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Frühes Ionien
Eine Bestandsaufnahme
Panionion - Symposion Güzelçamlı
26. September – 1. Oktober 1999
Sonderdruck
dEUTSCHEs aRCHÄOLOGISCHES iNSTITUT
mILESISCHE fORSCHUNGEN
bAND 5
VERLAG PHILIPP VON ZABERN · GEGRÜNDET 1785 · MAINZ
dEUTSCHEs aRCHÄOLOGISCHES iNSTITUT
Frühes Ionien
Eine Bestandsaufnahme
Panionion-Symposion Güzelçamlı
26. September – 1. Oktober 1999
hERAUSGEGEBEN
VON
VERLAG PHILIPP VON ZABERN · MAINZ AM RHEIN
XII, 788 Seiten mit 166 Abbildungen, 91 Tafeln und 3 Beilagen
Vorwort / Önsöz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI
Wolfgang Blümel
Die Erforschung des Karischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
Fede Berti
La necropoli ‘geometrica’ dell’ agora di Iasos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
Günther Hölbl
Ionien und Ägypten in archaischer Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447
Sergey R. Tokhtas’ev
Der Name des kimmerischen Königs Lygdamis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607
Owen Doonan
Colony and Conjuncture: The Early Greek Colony at Sinope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613
Pierre Dupont
Diffusion des amphores commerciales de type Milesien dans le Pont archaïque . . . . . . 621
Konrad Zimmermann
Frühe Dachterrakotten aus Milet und dem Pontosgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631
5. Rahmenthemen
Ekrem Akurgal
Beiträge der Aiolier und Ionier zur Bereicherung und Gestaltung
der griechischen Kunst und Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637
Volkmar von Graeve
Zur Kunstgeschichte früher milesischer Terrakotten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645
Wolf Koenigs
Archaische Bauglieder aus Stein in Ionien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669
Joachim Latacz
Frühgriechische Epik und Lyrik in Ionien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681
Ernst Heitsch
Ionien und die Anfänge der griechischen Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 701
Irene S. Lemos
The Migrations to the West Coast of Asia Minor: Tradition and Archaeology . . . . . . . . 713
Justus Cobet
Das alte Ionien in der Geschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729
Anhang
Norbert Ehrhardt – Hans Lohmann – Berthold F. Weber
Milet. Bibliographie vom Beginn der Forschungen im 19. Jahrhundert
bis zum Jahre 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745
Der Name des kimmerischen
Königs Lygdamis
Sergey R. Tokhtas’ev
Außer von dem kimmerischen König, der wegen seines (wohl geglückten) Versuches, den Tem-
pel der ephesischen Artemis zu plündern und niederzubrennen, in der antiken Tradition einen
traurigen Ruhm erlangt hat (Kallim., in Dian. 255 ff.; Hesych. s. v. LÚgdamij), wurde der Name
Lygdamis auch von dem Naxier getragen, den Peisistratos um 545 v. Chr. zum Tyrannen von
Naxos machte (Hdt. 1, 61, 4; 64, 2; Aristot., Ath. pol. 15, 2 – 3; Polyän. 1, 23, 2). Ein noch älterer
Beleg soll der Name eines Mannes aus Syrakus (!) sein, der angeblich bei den 33. Olympischen
Spielen, d. h. im Jahre 648 / 7, im Pankration den Sieg davontrug (Paus. 5, 8, 8 bzw. Eus., Chr. 1,
p. 198). Lygdamis, der Vater der Artemisia (Hdt. 7, 99, 2 u. a.), wurde schwerlich vor der Mitte
des 6. Jhs. geboren (nach Herodot a. O. war Artemisia zum Jahre 480 schon verwitwet und hatte
einen kleinen Sohn). Aus späterer Zeit sind noch einige andere Personen dieses Namens (sie sind
alle Privatleute) bekannt (in Halikarnassos, Kreta, Samos (?), Kyrenaika, Tragilos im ägeischen
Thrakien, Kallatis) 1.
