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Das homosexuelle
Verhalten aus der Sicht
der Bibel
1. Definition / Begriffserklärung
Das griechische Wort homo(ios) und das lateinische sex(us) liegen dem Begriff Homosexualität
zugrunde, der eine Neubildung des 19. Jahrhunderts zur Bezeichnung eines abnormen, auf Menschen
gleichen (homo-) Geschlechts (sexus) gerichteten Sexualempfindens ist. Geprägt wurde der Begriff
"Homosexualität" im Jahre 1869 vom österreichischen Schriftsteller Kertbeny (Benkert), der selbst
schließlich für die gleichgeschlechtliche Liebe zwischen Männern, während lesbische Liebe auf das
Martin Dannecker, ehemaliger Leiter der Abteilung für Sexualwissenschaften im Klinikum der
Universität Frankfurt, der selbst homosexuell empfindet, hat in einem Gespräch mit Helmuth Zenz
und Gabriele Manok die Frage nach der Definition der Homosexualität wie folgt beantwortet:
Homosexuell sind "Leute, die selber von sich sagen, sie seien homosexuell oder bisexuell. Man kann
nur über die Homosexuellen sprechen, bei denen es ein Stück weit Selbstidentifizierung als
Homosexuelle gibt. Zwar kann auch jemand homosexuell sein, der vorbewusst oder unbewusst
1
E.H. Haeberle, Die Sexualität des Menschen, Berlin - New York, 1985, S. 242. 490
1
Hermann Hartfeld, PhD Pastor i.R.
erotische oder sexuelle Wünsche nach einem gleichgeschlechtlichen Sexualobjekt hat, diese
Wünsche aber bewusst nicht aushält und deshalb verleugnet. Nur, solche Personen werden von der
Wissenschaft nicht erfasst..." Dannecker meint, dass, "die, die später ausschließlich homosexuell
sind, hatten schon vor der Pubertät gleichgeschlechtliche Schwärmereien ...“ Dannecker postuliert:
„Der Wunsch nach bestimmten Sexualobjekten ist ja wie ein Zwang, das können wir uns nicht
aussuchen". Der Wissenschaftler verneint aber eine vererbte Homosexualität und führt aus:
"Homosexualität ist nach meiner Auffassung nicht angeboren, sondern eine spezielle Bahnung der
Die Bibel hat keinen eigenen Begriff für die „Homosexualität“. Die alttestamentlichen Texte wie
Levitikus 18,22 und 20,13 umschreiben die homosexuelle Liebe mit dem Satz: et zakar lo tischkab
mischk’be ‘ischschah, d.h. „Nicht sollst du mit einem Menschen männlichen Geschlechts schlafen
wie mit einer Frau“. Die hebräische Kombination „mischkab zakar“ meint den „Beischlaf eines
Mannes mit einem Mann“ (vgl. Numeri 31,17). Die Schreiber des AT befassen sich kaum mit der
Erotik aus wissenschaftlicher Sicht, sie missbilligen aber jedes Verhalten, das nach ihrem Dafürhalten
die Grenzen der heterosexuellen Liebe überschreitet. Genesis 19,5 umschreibt den homosexuellen
Verkehr euphemistisch mit dem Begriff erkennen: „Bring sie hervor zu uns und wir werden sie
erkennen.“ Es wird in der „Lotserzählung“ berichtet, dass Lots Familie von zwei (himmlischen) Boten
männlichen Geschlechts besucht wurde (19,1-3), denen Lot bereitwillig Gastfreundschaft erwies.
Jedoch waren die Stadtbewohner mit Lots Vorgehen unglücklich, und „Männer der Stadt, Männer von
Sodom“, umzogen „das Haus, (vom) Knaben gar bis zum Alten,“ und fragten: „Wo sind die Männer,
die zu dir kamen zur Nacht? Bring sie hervor zu uns, und wir werden sie erkennen“ (19,5). Das Verb
„erkennen“ wird, wie wir sehen werden, euphemistisch mit männlichem „Beischlaf“ umschrieben. Ein
ähnlicher Vorfall ereignete sich bei Benjaminitern in Gibea viz-a-viz von Jerusalem (Richter 19,22-24).
2
Helmuth Zenz und Gabriele Manok (Hrsg.), Aids-Handbuch für die psychosoziale Praxis, Bern-Stuttgart-
Das Neue Testament kennt einzig die paulinische Umschreiben des homosexuellen Verhaltens.
Paulus bezeichnet die homosexuelle Liebe der Frauen wie Männer mit dem Ausdruck „entehrende
Leidenschaften“ (Röm 1,26) und den homosexuellen Verkehr als „widernatürlich“ (1,26f.). Der
homosexuelle Akt wird so dargestellt: „Die Frauen vertauschten den natürlichen Geschlechtsverkehr
mit dem widernatürlichen“, und die Männer wurden „von wildem Verlangen zueinander gepackt;
Männer ließen sich in schamlosem Treiben mit anderen Männern ein“ (1,27 nach Genfer).3
Summa summarum: Das homosexuelle Verhalten wird von biblischen Autoren als Beischlaf eines
Mannes mit dem gleichen Geschlecht wie mit einer Frau beschrieben, und Paulus definiert ähnlich
auch die lesbische Liebe: Die Frau vertauscht den natürlichen Geschlechtsverkehr mit einem Mann
auf den „widernatürlichen“ mit einer Frau.4 Die Griechen kannten jedoch mehrere Begriffe für die
„androkoitai“ = Homosexuelle und „paiderastia“ = die Knabenliebe.5 Paulus bedient sich in 1Kor 6,9
des Kompositums aus den Morphemen „arsen“ und „koitai“ = „Männerbeischlaf“. Dass Paulus in
seinem Text „androikoitai“ nicht verwendet, hat wohl damit zu tun, dass „arsenokoitoi“ mehr als alle
andere Begriffe in der griechischen Literatur vorkommt. Die Ausnahme bildet der Begriff
2. Exegese
3
A.T. Robertson, S. 331; C.K. Barrett, Romans, S. 39; E. Käsemann, S. 47ff; J. Jervell, Imago Dei (Göttingen,
1960), S. 289-314.
W. Hendriksen, Romans, S. 78-80; A.T. Robertson, S. 331; Calvin's NT Commentaries, S. 37; D. Stuart
Briscoe, Romans, S. 48-50; Don Williams, The Bond that Breaks (Ventura, o.J.), S. 116.
4
William Barclay, The Letter to the Romans (Edinburgh, o.J.), S. 23f
5
vgl. John Boswell, Christianity, Social Tolerance, and Homosexuality, Chicago - London, 1980, S. 172
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Hermann Hartfeld, PhD Pastor i.R.
