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Thermodynamische Werkzeuge

3. Thermodynamische Werkzeuge

3.1. Stöchiometrie und Massenwirkungsgesetz


Literatur zum Thema
- Technische Berufsmittelschule Chemie
- Module Allgemeine Chemie 1 und 2
- Skoog D.A., West D.M., Holler F.J.: "Fundamentals of Analytical Chemistry", Saunders College Publis-
hing, New York (1996)
- Dickerson R.E., Geis I.: "Chemie - eine lebendige und anschauliche Einführung", Verlag Chemie,
Weinheim (1986)
- Kunze U.R., Schwedt G.: "Grundlagen der qualitativen und quantitativen Analyse", Wiley-VCH, Wein-
heim (2002)

Bezeichungen in stöchiometrischen Gleichungen:

Vorwärtsreaktion

Edukte Produkte

aA + bB cC + dD

Stöchiometrische
Rückreaktion
Koeffizienten

3.1.1 Bedeutung der Stöchiometrie in der chem. Analytik


• Nasschemische quantitative Analysemethoden benutzen als Sonde ein chemisches Reagens, das mit
dem Analyten eine Wechselwirkung in Form einer chemischen Reaktion eingeht. Das analytische Sig-
nal ist die Menge Reagens, die in dieser Reaktion verbraucht wird (Bsp. Titrimetrie) oder die Menge
Produkt, die daraus entsteht (Bsp. Gravimetrische Fällungsanalyse).
• Absolute Analysenmethoden, also solche, die nicht mit Standards kalibriert werden müssen, sind mit
wenigen Ausnahmen nasschemische Verfahren. Sie sind aber auf eine eindeutig definierte Stöchio-
metrie der Reaktion zwischen Analyt und Sonde angewiesen, da sonst keine Auswertung möglich ist.
Beispiel: Für die quantitative Analyse auf Fe3+ in wässeriger Matrix wird die Probe mit Natronlauge versetzt, was
zum vollständigen Ausfallen des Eisens als Eisen(III)-hydroxid führt. Der Niederschlag kann abfiltriert und nach
dem Trocknen gewogen werden.
Problem: das entstehende Fe(III)-Hydroxid ist keine Verbindung mit eindeutiger Stöchiometrie, sondern es ent-
stehen - je nach pH, Schnelligkeit der Reagenszugabe, Temperatur und Trocknungszeit ganz verschiedene Ver-
bindungen:
3+
aFe(aq) ⎯⎯
+ 3a OH− + bH2O ←⎯→ Fea (OH)3a−2c (O)c (H2O)b+ c
⎯ (s)

Der Niederschlag ist nicht kristallin und besteht aus einem praktisch nicht kontrollierbaren, locker vernetzten
Gemisch von Eisen-Kationen, Hydroxyl- und Oxid-Anionen sowie dazwischen eingelagerten Wassermolekülen.
Davon auf den Eisengehalt zurück zu rechnen, ist natürlich unmöglich. Erst wenn der Niederschlag bei 1000°C
geglüht wird, entsteht die stöchiometrisch definierte Verbindung Fe2O3 und die Auswertung wird möglich.

Uebung 3a: Auswertung einer gravimetrischen Eisenanalyse


Im Sickerwasser aus einer Stahlbetonbrücke soll der Eisengehalt (mg/l) bestimmt werden. Dazu wer-
den genau 20 ml Probe mit Natronlauge versetzt, bis keine weiterer Ausfall von braunem Eisenhydro-
xid mehr zu beobachten ist. Anschliessend wird der Niederschlag abfiltriert und bei 1000°C so lange
ausgeglüht, bis sein Gewicht nicht mehr abnimmt. Dann wird er gewogen: Man findet 124.6 mg.
Wie gross war der Eisengehalt des Sickerwassers?

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• Bei Relativ-Methoden muss zumindest sichergestellt sein, dass die Stöchiometrie - wenn sie schon
nicht bekannt ist - immer gleich abläuft und sich zwischen Kalibrations- und Probenmessung nicht
verändert. Dies ist jedoch vielfach schwierig nachweisbar. Deshalb wird bei nasschemischen Me-
thoden wenn immer möglich mit stöchiometrisch eindeutig definierten Reaktionen gearbeitet.
• Für eine Absolutmethode muss die relevante Reaktion vollständig und mit hoher Geschwindig-
keit ablaufen. Bei Relativverfahren kann diese Bedingung wie im vorherigen Punkt gelockert werden:
Läuft die Reaktion bei Kalibration und Probenmessung gleich weit, bzw. gleich schnell, kann sie
trotzdem verwendet werden (Beispiel: Enzymatische Glukose-Analyse: Die zugrunde liegende Reaktion
läuft bei Raumtemperatur nur langsam. Erfolgt aber die Messung des entstehenden Produktes immer
im gleichen Moment nach dem Durchmischen, wird eine eventuelle systematische Abweichung kom-
pensiert, da sie bei Kalibration und Messung gleich gross ist).

