohn-)Arbeit“, Einstufung erfolgen soll, wird im Bericht
um Arbeit nicht auf die Lohnarbeits- der Kommission nicht benannt.
(Lohn-)ArbeiterInnen: verhältnisse zu reduzieren, denn er bein-
Hier sind wir schon bei der nächsten haltet nicht den Bereich der unbezahlten Zurück zum „Sozialstaat“?
Begriffsverwirrung: Die „Arbeitnehmer- Reproduktionsarbeit, den wir damit Wenn in der Folge die Zerschlagung des
Innen“ sind in Wirklichkeit die, die Ihre zumindest begrifflich sichtbar machen „Sozialstaates“ benannt wird, dann reden
Arbeit(skraft) geben. Nun denn, wir wollen. wir nicht vom Traum eines besseren Kapi-
haben uns für den fast klassischen Begriff talismus! Wir reden von der systemati-
der ArbeiterIn entschieden, mit einer klei- Reproduktionsarbeit: schen Demontage aller in den letzten
nen Änderung zur bzw. zum (Lohn-) Nichtentlohnte Arbeit zur Wiederher- 100 Jahren von sozialen Kämpfen und/
ArbeiterInnen. Zu (Lohn-)ArbeiterInnen stellung (Reproduktion) der Lohnarbei- oder von (Lohn-)ArbeiterInnen erkämpf-
gehören für uns neben den Angestellten tenden bzw. ihrer Arbeitskraft. Zumeist ten Rechte und sozialen Absicherungen.
auch temporäre ArbeiterInnen in befriste- von Frauen geleistete Arbeit. Entspre-
ter, Zeit- oder Leiharbeit ebenso wie die chend der patriarchalen Rollenzuweisung Uns geht es dabei um den permanenten
„freien MitarbeiterInnen“ und die sog. als „Hausfrau und Mutter“ beinhaltet das Kampf, das tagtägliche Ringen gegen
SchwarzarbeiterInnen. Haus- und Familienarbeit. Ausbeutung und Unterdrückung, gegen
Rassismus und Sexismus. Um eine
Warum wir „(Lohn-)“ in die Klammer Reguläre (Lohn-)Arbeitsverhältnisse: Veränderung der Verhältnisse, die wir nur
gestellt haben, ergibt sich aus dem näch- Existenzsichernde, sozial und rechtlich dann zu unseren Gunsten verändern kön-
sten Punkt, dem „Zusammenspiel von geschützte Arbeitsverhältnisse und -be- nen, wenn wir uns weiterhin für men-
Patriarchat und Lohnarbeit“. dingungen, sowie Löhne. Verhältnisse, schenwürdige Lebens- und Arbeitsbe-
die allerdings erst durch permanente dingungen einsetzen.
An einigen Stellen benutzen wir den Arbeits- und soziale Kämpfe erreicht wur-
Begriff „Unternehmen“ bzw. „Unter- den und nur so haltbar sind. Wir denken,
nehmer“. Hier verzichten wir auf das daß (Lohn-)Arbeit sich weltweit über die
große „Innen“. Da Frauen als Unterneh- bloße Sicherung der Existenz hinaus loh-
merinnen, so heißt es, unglaublich viele nen muß! ... und wir träumen nach wie
vor davon, daß irgendwann die Fabriken,
Inhalt
Zur Broschüre
Begriffe und Definitionen
Der Weg durch die neue Mühle

Vorab
Die Vorschläge der „Hartz-Kommission“ 5-7

Leitidee und strategische Ausrichtung 8-9

Die einzelnen Module

M 1. Service für Kunden: Das JobCenter 10 - 11


M 2. Familienfreundliche Vermittlung und die 12 - 13
Erhöhung der Vermittlungsgeschwindigkeit
„Die Quick-Vermittlung“
M 3. Die neue Zumutbarkeit 14 - 14
M 4. Jugendliche Arbeitslose / AusbildungsZeit-Wertpapier 16 - 18
M 5. Menschen ab 55 Jahre / „Bridge-System“ und „Lohnzuschuß“ 18 - 19
M 6. Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe 20 - 22
Weiterbildung, Krankengeld, Kindergeld
und das Aktionsbudget
M 7. Kein Nachschub für Nürnberg 23 - 24
M 8. Aufbau von PersonalServiceAgenturen (PSA) 24 - 26
M 9. Die „Ich-AG“, „Familien-AG“ und der „Mini-Job“ 27 - 28
M 10. Personal, Organisation und Steuerung 29 - 30
M 11. Das KompetenzCenter 30 - 32
M 12. Finanzierung des Umbaus / Der „Job-Floater“ 32 - 34
M 13. Die „Profis der Nation“ 34 - 35

Was ist zu tun? 36


! Der Weg durch die neue Mühle*

Arbeitslose bzw. Versicherte,


Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe-
und SozialhilfeempfängerInnen *(1)

KompetenzCenter
Beratung, Deckung des
Job Center
Arbeitskräftebedarf

Clearingstelle: + ärtzlicher Dienst


Unternehmen „Kundensteuerung“
Arbeitgeber Eingangsprofiling

Sozialamt

BewerberInnen „arbeitsfähig“ „arbeitsunfähig“ Sozialgeld


Datenbank

„Beratungskunde“ „Betreuungskunde“ „Informationskunde“


Leiharbeit „Ich-AG“
VermittlerIn FallmangerIn

Tiefenprofiling
PersonalServiceAgentur
Eingliederungsvereinbarung
„Mitwirkungspflicht“!
Neue Zumutbarkeit: materiell,
Trainigs- und geographisch, funktional, sozial.
Coachingmaßnahmen
Vermittlungsagenturen
und Jobbörse LeistungsberaterIn zentrale Archivstelle:
Signaturkarte
Stellenvermittlung nach
Arbeitsbescheinigung
„Job-Familien-Konzept“ Arbeitslosengeld I (ALGI) TrustCenter
6 Monate Pauschal über: private Dienstleister
6 Monate aus den
gezahlten Beiträgen.
*ausgenommen: „Bride-System“
Anspruchssenkung möglich!
Sozialamt Gesamtsumme des ALGI
Jugendamt auf 5 Jahre ausbezahlt
Drogen- und Suchtberatung
Schuldnerberatung Arbeitslosengeld II (ALGII)
Wohnungsamt Absufugen möglich:
über Fallmanager - 10%, -20%, -30%.
Reha-BeraterInnen Minimalsatz, z.B. entsprechend
Psychologischer Dienst der Höhe des Sozialgeldes unklar?
über Fallmanager Anspruchsaufhebung möglich!
oder Clearingstelle
Familienkasse (Kindergeld) (1)*alle ehemaligen Arbeitslosenhilfe und
SozialhilfeempfängerInnen die „arbeitsfähig“
sind werden hier eingestuft!
...und die Schnittstellen:
Weiterbildungsträger
Regionalverbund Ausbildung
Vertreter der Wohlfahrtsver- Anspruchsaufhebung möglich! Nichts!
bände und Kirchen
Arbeitgebervertreter/Unter-
nehmen
Vorab
Die Vorschläge der „Hartz-Kommission“

Eine 15-köpfige Kommission, beste-


hend aus VertreterInnen der Parteien,
Wirtschaft und Gewerkschaft, erar-
beitete im Auftrag der Bundesregie-
rung einen Bericht mit dem Titel
„Moderne Dienstleistungen am Ar-
beitsmarkt“. Nach einem laut Kom-
mission „aufreibenden Nebenjob“
wurde der Bericht August 2002 ein-
stimmig abgeschlossen und im fran-
zösischen Dom in Berlin dann am
18. August 2002 an die rot-grüne
Regierung übergeben. Die Kommission entwickelt in ihrem 343- Die Neugestaltung und Neuordnung per
seitigen Bericht - entsprechend der aktu- „Hartz-Reform“ richtet sich nicht allein
Bei dieser Umstrukturierung handelt ellen Arbeitsmarkt-Entwicklung - ein um- gegen die aktuell Arbeitslosen. Die
es sich um einen umfassenden An- fangreiches Regelwerk, um die Arbeits- Umstrukturierung der Arbeits- und d.h.
griff gegen alle (Lohn-)ArbeiterInnen, losen getreu dem Motto: „Bekämpft die auch der Lebensbedingungen betrifft
unabhängig davon, ob sie zur Zeit in Armen statt die Armut!“ aus den Bezügen (Lohn-)ArbeiterInnen ebenso. Sie wirkt
Arbeit sind oder nicht. Sie zielt auf rauszukicken und den Staatshaushalt in wie ein Schub in die eh schon prekäre
eine Entwertung von Arbeit im dop- punkto „soziale Verantwortung“ weiter zu Situation der stattfindenden Lohnrunter-
pelten Sinn: auf eine Senkung der senken. Einsparungen, die im Haushalt stufungen und Verschlechterungen auf
Löhne und den Abbau erkämpfter 2003 des Bundesministeriums für Arbeit dem Arbeitsmarkt!
Rechte. bereits vorweggenommen werden: Aus-
gabenkürzung um 4,3 Mrd. Euro, Weg- So gibt es z.B. bereits unzählige Billig-
Vor allem Frauen werden die Verlie- fall des Zuschusses für Arbeitsförderung,

[7]
Jobs mit einem Hungerlohn von 3 Euro
rerinnen dieser Umstrukturierung Abbau des Zuschusses zur Arbeitslosen- die Stunde im Dienstleistungsbereich. Im
sein! hilfe. vergangenen Jahr sind mehr als 350 sog.

Die Vorschläge der „Hartz-Kommission“


Tarif(!)verträge abgeschlossen worden,
Die Bedingungen für den Bezug von Leis- die einen Hungerlohn von 5,50 Euro die
tungen werden so hochgeschraubt, dass Stunde zulassen. Ebenso ist es auch jetzt
sie von vielen nicht mehr erfüllt werden schon aktuell, daß reguläre (Lohn-)
können. 2 Mill. weniger Arbeitslose (laut ArbeiterInnen mit Unterstützung der
Kommission) heißt nicht, daß 2 Mill. Ar- Gewerkschaft ver.di durch Leiharbeiter-
beitsplätze entstehen, sondern die Statis- Innen ersetzt werden, wie z.B. der aktuelle
tiken bereinigt werden und Arbeitslose Streit des gekündigten Vorsitzenden des
entweder aus den Bezügen rausfliegen Betriebsrates Fontana mit der Nürnberger
oder in sog. Übergangsmärkte und Zeit- DVN (Druckverarbeitung) zeigt. Während
bzw. Leiharbeit vor allem im Niedriglohn- auf der einen Seite zahlreichen Mitar-
Sektor gepresst werden. beiterInnen „Auflösungsverträge“ unter-
breitet wurden, sieht mensch bei der DVN
Der Bericht der Kommission enthält nicht täglich neue Zeit/LeiharbeiterInnen, wie
einen einzigen Ansatz zur Schaffung ein (Lohn-)Arbeiter der Großdruckerei
neuer Arbeitsplätze. Arbeit wird nur berichtet. Aus Solidarität zogen Kolleg-
mittels „moderner“ (Lohn-)Arbeitsverhält- Innen vor die Tore eines Großkunden der
nisse entwertet und zugunsten der Un- DVN und wollten ihre Aktion nicht zuletzt
ternehmen umstrukturiert. In diesem als Protest gegen die Pläne der „Hartz-
Sinne bedeutet die „arbeitsmarktpoli- Kommission“, Leiharbeit salonfähig zu
tische Maßnahme“ eine Umstrukturie- machen, verstanden wissen.
rung der bestehenden (Lohn-)Arbeitsver-
hältnisse und die Fortführung der Infos dazu und mehr im Internet unter:
Zerschlagung der alten, einst erkämpften http://www.labournet.de
Sozialstruktur, wie es bereits seit 12
Jahren im Gange ist.
„Die größte Arbeitsmarktreform der Nachkriegsgeschichte ist eingeleitet“
(aus dem Antrag von SPD/Grüne)

Auch im Bildungsbereich ist das neue Konkret geschieht dies durch: Die Deregulierung des Arbeitsmarktes
„AusbildungsZeit-Wertpapier“ lediglich die Ausweitung prekärer Niedriglohn- wird begleitet von einer sog. „aktivieren-
der berühmte Tropfen, der das Fass zum und Dienstbotenbeschäftigung, den“ Politik gegen(über) Arbeitslose(n):
Überlaufen bringen könnte. Wie schon die Leiharbeit über die PersonalService zunehmender Druck zur Annahme von
die PISA-Studie stellt eine vor der Wahl Agenturen (PSA) unterhalb der regulä- entgarantierten Scheiß-Jobs durch die
zurückgehaltene Untersuchung über die ren betrieblichen Arbeitsentgelte „Neue Zumutbarkeit“, Sanktionen und
Situation an den Hochschulen: der „Euro die Anhebung der 325-Euro-Grenze Verschärfung der „Mitwirkungspflicht“.
Student Report“ dem deutschen Bildungs- für Mini-Jobs in Privathaushalten auf Wesentliche Instrumente hierzu sind
system (im Europäischen Vergleich) ein 500 Euro, neben dem Mobilitätszwang die
denkbar schlechtes Zeugnis aus und die Förderung neuer Scheinselbstän- Umkehrung der Nachweis- bzw.
kommt zu dem Schluss: Eine gute Aus- digkeit als „Ich-AG“ und „Familien-AG“, Beweispflicht bezüglich der (Un-)Zumut-
bildung hängt hierzulande maßgeblich die Deregulierung der Leiharbeit (Auf- barkeit eines Job- oder Stellenangebotes,
vom elterlichen Geldbeutel ab. (vgl. hebung der verbliebenen Beschränkun- sowie eine 6-monatige PSA-Leiharbeit
junge welt 23.09.02) gen des Arbeitnehmerüberlassungsge- zum Nulltarif (nur Arbeitslosengeld) und
setzes AÜG),
[8]

die Senkung des Niveaus der Lohnersatz-


Die konsequente Umsetzung der Kom- die Aufhebung des Kündigungs- leistungen insgesamt.
missions-Vorschläge beschleunigt den schutzes,
Die Vorschläge der „Hartz-Kommission“

aktuellen Trend auf dem Bildungs- und die private Ausbildungsfinanzierung Durch das Aushebeln der sozialen Ab-
Arbeitsmarkt: zunehmende Deregu- per Lehrgeld aus den Taschen von sicherung wird der Zwang, sich billig auf
lierung und Flexibilisierung, Ausweitung Oma und Opa dem Arbeitsmarkt zu verkaufen, erhöht.
der Leiharbeit, Ausbau des Niedrig- und nicht zuletzt die Umwandlung der Nach dem Motto: „Überwachen und
Lohnsektors, Privatisierung sozialer Risi- Arbeitsförderung zur Wirtschaftsförde- Strafen“ wird massiver Druck auf die
ken und den weitgehenden Abbau von rung. Arbeitslosen ausgeübt, um diese in die
Rechten. Das alles in Verbindung mit entgarantierte (Leih-)Arbeit zu pressen. So
einer zunehmender Privatisierung der Unverkennbar ist auch eine im Grundsatz wird das „Heer von Arbeitlosen“ vor
(Bildungs-) Kosten und staatlich unter- patriarchale Ausrichtung, die Männer als allem dafür benutzt, die regulären (Lohn-)
stützter Lohndrückerei. „Familien-Ernährer“ bei der Stellenver- Arbeitsverhältnisse zu verdrängen, das
gabe bevorzugt und Frauen als „Zuver- Lohnniveau im Sinne einer europäischen
Neben der, unsere Diskussionen immer dienerinnen“ quer durch die 13 Module Anpassung, insgesamt zu senken. Die
wieder begleitenden Feststellung: „Das ist planmäßig in ihre zugewiesene Rolle als Ware Arbeit wird billiger, die Lohntüten
jetzt schon so!“ stellt es allerdings eine „Hausfrau und Mutter“, als Reprodu- werden kleiner und kleiner und die Profite
neue Qualität dar, weil ein Instrumen- ziererinnen der männlichen Arbeitskraft steigen.
tarium geschaffen wird, um diese prekäre (ver-)drängt. Die Vorschläge laufen auf So ist im Sinne der „Global Players“ und
Situation zum Standard zu machen. eine Verschärfung und Zementierung der Wettbewerbsgestaltung der „Standort
von patriarchalen Strukturen der (Lohn-) Deutschland/Europa“ konkurrenzfähig
Der Abbau von Rechten ist sehr umfang- Arbeits- und Reproduktionsverhältnisse und „fit für den Weltmarkt“. Es handelt
reich. Er geht von der sozialen und recht- hinaus. Aufgrund der patriarchalen Aus- sich um eine weitere Umverteilung von
lichen Absicherung der (Lohn-) Arbeit richtung der (Lohn-)Arbeitsverhältnisse, in Unten nach Oben zugunsten der Wirt-
incl. des Tarifrechts, des Kündigungs- denen die Frau als „Zuverdienerin“ gilt, schaftsunternehmen in Krisen- und
schutzes und der Mitbestimmung über bedeutet dies, Frauen bei der Arbeits- Kriegszeiten!
den Abbau allgemeiner Rechte, wie z.B. vergabe durch die neuen JobCenter in Unberücksichtigt bleibt, dass der reale
der freien Berufswahl, bis zur Verschlech- den Niedriglohnsektor abzuschieben, da Lohnverlust auf breiter Ebene auch Kauf-
terung der rechtlichen und sozialen der Mann gemäß dieses konservativen kraftverlust bedeutet, also eine Ver-
Situation von Arbeitslosen und Sozial- „Ernährermodells“ ja genug verdiene. stärkung der Rezession nach sich zieht.
hilfeempfängerInnen.
Die Umstrukturierung
ist schon im vollem
Gange
Der „Reformvorschlag“ beinhaltet die Übergänge durch Privatisierung, „Vermitt- Bündnis90/Die Grünen am 10.10.02
Umgestaltung der Arbeitsförderung zur lungsgutscheine“, „Training für Job“, einen Antrag zur unverzüglichen 1:1-Um-
Arbeitgeber- bzw. Wirtschaftsförderung „Job-Aktiv-Gesetz“, „Mainzer Modell“ setzung der Vorschläge der Kommission
(vom Sozialstaat zum Wettbewerbsstaat!) usw. werden entsprechend der aktuellen „im Ganzen“ einreichen.
und hat die Anpassung an kapitalistische Entwicklung fortgeführt.
Verwertungsbedingungen im Visier. Die Bis Frühjahr 2003(!) sollen die entspre-
Mobilisierung des „Erwerbspersonen- So greift das Arbeitsamt der Zukunft chenden ersten Schritte und weitere
potentials“ (das sind laut Kommission verstärkt im Sinne der Anpassung der Gesetzesänderungen verabschiedet sein.
„Erwerbstätige, registrierte Arbeitlose und Menschen in den aktuellen Arbeitsmarkt Viele der Eckpunkte werden in einem
Stille Reserve“) nach dem „Bedarfs- ein. D.h. auch: der bisher noch weit schleichenden Prozess schlicht als Ver-
prinzip“, d.h. zu den Bedingungen des verbreitete Widerstand gegen die vom waltungsvorschriften erlassen und im
krisengeschüttelten Marktes, zielt genau Markt geforderte Logik, sich immer Vorfeld kaum wahrgenommen. Beim
in diese Richtung. billiger auf dem Arbeitsmarkt zu verkau- nächsten Besuch im künftigen JobCenter
fen, soll gebrochen werden. Die bisher werden sie dann den arbeitslosen Men-
Auf dem Hintergrund der beabsichtigten noch bestehenden minimalen Möglich- schen präsentiert.
EU-Osterweiterung bezieht sich die Ost- keiten (trotz massiver existentieller Sperr-
Ausrichtung der Wirtschaftsförderung zeiten- oder sonstigen Androhungen von Trotz einzelner Differenzen in der Umset-

[9]
nicht allein – wenn überhaupt – auf die nervigen SachbearbeiterInnen) werden zung und wahlkampftaktischer Debatten
sog. neuen Bundesländer. Sie zielt vor durch ein perfides Regelwerk der neuen wird das Reformpaket in seiner strategi-

Die Vorschläge der „Hartz-Kommission“


allem auf den Standort Deutschland zur Zumutbarkeiten und Sanktionen zu schen Ausrichtung quer durch die Par-
Eroberung der ostmittel- und osteuropäi- Ungunsten der heutigen und künftigen teien getragen. Die Umsetzung wird in
schen Märkte! Arbeitslosen massiv eingeschränkt. Eben- einem rasanten Tempo forciert. In Berlin
so werden die bisherige Tarifstruktur und und Duisburg werden bereits Pilotpro-
Es geht in einem Land, das sich seit weitere arbeitsrechtliche Grundlagen ein- jekte umgesetzt und PersonalService
10 Jahren gen Osten im Krieg befindet(!) schneidend zugunsten einer Ausdehnung Agenturen eingerichtet.
– vom Zusammenbruch des Ostblocks, der entgarantierten Arbeit unterlaufen.
über Bosnien und den Kosovo bis nach Das sind wesentliche strategische Ziele So hat das Arbeitsamt Berlin-Mitte z.B.
Afghanistan, sowie dem sich zuspitzen- bei der Entwicklung von der „Arbeits- mit einer Tochterfirma, der Berlinwasser
den Krieg gegen die arabischen Staaten förderung“ hin zur „Arbeitsmarktpoli- Holding, einen Kooperationsvertrag ab-
und der mit dem (permanenten) Krieg tischen Maßnahme“. geschlossen. Danach übernimmt die
zunehmenden innerimperialistischen Kon- im Mai 2000 gegründete Leihfirma
kurrenz zur USA – um die inneren Ver- Die grundlegende Tendenz der Um- perdie.net arbeitslose Jugendliche nach
änderungen in Verbindung mit einer ver- strukturierung hat mit dem „Job-Aktiv- deren Ausbildung bei den Berliner
änderten Außenpolitik. Gesetz“, der Umgestaltung bzw. Privati- Wasserbetrieben.
sierung von Teilbereichen des Arbeits-
Den Zusammenhang zwischen Krieg amtes usw. schon begonnen. Folgerichtig Bis Mitte nächsten Jahres (2003) sollen
nach Außen und Krieg nach Innen sollten wurden die Vorschläge der Kommission alle 181 Arbeitsämter/JobCenter eine
wir in diesem Zusammenhang nicht ver- im August 2002 im Grundsatz bereits integrierte PersonalServiceAgentur (PSA)
nachlässigen und einer eigenen genauen vom Bundeskabinett als Eckpunktepapier haben oder zumindest mit einer zusam-
Untersuchung unterziehen. angenommen. menarbeiten.