„Und sie riefen nach Lot und sagte zu ihm: Wo sind die Männer, die diese Nacht zu dir gekommen
Sind? Führe sie zu uns heraus, dass wir sie erkennen“. Es ist sicherlich korrekt, dass der hebräische
Begriff „jadha“ im Kontext von Gen 19,5 nicht als ein Zeitwort „erkennen“, im Sinne von
„kennenlernen“, verwendet wird, er meint expressis verbis den homosexuellen Missbrauch. Nach
hermeneutischen Gesichtspunkten kann in Gen 19 wie in Ri 19 auch der Verstoß gegen das
hebräische Gastrecht gemeint und implizit verurteilt worden sein, obwohl Lot ja auch das Gastrecht
seiner unmittelbaren Umgebung verletzt haben muss. Nach den Regeln des Gastrechts mussten im
Altertum Fremde vor dem Stadttor ihre Namen, die Zahl der Begleiter sowie die Zahl der Tiere
nennen, damit entschieden werden konnte, ob von den Einreisenden Gefahr wie Überfall oder
Versklavung drohte. Lot scheint diese Regeln ignoriert und die zwei Männer, in Missachtung des
Gastrechts, in sein Haus aufgenommen zu haben.6 Josephus lobt jedoch die Gastfreundschaft Lots
und schreibt, er habe „von Abraham gelernt, was Gastfreundschaft heißt. Die Sodomiter jedoch
verfolgten lüstern die gut aussehenden Männer“.7 Josephus und Philo bezeichneten die „Sünde von
Sodom“ als „unmoralische, unnatürliche Sinnlichkeit“.8 Sexuelle Ausschweifungen - welcher Art auch
immer - werden in der Bibel nicht selten mit Sodom in Zusammenhang gebracht (vgl. Hes 16,46-58;
Amos 4,11; Zeph 2,9). Hesekiel 16,50 meint jedoch, dass das Verhalten der Sodomiten von ihrer
Hochmut abzuleiten ist, und schreibt: „vielmehr wurden sie hochmütig und verübten Gräuel vor mir.
Da verstieß ich sie, wie du gesehen hast“ (vgl. Vers 49).9 Der Begriff „Gräuel“ enthält in sich u.a. auch
6
vgl. A.F. Ide, The City of Sodom and Homosexuality in Western Religious Thought to 630 C.E., Dallas,
1985, S. 39
7
Josephus, Die Patriarchen, A I, 200
8
D.S. Bailey, Homosexuality and the Western Christian Tradition, London, 1955, S. 156f.
9
vgl. D. Atkinson, Homosexuals in the Christian Fellowship, Grand Rapids, 1979, S. 80-82
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sexuelles Vergehen. Richter 19,22 berichtet von Männern „aus der Stadt, böses Gesindel,“ das „das
Haus“ umringte und verlangte vom Gastgeber: „Bring den Mann heraus, der bei dir ist; wir wollen ihn
erkennen“. Das hebräische Verb neda’enu ist Futurum von jadha und zeigt, dass die Gibeaniter als
„Söhne der Nichtswürdigen oder Heillosen“ (bne’ belija’al) keine harmlosen Absichten hatten. Denn
das Verb jadha erscheint nämlich zur Schilderung des kollektiven Vergewaltigungsaktes wiederum in
Richter 19,25: „Sie erkannten (jedhu) sie und trieben ihren Mutwillen mit ihr die ganze Nacht hindurch
bis an den Morgen. Und sie ließen sie gehen, als die Morgenröte aufging“ (Ri 19,25f.). Der
Zusammenhang des Textes zeigt uns in aller Deutlichkeit, die Männer von Gibea beabsichtigten, den
Der hebräische Text von Lev 18,22 und 20,13 ist allerdings komplex. Der Text von Lev 18,22
lautet: et zakar lo tischkab mischk'be 'ischschah. Die Theologen Carl-Friedrich Keil und Franz
Delitzsch übersetzen den Passus mit dem Hinweis: „Es war verboten, mit dem männlichen Ge-
schlecht zu liegen wie mit dem weiblichen“, und sie folgern: "... d.h. das Verbrechen der Päderastie,
jenes von Sodom (Gen 19,5), zu begehen".11 Es ist nicht ausgeschlossen, dass die beiden Theologen
mit dem Begriff der Homosexualität noch nicht vertraut waren, als sie (im 19. Jh.) ihren Kommentar
erarbeiteten; hermeneutisch wäre ihre Wiedergabe jedenfalls möglich. Wir müssen aber das
hebräische zakar doch unter die Lupe nehmen, um herauszufinden, ob der Begriff mit Knabenliebe in
Beziehung gebracht werden kann. Ludwig Köhler gibt das Wort mit "Mensch männlichen Geschlechts"
wieder.12 Denselben Beiklang enthält der Begriff in Genesis 17,10.12.23. In diesen Versen geht es
10
J. Dus, „Gibeon - eine Kultstätte des schmsch und die Stadt des benjaminitischen Schicksals“ in: Vetus
11
C.F. Keil und F. Delitzsch, Commentary on the Old Testament in Ten Volumes. The Pentateuch (Grand
12
Ludwig Köhler, Lexicon in Veteris Testamenti Libros (Leiden, 1958), S. 257.
5
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zweifellos um Angehörige des männlichen Geschlechts jeden Alters. Abraham sollte nach Gen 17,23
"alles Männliche" beschneiden; da noch niemand in seiner Sippe beschnitten war, nahm er "seinen
Sohn Ismael und alle ... Sklaven, alles Männliche im Hause Abrahams, und beschnitt noch am
gleichen Tage das Fleisch ihrer Vorhaut, wie Gott ihm befohlen hatte". Wie auch andere Bibelstellen
bezeugen, in denen zakar erscheint,13 meint der hebräische Begriff keinesfalls nur Knaben, sondern
In diesem Zusammenhang interessiert uns auch das hebräische Verb schkb, das mit "beiwohnen"
oder "schlafen" übersetzt wird. Laut Ludwig Köhler bezeichnet schakab "sich hinlegen zum Schlaf". Er
meint aber, in Levitikus 18 gehe es nicht um das natürliche Schlafen allein, sondern im Verb seien
perverse sexuelle Absichten impliziert.15 Derweil bezeichnet schakab durchaus auch das friedliche
Sterben von Menschen; die Rede des Propheten Nathan zu König David ist ein plausibles Beispiel:
"Wenn dann deine Tage voll sein werden und du dich zur Ruhe legst bei deinen Vätern..." (2Sam
7,12). Kontext und Aussage des Verses verleihen dem Verb die Bedeutung des Sterbens bzw. des
Bestattet-Werdens.16 Nichtsdestoweniger wird das Verb schakab auch für den Geschlechtsverkehr
verwendet, so z.B. in Gen 19,32f: Die ältere Tochter Lots "legte sich zu ihrem Vater. Dieser merkte es
nicht, wie sie sich hinlegte, noch, wie sie aufstand" (Gen 19,33). Der euphemistische Gebrauch des
Begriffs schakab zielt nicht auf eine Verheimlichung des Tatbestandes des Inzests, wird das
13
Genesis, 34,15.22.24f; Exodus 12,48; Leviticus 6,11.22; 7,6; Numeri 1,2.20.22.