3.1.2 Gleichgewichtsreaktionen
Die nachfolgenden Punkte fassen nur die für die Analytik besonders wichtigen Eigenschaften und Defini-
tionen zusammen. Eine umfassende Diskussion findet in den Modulen AC1 und AC2 sowie in der physika-
lischen Chemie im Hauptstudium statt.
• Reaktionen, welche chemische Gleichgewichte sind, laufen nie ganz vollständig ab (vgl Modul
AC1). Dies gilt insbesondere für homogene Reaktionssysteme, z.B. in wässeriger Lösung (Gibbs-
Phasenregel).
• Wie weit eine chemische Gleichgewichtsreaktion abläuft, kann eruiert werden aus dem zugehörigen
Massenwirkungsgesetz (MWG), bzw. der Gleichgewichtskonstanten K.
Pr od.

∏c ni
(X i )
Definition der Gleichgewichtskonstanten: K := i
Edukte
(G10)
∏ c j (X j )
n

Edukte Pr odukte
für die Reaktionsgleichung: ∑j
nj ⋅ X j R ∑ i
ni ⋅ X i

ACHTUNG: Die Masseinheit und auch der Zahlenwert von K ist abhängig davon, wie die Reaktionsglei-
chung formuliert wird (vgl. Beispiel c) unten)!

Beispiele:
a) Protonierung von Fluorid durch Wasser:
Reaktionsgleichung: F-(aq) + H2O R HF(aq) + OH-(aq)

MWG: K= [K] =

b) Oxidation von Wasserstoffperoxid mit Permanganat:


Reaktionsgleichung: 5 H2O2 + 2 MnO4-(aq) + 6 H+(aq) R 5 O2 + 2 Mn2+(aq) + 8 H2O

MWG: K= [K] =

c) Knallgasreaktion:
Reaktionsgleichung: 2 H2(g) + O2(g) R 2 H2O(g) (Formulierung 1)

MWG: K1 = [K1] =
oder H2(g) + ½ O2(g) R H2O(g) (Formulierung 2)

MWG: K2 = [K2] =

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• Werden Edukte und Produkte in einem Gleichgewicht vertauscht ("Reaktionsumkehr"), so geht K in


ihren Reziprokwert über.
Beispiel: Reaktion von Ammoniak mit Säure, bzw. Zerfall von Ammonium in Wasser:
c(NH+4 )
Assoziation: NH3(aq) + H+(aq) R NH4+(aq) Ka =
c(NH3 ) ⋅ c(H+ )

c(NH3 ) ⋅ c(H+ ) 1
Dissoziation: NH4+(aq) R NH3(aq) + H+(aq) Kd = +
=
c(NH )4
Ka

• Gleichgewichtskonstanten können sich über viele Zehnerpotenzen erstrecken, und sind vielfach nicht
präzis bestimmbar, Deshalb wird meist ihr Logarithmus angegeben oder der pK-Wert, d.h. der negati-
ve Zehnerlogarithmus von K:
Definition des pK-Wertes: pK := - log K (G11)

• Zusammenhang zwischen K und der Reaktionstendenz:


K >> 1 (logK )

K << 1 (logK )

K ≈ 1 (logK )

Aus diesen Zusammenhängen müsste man schliessen, dass nur Reaktionen, welche riesige K-Werte haben
und darum vollständig ablaufen, für die chemische Analytik von Nutzen wären. Nur bei diesen könnte
man nämlich von den gefundenen Produktmengen (oder gemessenen Gleichgewichtskonzentrationen) auf
die ins System eingebrachten Eduktkonzentrationen (sog. "analytische Konzentration") schliessen.

