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Mark Peel

Kleine Geschichte Australiens


Deutsch von Elfriede Peschel

Deutscher Taschenbuch Verlag

München 2000

(Originalausgabe: ›A Little History of Australia‹, Melbourne University Press 1997)


Vorwort
Die Entdeckung neuer Länder geschieht langsam. Hat man einmal einen Blick davon
erhascht, ohne sie gleich erobern zu wollen oder als wirkliches Ziel ins Auge zu fassen,
erinnert man sich an sie in Geschichten und Bildern als eine Prophezeiung, daß es etwas zu
entdecken gibt. Man stellt sich vor, was sie zu bieten haben, welche Schrecken
möglicherweise dort lauern, was jenseits ihrer Begegnung mit dem Meer, jenseits der kaum
sichtbaren Reglosigkeit ihres Horizonts zu finden sein könnte. Falls andere uns
zuvorgekommen sind – wer mögen sie sein? Gibt es dort Wunder und Ungeheuerlichkeiten,
die unsere Vorstellungsgabe übersteigen, oder hat man alles Existierende bereits gefunden?
Niemals finden Entdeckungen und Erforschungen unüberlegt statt. Mag das Land neu oder
alt sein, jeder, der kommt, stellt es sich vor, ehe er es erreicht. Vor Zehntausenden von Jahren
und dann wieder im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert war Australien ein neues Land.
Für seine ersten Entdecker, welche die Meeresarme und Flußmündungen der Nordküste
erforschten, für die europäischen Seefahrer, die es wieder »fanden«, anfangs durch Zufall,
dann gezielt, und für alle, die danach kamen, konnte Australien vielleicht eine neue Heimat
sein – oder ein Ort, um eine Strafe abzusitzen. Oder auch eine Durchgangsstation, um danach
reicher in die Heimat zurückzukehren. Die ersten Menschen, die ins Landesinnere zogen, die
deportierten Sträflinge oder der angeworbene Seemann der ersten europäischen Siedlung in
Sydney Cove, der hoffnungsvolle deutsche Auswanderer oder der chinesische Goldsucher in
den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, die junge Engländerin, die der
Besiedelungsplan des britischen Empires in den zwanziger Jahren des zwanzigsten
Jahrhunderts auswandern ließ, der italienische Nachkriegsemigrant, der vietnamesische
Flüchtling: Alle stellten sie sich hier ihre Zukunft vor, egal, ob sie ihre Überfahrt aus freien
Stücken antraten oder nicht, wirklich vorhatten zu bleiben oder nicht.
Für jeden Reisenden wird die Ankunft zur Geschichte eines Neubeginns mit einem mehr oder
weniger geglückten Abschluß werden. Den Kindern, die die Ankömmlinge in einem neuen
Land bekommen, werden diese Geschichten ihr Ursprung und ihr Erbe sein, ein Maß für die
Entfernung von dort, wo einmal die Heimat ihrer Eltern war. Diese Geschichten der Ankunft
und des Werdens teilten Auswanderer und vorübergehend hier Weilende gleichermaßen. All
die zweifelhaften Entscheidungen, die Fehler und Mutmaßungen, das Glück und das Unglück
packten sie in Geschichten, die ihrer Vergangenheit eine Gestalt und eine Triebkraft gaben.
»Australien« entstand, als diese Menschen sich damals vorstellten, einen Ort miteinander zu
teilen, und, was weitaus wichtiger war, eine gemeinsame Zukunft zu haben. Und wenn wir
uns unser Leben im Sinne von »Woher kommen wir« und »Wer war vor uns« vorstellen und
beschreiben, dann sind wir uns darüber im klaren, in ihrer Zukunft zu leben, der Zukunft, die
sie geschaffen haben.
Die Idee eines gemeinsamen Schicksals – als ein »Volk«, eine »Kolonie« oder eine »Nation«
– war nicht die einzige Geschichte in Australiens Vergangenheit, und sie hat auch im
Alltagsleben keine überragende Rolle gespielt. Nie hat sie alle Australier umfaßt, denn nur
einige Menschen konnten davon ausgehen, daß alle ihre Sicht der Zukunft teilten. Doch die
Gestaltung dieser Zukunft oblag niemals nur ihnen. Ein von den Vorfahren oder einer
lockeren Ansammlung von Kolonien geschaffenes »Australien« taucht erst auf, als die
Menschen sich darüber stritten, was war und was sein sollte, und ihren Kurs auf ein Morgen
richteten. Die Geschichte Australiens erschöpft sich nicht im Geschehenen und auch nicht
darin, wie es geschah. Sie handelt von den Träumen und Ängsten, den Hoffnungen und
Befürchtungen, welche die unterschiedlichsten Menschen dazu ermutigten, sich eine Zukunft
vorzustellen, die sich von der Zukunft anderer unterschied. Sie spürt den Pfaden nach, die
nicht eingeschlagen wurden, und den Zukunftsmodellen, aus denen, begründet oder
unbegründet, nichts wurde.