14
Jenni/Westermann, Bd. 1, Sp. 132: "Speziell zur Bezeichnung des Geschlechts" findet sich zakar
'männlich, Mann': 82 Mal, davon je 18mal in Leviticus und Numeri, 14mal in Genesis und in Esra 8mal. Vgl.
15
L. Köhler, S. 968; er zählt als Parallelen Lev 20,13; Ex 22,18; Dtn 27,21 auf: ebenda, S. 968.
16
Jenni/Westermann, Bd. 1, Sp. 11; diese Quelle zitiert entsprechende Artikel von C.F. Whitley in Vetus
Testamentum 2 (1952): 148f; B. Alfrink in Oudtestamentische Studien 2 (1943): 106-108, und 5 (1948): 118-
(1926): 1-12; Ders., "Werden, Wesen und Wert geschichtlicher Betrachtung der israelitisch-jüdisch-christlichen
Ergebnis des Beischlafs der beiden Töchter mit Lot doch explizite erwähnt: "So empfingen beide
Töchter Lots von ihrem Vater" (Gen 19,36). Der Inzest wird hier vom Autor weder gutgeheißen noch
getadelt, sondern als Resultat einer Grenzsituation präsentiert.17 Das Heiligkeitsgesetz seinerseits
lässt uns kaum daran zweifeln, dass Levitikus 18,22 schakab als Euphemismus für sexuellen Verkehr
verwendet, und zwar unter Männern. Der Autor gibt uns durch den erklärenden Vergleich einen
Hinweis, wie der Koitus unter Repräsentanten des männlichen Geschlechts zu verstehen ist, nämlich:
mischk'be' ischscha, "Beischlaf (wie) mit einer Frau".18 Laut Benjamin Davidson ist mischk'be' ein
Femininsubstantiv,19 das den Geschlechtsverkehr meint. Die Kombination mischkab zakar begegnet
uns in Numeri 31,17 und wird gelesen: "Beischlaf mit einem Mann".20 Der Passus gibt den Befehl
wieder: "Tötet sofort alle männlichen Kinder, ebenso tötet jedes Weib, das bereits mit einem Mann
geschlechtlich verkehrt hat." Auch hier hat das Wort mischkab eine sexuelle Bedeutung und meint
Entsprechend können wir Levitikus 18,22 wie folgt wiedergeben: "Keine sexuelle Verbindung
mit einem Menschen männlichen Geschlechts, als wäre er eine Frau, sollst du eingehen." Diese
etwas umschreibende Wiedergabe stimmt inhaltlich mit dem Urtext überein. Laut Davidson kann lo
tischkab ein Verb in der 2. wie auch in der 3. Person sein.21 Somit kann lo als ein Adverb gesehen
werden, das eine Verneinung ausdrückt. "Nicht sollst du mit einem Menschen männlichen
Geschlechts schlafen wie mit einer Frau."22 Das Futurum des Verbs "schlafen, sich hinlegen" bildet
mit dem Adverb "nicht" einen Imperativsatz: "Nicht sollst du" oder "du darfst nicht". Hiermit wird der
17
L. Köhler, S. 986; vgl. Jenni/Westermann, Bd. 2, Sp. 637, 680; Gerhard v. Rad, Genesis (Philadelphia,
1973), S. 223-225.
18
L. Köhler, S. 575; vgl. Jenni/Westermann, Bd. 1, Sp. 691.
19
Benjamin Davidson, The Analytical Hebrew and Chaldee Lexicon (Lynn, 1981), S. 521.
20
L. Köhler, S. 575; vgl. S. 257; Jenni/Westermann, Bd. 1, Sp. 691.
21
B. Davidson, S. 779.
7
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homosexuelle Verkehr unter Männern strikt untersagt. Dass die Israeliten im Singular mit "du"
angesprochen werden, ist durchaus keine Ausnahme; Elmer Martens kommentiert mit Recht: Die
unterhalten wie mit einer Frau, haben beide Schändliches (bzw. Gräuel) begangen. Mit dem
Hier ist zu berücksichtigen, meint Samuel Rolles Driver, dass die homosexuelle Praxis als Folge
der kanaanäischen Rechtslage im Umfeld der Israeliten grassierte. Diese Legislation von Lev 20,13
hatte u.a. vorbeugende Funktion, um Gottes Volk vor der Befleckung mit der Verderbtheit der Heiden
zu schützen.25
Karl Barth unterbreitet seine grundlegende Wertung der homosexuellen Liebe, sie sei im Licht der
Schöpfungslehre eine Perversion, weil sie versuche, das Individuum souverän zu machen, d.h. den
22
Vgl. L. Köhler, S. 466f.
23
Elmer Martens, God's Design. A Focus on Old Testament Theology (Grand Rapids, 1981), S. 66f. Ebenso
beachtenswert ist das Werk von H.W. Robinson, Corporate Personality in Ancient Israel (Philadelphia, 1964).
24
Vgl. C.F. Keil und F. Delitzsch, The Pentateuch, Bd. 2, S. 482; N.H. Snaith, Leviticus and Numbers (London,
1967), S. 125; dagegen D.S. Bailey, Homosexuality and the Western Christian Tradition (London, 1955), S. 30.
25
S.R. Driver, Deuteronomy (Edinburgh, 1896), S. 264; R.E. Clements, "Leviticus" in The Broadman Biblical
Menschen in eine Unabhängigkeit von Gott setze, indem sie sich der gottgegebenen sexuellen
Orientation widersetzen und somit gegen die "Ein-Fleisch-Ehe" bzw. die Heterosexualität verstoße.26
Im Rahmen des in diesem Unterkapitel untersuchten "Lasterkataloges" aus 1.Kor 6 müssen wir
uns noch zwei Begriffen zuwenden, die von besonderer Bedeutung sein dürften: malakoi und
arsenokoitoi. Beide sind noch ungenügend erforscht, und ihre Übersetzung bleibt vorläufig umstrit-
ten.
