August 6, 2010
Sie wollen es nicht hören und sie wollen auch nichts ändern: Die
Finanzspekulanten interessieren sich einen feuchten Kehrricht für
unser Argument, dass sie doch endlich aufhören sollen mit den
wüsten Spekulationen mit faulen Krediten und anderen
merkwürdigen Produkten. Es sind einfach zu viele Milliarden im
Spiel, und die wollen die Finanzprofis absahnen, koste es, was es
wolle. Waren schon die Spekulationen auf Kosten armer US-
Hausbesitzer ein dreckiger Deal auf Kosten wehrloser Menschen, so
sind es die Spekulationen auf Nahrungsmittel noch mehr. Es sind
Spekulationen, die den Tod von Menschen billigend in Kauf
nehmen.
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Preis für Kakao hat sich seit 2007 fast verdoppelt, der für Kaffee ist
um 29 Prozent gestiegen, jener für Weizen um 17 Prozent. Der
Nahrungsmittelindex der Welternährungsorganisation FAO, der
die Preisentwicklung wichtiger Agrargüter zusammenfasst, war
bis Ende Juni auf 163 Punkte gestiegen. Er liegt damit nur um 15
Punkte unter jenen 191 Punkten aus dem Jahr 2008, in dem es in
einigen Ländern des Südens Hungeraufstände gab.“
„Auf diese Zeit bereiten sich auch die Finanzinvestoren vor. Wie vor
der Krise haben sie Finanzprodukte entwickelt, die vermeintliche
Sicherheit mit einer hohen Rendite verbinden. Das wichtigste dieser
Produkte sind Colateralized debt obligations (CCO). Dabei werden
Optionen zum Kauf unterschiedlicher Nahrungsmittel zu einem
»Produkt« verknüpft, sodass die Risiken verteilt und hohe Renditen
gesichert werden können. Was so gut klingt, vergleichen manche
Börsenbeobachter bereits mit den Ramschkrediten auf jenem
Immobilienmarkt, dessen Zusammenbruch die Finanzkrise
auslöste. Dennoch steht außer Zweifel, dass solche Finanzprodukte
immer mehr Geld in die Spekulation mit Nahrungsmitteln treiben
werden. Und allen Spekulanten ist eines gemeinsam: Sie wollen gar
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keine Nahrungsmittel, sie wollen nur von Preissteigerungen
profitieren. Durch ihre Aktivitäten treiben sie jedoch die
Handelspreise für Weizen oder Reis auf ein Niveau, das die
Ärmsten der Armen nicht bezahlen können.“
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aus dem Boden herausholen. Mit Blick auf Preiseinbrüche durch die
Finanzkrise und neue Chancen schreibt Geiger:
Klingt alles ganz harmlos, wäre da nicht der knallharte Hinweise auf
schwindende Anbauflächen, Verknappung des Rohstoffs, Potential
für Investitionen und vielseitige Anlagechancen über dem
Durchschnitt. Wo es Gewinner gibt, sind die Verlierer nicht weit.
Und das sind nach Lage der Dinge die Ärmsten der Armen. Bei den
Rekordpreisen für Grundnahrungsmittel 2007 gab es Unruhen in 30
Nationen. Millionen Menschen waren betroffen. Und wir schauen
zu, wie die Finanzindustrie exakt auf dieser Grundlage Produkte
entwickelt, die auf höchst unethische Art Geschäfte mit
Nahrungsmittelknappheit forcieren.
Von der Politik ist nicht zu erwarten, dass sie die Finanzindustrie an
die Leine legen kann. Vielleicht müssen es weltweite Internet-
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Aktivisten?! Twitterer, Facebooker, die mit ihren Mitteln dafür
sorgen, die Profiteure solcher Nahrungsmittelspekulationen zu
ächten? Ich weiß nicht, ob das möglich ist. Eine Zahl hat mich in den
letzten Tagen bei der Recherche für einen Artikel elektrisiert: Am
Erdgipfel in Rio de Janeiro, der berühmten UNCED-Konferenz von
1992, haben 2400 Nicht-Regierungsvertreter teilgenommen. Am
NGO-Forum waren gar 17.000 politisch Interessierte aus aller Welt
beteiligt. Akkreditiert waren 7000 Journalisten. Man stelle sich vor,
von den vielen Twitterern und Facebookern mit
Verantwortungsbewusstsein und Charakter würden sich 20.000
treffen, um Nahrungsmittel-Finanzspekulation zu ächten und neue
Standards für die Welt zu setzen. Man stelle sich vor, daraus würden
neue Finanz-Institute und neue Fonds in aller Welt entstehen, die
sich voll und ganz ethisch korrektem Wirtschaften verschrieben.
Man muss Visionen auch zu Ende denken dürfen. Ich möchte es.
Und hoffen, dass wir vielleicht doch etwas bewegen könnten…
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