Erstes Kapitel
Seit Beginn des siebzehnten Jahrhunderts und vielleicht auch schon eher liefen europäische
Schiffe auf den Riffen der Nordwestküste auf oder zerschellten dort sogar. Manche machten
sich aus Uberzeugung, daß es südlich von Ostindien reiche Länder gab, zielbewußter auf die
Suche. Portugiesische, spanische und holländische Abenteurer verknüpften die ungenauen
Beschreibungen der chinesischen, arabischen und griechischen Geographie miteinander,
suchten und fanden das Land im Süden – und waren enttäuscht. Der holländische Kapitän
Willem Jansz berichtete 1606 über Cape York, daß es »dort nichts Gutes zu tun gab«, und die
ausgedehnten Reisen, die Abel Janszon Tasman in den vierziger Jahren des siebzehnten
Jahrhunderts unternahm, brachten außer der nach Anthoonij van Diemen benannten Insel
seinen Geldgebern in der holländischen Ostindienkompanie wenig Erfreuliches ein. Der
englische Abenteurer William Dampier konnte auf seinen zwei Reisen nach »New Holland«
in den Jahren 1688 und 1699 eine solche Einschätzung nur bestätigen. Trocken und
unfruchtbar, wie das Land war, versorgte es kaum das dort wohnende Ȋrmste Volk auf
Erden«. Die an raschen Profiten und willfährigen Kunden interessierten Europäer waren alles
andere als beeindruckt.
Als die britischen Forschungsreisenden später Australien erneut »entdeckten«, taten sie das
mit sehr unterschiedlichen Absichten für das neue Land. Ihre Vorhut glich eher einem
schwimmenden Versuchslabor als Kriegsschiffen. Die erst relativ spät ins
Eroberungsgeschäft eingestiegenen Briten ernannten Botaniker zu ihren Helden, keine
marodierenden Conquistadores. Wie Kapitän James Cook 1770 auf seiner Reise entlang der
Ostküste feststellen konnte, barg der Kontinent mit Sicherheit genügend Seltsamkeiten, um
seine Wissenschaftler zu faszinieren, und ausreichende Fülle, um an eine Zukunft mit
Landwirtschaft und zivilisierten Siedlungen denken zu können. Natürlich gab es einige
bizarre Geschöpfe: Insbesondere die Känguruhs stellten das Geschick der ersten
europäischen Künstler auf die Probe. Doch Cook war mit dem Land, das er sah, recht
zufrieden und fand es vielversprechend genug, um es als »New South Wales« auszuzeichnen.
Die Botaniker der »Endeavour« behaupteten voller Enthusiasmus, daß »die meisten
Getreidesorten, Früchte und Knollengewächse hier gedeihen werden«, und prophezeiten, daß
britische Rinder und Schafe neben den gedachten Weizen– und Haferfeldern auf der Weide
stehen würden.
Cook war sich vollkommen darüber im klaren, daß das Land bewohnt war. Anders als
William Dampier siebzig Jahre vor ihm, war er auch eher geneigt, anzuerkennen, daß es sich
bei dem Volk, das bereits in New South Wales lebte, um Menschen handelte: »... mögen sie
auch manchen als die elendsten Menschen auf Erden erscheinen, sind sie doch in Wahrheit
sehr viel glücklicher als wir Europäer ... denn die Erde und das Meer versorgen sie freiwillig
mit all den Dingen, die man zum Leben braucht.« Und er sagte sogar: »Sie leben in einer
Ruhe, die nicht von der Ungleichheit des Standes gestört wird.« Aus britischer Sicht waren
die Ureinwohner zwar eindeutig »Wilde«, aber das sprach ihnen nicht ihr Menschsein ab und
bedeutete auch nicht, daß ihnen das Recht vorenthalten wurde, den Schutz der Gesetze in
Anspruch zu nehmen. Im Namen des englischen Königs George III. rief Cook die
Souveränität aus, doch die kurze Zeremonie, die er 1770 auf Possession Island abhielt, diente
nicht der Klärung der Frage, wem das Land gehörte, das er New South Wales nannte,
sondern verfolgte nur den einen Zweck, den anderen europäischen Mächten die Hoffnung zu
nehmen, sich hier niederlassen zu können.
Weder Cook, noch Arthur Phillip, der letztendlich erste Gouverneur der Kolonie, hätten sich
mit der Behauptung einverstanden erklärt, daß britische Souveränität für die australischen
Ureinwohner unweigerlich den Verlust ihrer Rechte auf das Land bedeutete. Legal enteignet
konnten sie nur dann werden, wenn das Land praktisch unbewohnt war oder wenn sie allem
Anschein nach nicht die Besitzansprüche zivilisierter Menschen stellten. Was die erste
Bedingung anging, waren die Aborigines zahlreicher, als die Kolonisatoren erwartet hatten.