Man nimmt im allgemeinen an, dieser Name sei karischer Herkunft, wobei zur Bestätigung
darauf hingewiesen wird, daß er bei den Herrschern von Halikarnassos als dynastischer Name
1
P. M. Frazer – E. Matthews (Hrsg.), A Lexicon of Greek Sklavenname in Rom läßt sich Lygdamus im Fluß
Personal Names I (1987) 289 s. v.; L. Zgusta, Kleina- der griechischen Tradition als ein typisch karischer
siatische Personennamen (1964) § 834. Zgusta beruft oder eher einfach kleinasiatischer Name kat' ™xoc»n
sich u. a. auf eine Inschrift aus dem 3. – 2. Jh. v. Chr., auffassen, – æj M£nhn À M…dan tÕn FrÚga, T…bion
die in Kostena Rjaka (Bulgarien) gefunden wurde, auf d tÕn Paflagóna, Strabon 7, 3, 12; vgl. auch ders.,
der ein Stratonax Lu[gd£]mioj genannt ist (E. Kalinka, 12, 3, 25 und L. Robert, Les noms indigènes dans
Antike Denkmäler in Bulgarien (1906) 94 Z. 21 f.); sie l’Asie Mineure gréco-romaine (1964) 529 f. Vgl. Solin,
stammt aus Kallatis, vgl. T. V. Blavackaja, Zapadno- Sklavennamen a. O. 253 ff.; M.-F. Baslez, Présence et
pontijskie goroda v VII – I vv. do n. ė. (1952) Nr. 28; traditions iraniennes dans les cités de l’Égée, REA 87,
J. et L. Robert, Bull. ép. 1964, 287; SEG XXIV 1024. 1985, 153 über die historischen Namen wie Kyros, Da-
Der Mann selbst stammte aus Apollonia Pontika. Das reios, Mithridates als Sklavennamen. Solin a. O. 261
Beispiel aus Samos, vermutlich 1. – 2. Jh. n. Chr., das registriert den römischen Lygdamus unter den »Skla-
bei Frazer – Matthews a. O. vermerkt ist, ist nur eine vennamen nach literarischen Persönlichkeiten. b) Rö-
Konjektur von A. Kirchhoff, s. H. J. Mette, Urkunden mer« (gemeint ist also wohl der Sklave von Properz),
dramatischer Aufführungen in Griechenland (1977) 52 was jedoch durch vier Belege aus anderen Gegenden
I Z. 5: ein Flötenspieler [LÚg]damij. In Rom sind im Italiens derselben Zeit (s. P. M. Frazer – E. Matthews
1. – 2. Jh. sechs Personen mit dem Namen Lygdamus [Hrsg.], A Lexicon of Greek Personal Names III A
(mit dem üblichen Ersetzen von -ij durch -us) bezeugt [1997] 277, darunter bestimmt zwei Freigelassene)
(H. Solin, Die griechischen Personennamen in Rom eindeutig widerlegt ist. – Rätselhaft ist der Fall des
[1982] 252; ders., Die stadtrömischen Sklavennamen Lygdamus, des Verfassers der Gedichte, die sich an
[1996] 261), von denen zwei Sklaven und zwei wei- die beiden Elegienbücher des Tibull angeschlossen
tere »incerti« sind, obwohl sie zweifellos wenn nicht haben; er war ohne Zweifel weder Sklave noch Frei-
Sklaven, dann höchstens Freigelassene gewesen sind; gelassener; die übliche Annahme eines Pseudonyms
Properz’ Lygdamus (3, 6; 4, 6; 8) ist ein Sklave. Als erklärt nichts.
608 S. R. Tokhtas’ev
benutzt wurde, weiter auf den Beleg I. Cret. IV 209 A Z. 1 (Gortyn, 2. Jh. v. Chr.: ein Mann aus
Halikarnassos) 2 und auch darauf, daß er innerhalb Kleinasiens, den des Kimmeriers ausgeschlos-
sen, nur in Karien bekannt sei 3. Die Behauptung von A. I. Ivantchik 4, daß der Name in Kleinasien
eine weite Verbreitung besessen habe, ist nur ein Mißverständis. Dennoch bildet er im Rahmen
des karischen Namenschatzes, der durch griechische Quellen überliefert ist 5, keine Sippe, er kann
auch morphologisch nicht segmentiert werden und besitzt noch nicht einmal Parallelen für das
cluster -gd-6, d. h. er tritt isoliert auf. Der Name wurde in Halikarnassos zu einem dynastischen:
Offensichtlich hat der Enkel (oder Sohn?) der Artemisia (Syll.3 45 Z. 1; Suda s. v. `Hródotoj,
PanÚasij) seinen Namen vom (Ur)Großvater geerbt. Der Mann aus Halikarnassos in der In-
schrift aus Gortyn wurde seinerseits zu Ehren der Herrscher aus Halikarnassos so benannt, so
daß es sich eigentlich um den einzigen Beleg aus rein karischem Gebiet handelt. Warum sollte
man nicht annehmen, daß der Name infolge von Verschwägerungen mit einem Mitglied des
kimmerischen Herrscherhauses in das karische Umfeld gelangt sein könnte? Wenn nicht der
Olympionike aus Syrakus wäre, stünde einer weiteren Schlußfolgerung nichts im Wege, nämlich
daß auch der Tyrann von Naxos in Erinnerung an diese bedeutende historische Persönlichkeit,
an den kimmerischen König, seinen Namen erhalten hätte.