Der Bericht beinhaltet dementsprechend Auf der Basis der am 21.08.02 vom Parallel dazu läuft in Brüssel ein An-
eine Anpassungsreform des Staates bzw. Bundeskabinett beschlossenen Eckpunkte hörungsverfahren über eine EU-Richt-
die Umgestaltung seiner Institutionen an für eine „Neue Ordnung auf dem linie, mit der die Entlohnung von Leih-
die Bedingungen der grenzenlosen Aus- Arbeitsmarkt“ bereitet die Bundes- arbeiterInnen geregelt werden soll .
beutung. Die alte Struktur wird dabei zer- regierung die erforderlichen gesetzgebe-
schlagen. Die schon geschaffenen ver- rischen Maßnahmen vor. Darüberhinaus Stand: Ende September 2002
waltungstechnischen und instrumentellen werden die Fraktionen von SPD und
Ideologie
Leitidee

Nach dem Motto „Freiwilligkeit und Sanktions-Katalog (Mitwirkungspflicht Bewerbungstraining) als auch den Leis-
Pflicht“ ist in Zukunft jede/r generell und neue Sperr-Regelungen), mit dem tungsbezug. Die strategische Ausrichtung
freiwillig auf dem Arbeitsamt. Um der Leistungsbezug bei „Fehlverhalten“ der Umgestaltung zielt laut Kommission
individuelle Lebenssituationen besser stufenweise gesenkt oder aufgehoben auf einen möglichst „geringen Mittelein-
berücksichtigen zu können, wird werden kann. Durch die Verknüpfung mit satz um Arbeitslosigkeit zu vermeiden
Arbeitslosen die Möglichkeit eröffnet, einer drohenden Sperrzeit bzw. der oder rasch zu beenden“, auf eine „Redu-
sich aus persönlichen Gründen aus Kürzung oder Wegfalls des Arbeits- zierung der ,Schadensfälle' und der
dem JobCenter abzumelden. Sie ver- losengeldes I/II (ALGI/II) soll die Dauer der Inanspruchnahme von Ver-
zichten damit auf Vermittlungsbemü- „Ernsthaftigkeit der eigenständigen Inte- sicherungsleistungen“.
hungen des JobCenters und zugleich grationsbemühung“ verstärkt und sank-
auf Leistungen der Arbeitslosenver- tioniert werden. Neben der neuen Bundesanstalt für
sicherung, heißt es im Bericht. Wer Arbeit stehen in Zukunft ebenso private
hat ihn noch nicht gehört, den be- Da aber keine einzige in dem Papier der Versicherungen. Die Bundesanstalt für
rühmten Satz: „dann können Sie sich Hartz-Kommission vorgeschlagene Maß- Arbeit ist durch die (Übergangs-)Reform
ja abmelden“, oder Mensch tut eben nahme geeignet ist, auch nur einen als öffentlich-rechtliche Versicherung
seine Pflicht! zusätzlichen Arbeitsplatz zu schaffen, lediglich der „erste Dienstleister des
kann zurecht der Schluß gezogen wer- Arbeitsmarktes im Wettbewerb zu ande-
den, daß es sich bei den neuen Kriterien ren, privaten Dienstleistern.“ Nach die-
Das Motto „Eigenaktivität auslösen“ an die Mitwirkungspflicht der Arbeitslosen sem Prinzip kann jede/r künftig, je nach
als Leitidee knüpft nahtlos an jene lediglich um lohn- und anspruchssenken- Geldbeutel, zwischen öffentlich-recht-
absurde Behauptung an, dass angeblich de Maßnahmen handelt. licher (BA-Neu) oder privater Versiche-
mangelnde Eigenaktivitäten und man- rung wählen.
gelnde Flexibilität von Arbeitslosen bei Die MitarbeiterInnen des neuen JobCen-
der Stellensuche als maßgebliche Ur- ters sollen verstärkt angewiesen werden,
sache der sog. Beschäftigungskrise anzu- sich auf kein „Spiel mit dem Kunden“ ein- Grundlage dieser neuen „Beschäfti-
zulassen und die Maßnahmen in „Ver- gungsversicherung“, die auch an an-
[10]

sehen seien („Faulenzer-Debatte“). Die


Bekämpfung der Armen an Stelle der bindung mit Freiwilligkeit und Pflicht“ derer Stelle als „Arbeits-Lebensversiche-
Bekämpfung der Armut wird fortgesetzt konsequent umzusetzen. rung“ bezeichnet wird, könnten langfris-
und weiterentwickelt. tig „verzinsliche und kreditfähige Arbeits-
Leitidee und strategische Ausrichtung

Die Leitidee „Fördern und Fordern“ ist zeit-, Mobilitäts- und Bildungskonten
Begleitet wird dies zum einen durch einen auf ein Versicherungsverhältnis ausge- sowie flexible Anwartschaftszeiten in der
„Gesellschaftsvertrag“, der auf einen richtet, das mit der jetzigen Umstruktu- Rentenversicherung“ sein, also eine Art
breiten gesellschaftlichen Konsens ab- rierung die Weichen für eine private Sparkonto bzw. Fond(!), in den während
zielt, und zum anderen von dem neuen „Beschäftigungs- bzw. Arbeitslebensver- der Lohnarbeit einbezahlt wird. Diese
Kriterium der „Arbeitsfähigkeit“ bzw. sicherung“ stellt. „Fördern und Fordern“ sollten künftig durch eine neue „tarifpoli-
„Arbeitsunfähigkeit“. Unabhängig von entspricht der Erwartungshaltung des Ver- tische Gestaltung“ begleitet werden. Die
der aktuellen Lage auf dem Arbeitsmarkt sicherers (Bundesanstalt für Arbeit) an sog. Bildungskonten könnten mit tarif-
gilt dann: der/die trotz massiver gesell- den Versicherten ((Lohn-)ArbeiterIn) und lichen Leistungen verbunden werden
schaftlicher Anstrengungen immer noch verpflichtet die/den VersicherteN im (Tariffond). Ein Teil des Lohns würde da-
Arbeitslose ist ein/e „FaulenzerIn“, ein/e Sinne einer „Schadensminderung“ zu bei auf ein Konto eingezahlt bzw. gespart
unwürdige/r VerliererIn, der/die eigene einem „angemessenen, zielgeführten (Investivlöhne). Benachteiligte Gruppen
Lage quasi selbst verschuldet hat. Verhalten, zu Bewerbungen, zur Annahme könnten durch Steuergelder gefördert
Dadurch wird eine Ideologie des würdi- von Vorstellungsgesprächen, zur tatsäch- werden. Wer nicht genug verdient, um
gen („Arbeitsunfähigen“) und unwür- lichen Teilnahme an Maßnahmen, zur etwas beiseitezulegen, hat eben Pech
digen Arbeitslosen („Arbeitsfähigen“) ge- Annahme von zumutbaren Stellenange- gehabt.
schaffen. boten“.
All diese Überlegungen sind Ausdruck
Am Ende steht quasi der durch Arbeits- der Weichenstellung hin zur privaten
Die Kriterien für die „Förderungsbe- losigkeit eingetretene Schadensfall oder Arbeitslosenversicherung, d.h. der Ein-
dürftigkeit“, d.h. für den Leistungs- gegebenenfalls ein durch Verletzung der stieg in den Umstieg, in die generelle
bezug, werden die dem Arbeitslosen vor- Mitwirkungspflicht selbstverschuldeter Privatisierung der sozialen Absicherung.
gelegten Handlungsoptionen (z.B. in Schaden, aus dem sich eben keine Zah-
Form der „Eingliederungsvereinbarun- lungspflicht des Versicherers (Bundesan-
gen“) und seine Eigeninitiative zugrunde- stalt für Arbeit) ergibt. Das neue Versiche-
gelegt. Flankiert von dem Prinzip „Über- rungsverhältnis bestimmt sowohl die
wachen und Strafen“ wird das Ganze Gewährung von Förderleistungen für
durch einen „verhaltensbeeinflussenden“ Maßnahmen (z.B. Weiterbildung oder
Strategie
und strategische Ausrichtung

Die strategische Ausrichtung der arbeits- Alle Instrumentarien des neuen Job-
marktpolitischen Umstrukturierung liegt Centers richten sich – in Zusammenarbeit
in der Schaffung von sog. Übergangsar- mit dem KompetenzCenter – an „konkre-
beitsmärkten. Dies bedeutet eine hohe ten Beschäftigungsmöglichkeiten“ aus,
Fluktuation zwischen verschiedenen Er- d.h. ausschließlich am „Arbeitsmarkt“-
werbsformen: „Voll- und Teilzeit, Erwerbs- Bedarf der Unternehmen. Das wider-
und Familienarbeit, Aus- und Weiter- spricht dem Grundgesetz Artikel 12 zur
bildung, Erwerbsarbeit, selbständiger und freien Berufswahl.
abhängiger Beschäftigung“ und einer
kurzfristigen Arbeitslosigkeit. Dabei wer- Um die „Marktzuführung“ zu garantie-
den auch zunehmend wechselnde Kom- ren, wird der/die Arbeitslose „ganzheit-
binationen dieser Formen vorkommen. lich erfasst“ (Profiling), durch die
Zur Schaffung dieser Übergangsmärkte Clearingstelle eingestuft (als Informa-
dienen laut Bericht z.B. vermehrte Job- tionskunde, Beratungskunde, Betreu-
rotation, Förderung von Selbständigkeit, ungskunde) und an die Zeit/Leih-
verstärkte Vermittlung an Zeit bzw. Leih- arbeitsfirmen in Form der Personal
arbeitsfirmen und ein Ausbau des Nie- ServiceAgentur (PSA) weitergereicht. Falls
driglohnsektors sowie „leistungsgemin- es keine Vermittlungsmöglichkeiten über
derte Beschäftigung für Ältere“ und eben die PSA oder Leiharbeitsfirmen gibt, soll
auch die „konsequente Weiterent- eine öffentlich geförderte Beschäftigung
wicklung der Arbeitslosenversicherung durch die Kommunen angestrebt werden
zur Beschäftigungsversicherung“. Sie soll - für ein Taschengeld.
nicht nur die Arbeitslosigkeit versichern,
sondern vor allem die Übergänge von Generell wird eine weitere Privatisie-
einer in die andere Beschäftigungsform rung angestrebt: Aufgaben, die außer-

[11]
abfedern. So soll eine erhöhte Bereit- halb der Kernaufgaben (Stellenaquise,
schaft zur Flexibilität beim Arbeitsplatz-, Vermittlung, Überwachung, Strafe) des
Berufs- und Ortswechsel geschaffen wer- neuen JobCenters liegen, werden als
den. Die Schaffung der sog. Übergangs- Fremdaufträge an Dritte also private Ver-

Leitidee und strategische Ausrichtung


märkte bedeutet: weg vom klassischen mittler und Unternehmen weitergegeben.
(Lohn-)Arbeitsverhältnis hin zum Eins-, Das gilt z.B. für Maßnahmen bei sog.
Zwei- oder Drei-Jobverhältnis. „Betreuungskunden“, Profiling und ver-
waltungstechnischen Aufgaben.
Der Bericht der Kommission beinhaltet
die Umgestaltung weg von der Arbeits- Diverse (neue) Gesetze und bereits er-
förderung hin zur Arbeitgeber- bzw. Wirt- folgte Gesetzesänderungen greifen
schaftsförderung (vom Sozialstaat zum ebenso in die Umstrukturierung des
Wettbewerbsstaat). Verschiedene Module Arbeitsmarktes ein. Hier ist zu berücksich-
beinhalten Angebote an Arbeitgeber zur tigen: das neue „Zuwanderungsgesetz“,
Senkung ihrer Personalkosten, die zu Änderungen des Arbeitnehmerüber-
Lasten der öffentlichen Förderung und lassungsgesetzes (AÜG), bereits erfolgte
der betroffenen (Lohn-)ArbeiterInnen Änderungen der Ausbildungsrahmen-
gehen. pläne durch die Kultusministerien, Aus-
hebelung des Kündigungsschutzes und
Auf dem Hintergrund der beabsichtigten tariflicher Bindungen durch die
EU-Osterweiterung bezieht sich die Ausweitung der Leiharbeit unter Zustim-
Ost-Ausrichtung der Wirtschaftsförderung mung des Bündnisses für Arbeit, die
vor allem auf den Standort Deutschland bevorstehende Gemeinde-Finanzreform
zur Eroberung der ostmittel- und osteuro- bzgl. der Lastenaufteilung zwischen Bund,
päischen Märkte! Ländern und Kommunen, das geänderte
Mietrecht bzgl. Aufhebung des Kündi-
gungsschutzes bei einem nötigen Umzug
wegen eines Jobs. So ist auch das „Job-
Aktiv-Gesetz“ in diesem Kontext zu sehen.
M1
Service für Kunden: Das JobCenter

Statt veralteter Strukturen und ehe- Im JobCenter befinden sich erfolgt über das „Eingangprofiling“ durch
mals überfüllter Flure im Arbeitsamt dann konkret: die SachbearbeiterIn der Clearingstelle.
soll nun der Kundenservice großge- Selbstbedienungssysteme (Service-Line, Das Kundenprinzip beinhaltet auch die
schrieben werden. Als „Kunden“ der PC-Plätze für Bewerbungsschreiben) „neuen Serviceleistungen“ gegenüber der
Zukunft gelten Arbeitslose und vor- Informations- und Erlebniselemente „Kundengruppe“ der Arbeitgeber.
allem „Arbeitgeber“. Überall sollen (Job-Ticker, Info-Terminals, Berufsin-
lokale JobCenter eingerichtet werden formationszentrum BIZ, Internet-Bar, Die SachbearbeiterInnen des neuen
als Zentrale für alle „Dienstleistungen Café/Bistro, Ausstellungsflächen) JobCenters erstellen auch ein „Service-
am Arbeitsmarkt“. Darüberhinaus Clearingstelle profil“ für die Unternehmen/Arbeitgeber.
soll es eine enge Verzahnung mit BerufsberaterInnnen (FallmanagerIn, Dies kann auf Wunsch des Unternehmens
allen angrenzenden Bereichen ge- VermittlerIn) bedeuten, dass der/die VermittlerIn die
ben, z.B. Sozialamt, Jugendamt, Reha-BeraterInnen BewerberInvorauswahl für das Unterneh-
Schuldner- und Suchtberatungs- Psychologischer Dienst men trifft, bereits ein erstes Bewerbungs-
stellen. Sozialamt gespräch führt und weitere Bewerbungs-
Ärztlicher Dienst gespräche beim künftigen Arbeitgeber in
Ins JobCenter gehen alle, die arbeits- Schuldnerberatung Begleitung(!) des/der VermittlerIn statt-
los sind oder werden, auch jene, die Wohnungsamt finden.
jetzt noch Sozialhilfe bekommen und Jugendamt
in Zukunft als „arbeitsfähig“ einge- Drogen- und Suchtberatung Das Profiling ist eines der zentralen
stuft werden. Jede/r hat nur noch LeistungsberaterIn/Leistungsabteilung Instrumente des neuen JobCenters. Es
eine/n SachbearbeiterIn, entweder Familienkasse (Kindergeld) dient zur Erfassung der Persönlichkeit
im JobCenter oder eingestuft als des/der Arbeitslosen. Das durch ein
„Arbeitsunfähige/r“ im Sozialamt. Und die Schnittstellen: Profiling erstellte Gutachten ist Grund-
Dabei geht es um das Prinzip: Eine Arbeitgeber-Hotline/Serviceprofil für die lage der „Eingliederungsvereinbarung“.
Zuständigkeit!- Eine Leistung! Über Serviceleistungen an den Arbeitgeber Sie beinhalten die dem Arbeitslosen vor-
die Kundeneinstufung entscheidet die PersonalServiceAgenturen (PSA) d.h. gelegten „Handlungsoptionen“. Also das,
[12]

Clearingstelle und über die Arbeits- Zeit/Leiharbeitsfirmen was er/sie „aktiv“ zu tun hat, um seine/
(un)fähigkeit der ärztliche Dienst im Vermittlungsagenturen/Jobbörsen ihre (individuelle!) Arbeitslosigkeit zu
neuen JobCenter. Weiterbildungsträger beenden bzw. letztlich Leistungen zu
Das JobCenter

Regionalverbund Ausbildung bekommen.


Vertreter der Wohlfahrtsverbände und
Sozial- und Arbeitsamt sowie alle Kirchen Ein „Eingangsprofiling“ stellt den Bera-
anderen relevanten Leistungseinrichtun- Arbeitgebervertreter/Unternehmen tungs- und Betreuungsbedarf fest. In
gen werden zusammengelegt. So sollen einem weiteren Profiling wird das persön-
die „Schiebebahnhöfe“ bzgl. der Leis- Ergänzend dazu sollen in Einkaufszentren liche Profil (Tiefenprofil) des Arbeitslosen
tungen (zwischen Arbeitsamt, Sozialamt sog. Job-Boutiquen eingerichtet werden. „ganzheitlich“ erfasst. Neben den „harten
und Krankenkassen) vermieden werden. Fakten“ wie beruflichen Qualifikationen
Denn für jede/n gilt künftig: Eine Zustän- Die Service-Line zur besseren Erreichbar- und Jobhistorie/Lebenslauf werden auch
digkeit und eine Leistung! (vgl. M6 „Zu- keit und die Arbeitgeberhotlines können „weiche Faktoren“ wie Motivation und
sammenführung von Arbeitslosen- und an private Unternehmen z.B. CallCenter „SoftKills“ wie Teamfähigkeit oder Flexi-
Sozialhilfe“, S. 20). abgegeben werden. bilität erfasst. Es beinhaltet auch die
finanzielle, persönliche und familiäre
Die neuen JobCenter werden flächen- Aufgaben, die außerhalb der Kernauf- Situation. Neben dem eigentlichen Be-
deckend die zentralen Anlaufstellen für gaben (Stellenaquise, Überwachung, werberInprofil werden auch „Wunsch-
soziale Belange, in denen alle derzeitigen Strafe) des neuen JobCenters liegen, oder Zielstellenprofile“ erstellt. Dieses
staatlichen Einrichtungen gebündelt wer- werden als Fremdaufträge an Dritte, also Vorgehen soll eine Vermittlung in (r)unter-
den. Darüberhinaus gehören dazu auch private Vermittler und Dienstleister weiter- qualifizierte Jobs und berufsfremde
die sog. Schnittstellen zwischen dem gegeben. Das gilt z.B. für Maßnahmen Branchen ermöglichen (vgl. M3 „Neue
Arbeitsamt (Vermittlung intern) und dem bei „Betreuungskunden“, Profiling und Zumutbarkeit“, funktionaler Aspekt, S.
Arbeits- und Bildungsmarkt (Vermittlung verwaltungstechnischen Aufgaben (ent- 14).
extern), sowie soziale Einrichtungen. sprechend der bereits erfolgten Privati-
sierung und Auslagerung). „Kernstellen der Vermittlung“ im neuen
JobCenter sind die Clearingstelle,
Generell gilt eine Ausrichtung der Or- der/die FallmanagerIn oder VermittlerIn
ganisation nach sog. Kundengruppen: sowie die PersonalServiceAgentur (PSA)
Informations-, Vermittlungs- oder Bera- als Leiharbeitsfirma.
tungskunde (Arbeitslose). Ihre Zuordnung
Die Clearingstelle wird zur ersten Alle Instrumentarien bzgl. der Arbeits-
Hürde für alle Arbeitslosen bzw. alle vermittlung des JobCenters sollen sich an
sozialen Belange. Ihre Aufgabe ist es, den konkreten Beschäftigungsmöglich-
den „Beratungs- und Betreuungsbedarf“ keiten ausrichten, d.h. ausschließlich an
festzustellen. Sie dient der „Kunden- dem „Arbeitsmarkt“-Bedarf der Unter-
steuerung“. Hier wird auch das erste nehmen. Um dies zu gewährleisten,
„Eingangsprofil“ erstellt, werden die Un- arbeiten sie an diesem Punkt eng mit den
terlagen entgegengenommen und aufbe- neuen „KompetenzCentern“ (ehemalige
reitet. Leistungsvoraussetzungen werden Landesarbeitsämter) zusammen (vgl.
geklärt und die Arbeitslosen an die ent- M11 „KompetenzCenter“, S. 30).
sprechenden Stellen im JobCenter weiter-
geleitet (oder abgewimmelt). Eingestuft
als „Beratungskunde“ geht es zum/zur
VermittlerIn, als „Betreuungskunde“
zum/zur sog. FallmanagerIn.

Als „Beratungskunden“ bei den


VermittlerInnen erhält jede/r eine „ganz“
individuelle Betreuung bezüglich des Einschätzung:
eigenen Vorgehens (der eigenen „Strate- Ohne reale Maßnahmen zur Schaffung Die „ganzheitliche“ Betreuung und die
gie“) bei der Arbeitsplatzsuche. Hier steht neuer regulärer (Lohn-)Arbeitsplätze und Erfassung jeglicher Fertigkeiten und
das „Erkennen und beheben fachlicher -verhältnisse bedeutet die Modernisie- Fähigkeiten dienen zur Erhöhung des
und persönlicher Vermittlungshemm- rung des Arbeitsamtes zur „verbesserten Drucks hin zur Annahme von (r)unterqua-
nisse“ im Vordergrund. Vermittlung“ und das „individualisierte“ lifizierten und qualifizierungsfremder
Instrumentarium lediglich eine massive Arbeit: (Lohn-)Arbeit soll damit auch völ-

[13]
Der „Betreuungskunde“ ist eine „Person Verschlechterung und Erhöhung des lig unabhängig vom jeweiligen Berufs-
mit erheblichen Vermittlungshemmnis- Drucks für Arbeitslosen. wunsch des/der Einzelnen angenommen
sen“ und wird von einem/einer speziell werden (müssen!). Kombiniert mit einem

Das JobCenter
ausgebildeten „FallmanagerIn“ betreut. Die „individuelle“ Erhöhung des Anpass- flexiblen, auf die jeweilige arbeitlose
Der/die FallmanagerIn erstellt oder ver- ungsdrucks an die vom Markt geforderte Person ausgerichteten Sanktionskatalog
anlasst ein Tiefenprofil, schließt eine „Ein- Logik, sich immer billiger und zu immer wird der Druck zur Annahme jeglicher
gliederungsvereinbarung“ mit dem/der schlechteren Bedingungen auf dem Ar- (Lohn-)Arbeit erhöht. So soll der Arbeits-
Arbeitslosen ab und klärt alles weitere mit beitsmarkt zu verkaufen, ist die Folge. marktbedarf befriedigt werden. Das
den anderen Stellen der JobCenter und ganze nennt sich dann „erweiterte Ver-
den PersonalService Agenturen (PSA). Die Durch die Einstufung von Arbeitslosen als mittlungschance“, meint allerdings eine
Aufgaben der FallmanagerInnen, das zu managende „Fälle“ mit „Vermittlungs- weitere Einschränkung der Persönlich-
„Casemanagement“ (Fallmanagement), hemmnissen“, wird die Arbeitslosigkeit keitsrechte und der freien Berufswahl.
kann auch an private Vermittler, Insti- individualisiert und nach dem Motto:
tutionen weitergegeben werden, z.B. an „Wer die richtige Strategie hat, der/die Das Profiling insgesamt als Verfahren der
Arbeitsvermittlungsagenturen oder (priva- findet auch Arbeit“ in den Verant- ganzheitlichen Persönlichkeitserfassung
te) Träger für Eingliederungsmaßnamen wortungsbereich des/der Einzelnen verla- in Verbindung mit der Einrichtung einer
wie „Training für Job“ und „Coaching- gert. Mit modernem Vokabular wird die deutschlandweiten zentralen Datenbank
maßnahmen“ (sprich: Dauerbetreuung alte Parole „Wer arbeiten will, der/die mit allen BewerberInnenprofilen, auf die
bzw. -kontrolle – vgl. M8 „Aufbau von findet auch Arbeit“ modernisiert. Damit neben den MitarbeiterInnen des Arbeits-
PersonalServiceAgenturen, S. 25). wird suggeriert, es gäbe ausreichend amtes ebenso Zeit/Leiharbeitsfirmen und
Arbeitsplätze, die es nur zu verteilen private ArbeitsvermittlerInnen Zugriff
Grundsätzlich kann mensch immer an gelte. Nach wie vor sollen grundlegende haben, schafft eine Struktur für den
die PersonalServiceAgentur (PSA), also ökonomische, kapitalistische und patriar- „ganz“ individuellen Blick auf jede Per-
als LeiharbeiterIn weitergereicht werden! chale Verwertungsinteressen ebenso wie sönlichkeit, den „gläsernen Menschen“
VermittlerInnen und FallmanagerInnen die fürs Kapital günstige hohe Arbeits- (vgl. M10 „Personal, Organisation und
suchen offene Stellen in ihrem zugewie- losigkeit (die zur Lohndrückerei miß- Steuerung“, S. 29).
senen Branchenbereich und vermitteln braucht wird) aus dem Blickwinkel der
aufgrund eines „Matching-Verfahrens“ Menschen verschwinden. Nach dem Zur neuen Maßgabe der Arbeits(un)-
(ein Datenabgleich zwischen den erstell- Motto: „GewinnerIn oder VerliererIn fähigkeit siehe M6 „Zusammenführung
ten Tiefenprofilen und den Arbeitgeber- auf dem Arbeitsmarkt“ soll der von Arbeitslosen- und Sozialhilfe“, S. 20.
anforderungen) die Jobs. Sie arbeiten mit Verteilungskampf um die eigene
Unternehmen, PSA und Zeit/Leiharbeits- Existenz gegeneinander ausgetragen
firmen zusammen. werden.
M2
Die familienfreundliche Vermittlung und die ....

Beim neuen JobCenter soll in Zukunft Durch ein „zielgruppenorientiertes“


nicht nur alles besser organisiert sein Bonuspunkte-System erhalten Vermittler- Wer das JobCenter nicht rechtzeitig
sondern vor allem auch alles schnel- Innen einen Extrapunkt, wenn sie gemäß informiert, dem wird für jeden Tag der
ler gehen. Das nennt sich dann des Job-Familien-Konzepts vermitteln. verspäteten Meldung („Karenzzeitrege-
Quickvermittlung. Bonuspunkte werden zusätzlich vergütet. lung“) eine Pauschale vom Arbeitslosen-
(Lohn-)ArbeiterInnen, denen gekün- geld abgezogen.
digt wird, müssen sich sofort beim Der Vorstand der neuen Bundesanstalt
JobCenter melden und nicht erst bei für Arbeit und die Leitung des neuen Die Abzugspauschalen werden je nach
Ablauf der Kündigungsfrist. Noch JobCenter erhalten wöchentlich eine Höhe des vorherigen Bruttolohns in drei
während der Kündigungsfrist sollen Zusammenstellung derjenigen Arbeits- Klassen eingeteilt:
sich die künftig Arbeitslosen neu be- losen, die „besondere Verantwortung“
werben. Dafür sollen sie vom Arbeit- tragen. Dadurch soll der „Handlungsbe- Bruttolohn > 3.100 Euro
geber freigestellt werden, natürlich darf und die persönliche Verantwortung = 50 Euro pro Tag Verspätung.
nicht bei voller Lohnfortzahlung. der Führung der neuen Arbeitsämter ver- Bruttolohn <= 3.100 Euro
deutlicht werden“. = 25 Euro pro Tag Verspätung
Neben der Quickvermittlung sollen Bruttolohn < 1.700 Euro
sich die MitarbeiterInnen der Job- Durch Einbindung der Öffentlichkeit = 7 Euro pro Tag Verspätung
Center um jeden Einzelnen intensiver (z.B. Bürgermeister, Personalchefs, Me- Bruttolohn < 325 Euro
kümmern. Dafür gibt es künftig eine dien) soll ein Verantwortungsgefühl und = keine Abzüge
leistungsabhängige Lohnzahlung nach eine höhere Bereitschaft zur Bevorzugung
Bonuspunkten. Bonuspunkte werden von Arbeitslosen mit Familie und Kindern Zur Beschleunigung der Vermittlung
zusätzlich vergütet. Besonders aus- entstehen. D.h. im Rahmen der „proakti- soll der Arbeitgeber die gekündigten
zahlen soll sich das für all jene Ver- ven Berichterstattung“ wird ein besonde- (Lohn-)ArbeiterInnen zur Arbeitssuche
mittlerInnen, denen es gelingt, nach res Augenmerk auf die familienfreundli- freistellen und sie bei der Profilerstellung
dem „Job-Familien-Konzept“ viele che Quick-Vermittlung gelegt (vgl. M13 unterstützen.
Familienernährer in Arbeit zu vermit- „Die Profis der Nation“, S. 34).
[14]

teln. Nein, Geschwindigkeit ist keine Der Arbeitgeber erhält Zugang zu den
Zauberei, sondern soll sich lohnen. Leistungen des JobCenters und der
B. Die Quick-Vermittlung PersonalServiceAgentur, um freie Stellen
Die Quick-Vermittlung

zur Erhöhung der mit ihrer Unterstützung zu besetzen.