Was den zweiten Punkt anging, wurde von Offizieren der ersten Flotte wie Watkin Tench
festgestellt, daß die Aborigines das Land in Besitz genommen hatten und nutzten. Was sie
unter »Inbesitznahme« verstanden, war etwas anderes als das Privateigentum, wie es die
europäische Tradition verstand, doch die Einheimischen schienen das Land nichtsdestotrotz
als das ihre anzusehen. Zu dieser Zeit gab es keine endgültige, maßgebliche Entscheidung
darüber, ob New South Wales tatsächlich terra nullius war, also im rechtlichen Sinne unbesetzt.
Letztlich war dies auch gleichgültig, denn innerhalb einer Generation ersetzte ein sehr viel primitiverer Wunsch
nach Land diese rechtlichen Feinheiten durch einen gewalttätigen Angriff auf »die Wilden«.
Cooks Bild vom »glücklichen« Leben der Aborigines stützte sich auf die Vorstellungen der Europäer vom
»edlen Wilden«, die darunter sowohl die Menschlichkeit als auch die Unterlegenheit der Menschen verstanden,
denen sie begegneten. Tench, Phillip und andere Regierungsvertreter gingen davon aus, daß die Europäer
zivilisiert und die Aborigines nicht zivilisiert waren. Mochten diese Menschen noch so edel und heiter sein, eine
Gleichheit mit den Engländern war eindeutig nicht vorhanden. Und doch gab es in diesen ersten Jahren
Augenblicke des Gesprächs und sogar gegenseitigen Respekt, was dem Verhältnis der Rassen in der Kolonie
eine andere Richtung hätte geben können. Die Tragik der Mißverständnisse, Racheakte und
Vergeltungsmaßnahmen, die Australiens Grenzen für einen Großteil des neunzehnten Jahrhunderts in ein
Schlachtfeld verwandelten, beruhte auf frei gewählten und getroffenen Entscheidungen – unvermeidbar war
dies nicht.
Im Lauf des zwanzigsten Jahrhunderts, als das Erobern und »Säubern« des Landes sich seinem Abschluß
näherte, nahm das Bedürfnis, die australische Urgesellschaft als enttäuschend primitiv oder hoffnungslos
barbarisch zu verurteilen, nach und nach ab. Manche Weiße begannen nun, auf die ursprünglichen Bewohner
des Landes zu hören, und die Entdeckung Australiens ging weiter. Archäologen und Anthropologen des
zwanzigsten Jahrhunderts malten das packende Bild einer Gesellschaft und Kultur, die von der Gewalt, den
Krankheiten und der Ignoranz der Europäer schon fast vernichtet worden war. An die Stelle der frühen
Beschreibungen einer Isolation in einem großartigen »Steinzeitalter«, einer quasi in der Zeit erstarrten
Gesellschaft, traten schließlich zögerliche Würdigungen der Aborigines als aktive Entdecker und unabhängige
Nutzer des Landes. Mindestens vierzigtausend Jahre waren sie hier, vielleicht auch länger. Und 1788 dürften
über eine Million Menschen in Australien gelebt haben.
Anthropologen und andere, die bereit waren zuzuhören, vernahmen von den Aborigines die
Geschichten vom Beginn, vom Träumen. Langsam verstanden sie die Komplexität der
Gesellschaft und Sprache der Eingeborenen sowie die verwickelten Beziehungen, welche die
Menschen an das Land und aneinander banden. Sie verstanden nach und nach, wie die
Landschaft durch Gesang und Erzählung eine Bedeutung bekam und anhand der Zeichen
durchziehender und verweilender Geister erkannt wurde. In einem Volk ohne Schrift wurden
die Ursprünge und der Sinn des Lebens in Zeremonien, in Kunst und mündlicher Kultur
vermittelt. Zur Geschichte der Entdeckung Australiens könnten auch neue Personen gehören,
Menschen, die das Land, seine Pflanzen– und Tierwelt aktiv formten und veränderten. Die
Art und Weise, wie die Aborigines Landwirtschaft betrieben und jagten, insbesondere der
Einsatz des Feuers, hatte dramatische Auswirkungen auf die Ökologie der Wälder, Ebenen
und Küsten. Verschiedene Stämme der Ureinwohner schufen und verwendeten Werkzeuge,
trieben Handel mit den Menschen Neuguineas und Indonesiens.
Auch die Geschichte der australischen Grenze (frontier) wurde neu erzählt, diesmal mit den
Aborigines als Akteuren, nicht nur als passiven Opfern. Es gab Widerstand, wenn auch die
verschiedenen Stämme und Familienverbände dank ihrer Selbstgenügsamkeit eher zu
sporadischen Guerillagefechten neigten als zu einer voll entwickelten Verteidigung. Und wie
empfanden denn die Ureinwohner auf ihrer Seite der Grenze diesen Kontakt? Es fällt schwer,
sich den Schock vorzustellen, den die Ankunft der Europäer bei einem Volk auslösen mußte,
das glaubte, allein auf der Erde zu sein.
