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Die Actor Network Theory und Brundo Latour Seite 1/4

Ein erster schneller Überblick Stand: 03.08.2010

Die Actor Network Theory und Bruno Latour


ein erster Überblick auf der Basis des Buches „Bruno Latour“ von Reiner Ruffing 2009

Für den schnellen Einstieg in die ANT habe ich mir das Buch von Reiner Ruffing (RR) verordnet. Reiner Ruffing
beschreibt dort Bruno Latour aus der Perspektive mehrerer Latour-Werke, und das macht mir auch die ANT als
Grundhaltung Bruno Latours verständlich.

Was ist so besonders an Latour und der ANT?

Latour „hebt die Bedeutung der Dinge für die Gestaltung des sozialen Lebens hervor.“ so RR - und zielt damit auf
die gängige Soziologie, die soziale Beziehungen nur zwischen lebenden Wesen kennt. Das Ausblenden der
Beziehungen zu den Dingen hält er für einen großen Fehler. Soziale Beziehungen gibt es lt. Latour immer, wenn
Menschen zum Handeln gebracht werden. Um das verständlicher zu machen, spricht Latour von Wirkungsketten,
die auch von Dingen ausgehen können, in denen Dinge – oder umfassender ausgedrückt nicht menschliche
Aktanten - Teile dieser Wirkungsketten sind. So ist eine rote Ampel sehr wohl handlungsbestimmend für einen
Autofahrer, und damit Teil einer Wirkungskette – genau so, wie sie zwischen Menschen bestehen könnte. Auch die
wissenschaftliche Versuchsapparatur ist Teil dieser Wirkungskette, ebenso, wie die Forscherkollegen und der
Geldgeber für das Forschungsprojekt und ebenso wie die zu untersuchenden Mikroben.

Das so auszudrücken ist ein wenig ungewohnt, und doch zeigt unsere Sprache, dass wir im tiefsten Innern wohl so
denken. Dazu ein Satz von Latour „ Außer zu determinieren und als bloßer Hintergrund für menschliches Handeln
zu dienen, könnten Dinge vielleicht ermächtigen, ermöglichen, anbieten, ermutigen, erlauben, nahe legen,
beeinflussen, verhindern, autorisieren, ausschließen und so fort.“

Bruno Latour stützt seine Sicht auf mehrere beobachtende Begleitungen von wissenschaftlichen
Forschungsprojekten. Dabei verhält er sich wie ein Anthropologe, der einen ihm unbekannten Volkstamm
beobachtet. Er beschreibt akribisch alles, was die Wissenschaftler tun, mit was sie hantieren, mit wem sie
sprechen, wie das ihre weitere Arbeit beeinflusst, wie sie mit Ergebnissen umgehen, wie sie auf das zu
untersuchende Objekt reagieren – und wie dieses umgekehrt auf die Versuche reagiert, was das wieder beim
Forscher auslöst, usw. Man kann sich vorstellen, das ist eine detailreiche Arbeit, was Latour auch immer wieder
betont. Latour weist selber darauf hin, das ANT auch der Begriff für „Ameise“ ist. „Kein Forscher sollte die Aufgabe
erniedrigend finden, beim Beschreiben zu bleiben. Sie ist im Gegenteil die höchste und seltenste Leistung“ (Latour
SG: 237).

Daraus zieht er den Schluss, dass die „objektiven“ wissenschaftlichen Erkenntnisse von einer ganzen Reihe von
sozialen Faktoren beeinflusst sind, die bei ein wenig veränderten Einflüssen auch zu anderen „wissenschaftlich
abgesicherten“ Fakten hätten werden können. Dass dabei die Messapparatur einen Einfluss hat, kann man sich
genau so gut vorstellen, wie den Einfluss des Geldgebers auf die Forschungsergebnisse. Latour geht noch einen
Schritt weiter, auch der Untersuchungsgegenstand beeinflusst. Am Beispiel der Ansiedlung von Muscheln in
Aufzucht-Containern im Meer beschreibt er, wie die Muscheln mit den Wissenschaftlern und Fischern über die
geeigneten Aufzuchtbedingungen „verhandeln“.

Damit die Dinge auch zu Ihrem Recht kommen – und wir über die Wirkung der Dinge bewusst entscheiden – hat
Latour das Buch „Parlament der Dinge“ geschrieben. Nicht dass die Dinge selber mitreden könnten, aber wir
könnten ihnen ein Stimme geben, und dann demokratisch aushandeln, was für alle sinnvoll ist, und was nicht.