Archibald T. Robertson gibt malakos als männliche Person wieder, die durch hochgradig
entgegengesetzte sexuelle Empfindung charakterisiert wird; laut ihm ist der malakos ein effeminierter
Die griechischen Philosophen verwendeten diesen Begriff eher sparsam. Aristoteles verwendet
malakos für den "Unbeherrschten", der "jeweils dem Genuss des Augenblicks" nachjagt.28 Epiktet (50-
26
Karl Barth, Church Dogmatics, III/4, S. 166; vgl. R.E. Clements, a.a.O., S. 54; Martin Noth, Leviticus
(Philadelphia, 1965), S. 134-136; Armor D. Peisker, The Wesleyan Bible Commentary: Leviticus (Grand Rapids,
o.J.), S. 343.
27
A.T. Robertson, Word Pictures in the New Testament, Bd. 4, S. 119; vgl. C.K. Barrett, A Commentary on
the First Epistle to the Corinthians, der (S. 140) ebenfalls sagt, beide Begriffe implizierten passive und aktive
männliche Homosexualität.
28
Aristoteles Nikomachische Ethik (Übers. F. Dirlmeier; Stuttgart, 1983), S. 182f.
9
Hermann Hartfeld, PhD Pastor i.R.
138) dagegen beschreibt damit Personen, die zu "einfältig" wären, philosophische Aussagen zu
betrachten und aufzunehmen.29 John Boswell (praktizierender Homosexuelle, an AIDS verstorben) hat
durch die Untersuchung der patristischen Literatur entdeckt, dass die Kirchenväter den Begriff
malakos im Sinne von "flüssig; feige; mit schwachem Willen; delikat; zart; verderbt;
raffiniert/kultiviert"30 verwenden.
Dionysius von Halicarnassus (1. Jh. v.Chr.) charakterisiert den Aristodemus von Cumae so:
„(Er war) ein Mann von nicht unbekannter Herkunft, der von den Bürgern Malakus oder
"Effeminierter" genannt wurde - ein Spottname, der mit der Zeit besser bekannt war als sein
eigener Name; entweder weil er als Knabe weibisch war und sich wie eine Frau traktieren
ließ, wie einige berichten, oder weil er von mildem Wesen und nicht leicht zum Zorn zu reizen
Dio Chrysostomus (1./2. Jh.) kennt den Terminus auch und verwendet ihn etwa in einer Rede so:
"Wenn du dich mit Bildung befasst, wird man dich einfältig und effeminiert (euethes kai malakos)
nennen..."32 Vettius Valens assoziiert malakos mit allgemeiner Zügellosigkeit,33 während bei
29
Epicteti dissertationes ab Arriani digestae (Hrsg. H. Schenkl; Leipzig, 1916/Stuttgart, 1965) 3.9; deutsch:
30
J. Boswell, S. 106; vgl. Vettius Valens Anthologiarum Libri (Hrsg. G. Kroll; Dublin-Zürich, 1973), S. 121.
31
aner ou ton epitychoton heneka genous, hos epekaleito Malakos hypo ton aston kai syn chrono
gnorimoteran tou onomatos esche ten epiklesin, eith'hoti thelydrias egeneto pais on kai ta gynaixin har-
mottonta epaschen, hos historousi tines, eith'hoti praos en physei kai malakos eis orgen, hos heteroi
1950) 4, S. 150.
32
Dio Chrysostom (Übers. H. Lamar Crosby; Cambridge/Mass.-London, 1951) 5, S. 110, 112.
33
Vettius Valens, S. 113: Ares hypo kronou martyroumenos kai meliou, kategoretheis malakos estai: Zeilen
21f.
10
Hermann Hartfeld, PhD Pastor i.R.
Diogenes Laertius (3. Jh.) die Bedeutung etwas vage bleibt; Otto Apelt übersetzt ihn einmal mit
"Wollüstling", ein andermal mit "Weichling".34 Plautus erwähnt in seiner Komödie vom ruhmreichen
Soldaten dasselbe Adjektiv als Fremdwort unmittelbar nach dem Substantiv cinaedus, das ebenfalls
aus dem Griechischen kommt und dort passiv homosexuelle Männer bezeichnete, und zwar für
Lukan (Marcus Annaeus Lucanus, 39-65 n.Chr.) beschreibt gewisse Priester bzw. deren Blut und
prangert sie just mit dem Begriff malakos der passiven Homosexualität an.36 Der Begriff ist
demnach im 1. Jh. durchaus hierfür belegt. Adolf Deissmann zitiert aus einem Brief des Domophon an
Ptolemäus (geschrieben um 245 v.Chr.): "Sende uns aber auch Zenobios den Weichling (malakon)
mit Trommeln, Becken und Klappern."37 Deissmann kommentiert: "Das Wort steht wohl in der auch
dem Apostel 1.Kor 6,9 bekannten obszönen Bedeutung und deutet das schmutzige Nebengewerbe
Wie oben bereits erwähnt, gab Dionysus von Halicarnassus dem Begriff malakos zwei
Bedeutungen: als Spitzname konnte er "effeminierter Mann" bedeuten, der wie eine Frau behandelt
wurde; ferner gab er einen "milden Charakter" wieder, konnte also auch damit den passiven
34
Diogenes Laertius Leben und Meinungen berühmter Philosophen (Berlin, 1955) 2, S. 89.
35
T. Maccus Plautus Miles Gloriosus (Hrsg. M. Hammond et al.; Cambridge/Mass., 1963), S. 133; vgl.
Einleitung LXII: Anmerkungen der Hrsg. zu Strophen 211, 775, 924; für 665 geben sie "weich, effeminiert" als
36
Lucan (Hrsg. W. Rutz; Darmstadt, 1971) 37; vgl. J. Boswell, S. 338, Anm. 14.
37
A. Deissmann, Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistisch-
38
Ebenda, Anm. 4; vgl. dagegen: The Hibeh Papyri (Hrsg. Bernard P. Grenfell und Arthur S. Hunt; Oxford,
1906) 1 S. 201, Anm. 11: "malakos may be merely a nickname, but probably refers to the style of Zenobius'
dancing. Smyly well compares Plautus, Mil. 668: 'Tum ad sallandum non cinaedus malacus aequest atque ego'."
Dagegen die zitierte Stelle oben, aus The Hibeh Papyri (Hrsg. E.G. Turner), Teil 2, S. 123 für "weiche" Wolle.