Mit den Europäern kamen Windpocken– und Masernepidemien, die einige Gemeinschaften
fast vernichteten, während aufgrund von Sexualkontakten Geschlechtskrankheiten ihren
Einzug hielten. Die Europäer zerstörten auch Jagdgebiete und verdarben Wasserstellen. Doch
die Reaktion der australischen Ureinwohner auf diese Invasion war immer vielschichtig.
Einige waren neugierig, machten sich auf, um die Neuankömmlinge zu treffen, wußten neue
Nahrungsmittel wie Mehl zu ihrem Vorteil zu verwenden, jagten die schwerfällige Kuh und
das arglose Schaf. Andere hielten sich fern.
Im allgemeinen versuchten die Aborigines die Europäer in ihre eigenen Systeme des
Tausches, der Gastfreundschaft und des Allgemeineigentums mit einzubeziehen. Sie
versuchten zu verhandeln, gegenseitigen Respekt für das Territorium aufzubauen und den
Konflikt so gering wie möglich zu halten. Die meisten Beobachter stellten fest, daß die
Aborigines »kaum beeindruckt waren von dem, was man ihnen anbot«, und auch kaum das
Verlangen äußerten, sich den Europäern anzupassen. Sie erwarteten statt dessen von den
Europäern, daß diese entweder wieder weiterzogen oder den Vorrang der einheimischen
Lebensart anerkannten. Diese weißen Männer würden die Weisheit der über Generationen
hinweg überlieferten Bräuche schätzen lernen, wenn sie etwas über das Land erfuhren. Aber
diese Erwartung schwand, als immer mehr Siedler kamen und die Aborigines merkten, daß
diese Neuankömmlinge das Land in ihren Besitz nehmen und nicht teilen wollten. Innerhalb
weniger Jahre wurde ein und dieselbe Geschichte unter den Aborigines wie bei einem
Staffellauf weitergereicht: Es bestand wenig Hoffnung, mit den Neuankömmlingen
handelseins zu werden. Sie würden bleiben und mit ihnen ihre Zäune, ihre Gewehre und ihre
Besitzansprüche.

Weil die Ausdehnung der Kolonie aufgrund ihrer Hauptfunktion als Gefängnis eine
erzwungene war, baute sich der Kampf um das Land langsam auf. Wie auch immer die
anderen Motive für die Inbesitznahme eines neuen Gebiets aussehen mochten – Holz für die
britischen Schiffe, der Ostasienhandel oder um die neugierigen Franzosen aus der Fassung zu
bringen –, der Bedarf der Briten an einem neuen überseeischen Gefängnis rechtfertigte es,
diesen eine halbe Erdumrundung weit entfernten Vorposten zu errichten. Die amerikanischen
Revolutionäre hatten die Engländer 1783 ihres üblichen Verbannungsortes beraubt, und weil
die an der Themse vertäuten ausgedienten Schiffe überquollen, wurde die Botany Bay – oder
eher der vielversprechende Flußarm von Sydney Cove – zu einer Ersatz–Endstation.
Die ersten weißen Siedler waren also männliche und weibliche Verurteilte, Soldaten zu deren
Bewachung und Offiziere mit dem Auftrag, eine Strafkolonie zu planen und zu leiten.
Zwischen der Ankunft der ersten Flotte im Januar 1788 und dem Ende der Deportationen
Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurden etwa 160 000 Sträflinge in die Kolonien
geschickt, die Hälfte davon nach New South Wales. Mehr als ein Viertel davon waren irische
Katholiken; viele der englischen Strafgefangenen kamen aus London. Die meisten hatten
Diebstahl begangen in einer Gesellschaft, in der die Reichen wegen der extremen Kluft
zwischen Reichtum und Armut selbst geringfügige Straftaten außerordentlich fürchteten.
Andere hatten auf dem Land an Bauernaufständen teilgenommen oder den Mut gehabt,
Gewerkschaften aufzubauen.
Durch die Verschickung an einen fernen Ort sollte den Strafgefangenen das Ausgestoßensein
aus der Gesellschaft deutlich spürbar gemacht werden. Sie lebten in einem Gefängnis, das
ihnen, sobald sich die Strafkolonie einmal selbst unterhalten konnte, das undeutliche
Versprechen einer eventuellen Begnadigung oder aber die Gewißheit fortdauernder Strafe
gab. Die geistige Welt, in der sie lebten, war von ihrer spektakulären Bestrafung geprägt und
von der Erfahrung, aus der »normalen Gesellschaft« ausgeschlossen zu sein. Die ersten
Straßen von Sydney wurden von Kettensträflingen festgestampft, und die ersten Gebäude
errichteten Zwangsarbeiter. Die meisten Strafgefangenen überlebten so gut es ging. Wenn sie
privaten Siedlern zugewiesen wurden, um auf deren Höfen zu arbeiten, betrachteten sie sich
als Diener auf Zeit, nicht als Sklaven, und pochten auf ihre Rechte. Am Ende ihrer Strafzeit
wartete die Zukunft auf sie, in Form einer Begnadigung oder eines »Entlassungsschreibens«,
das es ihnen erlaubte, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Auf diejenigen, die rebellierten,
warteten größere Grausamkeiten. Für die Männer brutales Auspeitschen oder die »verschärfte
Bestrafung« in Lagern wie Port Arthur auf Van Diemens Land oder Norfolk Island, für
Frauen strenger Arrest in den Fabriken von Parramatta oder Hobart. Es kam schon einem
kleinen Wunder gleich, daß manche Strafgefangenen, die von imaginären Ländern träumten,
in denen die Menschen ohne Ketten und ohne Peitschenhiebe lebten, aus Sydney oder Hobart
fliehen konnten, um sie zu suchen.
