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Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Seminararbeit
Thema Nr. 2

Messkonzepte in der Glücksforschung

Referent: Prof. Dr. Sebastian Kube

Betreuer: Konstanze Albrecht

Vorgelegt von
Marc W. Hennerici
Honnefer Straße 18
53179 Bonn
0228/9026787

02.07.2010
Gliederung

1. Einleitung

2. Die verschiedenen Messkonzepte in der Glücksforschung

3. Internationale Surveys und ihre Charakteristika

4. Kritik und Anforderungen an Messungen des subjektiven Wohlbefindens

5. Alternative junge Konzepte

6. Fazit
1. Einleitung

Was ist Glück? Kann man es messen, wie lässt es sich definieren?
All diese Fragen bestehen nicht erst seit heute oder gestern.
Bereits die großen Philosophen der Antike übten sich darin, den Begriff des Glücks zu
definieren. Es enstanden nicht zuletzt auch aufgrund dieser Auseinandersetzungen mit dem
Glücksbegriff unterschiedliche philosophische Stromrichtungen. Für einen der bekanntesten
Philosophen, Aristoteles, unterscheidet sich das Glück im wesentlichen von anderen Gütern in
der Eigenschaft, dass man es nicht aufgrund höhergeordneter Ziele anstrebt, sondern
ausschließlich der Erreichung seiner selbst. Er definiert Glück als das ultimative Ziel
jeglichen menschlichen Handelns. Sollte ein solch ultimatives Ziel nicht genauer untersucht
werden?

Die Philosophie behielt über viele Jahrhunderte hinweg die Hoheit in der Erforschung des
Glücks. Erst mehr als 2000 Jahre nach Aristoteles und Sokrates, fand auch die Politik im 18.
Jahrhundert eine Verwendung des Glücksbegriffs für sich. So wurde das Streben nach Glück
als Grundrecht in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung verankert. Psychologen
begannen sich erst im späten 19. Jahrhundert mit dem Glück zu beschäftigen. Die Psychologie
untersucht insbesondere die psycholgischen Komponenten von glücklichen und negativen
Gefühlen. Durch die Explosion technischer Möglichkeiten arbeiten Psychologen heute eng
mit Neurobiologen zusammen, welche die Möglichkeiten besitzen, durch verschiedene
Verfahren die Abläufe im menschlichen Gehirn anschaulich darzustellen. Diese
interdisziplinäre Zusammenarbeit ist heute ein fester Bestandteil in der Glücksforschung.
In der Wirtschaftsforschung war man jedoch seit den 1930er Jahren der Auffassung, dass man
den Nutzen eines Individuums nicht kardinal bestimmen könne. Das Konzept der Präferenzen,
welche für viele Fragestellungen wie z.B. das Konsumverhalten eine Erklärung bietet, setzte
sich spätestens mit Hicks und Allen Mitte der dreißiger Jahre durch. Allerdings sollte sich
zeigen, dass auch dieses Konzept auf Dauer nicht in sämtlichen Bereichen der
Wirtschaftsforschung aufrecht zu erhalten war. Richard Easterlin veröffentlichte 1974 seine
richtungsweisende Arbeit „Does Economic Growth Improve the Human Lot?“. Er stellte fest,
dass ein wachsendes Einkommen die Menschen nicht zwangsläufig glücklicher macht,
sondern dass auch andere Aspekte zu berücksitigen seien. Die klassische Ansicht, das
Wohlbefinden einer Nation ausschließlich aus deren Bruttoinlandprodukt heraus ableiten zu
können, begann zu wanken1.

