Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
David Tepaße
Ulrichstraße 18
48147 Münster
0251/203406
oder 02871/30056
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Biographie
3. Hobbes’ Naturzustand
4. Hobbes’ Staatsvertrag
1. Einleitung
Spätestens seit dem 16. Jahrhundert spielt die Vorstellung vom
staatsbegründenden Vertrag eine wesentliche Rolle. Mit dem
Aufkommen des Zeitalters der Aufklärung wird sie zur herrschenden
Lehre. Sie geht schließlich, so kann man wenigstens für das 18.
Jahrhundert behaupten, in das allgemeine politische Bewußtsein ein.
Sie ist „wesentlich mitbestimmend für die Staatsauffassung der
gebildeten Schichten in Europa und also auch für ihre praktische
Einstellung zum Staat“1. Heutzutage wird die staatsphilosophische
Vertragslehre, trotz ihrer großen geschichtlichen Bedeutung, nur noch
sehr selten ernst genommen. Mit dieser Arbeit möchte ich die
wirkliche Relevanz dieser Theorien (insbesondere der Hobbes’schen
Theorie) genauer ausarbeiten. Ich werde mich bei meinen
Ausführungen großenteils auf die von Richard Schottky verfaßten
Untersuchungen über die Geschichte der staatsphilosophischen
Vertragslehre im 17. Und 18. Jahrhundert stützen.
2. Biographie
1
Schottky, Richard : Untersuchungen zur der staatsphilosophischen
Vertragstheorie im 17. Und 18. Jahrhundert. Amsterdam-Atlanta, Rodopi B. V.
1995, Seite 1.
seiner Staatsphilosophie. In diesem Entwurf unterstützt er den
absoluten Anspruch der Krone. Er flieht nach Paris, nachdem sich die
republikanischen Unruhen festigen. In Paris überarbeitet er seine
Version der Staatsphilosophie deren endgültige und auch bekannteste
Fassung den Titel Der Leviathan trägt. Nun sieht sich Hobbes der
Verfolgung durch die Royalisten ausgesetzt, und flieht zurück nach
London. Dort genießt er die Unterstützung seines früheren Schülers
König Karl II. Stuart. Hobbes wird erneut heftig attackiert,
zunehmend aus kirchlichen Kreisen, wo man ihn des Atheismus
bezichtigt. Als 1666 in London Pest und Brand ausbrechen, sucht der
Klerus in Hobbes den Schuldigen. Sein 1668 fertiggestelltes Werk
„Behemoth2“, eine kritische Geschichte des Englischen Bürgerkriegs,
kann infolgedessen nicht erscheinen. Im gleichen Jahr erscheint eine
Gesamtausgabe seiner philosophischen Schriften in Amsterdam. 1672
erscheint das maßgebliche Naturrechtskompendium der Neuzeit,
welches durchgehend von Hobbes beeinflußt ist. Im Jahre 1679 stirbt
er in Hardwick/Derbyshire. Vier Jahre später werden Hobbes
politische Schriften von der Universität Oxford verurteilt und
verbrannt. Er wird im wesentlichen von zwei Grunderlebnissen mit
völlig unterschiedlichem Charakter geprägt. Zum einen ist dort der
Bürgerkrieg in England und der 30 jährige Krieg auf dem Kontinent,
und zum andern ist dort Hobbes’ Begegnung mit den aufstrebenden
Naturwissenschaften.
3. Hobbes’ Naturzustand
8
vgl. Hobbes : Leviathan, Seite 203 ff.
9
Zit. Hobbes : Leviathan, Seite 134
10
vgl. Hobbes : Leviathan, Seite 136 ff.
zweckmäßig hält, für den Frieden und die gemeinsame Verteidigung
einsetzt. Wer diese Person verkörpert, wird Souverän genannt, und
besitzt, wie man sagt, höchste Gewalt, und jeder andere daneben ist
sein Untertan.“11 Diese Gewalt kann auf zwei Wegen erlangt werden.