Die Denkhaltung, dass Dinge (oder besser nichtmenschliche Aktanten) auf uns wirken, unser Verhalten mitsteuern,
wirkt gar nicht so unbekannt. Wir haben es uns wohl nur nie zu sagen getraut. Deshalb erscheint mir Latour und die
ANT ein spannender Zugang zu vermutlich eigentlich Bekanntem.

Latour und die Grundlagen der Actor Network Theory (ANT)

“Die ANT wurde Mitte der 80er Jahre vor allem von dem Soziologen Michel Callon und Bruno Latour entwickelt.
…..… Die ANT geht davon aus, dass sich die Technik, die Natur und das Soziale wie in einem Netzwerk
gegenseitig beeinflussen. ………. Die Welt der Dinge und der Menschen nicht mehr getrennt, sondern die Dinge als
festen Bestandteil unserer Netzwerke und Operationsketten aufzufassen ist der Kerngedanke der ANT. ….. Dabei
legt die ANT ihren Schwerpunkt darauf, solche Operationsketten zu beschreiben, anstatt sie erklären zu wollen.“
(RR. S 29/30).

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Karlheinz Pape,
Die Actor Network Theory und Brundo Latour Seite 2/4
Ein erster schneller Überblick Stand: 03.08.2010

Latour führt da mehrere Beispiele zur Erläuterung an. Hier nur das folgende: Eine Waffe lasse sich auch als Akteur
begreifen: Irgendwie gehe von einer Waffe ein Impuls für ein Handlungspotential aus. Ein Mensch mit einem
Messer in der Hand ist ein Anderer als ohne. Und auch die Waffe in der Hand ist im Vergleich zur Aufbewahrung im
Schrank eine andere. „Waffen-, Brillenträger, Autofahrer seien so etwas wie Cyborgs, also integrierte Mensch-
Technik-Kopplungen. Weder Menschen noch Waffen töten. Vielmehr muss die Verantwortung für ein Handeln unter
den verschiedene Akteuren verteilt werden. Latour sprcht von der Wirkungseinheit von Mensch und Waffe, oder
von dem Aktant „Mensch-Waffe“, das heißt der oder das Handelnde sei ein an sich unzertrennliches Mischwesen
aus Fleisch, Geist und Schießeisen.“ (RR S. 30/31). Für Latour ist das „Soziale“ immer mit den Dingen verknüpft,
„sind soziale Bindungen ohne materielle Akteure undenkbar“ „RR S32).

Latour sagt, dass die ANT zur Hälfte auf den amerikanischen Sozuiologen Harald Garfinkel und auf den Pariser
Semiotiker Algirdas Julien Greimas zurückgeht. Garfinkel hat die Ethnomethodologie begründet. „Im Unterschied zu
soziologischen Systemtheorien berücksichtigt die Ethnomethodologie bei der Erklärung von gesellschaftlichen
„Tatsachen“ ganz wesentlich die Selbstinterpretation und das Alltagswissen der Akteure mit.“ (RR S33). Latour
dazu: „In den meisten Fällen sind soziale Erklärungen einfach nur ein überflüssiger Zusatz, der – anstatt die Kräfte
hinter dem Gesagten zu enthüllen – verbirgt was gesagt worden ist …“. „Demgegenüber gehe Garfinkel davon aus,
dass die Menschen auf der Grundlage ihres Alltagswissens handeln und sich durch ihre Interpretationen und
Verhaltensweisen wechselseitig beeinflussen“ (RR S34)

Der Pariser Semiotiker Greimas, Begründer der modernen Textsemiotik „begreift ein Zeichen nicht mehr zuerst in
seinem Bezug zur Wirklichkeit – als Ersatz für ein Ding, eine Tatsache oder einen Sachverhalt – sondern in seinem
Bezug zu anderen Zeichen. Zeichen lösten sich – so Greimas – schrittweise von der Realität ab, und begännen ein
Eigenleben zu führen. Man könne niemals sicher sein, was ein Zeichen wirklich sage.“ „Die Hauptthese von
Greimas lautet, dass die Welt erzählbar ist wie ein Roman, wie ein Story.“ (RR S35) Und für die ANT hat er den
Begriff des Aktanten beigesteuert. Aktanten sind alle Handlungsträger, die in einer Erzählung auftauchen können,
Helden, Böse, Opfer, Helfer, …. „Was ein Aktant ist steht nicht von vornherein fest, sondern wird in einer Erzählung
erst bestimmt. Für Latour ist die Wirklichkeit voller Überraschungen, die wir nur zu sehen verlernt hätten.“ (RR S36)