Unter dem Stichpunkt „Quick-Vermitt- Vermittlungsgeschwindigkeit
lung“ werden verschiedene Konzepte ein- Die schnelle Vermittlung durch die
geführt, die eine schnelle(re) Vermittlung Die Vermittlungsaktivitäten sollen so- BeraterInnen soll durch Teamarbeit und
leisten sollen: Die familienfreundliche fort nach Erhalt der Kündigung beginnen. ein zentrales EDV-System verbessert wer-
Quick-Vermittlung nach dem Job-Fami- D.h. künftig soll jede/r verpflichtet sein, den.
lien-Konzept und die Quick-Vermittlung das JobCenter bereits über die erfolgte
zur Erhöhung der Vermittlungsgeschwin- Kündigung und bevorstehende Arbeits- Der bundesweite, gerade auch externe
digkeit. losigkeit zu informieren. Es wird von einer Zugriff auf das EDV-System aller Akteure
Meldefrist zwischen 2 Wochen und 7 des Arbeitsmarktes, insbesondere von
Monaten vor Jobende ausgegangen. privaten Vermittlern, Zeit- bzw. Leihar-
A. Die familienfreundliche Ebenso muss er/sie künftig den/die beitsfirmen und Arbeitgebern auf die
Quick-Vermittlung nach zuständige/n SachbearbeiterIn im Job- BewerberInnen-Profile der Arbeitssuchen-
dem Job-Familien-Konzept Center über das Ende eines befristeten den (Datenbank), soll die Vermittlung be-
Arbeitsvertrages oder einer Ausbildung schleunigen (vgl. M10 „Personal, Orga-
„Arbeitslose, die eine besondere Ver- benachrichtigen. Dadurch soll schon die nisation und Steuerung“, S. 29).
antwortung für abhängige und be- „Kündigungsfrist“ für eine neue Jobsuche
treuungsbedürftige Personen oder Fami- genutzt werden. Ziel ist der Wechsel von Die Zusammenlegung der Funktionen
lienangehörige tragen, erhalten be- Job zu Job!, in Folge dessen eine Ver- von VermittlerIn und BeraterIn soll be-
sondere Priorität bei der Vermittlung“, kürzung der durchschnittlichen Arbeits- schleunigend wirken: Der künftige „Ver-
heißt es im Bericht. Die Einteilung und losigkeit von zur Zeit 33 auf 22 Wochen mittlungs-Berater“ konzentriert seine
Vergabe(!) von „regulären Stellen“ er- erreicht werden soll. Arbeit auf die Wiedereingliederung von
folgt grundsätzlich nach dem Prinzip des Arbeitslosen. Er/sie ist von verwaltungs-
Job-Familien-Konzeptes (Priorität). technischen Aufgaben weitgehend befreit
Neben allein Erziehenden ist das vor (durch Auftragsvergabe an private Unter-
allem der männliche „Familienernährer“. nehmen) und erhält einen geringeren
Betreuungsschlüssel von max. 1:200
(VermittlerIn/FallmanagerIn zu Arbeits-
losen).
Die Quickvermittlung
Erhöhung der Vermittlungsgeschwindigkeit

Die „Vermittlungs-BeraterInnen“ erhal-


ten zudem einen größeren „Gestal-
tungsspielraum“ bezüglich der „indivi-
duellen“ Sanktionen gegenüber Arbeits-
losen und der Vergabe von (Förder-)
Geldern (vgl. unter M6 „Das Aktions-
budget“, S. 22). Zudem erhält er/sie
finanzielle „Anreize“ durch das besagte

mit und ohne


leistungsbezogene „Bonus-System“ und
einen daraus resultierenden Leistungs-
lohn.

Familienbonus
Einschätzung:
Die familienfreundliche Quickver- Nur wer einen gut bezahlten Job ergattert Die Quickvermittlung (ohne Familien-
mittlung beinhaltet eine im Grundsatz hat, kann sich einen privaten Betreuungs- bonus) erhöht den Druck auf die (Lohn-)
patriarchale Ausrichtung. Männer wer- oder Kindergartenplatz leisten. Für all ArbeiterInnen und erhöht die Kontrolle
den bei der Stellenvergabe bevorzugt. jene, die als Alleinerziehende in Teilzeit- durch das JobCenter in der Hand eines/r

[15]
Frauen, die in der patriarchalen Gesell- oder entgarantierter (Lohn-)Arbeit sind SachbearbeiterIn, die schon in das alte
schaft als „Zuverdienerinnen“ gelten, oder in eben solchen in der Familie als Arbeitsverhältnis hineinverlagert wird.
werden bei der Arbeitsvermittlung plan- „Zuverdienerinnen“ gelten, ergibt sich ein Das JobCenter ist in Zukunft permanent

Die Quick-Vermittlung
mäßig benachteiligt bzw. in ihre zugewie- unauflösbarer Teufelskreis. Für Frauen über die aktuelle Arbeitssituation infor-
sene Rolle gedrängt. heißt es dann bei zunehmender Armut miert. Menschen in befristeten Arbeits-
zurück in die Ehe, an „Heim und Herd“ verhältnissen erhalten eine Art Dauerbe-
Quer durch alle Module fällt auf: Die und wachsende Abhängigkeit vom treuung. 30% aller Neuabschlüsse von
Vorschläge laufen auf eine Verschärfung „Familien“-Lohn des Mannes. Arbeitsverträgen sind befristete Verträge.
und Zementierung von patriarchalen Wenn die Vorschläge der Hartz-Kom-
Strukturen der (Lohn-)Arbeits- und Repro- Unterstützt durch eine „proaktive Bericht- mission umgesetzt werden, wird sich die-
duktionsverhältnisse hinaus. erstattung“ hat die besondere Bevor- ser Prozentsatz noch erheblich erhöhen.
zugung von Familien mit Kindern auch
Der Deutsche Juristinnenbund stellt in den Effekt, dass Menschen mit anderen Im Wesentlichen aber ist die Quickver-
seinem offenen Brief an Hartz vom Lebenskonzepten nicht nur in der Sache mittlung verzahnt mit dem neuen bundes-
05.08.02 in Bezug auf die 13 Module benachteiligt sondern ebenso mit einer weiten Datenarchiv, das alle Bewerber-
fest: „dass die Vorschläge nur auf typisch Neuauflage des konservativen Familien- Innendaten (Profile) enthält und extern zur
männliche Erwerbsbiographien abzielen bildes konfrontiert werden (vgl. M13 Verfügung gestellt werden soll. Neben
und die Frauen Verliererinnen dieser „Profis der Nation“, S. 34). einem künstlichen Aufblähen des Bewer-
Arbeitsmarktreform sind“. berInnenpools durch Menschen, die un-
Dass hier aber auch bei Frauen nach abhängig vom Arbeitsamt auf Jobsuche
Zur besseren Vereinbarkeit von Familie ihrer Klassenlage unterschieden werden gehen, bedeutet dies vorallem eine
und Beruf für (alleinerziehende) Frauen, soll, macht der Antrag von SPD/Grüne Türöffnerfunktion für die schnelle Vermitt-
sollen die bisherigen Mittel zur Kinderbe- zur Umsetzung der Kommissionsvor- lung in Zeit- bzw. Leiharbeit und/oder
treuung gebündelt werden. Ganztags- schläge deutlich: „Der Wirtschaftsstand- befristete (Lohn-)Arbeitsverhältnisse.
schulen sind in der aktuellen Diskussion. ort Deutschland kann international nur
Vorgesehen ist es, mit Kommunen, Orga- wettbewerbsfähig bleiben, wenn erstklas- Weitere Informationen und Einschätz-
nisationen, Unternehmen und privaten sig ausgebildete und leistungsbereite ungen zur EDV-Vernetzung findet Ihr im
Einrichtungen zusätzliche Kinderbetreu- Frauen ihre Fähigkeiten auch beruflich Modul 10 „Personal, Organisation und
ungskapazitäten aufzubauen. Dem wi- nutzen können“. Steuerung“, S. 29.
dersprechen aber weitere Einsparungen
im sozialen Bereich!
M3
Die neue Zumutbarkeit

Ohne Leistung keine Gegenleistung! Gestaffelter, stufenweiser (dauerhafter) Für Jugendliche gehört es zur Zumutbar-
So einfach werden die neuen Zumut- Abzug von ALG oder Sperrzeiten, wenn keit, eine Ausbildung und/oder Qualif-
barkeitsregelungen für Arbeitslose mensch aus „verhaltens- oder perso- izierung in anderen Regionen Deutsch-
beschrieben. Das Grundprinzip: Die nenbedingten Gründen“(!) bei der PSA/ lands oder Europas (!) anzunehmen.
Zumutungen für jüngere und familiär Leiharbeitsfirma entlassen wird.
ungebundene Arbeitslose werden er- Sanktionen bei Nichtumsetzung Es wird zudem erwogen, ein Prämien-
höht. Nach einer 6-monatigen Schon- der Eingliederungsvereinbarung. system zu schaffen, um den Zwang zur
frist erhöht sich allerdings für alle - Eine erhöhte Mobilitätspflicht. erhöhten Mobilität zu verstärken. Die
trotz familiärer Verpflichtungen - die Weitere Verpflichtungen durch die Einführung von pauschalen Mobilitäts-
Zumutbarkeit. neuen Zumutbarkeitsregelungen. prämien oder Prämien im Rahmen einer
Selbsteinstufung des Arbeitslosen auf
Damit der JobCenter keine Flut von Die Zumutbarkeit wird nach geografi- seine Mobilitätsbereitschaft wird er-
Klagen zu hören bekommt, wird die schen, materiellen, funktionalen und wogen.
Beweislast umgekehrt. Künftig muß sozialen Kriterien neu formuliert. Sowohl
der/die Arbeitslose beweisen, daß die Zumutbarkeitskriterien für einen Job Konkret heißt das:
ein Job unzumutbar ist. Auf welcher als auch die Sanktionen gegen Arbeits- Grundsätzlich ist für jede/n Arbeitslosen
Grundlage er/sie das tun könnte, lose werden verschärft. Generell ist die eine tägliche Pendelzeit zumutbar. Nach
bleibt allerdings offen. Arbeit in Zeit- bzw. Leiharbeit zumutbar. 3 Monaten ist eine tägliche Pendelzeit
sowie für Jüngere und Alleinstehende
Auch die Höhe des Arbeitslosen- Zu den einzelnen Kriterien der eine BRD-weite Vermittlung zumutbar. Ab
geldes (ALG-neu!) wird an die Mit- neuen Zumutbarkeit: 6 Monaten ist für Alle eine BRD-weite
wirkung der Arbeitslosen geknüpft. Vermittlung zumutbar.
Nur wer zeigt, daß er/sie eine tolle „Geografischer Aspekt“
JobsucherIn mit entsprechend akzep- Der „geografische Aspekt“ bezieht sich
tabler „Strategie“ gemäß der Hand- auf den Ort des Arbeitsplatzes und die „Materieller Aspekt“
[16]

lungsoptionen der SachbearbeiterIn daraus resultierenden Fahrzeiten/Pendel- Der „materielle Aspekt“ bedeutet, daß
ist, bekommt Geld. Als verdiente zeiten zur Arbeit bzw. den „zumutbaren“ generell Jobs mit einem geringeren Lohn
Spürnase - wenn auch ohne Erfolg. Umzug in eine andere Region/Stadt. Das als der vorherige zumutbar sind. Bis 3
bedeutet nichts anderes, als daß bun- Monate Arbeitslosigkeit ist ein Job mit
Die neue Zumutbarkeit

desweite Mobilität zumutbar ist! Die 20% weniger in der Lohntüte als bisher
Es besteht generell eine „Mitwirkungs- familiäre Situation wird hierbei insofern zumutbar. Nach 3 Monaten ist ein Job
und Eigenleistungspflicht“, sowie die berücksichtigt, als daß bei Bestehen einer mit 30% weniger in der Lohntüte und ab
Pflicht zur Annahme eines zumutbaren „besonderen Verantwortung für abhängi- 6 Monaten ist ein Job in Höhe des Ar-
Stellenangebotes. Nach wie vor gilt zwar, ge betreuungsbedürftige Personen“ nicht beitslosengeldes zumutbar. Grundsätzlich
dass ein/eine Arbeitslose/r nicht alle ganz so hart vorgegangen werden soll. gilt, dass bis zu 6-monatige „Probe-
Möglichkeiten nutzen und jede Arbeit Allerdings ist eine Beschäftigung incl. Praktika“ per PSA-Leiharbeit in der Höhe
annehmen muss, wie es § 119 Abs.1 des Umzug auch dann zumutbar, wenn sie des ALG zumutbar ist (ab Beginn der
SGB III verlangt. Vielmehr muss er/sie befristet ist und somit lediglich vorüber- Arbeitslosigkeit).
jede nur zumutbare Möglichkeit aus- gehend (bis zu 6 Monaten) einen
schöpfen, um zu einer zumutbaren Arbeit getrennten Haushalt erfordert. Bei einem „Funktionaler Aspekt“
zu kommen. Aber genau an diesem Punkt Dauerarbeitsplatz in Vollzeit ist ein Der „funktionale Aspekt“ birgt die gene-
soll sich durch die erhöhte bzw. ver- Umzug generell zumutbar. relle Zumutbarkeit einer Vermittlung in
schärfte Zumutbarkeitsdefinition einiges unter- bzw. runterqualifizierte (Billig-)
ändern. Generell kann ein Umzug von alleinste- Jobs. Die Vermittlung in einen Job unab-
henden und jüngeren Arbeitslosen und hängig von der beruflichen Qualifikation
Die im Bericht verkündete insbesondere von Langzeitarbeitslosen in eine Beschäftigung, die der/die Ar-
neue Mitwirkungs- und (mit oder ohne familiäre Verpflichtungen) beitslose bisher nicht ausgeübt hat oder
Eigenleistungspflicht beinhaltet: verlangt werden. Mit der Länge der Ar- für die er/sie nicht ausgebildet ist, muß
beitslosigkeit verschärft sich für alle die hingenommen werden. Dies ist vor allem
Abzüge vom ALG bei verspäteter Ar- Zumutbarkeit in punkto Mobilität. dann zumutbar, „sobald festgestellt wer-
beitslosmeldung (Arbeitslosmeldung den kann, dass eine ‘berufliche Status-
nach Erhalt der Kündigung). Ein Umzug aufgrund von Angeboten für minderung’ unvermeidlich ist, um den
Eine Verpflichtung, für bis zu 6 Monate Teilzeit- oder kurzfristige Beschäftigungen Bezug von Arbeitslosengeld zu beenden“.
in Höhe des ALG in Form einer „Probe- soll nur dann nicht zumutbar sein, wenn Die Feststellung der „beruflichen Status-
zeit/Praktika“ für bzw. über die PSA die Kosten für den Umzug höher sind als minderung“ ist Teil der Eingliederungs-
bzw. Leiharbeitsfirma zu arbeiten. der zu erwartende Gesamtlohn. vereinbarung (vgl. M1 „Der Job Center“,
S. 10).
Ohne Leistung
keine Gegenleitung
„Nur, wer auch selbst aktiv ist, kann auf die Unterstützung der Gemeinschaft bauen.“
(aus dem Antrag von SPD/Grüne)

„Soziales Kriterium“ annimmt und keine Bereitschaft zu aktiver


Das „soziale Kriterium“ geht mit dem Mitwirkung zeigt, wird das JobCenter in
Job-Familien-Konzept (vgl. M2 „Die Quick- angemessener und differenzierter Weise Kündigung durch die Leiharbeitsfirmen
vermittlung“, S.12) einher: Grundsätzlich seine Leistungen reduzieren oder schließ- aus „verhaltens- oder personenbedingten
ist einem Menschen ohne familiäre Ver- lich einstellen“, heißt es drohend im Bericht. Gründen“, führt zusammen mit der Um-
pflichtungen mehr zumutbar. Die Zumut- kehrung der Beweislast zu einem Teufels-
barkeit erhöht sich allerdings für alle (mit Die Beweislast wird umgekehrt! Ob kreis der Erpressbarkeit. Durch die
oder ohne familiäre Verpflichtungen) mit ein Job zumutbar ist, entscheidet zu- Aufhebung des Arbeitnehmerüberlas-
der Dauer der Arbeitslosigkeit. nächst der JobCenter. Gemäß den Vor- sungsgesetzes (vgl. M8 „Die Personal
stellungen des Berichts muß der/die ServiceAgentur“, S. 24) ist die Zumut-
Arbeitslose nun beweisen, dass eine barkeit von entrechteten, entgarantierten
Die Flexibilisierung der Sperre Stelle, die er/sie ablehnt, nicht zumutbar Jobs grenzenlos.
Teile und Herrsche! ist. Durch die Umkehrung der Beweislast
liegt die Beweispflicht bei ihm/ihr. Hält Die Koppelung mit dem Leistungsbezug
An die neuen Zumutbarkeitskriterien sind der/die Arbeitslose eine zugewiesene macht deutlich, mit welchem Druck Ar-
neue flexible Sanktionsmaßnahmen ge- Arbeit nicht für zumutbar, kann er/sie dies beitslose in Leiharbeitsverhältnisse ge-
koppelt. Bisher galt eine befristete Sperr- nur beim Sozialgericht oder dem neuen presst werden sollen, um damit vor allem
zeit. Nun werden, wenn der/die Arbeits- „Beschwerdemanager“ einklagen. Dies die Ausdehnung des Niedriglohnsektors
lose eine der Regeln verletzt und/oder gilt für alle Einwände, die den „persön- und der entgarantierten (Lohn-)Arbeits-
kein „aktives Mitwirken“ zeigt, zwei Vor- lichen Bereich“ des Arbeitlosen betreffen, verhältnisse zu forcieren. Dies hat die Ab-
schläge unterbreitet, wobei durchaus Misch- wie z.B. Krankheit, gesundheitliche Ein- senkung des Lohnniveaus insgesamt
formen möglich sind: schränkungen oder familiäre Umstände. ebenso wie die der Lohnersatzleistungen
zur Folge.
1. Seine Leistungen werden gemäß der So wird in Modul 6 „Zusammenführung
alten Regelung stufenweise für eine von Arbeitslosen- und Sozialhilfe“, im Denn künftig soll Höhe der Leistungen
bestimmte Zeit (4, 8 oder 12 Wochen) Zusammenhang mit der Einführung des um einen bestimmten Prozentsatz dauer-

[17]
gekürzt. Aktionsbudgets und der Abschaffung des haft gekürzt werden. Dies bedeutet ein
alten Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) neues Instrumentarium zur stufenweisen
2. Die Höhe der Leistung wird gemindert. extra darauf hingewiesen, daß die neue Absenkung der Höhe des Arbeitslosen-

Die neue Zumutbarkeit


Das bedeutet eine aufeinanderfolgende Bundesanstalt für Arbeit sich der „Rechts- geldes auf die Tiefen des (neuen) Sozial-
stufenweise Senkung der Höhe des streitereien“ und des damit verbunde- geldes.
Arbeitslosengeldes um 10%, 20%oder nen „Verwaltungsaufwandes“ entledi-
30% auf Dauer. gen will (vgl. M6 „Zusammenführung von Die erhöhte Mobilitätsanforderung führt
Arbeitslosen- und Sozialhilfe“, S.20). zwangsläufig zur zunehmenden Verein-
Eine neue Regelung für das Ende des zelung, da der/die Einzelne aus dem
Leistungsanspruchs ist vorgesehen aber bisherigen sozialen Zusammenhang
noch nicht konkretisiert. Bisher erlischt (FreundInnen, Familie, Lebensgemein-
ein Anspruch bei einer Dauer der Sperr- Einschätzung: schaften) herausgerissen wird, um dann
zeit von 24 Wochen. Zwang zur Mobilität, weniger Lohn, Unter- sein/ihr Glück als WanderarbeiterIn zu
bzw. Runterqualifizierung und die Pflicht suchen.
Eine flexible Sanktionsregelung soll zur Zeit- bzw. Leiharbeit kennzeichnet die Außerdem erhöht sich faktisch die Zahl
nach „Sperrzeittatbeständen“ dosiert neue Zumutbarkeit. der Alleinerziehenden (Frauen).
eingesetzt werden können. So soll z.B.
die Weigerung einer Teilnahme an einer Eine Pflicht zur Leiharbeit über die PSA Die „Mitwirkungs- und Eigenleistungs-
Integrationsmaßnahme weniger bestraft mit der Verpflichtung, für bis zu 6 Monate pflicht“ liegt in der Beurteilungsgewalt
werden als die Ablehnung eines „zumut- in Höhe des Arbeitslosengeldes in Form des/der einzelnen SachbearbeiterIn. Dies
baren“ Arbeitsangebots. einer/s „Probezeit/Praktika“ zu arbeiten, führt in Verbindung mit dem Prämien-
beinhaltet neben der gnadenlosen system zu Willkür. Die „Eingliederungs-
Die MitarbeiterInnen des JobCenters Ausbeutung derer, die Arbeit suchen, ein vereinbarung“ suggeriert, dass sich zwei
sollen angewiesen werden, sich auf kein Ausnutzen und Ausdehnen sog. Probe- auf gleichberechtigter Ebene einigen.
„Spiel mit dem Kunden“ einzulassen und zeiten und Praktika ohne Lohn. Das Tatsächlich ist es aber ein Verhältnis der
dies in „Verbindung mit Freiwilligkeit und JobCenter wird zur Leihfirma für kosten- Ungleichheit: Es wird ein Verhaltens-
Pflicht“ konsequent umzusetzen. lose Arbeitlose. katalog (die „Handlungsoptionen“) vor-
„Verletzt der Kunde die Regeln, indem er geschrieben, der als Grundlage zur
trotz intensiver Klärung seiner Situation Es gibt kaum ein Entrinnen aus dem Prüfung der „Mitwirkungspflicht“ dient.
und der geeigneten Handlungsoptionen Zwang zur Leiharbeit. Die Drohung, mit Dieser ist abzuarbeiten, kann aber jeder-
die angebotenen Möglichkeiten nicht Abzug bzw. Kürzung des ALG bei einer zeit beliebig erweitert werden.
M4
Jugendliche Arbeitslose

Kleiner, schlanker und vor allem billi- Das JobCenter übernimmt die Ver- Leiharbeitsfirmen durch „Erwerbstätigkeit
ger für die Unternehmen soll die Aus- pflichtung, dafür zu sorgen, „dass kein und Betriebspraktika Erfolgserlebnisse
bildung werden. Im Kampf gegen Jugendlicher ohne eine aktive beider- und Anerkennung“ erlangen. Hierzu soll
Jugendarbeitslosigkeit hat sich die seitige Suche nach einer Praktikums- oder es – die Vermittlung begleitend – entspre-
Kommission etwas besonders perfi- Ausbildungsstelle zu Hause sitzt und chende kommunale Paten- und Partner-
des ausgedacht: „Alle machen mit“, Transferleistungen erhält“. Kein Ausbil- schaftsprogramme mit den Regionen
ist das neue Motto, wenn es um die dungsplatz und keinen Pfennig Geld in geben.
Finanzierung von (Aus-)Bildung geht. der Tasche! (vgl. M6 „Kindergeld“ S. 21)
Über die PSA soll es nun auch für
Für junge Leute, die einen Ausbil- Die „Begabungspotentiale“ der Jugend- Jugendliche „neue Möglichkeiten zur
dungs- oder Studienplatz suchen lichen sollen im Schulsystem früher er- betriebsnahen Qualifizierung“ geben.
bzw. bekommen wollen, soll es ein kannt und gefördert werden. Diese D.h., die Vermittlung von Jugendlichen in
„AusbildungsZeit-Wertpapier“ geben. „Förderung“ sieht vor, daß „weniger theo- Betriebe zum Erwerb sog. Qualifizie-
Eine Stiftung soll gegründet werden, riebegabte SchülerInnen generell stärker rungsbausteine. (Vgl. M8 „Aufbau von
in die öffentliche Einrichtungen, Un- praxisorientierten Unterricht erhalten“. PSA/Coachingmaßnahmen, S. 25)
ternehmen und vor allem Privatper- Das bedeutet die frühzeitige Festlegung
sonen spenden sollen. Eine zusätz- auf spätere Ausbildungs- oder Berufs- Für Jugendliche soll es zur neuen
liche Finanzierung soll über ein möglichkeiten. Zumutbarkeit gehören, eine Ausbildung
bundesweites Rabattkarten-System und Qualifizierung in anderen Regionen
erreicht werden. Eltern und Groß- Deutschlands oder Europas anzuneh-
eltern sollen Wertpapieranteile kau- Die Mini-Ausbildung men: „Aus der Not wird eine Tugend (!).
fen und so für die (Aus-)Bildung ihrer Ausbildung und Qualifizierung in ande-
Kinder und Enkel Geld ansparen. Gemäß einer Orientierung am Ar- ren Regionen Deutschland oder Europa
beitskräftebedarf der Unternehmen sollen ist besser als keine Ausbildung“ (vgl. M3
Das „AusbildungsZeit-Wertpapier“ neue „arbeitsmarkfähige Ausbildungs- „Die neue Zumutbarkeit“, S. 14).
soll sowohl für die Ausbildung als berufe“ geschaffen werden . Dies wurde Die einzelnen Qualifizierungsbausteine –
[18]

auch für das Studium eingesetzt wer- ähnlich bereits im Bündnis für Arbeit unter statt einer regulären Ausbildung – kann
den. Über die Stiftung wird das ange- dem Stichwort „Ausbildung und Wettbe- der/ die Jugendliche dann auch europa-
sparte Geld an Betriebe und werbsfähigkeit“ vereinbart. Mehr Ausbil- weit erwerben.
Jugendliche Arbeitslose