Beim ersten Weg spricht Hobbes vom „Staat durch Einsetzung“ oder
auch vom „politischen Staat“ und beim zweiten Weg spricht er vom
„Staat durch Aneignung“.12 Er spricht bei dem Staat durch Einsetzung
von einer vertraglichen Übereinkunft zwischen einer Menge von
Menschen, die ihre Selbstbestimmungsrechte, zum Zwecke eines
friedlichen Zusammenlebens und zum Schutz vor anderen Menschen,
an einen Souverän abtritt.13 Erklärungsgrund des faktischen
Gehorsams ist der Vertrag an sich, denn zur Vertragserfüllung
motiviert derselbe Grund, der schon zum Vertragsabschluß veranlaßte
- das nackte Überleben. Diese Art der Staatsgründung ist also nichts
anderes als ein nüchterner Rechtshandel zwischen Geschäftsleuten, sie
hat nicht mit menschlichen Sympathiegefühlen, noch mit höheren
Ideen oder Idealen etwas zu tun. Es handelt sich, ganz ausschließlich,
um die Herstellung einer Willensbildung zwischen Individuen, der
wie ein Mechanismus funktioniert, und für jeden etwas abwirft.
Hobbes’ Staat durch Aneignung beruht auf der natürlichen Kraft. Der
Bürger gehorcht, wenn nicht aus anderen Gründen, dann aus Furcht
vor Bestrafung. Die Macht des Staates, insbesondere sein
Gewaltpotential, begründet Hobbes aber eben durch den oben
erläuterten „politischen Staat“. Wenn ich als einzelner Bürger einen
staatsfeindlichen Akt begehe, so kann ich mir sicher sein, daß dem
Herrscher zu meiner Bestrafung ein großer Teil der anderen Bürger
zur Verfügung stehen wird, mindestens diejenigen, denen nichts an
mir und meinem Interesse gelegen ist. Gerade mein Egoismus, meine
Furcht vor dem Gehorsam der andern - und deren Furcht vor meinem
Gehorsam, hindert mich am Vertragsbruch. Nur sobald ich dem
Herrscher gehorche, kann ich mit Sicherheit in Frieden leben. Der
Herrscher hat die sowohl die Legislative, als auch die Richterliche, als
auch die Strafgewalt in sich vereint. Er ist nicht an Gesetze gebunden,
11
Zit. Hobbes : Leviathan, Seite 134 f.
12
vgl. Hobbes : Leviathan, Seite 135
13
vgl. Hobbes : Leviathan, Seite 136 ff.
seine Befehle können per Definition nie Unrecht gegenüber dem
Untertan sein. Laut Vertragsinhalt werden ja all seine Handlungen als
die ihren anerkannt. Nur die Stellung eines totalen Repräsentanten mit
unbegrenzter Vollmacht nennt Hobbes’ Souveränität. Daraus läßt sich
der Hobbes’sche Radikalismus ableiten : besteht in einem Staat
keine volle Souveränität, so ist letzten Endes jeder sein eigener
Richter, also hat sich gegenüber dem Naturzustand nichts
wesentliches geändert.14 „Wer soll sich außerdem auf den Schutz
eines Staates verlassen, wenn dessen Autorität und damit auch dessen
Macht rechtlich vom Rechtsurteil bzw. vom Belieben der Untertanen
abhängt? Wenn der Staat nicht mehr schützen kann, hat er aber nach
Hobbes keinen wahren Gehorsamsanspruch, denn nur um der
Sicherheit willen ist er ja da,- also hat nie ein Staat bestanden.“ 15 Ein
Staat ohne volle Souveränität ist nicht vom Naturzustand zu
unterscheiden, also kein Staat. Es muß also einen absoluten Souverän
geben. Diese Souveränität ist das eigentliche Wesen der Staatlichkeit.