Natürlich kann man mit gutem Willen und unter Berücksichtigung des naxischen Beleges das
so frühe Namenszeugnis in Syrakus, noch vor dem Erscheinen des Kimmeriers im Blickwinkel
der Griechen, damit erklären, daß auf Naxos wie auf dem benachbarten Delos (Thuk. 1, 8, 10)
und auf vielen anderen ägäischen Inseln (Hdt. 1, 171, 2; Thuk. a. O.) irgendwann einmal Karer
gelebt hätten, und der eventuell karische Name durch die gleichnamige sizilische Kolonie von
Naxos (und Chalkis) bis nach Syrakus gelangt ist. Tatsächlich erscheint in der spätantiken My-
thographie ein Naxos, Sohn des karischen Königs Polemon (griechischer Name!), nach dem
die Insel benannt wurde (Diod. 5, 51). Nach einer anderen Version (Steph. Byz. s. v. N£xoj)
war der Sohn Endymions eponym, und dieser soll laut einigen Quellen auch karischer Her-
kunft gewesen sein (z. B. Schol. Theokr. 3, 49). Daß unter den wenigen Trägern des Namens
Lygdamis außerhalb von Karien in hellenistischer Zeit ganze zwei auf Kreta bezeugt sind 7,
könnte ja auch in diesem Sinn verstanden werden, da Minos über die Inselkarier geherrscht
haben soll (Hdt. a. O.). Allerdings stellt sich damit die Frage, wo in der antiken Mythologie
und mythischen Geschichte eigentlich keine Karer gewesen wären. Bekannterweise waren sie
dort beinahe überall anwesend gewesen. Die Gründe dafür sind unklar, aber wie dem auch
sei, ein weiteres Eintauchen in die Vorgeschichte der Ägeis kann m. E. nur in eine Sackgasse
führen. Ich ziehe jedenfalls vor, mich weiterhin an sicherere Angaben zu halten. (Es ist z. B.
nicht ausgeschlossen, daß eine gewisse Beliebtheit des Namens auf Kreta in irgendeinem Zu-
sammenhang mit der kretischen Abstammung der Artemisia mütterlicherseits (Hdt. 7, 99) steht;
vielleicht erscheint Dissos, Sohn des Ly(g)damis aus Halikarnassos, nicht zufällig gerade auf
einer kretischer Inschrift).
2
Luda[mi]oj Gen. »Wohl zu emendieren: Lu(g)d£[mi]oj, aus einem Personennamen abgeleitet ist, auch wenn
kaum eine Nebenform«, (Zgusta a. O.). man dann die Form Lygdamium erwarten müßte, wie
3
Vgl. W. Blümel, Einheimische Personennamen in tatsächlich zu verbessern sein dürfte.
4
griechischen Inschriften aus Karien, Epigraphia A. I. Ivantchik, Les Cimmériens au Proche-Orient
Anatolica 20, 1992, 18: »Nur in Karien« (ohne Er- (1993) 116. 117.
5
wähnung des Kimmeriers). Im Gebiet von Pergamon s. Blümel a. O. 7 – 27.
6
befand sich eine kleine Stadt Lygdamum (Plin., Charakteristisch für das Karische ist ein anderes:
N. H. 5, 126); L. Zgusta (Kleinasiatische Ortsnamen -ld- (nach Angaben Blümels a. O., 26 Beispiele mit
[1984] § 725) vermutete, daß der Ortsname »nach Ausschluß der Assimilationsformen mit -ll-).
7
einem Mitglied der karischen Dynastie gebildet und I. Cret. II, cap. X, r. 1 (Knossos); ebenda IV, 206 L
gegeben« sei. Auf jeden Fall ist klar, daß der Name (Rhaukos).