Dort, wo es zu Berührungen zwischen Sträflingen und freien Siedlern kam, waren
Spannungen und ständige Angst an der Tagesordnung. Bei der permanent drohenden
Hungersnot in den ersten Jahren, in denen die britischen Versorgungsschiffe eine kostbare
Garantie für das Überleben der Kolonie darstellten, nahm weder in den Köpfen der
staatlichen Vertreter noch der Sträflinge die fernere Zukunft den wichtigsten Platz ein. Die
Währung der Kolonie war der Rum, und die Ordnung wurde von den Soldaten
aufrechterhalten. Doch innerhalb weniger Jahre nach der Gründung Sydneys machten die
Zelte der Soldaten und die Lager der Gefangenen den Bauernhöfen, Häusern und Hütten
einer dauerhafteren Besiedlung Platz. Phillip suchte nach freiwilligen Auswanderern aus
England, die das Land bewirtschaften sollten, während man den ExHäftlingen, den
sogenannten emancipists, Land und Arbeit bewilligte. Mit den in der Kolonie geborenen
Kindern tauchten neue Schwierigkeiten auf. Außerdem entwickelte die Kolonie eine soziale
und wirtschaftliche Hierarchie. In einem Land, in dem nur wenige in den Genuß der Freiheit
kamen, war Freisein tatsächlich ein großer Vorteil; kurzfristiger Handel mit Rum oder
weitsichtigere Versuche mit der Schafzucht konzentrierten sehr schnell Reichtum und Macht
in den Händen von Männern wie etwa John Macarthur. Solch mächtige Männer
beanspruchten mehr Weideland, und ihre Forderungen führten zum Konflikt mit den
Regierungsbeamten und Verwaltern, die aus England geschickt worden waren. Sogar noch
wichtiger war die Aufrechterhaltung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen
Unterschiede zwischen denjenigen, die aus freien Stücken in die Kolonie kamen – den
exclusivists –, und denjenigen, die in Ketten kamen.
Immer mehr Bauern und größere Bauernhöfe machten weitere Erkundungen notwendig.
Rasch folgten Schafzüchter denjenigen, die 1813 einen Weg durch die Blue Mountains
westlich von Sydney entdeckt hatten. Obwohl die Kolonialregierung zögerte, die
unkontrollierte Expansion zu erlauben, konnte sie kaum etwas dagegen unternehmen, wenn
»Squatter« einfach das Land für ihre Herden an sich rissen. Und in der Tat wurde ihre
Dreistigkeit schließlich mit legalen Pachtverträgen belohnt, wodurch eine »Squattokratie«
eingeführt wurde, deren Kampf um den Erhalt ihrer wirtschaftlichen Privilegien die
Kolonialpolitik jahrzehntelang bestimmen sollte.
Unterdessen folgten Forschungsreisende den Flüssen ins Landesinnere, und jeder von ihnen
hoffte, sich in die Riege der unerschrockenen englischen Entdecker einreihen zu dürfen. Die
abenteuerlustigsten unter ihnen versuchten, einen großen Binnensee zu finden, denn ein
Kontinent dieser Größe mußte in seinem Herzen doch noch etwas anderes beherbergen als
nur endlose Wüste. Andere suchten nur nach Weideland, das sicherlich gleich hinter dem
nächsten buschbestandenen Klippenzug oder entlang der unberechenbaren Flüßchen
auftauchen mußte. Das »elende und unerträgliche« Land enttäuschte oft, und einige
verharrten lange genug, um sich daran mit Ortsnamen wie Desolation Hill zu rächen.