Ein ganz besonders wichtiges Moment an diesem Vertrag ist, daß er
nicht zwischen Untertan und Herrscher geschlossen wird - wie in
anderen Herrschaftsverträgen notwendig - sondern ganz
ausschließlich zwischen den Untertanen und nur zugunsten des
Herrschers. Aufgrund dieser Einseitigkeit des Vertrages entfällt jede
Möglichkeit, den Herrscher seinen Untertanen gegenüber
verantwortlich zu machen. Des Herrschers Wille allein ist hier der
volonté général. Der Herrscher ist der Staat. Hobbes’ Rechtfertigung
für diesen Radikalismus greift wieder auf den von ihm als grauenhaft
beschriebenen Naturzustand zurück. Allgemeiner ideologischer Krieg
um das wahre Recht ist schlimmer, als ein paar autokratische
Übergriffe hier und da.16 „Hobbes liebt den Frieden mehr als die
Wahrheit.“17 Er hält das „Recht an sich“ für absolut ungeeignet als
letzte Ordnungsinstanz menschlichen Zusammenlebens, laut seiner
Auffassung ist es zu Subjektiv. Es kann Meinung gegen Meinung
stehen, in diesem Zustand ist für jeden sein eigener Standpunkt
14
vgl. Hobbes : Leviathan, Seite 155 ff.
15
Zit. Schottky : Untersuchungen zur staatsphilosophischen Vertragstheorie, Seite
25
16
vgl. Thomas Hobbes : Leviathan, Seite 155ff.
17
Zit. Bernhard Willms : Die Antwort des Leviathan, Seite 22
„Recht“. Also muß das Recht gleichgesetzt werden mit dem Befehl
des Souverän, der ja laut Hobbes die göttliche Instanz widerspiegelt.
Es kommt nun darauf an, einen Zustand zu schaffen, in dem das Recht
immer über unüberbietbare Macht verfügt. Also wird das Recht mit
einer Zwangsmacht ausgerüstet - der schon oben beschriebenen
Furcht. Eigentlich ist das Recht die verbindliche Ordnungsnorm des
Gemeinschaftslebens, es wird aber inhaltlich zu fast beliebiger Norm,
deren Wert nur darauf liegt, daß sie eindeutig, einheitlich und
empirisch sicher feststellbar ist und wegen ihrer Verbindung mit der
Macht von allen befolgt wird. Von hier aus läßt sich nun am ehesten
Verstehen, warum die Existenz wahrer Souveränität für ihn das
Wesen aller Staatlichkeit ausmacht. Die oben beschriebene absolute
und empirische Rechtsquelle ist ja gerade das, was Hobbes Souverän
nennt. Nur durch eine solche Repräsentation, in der die Reservatrechte
des einzelnen ausdrücklich abgelehnt werden, kann nach Hobbes eine
wahre Einheit zwischen vielen zustande kommen. Zur Verdeutlichung
seines Wechselverhältnisses zwischen Macht und Recht möchte ich
nun die bisher mißachteten Hobbes’schen Thesen18 anführen. Die
erste These besagt, daß der Bürger doch ein gewisses
Widerstandsrecht behält. Das mag nun Anhand der oben
beschriebenen Aufgabe der eigenen Souveränität wie ein Widerspruch
klingen, ist aber keiner. Es ist eher eine Einschränkung. Hobbes
bezeichnet es als unveräußerliche Reservatrechte.19 Diese besagen im
wesentlichen, daß der Mensch nichts tun braucht, was unmittelbar
seinen Tod nach sich zöge. Auf dieses Recht kann definitiv nicht
verzichtet werden, denn der eigentliche Grund des Gehorsams ist nun
mal die Sicherheit des Gehorchenden. Und diese ist nicht mehr
gewährleistet, sobald die Tat seinen Tod nach sich zieht. Er wird
tatsächlich nicht so handeln, denn laut Hobbes wird die unmittelbare
Todesfurcht immer stärker sein als jeder andere Antrieb. Der einzige
Sinn der Naturgesetze besteht nun einmal darin, durch ihre Erfüllung
die Selbsterhaltung des Einzelnen möglichst effektvoll zu fördern.