Einführung in die ANT: Latours Buch „Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft“

„In seinem Werk … behauptet Latour das sich das soziale längst schon verflüchtigt habe bzw. in Wirklichkeit noch
nie eine feste Größe oder gar Substanz gewesen sei. Vielmehr sei das Soziale ein riesiges Experimentierfeld, in
dem die verschiedenen Akteure, wie z.B. Impfstoffe, neue politische Bewegungen, neue Berufsfelder usw. immer
neue netzwerkartige Verbindungen eingehen. Die Gesellschaft gleiche einer riesigen Fabrikation immer neuer
Verknüpfungen, Wechselwirkungen, Assoziationen der verschiedensten Entitäten.“ (RR S.85) Und solche
Zusammenhänge menschlicher und nichtmenschlicher Entitäten machen das Soziale aus.

Damit wird die Überraschung, die Unvorhersehbarkeit von sozialen Ereignissen möglich – im Gegensatz zu den
herkömmlichen Sozialtheorien.

Latour sieht soziales Handeln immer als eine Netzwirkung zwischen relevanten Aktanten, nicht nur zwischen
Menschen. Das macht schon die Beobachtung schwierig. Zusätzlich erschwerend sieht er die 5 Quellen der
Unbestimmtheit für die Analyse sozialen Handelns. Er meint damit, dass man nie von Eindeutigkeit ausgehen
könne, sondern von der Macht der Relativität. „Niemand weiß genau, was die Akteure miteinander verbindet. Das
bedeutet nicht, dass die Suche nach Ordnung, Strenge und Struktur aufgegeben werden müsse. Sie wird nur einen
Schritt weiter in die Abstraktion verlagert, so dass den Akteuren gestattet wird ihren eigenen differenten Kosmos zu
entfalten.“ (RR S87)

Erste Quelle der Unbestimmtheit: kein Gruppen, nur Gruppenbildungen

Latour wehrt sich hier gegen die Vorstellung das soziale sei eine Art Klebstoff von Handlungen oder Werken. Er
sagt, es gäbe weder die Gesellschaft, noch die Wissenschaft. „Das soziale sei nicht gegeben, sondern müsse erst
hergestellt, bzw. immer wieder neu zusammengesetzt werden.“ (RR S88)
Menschen können ganz verschiedene Gruppierungen eingehen, auch mit Kräften, Engeln, Zielen, technischen
Geräten, Institutionen. Was eine Gruppe ausmacht, müsse aber durch ständige Anstrengungen neu bestätigt
werden.

„Um seinen Neuansatz einer Soziologie der Assoziationen von der alten Soziologie der Interaktionen weiter zu
klären, differenziert Latour in Bezug auf die Bindungsprozesse einer Gruppe die Begriffe „Mittler“ und
„Zwischenglied“. Die traditionelle Soziologie betrachtet Symbole, Feste, Zeichen, Riten einer Gemeinschaft eher als
Manifestationen eines feststehenden sozialen Bandes, so als seien sie zwar nützlich für den Zusammenhalt der

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Karlheinz Pape,
Die Actor Network Theory und Brundo Latour Seite 3/4
Ein erster schneller Überblick Stand: 03.08.2010

Gruppe, doch letztendlich auch entbehrlich, …. Demgegenüber betont Latour, das ‚Symbole, Feste, Riten, Zeichen
nicht als bloße Zwischenglieder, sondern als aktive Mittler aufgefasst werden müssen, die unter den Menschen
durch ihr Wirken die Gruppenbindungen erst in jedem Moment neu entstehen lassen. … Ohne Mittler keine
Gruppe!“ (RR S91)

„Die ANT fasst den Begriff sozial … nicht als Stoff oder Klebstoff, sondern in ihr ist das Soziale eine Bezeichnung
für eine Assoziation zwischen Entitäten, die in keiner Weise als soziale erkennbar sind, außer in dem kurzen
Moment, in dem sie neu zusammengruppiert werden. … Also bezeichnet sozial für die ANT einen besonderen Typ
von Assoziationen zwischen bislang unassoziierten Kräften“. (RR S92)