Der Name des kimmerischen Königs Lygdamis 609
Bezüglich der oben angeführten genealogischen und sprachlichen Aspekte des Problems ist
hier folgendes von Bedeutung: Über irgendwelche Kontakte der Kimmerier mit Karern bis in
die 40er Jahre des 7. Jhs. v. Chr., als der Angriff auf die ionischen Poleis erfolgte, ist überhaupt
nichts bekannt, und selbst die Möglichkeit solcher Kontakte ist nur allzu gering. Der erste Angriff
der Kimmerier auf Westanatolien ist um 665 datiert, etwa 20 Jahre vor dem Einfall nach Lydien
im Jahre 644 / 3. Etwa drei oder vier Jahre später, im Moment des Untergangs, hatte Lygdamis
nach den Angaben der Annalen Assurbanipals (wo sein Name in der Form Dug-dam-me-i, d. h.
Dugdammē oder – wegen LÚgdamij – besser -ī, wiedergegeben ist) einen erwachsenen Sohn
(akkad. Sa-an-dak-KUR-ru), der seine Macht geerbt hatte 8. Lygdamis kann also nicht später als
um 680 geboren worden sein. Bei chronologischen Berechnungen ist auch zu berücksichtigen,
daß im Jahre 676 Teušpā (wohl der Vater des Lygdamis) kimmerischer König war 9. So ist die
Vermutung über eine Entlehnung des karischen Namens durch den Kimmerier nicht annehmbar.
Daher muß man zur Hypothese zurückkehren, daß der Name kimmerischer Herkunft ist.
Folglich aber muß das Datum des Pankratisten unvermeidlich abgelehnt werden. Der Ansatz,
der auch bei Philostratos, Gymn. 267 f. wiederholt ist, geht auf die Liste der Olympioniken des
Sophisten Hippias von Elis zurück, die, wie man bereits in der Antike wußte, für die Frühzeit
ungültig ist 10, wenn es sich auch zweifellos um ein Datum in archaischer Zeit handelt.
Wie aber kann das so frühe Erscheinen des Namens auf Naxos und sogar in Syrakus erklärt
werden? Nach den verfügbaren Angaben könnten die Gründe bzw. Wege der Namengebung
verschiedenartig sein. Das gleiche gilt auch für die späteren Belege, die teilweise oben bereits
besprochen worden sind. Erstens muß für Naxos die Möglichkeit von ehelichen Kontakten
zwischen der einheimischen und der karischen Aristokratie erwogen werden, zweitens, daß der
Name im griechischen Milieu als ein historischer Name barbarischer Herkunft 11 bzw. speziell
als ein historischer Schimpfname aufgetreten sein könnte. Einen völlig analogen Fall bietet der
Name Xerxes auf einem Grabstein des 4. – 3. Jhs. v. Chr. aus Apollonia Pontika (IGBulg I2 458).
Sein innerer Gehalt erklärt sich dank des Namens der Tochter – `Ubrej Xšrxou (»Frevlerin,
Xerxes’ Tochter«). Der Feldzug des Xerxes nach Griechenland und die Missetaten seines Heeres
wurden (mit des Dareios’ Worten) schon in den ‘Persern’ des Aischylos, 807 f. 821 f., als Ûbrij
bezeichnet. Weiterhin muß man hier die amüsante Parallele mit dem Epitheton des kimmeri-
schen Königs bei Kallimachos, LÚgdamij Øbrist»j (fr. 252), erwähnen. Entsprechende und
zweifellos die Wirklichkeit wiedergebende Vorstellungen über die Kimmerier stehen hinter dem
Eigennamen Kimmšrioj, der seit dem ersten Viertel des 5. Jhs. bekannt ist 12. Bemerkenswert ist,
daß die frühesten Belege von kleinasiatischem Boden stammen, darunter der zweite nämlich
aus Ephesos, beide weiteren (wie das naxische Zeugnis für Lygdamis) von den Inseln. Wie bei
`Ubrej Xšrxou, klingt der Name des Ephesiers bedeutungsvoll mit dem Namen des Vaters,
PelasgÒj, zusammen. Es ist m. E. klar, daß dem Namen Kimmšrioj ein ähnlicher semantischer
Gehalt beigemessen wurde wie dem von LÚgdamij. Schon eine Generation nach dem Einfall
8
Zur Chronologie s. S. R. Tokhtas’ev, Encyclopaedia Oder ist eine Verwandtschaft mit dem lydischen
Iranica V 6 (1991) 566 s. v. Cimmerians, und ein- Herrscherhaus zu vermuten? Als Name einer Privat-
gehender Ivantchik a. O. 104 ff. person ist Sadyattes m. W. sonst nur einmal belegt: ein
9
Quellen und Literatur s. Ivantchik a. O. 57 ff. lydischer Kaufmann zur Zeit des Kroisos (Nikolaos
10
F. Jacoby, Atthis (1949) 58. v. Damaskus FGrHist 90 F 65). Die Sicherheit des
11
In Milet ist ein nach einer historischen Persönlich- Belegs ist zweifelhaft.