3.1.3 Beeinflussung der Gleichgewichtslage


Die obigen Rückschlüsse von K auf die Gleichgewichtslage stimmen streng nur, wenn alle Edukte in stö-
chiometrischem Verhältnis zusammengegeben werden. Der Umstand, dass das MWG mathematisch erfüllt
sein muss, sobald ein System im Gleichgewicht ist, eröffnet aber diverse Möglichkeiten, die Reaktions-
tendenz in echten Gleichgewichten zu verändern. Welche Massnahmen dazu notwendig sind, kann aus
dem Le-Châtelier-Prinzip abgeleitet werden:
Prinzip von Le Châtelier
Wenn man auf ein System im Gleichgewicht einen Zwang ausübt, dann verschiebt das System die
Gleichgewichtslage (unter Beibehaltung des MWG!) so, dass der Zwang zumindest teilweise kom-
pensiert wird.

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Beispiele
Störung Reaktion des Systems Reaktionstendenz Bsp.
Nr.
Zugabe eines Eduktes Abführen des Eduktes durch wird verbessert a)
weitere Vorwärtsreaktionen
Verkleinerung von c(Edukt) Nachliefern von Edukt durch b)
vermehrte Rückreaktion
z.B. durch biologischen Abbau
Abführen eines Produktes Nachliefern von Produkt durch c)
weitere Vorwärtsreaktionen
z.B. Abdestillieren
Erhöhen des Systemdrucks Senken des Drucks durch Um- geht in Richtung jener Seite d)
wandlung gasförmiger in nicht mit weniger gasförmigen
gasförmige Teilchen Komponenten
Erhöhen der Temperatur "Absorbieren" der Wärmeenergie Die endotherme e)
durch vermehrte endotherme Reaktionsrichtung wird
Reaktionen begünstigt

a) Fällungsanalyse
In der Fällungsanalytik (Gravimetrie) wird der in der Probe gelöste Analyt möglichst vollständig in eine
schwerlösliche Verbindung umgewandelt, die abfiltriert und gewogen wird. Ist die Stöchiometrie eindeutig und
läuft die Fällungsreaktion vollständig ab, so kann auf den Analytgehalt zurückgerechnet werden. Fällungsreak-
tionen sind aber vielfach Gleichgewichte.
Bestimmung von c(Ag+(aq)) durch Fällung mit Kochsalzlösung:
Ag+(aq) + Cl-(aq) R AgCl(s) KL = c(Ag+)⋅c(Cl-) = 10-10 mol2⋅l-2 1

Durch Zugabe eines Ueberschusses an Fällungsmittel kann das Gleichgewicht ganz auf die rechte Seite getrie-
ben werden, das Silber wird quantitativ ausgefällt.
b) Anionenselektive Elektrode
Ionenselektive Elektroden (ISE) für Anionen messen die Konzentration von gelöstem Analyt. Viele Anionen
sind aber Basen, d.h. sie werden im Wasser teilweise protoniert. Die entstehenden Produkte sind nicht mehr
geladen und werden vom Sensor nicht mehr erfasst. Damit also wirklich die analytische Konzentration an Ana-
lyt gemessen wird, muss die Protonierungsreaktion unterbunden werden.
Fluoridsensitive Elektrode:
c(HF)
F-(aqq) + H+(aq) R HF(aq) Ka = − +
= 1380 mol-1⋅l
c(F ) ⋅ c(H )
+
Durch Erhöhung des pH wird c(H ) gesenkt und die Protonierung des Fluorid verhindert, weil das Gleichgewicht
nach links "kippt".
c) Komplexometrische Titration
Bei diesem Verfahren für die Metallanalyse reagiert das Analytkation mit der organischen Säure Na2H2EDTA
(Ethylendiammintetraacetat) und bildet eine sog. Komplexverbindung. Die Säure gibt dabei 2 Protonen ab. Die
Reaktion sollte für ein absolutes Verfahren vollständig ablaufen, ist aber ein Gleichgewicht.:

c(FeEDTA − ) ⋅ c2 (H+ )
Fe3+(aq) + H2EDTA2-(aq) R FeEDTA-(aq) + 2 H+(aq) K= = 5⋅106 mol⋅l-1
c(Fe3+ ) ⋅ c(H2EDTA2− )
Wird hier der pH erhöht, sinkt die Konzentration des Produkts H+(aq), die Reaktion kippt - wie für die Analyse
erwünscht - nach rechts.

1
In heterogenen Gleichgewichten kann die Konzentration von Festkörpern 1 gesetzt werden. Deshalb taucht c(AgCl)
hier im MWG nicht auf.