Zweite Quelle der Unbestimmtheit – Handeln wird aufgehoben

Unbestimmt ist nach Latour auch, wie soziales Handeln zustande kommt. Und vielleicht ist das der Schlüssel zum
weiteren Verständnis: Latour sieht den Menschen nicht als den autonomen Schöpfer seiner Handlungen. „Er spricht
nicht von autonomen Subjekten, sondern von Akteuren, ein Begriff, der an Bühnenpersonal erinnert“ (RR S92)
„Wie bei einer Theateraufführung könne man auch einen Handlungsträger in den konkreten gesellschaftlichen
Prozessen in vielen verschiedenen Hinsichten betrachten. Wir fragen ja nicht, ob jemand Herr seiner Entschlüsse
ist, sondern beurteilen eine Aktion danach, in welchem Kontext sie steht, ob si gut ausgeführt, wie sie gespielt
wurde, usw.“ (RR S93)
„Eigentlich handeln wir nie so, wie wir wollen, doch woran liegt das, und was sind die Kräfte, die uns so handeln
lassen, wie wir nun einmal handeln? Nach Latour ist es aussichtslos, sich hier letzte Transparenz und Klarheit
verschaffen zu wollen. Handeln ist definitionsgemäß nicht lokalisierbar, sondern stets verlagert, verschoben,
dislokal. Am Sinnvollsten ist es noch, geduldig den jeweiligen Einflüssen und Kräften nachzuspüren, die eine
konkrete Aktion beeinflusst haben. Das heißt jedoch nicht, dass es sich ein Soziologe leisten könne, über die
Selbstinterpretationen der Akteure hinwegzusehen. …. Wie schon erwähnt ist es ein erklärtes Ziel Latours und der
ANT, die Meinung der „einfachen“ Leute gegenüber den Expertenmeinungen wieder ernster zu nehmen“ (RR S93)

Dritte Quelle der Unbestimmtheit – Welche Aktion für welche Objekte?

Hier geht es Latour um den zentralen Punkt, die Einbeziehung der Dinge in soziales Handeln bei Menschen. Er
fragt, warum die Soziologen gerade dann begannen die Bedeutung der Dinge im Zusammenhang der Menschen
heruntertuspielen, als sich deren Anzahl ins Unermessliche steigerte.
Sozial-Beziehungen, die ausschließlich auf direkter Interaktion zwischen Menschen beruhen, seien sehr anfällig
gegen Störungen, und müssten permanent neu ausgehandelt werden. Bei Pavianen, könne man das beobachten,
da spielen die Dinge keine besondere Rolle. Bei den Menschen werde das Verhalten aber stark von den Dingen
gelenkt. Erst die Dinge (z.B. die Technik) konstruieren die soziale Welt des Menschen. „Türschließer, (Hotel-)
Schlüsselanhänger, Reagenzgläser, Schreibpapier, Computer stabilisieren – so Latour – die Welt des Menschen
mehr als die ständigen Kontrollen in den unmittelbaren Face-to Face-Beziehungen.“ (RR S95)

Latour nennt 5 Besipiele, an denen man den Einfluss der Dinge gut erkennen kann:
- Technische Innovationen und ihr Einfluss auf das Sozialgefüge (z.B. Social Media derzeit Anm. des Verf.)
- Alle Geräte, die erst eine Bedienungsanleitung erfordern
- Pannen, Unfälle und Defekte macht die Macht der Dinge klar. Dinge verweigern ihren Dienst
- Eine Reflexion über die Entstehung der Dinge und ihren Einfluss auf die Entwicklung der Menschheit
- Soziologen könnten von Künstlern lernen, wie man Gegenstände zum Sprechen bringen könne

Vierte Quelle der Unbestimmtheit – Unbestreitbare Tatsachen versus umstrittene Tatsachen

Hier geht es Latour um eine andere Perspektive auf Fakten und Tatsachen. „Latour stellt heraus, das es bei der
Konstruktion von wissenschaftlichen Tatsachen nicht darum geht, ob sie objektiv der Wirklichkeit entsprächen oder
nicht, sondern ob es sich um gute, solide oder schlechte Konstruktionen handele. Wie auf einer Baustelle Häuser
oder andere Bauwerke errichtet werden, würden in einem Labor, bei der Feldforschung oder in einem
Arbeitszimmer wissenschaftliche Tatsachen hergestellt.“ (RR S97) Und die können - wie Gebäude - gut oder
schlecht erstellt worden sein. Damit sieht Latour wissenschaftliche Ergebnisse (Fakten) als Konstruktionen auf einer
realweltlichen Basis. Er bewegt sich damit irgendwo zwischen dem reinen Konstruktivismus und dem reinen
Realismus.
„Weil es nicht die eine Wahrheit gibt, sei es, so Latour, umso wichtiger sorgfältig zwischen verschiedenen Wegen
die Wahrheit zu finden und verschiedenen Wahrheitsansprüchen zu unterscheiden.“ (RR S99) Latour führt einige

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Ein erster schneller Überblick Stand: 03.08.2010

Beispiele dafür an, dass es gerade in unserer Zeit immer weniger unbestreitbare Tatsachen, dafür um so mehr
umstrittene Tatsachen unter den Experten gibt.