12
keit gebildeter Name ähnlicher Art schon am An- SEG I 465 (Xanthos, Lykien); Syll.3 115 bzw. Paus. 10,
fang des 5. Jhs. dank der Aisymnetenlisten bezeugt: 9, 9 (Ephesos, 404 v. Chr.); SEG XII 360 Z. 139 (Rho-
Sadu£tthj, Milet I 3 (1914) Nr. 122 I Z. 55. 108, II dos, 4. Jh.); IG XII Suppl., S. 138, Nr. 312 III Z. 37
Z. 52. Sadyattes, Ardys’ Sohn, führte in der 2. Hälfte (Tenos, 3. Jh.).
des 7. Jhs. 6 Jahre lang Krieg gegen Milet (Hdt. 1, 18).
610 S. R. Tokhtas’ev
der Kimmerier unter Lygdamis konnte dessen Gestalt in der mündlichen Überlieferung die Züge
einer Märchenfigur annehmen. Dabei dürfte er in den verschiedenen Poleis sowohl negativ als
auch positiv 13 charakterisiert worden sein. Möglicherweise diente die hyperbolisierte Gestalt des
kimmerischen Königs, dessen Name bereits beinahe appelativisch benutzt werden konnte, auch
dem Pankratisten aus Syrakus, der nach den Worten seiner Mitbürger in seiner Größe Herakles
gleich gewesen sein soll (Paus. 5, 8, 8), als Grundlage für die Namengebung oder genauer ge-
sagt, als Bei- oder Spitzname. Die Westgriechen waren immer und von Alters her gut über die
Ereignisse im östlichen Mittelmeerraum informiert 14. Der Name des mächtigen kimmerischen
Königs, der die Macht des lydischen Reiches zerstörte, war ihnen ohne Zweifel auch bekannt.
Ivantchik hat ohne Zweifel recht, daß das Schwanken zwischen anlautenden [d] und [l] in
Dug-dam-me-i und LÚgdamij hethitisch-luwischen Charakters ist 15. Der assimilative Wechsel
[d] und [l] ist zwar im Griechischen bekannt, allerdings höchst selten und tritt vorwiegend in
Fremdwörtern auf 16. In den späten hethitisch-luwischen Sprachen (Lydisch, Lykisch, Karisch
u. a.) stellt er jedoch eine ganz gewöhnliche Erscheinung dar, ungeachtet der Positionen, die zu
Assimilation bzw. Dissimilation führen können 17. Somit ist der Name des kimmerischen Königs
den Griechen zunächst über Lyder oder Karer bekannt geworden.