Die an den Rändern des Kontinents Gestalt annehmenden Kolonien hatten sich noch nicht für
eine gemeinsame Zukunft entschieden. Bis zum Jahr 1824 hatte New South Wales neue
Vorposten in Van Diemens Land (Tasmania) und Moreton Bay gegründet. In diesen
Kolonien versuchten die Freigelassenen sich vom Stigma ihrer Gefangenenvergangenheit zu
befreien. In der Gewißheit, daß ihr Geld genauso gut war wie das aller anderen, verfaßten sie
Petitionen und zwangen die Kolonialgouverneure, die ständige Haftbarkeit aufzuheben, die
mit einem Anfang als Straftäter verbunden war. Bestürzt über die Aussicht, daß solchen
Menschen die Privilegien ehrbarer freier Siedler zuerkannt werden könnten, forderten
exclusivists wie James Mudie die Regierenden auf, anzuerkennen, daß New South Wales »ein
Ort der Bestrafung, eine riesige Besserungsanstalt oder ein Haus der Züchtigung war, worin
die Gesetze und Regelungen ausdrücklich auf das Wesen und die Qualität der Bewohner
abgestimmt sein müssen«. Für Strafgefangene oder deren Kinder dürfe ihrer Meinung nach
Freiheit niemals Gleichheit bedeuten.
Andere koloniale Wagnisse legten hingegen von vornherein fest, daß der Makel der
Strafgefangenschaft getilgt wurde.1829 suchte eine neue Kolonie am Swan River in Western
Australia nach »privaten Siedlern«, ein Experiment, das bis 1846 dauerte; von diesem
Zeitpunkt an faßten die wenigen Verbliebenen aufgrund der Verknappung auf allen Gebieten
den Mut, auch Sträflinge für die Besiedelung zu gewinnen. Ein anderes Projekt, Edward
Gibbon Wakefields »systematische Kolonialisierung«, die 1836 in South Australia begann,
kam besser voran. Wakefield baute darauf, aus England nicht nur Menschen, sondern auch
die Struktur des bäuerlichen Gemeinwesens zu verpflanzen. Es gab keine Sträflinge, nur
Landbesitzer und Arbeiter, was nicht nur Auswanderer aus England anzog, sondern auch
lutherische Bauern und religiös Andersdenkende aus Sachsen und Schlesien. Hier und in der
Siedlung von Port Phillip versprachen die Gründer auch eine humanere Behandlung der
Eingeborenen. Das dauerte aber unglücklicherweise nur solange, bis den landhungrigen
Siedlern die Aborigines im Weg standen.
In den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts sahen viele Siedler ihre Gesellschaft im
Umbruch. Caroline Chisholm und andere Fürsprecher einer unterstützten freien
Einwanderung vertraten die Ansicht, daß die Engländer in Australien »dem ständigen Kampf
entkommen können, den sie in ihrer Heimat erdulden müssen«. Australien sollte ein besserer
Ort als England sein, nicht dessen Abbild. Diese Visionen setzten einen Wandel und eine
Gesellschaftsentwicklung voraus, die sich von ihren britischen Eltern entfernte. Für
diejenigen jedoch, die ihren Lebenssinn im Herrschen sahen, bargen Ideen des Aufbruchs
Unsicherheit, insbesondere in einer Welt ehemaliger Strafgefangener und ihrer
Nachkommen.
Zur gleichen Zeit änderte auch England seine Einstellung zu den Kolonien. Die
Kolonialverwalter mußten befürchten, daß die Deportation ihren Schrecken verloren hatte,
und es gab tatsächlich Berichte, nach denen die Strafgefangenen eine Verbannung aus
England eher begrüßten als befürchteten. John Bigge, ein von London beauftragter
Bevollmächtigter, empfahl, die Trennung zwischen Sträflingen und Freien wieder zu
verstärken und die Deportation sowohl schrecklicher (indem man widerspenstige Sträflinge
nach Port Arthur und Moreton Bay schickte) als auch sehr viel billiger zu machen (indem
man mehr Sträflinge zu privaten Diensten einteilte, was die Brotherrn verpflichtete, sie zu
ernähren und zu kleiden). Doch gerade einmal zwanzig Jahre später, als die englische wie
auch allgemein die europäische Einstellung zum Strafsystem sich dramatisch veränderte,
erklärte der Untersuchungsausschuß der britischen Regierung unter Sir William Molesworth,
daß die Verbannungsstrafe Freie und Sträflinge gleichermaßen herabgewürdigt habe. Sie
forderten eine sofortige Beendigung der Deportationen nach New South Wales. Die
Landbesitzer aber, vor allem die Schafe züchtenden Squatter, beklagten es, eine Quelle
relativ billiger und willfähriger Arbeiter zu verlieren, und es gelang ihnen, die Diskussion
darüber in Gang zu halten. Konsequenterweise versuchte schon zehn Jahre, nachdem der
Molesworth–Ausschuß die Deportationen verurteilt hatte, eine neue englische Regierung
diese wieder einzuführen.
Viele Siedler in Australien wußten, daß sie, wie die Menschen in jeder anderen britischen
Kolonie auch, eine »kommende Generation« waren. Doch sie hatten zugleich die
Befürchtung, daß sie einer degradierten Gesellschaft angehörten, die ihren
Sträflingsursprüngen nie würde entfliehen können. Zwei Debatten in den dreißiger und in den
vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts halfen, dieses Spannungsfeld aufzulösen. Es
wurde folgendermaßen argumentiert: Weil erstens die Strafgefangenen sich bessern könnten,
würden sie und ihre Kinder eine »fleißige und rechtschaffene Landbevölkerung« sein.