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Fortsetzung Beispiele zum Le Châtelier-Prinzip


d) Löslichkeit von Kohlendioxid in Wasser
Wird Kohlendioxid CO2 in Wasser eingeleitet, löst es sich darin unter Bildung von Kohlensäure, welche zu
Hydrogencarbonat protolysiert:
CO2(g) + 2 H2O(l) R HCO3-(aq) + H3O+(aq)
Die Löslichkeit von CO2 in Wasser wird erhöht, wenn der Druck ...................... wird.
Begründung:

e) Ammoniaksynthese
Ammoniak NH3 ist der wichtigste "Stickstofflieferant" für die organische Synthese, kommt aber in der Natur
nur in kleinen Mengen vor. Er wird deshalb für die industrielle Produktion in riesigen Mengen aus Luftstickstoff
und Wasserstoffgas hergestellt (Haber-Bosch-Verfahren):

c2 (NH3 )
N2(g) + 3 H2(g) R 2 NH3(g) K= = 6.5⋅105 mol-2⋅l2
c(N2 ) ⋅ c3 (H2 )

Die Vorwärtsreaktion ist stark exotherm, d.h. wenn sie abläuft, wird vom System Energie (z.B. Wärme) freige-
setzt. Bei Raumtemperatur läuft die Reaktion aber nur sehr langsam ab (Einfluss der Kinetik). Erhöht man des-
halb die Temperatur auf 1000°C (Temperaturerhöhung beschleunigt jede Reaktion), wird überhaupt kein Am-
moniak mehr gebildet! Grund: Das System versucht, die zugeführte Wärme wieder abzuführen, was gelingt,
wenn mehr endotherme Rückreaktionen ablaufen.
Da diese Störung (Temperaturänderung) primär keine Konzentrationsänderung einer Komponenten bewirkt,
kann das MWG nicht durch gleichzeitige Aenderung von Zähler und Nenner auf dem gleichen Wert gehalten
werden, sondern hier ändert die Gleichgewichtskonstante: Je stärker endotherm oder exotherm eine Reakti-
on ist, desto stärker temperaturabhängig ist ihre Gleichgewichtskonstante.
Das K der Haber-Bosch-Synthese sinkt bei 1000°C auf 3.3⋅10-7 mol-2⋅l2, also um über 12 Zehnerpotenzen!
Zusatzfrage: Könnte die Ausbeute auch mit einer Druckänderung verbessert werden? Wenn ja, in welcher Rich-
tung müsste der Druck verändert werden?

In vielen Fällen kann das Gleichgewicht aber nicht total auf eine Seite verschoben werden. Dann sind
unter Umständen für eine aussagekräftige Analytik ohne systematische Abweichungen Berechnungen von
Gleichgewichtskonzentrationen notwendig, welche vor allem in komplexen Systemen sehr aufwendig oder
sogar unlösbar sein können. Gleichgewichtsberechnungen und praktikable Näherungsverfahren für die
analytische Praxis bilden das Schwergewicht des Moduls Analytische Chemie 2, die Grundlagen dazu wer-
den in der Allgemeinen Chemie behandelt.
Grundlage solcher Berechnungen bilden die Massenwirkungsgesetze, bzw. ihre Gleichgewichtskonstanten.
Experimentelle Werte für K sind für alle wichtigen Reaktionstypen (Redox, Säure/Base, Komplexbildung,
org. Synthese, etc.) publiziert worden, z.B. in den Tabellenwerken von A.E. Martell, die auch in der ZHW-
Bibliothek stehen:
- Martell A.E., Smith R.M.:"Critial Stability Constants", Plenum Press, New York 1989
- Martell A.E.: "Stability Constants of Metal Ion Complexes", The Chemical Society, London 1964
und Folgebände dazu

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3.1.4 Gekoppelte Gleichgewichte


Ist in einem Reaktionssystem ein Teilchen an mehreren Gleichgewichten beteiligt, z.B. in der einen als
Edukt, in der andern als Produkt, spricht man von gekoppelten Gleichgewichten. Ist das System im
Gleichgewicht, müssen alle MWG's erfüllt sein, was dazu führt, dass die Konzentrationen gegenüber der
Situation, wo die Teilreaktionen isoliert voneinander ablaufen, verändert werden: Die eine Reaktion ver-
schiebt die Gleichgewichtslage der andern und umgekehrt, und zwar immer nach den Regeln des Le
Châtelier-Prinzips.

c(AB)
Reaktion 1: A + B AB K1 =
c(A) . c(B)

c(C) . c(D)
Reaktion 2: AB C + D K2 =
c(AB)
Die Eigenschaften gekoppelter Gleichgewichte haben aber auch Vorteile: Sie ermöglichen z.B. die Berech-
nung der Konstanten einer Reaktion, welche noch nicht experimentell bestimmt wurde, indem diese Re-
aktion in mehrere miteinander gekoppelte Teilschritte aufgetrennt wird:

Beispiel: Von der Totalreaktion A + B R C + D soll die Gleichgewichtskonstante Ktot, die nicht
bekannt ist, ermittelt werden. Dazu wird die Reaktion in zwei Teilreaktionen, von denen die K bekannt
sind, separiert, und welche über das (evtl. hypothetische) Zwischenprodukt AB verknüpft sind:
c(AB)
Teilreaktion 1: A + B R AB K1 =
c(A) ⋅ c(B)

c(C) ⋅ c(D)
Teilreaktion 2: AB R C + D K2 =
c(AB)

c(C) ⋅ c(D)
Totalreaktion: A + B R C + D K tot = = K1 ⋅ K2
c(A) ⋅ c(B)
log Ktot = log K1 + log K2 (G13)

Uebung 3b: Berechnung einer Komplexbildungskonstanten aus Tabellenwerten


Beispiel c (Komplexometrische Eisenbestimmung) im letzten Abschnitt basiert auf der folgenden Gleich-
gewichtsreaktion zwischen dem Analyten und der doppelt protonierten Form des Reagens EDTA ("Komple-
+
xon"). Für die Bindung ans Eisenion muss das Komplexon die beiden H abgeben:
R
3+ 2- - +
Fe (aq)
+ H2EDTA (aq)
FeEDTA (aq) + 2 H (aq)
Die Gleichgewichtskonstante der Reaktion ist nicht bekannt, hingegen können die folgenden K's in Tabel-
lenwerken gefunden werden:
R
4- 4- + 3-
Protonierung von EDTA : EDTA + H HEDTA pKa1 = -10.3
R
3- 3- + 2-
Protonierung von HEDTA : HEDTA + H H2EDTA pKa2 = -6.2
R
3+ 4- 3+ 4- -
Komplexbildung von Fe mit EDTA : Fe + EDTA FeEDTA log KFeEDTA = 25.1
- Stellen Sie für alle vier Reaktionen die MWG auf!
- Versuchen Sie, durch geschickte Kombination der drei Teilreaktionen zur gesuchten Totalreaktion zu
gelangen, und berechnen Sie dann K dieser Reaktion aus Ka1, Ka2 und KFeEDTA .

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Test 3c: Stöchiometrie und chemisches Gleichgewicht


Diese Uebung wird im Selbststudium in Form eines Tests gelöst. Den Test finden Sie, wenn Sie zum
Inhaltsverzeichnis des Moodle-Kurses AnC I gehen und dort das Thema 3 anwählen.

3.2. Konzentration und Aktivität


Literatur zum Thema: Kunze

A. Modellvorstellung

Prinzip: Die Reaktionstendenz von solvatisierten Ionen in einer Lösung wird reduziert, da die gela-
denen Teilchen durch Wechselwirkungen mit andern Ionen (Abstossung, Anziehung) und dem pola-
ren Lösemittel (Wasserstoffbrücken, Dipol-Wechselwirkungen) in ihrer Beweglichkeit behindert wer-
den. Dies verkleinert die Chancen der Ionen, durch Kollision mit einem Reaktionspartner eine chem.
Reaktion einzugehen.
Die effektiv an den Gleichgewichtsvorgängen beteiligte Teilchenmenge ("aktive Konzentration", Ak-
tivität) ist kleiner als die analytische Konzentration.

Reaktion zwischen ungeladenen Molekülen Reaktion mit Ionen

Praktisch alle Teilchen nehmen am Gleichge- Nur ein Teil der Ionen kann ungehindert
wicht teil reagieren

Aktive Konzentration = Reale Konzentration Aktive Konzentration < Reale Konzentration

• Bei Gleichgewichtsreaktionen, an denen Ionen beteiligt sind, müssen im MWG nicht Konzentrationen
c(Ion), sondern "Aktivitäten" (Symbol a(Ion) ) eingesetzt werden.
• Die Aktivität a(X) hat die gleiche Masseinheit wie die Konzentration c(X): [a] = mol/l
• Bei ungeladenen Teilchen ist die Aktivität gleich gross wie die Konzentration.
• Die Aktivität von Festkörpern kann im MWG eins gesetzt werden (Kein Einfluss auf das Gleichgewicht)
• Je höher die Gesamtkonzentration an Ladungsträgern in der Lösung, die sog. Ionenstärke, ist, desto
mehr wird die Aktivität eines Ions reduziert.
• Eine Veränderung der Ionenstärke verschiebt die Gleichgewichtslage einer Ionenreaktion (Einfluss des
Le Châtelier-Prinzips, vgl. Uebungen zu diesem Kapitel)