1 Easterlin 1974
Es dauerte dennoch fast ein viertel Jahrhundert, bis Ende der 90er Jahre die Glücksforschung
auch tatsächlich in der Ökonomie angekommen war. Seitdem erfährt dieser
Forschungsbereich jedoch einen regelrechten Boom. Die Gründe dafür liegen darin, dass sich
Menschen zum einen nicht immer dem homo oeconomicus entsprechend verhalten und als
strikte Nutzenmaximierer durch die Welt laufen. Ein weiterer Grund ist die Entstehung einer
interdisziplinären Forschung, in welcher Sozialpsychologen und Ökonomen riesige
Fortschritte gemacht haben und durch selbstständige Weiterentwicklung den
Forschungsbereich der psychologischen Ökonomie eröffnet haben. So sind die renommierten
Wirtschaftswissenschaftler Frey und Stutzer der Auffassung, dass die Glücksrevolution erst
am Anfang steht und dass weitere Einsichten für die Suche nach den Institutionen, die den
Menschen am besten erlauben, ihre Vorstellungen vom guten Leben zu verfolgen, in der
Zukunft zu erwarten sind2.

Ich werde im folgenden die verschiedenen Messmethoden der Glücksforschung vorstellen


und diese analysieren. Im Mittelpunkt steht dabei zunächst die Frage, inwieweit welche der
Messmethoden für die Ökonomie geeignet sind. Insbesondere steht hier der Kosten-Nutzen-
Vergleich einer Messmethode im Vordergrund. Im dritten Abschnitt biete ich eine Übersicht
über die vielen verschiedenen Möglichkeiten, das subjektive Wohlbefinden durch Befragung
zu ermitteln. Hier werden verschiedene internationale Beispiele dafür gegeben, dass diese
Methode heute zum ökonomischen Standard geworden ist. Allerdings ist die Ermittlung des
subjektiven Wohlbefinden mittels Befragung nicht frei jeglicher Kritik. Da die
Glücksforschung ein sehr junger Forschungsbereich ist, wollen wir die Kritik an diesem
Konzept erläutern und die Anforderungen an Messungen im Allgemeinen in Abschnitt vier
darstellen und dann anhand dieser Anforderungen die in den letzten Jahren erarbeiteten
alternativen Konzepte in Abschnitt fünf vorstellen. Eine kurzes Fazit werde ich in Abschnitt
sechs gegeben.

2. Die verschiedenen Messkonzepte in der Glücksforschung

Abschnitt 2 dient einem Überblick über die verschiedenen Ansätze hinsichtlich der
Messmethoden in der Glücksforschung. Zunächst müssen wir zwischen zwei gegensätzlichen
Konzepten differenzieren. Auf der einen Seite steht dabei das Konzept der objektiv messbaren
Glückseligkeit, welches hauptsächlich auf der Messung von Gehirnwellen beruht. Dieses
Konzept kommt einem Hedonometer im klassischen Sinne nah, welcher nach der Messung

2 Frey und Stutzer 2009


direkt einen kardinalen Wert für die Glückseligkeit angibt. Jegliche subjektive Komponenten
werden somit ausgeschlossen, da extern definierte Regeln den Wert bestimmen.
Auf der anderen Seite steht das Konzept der subjektiven Glückseligkeit, welches auf der
Befragung von Personen beruht3. In diesem Abschnitt wird zunächst erläutert, weshalb dieses
Konzept zum Standard für Ökonomen geworden ist, bevor wir in den folgenden Kapiteln auf
die unterschiedlichen Ausgestaltungen der Befragungen und auf alternative Konzepte
eingehen. Neben diesen gegensätzlichen Konzepten gibt es weitere Ansätze, die zum Teil in
ihrer Methodik zwischen diesen beiden Polen anzusiedeln sind. Als quasi-objektiv wird z.B.
die Methode bezeichnet, mittels Beobachtung und Analyse des non-verbalen Verhaltens einer
Person auf dessen Glückseligkeit zu schließen.