Fünfte Quelle der Unbestimmtheit – Das Verfassen riskanter Berichte

Damit gibt Latour seine Vorstellung von guten wissenschaftlichen Beobachtungen wieder. Eigentlich geht es um die
Kommunikation der Tatsachen und deren Wirkungen: Wer hätte ein Unbewusstes ohne Psychologen - fragt er.
„Ein guter ANT-Bericht ist eine Erzählung oder Beschreibung oder Proposition in der alle Akteure etwas tun und
nicht bloß herumsitzen.“ (RR S102) Bezogen auf soziologische Berichte wehrt sich Latour gegen
Zusammenfassungen und Schablonen. Vielmehr müsse man Details beschreiben – entfalten - und beim Leser
folgende Reaktion auslösen „Mehr Details, bitte mehr Details“.
Dazu Latour selbst:
“Entfalten heißt einfach, dass durch den Bericht der die Untersuchung abschließt, die Anzahl der Akteure
möglicherweise vergrößert wird: das Spektrum der Existenzformen, die die Akteure zum Handeln bringen,
möglicherweise erweitert wird; und die Anzahl der Objekte, die an der Stabilisierung von Gruppen und Agenzien
beteiligt sind, möglicherweise vervielfältigt wird; und die Kontroveren über umstrittene Tatsachen möglicherweise
aufgezeichnet werden.“ (Latour SG S199)

Zusammenfassung ANT

„Die ANT will jedoch unvoreingenommen an die untersuchten Gegenstände herangehen und die Gegenstände
selbst sprechen lassen, bzw. ihnen eine Raum geben, sich selbst auszudrücken.(RR S103) „Es ist das Objekt
selbst, das Vielfalt hinzufügt, oder vielmehr das Ding, die Versammlung.“ (Latour SG S250)
Latour geht es um die Darstellung der Komplexität der Aktanten: „ Es ist das Ding selbst, das Tal, der Berggipfel,
die Straßen, die ihnen dieses Erfassen, diese Handhabe, diese Aufnahme anbieten. … Wenn man viele
Blickpunkte auf eine Statue haben kann, so liegt das daran, dass die Statue selbst dreidimensional ist und einem
erlaubt, ja erlaubt, sich um sie herum zu bewegen.“ (Latour SG S251)

Latour betont, dass es nicht um vorschnelles Erklären gehe, sondern um richtiges Beschreiben:
„Beschreiben, aufmerksam für den konkreten Sachverhalt sein, den einzigen adäquaten Bericht einer gegebenen
Situation finden, das erschein mir stets als äußerst anspruchvoll.“ (Latour SG S249)
„Skeptisch zeigt sich Latour gegenüber kritischen Soziologen, die ihre Studien mit dem Ziel anfertigen, die Leute
über ihr falsches Bewusstsein aufzuklären, gerade so als hätten sie vor der entsprechenden Studie über keinerlei
Reflexivität verfügt, und seien nichts anderes als die Marionetten an den Strippen von ökonomischen und
unterbewussten Kräften und Trieben gewesen.“ (RR S104)

Das Besondere der ANT ist die Einbeziehung von Dingen (Synonym für alle nicht menschlichen Aktanten) in die
Wirkungsketten mit Menschen. Dinge fordern uns auf etwas zu tun. Dinge sind von Menschen konstruiert, oder
haben von Menschen ihre Bedeutung zugewiesen bekommen, und wirken damit auf uns. Zu den nicht
menschlichen Aktanten zählen neben der uns umgebenden Technik auch Gedanken, Visionen, Ziele, wie auch
Götter und Fetische.
Das Ausblenden dieser wirkenden Aktanten verhindert den Erkenntnisprozess, das Zerstören (Iconoclash) birgt die
Gefahr der Sinnentleerung. Und die Wirkungsketten sind individuell, vielschichtig und vielzählig, so dass es von
außen nicht möglich sein wird, Erklärungsmodelle für Wirk-Prinzipien zu finden. Wohl einzig das handelnde
Individuum ist am ehesten in der Lage, Erklärungen für sein Handeln zu finden.

Karlheinz Pape
(Ein erster Eindruck der ANT vom 3. August 2010)

RR Sxx = Reiner Ruffing, „Bruno Latour“ Seite xx


Latour SG Sxx = Bruno Latour, „Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft“ Seite xx

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Karlheinz Pape,

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