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B. Berechnung der Ionenstärke


Die Ionenstärke (Symbol I; [I] = mol/l ) ist ein Mass für die Totalkonzentration an elektrischer Ladung in
der Lösung.
• Alle enthaltenen ionischen Teilchen tragen dazu bei, sowohl jene des Analyten, wie auch jene aus der
Matrix oder von zugegebenen Reagenzien.
• Das Vorzeichen der Ladung (anionisch oder kationisch) hat keinen Einfluss.
• Höher geladene Ionen haben einen grösseren Einfluss als niedrig geladene.
1 ∗
Ionenstärke I := ⋅ ∑ {c(X i ) ⋅ z2i } ; [I] = mol/l (G14)
2 i
*: Summe über alle ionischen Teilchen
c(Xi): Konzentration von Ion Xi
ziz: Ladung des Ions Xi
Beispiel: Ionenstärke einer wässerigen Lösung mit den folgenden Substanzen:
- 0.1 mol/l Natriumnitrat NaNO3 (Zerfällt in Lösung zu Na+(aq) und NO3-(aq) )
- 10-5 mol/l Aluminiumsulfat Al2(SO4)3 (gibt Al3+(aq) und SO42-(aq) )
- 0.1 mol/l Saccharose C6H12O6 (Kristallzucker)
Einzelbeiträge: Natriumnitrat Na+: 0.1∙(+1)2 = 0.1000 mol/l
-
NO3 : 0.1∙(-1)2 = 0.1000 mol/l
Al-Sulfat 1 3+
Al : 2∙10-5∙(+3)2= 0.00018 mol/l
2-
SO4 : 3∙10-5∙(-2)2= 0.00012 mol/l
Saccharose Kein Beitrag, da nicht ionisch!
Ionenstärke I = 1/2∙ 0.2003 = 0.100 mol/l

Wie das Beispiel zeigt, wird die Ionenstärke bestimmt durch das in der höchsten Konzentration vorhan-
dene Salz (Das Aluminiumsulfat trägt hier praktisch nichts bei). Dies wird ausgenutzt beim Einsatz sog.
Inertsalze ("Inertelektrolyt"): Zu einer Reaktions- oder Messlösung wird in grossem Ueberschuss (vergli-
chen mit allen andern ionischen Komponenten im System) ein Salz gegeben, das in keiner Art und Weise
mit einem der Bestandteile des Systems chemisch reagieren (sonst würde es seine Konzentration verän-
dern!) oder die Messung beeinflussen darf. Wenn nun während der Analyse durch chem. Reaktion andere
ionische Teilchen gebildet werden oder verschwinden, ändert dies nichts an der Ionenstärke. Beispiele
für vielfach benutzte Inertsalze sind Natrium- oder Kaliumsalze der sehr reaktionsträgen Anionen Perchlo-
-
rat (ClO4 ), Nitrat (s. Beispiel oben) oder Chlorid. Chlorid kann nicht verwendet werden, wenn Schwerme-
+
talle wie Ag im System sind, da sonst Fällungen der meist schwerlöslichen Schwermetallchloride auftre-
ten. In nicht wässerigen Systemen werden Tetraalkylammoniumbromide oder -chloride eingesetzt.

C. Zusammenhang zwischen Ionenstärke und Aktivität


Die Aktivität a(X) eines solvatisierten Ions ist verglichen mit seiner Konzentration c(X) immer kleiner:
a(X) ≤ c(X) (G15)
Das Ausmass dieser Erniedrigung wird mit dem Aktivitätskoeffizienten fX beschrieben
a(X)
Aktivitätskoeffizient fX := ; [fX] = 1 (G16)
c(X)

• Bereich des Aktivitätskoeffizienten: 0 (keine Aktivität) < fX < 1 (kein Einfluss der Ionenstärke)
• Zusammenhang mit I: Je grösser die Ionenstärke, desto tiefer sinkt fX unter 1

1
Achtung: 1mol Al2(SO4)3 enthält 2 mol Al3+, bzw. 3 mol SO42- !

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Für die näherungsweise Berechnung von Aktivitätskoeffizienten aus der Ionenstärke stehen empirische
1
Formeln zur Verfügung, die aber je nach Grössenordnung von I anders aussehen:
I ≤ 10 mol/l ⇒ log fX ≅ −A ⋅ z2X ⋅ I
-3
(G17)
−A ⋅ z2X ⋅ I
10 mol/l < I ≤ 0.1 mol/l ⇒ log fX ≅
-3
(G18)
1+ I
A = 0.509 (in Wasser, bei 25°C)

In den Formeln G17 und G18 erscheint die Ionenladung z im Quadrat. Dies hat zur Folge, dass die Aktivi-
tät eines mehrfach geladenen Ions viel stärker auf Aenderungen der Ionenstärke reagiert, wie dies auch
die nachfolgende Grafik verdeutlicht.