2.1 Physiologische und neurobiologische Indikatoren als Grundlage der Messung

Einer der Werkzeuge, welcher sich Psychologen und Ärzte bedienen ist die Funktionelle
Kernspintomographie (FMRI). Bei diesem Verfahren werden die magnetischen Eigenschaften
der Wasserstoffteilchen in unserem Gehirn genutzt. Das MRT-Gerät, welches bei diesem
Konzept zum Einsatz kommt, erzeugt ein starkes Magnetfeld, welches eine Reaktion der
Wasserstoffteilchen zur Folge hat. Dabei wird indirekt die lokale Stoffwechselaktivität des
Gehirns gemessen, um somit Rückschlüsse auf aktivierte Hirnareale in Abhängigkeit von
gestellten Anforderungen zu erhalten. So kann innerhalb von wenigen Minuten ein sehr
genaues Bild unseres Gehirns erstellt werden4.
Ein großer Vorteil ist zum einen, dass das Verfahren gesundheitlich völlig unbedenklich ist, da
es weder Strahlenbelastung, noch verwendete Kontrastmittel gibt. Ein großer Nachteil jedoch
ist die für die Versuche benötigten Computerberechnungen, welche sehr aufwändig sind. Die
Auswertung einer einzigen Messung kann viele Stunden oder sogar Tage dauern. Zwar kann
man die im Gehirn aktiven Bereiche bestens veranschaulichen, jedoch ist es für ökonomische
Fragen zum Teil sehr bedeutend, dass eine sehr große Anzahl von Leuten untersucht werden.
Dies lässt sich bei der FMRI kaum bewerkstelligen, da die Kosten enorm hoch sind und die
Auswertung sehr lange dauern würde. Ein Kosten-Nutzen-Vergleich macht die
Kernspintomographie somit für einen großteil makroökonomischer Fragestellungen
unbrauchbar.

Ein weiteres Instrument zur Messung von Hirnströmen ist das sogenannte EEG /
Elektroenzephalographie. So wird zum Beispiel in der Abteilung für Allgemeine und
3 Frey und Stutzer 2002
4 Neuroradiologie Universität München, 2010, http://www.nrad.de/33_mrt/0333_fmri/0333_bold_fmri.html
Neurokognitive Psychologie der freien Universität in Berlin die Grundlage menschlicher
Sprache, Kognition und Emotionen mittels EEG erforscht5. Bei diesem Verfahren werden
mehrere Elektroden auf die Kopfhaut geklebt. Mittels dieser Elektroden lässt sich die
elektrische Aktivität des Gehirns messen. So fand zum Beispiel der amerikanische Neurologe
Richard Davidson heraus, dass die linke vordere Gehirnhälfte für positive Gefühle zuständig
ist, während negative Emotionen hauptsächlich in der vorderen rechten Gehirnhälfte
entstehen. Auch die Methode des EEG ist gesundheitlich völlig unbedenklich. Aber widerum
stellt sich die Frage nach einem Kosten-Nutzen-Vergleich, sobald man ökonomische
Untersuchungen durchführt, welche eine empirisch sinnvolle Anzahl von Personen zur
Grundlage hat.

Ein weiteres Problem, welches die beiden genannten Messmethoden mit sich bringen,
offenbart sich darin, dass der kognitive Aspekt der Glückseligkeit eines Individuums gänzlich
außer Betracht gelassen wird. Die Glückserfassung mittels eines Hedonometers beruht einzig
und allein auf der Messung der affektiven Komponenten6. Allerdings entsteht Glück in
unserer Vorstellung insbesondere auch durch die kognitiven Prozesse in unserem Gehirn,
welche durch die beiden genannten Methoden nicht erfasst werden können.
Trotz dieser Problematiken, welche sich den Ökonomen stellen, darf die Neurobiologie nicht
gänzlich missachtet werden. Sie ist ein fester Bestandteil der Glücksforschung, welcher sich
jedoch für ökonomische Fragestellungen auf Makroebene nicht außerordentlich eignet.