Universitäten ausgezahlt. Sie erhalten dungsordnungen mit, laut Bericht „weni-


auf diesem Wege eine „Förderung“ per ger komplexen Anforderungen“ sollen
Lehrgeld, wenn sie den/die Jugend- geschaffen werden. Dem entsprechend Das „Ausbildungszeit-Wertpapier“
liche/n (aus-)bilden. werden dann den Jugendlichen vom oder: „Kauf dir einen Bildungsplatz!“
neuen JobCenter „arbeitsmarktfähige Der Weg zurück zum Lehrgeld!
Zudem soll eine neue Form der Qualifizierungsbausteine aus bestehen-
„Mini-Ausbildung“ eingeführt wer- den Ausbildungsberufen“ angeboten. Die Vorab: Ausbildung meint hier Berufs-
den, und Jugendliche sollen über Schaffung von „Einfacharbeitsplätzen ausbildung oder/und Studium!
Zeit- bzw. Leiharbeit die „Möglich- und Übungswerkstätten besonders für be-
keit“ erhalten, verschiedene Stellen nachteiligte Jugendliche“ ist vorgesehen. Das System des „AusbildungsZeit-
„auszuprobieren“. Sie könnten damit Wertpapiers“ (AZWP) lobt sich selbst als
auch bei unterschiedlichen Arbeitge- In diesem Sinne sollen bereits für das eine „Gemeinschaftsaktion aller gesell-
bern bundesweit einzelne „Module“ kommende Berufsschuljahr (Herbst ´02) schaftlichen Gruppen“. Es soll ein Fond
(Qualifizierungssbausteine) erwerben. neue Lehrpläne eingeführt werden. „Die zur Finanzierung von Ausbildungsplätzen
Innenministerkonferenz will damit die geschaffen werden. In diesen Fond flie-
theoretische außerbetriebliche Ausbil- ßen folgende Gelder: Zuschüsse der
dung von 19 dualen, teils neuen Ausbil- Arbeitsverwaltung, Kostenanteile der Aus-
dungsberufen besser an die jeweiligen bildungsbetriebe, (private) Spenden
beruflichen Anforderungen anpassen“. sowie Lohn- und Rentenanteile von Eltern
(aus: Berliner Morgenpost vom 25.08.02) und Großeltern (über den Kauf von
AZWP’s).
Der verstärkte Einsatz von Zeit- bzw.
Leiharbeit soll – so heißt es zynisch – „Ju- Darüberhinaus sollen Einnahmen aus
gendlichen die Möglichkeit geben, ihre einem landesweiten Rabattsystem, beste-
Interessen zu entdecken und verschiede- hend aus der Händlerpauschale (d.h. ein
ne Stellen auszuprobieren“. Besonders bestimmter Prozentsatz des Umsatzvolu-
„schwervermittelbare Jugendliche“ sollen mens fließt in die Finanzierung von Aus-
über eine Vermittlung durch die PSA- bildungsplätzen) und Kundenrabatt-Mar-
AusbildungsZeit
ken des Verbrauchers, kommen. Unter
Wertpapier
Zukunft die wenigen vorhandenen Aus- Mit dem AZWP wird die Ausbildungs-
dem Motto „Rabatte für mehr Ausbil- bildungsplätze zu 50% als reguläre Aus- finanzierung grundlegend umgestaltet:
dung“ kann jede/r über sein individuelles bildungsplätze und zu 50% als Ausbil- nicht die Unternehmen bzw. Arbeitgeber
Rabattkonto beim täglichen Einkauf ganz dungsplätze über das AZWP per Lehrgeld sondern Privatinvestitionen eines jeden/
privat Mittel locker machen, die für die privat finanziert werden. jeder Einzelnen oder der Familie sind es,
Finanzierung von Ausbildungsplätzen die den (qualifizierten) Arbeitskräftenach-
eingesetzt werden. Einschätzung: schub der Unternehmen finanzieren und
Zum „AusbildungsZeit-Wertpapier“ sichern sollen. Der Staat fördert damit
Die Umsetzung und Verwaltung des Mit dem zweck- und personengebunde- eine verfassungswidrige Umgestaltung
Fonds läuft über gemeinnützige lokale nem Papier in der Hand soll dann die der Ausbildungsfinanzierung.
oder regionale Stiftungen. Sie akquirieren Finanzierung der Ausbildung aus privater,
und werben die finanziellen Mittel. Diese eigener Tasche garantiert werden. Die Die kläglichen Überreste des dualen
Gelder werden dann für die Bildung des Unternehmen zahlen keinen Pfennig für Ausbildungssystems werden durch ein
Kapitalstocks der Stiftungen, die Finan- diese Ausbildung. Sie sollen Zuschüsse Parallelinstrumentarium letztlich gänzlich
zierung der Ausbildungsplätze (gebunden erhalten und die kompletten Ausbil- ausgehöhlt bzw. beiseite gefegt. Ein
an das AZWP) oder sonstiger Maßnah- dungskosten per AZWP werden von Oma Verdrängungseffekt bzw. eine Umgestal-
men verwendet. Die Stiftungen agieren und Opa bezahlt. tung der (Aus)Bildungsfinanzierung weit
als Garanten für die Ausbildung. Sie ver- über das 1:1-Prinzip hinaus ist absehbar.
kaufen auch die zweck- und personenge- Mit dem AZWP wird der Ausbildungs- Das bedeutet längerfristig eine Zunahme
bundenen „AusbildungsZeit-Wertpapiere“, oder Studienplatz zur (ver-)kaufbaren von Privatschulen, privaten Universitäten
an die sog. Schenker. Ware! Nur, wer Geld hat, kann in Zukunft und privat finanzierter betrieblicher oder
seinen Kindern einen Ausbildungsplatz überbetrieblicher Ausbildung und Quali-
Die „Schenker“ sind Eltern, Groß- kaufen. Wer dagegen als Jugendlicher fizierung.
eltern, Verwandte usw., die für ihre Kinder keine reichen Eltern oder andere Gönner
oder Enkelkinder Wertpapieranteile „in mit Geld hat, bleibt auf dem ungelernten Das „AusbildungZeit-Wertpapier“ wird
beliebiger Höhe erwerben“ können und (Hilfs-)ArbeiterInnenjob sitzen. Die Gön- sich damit längerfristig nicht nur auf die

[19]
diese dem Jugendlichen „schenken“. ner der Zukunft können ihre Finanzierung Jugendlichen auswirken. Die strategische
Dem/Der InhaberIn eines AZWP wird wiederum an Bedingungen knüpfen. Ausrichtung zielt auf den gesamten
über eine „mündelsichere Anlage am Bildungsbereich und die generelle priva-

Jugendliche Arbeitslose
Kapitalmarkt“, über den Fond eine Aus- „Das AusbildungsZeit-Wertpapier ist ein te Finanzierung von Bildung!
bildungsfinanzierung, sowie eine damit Instrument zur Finanzierung zusätzlicher
verbundene und versprochenen „Verfüg- Ausbildungsplätze“, heißt es frohlockend Das Wertpapier soll laut Zeitungsbe-
barkeit des Ausbildungsplatzes“ durch die in dem Bericht. Allerdings zeigen Erfah- richten in ein bis zwei Bundesländern als
Stiftungen garantiert. rungen, daß sich mit jeder Form des Modellprojekt gestartet werden.
Ausbildungskaufs das Eigenengagement
Die genannte mündelsichere Anlage der Unternehmen verringert und weniger Einschätzung:
ist nichts anderes, als das angelegte bzw. betriebliche Ausbildungsplätze geschaf- Zur Mini-Ausbildung
bezahlte Geld, das der/die „Schenker“ in fen werden. Für alle ohne Geld in der Generell fällt auf, daß nur Maßnahmen
den Fond durch den Kauf eines AZWP Tasche verschärft sich durch das 1:1- vorgesehen sind, die das viel beschwore-
zahlt, und das dann dem jeweiligen (Aus) Prinzip der Kampf um die dadurch zu ne – aber kaum relevante – Prinzip der
bildungsbetrieb/Unternehmen über den 50% (!) reduzierten regulären Ausbil- Chancengleichheit zur propagandisti-
sog. Fond quasi als Lehrgeld ausgezahlt dungsplätze. schen Makulatur werden lassen.
wird. Um welche Summen es dabei
gehen soll, schreibt die Frankfurter Rund- Die Verantwortung für eine funktionieren- Es werden „abgespeckte“ Ausbildungen,
schau am 21.08.02: „Der Auszubildende de Berufsausbildung haben nach dem die „weniger komplexe Anforderungen an
kauft sich mit einem zinsgünstigen Kredit Urteil des Bundesverfassungsgericht vom Auszubildende“ stellen sollen geschaffen.
von 25.000 Euro beim Betrieb ein.“ 10.12.1980 bislang die Arbeitgeber: „In Eine „Mini-Ausbildung“ für den Mini-Job
dem in der Bundesrepublik Deutschland und hinterher den Mini-Lohn.
Die „beschenkten“ InhaberInnen des bestehenden dualen Berufsausbildungs-
AZWP lösen bei Beginn ihrer Ausbildung system mit den Lernorten Schule und Betrieb Der Deutsche Industrie- und Handels-
(oder Studium) das Wertpapier bei einer (Behörde) liegt die spezifische Verantwor- kammertag (DIHK) meldet für den
der regionalen Stiftungen ein. Das da- tung für ein ausreichendes Angebot an Juli´02 einen Rückgang der Lehrstellen
durch ausgelöste Geld erhält der Aus- betrieblichen Ausbildungsplätzen der um 5,9% im Vergleich zum Vorjahr.
bilder. Natur der Sache nach bei den Arbeitge- Verantwortlich für die Lehrstellensituation
bern, denn sie verfügen (...) typischerweise sei neben der schwierigen konjunkturel-
Nach einem festgelegten Schlüssel für über die Möglichkeiten, Ausbildungsplätze len Lage auch die Weigerung der Gewerk-
den Arbeitgeber von 1:1 sollen dann in zu schaffen und anzubieten“ schaften, „schlanke, theoriegeminderte
M5
Menschen ab 55 Jahre
„Bridge-System“ und „Lohnzuschuß“
Fortsetzung Mini-Ausbildung: „Wer älter als 55 ist und arbeitslos, 1. Die Lohnversicherung
Berufe für praktisch Begabte“ mit einer der kann sich auf eigenen Wunsch „Die Lohnversicherung ersetzt für die
Ausbildungszeit von bis zu zwei Jahren aus dem Vermittlungsprozess entlas- ersten Jahre nach der Entlassung einen
einzuführen, beklagt der DIHK. Denn nur sen lassen“. Eine Art Rente als Brücke Teil des Einkommensverlustes in einer
in „einfachen Berufen“ hätten Schulab- in den Vorruhestand wartet auf den neuen Beschäftigung“, heißt es im Be-
brecherInnen (das sind 10-15% der älteren Arbeitslosen. So oder so ähn- richt. Mit der „Lohnversicherung“ (als
SchülerInnen eines Jahrgangs, laut DIHK) lich wird das „Bridge-System als Zitat: „neue Strategie“!) sollen niedrig
ein Chance. Antwort auf die Altersarbeitslosigkeit„ entlohnte Stellenangebote für ältere
gepriesen. Was aber hat es auf sich (Lohn-)ArbeiterInnen attraktiv gemacht
Statt das Bildungssystem insgesamt zu mit der im Bericht verkündeten: werden!
verbessern, um die sog. Schulabbrecher- „ehrlichen und verantwortungsbe-
Innen ernst zu nehmen, wird die schlech- wussten Antwort auf die Frage, wie Die „Lohnversicherung“ erhalten „die
te Bildungssituation von den Unter- der heutigen Altersarbeitslosigkeit älteren ArbeitnehmerInnen“ als Ausgleich
nehmen ausgenutzt. Sie werden per Defi- wirksam begegnet werden kann“? zu ihrem vorherigen Lohn, wenn sie einen
nition zu „theorieunbegabten“ Jugend- Billig-Job annehmen!
lichen erklärt und die Schaffung von billi- Das System soll schrittweise bis 2005
gen Miniausbildungen für den Mini-Job wieder zurückgefahren werden. Denn Die Leistung basiert als eine Art pro-
und den Mini-Lohn gefordert. Eine danach werden Arbeitskräfte wieder zentualer Ausgleichszahlung (als sog.
Verkürzung der Ausbildungszeit dient nur rar, verkündet die Kommission. Ältere Zuschuß) auf der Netto-Lohndifferenz
dazu, später die Löhne zu senken. Als werden dann wieder gebraucht. zwischen dem alten (höher bezahlten) und
„praktisch Begabte“ sollen sie den künfti- dem neuen (niedriger bezahlten) Job.
gen Bedarf an (qualifizierten) Hilfsar- Neben dem „Bridge-System“ sollen
beiterInnen der Unternehmen decken. ältere Arbeitslose einen Zuschuß als Die Bezugszeit der Lohnversicherung
sog. Lohnversicherung erhalten. Da- (im neuen Billig-Job) wird um die Monate
Nicht die SchulabbrecherInnen, die da- mit soll ihnen der Einstieg in einen des zuvor bezogenen Arbeitslosengeldes,
[20]

mit quasi zu „Ungebildeten“ erklärt wer- niedriger entlohnten Job schmackhaf also um die Zeit der Arbeitslosigkeit zwi-
den und damit auch im Status Quo der gemacht werden. schen dem alten und dem neuen Job,
„Ungelernten“ verhaftet bleiben sollen, gekürzt.
sind das Problem. „Ungebildet“ ist nur Als eine „ehrliche und verantwortungsbe-
Jugendliche Arbeitslose / Menschen ab 55 Jahre

das Schulsystem selbst! Und Jugendliche wusste Antwort“, um der heutigen Alters- Die Leistung wird ab 55 Jahre gezahlt.
ohne Schulabschluß brauchen mehr arbeitslosigkeit wirksam zu begegnen, Der Anspruch auf diesen Zuschuss aus
Unterstützung und Qualifizierung statt werden zwei Modelle vorgeschlagen. der „Lohnversicherung“ besteht nur ein-
weniger! Mit ihnen soll für „ältere Arbeitnehmer mal innerhalb von 5 Jahren, also einmal
der Verbleib in der Beschäftigung ge- zwischen 55 - 60 Jahren.
Um die Gewerkschaften zu kaufen, hat währleistet werden“:
der DIHK ein „Satellitenmodell“ ent- Die volle Leistung wird bezahlt, wenn
wickelt, nachdem die Ausbildungsinhalte 1. Ein „Zuschuß“ aus der sog. Lohn- es sich beim neuen Job um eine sozial-
flexibler gestaltet werden sollen. Neben versicherung soll die Einkommens- versicherungspflichtige Beschäftigung
den Grundqualifikationen soll es künftig einbußen bei der Herabstufung in gerin- handelt. Bei einer Teilzeitbeschäftigung
„Wahlbausteine“ geben, als eine Art ger entlohnte (Lohn-)Arbeitsverhältnisse wird der Anspruch entsprechend gekürzt.
„Modulsystem“. „In manchen Bereichen ausgleichen. Keine Leistung erhält mensch, wenn der
machen solche Module Sinn“ räumt als- Job bei einem früheren Arbeitgeber er-
dann auch die DGB-Sprecherin ein. In 2. Über das „Bridge-System“ sollen folgt.
der Chemie und Medienbranche gibt es ältere Arbeitnehmer (ab 55 Jahre) aus
bereits solche Ausbildungsberufe. Wie- dem regulären Beschäftigungssystem
viele Module/Bausteine mensch lernt ist bzw. Leistungsbezug „aussteigen“. Es wird
dann allerdings auch abhängig vom als die neue Form des Vorruhestands ge-
Geldbeutel. priesen.

Darüberhinaus ist eine Arbeit für ältere


Menschen als „PraktikantIn“ oder in der
„ehrenamtlichen und zivilgesellschaft-
lichen Arbeit“ vorgesehen.
Für den Arbeitgeber sollen Anreize ge-
schaffen werden, ältere Arbeitnehmer
einzustellen.
billig oder
2. Das „Bridge-System“:
unbrauchbar?
Einschätzung:
Älteren Arbeitslosen (älter als 55 Jahre) Mit keinem der zwei Modelle wird der Das „Bridge-System“ bedeutet: neben
wird angeboten, aus der Betreuung „Verbleib in der Beschäftigung“ gewähr- dem auf 5 Jahre gestreckten Arbeits-
durch das JobCenter auszusteigen. Sie leistet. Sie zielen auf das Abdrängen älte- losengeld (ALG I) fallen die Betroffenen
erhalten eine monatliche Zahlung inclusi- rer Menschen in den Niedriglohn-Sektor aus dem regulären Beschäftigungssystem
ve Sozialversicherungsbeiträgen. Das und PratikantInnenstatus. raus. Durch die aber zumeist geringe
bedeutet: 5-Jahres-Ratenauszahlungen sind sie
aber nach wie vor auf (Lohn-)Arbeit
Der Gesamtanspruch auf das Arbeits- Der sog. Lohnzuschuss als Übergangs- angewiesen. Sie erhalten aber, da sie aus
losengeld (Gesamtwert/ALG I) wird dann geld in den niedriger entlohnten Job ist dem „regulären Beschäftigungssystem
nicht mehr monatlich für die Bezugszeit lediglich ein einmal gezahltes Trostpflas- aussteigen“, keine Stellenangebote mehr.
(ALG I = 12 Monate) gezahlt. Sondern ter für den Ausstieg aus dem regulären
sie wird auf 5 Jahre gestreckt (bis zur (Lohn-)Arbeitsverhältnis und den Einstieg Sowohl das „Bridge-System“ als auch der
Frührente mit 60) monatlich als eine sog. in den Niedriglohn-Sektor. Dies beinhal- „Lohnzuschuß“ sind lediglich für den
Rente ausbezahlt. Das und nichts anderes tet ein planmäßiges (Ab-)drängen von Ausstieg aus dem gut bezahlten (Lohn-)
bedeutet „Bridge-System“ – ein Taschen- Menschen ab 55 Jahre in prekäre (Lohn-) Arbeitsverhältnis mit einem entsprechend
geld zur Überbrückung, wie der Ausdruck Arbeitsverhältnisse. hohen Anspruch auf Arbeitslosengeld
schon sagt. Mit Erstattung des Barwertes (evtl. plus privater Versicherung) gedacht.
„steigt“ der/die Betroffene aus dem regu- Durch die Vermittlung in sog. Praktikant- Sie kommen überhaupt nur für jene in
lären Beschäftigungssystem/Leistungsbezug Innenstellen werden Menschen ab 55 Frage, die in einem solchen (Lohn-) Ar-
aus und fällt aus der Arbeitslosenstatistik Jahren in die „ehrenamtliche Arbeit“ beitsverhältnis gearbeitet haben, aber
raus. abgeschoben. In einen Bereich, der jetzt nicht für all die, die bereits in prekären
schon überwiegend unentgeltlich in gro- und niedrig entlohnten (Lohn-)Arbeits-
Das Bridge-System soll nur vorüberge- ßem Maße von ihnen geleistet wird. verhältnissen sind.
hend eingeführt werden. Angesichts der

[21]
demografischen Entwicklung soll es wie- Das Drücken sog. Älterer in die unent- Diese Maßnahmen zielen vor allem auf
der stufenweise zurückgenommen wer- geltliche „ehrenamtliche Arbeit“ oder den die gut verdienenden (Lohn-)Facharbei-
den, denn laut demografischer Entwick- Niedriglohn-Sektor bedeutet auch das terInnen in regulären (Lohn-)Arbeits-
lung werden ab 2005 Arbeitskräfte wie- Senken ihres Rentenniveaus! verhältnissen. Sie beinhalten einen bitte-

Menschen ab 55 Jahre
der rar, verkündet die Kommission. Ältere ren Deal mit den Gewerkschaften, um
würden dann wieder gebraucht. Da keine Arbeitsplätze für sie geschaffen ihre verbliebene „ältere“ Klientel zu ver-
oder gesichert werden, kommt verschär- trösten. Die Folge davon ist ein Aus-
Um ein Zusatzeinkommen zu ermög- fend hinzu: nur wer als „arbeitsunfähig“ tausch regulärer (Lohn-)Arbeitsverhältnisse
lichen, soll älteren Arbeitslosen durch die gilt, erhält in Zukunft das (neue) Sozial- gegen die sogenannten „modernen Be-
PSA-Leiharbeitsfirma eine „PraktikantIn- geld. (Lohn-)ArbeiterInnen, die mit ihren schäftigungsformen“ und die Entwertung
nenstelle“ in Unternehmen vermittelt 55 Jahren bis zur Rente als „arbeitsfähig“ von (Lohn-)Arbeit.
werden: „Sie erhalten dann eine Prakti- gelten, fallen aus dem Bezug des neuen
kantenvergütung“(!). Weiterhin sollen Sozialgeldes raus und haben es zudem Abgesehen davon, dass ein auf 5 Jahre
ältere Menschen in der „ehrenamtlichen schwer auf dem (jung-dynamischen) Ar- gestrecktes Taschengeld für die meisten
und zivilgesellschaftlichen Arbeit“ tätig beitsmarkt. nicht zum Leben reichen wird, ist das
werden. Sie sollen über die PSA-Leih- „Bridge-System“ für unzählige Frauen ein
arbeitsfirmen Angebote erhalten, um „in Das Bridge-System ist nichts weiter als schlechter Witz. Sie arbeiten in der Regel
Vereinen und Initiativen auf Stadt- eine Form der Aussteuerung. Es handelt als „Zuverdienerinnen“ im entgarantier-
teilebene in einem monatlichen Umfang sich dabei um eine Maßnahme zum ten Niedriglohnbereich. Sie erhalten –
von 40 bis 60 Stunden tätig zu werden.“ Zweck der Bereinigung der Arbeitslosen- wenn überhaupt – geringeres Arbeitslo-
statistik. Das Institut für Arbeitsmarkt- und sengeld.
Für die Arbeitgeber soll es weiterhin Berufsforschung (IAB) der Bundesanstalt
Lohnkostenzuschüsse geben. Als Anreiz für Arbeit bemerkt dazu: Ebenso kommt für sie die „Lohnver-
für die Einstellung eines Älteren soll der sicherung“ nicht zum Tragen, da diese ja
Arbeitgeberanteil für die Arbeitslosen- „Das Bridgesystem kann die Arbeits- keinen Wechsel von Billig-Job zu Billig-
versicherung gesenkt werden. Der Antrag losenzahl senken, indem es ältere Job bezuschusst. Bleibt also vor allem für
von SPD/Grünen geht darüberhinaus Arbeitslose aus der Statistik drängt“. Frauen ab 55 das (ab-)drängen in die
und sieht die komplette Streichung des (nach: Daniel Kreutz, „Zur Bewertung der „ehrenamtliche und zivilgesellschaftliche
Arbeitgeberanteils vor. Zudem soll die Ergebnisse der Hartz-Kommission“) Arbeit“ in einer gesellschaftlichen Zukunft
Möglichkeit der befristeten Beschäftigung der Suppenküchen.
älterer Menschen durch eine neue er-
weiterte Befristungsregelung von jetzt 58
Jahren auf 50 Jahre vorverlegt werden.
M6
Zusammenführung von
Arbeitslosen- und Sozialhilfe
Sozialgeld nur noch für Arbeitsun- Verschiebebahnhöfe (doppelte Zustän- Künftig gibt es drei Leistungen:
fähige! Das Leistungssystem wird digkeit durch Sozialamt und Arbeitsamt,
vollkommen verändert. Die Verwert- Arbeitsamt und Krankenkasse) werden 1. Das Arbeitslosengeld I / (ALG I)
barkeit des/der Einzelnen tritt in den abgeschafft. Jede/r, die/der Leistungen Es handelt sich hierbei um die (alte) bei-
Vordergrund. Im Kern geht es bei den bezieht, wird nur noch von einer einzi- tragsfinanzierte Versicherungsleistung.
neuen „Leistungen“ um die neue gen Stelle betreut und erhält eine einzi- Die Höhe des ALGI ist im Prinzip wie bis-
Maßgabe der „Arbeitsfähigkeit“ oder ge Leistung! her abhängig von der vorherigen beitrags-
„Arbeitsunfähigkeit“. Menschen, die pflichtigen Arbeit (nach der Leistungs-
keinen Job haben und als „arbeitsun- Grundlage für den Leistungsbezug tabelle, mit/ohne Kind). Die Berech-
fähig“ gelten, erhalten das neue sind die dem Arbeitslosen vorgelegten nungsgrundlage soll nun laut Kommis-
Sozialgeld. Wer gekündigt wird und „Handlungsoptionen und seine Eigenini- sion generell der Durchschnittslohn der
zuvor in die Arbeitslosenversicherung tiative„. Dazu werden die „Eingliede- letzten 12 Monate sein. Die jährliche
eingezahlt hat und die Ansruchsvor- rungsvereinbarungen“ vor dem Hinter- Anpassung des Bemessungsentgeltes an
aussetzungen erfüllt, erhält für maxi- grund der „neuen Zumutbarkeit“ mit das allgemeine Lohnniveau werden
mal zwölf Monate das Arbeitslosen- dem/der VermittlerIn oder FallmanagerIn abgeschafft!
geld I (ALGI) und im Anschluß das getroffen und von diesen regelmäßig
neue Arbeitslosengeld II (ALGII). Das überprüft. „Als Konsequenz werden wei- Das ALGI soll gesplittet werden: in den
ALG II erhalten darüberhinaus alle, tere Aktivitäten durch den Fallmanager ersten 6 Monaten als Pauschalleistung
die als „arbeitsfähig“ gelten, also ausgelöst. Der Umfang des Arbeitslo- mit drei Tagessätzen (Heimatkasse, Lan-
auch „Arbeitsfähige“, die bisher sengeldes II knüpft sich dabei an die deskasse, Bundeskasse; kostenneutrale
Sozialhilfe oder Arbeitslosenhilfe Bereitschaft des Arbeitslosen zur Mitwir- Festlegung), dann vom 6. bis12. Monat
(evtl. plus ausgleichender Sozialhilfe) kung an den Integrationsmaßnahmen“. genau gerechnetes Arbeitslosengeld
erhalten haben oder die Anspruchs- (analog dem heutigen ALG).
voraussetzungen für ALGI nicht erfül- Wesentlich am neuen Arbeitslosengeld
len. Die bisherigen Leistungen wer- ist: Es gibt verschärfte Spielräume für das Die „fiktive Festsetzung des Bemessungs-
den zusammengelegt. Jede/r erhält Absenken des Arbeitslosengeldes! Z.B. entgeltes“ (berufliche/finanzielle Einstuf-
[22]

dann nur noch eine Leistung: ALG I, aufgrund einer Ablehnung von einer „zu- ung) entfällt und wird durch eine
ALG II oder Sozialgeld! mutbaren Stelle“, eines Verstoßes gegen Pauschale ersetzt, deren Höhe sich am
die „Eingliederungsvereinbarung“ usw., durchschnittlichen Bemessungsentgelt
Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe

Für alle, die das Arbeitslosengeld I aber auch wegen einer versäumten Be- aller Versicherten misst.
oder II erhalten, gilt: Sie müssen „aktiv“ werbung oder einer Kündigung durch
mit den SachbearbeiterInnen des eine PSA-Leiharbeitsfirma aus „persön- Nach wie vor gilt, dass ein eingezahlter
JobCenter zusammenarbeiten, sonst lichen oder arbeitsbedingten Gründen“ Leistungsanspruch (auf ALG I) erhalten
wird gekürzt oder sie fliegen aus dem kann das Arbeitslosengeld abgesenkt bleibt und auch nach einer aus „persön-
Leistungsbezug raus! werden. lichen Gründen“ vorübergehenden Ab-
meldung wieder abgerufen werden kann.
Flankiert nach dem Prinzip: „Überwa- Der Anspruch verfällt nach 5 Jahren (bis-
Um Leistungen zu bekommen, muss chen und Strafen“ wird dies durch einen her 4 Jahre). Allerdings, so heißt es in
ein Mensch grundsätzlich als „förde- sog. verhaltensbeeinflussenden Sank- dem Bericht auch, ist „ein Abmelden aus
rungsbedürftig“ gelten. Allerdings er- tionskatalog, mit dem der Leistungsbezug dem JobCenter unter Aufrechterhaltung
gänzt mit der ausdrücklich betonten bei Fehlverhalten stufenweise gesenkt von Ansprüchen nur möglich, solange
neuen Maßgabe, daß das neue Arbeits- oder aufgehoben wird. Durch die Ver- kein zumutbares Jobangebot unterbreitet
losengeld nur abhängig von der „Arbeits- knüpfung mit einer drohenden Sperrzeit wurde“. Mensch kann sich nur für eine
fähigkeit“ gezahlt wird. Der ärztliche bzw. der Kürzung oder des Wegfalls des begrenzte Zeit abmelden, da sonst durch
Dienst im JobCenter entscheidet über die ALG wird die „Ernsthaftigkeit der eigen- den „Abstand zum Berufsleben“ eine
Arbeitsfähigkeit bzw. die sog. Erwerbs- ständigen Integrationsbemühung ver- Vermittlung schwieriger wird („Freiwillig-
fähigkeit! Stellt der ärztliche Dienst eine stärkt“ und sanktioniert. keit und Pflicht“!?). Weiter heißt es:
„Arbeitsunfähigkeit“ fest, gibt es das Abmelden darf nicht missbraucht werden,
neue Sozialgeld. Die Module M6 „Zusammenführung von um z.B. einer Kürzung/Beendigung der
Arbeitslosen- und Sozialhilfe“ und M3 Leistung durch die neue flexible Sperr-
Neu an der Leistungsstruktur ist die „Die neue Zumutbarkeit“ greifen eng in- zeitregelung zu entgehen.
Zusammenführung von Arbeitslosen- und einander (vgl. M3 „Die neue Zumut-
Sozialhilfe. Die ausgleichende Sozialhilfe barkeit“, Flexibilisierung der Sperre, S. 15).
zur Arbeitslosenhilfe (sog. Aufstocker)
und das zusätzliche Krankengeld bei
Teilerwerbsunfähigkeit wird mit der Zu-
sammenlegung abgeschafft. Alle sog.
Eine Zuständigkeit
Eine Leistung
2. Das Arbeitslosengeld II / (ALG II) Weiterbildung, Krankengeld,
Im Anschluss an das ALG I oder bei Kindergeld und das Aktionsbudget
Nichterfüllung der Anspruchsvoraus-
setzungen (fürs ALGI) wird es für alle Über die genannte Umstrukturierung
„Arbeitsfähigen“ das ALG II geben. Also der „Leistungen“ hinaus gibt es wei-
auch „Arbeitsfähige“, die bisher Sozial- tere einschneidende Änderungen: bei
hilfe oder Arbeitslosenhilfe (evtl. plus aus- der Weiterbildung, dem Krankengeld
gleichende Sozialhilfe) erhalten haben, und dem Kindergeld für arbeitslose
werden ins ALG II eingestuft. Die „Hö- Jugendliche, sowie durch die Ein-
he“ der zu erwartenden Leistungen bleibt führung des sog. Aktionsbudgets als
im Bericht offen! Maßnahme weg von der Arbeits-
förderung, hin zur Wirtschaftsförde-
Das ALGII ist als eine „steuerfinanzierte, rung(!) (vgl. M11 „Das Kompetenz-
bedürftigkeitsabhängige Leistung“ konzi- Center“, S. 31).
piert. Als neue „Hilfe zur Sicherung des
Lebensunterhalt“ ist sie unbefristet. Aller-
dings ändern sich die Kriterien für den Weiterbildung
Anspruch und die Höhe der Leistung. Unterhaltsgeld und Anschlussunterhalts-
geld gehen in das Aktionsbudget Job-
Das ALG II wird nur bei „Arbeitsfähigkeit“ Center über. Weiterbildung wird künftig
und der „Bereitschaft des Arbeitslosen Einschätzung: mehr und mehr zur selbst bezahlten An-
zur Mitwirkung“ gezahlt! Die „Arbeits- Die vorgesehene Umstrukturierung soll gelegenheit. Im Sinne einer „Aufstiegs-
fähigkeit“ wird zunächst durch den ärzt- bis zum 31.12.05 die „Arbeitslosigkeit fortbildung“ oder „betriebsspezifischen
lichen Dienst festgestellt und dann die und die Dauer der Arbeitslosigkeit sen- Qualifizierung“ ist „eine Kostenbeteili-

[23]
Verfügbarkeit und Mitwirkung regelmäßig ken“ und vor allem Gelder einsparen! Ist gung durch den/die ArbeitnehmerIn(!)“
durch den/die VermittlerIn/FallmanagerIn dieses Ziel trotz Umsetzung der Maß- vorgesehen (vgl. dazu auch: „Aktions-
beim JobCenter geprüft. Im Bericht heißt nahmen (aller 13 Module) nicht erreich- budget“ auf der nächste Seite, S. 22).

Weiterbildung, Krankengeld, Kindergeld und das Aktionsbudget


es dazu: „Der Umfang des ALG II knüpft bar, ist kurzfristig über weitergehende
sich dabei an die Bereitschaft des Vorschläge, u.a. auch die „Einführung
Arbeitslosen zur Mitwirkung an den der zeitlichen Begrenzung des Arbeits- Krankengeld
Integrationsmaßnahmen“. Wird diese losengeldes“, zu entscheiden, heißt es „Der Anspruch auf ALG tritt im Krank-
Verpflichtung verletzt, wird die Höhe des abschließend im Bericht der Kommission. heitsfalle erst dann ein, wenn der An-
ALGII abgesenkt oder mensch fliegt aus Es ist allerdings jetzt schon eine generel- spruch auf Krankengeld erschöpft ist.“
dem Leistungsbezug raus. le Befristung des Arbeitslosengeldes II in Das betrifft all jene, die zur Zeit zum
der Diskussion. ALG/ALHI noch Krankengeld erhalten,
Es wird der „Finanzstatus erhoben“ und weil sie aufgrund einer Krankheit für
der „familiäre Kontext des Arbeitslosen Zudem ist auch das als unbefristet ange- „telerwerbsfähig“ eingestuft wurden . In
berücksichtigt“ (wie bei der jetzigen kündigte ALG II nicht tatsächlich unbe- Zukunft entfällt, wenn mann/frau Kran-
Arbeitslosenhilfe). fristet, denn es dient zur Abstufung auf kengeld erhält, der Anspruch auf
Sozialgeldtiefe oder zum Rauskicken Arbeitslosengeld. Nach dem Prinzip:
3. Das Sozialgeld des/der zwar „arbeitsfähigen“ aber „un- Jeder, der Leistungen bezieht, erhält künf-
Das neue Sozialgeld wird als „staatliche willigen“ Arbeitslosen aus dem generel- tig eine einzige Leistung! Das betrifft alle,
Fürsorgeleistung“ aus Steuergeldern len Leistungsbezug. Es ist eine Art vor- die aufgrund einer Erkrankung für länge-
finanziert. Entsprechend der bisherigen übergehendes „Prämiensozialgeld“! re Zeit (mehr als 6 Monate) nicht mehr
Sozialhilfe nach Bundessozialhilfegesetz als 15 Stunden pro Woche arbeitsfähig
(BSHG) als „Hilfe zum Lebensunterhalt“ Die Aufhebung der sozialen Grund- sind.
wird das Sozialgeld, laut Bericht, nach sicherung ist die Folge! Zu Ende gedacht
Bedürftigkeitskriterien errechnet. bedeuten die Vorschläge der Kommis-
sion: Jede/r, der/die wegen der Ver-
Die neue Maßgabe: „Sozialgeld nur für letzung ihrer/seiner sog. aktiven Mitwir-
Arbeitsunfähige“ grenzt das allgemeine kungspflicht aus dem ALG (I/II) raus-
Bedürftigkeitskriterium ein. Da aber das fliegt, aber nach wie vor gemäß der
BSHG die Bedürftigkeit zur Grundlage neuen „Maßgabe“ als „arbeitsfähig“ gilt,
hat und nicht die „Arbeits(un)fähigkeit“ erhält auch kein Sozialgeld! Er/sie fällt
widerspricht dies dem BSHG und muss damit aus beiden Leistungen raus!
demzufolge dahingehend geändert wer-
den.
M6
Weiterbildung, Krankengeld,
Kindergeld und das Aktionsbudget
Kindergeld für Diese neue „freie Förderung“ soll (von Das bedeutet: In Zukunft wird es nur
arbeitslose Jugendliche den künftigen „Vermittlungs-BeraterInnen) noch Ermessensleistungen (die belieb-
Zur Zeit erhalten Jugendliche zwischen als „Experimentiertopf für innovative ten Kann-Bestimmungen) nach offenen
18 und 26 Jahren Kindergeld, wenn sie Ansätze genutzt“ werden. Die Vergabe Vorgaben durch sog. Integrationsziele
beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet unterliegt dann nur noch einer „offenen statt gesetzlich geregelter Förderleis-
sind. „Zur Sicherung des Kindergeld- Vorgabe“, die sich lediglich an vier „Inte- tungen nach dem Arbeitsförderungs-
anspruchs in einer Überbrückungszeit ist grationszielen“ ausrichten soll: gesetz (AFG) geben. Es gibt dann folglich
die Arbeitlosmeldung nicht mehr erforder- auch keine einklagbaren Ansprüche
lich“, heißt es verwirrend im Bericht, denn der Arbeitsvermittlung mehr. Wer soll sich also auf welcher
die neue Regelung besagt gleichzeitig, der Arbeitsbefähigung Grundlage beim „Beschwerdemanager“
dass nur Geld bekommt, wer einen der Förderung von Selbständigkeit beklagen? Dann bleibt nur der direkte
Ausbildungs- oder Studienplatz (gegenü- der Chancengleichheit (ups!) Weg zum Sozialgericht. Diese Vor-
ber dem JobCenter) nachweisen kann. gehensweise spekuliert eiskalt damit, daß
Das Kindergeld dient künftig nur noch zur Das bisherige Gesetzbuch zur Arbeits- den meisten dieser Weg im Kampf um
Überbrückung der Zeit zwischen Schule förderung (AFG) landet auf dem Müll! ihre Rechte zu mühsam ist.
und Beruf/ Studium (das gilt auch für
Wehr- und Zivildienst). Wer keinen Weiterhin wird in diesem Zusammenhang Durch die Einführung des „Aktions-
Ausbildungs-/Studienplatz nachweisen extra daraufhingewiesen, dass die neue budgets“ sind Arbeitslose in punkto
kann, bekommt nur dann Kindergeld, Bundesanstalt für Arbeit sich so der „Förderung“ bzw. „Aktionsgeld“ allein
wenn er/sie sein „intensives Bemühen um Rechtsstreitereien und des damit ver- dem guten Willen bzw. der Willkür
einen Platz (Ausbildung, Studium, Wehr- bundenen Verwaltungsaufwandes ent- des/der künftigen VermittlerIn oder Fall-
oder Zivildienst) belegen kann“! ledigen kann! Für alle, die sich trotzdem managerIn ausgesetzt.
streiten wollen, gibt es dann den direkten
Das Kindergeld soll generell in Zukunft Weg zum sog. „Beschwerdemanager“ Zudem soll sich die Vergabe von Geldern
über die „Familienkasse“ im JobCenter oder direkt zum Sozialgericht. nach dem Arbeitsmarkt-Bedarf der Unter-
[24]

ausgezahlt werden. nehmen ausrichten. Doch wie sieht der


Marktbedarf real aus? Neben den nöti-
Das Aktionsbudget! Die Geldvergabe per Aktions- und gen (Lohn-)FacharbeiterInnen besteht vor
Vom „Aktionsbudget“ ausgenommen Globalbudget wird nach einer regionalen allem ein Bedarf an billigeren – und den-
Das Aktionsbudget

sind Sonder-Förderprogramme für den Ausrichtung, gemäß der „natürlichen noch qualifizierten – jeder Zeit abrufba-
„Aufbau Ost“. Wirtschaftsräume“, umgesetzt. Das ren flexiblen Arbeitskräften! In Ver-
bedeutet eine Ausrichtung nach dem bindung mit der neuen „Beschäftigungs-
Die heutigen „Instrumente der Arbeitsför- (Arbeits-)Marktbedarf der jeweiligen beratung“ durch die Job- und Kompe-
derung für Arbeitnehmer und Arbeit- Regionen. Dafür sollen mit regionalen tenzCenter für „verschiedene Job-
geber“ (darunter fallen z.B. Überbrük- Akteuren (z.b. Kammern, Verbände, Gestaltungsmöglichkeiten“ gemäß der
kungsgeld, Unterhaltsgeld, Eingliede- Gewerkschaften, Unternehmen, Bi- unter Modul 7 („Kein Nachschub für
rungszuschüsse, ABM, Strukturanpas- ldungsträger, Kommunen, Kirchen) Nürnberg“) genannten „Instrumente der
sungsmaßnahmen usw.) werden stufen- Konzepte erarbeitet werden und die Kapazitätsanpassung“ wird, deutlich wo-
weise abgeschafft! Vermittlung durch das JobCenter gemäß hin die Reise geht:
einer Bedarfsanalyse ausgerichtet wer-
Die künftigen Gelder fließen in ein den (vgl. M11 „Das KompetenzCenter“, Es wird per „Aktions-“ und „unternehme-
„Aktionsbudget“ in der Hand des/der Markt- und Bedarfsorientierung S. 31) rischen Globalbudget“ eine Arbeits-
SachbearbeiterIn, bzw. als „unterneh- marktsituation finanziell gefördert, die
merisches Globalbudget“ für die je- eine Entwicklung hin zu einer kleineren
weiligen JobCenter. Es soll eine optimale Belegschaft aus einigen Stamm- bzw.
„Zusammenführung von Angebot- und (Lohn-)FacharbeiterInnen und einer Viel-
Nachfrage durch ein vereinfachtes Kon- Einschätzung Aktionsbudget: zahl von temporären JobberInnen bein-
zept“, gewährleistet werden. Die Maßnahmen- bzw. Fördergelder wer- haltet, als „Ich-AG“ oder als befristete
den stufenweise abgeschafft! Die künfti- Zeit- bzw. LeiharbeiterInnen!
Im Kern dieses neuen Konzeptes steht die gen Gelder im „Aktionsbudget“ und/ (vgl. M7 „Kein Nachschub für Nürnberg“,
„höhere Eigenverantwortung“ der Sach- oder „unternehmerischen Globalbudget“ „Instrumente der Kapazitätsanpasung“,
bearbeiterInnen. Sie sollen die Gelder werden an den Ermessensspielraum der S. 23 und M11 „Das KompetenzCenter“,
des „Aktionsbudgets“ verwalten und nach SachbearbeiterInnen geknüpft. die Umwandlung der Arbeitsförderung zur
eigenem Ermessen verteilen. Sie könnten Arbeitgeber- bzw. Wirtschaftsförderung“,
dann Mittel aus diesem Budget z.B. S. 30).
einem Arbeitgeber direkt anbieten, damit
er einen „Kunden“ einstellt.
M7
Kein Nachschub für Nürnberg

„Kein Nachschub für Nürnberg“ ist Auch zur Vermeidung von drohenden
das Ziel. Gemeint ist, daß JobCenter Entlassungen bzw. Kündigungen können
und KompetenzCenter Unternehmen Nachlässe gewährt werden! Damit soll
dabei unterstützen, Kündigungen zu „drohenden Entlassungen entgegenge-
vermeiden oder rasch neue (Lohn-) wirkt“ und eine „Förderung von innovati-
ArbeiterInnen einzustellen. Dafür soll ven Modellen zur Beschäftigungsstabilität
eine neue Dienstleistungskultur für geschaffen werden (z.B. flexible
den Kunden Arbeitgeber entstehen. Arbeitszeitmodelle mit Langzeitkonten)“, Einschätzung:
heißt es im Bericht . Das „komplexe System“, und der damit
So sollen Arbeitgeber, die am Jahres- verbundene „Nachlass“ für den Arbeit-
ende mehr (Lohn-)ArbeiterInnen be- geber, bedeutet eine Beschleunigung des
schäftigten und dadurch mehr in die Die JobCenter und KompetenzCenter Ausstiegs der Arbeitgeber aus der paritä-
Arbeitslosenversicherung einbezahl- werden in diesem Kontext zur „Beschäf- tischen* Beitragsfinanzierung der Sozial-
ten als im Vorjahr, ihren Anteil zum tigungsberatung“ für die Unternehmen in versicherung! (*Arbeitgeber und (Lohn-)
Teil zurückerstattet bekommen. Eben- Sachen Arbeitsrecht und Gestaltung ArbeiterInnen beteiligen sich zu gleichen
so Unternehmen, die niemanden ent- betrieblicher Arbeitsbedingungen. Teilen an den Sozialversicherungskosten).
lassen haben. Als „Bonus für Firmen“
wird der Ausstieg aus dem paritä- Es sind verschiedene „Job-Gestal- Dadurch sind vor allem Einnahmeaus-
tischen Sozialversicherungssystem tungsmöglichkeiten“ vorgesehen, um fälle für die Arbeitslosenversicherung zu
entsprechend einer künftigen priva- Entlassungen zu vermeiden. Die folgen- erwarten. Und so ist dann „Kein Nach-
ten Arbeitslosenversicherung einge- den „Instrumente der Kapazitätsan- schub für Nürnberg“ voll im Trend der
läutet. passung“ werden in diesem Zusammen- Privatisierung der Arbeitslosenversiche-
hang genannt: rung. Die künftig leeren Kassen werden
dann das nächste Argument zur privaten
Unter dem Schlagwort „Kein Nachschub Zeit-Wertpapier/Beschäftigungsscheck Arbeitslosenversicherung liefern.
für Nürnberg“ soll die Anzahl der Arbeits- 4-Tage-Woche

[25]
losen bei der Bundesanstalt für Arbeit Stafette Ausgebildeter(mit 20-24 Vor allem die Gewährleistung eines
wenn nicht weniger so doch zumindest Std./Wo.-Vertrag) „Nachlasses“ zur Verhinderung bzw. bei
möglichst konstant bleiben, auf gar kei- Teilzeit drohenden Entlassungen/Kündigungen

Kein Nachschub für Nürnberg


nen Fall aber steigen! Erreicht werden Reduzierte Mehrarbeit lässt ahnen, in welche Richtung die Reise
soll dies durch freiwillige Arbeitsplatz- Zeitkonten geht. Wie bei jedem Arbeitsk(r)ampf der
bilanzen bei Klein-, Mittel- und Groß- Interne/externe Mobilität Gewerkschaften um die Lohntüten wird
betrieben sowie ein damit verbundenes Insourcing/Outsourcing (Zusammen- eine alt bekannte Argumentationslinie
„Nachlass-System“ – als Bonus – für die arbeit mit anderen Firmen) der Arbeitgeber hervorgekramt: sie müs-
Unternehmen. Reduzierte Fremdvergabe sten entlassen, wenn die Löhne nicht sin-
Fertigung/Dienstleistung an Dritte ken. So liefert die Kommission ein
Durch die „freiwillige Arbeitsplatz- Einstellungsstop Faustpfand im Sinne der gewünschten
bzw. Beschäftigungsbilanz“ von Seiten Austritt mit Wiedereinstellungszusage Beschäftigungsentwicklung hin zur Umge-
der Arbeitgeber soll dem Job- bzw. Kurzarbeit staltung und Entwertung der (Lohn-)
KompetenzCenter ein Überblick über die Personelle Einzelmaßnahmen (z.B. Arbeit.
Struktur und Entwicklung der Beleg- der/die ehemalige (Lohn-)ArbeiterIn
schaften gegeben werden. Sie ist Aus- arbeitet nun als „Ich-AG“ fürs Unter- Entlassungen, so heißt es, soll mit „flexi-
gangspunkt für die „Beschäftigungsbera- nehmen) blen Arbeitszeitmodellen“ und neuen
tung“ von Seiten der Job- und Kompe- Temporäres Personal (Zeitarbeit) „Job-Gestaltungsmöglichkeiten“ ent-
tenzCenter sowie für die Gewährung des Vorruhestand/Altersteilzeit gegengewirkt werden. Viele der Modelle
dazugepackten „Nachlasses“. (vgl. M11 laufen allerdings auf eine „Arbeit auf
„Das KompetenzCenter“ S. 31) Abruf“ hinaus! Die meisten der „Instru-
mente der Kapazitätsanpassung“ beglei-
Kern des „Nachlass-Systems“ ist die ten bzw. begünstigen die aktuelle Ent-
finanzielle Unterstützung der Arbeitgeber wicklung hin zur einer kleineren Beleg-
durch „Entlastung bezüglich der Lohn- schaft aus einigen Stamm- bzw. (Lohn-)
nebenkosten“: Unternehmen mit positiver FacharbeiterInnen und einer Vielzahl von
oder neutraler Arbeitsplatzbilanz müs- temporären JobberInnen. Als „Ich-AG“
sen dann weniger Beiträge zur Arbeits- oder als befristete Zeit- bzw. Leiharbei-
losenversicherung abführen bzw. bekom- terInnen.
men sie am Jahresende zum Teil zurück-
erstattet.
M8
Aufbau von
PersonalServiceAgenturen
Für die künftigen temporären JobberIn- Bei der Einführung der Personal-
nen bedeutet dies, statt der gnadenlosen ServiceAgenturen (PSA) geht die
Entlassung eine extreme Fluktuation zwi- Kommission von der Annahme aus,
schen Arbeit und Nicht-Arbeit. Eine weite- daß sich viele Unternehmen scheuen,
re Folge ist in Verbindung mit der Lohn- Arbeitslose anzustellen, die sie nicht
senkung die Durchsetzung des eins-, kennen. Die Gefahr sei zudem groß,
zwei- oder drei-Jobverhältnisses. Eine daß die Unternehmen die neuen
Entwicklung, die der Forderung nach (Lohn-)ArbeiterInnen – wenn sie nicht
Umwandlung von (einer Unmenge) so „qualifiziert“ wie erwartet arbeiten
unbezahlten Überstunden in reguläre – wegen arbeitsrechtlichen Hemmnis-
(Lohn-)Arbeitsverhältnisse entgegenläuft. sen nicht mehr los werden.