„Wo das Gegenteil die Folge der Gebotserfüllung wäre, gelten die
Gebote nicht, es sind eben nur Zweckmäßigkeitsregeln, im Hinblick
18
vgl. Thomas Hobbes : Leviathan, Seite 203ff.
19
vgl. Thomas Hobbes : Leviathan, Seite 203ff.
auf die Selbsterhaltung als das höchste Gut und absolute theologische
Prinzip in Hobbes’ praktischer Philosophie.“20 Dieses
Widerstandsrecht ist allerdings politisch unbedeutend, denn man darf
gegen die Tötung eines anderen, - das ergibt sich aus seiner Definition
- sei sie auch ungerecht, keinen Widerstand leisten, falls es sich nicht
um einen nahen Verwandten handelt. Politischer Widerstand größerer
Gruppen ist also durchaus verboten, und der Herrscher wird immer
genug Macht haben, den Widerstand des Betroffenen zu brechen. Die
zweite These besagt, daß die Verpflichtung des Untertan dem
Souverän gegenüber nicht länger dauert, als dessen Macht, den
Untertan zu schützen. Die Begründung dieser These lauft parallel zu
der eben skizzierten für das Widerstandsrecht : nur um des Schutzes
willen kann man sich ja unterwerfen. Die beiden eben skizzierten
„Freiheiten“ des Untertan weisen aber auch auf die schwache Seite
der Hobbes’schen Staatsmaschine hin : sie kann auf keinerlei
Aufopferung der Staatsmitglieder für das Ganze rechnen. Die dritte
Hobbes’sche These besagt, daß auch erzwungene Verträge gültig sind.
Es gibt also eine zweite legitime Möglichkeit der Staatsgründung : ein
starker Mann kann sich durch kriegerische Überwindung vieler
Einzelner und Gruppen einen souveränen Staat schaffen. Daß das
privatrechtliche Sklavenverhältnis hier ganz ausdrücklich und
unbefangen identisch gesetzt wird mit der Beziehung zwischen Bürger
und Souverän, wirft übrigens noch einmal ein bezeichnendes Licht
auf den politischen Charakter des Staates, er kann kaum - trotz
Tönnies21 - als Rechtsstaat oder verfassungsmäßige Monarchie
bezeichnet werden. Diese zweite Art der Staatsgründung hat aber nur
dann rechtlichen Bestand, wenn dieser starke Mann auch wirklich so
handelt, daß das Endziel - der Frieden - erreicht ist. Mit näherer
Betrachtung der ersten These könnte man zu der Auffassung kommen,
daß der Mensch immer das für seine Selbsterhaltung zweckmäßigste
tut. Dann wäre alles Reden von Recht und Pflicht und
Vertragsbindung total überflüssig. Entweder der Staatskern ist so
stark, daß ich Schutz von ihm erwarten kann, - dann gehorche ich auf
Zit. Richard Schottky : Untersuchungen zur staatsphilosophischen
20
Vertragstheorie, Seite 36
21
Ferdinand Tönnis : Thomas Hobbes (2. Auflage 1922), Seite 180f.
jeden Fall - oder er ist es nicht - dann gehorche ich auf keinen Fall. In
diesem Fall wird alles bestimmt durch eine Automatik von Macht und
Furcht. Dem ist aber eben nicht so, denn der Mensch handelt laut
Hobbes faktisch nicht so, wie es seiner Selbsterhaltung am besten
dienen würde. Die nahe, unter Umständen nicht so große Gefahr wird
mehr gefürchtet als die weiter entfernte aber unter Umständen
Schlimmere. Aus diesem Grunde wird Hobbes’ Staatsvertrag
notwendig.