Die Etymologie des Namens wird jedoch nicht ganz klar. Die Deutung von J. Marquart 18 aus
iranisch *Dugda-maēši-19 kann nur dann glaubwürdig sein, wenn man eine Kurzform (etwa
*Dugda-ma-) mit dem patronymischen Suffix vermutet (*Dugdam-i- oder wegen der Länge
im Akkadischen besser -iya-20), wobei die Zeichen für *-am-m- nicht *-amm-, *āmm- oder
*-am- bezeichnen, sondern rein graphisch aufzufassen seien 21. Denkbar ist auch eine Kürzung
*Dugda-m- von *Dugda-mant-, »reich an Milch«, wie *Gauma- aus *Gaumant-, avestisch Gao
maṇt- »Reich an Rindern« 22. Ivantchik, der Marquarts Etymologie nicht erwähnt, würdigt die
übrigen Annahmen mit Recht als wenigstens zweifelhaft. Allerdings entbehren seine Bemerkung,
daß der Name »einige phonetische Züge aufweist, die besonders für die anatolischen Sprachen
charakteristisch sind« 23, sowie auch die Gegenüberstellung mit dem nur teilweise anklingenden
13 19
Lygdamis hinterließ ganz bestimmt bei den Bürgern Richtiger *Dugda-maiši-, (Pro)patronymikon zu
von Priene keine tragische Erinnerung, weil er ihnen *Dugda-maiša-, »Milchende Schafmutter habend«,
das Gebiet ‘Batinetis’ der Peraia von Samos übergab vgl. avest. Dugdōuuā-, die Mutter Zarathustras, »mit
(eigentlich schenkte), das die Einwohner verlassen gemolkenen Kühen« (s. zuletzt M. Mayrhofer, Die
hatten, um sich vor den Kimmeriern in Sicherheit zu altiranischen Namen / Iranisches Personennamenbuch
bringen, s. C. B. Welles, Royal Correspondence in the I 1 [1979] 36 f.) und – mit Vasmer – Dabra-maēši-,
Hellenistic Period (1934) Nr. 7 Z. 11 – 19 = Sheila »der dunkle Schafe besitzt«.
L. Ager, Interstate Arbitration in the Greek World 20
Zu akkad. ē, ī (-e-e, *i-e und Ähnlichem) < *-(i)ya- vgl.
(1996) Nr. 26 = IG XII / 6 / 1 155. z. B. neubabylon. Pa-me-e ~ *Paviya-, Pa-ru-re-e ~ *Fra-
14
Vgl. mit Literatur S. R. Tokhtas’ev, Die Kimmerier varya-, Ur-di-e ~ *Vrdiya-; s. dazu M. A. Dandamayev,
in der antiken Überlieferung, Hyperboreus 2 / 1, 1996, Iranians in Achaemenid Babylonia (1992) 107. 112.
41 f. (wo Anm. 150 auch der Sportler aus Syrakus, 138; für *-i- (Nom. -*iš) vgl. A-hi-še-ti-e ~ *Xšaiti-,
aber noch als ein Beispiel des karischen Namens, ebd. 27 (nach R. Zadok, Israel Oriental Studies 7, 1977,
erwähnt ist). 94); oder doch *Xšaitiya-? Gewöhnlich steht hinter
15
Ivantchik a. O. (Anm. 4) 117; so bereits P. Kretschmer, akkad. ē, ī iran. *-ava-, -aviya- usw. (E. A. Grantovskij,
Wechsel von t (d) und l, Glotta 19, 1929, 281. Rannaja istorija iranskich plemën Perednej Azii [1970]
16
Kretschmer a O.; ders., Einleitung in die Geschichte 81 f. 234 f.), was aber für LÚgdamij nicht paßt, wenn es
der griechischen Sprache (1896) 280 f.; Ed. Schwyzer, sich denn nicht um eine morphologische Umbildung
Griechische Grammatik I (1939) 229 (hier ist u. a. im Karischen (Lydischen) handelt.
21
»LÚgdamij für Dugdam [so]« erwähnt). Vgl. Grantovskij a. O. 68 f. Anm. 1; 251 ff. und neu-
17
Literaturhinweise bei Ivantchik a. O. (Anm. 4) 117 assyr. und neubabylon. Ar-ba-ak-ka, Ar-bu-uk-ku
Anm. 73. ~ *Arbaka-, *Arbuka-, Ia-am-a-a’ ~ *Yama-, usw.,
18
Bei M. Vasmer, Untersuchungen über die ältesten Dandamayev a. O. 31. 84 f.
22
Wohnsitze der Slaven I. Die Iranier in Südrussland Mayrhofer a. O. 46.
23
(1923) 5. Ivantchik a. O. (Anm. 4) 117.
Der Name des kimmerischen Königs Lygdamis 611
anatolischen Namen Tuhamme im assyrischen Text jeglicher Grundlage: Der Verweis auf den
Wechsel von h und q in der akkadischen Wiedergabe anatolischer Namen ist unangebracht, da
es um [gd] (oder [kd]) geht; übrigens ist der auslautende Vokal in Tuhamme im Gegensatz zu
dem in Dug-dam-me-i kurz.