Dem Unternehmen stehen künftig für Deshalb soll nun ein „Praktikum“ in
gute Zeiten die entsprechenden Arbeits- Leiharbeit über die PAS eingeführt
kräfte flexibel auf Abruf zur Verfügung, in werden. Arbeitlose sollen für bis zu
schlechten Zeiten spart das Unternehmen 6 Monaten in „Höhe“ des Arbeits-
die Lohnzahlung während der Leerzeiten losengeldes an die Unternehmen zur
und die Lohntüte bleibt leer. Wenn der „Probe“ ausgeliehen werden. So er-
Laden läuft, kassiert der Unternehmer halten Arbeitgeber die Möglichkeit ,
größere Gewinne durch die billigeren bei der PSA „Personal zu aquirieren“,
(Lohn-)Arbeitskräfte. Kommt es zu einem ohne dabei arbeitsrechtliche Ver-
Konjunkturausfall, wird dieser wiederum pflichtungen einzugehen.
auf dem Rücken der in die Fluktuation
entlassenen (Lohn-)ArbeiterInnen (ohne Wer als Arbeitslose/r kein Interesse
vollen Lohnausgleich) ausgetragen. an den Diensten der PSA hat, dem/
der kann das Arbeitslosengeld ge-
[26]

Mit der aktuellen Entwicklung ist auch kürzt werden. Das bedeutet Pflicht-
eine zunehmende Ausdehnung der arbeit zum Nulltarif!
entgarantierten (Lohn-)Arbeit ver-
Kein Nachschub für Nürnberg

bunden sowie die Verlagerung jeglichen


Risikos auf die (Lohn-)ArbeiterInnen. Dies Die PSA sind das „Herzstück der Ver-
beinhaltet ebenso die Aushöhlung bzw. mittlungsförderung“, heißt es im Bericht,
das Ende der gewerkschaftlichen (Basis-) der zentrale Hebel der Umstrukturie-
Organisierung in den Betrieben. Bei zu- rung! Mit PSA sind entweder private
nehmender Anzahl von temporären Dienstleister (Zeit- bzw. Leiharbeitsfirmen
(Lohn-)ArbeiterInnen entfällt in vielen oder ArbeitsvermittlerInnen) im Auftrag
Betrieben die Möglichkeit eines Betriebs- des Arbeitsamtes oder vom Arbeitssamt
rates. Allerdings mangelt es den meisten selbst in Kooperation mit regionalen Trä-
Gewerkschaftsfunktionären schon lange gern gegründete PSA gemeint. Die PSA
am Bezug zu den temporären (Lohn-)Ar- werden in jedes JobCenter integriert. Die
beiterInnen. Die teilnahmslose Zustim- PSA ist die „Drehscheibe zwischen Ar-
mung der Gewerkschaftsspitzen macht beitskräfteangebot und -nachfrage“ und
wieder einmal deutlich, wer zu ihrer soll den „permanenten Abgleich zwischen
„Kundschaft“ zählt: Offensichtlich nur die den Akteuren sicherstellen.“
Stammbelegschaft bzw. der/die (Lohn-
)FacharbeiterIn. Wenn es ihnen allerdings Wichtig für den reibungslosen Ablauf
nur noch um die (grenzenlose) Rettung und des „permanenten Abgleichs zwi-
einiger Verträge für ihr Klientel und vor schen den Akteuren“ ist in diesem Zu-
allem um ihren eigenen Funktionärs sammenhang die bereits in Modul 2
(arbeits)platz geht, wird es für die Mehr- genannte „Quick-Vermittlung“ (vgl. S. 12).
heit der (Lohn-) ArbeiterInnen längst Zeit, Demnach erhalten private Vermittlungs-
sich um eine neue Form der Organi- agenturen und die PSA ebenso wie Groß-
sierung zu kümmern. betriebe einen direkten Zugriff auf die
BewerberInnendatenbank der neuen
Bundesanstalt für Arbeit.
„Sklavenhändler hast
du Arbeit für mich?“
„Sowohl die PSA als auch privaten Tarifverträgen zu tun. Die regulären Tarif- keit“. Das sind z.B. „Trainig für Job“-
Personaldienstleister können aus dem verträge gelten erst – wenn überhaupt – Maßnahmen und „wie bewerbe ich mich
gesamten Pool des JobCenter vermitt- im Falle einer Übernahme bzw. Fest- richtig!“-Kurse, aber auch Kurse zur
lungsfähiger Arbeitskräfte Bewerber einstellung durch den leihenden Arbeit- Vermittlung von Schlüsselqualifikationen,
rekrutieren." geber. Der Anspruch auf das betriebs- Vermittlung von allgemeinbildenden und
übliche(!) Entgelt ist ausdrücklich nur für berufsspezifischen Kenntnissen. Es sind
Als eigenständige private Dienstleister den Fall der Übernahme in ein reguläres auch betriebliche Maßnahmen möglich!
im Auftrag des neuen JobCenter basiert (Lohn-)Arbeitsverhältnis vorgesehen! Mit dem Job-Aktiv-Gesetz wurde schon
die Zusammenarbeit auf einer „vertrag- eingeführt, daß nicht nur Arbeitslose,
lichen Regelung“. Im Rahmen dieser Ver- Zudem müsse der „PSA-Lohn“, so heißt sondern auch von Arbeitslosigkeit be-
tragsgestaltung erhalten die Zeit- bzw. es, begrenzt bleiben, um gegenüber drohte Menschen in diese Maßnahmen
Leiharbeitsfirmen zeitlich gestaffelte Zu- bestehenden „kommerziellen“ Leihar- gewiesen werden können, und daß diese
schüsse zu den Lohnkosten. Darüberhin- beitsfirmen wettbewerbsfähig zu sein. Maßnahmen auch im „Ausland“ stattfin-
aus bekommen sie bei einer erfolgrei- den können. (vgl. M4 „Jugendliche
chen Vermittlung in einen „Entleihbetrieb“ Angestellt bei der PSA-Leiharbeitsfirma Arbeitslose“, S.16)
eine zusätzliche Prämie. Andere „Förder- bezieht sich der genannte Kündigungs-
modalitäten“ sind angedacht, nach de- schutz auf die Zeit- bzw. Leiharbeitsfirma Als eine „neue Form vermittlungsorien-
nen die PSA z.B. für die Dauer des Ver- (quasi als kündigungsgeschützte/r Leih- tierter Arbeitnehmerüberlassung“ sollen
trages die Nettogehaltskosten in Höhe arbeiterIn). Für die leihenden Unterneh- für die PSA alle gesetzlichen Beschrän-
des Arbeitslosengeldes des (ge-)verliehe- men ist der Kündigungsschutz durch die kungen von Leiharbeit aufgehoben wer-
nen Arbeitslosen erhalten soll. Leiharbeit selbst aufgehoben. Leiharbei- den (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz/
terInnen fallen eh nicht unter den regulä- AÜG). Leiharbeit wird zwar vom AÜG
Vorgesehen ist eine Regelung, nach ren Kündigungsschutz in den Betrieben. grundsätzlich akzeptiert, doch werden ihr
der Arbeitslose über die PSA/Leiharbeits- (wenn auch noch wenige) Grenzen und
firmen für bis zu 6 Monaten in Höhe des Die Verpflichtung zu einer unent- Regeln auferlegt. Leiharbeit ist demnach

[27]
(neuen) Arbeitslosengeldes in Form einer lohnten 6-monatigen Leiharbeit ergibt nicht zumutbar, wenn sie gegen Be-
„Probezeit“ in einem Unternehmen ar- sich aus der in Modul 3 genannten „Mit- schränkungen des AÜG verstößt. Sie ist
beiten sollen. wirkungs- und Eigenleistungspflicht“. z.B. dann nicht zumutbar, wenn gegen
(vgl. M3 „Die neue Zumutbarkeit“, S. 14). Arbeitsschutzbestimmungen verstoßen

Aufbau von PersonalServiceAgenturen


„Während der Probezeit, die bei Be- wird oder aber LeiharbeiterInnen wäh-
währung (in der Leiharbeit) gekürzt wer- Eine Vermittlung durch die PSA/Leih- rend eines Arbeitskampfes als Streik-
den kann, erhalten sie einen Nettolohn in arbeitsfirma in den befristeten Arbeitsmarkt brecherInnen eingesetzt werden. Ebenso
Höhe des Arbeitslosengeldes, anschlie- wie z.B. Urlaubsvertretung, Vertretung für ist Lohndumping (unterhalb des Mindest-
ßend den tariflich vereinbarten PSA- Erziehungszeiten und saisonbedingte Ar- lohns) verboten. Darüberhinaus sieht das
Lohn.“ beit ist vorgesehen. AÜG eine zeitliche Befristung von Leih-
arbeit vor und für MigrantenInnen eine
Durch die PSA sollen Arbeitslose an Das JobCenter und künftig auch die Pflicht zu muttersprachlichen Arbeitsver-
die Unternehmen ausgeliehen werden. PSA sollen „Coachingmaßnahmen“ zur trägen. Das AÜG ist allerdings – vor al-
Dadurch, so heißt es, werde den Firmen „Unterstützung der Vermittlung“ durchfüh- lem in den letzen zwei Jahren – schon
ermöglicht, durch „zunächst zeitlich be- ren. Die PSA sollen die bisherigen „Ein- ziemlich durchlöchert worden. So wurde
grenzte Einstellungen leichter neue Mitar- gliederungsmaßnahmen“ insbesondere mit dem „Job-Aktiv-Gesetz“ die Leihar-
beiter zu finden“. Das Ganze nennt sich für Menschen mit besonderen „Vermitt- beit grundsätzlich als Vehikel zur Bekämp-
dann „Klebeeffekt“. So kann der Arbeit- lungshemmnissen“ („Betreuungskunde“) fung der Arbeitslosigkeit durchgesetzt.
geber den/die zukünftigen (Lohn-)Arbei- ersetzen.
terIn erst testen, bevor er/sie ihn even- Besondere Anforderungen an den
tuell einstellt. Der „Weiterbildungsmarkt“, so die Kom- Gesetzgeber bezüglich des aktuellen
mission, müsse radikal umgewälzt wer- Änderungsbedarfs des Arbeitnehmer-
„Die durch Zeitarbeitsfirmen oder PSA den. Wer in Zukunft im Auftrag von Job- überlassungsgesetzes (AÜG) sieht die
beschäftigten Arbeitnehmer(innen) haben Center als PSA sog. Weiterbildungsmaß- Kommission nun in der Aufhebung fol-
Anspruch auf den vollen rechtlichen nahmen anbieten will, muß nachweisen, gender (verbliebener) Beschränkungen:
Kündigungsschutz und tarifliche Ent- daß seine „Kunden“ auch tatsächlich
lohnung“. Dies ist der hochgelobte Deal Jobs finden. Mit Weiterbildungsmaß- das Synchronisations- und besondere
mit den Gewerkschaften: Es wird ein nahmen sind hier die eben genannten Befristungsverbot.
eigener „Tarif“-Vertrag (d.h. ein verein- „Coachingmaßnahmen“ gemeint, bes- das Verbot der Zeitarbeit im Bauge-
barter PSA-Lohn!) gültig für alle Zeit- bzw. ser bekannt als „Trainigsmaßnahmen und werbe (bezieht sich nur auf das Bau-
Leiharbeitsfirmen abgeschlossen. Dieser Maßnahmen der Eignungsfeststellung“, hauptgewerbe).
Vertrag hat aber nichts mit den regulären zur „Verbesserung der Vermittlungsfähig- besondere administrative Auflagen
wie die Pflicht zu muttersprachlichen
Arbeitsverträgen.
die Pflicht zur Ausstellung von Kontroll-
mitteilungen.
das Wiedereinstellungsverbot.
nisse sondern organisiert einen enormen junktureinbrüche oder auch Krankheit
Es heißt quasi als Leitmotiv: „Beendi- Pool an (Lohn-)Arbeitskräften, aus dem und Urlaub entstehen könnte. Sie sparen
gung der Diskriminierung der Zeitarbeits- sich der Arbeitgeber je nach Belieben natürlich auch für diese Zeit – und darum
unternehmen bei gleichzeitiger Anglei- bedienen kann. Per Mausklick in den geht es ja – die entsprechenden (Lohn-)
chung der Arbeitsbedingungen an ver- EDV-gestützten „BewerberInnen“-Daten- Kosten.
gleichbare Arbeitnehmer der Entleihunter- pool! um dann die künftigen PSA-Leihar-
nehmen“. Fragt sich nur, wer sich an wen beiterInnen z.B. als LohndrückerInnen zu Mit der „Karotte vor der Nase“ (wie es
angleichen wird. benutzen oder während eines Streiks ein- Mag Wompel von Labournet/Germany
zusetzen! Als ob´s nicht schon genug auf einer Veranstaltung in Berlin passend
Das JobCenter als künftiger Zubringer Mißbrauch durch Leiharbeit gäbe. beschrieb), in der Hoffnung auf eine Fest-
für den modernen Sklavenhandel ist anstellung (welch altmodisch klingender
durch die Zusammenarbeit mit privaten Da die PSA aber selbst Leiharbeitsfirmen Begriff) erhöht sich auch die Erpressbar-
Arbeitsmarktdienstleistern eine Steige- sind, bedeutet das ein regelrechtes staat- keit – zu Gunsten des Arbeitgebers – im
rung des Marktanteils für Zeitarbeits- lich verordnetes Lohn-Dumping. Eine Leiharbeitsverhältnis. Die Erpressbarkeit
firmen (2002: Deutschland ca. 0,7%, Anlehnung des PSA-Lohns an Randstadt insgesamt wird verschärft durch den
England/Frankreich: ca. 2,5%, Nieder- (eine der größten Zeit/Leiharbeitsfirmen) angedrohten Abzug oder der Streichung
lande ca. 4,1%) vorgesehen. Diese ist bereits in Verhandlung: 6,20 Euro/Std. des Arbeitslosengeldes bei einer Kün-
Steigerung wird „durch die Zusammen- soll der zukünftige PSA-Minimal-Brutto- digung durch die PSA-Leiharbeitsfirma
arbeit mit den im JobCenter integrierten lohn betragen. Manche sprechen sogar aus (nicht näher definierten!) „verhaltens-
PersonalService Agenturen gewährleis- von einem 5,50 Euro PSA-Stundenlohn! oder personenbedingten Gründen“. So
tet“. Auch eine Steigerung des Marktan-
[28]

wird sich der wundersame „Klebeeffekt“


teils von privaten Vermittlern durch die Wohin der Trend geht, zeigen folgen- schnell für all jene einstellen, die an der
Vergabe von Aufträgen durch das Job- de aktuelle Beispiele: PSA-Leiharbeit auf Zeit kleben.
Center wird erwartet. Dafür soll auch der Am 15. Juli 2002 erstattete die gewerk-
Aufbau von PersonalServiceAgenturen

schon eingeführte „Vermittlungsgutschein“ schaftliche Arbeitsloseninitiative Darm- Die Ausweitung der Leiharbeit führt zu
weiterentwickelt werden. stadt (Galida) Anzeige gegen zwei Zeit- einem Verdrängungseffekt gegenüber
arbeitsfirmen, die im SIS (Stellen-Infor- regulären (Lohn-)Arbeitsverhältnissen.
mations-Service des Arbeitsamtes) wegen Das bedeutet auch, dass der prekäre und
des „Verdachts des Lohnwuchers“. Hier faktisch entrechtete Charakter der Leih-
lagen die gezahlten Löhne bei 4 bis 5,5 arbeit zunimmt und ausgeweitet wird. Der
Euro. (Info´s unter:http://www.galida.de) fehlende Belegschaftszusammenhang
leistet der Aushebelung gewerkschaft-
Einschätzung: Die Vize-Vorsitzende des DGB Engelen- licher Basisorganisierung Vorschub, also
Zeitarbeit mag für einige attraktiv sein. Kefer lobt das Pilot-Projekt START in eine aus dem Leiharbeitsverhältnis resul-
Das Problem ergibt sich allerdings aus Nordrhein-Westfalen als „gutes Vorbild“ tierende Aufhebung der Rechte aus dem
der Pflicht zur Zeit- bzw. Leiharbeit und für die künftigen PSA. Besagte Vermitt- Betriebsverfassungs- und Tarifrecht.
der dahinterstehenden strategischen Aus- lungsagentur werden LeiharbeiterInnen Ebenso führt die verstärkte Einschaltung
richtung: Die generelle Umgestaltung des zu 20 % unter Tarif entlohnt. von Zeit/Leiharbeitsfirmen zu einer weite-
Arbeitsmarktes/der Gesellschaft durch die ren Aushebelung des Kündigungs-
Ausweitung von entgarantierten (Lohn-) schutzes.
Arbeitsverhältnissen. Faktisch wird den Unternehmen ermög-
licht, im großen Stil je nach Bedarf Der Zwang zur Zeit/Leiharbeit ist Mittel
Im Bericht heißt es bündig: Dies ermög- Arbeitskräfte aus diesem (unerschöpf- zum Zweck! Mit ihm wird die Aus-
licht den Unternehmen „neue Mitarbeiter lichen) Arbeitslosenpool zu „rekrutieren“, weitung des Niedriglohnsektors und
zu suchen, zu geringen Kosten auf Probe ohne ein Risiko bzw. arbeitsrechtliche infolgedessen die Senkung des Lohn-
und gegen Entgeld zu leihen und die Verpflichtungen einzugehen. Den Unter- niveaus insgesamt sowie der Abbau
eigene Personaladministration zu entlas- nehmen kommt die Ausweitung der ent- erkämpfter Rechte durchgesetzt. Die
ten“. garantierten (Lohn-)Arbeit per Dauerver- Entwertung der (Lohn-)Arbeit im doppel-
leih im Großen und Ganzen entgegen. Ist ten Sinn! Daran können auch all jene,
Im Sinne eines moderner Sklavenhandels die Belegschaft erst einmal durch die für sich Zeitarbeit attraktiv finden,
schafft das Arbeitsamt damit keinen LeiharbeiterInnen ausgetauscht, sparen kein Interesse haben.
Zutritt in reguläre (Lohn-)Arbeitsverhält- sie jeden Leerlauf, der z.B. durch Kon-
M9
Die „Ich-AG“, „Familien-AG“
und der „Mini-Job“
Mit der „Ich-AG“, der „Familien-AG – Der „Mini-Job“: lien-AG“ nicht über 20.000 Euro pro
als eine Erweiterung der „Ich-AG“ auf Die Verdienstgrenze für „Mini-Jobs“ Jahr die Rede. Bei höheren Einnahmen
Familienangehörige – und dem „Mini- wird von 325 Euro auf 500 Euro ange- muss ein normales Gewerbe angemeldet
Job“ soll die „Schwarzarbeit“ be- hoben. D.h., sämtliche(!) von einer werden.
kämpft werden. Arbeitslosen soll die Person angemeldeten „Mini-Jobs“ dürfen
Möglichkeit gegeben werden, sich zusammengenommen 500 Euro nicht Als Anreiz wird für drei Jahre ein pro-
per „Ich-AG“ Selbstständig zu ma- überschreiten. Sie unterliegen einer zentualer Zuschuss gezahlt. Die Sozial-
chen, um damit die „Schwarzarbeit“ Sozialversicherungspauschale von 10%. versicherungsbeiträge, die die „Ich-AG“
zu beenden. Mal wieder sind es die abführt, werden teilweise erstattet. Die
Arbeitslosen, die ins Visier geraten. In der Einführungsstufe gilt die Mini- Erstattungen werden gestaffelt und hän-
Ungeachtet dessen, daß vor allem Job-Regelung nur für haushaltsnahe gen vom vorherigen Anspruch auf
Unternehmen ein Interesse an der Dienstleistungen (Pflege, Erziehung, Be- Arbeitslosengeld und den Einnahmen der
„Schwarzarbeit“ haben, wenn sie ille- treuung und Versorgung). Sie gilt nicht für „Ich-AG“ ab. Der Zuschuss ist eine
gale Umsätze machen. Ihnen geht es Arbeitslose mit einem Nebenerwerbsein- Zufinanzierung bezüglich der Sozialver-
mit diesen Maßnahmen allerdings kommen. Eine Ausweitung auf andere sicherungsbeiträge der „Ich-AG“. Sie
nicht an den Kragen. Schwarzarbeit Bereiche wird nach einer Beurteilung in wird deswegen als kostenneutral bezeich-
als entgarantierte Arbeit wird es nach drei Jahren erwogen. net, da der Zuschuß sich im wesentlichen
wie vor geben! an den zuvor gezahlten Beiträgen der
Die Möglichkeit des Abzugs von der Bundesanstalt für Arbeit (für den Arbeits-
Tatsächlich zielt die Selbstständigkeit Steuerschuld wird eingeräumt. Die steu- losen) in die Sozialversicherungskasse
von (Lohn-)ArbeiterInnen per „Ich- erliche Absetzbarkeit der Dienstbotenbe- handelt. Sie erhält nun der/die „Ich-AG“-
AG“ auf eine geringere (statistische) schäftigung („Dienstmädchenprivileg“) InhaberIn in Form des (prozentualen) Zu-
Zahl der Arbeitslosen. Aber das ist soll wieder eingeführt werden. schusses und zahlt sie selbst (plus der feh-
noch nicht alles, denn es geht auch lende Differenz zu 100%) in die Sozial-
um den Austausch eines Teils der versicherungskasse.
Belegschaft durch die „Ich-AG“. Die „Ich-AG“ und „Familien-AG“:

[29]
Die neue Gewerbeform „Ich-AG“ soll Der prozentuale Zuschuss wird auf drei
Der „Mini-Job“ für „haushaltsnahe – als Vorstufe zur Gründung eines eige- Jahre gestaffelt: im ersten Jahr 60%, im
Dienstleistungen“ zielt auf eine weite- nen Gewerbes – den Schritt in die zweiten Jahr 50% und im dritten Jahr

Die „Ich-AG“, „Familien-AG“ und der „Mini-Job“


re Ausdehnung des Niedriglohn-Sek- Selbstständigkeit erleichtern. Als Über- 40%-Zuschuss aus den Sozialversiche-
tors statt der Umwandlung in regulä- gangszeit ist die „Ich-AG“ auf drei Jahre rungsbeiträgen und gestaffelt nach den
re (Lohn-)Arbeitsverhältnisse. Davon befristet. Familienmitglieder können auch Einnahmen der „Ich-AG“ errechnet.
sind vor allem Frauen betroffen. mitmachen. Dann ist es eine „Familien- Dieser Zuschuss wird nur einmal gewährt.
AG“.
Die Anzahl von als „Ich-AG“ Be-
Zielsetzung der „Ich-AG“ und „Familien- Der/Die InhaberIn einer „Ich-AG“ schäftigten kann in einem Unternehmen
AG“ sowie des „Mini-Jobs“ ist laut unterliegt im Gegensatz zu „normalen“ bis zu 50% der „normal Beschäftigten“,
Bericht: die „Schaffung und Vergrößerung Selbständigen der vollen Versicherungs- also 1:1 betragen. Für die Beschäftigung
des Marktes für Dienstleistungen und pflicht. Renten-, Kranken-, Pflegever- in Privathaushalten gilt keine Begren-
andere einfache Arbeiten, die Flexi- sicherung und zahlt auch Arbeitslosen- zung. Es sollen zunächst vor allem kleine
bilisierung der Beschäftigung in kleineren versicherung. Dadurch entfällt der Unternehmen und Handwerksbetriebe
Unternehmen und Handwerksbetrieben Anspruch auf das Arbeitslosengeld mit die Möglichkeit haben, die Leistungen
sowie die Förderung der Selbstständig- bzw. nach der „Ich-AG“ nicht. Er/sie zahlt einer „Ich-AG“ oder „Familien-AG“ im
keit“. den Arbeitgeber und Arbeitnehmeranteil Verhältnis 1:1 „in Anspruch zu nehmen“.
und hat dann, je nach Einkommen, aber
Der Bericht geht von 5 Millionen „Voll- zumindest die Mindeststandards der Einschätzung „Ich- & Familien-AG“:
zeitschwarzarbeiterinnen“ aus. Eine Sozialversicherung. Attraktiv mag die „Ich-AG“ für Menschen
große Nachfrage nach haushaltsnahen sein, die reale Aufträge haben. Als Über-
Dienstleistungen, die von ca. 3,5 Mill. Es erfolgt eine 10%ige Pauschalver- gang zu einer eh geplanten und realis-
Haushalten in Anspruch genommen wer- steuerung auf alle Einnahmen. Die tisch gesehen rentablen Selbstständigkeit
den, wird angenommen. Abführung von Umsatzsteuer entfällt. – natürlich nur mit genügend Eigen-
kapital in der Tasche – kann die „Ich-AG“
Die Gesamteinnahmen der „Ich-AG“ nützlich sein. Für alle Anderen ist der
dürfen nicht über 25.000 Euro pro Jahr Weg in die Selbstständigkeit per „Ich-
liegen. In anderen Veröffentlichungen ist AG“ keine Lösung: Ohne reale Aufträge
von einer Gesamteinnahme der „Ich-AG“ und Eigenkapital (für Einlagen, Investi-
nicht über 15.000 Euro und der „Fami- tionen, Anschaffungskosten usw.) ist eine
darauffolgende volle Selbstständigkeit Es sind auch hier die Arbeitslosen, die als leistungen, die im Bericht wie folgt be-
nicht möglich! So bedeutet die Selbst- „SchwarzarbeiterInnen“ ins Visier gera- schrieben wird: die „Schaffung und Ver-
ständigkeit für sie nichts anderes als eine ten. Der explizit einseitige Blick nährt das größerung des Marktes für Dienst-
Arbeitslosigkeit mit hohen Eigenkosten Klischee vom besserverdienenden „ar- leistungen und andere einfache Ar-
und/oder maßloser Selbstausbeutung für beitslosen Schwarzarbeiter“, der/die auch beiten(...)“.
einen Hungerlohn! noch Arbeitslosengeld bezieht. Für die
meisten Arbeitslosen dient jedoch die Mit der beabsichtigten Ausweitung der
Die repressiven Rahmenbedingungen der „Schwarzarbeit“ lediglich zur Aufstok- geringfügigen Beschäftigung für haus-
„aktivierenden“ Politik könnten Arbeits- kung eines kläglichen Arbeitslosen- oder haltsnahe Dienstleistungen wird ein
lose dazu bringen, den Ausweg im Aben- Sozialhilfegeldes. Vor allem dann, wenn Niedriglohn-Segment erweitert, in dem
teuer „Ich-AG“ zu suchen. Mit dieser keine regulären (Lohn-)Arbeitsverhältnis- fast ausschließlich Frauen tätig sind. Ziel-
Vorgehensweise zielt die Selbstständigkeit se zu finden sind, nimmt das Drängen in setzungen, solche besonders prekären
von (Lohn-)ArbeiterInnen per „Ich-AG“ die Schwarzarbeit zu! „Beschäftigungsverhältnisse“ in reguläre
auf eine vorübergehende geringere (sta- (Lohn-)Arbeitsverhältnisse umzuwandeln,
tistische) Zahl der Arbeitslosen. An einem Punkt bleibt die „Ich-AG“, werden damit untergraben.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufs- deren Leistungen die Unternehmen nach
forschung (IAB) der Bundesanstalt für Bedarf in Anspruch nehmen können, der Eine halbe Million Arbeitsplätze könnten
Arbeit befürchtet eine Zunahme von „Schwarzarbeit“ gleichgestellt: Sie ist nach einer Studie des Deutschen Insti-
„'Kümmerexistenzen', Pleiten und Schul- ebenso entgarantierte Arbeit auf Abruf tutes für Wirtschaftsforschung (DIW) ent-
den“. (Nach: Daniel Kreutz, „Zur Bewer- und eigenes Risiko. Zur Beendigung der stehen, wenn Agenturen für haushalts-
tung der Ergebnisse der Hartz-Kommis- „Schwarzarbeit“ sind das Ende der illega- nahe Dienstleistungen geschaffen und
sion“ / 22.08.02.) len Geschäfte von Unternehmen und die gefördert würden. Solche Dienstleistungs-
Umwandlung der „Schwarzarbeit“ in agenturen dürften eine zentrale Rolle bei
Darüberhinaus liegt die Crux in der stra- reguläre (Lohn-)Arbeitsverhältnisse not- der Ausweitung des Marktes von haus-
tegischen Ausrichtung der „Ich-AG“ im wendig. haltsnahen Dienstleistungen spielen.
Hinblick auf die Umgestaltung der (Lohn- Anstatt selbst als Arbeitgeber aufzutreten,
[30]