11

zz == 11
0.9
0.9

0.8
0.8
zz == 22
0.7
0.7

0.6
0.6 log fX ≅ − A ⋅ z2X ⋅ I
−A ⋅ z2X ⋅ I
Aktivitätskoeffizient
Aktivitätskoeffizient

log fX ≅
0.5
0.5 1+ I

0.4
0.4

zz == 33
0.3
0.3

0.2
0.2

0.1
0.1

00
-7
-7 -6
-6 -5
-5 -4
-4 -3
-3 -2
-2 -1
-1 00

log
logII

1
empirische Formel = wurde aus Experimenten hergeleitet und basiert nicht auf einem physikalischen Modell.

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Beispiel: Aktivitäten von La3+ und Cl- in einer Salzlösung


Die Salzlösung enthält 0.01 mol/l Kaliumchlorid KCl und 10-5 mol/l Lanthanchlorid LaCl3
1. Berechnung der Ionenstärke: Beitrag des LaCl3 kann vernachlässigt werden, I wird nur durch KCl (binäres einwer-
tiges Salz; "Inertelektrolyt") bestimmt:
⇒ Ι = Ctot(KCl) = 0.01 mol/l
2. Wahl der passenden empirischen Formel: I liegt im Bereich mässig konzentrierter Lösungen
⇒ G18 muss benutzt werden
3. Berechnung der Aktivitätskoeffizienten:
−0.509 ⋅ (+3)2 ⋅ 0.01
La3+: log fLa ≅
3+ = −0.417 ⇒ fLa = 10( −0.417) = 0.383
3+

1 + 0.01
−0.509 ⋅ (−1)2 ⋅ 0.01
Cl-: log fCl ≅
− = −0.046 ⇒ fCl = 10( −0.046) = 0.899
-

1 + 0.01
4. Berechnung der Aktivitäten: a(La3+) = fLa∙c(La3+) = 0.383∙10-5 mol/l
a(Cl-) = fCl∙c(Cl-) = 0.899∙(3∙10-5 + 0.01) = 0.009 mol/l

D. Konsequenzen für das Massenwirkungsgesetz


• In Massenwirkungsgesetzen müssen für ionische Teilchen statt der Konzentration c(X) die Aktivitäten
a(X) eingesetzt werden. Nur dann ist K der Reaktion unabhängig von der Ionenstärke im System und
kann aus thermodynamischen Stoffdaten berechnet werden. Diese Konstante wird als thermodynami-
sche Gleichgewichtskonstante Kthd. bezeichnet
• Für die Abschätzung von Gleichgewichtslagen kann, falls die Ionenstärke nicht über 0.01 mol/l liegt,
bei einwertigen Ionen dieser Unterschied vernachlässigt werden.
• Empirische Gleichgewichtskonstanten Kexp., welche aufgrund von Messungen der Gleichgewichtskon-
zentrationen experimentell ermittelt wurden, sind abhängig von der Ionenstärke im System.
Umrechnung zwischen empirischer und thermodynamischer Gleichgewichtskonstante am Beispiel der
Reaktion A + B R AB:

a(AB) fAB ⋅ c(AB) f


K thd. := = = AB ⋅ K exp. (G19)
a(A) ⋅ a(B) fA ⋅ c(A) ⋅ fB ⋅ c(B) fA ⋅ fB

• Gleichgewichte, welche auf Edukt- und Produktseite verschieden viele und/oder verschieden geladene
Ionen enthalten, lassen sich gem. Le Châtelier durch eine Aenderung der Ionenstärke verschieben:
Durch eine Erhöhung von I verschiebt sich ein Gleichgewicht auf jene Seite, wo mehr, bzw. höher ge-
ladene Teilchen in der Reaktionsgleichung vorkommen, da deren Aktivität gesenkt wird.