Weitere zwei der uns bekannten kimmerischen Anthroponyme, Te-uš-pa-a und Sa-an-dak-KUR-
ru sowie auch der Name der Kimmerier selbst, sind nicht nur etymologisch unklar, sondern können
nicht einmal einem bestimmten ethnokulturellen Bereich sicher zugeschrieben werden 24. Das ist
jedoch nicht das entscheidende Argument gegen die wahrscheinlichste Hypothese, nach der die
Kimmerier, ähnlich wie die Skythen, Iranier waren 25, und es darf uns nicht zu unverantwortli-
chen Mutmaßungen (etwa wie die von G. Schramm 26 oder von A. Kristensen 27) führen. Erstens
ist das Material viel zu gering. Zweitens ist der Gebrauch fremder Personennamen besonders
in der herrschenden Oberschicht etwas Normales. Als Paradebeispiel dafür könnten die Namen
der Herrscherfamilie der Kroaten zur Zeit ihrer Umsiedlung nach Dalmatien und außerdem der
Name eines bei Konstantin Porphyrogennetos belegten Fürsten (DAI 30, 64 f. bzw. 90) dienen.
Von acht Namen ist einer, Crwb£toj, von dem Volksnamen abgeleitet, zwei Frauennamen sind
offensichtlich türkischer Herkunft, und die übrigen sind überhaupt fremdartig und bieten keine
etymologischen Assoziationen. Das Ethnonym Hrvât(in) (<*Xurvāt-) ist ebenfalls zweifellos
fremder, allem Anschein nach iranischer Herkunft 28. »Wenn sich unsere Daten über die Kroa-
ten auf die Angaben von Konstantin Porphyrogennetos beschränken würden, [...] würde nichts
entgegenstehen, sie für einen nichtslawischen Stamm zu halten« 29.
SUMMARY
The name of the Cimmerian king Lygdamis (Akkadian ‘Dug-dam-me-i’) appears in the sour-
ces for the first time when the Cimmerians attacked Lydia around 644 B. C. and Ionia shortly
thereafter. There are also a number of early historical figures who use the same name: 1) an
Olympic champion from Syracuse, supposedly around 648 / 7 B. C., but in fact much later; 2) the
tyrant of Naxos, known from ca. 545 B. C.; 3) the father of Artemisia, ruler of Halikarnassos,
who was born not later than around the mid-6th century; 4) the son or grandson of Artemisia,
24
Zum ersten und letzten Namen s. mit Literatur Ivan W. P. Schmid, Indogermanische Forschungen 81,
tchik a. O. (Anm. 4) 61 ff. 120 ff. Freilich spricht Ivan 1976, 437. bes. 441: »Solchen Gedankenflügen kann
tchik die glaubwürdige Vermutung aus (vgl. bereits ich nicht folgen« und 435 über das Buch überhaupt:
G. Schramm, Nordpontische Ströme. Namenphilolo- »eine Kaskade kühner Gedanken«.
27
gische Zugänge zur Frühzeit des europäischen Ostens A. K. G. Kristensen, Who were the Cimmerians,
[1973] 213 f.), daß Sa-an-dak-KUR-ru auch eine ana- and where did they come from? (1988) Kap. III:
tolische oder anatolisch-iranische (mit der Annahme assyr. Gamir-, Gimir(r)- hätten übrigens nicht mit
einer theoretisch möglichen Lesung Sanda-kšatru, d. h. den Kimmšrioi zu tun, sondern gäben den Namen
mit einem iranischen *xšara-) Zusammensetzung sein des hebräischen Geschlechtes Bēt ‘Omrī wieder,
könnte, wobei die letztere weniger wahrscheinlich ist. das von den Assyrern an die nördlichen Grenzen des
s. Mayrhofer, Die Sprache 27, 1981, 187 f. bes. 188 Reiches übergesiedelt worden sei. Vgl. Ivantchik
Anm. 10. a. O. (Anm. 4) 130 f.: »un curiosum dans les études
25
s. zuletzt S. R. Tokhtas’ev, Cimmerians, 564 f.; ders., orientales«.
28
RosA 1993 / 2, 89 ff.; A. Ju. Alekseev, Skifskaja chro- Mit Literatur S. R. Tokhtas’ev, Drevnejšie svide-
nika (1992) 91; vorsichtiger Ivantchik a. O. (Anm. 4) tel’stva slavjanskogo jazyka na Balkanach, Osnovy
153 f., ders., VDI 1995 / 1, 22. balkanskogo jazykoznanija 2 (1998) 41 ff.