Zweitens läge der Grund für den fehlenden Fortschritt der Kolonie nicht in ihrem
zwielichtigen Erbe, sondern in der willkürlichen Regelung der britischen Obrigkeit. Dies sei
insbesondere an ihrem Beschluß von 1848 zu sehen, die Deportationen wieder aufzunehmen,
ohne zu beachten, daß viele Siedler ihr Land und ihre Gesellschaft nicht mehr als Englands
Gefängnis ansahen.
Diese »skandalöse Invasion der Rechte britischer Bürger«, urteilte der ›People's Advocate‹,
würde New South Wales in eine »entwürdigende und erbärmliche Lage« bringen und »uns in
den Augen der Welt herabsetzen«. Für die ehrbaren Siedler gehörten zur Zukunft sozialer
Aufstieg, Bewirtschaftung des Landes und politische Privilegien unter der Leitung einer
weisen, in der Kolonie geborenen Elite. Der Schuttabladeplatz für die unerwünschten
sozialen Probleme der Engländer wollte man jedenfalls nicht länger sein. Geläuterte,
tatkräftige Sträflinge konnten unter der Aufsicht und mit der Unterstützung freier Siedler und
neuer Einwanderer Australien in ein Paradies verwandeln, aber nur, falls England nicht
länger versuchte, sich den Kolonien in den Weg zu stellen. Überrascht von der Beharrlichkeit
des kolonialen Widerspruchs, revidierte die britische Regierung ohne viel Aufhebens ihre
Entscheidung. Nach Western Australia sollten die Deportationen zwar noch bis 1868
fortgesetzt werden, doch in den östlichen Kolonien war das für immer vorbei.
Abgesehen von den Protesten waren die meisten freien oder freigelassenen Siedler vor allem
damit beschäftigt, sich in einem neuen Land ein neues Leben aufzubauen, während reiche
Squatter hart dafür arbeiteten, ihre Vorteile zu behaupten. Einige fingen sogar an, sich eine
spezifisch australische Zukunft auszumalen: das würde eine englische Welt sein, aber eine, in
der die englischen Tugenden zu Lasten der englischen Untugenden gediehen. Doch in den
Optimismus mischte sich immer auch ein unangenehmer Beigeschmack wegen der
Sträflingsvergangenheit, und das erst recht in einer Gesellschaft, die bald der Goldrausch
erschüttern sollte.
Gold faszinierte die Siedler. Entdeckungen hatten immer wieder zum Goldrausch geführt,
zuerst in den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts in Kalifornien, dann in den
fünfziger Jahren in New South Wales und Victoria, und in Queensland ein Jahrzehnt später.
In den neunziger Jahren brach dann in Kalgoorlie in Western Australia und in Yukon,
Kanada, der große Ansturm aufs Gold los. In den australischen Kolonien kam es durch das
Gold zu einer raschen Zuwanderung, und aus Victoria, bisher Teil von New South Wales,
wurde eine eigene Kolonie, die der »ersten« den Vorrang streitig machte. Auch die
Zukunftsvisionen der Menschen änderten sich durch das Gold.
Für den patriotischen Prediger John Dunmore Lang war das Gold der Beweis dafür, daß
Australien »ein Ausmaß an Reichtum und Macht erlangen wird, das die prahlerische Größe
Amerikas auf ein Maß reduziert, das keinen mehr in Erstaunen versetzen kann«. Lang sah
auch die Vereinten Provinzen von Australien mit Neuseeland voraus sowie ein Pazifisches
Imperium, dessen Flagge ein Känguruh und sieben Sterne schmückten. Indem Gott den
Siedlern Gold gab, bestätigte er, daß dieses neue Land ein Eldorado sein konnte. Australien
würde mit den Vereinigten Staaten gleichziehen und sie sogar überrunden. Sein
Herrschaftsbereich könnte sich von Singapur bis Tahiti erstrecken. Und weil die Reichtümer
so gewaltig waren, um Australien zur mächtigsten Nation seiner Hemisphäre werden zu
lassen, setzten Radikale und Republikaner sich dafür ein, daß die Australier ihre
Abhängigkeit von England in Frage stellten.
Doch mit dem Gold kam die Unordnung. Siedlergemeinschaften wurden
durcheinandergebracht und gespalten. Gold stellte die Welt auf den Kopf Städte leerten sich,
Flußufer wurden bevölkert, und die Digger waren ziemlich wilde Gesellen. Als Tausende von
Männern in Victoria einfielen, erinnerten die Orte, wo geschürft wurde, zunehmend an genau
die Gesellschaft, die ehrbare Siedler hatten hinter sich lassen wollen: unzivilisierte,
wankelmütige, ungebundene Männer in Zelten und Hütten, ohne den mäßigenden Einfluß
von Frauen und Familie. Ein Beobachter meinte dazu 1853 warnend: »Eine
Männergemeinschaft ist ein Haufen aus Selbstsucht und Brutalität.« Und zu jedem Bild von
einem Mann, der sein Glück gemacht hatte, gab es das andere des einsamen und glücklosen
Schürfers, krank vom Fieber und in nutzloses Träumen versunken.