2.2 Nonverbales und beobachtbares Verhalten

Der Versuch das Glück einer Person durch Beobachtung erfassen zu können, und anhand
bestimmter Verhaltensindikatoren zu determinieren erscheint ungeeignet. Erstens ist diese
Einschätzung subjektiver Natur hinsichtlich des Beobachters. Zum zweiten Verhalten sich
Menschen in scheinbar ähnlichen Situationen und Lebensbedingungen sehr unterschiedlich.
Außerdem besteht die Gefahr der umgekehrten Kausalität, d.h. zum Beispiel, dass es nicht
offensichtlich ist, ob sich eine beobachtete Person oft mit Freunden trifft, weil er glücklich ist,
oder ob er glücklich ist, weil er sich oft mit Freunden trifft. Ursache und Wirkung sind nicht
klar voneinander zu trennen. Insbesondere Ökonomen erscheint diese Methode zu willkürlich.
Sie mag zwar für Psycholgen Aufschlüsse bieten, für die Ökonomie scheidet sie jedoch aus7.

5 Freie Universität Berlin, Allgemeine und neurokognitive Psychologie, 2010, http://www.ewi-psy.fu-


berlin.de/einrichtungen/arbeitsbereiche/allgpsy/forschung/eeg_labor.html
6 Frey und Stutzer 2002
7 Frey und Stutzer 2002
2.3 Befragungen, Surveys

Bei dieser Methode werden Personen direkt nach ihrem Wohlbefinden befragt. Die
unterschiedlichen Surveys unterscheiden sich zum einen darin, dass sie zum Teil aus nur einer
einzigen Frage (single-item) oder aber auch mehreren Fargen (multi-item) bestehen. Die
möglichen Antworten rangieren dabei immer innerhalb einer bestimmten Skala, welche sich
bei den verschiedensten Befragungen darin unterscheiden, dass einige eine kardinale Skala,
z.B. von 0 bis 10 aufweisen, während andere mögliche Antworten von z.B. „sehr glücklich“
bis „unglücklich“ bieten und somit ordinaler Natur sind.

Vorteile dieser Befragungen nach dem subjektiven Wohlbefinden sind insbesondere die
niedrigen Kosten, verglichen z.B. mit dem Aufwand, welcher bei der Kernspintomographie
nötig ist. Auch lassen sich problemlos eine große Anzahl an Menschen befragen. Zwar mag es
systematische Messfehler geben, dennoch hat sich insbesondere die Befragung mittels einer
einzigen Frage zum Standard für ökonomische Untersuchungen herausgestellt. Durch diese
Vorteile in der Handhabbarkeit und Erhebung liegen international sehr viele Daten vor,
welche ökonomisch untersucht werden können. Aufgrund dieser Vorteile rückt die Methode
der Befragung daher in dem Mittelpunkt der weiteren Arbeit. Zunächst möchte ich im
nächsten Abschnitt einiger der international am weitesten verbreiteten Surveys vorstellen.

3. Internationale Surveys und ihre Charakteristika

Wie bereits im vorigen Kapitel erläutert, erfolgt die Erfassung des subjektiven Wohlbefinden
durch direkte Befragung von Personen. Die verschiedenen Surveys unterscheiden sich zum
einen hinsichtlich der Anzahl der gestellten Fragen, als auch zum anderen in den
Antwortmöglichkeiten.
Der World Value Survey, welcher international oft angewandt wurde, kann zum Beispiel
Datenmaterial aus mehr als 80 verschiedenen Ländern aufweisen. Den befragten Personen
wird hier nur eine einzige Frage gestellt, welche folgendermaßen lautet:
„All things considered, how satisfied are you with your life as a whole?“
Die möglichen Antworten rangieren bei diesem Survey auf einer Skala von 1 (dissatisfied) bis
10 (satisfied).
Der General Social Survey, welcher in den USA angewandt wird, besteht ebenfalls aus nur
einer einzigen Frage, bietet im Gegensatz zum World Value Survey jedoch nur drei Antwort-
möglichkeiten:
„Taken all together, how would you say things are these days – would you say that you are
very happy, pretty happy or not too happy?“
Ähnlich aufgebaut ist der Eurobarometer Survey, welcher ebenfalls nur eine einzige Frage
stellt und vier Antwortmöglichkeiten bietet. Gefragt wird hier jedoch speziell nach der
Zufriedenheit anstelle des Glücklichseins:
„On the whole, are you very satisfied, fairly satisfied, not very satisfied, or not at all satisfied
with the life you lead?“

Das statistische Amt der Europäischen Union hat mittels diesem Survey über viele Jahre
hinweg Daten aus allen Mitgliedsländern gesammelt und bietet somit heute ein umfangreiches
Datenmaterial für die ökonomische Forschung.