Beispiel: Löslichkeit von Kalk CaCO3 bei verschiedenen Ionenstärken


Die Auflösung von Kalk in Wasser ist ein Gleichgewicht mir der folgenden Reaktionsgleichung:
CaCO3 (s) R Ca2+(aq) + CO32-(aq)
Die Gleichgewichtskonstante kann experimentell bestimmt werden, indem in einer gesättigten Lösung die Kon-
zentrationen an Ca- und Carbonationen bestimmt wird. Wird dies in einer Standardlösung durchgeführt, die
als Inertelektrolyt 0.01 mol/l KClO4 (ergibt I = 0.01 mol/l) enthält, findet man die folgende experimentelle
Gleichgewichtskonstante:
c(Ca2+ ) ⋅ c(CO23− )
Kexp (I = 0.01mol / l) = = 2.1 ⋅ 10-8 mol2 /l 2
1 *)
*) Die Aktivität eines Festkörpers in heterogenen Systemen kann immer 1 gesetzt werden (vgl. Kap.3.1.2,
bzw. Skript AC2)
Von diesem empirischen Wert kann nun auf die thermodynamische, von I unabhängige Gleichgewichtskonstan-
te zurück gerechnet werden, indem zuerst die Aktivitätskoeffizienten von Ca2+ und CO32- bei I=0.01 mol/l gem.
(G18) berechnet und dann in (G19) eingesetzt werden:

D:\Daten gae\ZHW\AnC1\Skript AnC1\SkriptChemTools.doc Seite 10 von 11 08.09.2005/Gae


ZHW / CB / AnC1 3. Thermodynamische Werkzeuge

Fortsetzung Beispiel Löslichkeit von CaCO3:

−0.509 ⋅ 2 ⋅
2
0.01
log fCa =
2+
= −0.195 ⇒ fCa = fCO = 0.653 2+ 2−

1+ 0.01 3

−8
⇒ K thd. = fCa ⋅ fCO ⋅ Kexp . = 0.653 ⋅ 2.1 ⋅ 10 = 8.9 ⋅ 10-9 mol 2 /l 2
2
2+ 2−
3

Soll nun die Löslichkeit in einer andern Ionenstärke, z.B. in Meerwasser (I=0.1 mol/l) berechnet werden, wird
von Kthd. in umgekehrter Richtung wieder hochgerechnet:

−0.509 ⋅ 2 ⋅
2
0.1
I = 0.1mol / l ⇒ log fCa = 2+
= −0.489 ⇒ fCa = fCO = 0.324
2+ 2−

1+ 0.1 3

−9
K thd. 8.9 ⋅ 10
⇒ K exp. (I = 0.1mol / l) = = = 8.5 ⋅ 10-8 mol2 /l2
fCa ⋅ fCO
2+ 2−
0.3242
3

Kalk ist also in Meerwasser deutlich besser löslich als in Trinkwasser. Versuchen Sie, dies auch mit dem Le
Châtelier-Prinzip zu begründen!

Konsequenzen für die analytische Praxis:


• Nasschemische Mess- oder Aufarbeitungsverfahren, bei denen Ionengleichgewichte beteiligt sind,
müssen immer bei der gleichen Ionenstärke durchgeführt werden, um reproduzierbare Ergebnisse zu
liefern.
• Die Ionenstärke darf sich während der Analyse nicht verändern (z.B. durch Ausfall von schwerlösli-
chen Salzen), sonst verschieben sich die beteiligten Ionengleichgewichte. Dieses Problem lässt sich
beheben, indem ein Inertsalz ("Inertelektrolyt") in viel höherer Konzentration als die zu erwartenden
Veränderungen von I ins System gegeben wird.
• Bei Relativmethoden, die ja kalibriert werden müssen, ist darauf zu achten, dass die Ionenstärke beii
Kalibration und Probenmessung die gleiche ist (Zugabe von Inertelektrolyt, Kalibration mit der Auf-
stockmethode). So wird die systematische Abweichung a(X) ≠ c(X) kompensiert.

Test 3d : Aktivität und Konzentration


Diese Uebung wird im Selbststudium in Form eines Tests gelöst. Den Test finden Sie, wenn Sie zum
Inhaltsverzeichnis des Moodle-Kurses AnC I gehen und dort das Thema 3 anwählen.

Alte Klausuraufgaben zu Kapitel 1 - 4


In WebCT finden Sie im Inhaltsverzeichnis einen Link zu einer PDF-Datei mit Klausuraufgaben zu
den Kapiteln des Kurses AnC1 und deren detaillierte Lösungen.

D:\Daten gae\ZHW\AnC1\Skript AnC1\SkriptChemTools.doc Seite 11 von 11 08.09.2005/Gae

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