)Arbeitsverhältnisse und Entlastung der Bei der „Familien-AG“ als eine Erweite- können private Haushalte eine Agentur
Unternehmen. rung der „Ich-AG“ auf Familienange- ihrer Wahl beauftragen, Arbeitskräfte für
hörige, wird Frauen in der Regel die Rolle eine bestimmte Anzahl von Stunden pro
Die „Ich-AG“, „Familien-AG“ und der „Mini-Job“

Mit dem 1:1-Prinzip formuliert die Hartz- von mitarbeitenden Familienangehörigen Woche zur Verfügung zu stellen.
Kommission eine ausdrückliche Ein- (sie haben keinen Arbeitnehmerinnen-
ladung (zunächst) an Klein- und Hand- status!) bei einem männlichen Ich-AG- Seit April 2002 läuft in Mainz ein ent-
werksunternehmen: Anstelle der regulä- Inhaber zugedacht (z.B. die Ehefrau als sprechendes Modellprojekt unter dem
ren (Lohn-)Arbeitsverhältnisse tritt zu 50% Sekretärin). Dies zieht auch eine Zemen- Namen „Homepower“, das mit arbeits-
die „Ich-AG“ als quasi „freie Mitarbeiter- tierung und Ausweitung der (unentlohn- marktpolitischen Mitteln des rheinland-
Innen“. So wird die halbe Belegschaft zur ten) Reproduktionsarbeit nach sich. pfälzischen Sozialministeriums finanziert
„Ich-AG“, zu (Lohn-)ArbeiterInnen auf Während der Mann mit seiner (Schein-) wird.
Abruf. Damit wird jedes Risiko auf die Selbstständigkeit beschäftigt ist und die
„Ich-AG“ nach dem bewährten Prinzip Frau mal eben die Buchhaltung erledigt, Die geplante Senkung der gegenwärtigen
der Sub-Unternehmen abgewälzt. Ein kocht die Suppe in der Küche über und Sozialversicherungsbeiträge von 22%
Austausch- bzw. Verdrängungseffekt von schreien die Kinder nach IHR, während durch eine Sozialversicherungspauschale
regulären (Lohn-)Arbeitsverhältnissen sie die Herdplatte poliert. Alles im Glanz von 10% bedeutet nicht nur zusätzliche
wird forciert und die Arbeitslosen in eine eines Familienbetriebes der Gründer- Einnahmeausfälle bei der Sozialver-
neue Form der Scheinselbständigkeit jahre. sicherung, sondern kommt nur den
gedrängt. ArbeitgeberInnen zugute. Für die Mini-
Einschätzung „Mini-Jobs“: JobberInnen als kostengünstige Haus-
„Ich-AG“ ist als „Mittel zur Beendigung Die Anhebung der Verdienstgrenze für und FamilienarbeiterInnen bedeutet dies
der Schwarzarbeit“ mehr als fragwürdig! „Mini-Jobs“ von 325 Euro auf 500 Euro nach wie vor eine schlechte soziale
Die „Ich-AG“ ist für den Unternehmer bedeutet nicht, dass nun ein höherer Sicherung. Sie bleiben wegen der niedri-
zwar günstiger als das reguläre (Lohn-) Lohn gezahlt wird. Es bedeutet lediglich, gen Löhne mit ihrem späteren Renten-
Arbeitsverhältnis, aber ungeeignet bei daß sämtliche(!) von einer Person ange- anspruch auf der Höhe des Sozialgeldes.
illegalen Einnahmen! Denn für die meldeten „Mini-Jobs“ zusammengenom-
Umwandlung illegaler Einnahmen in men statt zuvor 350 Euro nun 500 Euro
Arbeitskraft wird Schwarzarbeit benötigt. betragen bzw. nicht überschreiten dürfen.
Und das beinhaltet im Kern genau jene
Ausweitung des Niedriglohn-Sektors im
Bereich der sog. haushaltsnahen Dienst-
M10
Personal, Organisation und Steuerung

Das Modul „Personal, Organisation Gemäß der Lehre von der „beleben- abgerufen. Die Daten (z.B. Arbeitsbe-
und Steuerung“ beinhaltet neben den den Konkurrenz“ wird für die Sachbe- scheinigung, Lohnabrechnungen) werden
Modulen 1 und 11 die Reformierung arbeiterInnen (VermittlerIn/Fallmanager- in einer zentralen Datenbank („Zentrale
der Ämter. Bei der Umstrukturierung In) der neuen JobCenter neben einer Archivstelle“) gespeichert. Statt des
der Bundesanstalt für Arbeit sollen „interessanten und herausfordernden Sozialversicherungsausweises soll künftig
alle (Lohn-)ArbeiterInnen der Institu- Arbeit für die Mission der Bundesanstalt die Personalausweisnummer registriert
tion einbezogen werden. Künftig soll für Arbeit“ ein besonderer Anreiz durch werden.
es ein neues Dienstrecht geben. Ähn- ein Bonussystem geschaffen. Sie sollen
lich wie bei der Post und Bahn soll in „selbstverantwortlich ihren Beitrag leisten, Über ein „TrustCenter“ wird die Zugriffs-
einer Übergangszeit die Zahl der ver- damit sie Erfolg erleben und Leistung als berechtigung zu den Beschäftigungs-
bliebenen BeamtInnen auf Null redu- lohnend erfahren können“. daten und Verdienstbescheinigungen
ziert werden. Aber schon jetzt sollen geprüft. Als privates Dienstleitungs-
neue Personalkonzepte erarbeitet Einen besonderen „Bonuspunkt“ gibt es unternehmen verwaltet, kontrolliert und
werden. Etwa die „leistungsbezogene für eine Vermittlung nach dem Job- pflegt es im Auftrag der neuen Bundesan-
Entlohnung der Mitarbeiter“Innen. Familien-Konzept (vgl. M2 „Die Quick- stalt für Arbeit die zentrale Datenbank.
vermittlung“, S.12). Aber auch die Ver-
Bestandteil der Umgestaltung ist mittlung von „Zielgruppen wie Jugend- Zunächst sollen die Daten nur durch ein
auch die Einrichtung einer neuen liche, Schwerbehinderte und Langzeitar- beiderseitiges Schlüsselsystem abrufbar
deutschlandweit vernetzten EDV/IT- beitslose“ wird prämiert. Das Bonus- sein (ArbeitnehmerIn und Sachbear-
Anlage. Das soll die Koordinierung System wird für die (Lohn-)ArbeiterInnen beiterIn), später dann erfolgt die Daten-
und „Arbeitskräfte-Bedarfsdeckung“ der JobCenter zur Grundlage eines „leis- speicherung und der Datenabruf direkt
verbessern und ein „Benchmarking“ tungsabhängigen Vergütungssystems“, durch die zuständigen Behörden. Eine
der einzelnen Ämter ermöglichen. welches das „Team“(!) als Ganzes einbe- „Task-Force“ (Sonderarbeitsgruppe) soll
Benchmarking d.h.: durch Unterneh- zieht. Der Beamtenstatus soll für alle unverzüglich die technischen Voraus-
mensvergleich von den Besten lernen! (Lohn-)ArbeiterInnen der neuen Bundes- setzungen der zentralen Speicherung die-
anstalt für Arbeit aufgehoben werden. ser Daten prüfen und schaffen.

[31]
Bei der Umgestaltung der Arbeitsämter
und der Neubeschreibung der Arbeits- Datenverarbeitung/Vernetzung
plätze für die SachbearbeiterInnen ist Die Einrichtung einer neuen bundesweit

Personal, Organisation und Steuerung


„Transparentes Controlling und effiziente vernetzten EDV/IT-Anlage beinhaltet:
IT-Unterstützung aller Prozesse“ vorgese- BewerberInnen-Datenbank: Private
hen. Die Transparenz der Leistungen der Dienstleister (Zeitarbeitsfirmen, Vermittler
Bundesanstalt für Arbeit und der einzel- usw.) sowie Großbetriebe(!) erhalten
nen JobCenter wird durch „Zielkriterien einen externen Zugriff zur Datenbank der
und Benchmarks“ intern und extern neuen Bundesanstalt für Arbeit. Sie be- Einschätzung:
nachvollziehbar gemacht. Das gesamte kommen einen direkten Zugriff auf die Die Einführung eines perfiden „leistungs-
Controlling und die einzelnen Prozesse vom JobCenter zur Verfügung gestellten abhängigen Vergütungssystems“ bewirkt
werden durch ein leistungsfähiges EDV/ BewerberInnendaten. Auch alle Sachbe- letztlich, daß die Eigeninteressen der ein-
IT-System unterstützt. Der Aufwand für arbeiterInnen haben Zugriff. Dies soll den zelnen SachbearbeiterInnen in den Mit-
das Ausfüllen von Formularen und die Austausch zwischen den „Kunden“ (Ar- telpunkt des Kontaktes zwischen Job-
Mehrfacherfassung von Daten soll redu- beitslose, Arbeitgeber) verbessern. Center und Arbeitslosen rücken: Bei
ziert werden. Stellen-Datenbank: Per „Selbstinforma- jedem Besuch im neuen JobCenter geht
tionseinrichtungen“ für die Arbeitssu- es bei der Vermittlung, der Prüfung der
Controlling und Benchmarking chenden im JobCenter soll der schnelle Mitwirkungspflicht (Eingliederungsver-
Die künftigen JobCenter unterliegen der Zugriff zumindest auf den „virtuellen“ einbarung) und dem Einsatz von Sanktion
direkten Kontrolle durch die Bundes- Arbeitsmarkt gewährleistet werden (vgl. immer auch um die Lohntüte des/der
anstalt für Arbeit, dem Controlling (die Stellen-Informations-System [SIS] der SachbearbeiterIn. Abgesehen davon, daß
Landesarbeitsämter werden zu sog. Arbeitsämter). es heute schon SachbearbeiterInnen gibt,
KompetenzCenter umgestaltet, (vgl. M 11 die so tun, als müssten sie die Leistungen
„Das KompetenzCenter“, S. 31). Durch Die Einrichtung eines zentralen Da- aus eigener Tasche bezahlen, wird die
Transparenz und Kontrolle („Controlling“) tenarchivs und die Einführung einer Einführung des Leistungslohns diese
und mittels des „Benchmarking“ wird Signaturkarte sind vorgesehen. Verdienst- Situation verschärfen.
unter den JobCentern und anderen Be- und Arbeitsbescheinigungen werden
reichen der Arbeits(losen)verwaltung ein durch den Arbeitgeber bei Dritten hinter-
„Wettbewerb um die besten Lösungen zur legt und über eine Signatur-Karte (Job
Vermeidung und Reduzierung von Arbeits- Card) von den zuständigen Stellen im
losigkeit“ entfacht. JobCenter für die Leistungsberechnung
M11
Das KompetenzCenter

In Zukunft wird es keine Landes-


arbeitsämter im herkömmlichen Sinn
mehr geben. Die Landesarbeitsämter
werden zu KompetenzCentern um-
strukturiert. Sie sollen zu Dienst-
leistern für große Unternehmen wer-
den und die Standortpolitik der
Landesregierungen begleiten. Ihre
Finanzierung erfolgt nicht wie jetzt
aus Versicherungs- sondern aus Steu-
ermitteln.

Das KompetenzCenter wird auf die


Funktion der Wirtschaftsförderung
und des Standortmarketings ausge-
richtet. Dies beinhaltet im Wesent-
lichen die Aufhebung der bisherigen
Arbeitsförderung zugunsten einer
Arbeitgeber- bzw. Wirtschaftsförde-
rung! Vom Sozialstaat zum Wettbe-
werbsstaat, denn die neuen Auf-
Zusätzlich bewirkt Das einziehende Kon- Der Sozialversicherungsausweis wurde gaben liegen vor allem in der
kurrenzprinzip durch „Controlling und vor einiger Zeit als Instrument gegen die Wirtschaftsförderung und der Sicher-
Benchmarking“ eine weitere Verschär- „Schwarzarbeit“, vor allem auf dem Bau, stellung des Bedarfs an Arbeits-
fung: Sowohl einzelne Sachbearbeiter- eingeführt. Der „Sozialversicherungsaus- kräften entsprechend der „natür-
[32]

Innen als auch ganze Teams werden weis“ sollte entweder beim Arbeitgeber lichen Wirtschaftsräume“. Im Kompe-
mittelfristig ihre Aufstiegschancen erhö- abgegeben oder, im Falle der Arbeits- tenzCenter sitzen die Ansprech-
hen, wenn sie „ihre Kunden“ – die losigkeit beim Arbeitsamt hinterlegt wer- partnerInnen für große Unterneh-
Arbeitslosen – möglichst schnell los wer- den. Damit sollte die „Schwarzarbeit“ men. Hier wird etwa koordiniert,
Personal, Organisation und Steuerung

den, durch Vermittlung um jeden Preis, erschwert bzw. verhindert werden. wenn es in der Region Investitions-
sei es durch massiven Druck, mittels bedarf oder zu wenig Arbeitskräfte
Androhung oder Senkung von Leistungen Was die Funktion des „Sozialversiche- gibt. Sie sollen in Zukunft auch regio-
bzw. Einstellung. Die Konkurrenz zwi- rungsausweises“ betrifft, kommt die Kom- nale Träger von Weiterbildungsein-
schen den verschiedenen JobCentern mission nun zu folgendem Schluß: Er richtungen zertifizieren.
wird – zwar auf anderer Ebene – ähnli- habe der „Schwarzarbeit“ nicht effektiv
che Auswirkungen haben. entgegenwirken können, da die Kranken- Zusammenfassend werden die Auf-
kassen mehrere „Sozialversicherungs- gaben mit „Clusterbildung“ beschrie-
Die Einführung eines zentralen Daten- ausweise“ an einzelne Personen ausge- ben. „Clusterbildung“ bedeutet: be-
archivs und der externe Zugriff steht im geben hätten, und somit die eigentliche reits etablierte Unternehmen locken
Widerspruch zu den datenschutzrecht- Funktion unterlaufen wurde. Um dies in andere an, die sich gegenseitig ver-
lichen Bestimmungen, aber das hat selbst Zukunft zu vermeiden, soll gleich die netzen und befruchten sollen und
die Kommission bemerkt und mahnt zu Personalausweisnummer der Arbeits- wieder weitere anlocken. Dies soll zu
einer raschen Regelung durch den Ge- losen gespeichert werden. Der Sozial- einem regionalen Wirtschaftswachs-
setzgeber. versicherungsausweis soll wieder abge- tum und damit zu neuen Jobs führen.
schafft werden. Weil die Aufgaben im Osten be-
DatenschützerInnen finden das bislang sonders wichtig sind, wird hier damit
OK. Sie gehen einfach selbstverständlich Das bedeutet lediglich verschärfte Kon- begonnen.
davon aus, daß die MitarbeiterInnen im trolle gegen (Lohn-)ArbeiterInnen statt
JobCenter verantwortungsvoll mit den tatsächlichem Abbau von illegalen Um- Die Landesarbeitsämter werden zu
Daten umgehen werden. Wo sonst sätzen und der für die Unternehmen nöti- KompetenzCentern für „neue Arbeits-
Kontrolle (vor allem der Arbeitslosen) gen Schwarzarbeit. plätze und Beschäftigungsentwicklung,
besser als Vertrauen zu sein scheint, wird Marktforschung und Entwicklungshilfe“
an diesem Punkt schon mal ein Auge umgebaut. Die Fach- und Dienstaufsicht
zugedrückt. Was aber sonst noch mit den gegenüber den alten Arbeitsämtern wird
Daten geschehen kann, bleibt dann der aufgehoben und diese Aufgaben direkt
Phantasie des „freien (Wettbewerbs-) durch die Bundesanstalt für Arbeit in
Marktes“ überlassen Nürnberg übernommen.
Standortpolitik
Die KompetenzCenter sollen in Bei der regionalen Ausrichtung gemäß Um Unternehmen anzuziehen, soll die
Zukunft arbeitsmarkt-, wirtschafts- und der „natürlichen Wirtschaftsräume“ spie- Kostenbelastung vermindert werden. Die
sozialpolitische Initiativen koordinieren. len die KompetenzCenter als Planungs- Entwertung der Arbeit erfolgt durch die
Ihre wesentliche strategische Aufgabe ist und Kontaktstellen eine wichtige Rolle. Umstrukturierung per sog. Hartz-Reform.
es, in Zusammenarbeit mit den JobCen- Parallel zur Einrichtung von dezentralen Darüber hinaus geht es dabei um die
tern, den Bedarf an Angebot und Nach- JobCentern wird die Geldvergabe per Senkung der Gewerbesteuer, Grund-
frage bezüglich der Arbeitskräfte (ent- Aktions- und Globalbudget (vgl. M6, steuer und die Senkung der Beitragssätze
sprechend der sog. natürlichen Wirt- „Das Aktionsbudget“, S. 20) im Sinne an die Sozialversicherungskasse.
schaftsräume) sicherzustellen. einer Ausrichtung nach dem (Arbeits-)
Marktbedarf der jeweiligen Regionen Einschätzung:
Sie sind Hauptansprechpartner für große gesteuert. Dafür sollen mit regionalen Die Umstrukturierung der Landesar-
Unternehmen und sollen folgende Auf- Akteuren (z.B. Kammern, Verbände, beitsämter führt zu einer Zentralisierung,
gaben übernehmen: Gewerkschaften, Unternehmen, zur zentralen Steuerung durch die neue
Bildungsträger, Kommunen, Kirchen) Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg.
Unterstützung der JobCenter bei der Konzepte erarbeitet werden und die
Beratung von Klein- und Mittelunter- Vermittlung durch das JobCenter gemäß Die neuen Aufgaben der Kompetenz-
nehmen (Beschäftigungsberatung, Un- einer Bedarfsanalyse ausgerichtet wer- Center beinhalten die Aufhebung der
terstützung bei Neuansiedlungen, den. Arbeitsförderung zugunsten einer Arbeit-
Wachstumsinitiativen und Existenz- geber- bzw. Wirtschaftsförderung, vom
gründungsberatung). „Clusterbildung“ d.h.: bereits etab- Sozialstaat zum Wettbewerbsstaat(!).Sie
Verbindungsstelle zur Landesregierung. lierte Unternehmen locken andere an, zielen auf die Anpassung an kapitalisti-
Koordination überregionaler Quali- die sich gegenseitig vernetzen und sche Verwertungsbedingungen und die
fizierungsprogramme. befruchten sollen und wieder weitere „Mobilisierung des Erwerbspersonen-
Trend- und regionale Arbeitsmarkt- anlocken. Sie benötigt die Schaffung von potentials“, (das sind laut Bericht:
forschung. organisatorischen Knotenpunkten im „Erwerbstätige, registrierte Arbeitlose und
Prüfung und Zertifizierung der Weiter- Netz internationaler Wirtschaftsbezie- Stille Reserve“) zu den Bedingungen des

[33]
bildungsträger entsprechend der Ar- hungen, und entsprechende „Think- krisengeschüttelten Marktes.
beitsmarktanforderungen. Tanks“ zur Entwicklung(-shilfe) von Mög-
lichkeiten und Formen einer Kooperation Zum Anderen beinhaltet die Wirtschafts-

Das KompetenzCenter
Das KompetenzCenter könnte sich der regionalen Potentiale. Dabei steht im förderung im Sinne einer „Clusterbil-
künftig um Genehmigungsverfahren Vordergrund die Verbesserung der „Wett- dung“ eine Wirtschaftskonzentration.
kümmern und nicht mehr das Unterneh- bewerbsfähigkeit“ einzelner Wirtschafts- Sie führt zur Konzentration auf bestehen-
men selbst. Für große Investitionsvor- zentren, um den Anschluß an den Stand- de entwicklungsstarke Wirtschaftszentren
haben sollen sie bereits im Vorfeld, also ortwettbewerb nicht zu verlieren. (die sog. natürlichen Wirtschaftsräume)
im Anfragestadium, eine ressortübergrei- und zur Vernachlässigung bzw. tenden-
fende Projektorganisation gewährleisten, Schon lange gibt es diesbezüglich Forde- ziellen Verödung strukturschwacher
die dem potentiellen Investor alle benö- rungen der Wirtschaftsverbände. So ist Regionen. Ebenso verstärkt die „Cluster-
tigten Informationen zur Verfügung stellt. z.B. einem Positionspapier vom Januar bildung“ eine Struktur von regional
2002 des VBKI (Verein Berliner Kaufleute ansässigen Großkonzernen und darum-
Alle Instrumentarien des JobCenter und Industrieller) zur „Clusterbildung in liegenden Zulieferbetrieben.
richten sich auf die konkreten Beschäf- der Wirtschaftsförderung“ zu entnehmen:
tigungsmöglichkeiten aus, d.h. aus- „(...) um die Position im Wettbewerb um Um den Bedarf an „Angebot und Nach-
schließlich nach dem „Arbeitsmarkt- Wachstum und Beschäftigung in Zukunfts- frage bezüglich der Arbeitskräfte“ sicher-
Bedarf“ der Unternehmen. branchen weiter zu verbessern“, soll der zustellen, sollen KompetenzCenter und
Staat, um dies zu gewährleisten, den JobCenter eng zusammenarbeiten.
Diese „Markt- und Bedarfsorientierung“ Anliegen der Unternehmen einen höhe-
bezieht sich im Einzelnen auf: ren Stellenwert einräumen, denn „Berlin Beziehen wir demzufolge die oben ge-
die Berufswahl und Qualifikation, stehe im Ruf, tendenziell wirtschaftsfeind- nannten Instrumentarien des JobCenters
einen höheren Mobilitätszwang (Orts- lich, bürokratisch-unflexibel zu sein und mit ein – die sich ja nach dem „Arbeits-
wechsel/Umzug), Güterabwägungen zwischen Anliegen markt-Bedarf“ richten sollen – wird die
den Zwang zur Annahme von (r)unter der Wirtschaft und anderen Lebens- Ausrichtung gemäß der „natürlichen
qualifizierten und zeitlich befristeten bereichen regelmäßig zu Ungunsten der Wirtschaftsräume“ dazu führen, daß
Jobs, ersteren zu entscheiden.“ Dieses Ver- (Lohn-)ArbeiterInnen aus strukturschwa-
billige Probezeiten und Praktika bis zu 6 hältnis sei nun umzugekehrenb chen Regionen im Sinne der neuen
Monaten (über Zeitarbeitsfirmen), Mobilität als WanderarbeiterInnen die
den Druck zur Selbständigkeit per Region verlassen müssen, um in anderen
„Ich-AG“ oder „Familien-AG“. Regionen den „Bedarf“ zu decken.
M12
Finanzierung des Umbaus