All diese genannten Survey lassen sich aber in ihrer Eigenschaft charakterisieren, dass die
kognitive Komponente des Glücks deutlich mehr Einfluß auf die ermittelten Werte hat, als die
affektive Komponente. Jedoch gibt es spezielle Surveys, welche gerade eben den affektiven
Aspekt des Glücklichseins in den Fokus nehmen. Ein solcher Survey wurde z.B. vom Midlife
Development Inventory konzepiert8. Er fargt dabei nach verschiedenen Emotionen und ihrer
Häufigkeit in den letzten 30 Tagen.

Ein weiterer berühmter multi-item Survey ist jener von Ed Diener. Der Satisfaction with Life
Scale gibt dabei fünf Aussagen wie z.B. „Ich bin mit meinem Leben zufrieden.“ oder „Meine
Lebensbedingungen sind exzellent.“ vor. Die befragten Personen geben ihre
Übereinstimmungen mit diesen Aussagen auf einer Skala von eins bis sieben an.

Allgemein gilt, dass jene Surveys, welche mehrere Fragen stellen, sich durch eine höhere
Validität und Reliabilität auszeichnen. Die Frage nach dem besten Survey erscheint jedoch
müßig. Die verschiedenen Forschungsfelder der Glücksforschung erfordern dabei
unterschiedliche Ansprüche an die Ausgestaltung der Surveys. Für die meisten ökonomischen
Fragestellungen eignen sich jedoch einfache Single-Item Surveys9.

4. Kritik und Anforderungen an Messungen des subjektiven Wohlbefindens

Das Konzept der Messung des subjektiven Wohlbefindens durch Surveys ist nicht völlig frei
von Kritik. Es drängt sich die Frage auf, inwiefern Menschen überhaupt in der Lage sind,
brauchbare und wahrheitsgemäße Aussagen über ihre Zufriedenheit in Hinblick auf ihr

8 Frey und Stutzer 2002


9 Frey und Stutzer 2002
eigenes Leben zu machen. Um dies testen zu können, kann man das Konzept der Surveys
anhand von statistischen Gütekriterien bewerten. Zum einen sind dies die Reliabilität und
Validität, zum anderen die Konsistenz einer Messung.

4.1 Reliabilität

Es besteht die Frage, inwiefern eine Aussage hinsichtlich der Glückseligkeit unabhängig von
den sich veränderlichen Emotionen der befragten Person ist. Ein Messergebnis soll also
reproduzierbar sein, auch wenn bei einer zweiten Befragung, z.B. das Wetter schlecht ist oder
aber der Lieblingsverein der befragten Person am letzten Wochenende verloren hat.
Untersuchungen haben erwiesen, dass das geäusserte subjektive Wohlbefinden generell stabil,
jedoch gegenüber sich verändernden Lebensumständen sensibel ist10. Trotz dieser Problematik
zeigt sich, dass die Messergebnisse nicht allzu schlecht abschneiden. Der Oxford Happiness
Inventory Survey weist beispielsweise eine Korrelation von 0,67 innerhalb von 6 Monaten
auf. Selbst bei einer Befragung nach 6 Jahren liegt die Korrelation immernoch in einem
Bereich zwischen 0,5 und 0,611. Es zeigt sich, dass die Messergebnisse aussagekräftig genug
sind, um für makroökonomische Fragestellungen als ausreichend reliabel zu bezeichnen.

