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Gerd Kühr: Musiktheater heute – Überlegungen zu einem

Inventar des Möglichen.


(In: Das Musiktheater – Exempel der Kunst. Studien zur Wertungsforschung, Band 38, hg.
von Otto Kolleritsch, Universal Edition Wien 2001, S. 35-49.)

Am Anfang möchte ich über die Struktur dieser Schrift reden. Der Text ist sehr
vielfältig, manchmal scheint er mir weitschweifig zu sein und er hat mehrere Kernaussagen,
die nur teilweise in Zusammenhang stehen. Deshalb war es für mich relativ schwer, den Text
zu lesen und auszulegen. In den nächsten Zeilen möchte ich die Schwerpunkte, die meiner
Meinung nach wichtig sind, ansagen und darlegen.
Die Entstehung des Textes ist einem Symposion (Das Musiktheater – Exempel der
Kunst) zu danken, wo GK als Vortragender eingeladen war. Er hat über sein zentrales Thema
lange nachgedacht, aber endlich hat er sich für „Musiktheater als Ort der Zusammenarbeit”
entschieden. Er sagt: „Ich setze mich dem Abenteuer der Kooperation gerne aus” d.h. er
vertraut seinen Kollegen, egal ob es Regisseur, Bühnenbildner, Dramaturg oder Dirigent ist.
Hier beruft er sich auf seine Oper „Tod und Teufel”, wo er mit dem Librettist Peter Turrini
und später mit dem Regisseur Georg Schmiedleitner auch intensiv zusammengearbeitet hat.
GK versteht unter dem Begriff „Musiktheater”: Oper, Operette, auch Musical, multi-
mediale Inszenierungen, experimentelles Musiktheater, Bewegungstheater, Performances,
eben die „vielfältigen Möglichkeiten der Verbindung von Wort, Szene und Musik”.
Dann zieht er eine interessante Parallele zwischen der nicht mehr gespielten alten und der
zurzeit entstehenden aber nur „für die Schublade” geschriebenen Werken. In den nächsten Zeilen
macht er uns aufmerksam auf die Tatsache, dass das heute gespielte Repertoire großenteils immer das
Gleiche ist. Es gibt nur wenige Ausnahmen: einige Uraufführungen, große Werke unbekannter Meister
oder weniger große Werke berühmter Komponisten.
Italo Calvino – ein von GK sehr verehrter italienischer Schriftsteller – erkennt ein
Baumuster in den von ihm gesammelten italienischen Märchen, das nach Erachtens von GK
auch im Musiktheater eine wesentliche Rolle spielen kann. Dieses Prinzip ist die „Ökonomie
des Erzählens”: „die Ereignisse werden unabhängig von ihrer Dauer punktförmig, und diese
Punkte werden miteinander durch gerade Linien verbunden in einem Zickzackmuster, das
einer pausenlosen Bewegung entspricht.”
Seiner Meinung nach bildet sich ein Kunstwerk erst durch die Trias „Schaffender
Künstler/Werk – Ausübender Künstler – Rezipient” vollständig heraus, wobei ausübender
Künstler und Rezipient als Interpreten gelten können.
Er stellt sich die Zukunft des Musiktheaters so vor, dass die Interpretierenden (z.B.
auch der Regisseur, der Choreograph) im Rahmen des künstlerischen Prozesses grösseres
Mitspracherecht hätten.
In dem Beitrag sind viele interessante Gedanken aufgeworfen, die meine Meinung über
das moderne Musiktheater positiv verändert haben.

Gerd Kühr, geboren 1952 in Österreich, absolvierte sein Kompositionsstudium am


Mozarteum Salzburg bei Josef Friedrich Doppelbauer und bei Hans Werner Henze in Köln
sowie ein Dirigierstudium bei Gerhard Wimberger (Mozarteum) und Sergiu Celibidache.
1992 bis 1994 hatte Kühr eine Gastprofessur für Komposition am Mozarteum und ab 1994 in
Graz inne, seit 1995 ist er ordentlicher Universitätsprofessor für Komposition und
Musiktheorie an der Universität für Musik und darstellende Kunst, Graz.

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