Geplant ist ein gesellschaftlicher Das neue Finanzierungsinstrument des


Fond, der durch die Kreditanstalt für „Job-Floaters“ kann allen Unternehmen
Wideraufbau gemanagt wird. Wichti- zu Gute kommen, die einen neuen
ges Finanzierungsinstrument ist der Arbeitsplatz schaffen und über die ent-
sog. Job-Floater. Dabei handelt es sprechende Bonität verfügen. Dies gilt
sich um ein festverzinsliches Wert- nicht nur für Arbeitslose, sondern im
papier, eine steuerlich geförderte Verhältnis 1:1 auch für „Nicht-Arbeits-
Anleihe, die mit privaten und öffent- lose“. Mit dem JobFloater erhalten die
lichen Geldern mobilisiert werden Unternehmen eine Option auf die Ge-
soll. Mit ihm soll auch in den kom- währung eines Darlehens in Höhe von bis
menden drei Jahren Geld in die zu 100.000 Euro. Dies wurde von Bun-
„neuen Länder“ gelenkt werden. deskanzler Schröder in einer Presse-
Wenn ein Unternehmen einen konferenz am 10.09.2002 bereits kon-
zusätzlichen Arbeitsplatz schafft, soll kretisiert. Er bot Arbeitgebern, die
es Geld geben. Die Kommission (Langzeit-) Arbeitslose einstellen, zinsgün-
nennt das „Rucksack“, denn der/die stige Kredite an.
Arbeitslose bringt quasi Geld mit.
Mit dem JobFloater soll die Beteili-
Wer als Unternehmen über genügend gung von (Lohn-)ArbeiterInnen an Unter-
Bonität verfügt geht zur Hausbank nehmen gefördert werden. So kann bei
und gibt den Job-Floater-Gutschein der Einlösung des JobFloaters vereinbart
ab. Er erhält ein Darlehen in Höhe werden, daß sich die vormals arbeitslo-
von 100.000 Euro je eingestellten sen (Lohn-)ArbeiterInnen an der Tilgung(!)
Arbeitslosen. Die konkrete Aus- des Darlehens beteiligen und dafür eine
stattung des „Job-Floaters“ muss Beteiligung an den Unternehmen erhal-
ten. Die Kommission nennt das „Ruck-
[34]

noch festgelegt werden. Die Kredit-


Risiken werden über die Bank, die sack“, denn der/die Arbeitslose bringt
Kreditanstalt und Bundesbürgschaf- quasi Geld mit.
Alle Instrumentarien der Wirtschaftsför- ten abgedeckt.
Das KompetenzCenter

derung, die ein Zunehmen der Wander- Zusätzliche Finanzierung sieht das
arbeit begünstigen bzw. fördern, müssen Für das Wertpapier erhalten Anleger Konzept ansonsten nur noch bei regiona-
auf´s schärfste zurückgewiesen werden, Steuervergünstigungen. len Stiftungen vor, die das Ausbildungs-
denn sie beinhalten die soziale Isolation angebot erweitern sollen. Die Stiftungen
und Vereinzelung der Menschen und sol- Von ursprünglich 150 Mrd. Euro ist sollen mit Hilfe von Darlehen vorfinan-
len das Leben jedes/r Einzelnen allein auf das Finanzierungsinstrument nun auf ziert werden, für die die öffentliche Hand
die (Lohn-)Arbeit aus- bzw. zurichten. 10 Mrd. Euro pro Jahr zusammenge- –- also der/die SteuerzahlerIn – in Höhe
schrumpft. von 100 Euro je Haushalt bürgt (vgl. M4
Die massive Einschränkung der Persön- „arbeitslose Jugendliche“ S. 16).
lichkeitsrechte durch die Instrumentarien
des JobCenters machen auch deutlich, Ein „Investitionsprogramm-Ost“ (zu-
daß Arbeitslose mittels massivem Druck nächst 20 Mrd. Euro) soll über die
als LohndrückerInnen verschickt und Kreditanstalt für Wideraufbau vorfinan-
bundesweit eingesetzt werden sollen, um ziert werden, und sie soll den Betrag mit
die Ware (Lohn-)Arbeit zu entwerten, um Hilfe des „Job-Floaters“ am Kapitalmarkt
entsprechend der Logik „weg vom Sozial- wieder aufnehmen.
staat hin zum Wettbewerbstaat“ auf dem
Weltmarkt als Top-Standort konkurrenzfä- Folgende Aspekte greifen in die
hig zu sein. Finanzierung bzw. Ankurbelung
der Umstrukturierung:
Alle Instrumentarien des JobCenters rich-
ten sich ausschließlich nach dem Arbeits- Die indirekte Lohnsubvention für die
markt-Bedarf der Unternehmen. Doch Unternehmen erfolgt Im wesentlichen
wie sieht der Marktbedarf real aus? durch die Zurückerstattung von Sozialver-
Neben den nötigen (Lohn-) Facharbeiter- sicherungsbeiträgen an die Unterneh-
Innen besteht vor allem ein Bedarf an bil- men, die eine positvie Beschäftigungs-
ligen, entgarantierten und jederzeit bilanz vorweisen können oder von Ent-
abrufbaren, flexiblen Arbeitskräften! lassungen absehen, sowie durch die
alle machen mit?
Der „JobFloater“

Senkung des pauschalen Versicherungs- Auch für die arbeitsamtsinterne Umge- Da die EmpfängerInnen von ALGII nun
beitrags von „Mini-Jobs“ in haushaltsna- staltung und künftig „Personen verstärkte auch keine Zuschüsse mehr von den
hen Dienstleistungen auf 10 %. Vermittlung“ seien keine zusätzlichen Kommunen erhalten (Eine Zuständigkeit!
Stellen und Peronalkosten nötig, weil Eine Leistung!) werden diese entlastet.
Auch erfordert der Zuschuß für die zugleich die Leistungsberechnung durch Das betrifft rund 400.000 (zur Zeit)
Arbeitslosen, damit sie sich selbständig die Einführung des „Bonus-Systems“ ArbeitslosenhilfeempfängerInnen die zu-

[35]
machen, keine zusätzliche Finanzierung, (Leistungslohn) stark vereinfach wird, laut sätzlich Sozialhilfe und/oder Zuschüsse
da es sich um eine kostenneutrale Um- Kommission. erhalten.
legung der Sozialabgaben an die „Ich-

Finanzierung des Umbaus / Der „Job-Floater“


AG“ handelt. Da es sich um einen (pro- Durch die „Reduzierung der Arbeits- Wofür also die von der Kommission
zentualen) Zuschuß aus den Versiche- losenzahl und Verkürzung der Dauer der geforderten 4 Mrd. Anlaufhilfe? Sie
rungsleistungen handelt, werden sogar Arbeitslosigkeit können die notwendigen sollen den „Job-Floater“ anschieben!
Gelder gespart. Maßnahmen“ zur Umstrukturierung des
Arbeitsmarktes „finanziert werden“. Die Laut Kommission müsse der Staat für ein
Ebenso entstehen durch das „Bridge- Finanzierung wird durch den erzwunge- „150-Millarden-Euro-Investitionspro-
System“, bei dem die Gesamtsumme des nen Rückgang der Arbeitslosenzahlen gramm“ rund 3 bis 4 Mrd Euro Anschub-
Arbeitslosengeldes auf 5 Jahre gestreckt gedeckt, heißt es in dem Bericht. 2 Mill. finanzierung zuschießen.
ausgezahlt wird, keine zusätzlichen Kosten. Arbeitslose weniger, so heißt es, bedeu-
Im Gegenteil werden langfristig erhebli- ten rund 19,6 Milliarden Euro geringere „Das kostet Geld“ kommentiert ein
che Gelder durch die Reduzierung der Leistungen, also Kostenersparnisse, die waschechter Finanzexperte im Berliner
Rentenansprüche eingespart. für die Finanzierung zu nutzen seien. Tagesspiegel: „Die Subventionierung
wäre eine Belastung für den Bundes-
Zusätzliche Kostenersparnisse in punk- Über die neue Kostenverteilung zwi- haushalt oder auch für die Haushalte der
to Arbeitskräfte sind im verstärkten Ein- schen Bund und Kommunen, durch die Länder und Gemeinden“.
satz der PersonalServiceAgenturen zu Umgestaltung der Leistungen, vor allem
sehen. Sie bieten den Unternehmen durch die Zusammenlegung bzw. Neu- Mit dem steuerlich geförderten Wert-
Arbeitskräfte zum Nulltarif! Finanziert aus regelung von Sozialhilfe und Arbeits- papier (dem Job-Floater) will die Kom-
Versicherungs- und Steuermitteln. Da sie losenhilfe, soll die Kommission zur mission in den kommenden drei Jahren
für die Probezeit von 6 Monaten lediglich Gemeindefinanzreform entscheiden. Da Investitionen bis zu 150 Mrd. Euro an-
ihr (neu geregeltes) Arbeitslosengeld er- durch die Umgestaltung rund 900.000 schieben. Die Anlage in das Wertpapier
halten. Ihr „Lohn“ steigt erst mit der Ein- ehemalige SozialhilfeempfängerInnen, soll nach dem Vorbild der Arbeitnehmer-
satzdauer bzw. der Übernahme in den die als „arbeitsfähig“ gelten, das neue zulage steuerlich begünstigt werden.
Entleihbetrieb. Arbeitslosengeld(II) erhalten, erhoffen
sich die Kommunen eine „echte Entlas-
Die Einführung des AusbildungsZeit- tung“, so die Kommission zur Gemein-
Wertpapieres belastet lediglich die priva- definanzreform.
te Kasse von Oma und Opa.
M13
Die „Profis der Nation“

Ebenso sah die Kommission vor, um Das in der Presse nur selten erwähnte
Steuersünder wieder nach Deutschland dreizehnte Modul weist gesellschaft-
zu holen, ihnen die Strafe zu erlassen, lichen Multiplikatoren verschiedene
wenn sie in den „Job-Floater“ investieren Aufgaben zu, die sie abarbeiten sol-
(quasi als Amnes(t)ie für Steuersünder). len, um die „Jobkrise“ zu entschär-
Außerdem müsse eine dazugepackte fen.
Prämie entsprechend hoch sein, damit
die Gelder auch tatsächlich wieder nach Zur besseren Vermittlung und „pro-
Deutschland kämen. aktiven“ Umsetzung der „Neugestal-
tung des Arbeitsmarktes“ soll eine
Auf diesen – wie Hans Eichel es formu- bundesweite Projektekoalition, beste-
lierte – „Schlag ins Gesicht der ehrlichen hend aus den „Profis der Nation“ ins
Steuerzahler“ ist am Ende verzichtet wor- Leben gerufen werden. Zu den „Profis
den. Jetzt wird um moralisch verantwort- der Nation“ gehören: Parlamenta-
liche SponsorInnen geworben, die diese rierInnen, die MitarbeiterInnen bzw.
Anleihe im Kampf gegen Arbeitslosigkeit (Lohn-)ArbeiterInnen der Arbeitsäm-
zeichnen sollen. ter, UnternehmerInnen, Funktionäre
der Arbeitgeberverbände und Gewerk-
Darüberhinaus wünscht die Kommis- schaften, aber auch Wissenschaft-
sion einen staatlichen Garantiefond, aus lerInnen, PädagogInnen, Geistliche,
dem Ausfälle finanziert werden sollen, JournalistenInnen, KünstlerInnen so-
wenn ein Unternehmen keinen Erfolg wie VertreterInnen von sozialen Ein-
haben sollte. richtungen, Arbeitsloseninitiativen
und Vereinen.

Nach den Plänen soll diese Koalition


[36]

Einschätzung: die Vorschläge der Kommission posi-


Die vorgesehene Umstrukturierung sollen tiv begleiten.
also die Arbeitslosen und (Lohn-
Finanzierung des Umbaus / Der „Job-Floater“

)ArbeiterInnen durch ihren Verzicht selbst


finanzieren. Der Appell an die Bereit- Zur Umsetzung der Aufgaben durch
schaft zu „Notopfern“ und zur privaten die „Profis der Nation“ und zur Beglei-
Finanzierung ist unüberhörbar. tung der „proaktiven“ Debatten soll eine
eigene Stiftung gegründet werden!
Und der „Job-Floater“ als private Geld-
Anlage? Dieses Wertpapier wird wohl Die „Profis der Nation“ sollen die
wenig Gegenliebe bei den gebeutelten Öffentlichkeit auf die Schaffung neuer
(Klein-)Anlegern auf den Finanzmärkten Ausbildungs- und Arbeitsplätze ein-
finden. schwören. Ziel der Projektkoalition der
„Profis der Nation“ sei es, über die 12-
(Lohn-)ArbeiterInnen incl. der zur Zeit Module hinaus eine lähmende „Ja-Aber-
Arbeitslosen zahlen einen hohen Preis. Statik“ in der Diskussion über die
Unternehmen erhalten dagegen ein Paket Massenarbeitslosigkeit zu durchbrechen.
an finanzieller Unterstützung durch direk-
te und indirekte Lohnsubvention/en. Dies So sollen z.B. Geistliche in ihren
wird im wesentlichen jedoch nicht dazu Predigten das Thema Arbeitslosigkeit auf-
führen, daß zusätzliche Arbeitsplätze ent- nehmen und Schulen das Fach: „Wirt-
stehen, sondern daß jene, die sowieso schafts- und Arbeitsmarktkunde“ einfüh-
besetzt werden müssen, subventioniert ren. Die Medien werden aufgefordert,
werden. Das führt also zum sog. „proaktiv“ über die Umsetzung des
Mitnahme-Effekt. „Hartz-Konzeptes“ zu berichten.
„Daher appeliert der Deutsche Bundestag an alle gesellschaftlichen
Kräfte, sich ihrer beschäftigungspolitischen Verantwortung zu stellen
und interessensgeleitete Blockaden aufzugeben.“
(aus dem Antrag von SPD/Grüne)

Unternehmen sollen auf betriebsbe-


dingte Kündigungen verzichten und
Auftragstiefs mit Hilfe von flexiblen
Arbeitszeitmodellen begegnen sowie die
neuen Serviceleistungen der Job- und
KompetenzCenter – ab Januar 2003 – in
Anspruch nehmen können (vgl. M1 „Der
JobCenter“, S. 10 und M11 „Das
KompetenzCenter“, S. 31).

Durch die Einbindung der Öffentlich-


keit (Bürgermeister, Personalchefs und
Medien) soll ein Verantwortungsgefühl
und eine höhere Bereitschaft zur Bevor- Das Ziel ist dabei ein Bewusstseinswandel Lauter ExpertInnen unterhalten sich und
zugung von Arbeitslosen mit Familie und auf breiter gesellschaftlicher Ebene fachsimpeln, so dass der Eindruck ent-
Kindern entstehen. Im Rahmen der „pro- dahingehend, dass es sich nicht um die steht, alles sei unheimlich komplex und
aktiven“ Berichterstattung wird ein beson- Arbeitslosen der Bundesanstalt für Arbeit, vor allem kompliziert. Die zum Teil wohl
deres Augenmerk auf die familienfreund- sondern die der gesamten Gesellschaft bewußt verwirrende und chaotische Infor-
liche Quick-Vermittlung gelegt (vgl. M2 handelt. Denn der Abbau der Arbeits- mationspolitik kann als „proaktiv“ ver-
„Die Quick-Vermittlung“, S. 12). losigkeit sei eine gesamtgesellschaftliche standen werden. Denn je größer die Ver-
Aufgabe. Für die nun die Gesellschaft die wirrung um so schwieriger sind gemein-
Verantwortung übernehmen soll, alle in same Ansatzpunkte für einen Widerstand
einem Boot!? Das ist der Kerngedanke gegen die laufende Umstrukturierung zu
des „neuen Gesellschaftsvertrages“, der organisieren. Mit einem rasanten Tempo
auf einen breiten Konsens der gesell- soll alles „proaktiv“ zerlabert über die
schaftlichen Zustimmung abzielt. Was Bühne gehen.

[37]
kommt aber ideologisch dabei heraus,
wenn nun alle „gesellschaftlichen Kräfte“ Dabei ist es unterm Strich ganz einfach:
Einschätzung: so (pro)aktiv gegen die Arbeitslosigkeit Bei dieser Umstrukturierung handelt es

„Die Profis der Nation“


Hier wird an die „MeinungsbildnerInnen gekämpft haben? Jede/r, der nach der sich um einen umfassenden Angriff
und Multiplikatoren“ appelliert, einen „Reform“ immer noch arbeitslos ist, ist gegen alle (Lohn-)ArbeiterInnen, unab-
Bewußtseinswandel ohne wenn und aber definitiv selbst Schuld, ein/e „unwürdige/r hängig davon, ob sie zur Zeit in (Lohn-)
in der Bevölkerung voranzutreiben. Denn Arbeits-lose/r“, ganz im Sinne der „Fau- Arbeit sind oder nicht. Sie zielt auf den
von nun an, so verkündete Peter Hartz bei lenzer-Debatte“. Darin wiederholt sich Austausch regulärer (Lohn-)Arbeitsver-
der Veröffentlichung im französischen die immer wiederkehrende Leier von der hältnisse durch entgarantierte (Lohn-)
Dom, könnten die Arbeitslosen von individuell selbstverschuldeten Arbeits- Arbeit und damit auf eine umfassende
„einem schönen Tag“ ausgehen. losigkeit. Grundlegende ökonomische, Entwertung der (Lohn-)Arbeit im doppel-
kapitalistische und patriarchale Verwer- ten Sinn: auf eine Senkung der Löhne
Ein „Ja-Aber“ wollen die „Herren der tungsinteressen, die aktuelle (weltweite und den Abbau erkämpfter Rechte.
Reform“ nicht mehr hören. Per tief mora- Wirtschaft-) Krise und der (permanente)
lischer Verpflichtung angesichts der gro- Krieg sollen aus dem Blickwinkel der Vor allem Frauen werden die Verlierer-
ßen Herausforderung ist eine grundsätzli- Menschen verschwinden. innen der Umstrukturierung sein!
che Infragestellung nicht nur nicht vorge-
sehen, sondern es sollen all die gesell- Zudem zielt die Einbindung sozialer Ein- Wehrt Euch!
schaftlichen Kräfte isoliert werden, die richtungen und Selbsthilfegruppen eben-
den „Gesellschaftsvertrag“ nicht anzu- falls als „Profis der Nation“ und als Gründet Arbeits- und Aktionsgruppen in
nehmen gedenken. Sie sind eben nur die „Schnittstellen“ im JobCenter auf die Eurem BekanntInnenkreis, vernetzt Euch
ewigen MiesmacherInnen in einer Gesell- Mobilisierung der selbstregulierenden mit Anderen und wehrt Euch gemeinsam:
schaftsideologie, bei der alle gleich- Kräfte in der Zivil(en)-Gesellschaft. Und in der Schule, im Betrieb, auf den Ämtern
ermaßen mit anpacken sollen. so wird´s dann „gemeinsam“, durch den und auf der Straße! Damit für uns ein
herzustellenden Konsens, in dem es keine wunderschöner Tag anbricht.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer (mit unter-
schiedlichen und gegensätzlichen Inte- Wir hoffen, dass wir mit dieser Broschüre
ressen) sondern nur noch Gleiche gibt, einen Teil dazu beitragen können, die
die gemeinsam anpacken, schon klap- „proaktive“ Berichterstattung aktiv zu
pen. durchkreuzen.
Die wilde(n)13
Was ist zu tun?

Die Vorschläge der Kommission sind Notwendig wird also sein, jede Form der
grundsätzlich zurückzuweisen. Die Selbstorganisierung von unten mit einer
Probleme liegen nicht nur im Detail son- politischen Strategie zu verbinden, die den
dern vor allem in der generellen strategi- dahinterliegenden kapitalistischen, gesell-
schen Ausrichtung, die unsere Arbeits- schaftlichen und patriarchalen Wider-
und damit auch Lebensverhältnisse ent- spruch zum Ausdruck zu bringen vermag,
werten und der Verwertungslogik anpas- um zu einer relevanten statt regulierenden
sen. Es wird dabei behauptet, dass GegenKraft von unten zu werden.
der/die Arme nicht mehr arm sei, wenn
er/sie nur arbeiten könnte. Ausweitung Der entwürdigende Zwang zur Zeit- bzw.
der Billig-Jobs führt zu zunehmender Leiharbeit ist Mittel zum Zweck! Mit ihm
Armut. Ebenso beendet die Umverteilung wird die Ausweitung des Niedriglohn-
der Armut unter den Armen die Armut sektors und in Folge dessen die Senkung
nicht! Die Vorschläge der Kommission des Lohniveaus insgesamt durchgesetzt,
sind nicht reformierbar, sie müssen ent- sowie das Eins-Zwei-Drei-Jobverhältnis.
schieden abgelehnt und mit allen not- Dies betrifft nicht nur die aktuell
wendigen Mittel bekämpft werden! Arbeitslosen sondern ebenso Menschen
in (Lohn-)Arbeit. Ob nun im Eins-Zwei-
Die im 13. Modul vorgesehene „proakti- Drei-Jobverhältnis oder als Arbeitslose
ve“ Berichterstattung durch Medien und rausgekickt sollte uns nicht darüber hin-
sonstige Multiplikatoren muss durchbro- wegtäuschen, dass beides lediglich zwei
chen werden. Aufklärung und Gegen- Kehrseiten einer Medaille sind, die nur
information sind nötig, um die laufende gemeinsam zu einer relevanten Gegen-
Umstrukturierung und Verschärfungen Kraft werden können.
zumindest zu blockieren, wenn nicht gar
– in dem was noch bevorsteht – zu ver- Die PersonalServiceAgenturen sind ein
[38]

hindern. Alle sog. „Profis der Nation“ sind zentrales Instrument zur Ausweitung des
aufgefordert, sich gegen die Funktionali- Niedriglohnsektors und dem Zwang zur
sierung für ein solches Konzept aufzuleh- entgarantierten (Lohn-)Arbeit, das es
Was ist zu tun?

nen. mittels unterschiedlicher Aktionsformen


anzugreifen und zu verhindern gilt.
Bei der Umstrukturierung der (Lohn-)
Arbeitsverhältnisse, dem Abbau der Die Vermittlung über PSA-Leiharbeits-
Sozialleistungen wird eine zunehmende firmen ebenso wie die Privatisierung ver-
Armut der Nicht-verwertbaren in Kauf schiedener Arbeitsbereiche des alten
genommen. Die Einbindung sozialer Arbeitsamtes basiert letztlich auf einer
Einrichtungen und Selbsthilfegruppen als unternehmerischen Kalkulation. D.h. pri-
„Profis der Nation“ oder als „Schnitt- vate Dienstleister sind unterm Strich nur
stellen“ im JobCenter zielt auf die solange bereit, diese Aufgaben zu über-
Mobilisierung der selbstregulierenden nehmen, solange es sich für sie lohnt.
Kräfte in der Zivil(en)-Gesellschaft. Somit Hier könnte ein Ansatzpunkt für eine
kann jede Selbsthilfegruppe als Ausdruck effektive Gegenstrategie liegen.
bzw. Folge des Umstrukturierungspro-
zesses, als selbstregulierende Kraft zum
Teil der Lösung werden, als VerteilerInnen
von Beruhigungspillen für den aufgeklär- Gegeninformationsbüro/Berlin
ten Mittelstand! im September 2002
Warum
„Dabei wird keine Gegenstimme verlautbar. Warum?
Unter anderem aufgrund des alten Vorurteils, Aberglaube sei für das Volk notwendig.
Angeblich bräuchten sich Arbeitslose nur an der Illusion festzuklammern, sie würden
eine feste, gut bezahlte Stelle wiederbekommen. Die Kritik der Arbeitsideologie sei
Luxus für intellektuelle, für einfache Menschen hingegen sei die Zentralität der
Erwerbsarbeit wie einst die Unfehlbarkeit der Kirche oder die Macht des Fürsten eine
naturgegebene Tatsache. Lieber falsche Hoffnungen als Verzweiflung. Wer weiß, was
passieren würde, wenn die Arbeitsbeschaffungslüge öffentlich platzte? Schließlich
mehren sich schon Racheakte von gekündigten ArbeitnehmerInnen oder von der
Schule gewiesenen SchülerInnen. Die innere Sicherheit verlangt nach Aufrechter-
haltung der Heuchelei.“

aus: Mehr Zuckerbrot, weniger Peitsche. Aufrufe, Manifeste und Faulheitspapiere der
Glücklichen Arbeitslosen. (Guillaume Paoli Hg.); Edition Tiamat.
Die Broschüre kostet nix! Eigentumsvorbehalt:
Wer was hat, spendet bitte auf unser Konto
Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die
Spendenkonto: Zeitschrift solange Eigentum des Absen-
Marion Wegner ders, bis sie dem Gefangenen persönlich
Postbank Berlin ausgehändigt ist.
KontoNr.: 771 781 - 104 „Zur-Habe-Nahme“ ist keine persönliche
BLZ: 100 100 10 Aushändigung im Sine dieses Vorbehalts.
Wird die Zeitschrift des Gefangenen nicht
presönlich ausgehändigt, ist sie dem
Absender mit dem Grund der Nichtaus-
GegenInformationsBüro händigung zurückzusenden. Wird die
mail@gegeninformationsbuero.de Zeitschrift dem Gefangenen nur teilweise
Die Broschüre findet Ihr als pdf-Datei und Word-Datei persönlich ausgehändigt, so sind die
in Netz unter: http://www.gegeninformationsbuero.de nichtausgehändigten Teile, und nur sie,
dem Absender mit dem Grund der
V.i.S.d.P: Lise Müller Nichtaushnändigung zurückzusenden.

Mit freundlicher Unterstützung der Berliner MieterGemeinschaft

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