4.2 Validität

Die Validität einer Messung charakterisiert ihre Gültigkeit. So wird zum Beispiel ein
Luftdruckmesser kaum valide sein, wenn er zur Bestimmung der Sonntagsfrage in der Politik
herangezogen würde. In unserem Fall sollen also die Antworten der befragten Personen ihre
tatsächlichen inneren Gefühle widerspiegeln. Probleme können in diesem Zusammenhang
zum Beispiel dann auftauchen, wenn Menschen sich noch nie Gedanken über die eigene
Glückseligkeit gemacht haben, oder aber weil selbstschützende Mechanismen der
menschlichen Psyche dazu tendieren, die eigene Glückseligkeit entweder als zu hoch oder
aber als zu niedrig einzuschätzen. Allerdings sind einige dieser Messfehler zufallsverteilt und
beeinflussen daher den Vergleich zwischen großen Personengruppen kaum. Zudem können
solche Probleme durch ein cleveres Surveydesign minimiert werden12.

10 Frey und Stutzer 2009


11 Argyle 1987
12 Frey und Stutzer 2002
Bei der weiteren Untersuchung der Validität von Surveys hat sich zudem gezeigt, dass
Menschen, welche über eine hohe Glückseligkeit ihrerseits berichten, auch bei anderen
Messkonzepten der Glücksforschung hohe Werte aufweisen 13. Diesen Aspekt nennt man die
Konsistenz einer Messung.

4.3 Konsistenz

So bestätigt die Hirnforschung, dass die Antworten auf die Fragen zum subjektiven
Wohlbefinden mit gemessenen neurologischen Aktivitäten übereinstimmen14. Weitere
interessante Punkte, die die Konsistenz des Konzepts bekräftigen sind zum Beispiel, dass
Personen die von sich selbst behaupten glücklich zu sein, im Durchschnitt gesünder sind, da
ihr Imunsystem besser arbeitet. Zudem lässt sich beobachten, dass diese Personen in sozialen
Interaktionen häufiger lächeln und dass andere Menschen sie ebenfalls als glücklich
einschätzen. Man könnte an dieser Stelle noch eine ganze Anzahl an weiteren Beispielen
anführen, jedoch lässt sich bereits jetzt ein positives Fazit bezüglich der Gütekriterien ziehen.

So besteht in der Wissenschaft heute ein breiter Konsens darüber, dass sich Erfahrungsnutzen
und individuelle Wohlfahrt mit einiger Genauigkeit messen lassen. Dennoch ist die
Glücksforschung noch lange nicht am Ende. Speziell in den letzten Jahren wurden unter
Berücksichtigung der genannten Problematiken einige alternative Konzepte entworfen,
welche ich im nächsten Abschnitt vorstellen möchte.

5. alternative junge Konzepte

Die Erfassung des subjektiven Wohlbefindens mittels Surveys ist wie in Abschnitt vier
beschrieben, positiv auf die Gütekriterien Validität und Realibilität getestet worden. Dennoch
wurden in den letzten Jahren neueste Erkenntnisse genutzt, um alternative Konzepte zu
entwickeln. Einen Überblick darüber liefert das Paper „Developments in the Measurement of
Subjective Well-Being“ von Kahnemann und Krueger aus dem Jahre 2006.