11
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Partner in einer homosexuellen Beziehung bezeichnen; mit Hans Lietzmanns Formulierung: "Ein
Der Apostel Paulus konnte im Kontext von 1Kor 6,9 malakos unmöglich für "Genußsüchtige" oder
"Masturbierende" oder "moralisch Schwache" bzw. "Instabile" verwendet haben. Denn: malakos steht
unmittelbar nach moichoi (Ehebrecher) und vor arsenokoitoi (s. unten), zwei Begriffen, die eindeutig
Unzuchtsünden bezeichnen.
Sherwin Bailey meint, dass malakoi ein terminus technicus für Männer ist, die aktiven männlichen
Homosexuellen zur Verfügung stehen.40 Das Wort ist in der klassischen griechischen Literatur zur
Beschreibung solcher Männer belegt, wenn auch nicht sehr häufig. Die Tatsache, dass malakoi vor
arsenokoitoi steht, einem Begriff für aktive Homosexuellen, wie wir sehen werden, impliziert
ebenfalls, dass Paulus damit weder "moralisch schwache" noch "masturbierende" Männer meinte,
sondern die passiven Homosexuellen. Dieses Fazit wird durch die Untersuchung von arsenokoitoi
offensichtlich.41
39
Hans Lietzmann, An die Korinther I/II. Handbuch zum NT (Tübingen, 1969), S. 26f; das Zitat: S. 27.
40
S.D. Bailey, Homosexuality and the Western Christian Traditions, S. 38; D. Atkinson, Homosexuals in the
Christian Fellowship, S. 92; vgl. Polybius The Histories (Übers. M. Chambers; New York, 1966), S. 306; Suetonius
The Twelve Caesars (Übers. R. Graves; Harmondsworth, 1957), S. 223; James Graham-Murray, A History of
Morals
41
Friedrich Lang, Die Briefe an die Korinther. NTD 7 (Göttingen, 1986), S. 80; M.-J. Klauck, 1. Korintherbrief.
Die Neue Echter Bibel (Würzburg, 1984), S. 46; H. Conzelmann 1981, S. 136; vgl. Reallexikon für Antike und
Christentum, 1924ff, s.v. "Effeminatus" von H. Herter; Real-Encyklopädie der classischen Altertumswissenschaft,
Der griechische Begriff arsenokoitoi. findet sich nebst 1.Kor 6,9 nur noch in 1Tim 1,10, wo er von
Arsenokoitoi ist ein Kompositum der Morpheme arsen (Gen. arsenos) mit der Bedeutung
"männlich" oder "Mann", und koitos, dessen Konnotation einer Untersuchung bedarf.43 Generell
verwendete man koite für "Bett";44 in dieser Bedeutung finden wir den Begriff in Lukas 11,7. Der
Hebräerbrief verwendet das Wort für "Ehebett" (Timos ho ganos es pasiu kai he koite amiantos:
Ehrbar /sei/ die Ehe bei allen und das Ehebett unbefleckt). Die moralische Bedeutung von amiantos
(unbefleckt) verrät die Verwendung von koite in diesem Kontext, nämlich: Das Sexualleben der
Ehepartner muss "unbefleckt" bleiben, m.a.W. die eheliche Treue darf nicht verletzt werden.45 In
Römer 13,13 steht koite euphemistisch für "Unzuchtshandlungen" oder "Wollust". Römer 9,10 meint
Sprachlicher Schlüssel zum Neuen Testament nach der Ausgabe von D. Eberhard Nestle (Gießen-Basel, 1970),
S. 490; zu 1.Kor 6,9 aaO, S. 362. W.E. Vine dagegen verweist unter dem Stichwort "Abuse, abusers" indirekt auf
die (englischen) Übersetzungen; sein ganzer Beitrag ist: "B. Noun. For the noun arsenokoites, see I Cor 6:9, and
I Tim 1:10".
43
Arndt/Gingrich, S. 109; vgl. F. Rienecker zu Röm 1,27, aaO S. 318; Josephus The Life and Against Apion
44
Josephus Jewish Antiquities (Übers. H.St.J. Thackeray /1/ bzw. Ders. und R. Marcus (2/; London, 1966) Bd.
45
Arndt/Gingrich, S. 46; vgl. bes. Weish 3,13: hoti makaria steira he amiantos, hetis ouk egno koiten en
paraptomati, hexei karpon en episkope psychon: "selig ist die Unfruchtbare, die sich nicht befleckte, die nicht
ein Ehebett in Sünde kannte. Ihre Fruchtbarkeit wird sich zeigen bei der Heimsuchung der Seelen" (nach
Jerusalemer Bibel).
46
Arndt/Gingrich, S. 440; Rienecker, S. 335. Ernst Käsemann gibt (wie die Revidierte Elberfelder Bibel
/Wuppertal, 1986/, NT S. 198) koite in Röm 9,10 mit "wurde/war schwanger" wieder, was dem Kontext gerechter
wird als "Gravidität" oder "Leibesfrucht". Commentary on Romans, S. 260, 263f. "...koiten echein is a
euphemism for sexual intercourse, perhaps as in Lev 18,20.23; Num 5,20 the seminal discharge": aaO, S. 263.
13
Hermann Hartfeld, PhD Pastor i.R.
Das Kompositum aus den Morphemen arsen und koite (pl. koitai) ergibt also "Männerbeischlaf",
euphemistisch "mit Männern (sexuell) verkehrende Männer".47 Dieser Interpretation stimmen auch
die Homophilen Bailey, John McNeill und Boswell bei.48 Der letztere argumentiert aber,
arsenokoitai könne nicht auf Homosexuelle generell bezogen werden, sondern meine den
verifizieren noch schlüssig widerlegen. In Anthologia Graeca lesen wir von einer Inschrift am Osttor
von Thessalonike, die von einem anonymen Autor stammt und nachstehend auf Deutsch
wiedergegeben sei:
Wanderer, jauchze im Herzen! Du siehst ob dem Tor den Präfekten Basileios, den Mann,
der Babylons übergewaltige Macht zerstört hat, die Leuchte des unbestechlichen Rechtes,
kommst zum Orte der besten Regierung mit trefflichstem Sohne, brauchst nicht Barbaren zu
fürchten noch Männer, die Männern sich gatten (ouk arrenas arrenokoitas).50
Aristides von Athen (2.Jh.) war einer der ältesten christlichen Apologeten und richtete seine
Verteidigungsschrift für die Christen an den Kaiser Hadrian, namentlich mit dem
geschichtstheoretischen Argument operierend, die Christen seien nach den "Barbaren, Hellenen und
47
Vgl. Ernst Dietzfelbinger, Das Neue Testament. Interlinearübersetzung Griechisch-Deutsch (Neuhausen,
1986), S. 730, 904; ebenso: Arndt/Gingrich, S. 109; Peter Coleman, S. 97; vgl. dagegen M. Macourt (Hrsg.),
48
S. Bailey, Homosexuality and the Western Christian Tradition, S. 38; J.J. McNeill, The Church and the
Homosexual, S. 52ff; John Boswell, S. 341; vgl. Morton Scott Enslin, The Ethics of Paul (Nashville, 1957), S. 147ff.