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Schramm a. O. 164 ff. (3. Teil): Protoarmenier. Vgl. Ebenda 49.
612 S. R. Tokhtas’ev
who inherited both the rule over Halikarnassos and the name of his (great)grandfather. Accor-
ding to the general opinion the name is Carian, since in all of Asia Minor with the exception of
the Cimmerians persons of this name are attested only from Caria (namely in Halikarnassos).
However, Lygdamis is linguistically completely isolated in the context of Carian onomastics.
Contacts between Carians and Cimmerians can hardly be assumed before the second quarter of
the 7th century. When Lygdamis died in Cilicia around 640 he had a grown-up son who inhe-
rited his rule; thus, the Cimmerian king cannot have been born later than ca. 680, i. e. exactly
at the time when the Cimmerians still lived on the borders of Assyria. For this reason one has
to assume that it was during the time the Cimmerians were present in Western Asia Minor that
the name Lygdamis was adopted by Carians, probably through intermarriage between Carian
and Cimmerian rulers. The later testimonies can be explained in part as imports from Caria (or
Halikarnassos), in part as historical swear words after the Cimmerian king (Xerxes, father of a
certain Hybreis from Apollonia Pontica, 4th century, is another example of the same phenome-
non); the name Kimmerios (first attested in the early 5th century at Xanthos, Lycia) is probably
roughly synonymous. The author, who believes the Cimmerians to have spoken Iranian, suggests
an Iranian etymology of the name.
ÖZET
Kimmer kralı Lygdamis’in adı (akadça Dug-dam-me-i) yazılı kaynaklarda ilk olarak Kimmer-
lerin M. Ö. 644 yılında Lidya’ya ve ardından da İonya’ya saldırmalarından sonra geçmektedir.
Antik Dönemde aynı adı taşıyan birkaç kişi daha bilinmektedir: 1) Syrakuslu olympionike (sözde
M. Ö. 648 / 47, fakat gerçekte çok daha sonraları), 2) Naksos tiranı, aşağı yukarı M. Ö. 545’ten
beri tanınmaktadır, 3) Halikarnassos’u egemenliği altında bulunduran Artemisia’nın babası ki,
doğumu M. Ö. 6. yüzyılın ortalarından daha geç değildir. 4) Artemisia’nın oğlu veya torunu.
Bu kişi hem babasının adını, hem de Halikarnassos’ta eğemenliği miras almıştır. Genel kanıya
göre Lygdamis adı Karya dilindedir. Anadolu topraklarının tamamında – Kimmerler hariç – bu
adı taşıyan kişilere sadece Karya’da ve özellikle de Halikarnassos’ta rastlanmaktadır. Ne var ki
Karya dili hazinesi çerçevesinde Lygdamis adı dilbilimsel açıdan tamamıyla yalıtılmış bir isim-
dir. Ayrıca M. Ö. 7. yüzyılın 2. çeyreğinden önce Karyalılar ve Kimmerler arasında herhangi bir
ilişkinin varlığını öne sürmek oldukça zordur. Lygdamis M. Ö. 640 yılında Kilikya’da öldüğünde
yetişkin bir oğlu vardı ve oğlu iktidarı devraldı. Bu nokta göz önüne alındığında Lygdamis
M. Ö. 680 civarında, diğer bir deyimle Kimmerlerin Asur sınırlarında bulundukları zamanda
doğmuş olmalıdır. Bundan dolayı Lygdamis adı, Kimmerlerin Batı Anadolu’da bulunduğu zaman,
muhtemelen de Karya ve Kimmer egemenleri arasındaki evlilik ilişkileriyle Karyalılar tarafından
kendi dillerine alınmış olmalıdır. Daha sonraki dönemlerde karşımıza çıkan tarihi belgelerdeki
ad, kısmen Kimmer kralından esinlenen tarihi küfür adları olarak anlaşılmalıdır (buna örnek
olarak M. Ö. 4. yüzyıldan Apollonia Pontikalı bir Hybreis’in babası olan Xerxes gösterilebilir).
Kimmerios adı ise bu ada eş anlamlı olmalıdır (İlk olarak M. Ö. 5. yüzyılın başında Likya’da
Xanthos’ta belgelenmiştir). Kimmerlerin İran dili konuşan bir halk olduğunu öne süren bildiri
sahibi ise bu ad için iran etimolojisini önermektedir.