Zunächst zu nennen sei die Erlebnis-Stichboben-Methode (ESM). Diese sammelt


Informationen zur tatsächlichen Erfahrung von Individuen in ihrer natürlichen Umgebung in
Echtzeit. Sie wurde 1990 von Csikszentmihaly entworfen und von Stone und Shiffman 1994
13 Argyle 1987
14 Layard 2005
weiterentwickelt. Bei dieser Methode tragen die Probanden einen kleinen Handheld-
Computer mit sich. Über den Tag hinweg müssen sie immer wieder eine Reihe von Fragen
unmittelbar beantworten. Die Fragen beziehen sich sowohl auf das jeweilige Wohlbefinden,
als auch auf die derzeitige Art von Beschäftigung sowie Personen, mit denen die Probanden
zuletzt interagiert haben. Den Vorteil, den diese Methode aufweist ist, dass der kognitive
Prozess, welcher zum Teil für systematische Messfehler beim befragten subjektiven
Wohlbefinden verantwortlich ist, vermindert wird. Die Probanden werden dabei eben nicht
über ihre Glückseligkeit in der Vergangeheit befragt, welche durch fehlerhafte Erinnerungen
falsche Ergebnisse liefern könnten. Ein Nachteil jedoch sind die sehr hohen Kosten, sobald
eine große Anzahl an Probanden getestet werden soll. Auch hier ist es wieder ein Kosten-
Nutzen-Vergleich, der über die Brauchbarkeit von Konzepten entscheidet. Eine mögliche
konstengünstigere Alternative bietet die Day Reconstruction Method (DRM).

Die DRM wurde 2004 vom Nobelpreisträger Daniel Kahnemann entwickelt. Sie ist zwar
ähnlich der Erlebnis-Stichproben-Methode, jedoch sind im Gegensatz zu dieser, keine teuren
elektronischen Geräte notwendig. Die Probanden führen bei dieser Methode einfacherweise
ein Tagebuch. Sie berichten dort über sämtliche Tätigkeiten des Vortages und beantworten
diesbezüglich detaillierte Fragen hinsichtlich der Umstände der Tätigkeit, als auch in Bezug
auf Personen mit denen interagiert wurde, sowie über die positiven und negativen Gefühle,
die dabei entstanden. Gemessen wird bei dieser Methode der Erfahrungsnutzen über einen
Tag hinweg. Kahnemann und Krüger belegen trotz der Unterschiede zwischen der ESM und
der DRM, dass beide Methoden zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommen.

6. Fazit

An dieser Stelle will ich auf ein spezielles Ergebnis eingehen, welches die Problematik der
genannten Messkonzepte verdeutlich, aber auch eine wertvolle Erkenntnis hinsichtlich des
Glücksbegriffs selbst gibt. Die Day Reconstruction Methode zeigt, dass der Erfahrungsnutzen
von Erwerbstätigen bei fast allen Tätigkeiten höher ist als jener von Arbeitslosen. Diesen
Effekt nennt man den Traurigkeitseffekt. Allerdings können Arbeitslose die als unangenehm
eingeschätzte Arbeitszeit durch angenehmere Freizeitaktivitäten ersetzen. Diesen Effekt nennt
man den Zeiteinteilungseffekt. In der Summe heben sich diese beiden Effekte mit der Folge
auf, dass keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen Arbeitslosen und Beschäftigten
besteht. Allerdings unterscheidet sich die befragte Lebenszufriedenheit signifikant um 2,7
Punkte! Offenbar misst die Befragung nach dem subjektiven Wohlbefinden und die DRM
unterschiedliche Konzepte des individuellen Wohlbefindens.

Zum einen gibt es die allgemeine Lebenszufriedenheit, welche an Normen und Vergleichen
ausgerichtet ist. Sie beruht auf den kognitiven Prozessen in unserem Gehirn und basiert auf
unseren Wertevorstellungen und unserer Vorstellung von einem glücklichen Leben im
Allgemeinen. Das Survey-Konzept erfasst dieses Maß wie gezeigt mit zufriedenstellender
Genauigkeit. Allerdings vernachlässigt dieses Maß den Zeitaspekt, da mehr Freizeit kaum
Auswirkung auf die Lebenszufriedenheit hat. Die DRM hingegen beruht deutlich stärker auf
affektiven Komponenten des Glücksempfinden. Dies hat zur Folge, dass Freizeit sich sehr
viel stärker positiv auswirkt und deutlichen Nutzen stiftet. Dies entspricht der neoklassischen
Theorie, wie wir sie kennen. Als Ergebnis sei festzuhalten, dass man mit der Entwicklung der
Messkonzepte auch darauf achten muss, welche Komponenten des Glücksempfinden man
genau misst15. Trotz dieser methodischen Fragen, die auch weiterhin Teil der Forschung sein
werden, liefert uns die ökonomische Glücksforschung dennoch erstaunliche Ergebnisse,
welche unser Verständnis für ökonomische Zusammenhänge erweitern.