49
John Boswell, S. 344; vgl. S. 342 mit: "The Epistle of Polycarp to the Philippians" 2.12 in The Lost Books of
the Bible. Übers./Hrsg. W. Hone, J. Jeremiah und W. Wake ( New York, 1979), S. 194.
50
Hermann Beekby (Hrsg.), Anthologia Graeca. Buch IX-XI. München 1958, Buch IX.686, S. 409 (griech. S.
408); vgl. Alexander Olivieri et al. (Hrsg.), Catalogus codicum astrologorum Graecorum. Brüssel 1898 usw., Buch
VIII. 4, S. 196. Arrenokoite und arsenokoite haben dieselbe Bedeutung, ist doch arren ("Mann") nichts anderes
als arsen im attischen Dialekt. Siehe: Arndt/Gingrich, S. 109; vgl. Robert Browning, Medieval and Modern Greek
Juden" das "neue", "vierte Geschlecht", um dessentwegen die Welt noch fortbestehe. 51 U.a. skizziert
Aristides in seiner Apologie auch die Korruption der heidnischen Götter, die er als kriminell klassiert
und denen er die Praxis der arsenokoitai unterstellt.52 Es gibt kaum Zweifel daran, dass Aristides an
Man sollte jedoch auch nicht übersehen, dass für Männer oder Knaben des homosexuellen
In der klassischen Epoche scheinen das Verb hetairein und das Begriffswort hetairesis nicht für
Hetäre benutzt worden zu sein, sondern ausschließlich für einen Mann oder Knaben, der in einer
Jedenfalls sind uns einige Begriffe für männliche Prostitution bekannt, nämlich pornos,
hetairekos oder hetairesis. Boswell meint, hetairekos sei für männliche Kurtisane oder Prostituierte
höheren Kalibers verwendet worden, im Gegensatz zu pornos oder peporneumenos für sozial
51
Johannes Quasten, Patrology (Westminster, 1950-63), Bd. 1, S. 191ff; B. Altaner und A. Stuiber, Patrologie
(Freiburt, 1966), S. 64; R. Wolff, "The Apology of Aristides", The Harvard Theological Review 30 (1937): 233-247;
52
Aristides "Apologia" 9.13 in E.J. Goodspeed (Hrsg.), Die ältesten Apologeten (Göttingen, 1914); vgl.
Eusebius "Demonstrationis evangelicae 1" in J.P.-Migne (Hrsg.), Patrologiae cursus completus (Turnhour, 1975ff)
22.65.
53
Xenophon Erinnerungen an Sokrates (Übers. P. Jarrisch; München, 1962) I 6.13; Aristophanes 3 "Ploutos"
54
K.J. Dover, Homosexualität in der griechischen Antike, S. 26; vgl. Aischines, I 37-44.51, mit I 19f, 74.119f;
niedrigere männliche Prostituierte.55 Der Begriff porneia bezeichnet aber in der nachklassischen
Epoche nicht nur Prostitution, sondern jedes sexuelle Verhalten, für das der Sprecher oder Schreiber
verwickelt sind, entsprechend malakoi in der passiven. John Boswells Folgerung, dass Paulus nicht
die Homosexualität an sich verurteile, sondern ausschließlich die homosexuelle Prostitution, kann ein
Elaborat pro domo sua sein (ein Machwerk zum eigenen Nutzen), obwohl der Kontext sich einer
Damit dürfte plausibel sein, dass Paulus auch in dem Fall, dass arsenokoitai männliche
homosexuelle Prostituierte bezeichnen würde, dennoch die passive wie aktive Homosexualität mit
jeweils einem Partner keinesfalls guthieße.56 Sherwin D. Bailey schreibt: "...die technischen Termini
malakoi und arsenokoitai bezeichnen Männer, die passiv bzw. aktiv in homosexuelle Praktiken
involviert sind."57
Laut Paulus gehören Christen nun aber dem Reich Gottes an und müssen wissen, dass
praktizierende passiven wie aktiven Homosexuellen gegen die heterosexuelle Ehe verstoßen (vgl.
1Kor 7,1-9) und das Reich Gottes nicht ererben werden genauso wie die Unzüchtigen und
Ehebrecher.
55
J. Boswell, S. 344, seine Anm. 23; S. 351f.
56
Vgl. J. Boswell, S. 344ff, mit R. Scroggs, Paul for a New Day (Philadelphia, 1977), S. 66ff; L.H. Marshall,
57
S. Bailey, Homosexuality and the Western Christian Tradition, S. 38; vgl. S. 157. Ferner: C.K. Barrett, A
Commentary on the First Epistle to the Corinthians, S. 140f; F.W. Grosheide, S. 140; H. Conzelmann 1981, S.
Die meisten deutschen Bibelübersetzungen wiedergeben das griechische Wort „arsenokoitoi“ mit
„Knabenschänder“, das der Grundbedeutung des griechischen Begriffs auf keiner Weise gerecht wird.
Die homophilen Wissenschaftler Derrick Sherwin Bailey, John McNeill, Norman Pittenger und der
kürzlich an Aids verstorbene John Boswell (Geschichtsprofessor an der Yale University) zweifeln nicht
daran, dass mit den Begriffen malakoi und arsenokoitai die passiven und aktiven Homosexuellen
gemeint sind.58
Laut Paulus soll Gott dafür gesorgt haben, dass er der Menschheit nicht ein unergründliches
Geheimnis ist, "denn er hat das, was wir von ihm wissen können und sollen, an die helle Öffentlichkeit
gesetzt. Er ist ... unsichtbar. Aber seine Werke machen ihn sichtbar, seit es Menschen gibt",
kommentiert Adolf Schlatter.59 Diese wollten autonom und autark sein, in der Einbildung, damit "weise
zu sein" (1,22), dass sie ihre Herzen (auton kardia) zum Mittelpunkt des Erkennens und Wollens
erhoben - eine Emanzipation vom Schöpfer weg, welche eine Sehnsucht nach Ersatzgöttern logisch
nach sich zog60 (1,23). Der Mensch, der sich vom "unvergänglichen Gott" emanzipiert hat, vertauscht
dessen Herrlichkeit mit Abbildern von vergänglichen Menschen,61 Vögeln,62 Vierfüßlern63 und
58
Vgl. in bezug auf den Begriff „arsenokoitai“ H. Beekby , hg. Anthologia Greeka, München, 1958, Buch IX.
59
Adolf Schlatter, Der Brief an die Römer (Stuttgart, 1974), S. 23.
60
Otto Etzold, Der Römerbrief der Gemeinde neu erschlossen (Metzingen, 1970), S. 27; M.D. Hooker, "Adam
61
Vgl. ANET, Supplement 1969, S. 87f (= 523f) mit S. Mowinkel, "Urmensch und 'Königsideologie'", Studia
62
Vgl. O. v. Gerlach, S. 256, mit Weisheit 11,15f; 12,24ff; William Hendriksen, New Testament Commentary
Gewürm.64 "Deswegen hat Gott sie in den Begierden, in Unreinheit ihrer Herzen dahingegeben, dass
ihre Körper darin entehrt wurden" (1,24): die Gründe für dieses Strafgericht sind im schuldhaften
religiösen Irrtum der Betroffenen zu suchen.65 Die Formel "in jemandes Hände übergeben" ist in der
jüdischen Traditionsliteratur nicht unbekannt.66 Der Apostel Paulus verwendet sie mehrmals, u.a. in
1.Kor 5,5, wo der Schuldige "dem Satan übergeben (werde) zum Verderben des Fleisches, damit sein
Geist gerettet werde am Tage des Herrn". Nach jüdischem Glauben ist Satan der Vollstrecker
göttlicher Gerichte.67 Diese Übergabe bzw. Preisgabe an den Satan soll das wirksamste Strafwunder
einzelner Gottesmänner gewesen sein.68 Die Auslieferung bezweckte den Untergang, die Niederlage,
Zwangseinlieferung. Auch im Alten Testament treffen wir diese Formel wiederholt an (vgl. Rcht 2,14;
6,13; Jes 65,12; Jer 32,4).69 Die Gerichtsinstanz von Röm 1,23ff sind weder Menschen noch der
63
Vgl. H. Ringgren, Die Religionen des Alten Orients, S. 21-24 mit: Ps 105,20; Dtn 4,15-19; T.M. Horner, S.
64
Das griechische Wort erpeton wird korrekter mit "kriechen des Tiers" wiedergegeben (wie es z.B. die
Revidierte Elberfelder tut). Siehe W.F. Arndt und F.W. Gingrich (Hrsg.), A Greek-English Lexicon of the New
Testament and Other Early Christian Literature (fortan: Arndt/Gingrich) (Chicago-London, 1979), S. 310. Die
Anbetung von Reptilien bzw. kriechenden Tieren wird auch heute geübt, so manchenorts in Afrika der
Schlangenkult. Siehe Hans Helfritz, Schwarze Ritter zwischen Niger und Tschad (Berlin, 1958), S. 215-225; vgl.
65
Meine Übersetzung von Vers 24 (H.H.). Vgl. A.T. Robertson, Word Pictures in the New Testament
66
Strack/Billerbeck, Bd. 3, S. 358.
67
Ebenda, Bd. 4, S. 521ff.
68
Ebenda, Bd. 2, S. 714.
18
Hermann Hartfeld, PhD Pastor i.R.
Satan, sondern die epithymia, d.h. die Begierde, der sinnliche Trieb, die böse Lust.70 Gott distanziert
sich von den Schuldigen und überlässt sie ihrem eigenen Wollen, d.h. der (von ihm getrennten,
unheiligen) Selbstbestimmung, die zur Selbstzüchtigung, Quälerei führen musste.71 Sie zeigt sich u.a.
in unersättlichem Verlangen nach geschlechtlichem Genuss außerhalb der Ehe und beinhaltet gerade
auch perverse sexuelle Neigungen, argumentiert Hans Schönweiß und meint, dass epithymia ihre
Potenz vom Narzissmus ableitet. Er führt aus, dass sie im letzten Grunde der tief eingewurzelten
Neigung des Menschen entspringt, den Mittelpunkt seines Lebens in sich selbst zu haben, sich auf
Der Verfasser des Römerbriefes zieht eine Parallele zwischen den perversen Gottesvorstellungen
und der inversio, d.h. der Umkehrung des Geschlechtstriebes, und bringt sie in eine
Wechselbeziehung: Die Begierde (epithymia) bedingt den Tausch (griech. allage; Verb: allasso) der
Gottesverehrung und verselbständigt sich zu einer Macht, welche die Trennung von dem einen Gott
vollzieht und den Menschen ganz und gar beherrscht. Gott überlässt ihn dieser "Gerichtsinstanz", weil
der Mensch „die Gottesoffenbarung in der Natur ignoriert73 und sich willentlich der Begierde (epithy-
mia) unterstellt hat (Röm 1,20ff), einer Macht, die sich Götter schuf (1,23), um sich in den Kulten in
69
TBLNT, 1979, s.v. "paradidomi" von H. Beck; vgl. A. Alt, "Ursprünge des israelitischen Rechts", aaO, Bd. 1,
72
BTLNT, 1979, s.v. „Begehren“
73
Luther hat denn auch gelehrt, die Existenz von Götzendienst sei der Beweis dafür, dass der Mensch im
Besitz intuitiver Erkenntnis über den wahren Gott sei: Luther's Works, Bd. 25, S. 154-157, vgl. Bd. 19, S. 53.
74
Ebenda, Bd. 22, S. 149; vgl. C.K. Barrett, S. 38f; John Calvin, Institutes of the Christian Religion (Grand
dem Satz „Gott hat sie dahingegeben“ (paredoken autous ho theos) als Gottes Urteilsspruch der
Dahingabe steht unübersehbar im Raum: Die Frauen haben den natürlichen (heterosexuellen)
Verkehr mit dem widernatürlichen vertauscht. Die weibliche praktizierende Homosexualität wird in
Zusammenhang mit den Begriffen paredoken („dahingegeben“) und epithymia („Begierde“) als
Zwang - als Folgeerscheinung der Dahingabe Gottes - und nicht als bewusste Entscheidung der
Gemäß Röm 1,26 sind lesbische Beziehungen als von innen ausgehende „Begierde“ (epithymia)
zu verstehen. Dies belegt nicht zuletzt der terminus technicus „vertauschen“ oder „eintauschen“
(metallasso"). Dabei heißt "natürlicher Geschlechtsverkehr" (physiken chresin) für den Schreiber
eindeutig die heterosexuelle Beziehung innerhalb einer Ehe.75 Diese Begierde (epithymia) der Frauen
für die „widernatürliche“ sexuelle Verbindung, folgert Joachim Jeremias, unterliegt nun einer
richterlichen Beurteilung durch Gott selbst, dessen Urteil lautet: Tut, was euch beliebt.76 Wie sich der
"widernatürliche Verkehr" der Frauen konkret äußerte, wird im Vers 26 nicht gesagt; auch die
römischen Zeitgenossen des Paulus berichten nur spärlich darüber. Man hat jedoch ermittelt, dass
römische Frauen Lesbianismus, Transvestismus und Sodomie praktizierten, schreibt der deutsche
75
Vgl. 1.Kor 7,1-9; E. Käsemann, Commentary on Romans (Grand Rapids, 1980), S. 48ff.