Mit einer gewissen Hoffnung kann auch auf die Entwicklung der technischen Möglichkeiten
vertraut werden, welche gegebenfalls, z.B. durch hochleistungsfähige Handys, einige der
Methoden kostentechnisch darstellbar lassen werden, welche bis dato einem Kosten-Nutzen-
Vergleich nicht standgehalten haben. Zum Beispiel ließe sich die Erlebnis-Stichproben-
Methode heute leicht als App vorstellen, welche die Probanden auf ihrem Handy installiert
haben. Desweiteren werden heute die Möglichkeiten zur Computersteuerung mittels EEG
stark vorangetrieben. Einige simple Controller dieser Art sind sogar schon käuflich zu
erwerben. In Verbindung mit Onlinespielen, in denen sich viele Menschen aufhalten und zum
Teil Wirtschaftssimulationen nachgehen, könnte gegebenenfalls auch die Möglichkeit
gegeben sein, komplexe Zusammenhänge ökonomischer Natur zu verstehen.

Final möchte ich noch festhalten, dass die Bemühungen in dem Forschungsfeld der
Glücksforschung für mich so wichtig erscheinen, da die Vorstellung einer Gesellschaft, die
zwar nicht reicher, jedoch glücklicher wird, so reizvoll erscheint. Dies ist in Anbetracht der
Aussagen von etlichen renommierten Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler wie Meinhard
Miegel umso bedeutender, welche die These vertreten, dass die westliche Welt sich auf eine
Existenz ohne andauerndes, exorbitantes Wirtschaftswachstum wie in den letzten 200 Jahren
einstellen muss16.

15 Bundesfinanzmisterium der Finanzen, Monatsbericht März 2010,


http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_95928/DE/BMF__Startseite/Aktuelles/Monatsbericht__des__B
MF/2010/04/analysen-und-berichte/b02-economics-of-happiness/node.html?__nnn=true
16 Miegel 2010
Referenzen

Frey, Bruno, and Alois Stutzer. 2002. „happiness and economics“.

Kahnemann, Daniel, Ed Diener, and Norbert Schwarz. 1999. „Well-Being“.

Argyle, Michael. 1987. „The Pychology of Happiness“.

Layard, Richard. 2005. „Happiness – Lessons from a New Science“.

Kahnemann, Daniel, and Alan B. Krueger. 2006. „Developments in the Meausrements of


Subjective Well-Being“. Journal of Economic Perspectives, 20 (1): 3-24

Easterlin, Richard A. 1974. „Does Economic Growth Improve the Human Lot?“, Nations and
households in economic growth: …, 1974 - Academic Press.

Frey, Bruno, and alois Stutzer. 2009. „Glück- die ökonomische Analyse“, Center for Research
in Economics, Management and the Arts, Working Paper No. 2009 – 11.

Miegel, Meinhard. 2010. „Wohlstand ohne Wachstum“.

Neuroradiologie Universität München, 2010,


http://www.nrad.de/33_mrt/0333_fmri/0333_bold_fmri.html

Freie Universität Berlin, Allgemeine und neurokognitive Psychologie, 2010, http://www.ewi-


psy.fu-berlin.de/einrichtungen/arbeitsbereiche/allgpsy/forschung/eeg_labor.html

Bundesfinanzmisterium der Finanzen, Monatsbericht März 2010,


http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_95928/DE/BMF__Startseite/Aktuelles/Monatsber
icht__des__BMF/2010/04/analysen-und-berichte/b02-economics-of-happiness/node.html?
__nnn=true

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