76
J. Jeremias, "Zu Rm 1,22-32", ZBW 45 (1954): 119-123, hier: 119f; M.D. Hocker, "Adam in Romans i", aaO,
S. 297-306.
77
E. Käsemann, Romans, S. 48f; Robert Wood, "Sex Life in Ancient Civilizations" in Albert Ellis und Albert
Abarbanel (Hrsg.), The Encyclopeida of Sexual Behavior (New York, 1961), Bd. 1, S. 125-128; Sidney Tarachow,
"St. Paul and Early Christianity: A Psychoanalytic and Historical Study" in W. Muensterberger (Hrsg.),
Psychoanalysis and the Social Science (New York, 1955), S. 232ff; Lucius Apuleius The Golden Ass (Übers.
Die männliche Homosexualität wird von Paulus ausführlicher behandelt. Die Männer haben den
natürlichen Geschlechtsverkehr mit der Frau verlassen (aphentes ten physiken chresin tes
theleias). Das Verb „verlassen“ (aphiemi) in Röm 1,27 ist ein aktives Mittelwort der Vergangenheit
und wurde laut Rudolf Bultmann häufig im juristischen Sinn verwendet, z.B. "jemand aus einem
rechtlichen Verhältnis entlassen, sei es Amt, Ehe, Haft, Schuld oder Strafe (aber nie im religiösen
Sinn)".78 Die Kombination von arsenes (pl., Männer) und theleias (sg., Frau) meint jedoch das
79
„Objekt“, nämlich die Frau, mit der sie den Verkehr "verlassen" und der Heterosexualität Valet
gesagt haben.80 Ihre Präferenz (Bevorzugung) ist, "in ihrer Begier zueinander entbrannt" zu sein
(exekauthesan en te orexei auton allelous). Die Männer sind von dem Geschlechtsverkehr mit den
Frauen abgegangen. Dass sie nicht, von sexueller Begierde befreit, als asketische Mönche lebten,
sondern ihrerseits zu widernatürlichem Verkehr übergingen, wird mit aller Deutlichkeit gesagt:
Diese Unschicklichkeit, Hässlichkeit, Schande oder Unzucht (aschemosyne) ist die Vergeltung, der
"Lohn" für ihre Verirrung: Wiederum hat die Umkehrung der Gottesverehrung zur Umkehrung des
Geschlechtstriebes geführt - laut Paulus die Quittung für Gottlosigkeit, folgert Robertson.81
Röm 1,28 fasst dann die kausalen Faktoren der Homosexualität nochmals zusammen: (1) Sie
haben es nicht für gut befunden, Gott in der Erkenntnis festzuhalten; (2) Gott hat sie darum
preisgegeben, Ungeziemendes in verwerflicher Sinnesweise zu tun. Der Ausdruck "was sich nicht
78
TWNT, 1953, s.v. "aphiemi" von R. Bultmann.
79
B. Friberg und T. Friberg (Hrsg.), Analytical Greek New Testament (Grand Rapids, 1981), S. 472.
80
Ides Behauptung, Paulus verurteile damit die Bisexualität sowie die Widerwilligkeit der Männer, die
homosexuelle Präferenz zu akzeptieren, kollidiert kraß mit dem Prinzip der Berücksichtigung des Kontexts.
81
A.T. Robertson, S. 331; C.K. Barrett, Romans, S. 39; E. Käsemann, S. 47ff; J. Jervell, Imago Dei (Göttingen,
1960), S. 289-314.
21
Hermann Hartfeld, PhD Pastor i.R.
geziemt" (me kathekonta: Partizip präsens), bringt nochmals zum Ausdruck: Die sexuelle
Abweichung von der Heterosexualität ist unvereinbar mit der Erkenntnis des einen Gottes.
Schlussfolgerung
Man darf nicht außer Acht lassen, dass Jesus Christus die Fragen der homosexuellen Liebe
absolut nicht behandelte. Der Grund mag darin liegen, dass er einzig die heterosexuelle Ehe für richtig
hielt. „Habt ihr nicht gelesen“, fragte Jesus die Pharisäer, „dass der Schöpfer sie von Anbeginn an als
Mann und Weib geschaffen hat. ... Was nun Gott verbunden hat, daß soll der Mensch nicht trennen“
(Mt 19,4.6b). Jesus scheint aber nicht der Meinung zu sein, dass die Natur keine Sprünge macht
(Natura non facit saltus). Denn er spricht ja selbst von „Verschnittenen“ „vom Mutterleib an“ (Mt
19,12), die ihr Sosein bejahen und Gott loben sollen. Nun haben aber die endokriminologische und
genetische Forschung die Theorie einer konstitutionellen Anlage des homosexuellen Verhaltens noch
nicht belegen können. Jede andere Behauptung entbehrt jeder empirischen Beweiskraft. Die
Annahme, dass fünf Prozent - einige wenige sprechen von 25 Prozent - aller Betroffenen unter
werden.82 Die Heilige Schrift der Christen sieht in der homosexuellen Liebe einen Verstoß gegen die
heterosexuelle Institution der Ehe. Jesus begrüßte ausschließlich die heterosexuelle Ehe, indem er in
Form einer Frage dies verdeutlicht: „“Habt ihr nicht gelesen, dass der, welcher sie schuf, sie von
Anfang an (als) Mann und Weib schuf und sprach: Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen
und seiner Frau anhängen, und es werden die zwei ein Fleisch sein, - so dass sie nicht mehr zwei
Aus der Perspektive Jesu und des Apostel Paulus verfehlt eine nicht heterosexuelle monogame
Partnerschaft das Ziel, die Intention des Schöpfers per se, und daher ist jede Abweichung von dieser
82
vgl. W. Masters, V.E. Johnson, R.C. Kolodny, Masters & Johnson on Sex and Human Loving, London, 1986,
S. 348ff.
22
Hermann Hartfeld, PhD Pastor i.R.
83
Vgl. Hans Böttcher, Integrierte Sexualität, Vellmar-Kassel: Verlag Weißes Kreuz GmbH, 1990, S. 96f.
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