Gold hatte seine eigenen Gesetze. Es konnte Menschen plötzlich erhöhen und damit die
Überzeugung erschüttern, daß die Reichen bessere Menschen waren und nicht nur besser mit
Geld umgehen konnten. Es heißt, daß erfolgreiche Goldgräber Geld verbrannten, wenn sie
von den Goldfeldern zurückkamen. Bedienstete und Arbeiter verlangten höhere Löhne und
drohten, sich ansonsten auch zur Grabungsstelle aufzumachen. Das Gold führte auch zu
Reibereien, da die Digger die neu angekommenen chinesischen Goldgräber auf den Feldern
überfielen. Und das, obwohl die Goldgräber radikale Demokraten waren, jedenfalls dem
Anschein nach. In dem kurzen Kampf der »Eureka Stockade« in Ballarat, wo Truppen des
Militärs und die Polizei über dreißig Goldgräber töteten, ging es im wesentlichen um
überzogene Lizenzgebühren und Korruption in der Verwaltung. Mächtige Männer aber wie
John Macarthur prophezeiten, unruhig geworden, eine »turbulente und unmoralische
Demokratie«. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts fürchteten sich die Herrschenden weit
mehr vor zu viel Demokratie als vor zu wenig.
Wenn die protestierenden Goldgräber und die protestierenden Arbeiter in den großen Städten
sich auch einer radikalen Sprache bedienten, wollten sie doch eine geregelte und stabile Welt,
keine Revolution. Von Demokratie und mehr Gleichheit, wenn es um den Zugriff auf das
Land ging, versprachen sie sich, in die Siedlergemeinschaft aufgenommen zu werden. Ihre
Feinde waren Korruption und Tyrannei, nicht die soziale Ordnung. Der Landadel reagierte
darauf mit der Gründung öffentlicher Bibliotheken und Museen, um die Kolonien vor den
»widerlichen Abscheulichkeiten« des »republikanischen Amerika« oder des »ungläubigen
Frankreich« zu bewahren. Im Bestreben, eine überreizte Gesellschaft zu beruhigen, wandten
sie ihre besten Heilmittel an, indem sie Mäßigung predigten, Erziehung versprachen und die
Kontrolle behielten.
Die Gier auf das Gold zeigte vielen Siedlern, ganz gleich ob radikal, liberal oder konservativ
eingestellt, daß Materialismus und wirtschaftlicher Wettbewerb zu gefährlich waren, um sie
sich ungehindert entfalten zu lassen. Die Regierungen sollten Ordnung und friedlichen
Wohlstand fördern, nicht das bloße Verlangen nach Reichtümern. Alle Männer, die Anteile
an ihrer Gesellschaft hatten und Anteil nahmen, sollten tugendhafte und ehrbare Vertreter
wählen, welche vor den verschwenderischen Exzessen zügelloser Gier schützen sollten.
Keine europäische Nation verfügte über vergleichbare Reichtümer und Vorteile. Wenn also
in den Kolonien eine weise Regierung das Goldfieber mäßigte, konnte sie die Konflikte und
Brüche verhindern, die zu schneller Wandel mit sich brachte. Die große Chance Australiens
bestand darin, für eine stabile und wohlhabende englische Gesellschaft zu sorgen, welche die
korrupte alte Welt nicht mehr bieten konnte, und andere neue Welten, wie Amerika, nicht
zustande gebracht hatten.
In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts straften Bedenken die offenkundige
Zuversicht der Kolonialgesellschaft Lügen. Jedes neu gebildete Parlament verwandte Geld
darauf, die wirtschaftliche Expansion abzusichern, doch nur um dann zu sehen, wie sie von
spekulativen Aufschwüngen und Niederlagen zunichte gemacht wurde. Rivalitäten unter den
Kolonien enttäuschten jegliche Hoffnung auf eine kluge Führung. Als etwa die das
neunzehnte Jahrhundert prägende leidenschaftliche Begeisterung für Eisenbahnen auch die
verschiedenen Kolonien erfaßte, baute jede von ihnen eine andere Spurweite; Züge wurden
stehen gelassen, Passagiere und Waren landeten an Grenzen, die undurchlässiger waren als
die in Europa. Während die Reichen in South Australia ihr Geld durch kluge Entscheidungen
und durch noch klügere Eheschließungen zusammenhielten, wurde der Reichtum in den
anderen Kolonien ebenso schnell verloren wie gewonnen. Wenn die englische Sozialistin
Beatrice Webb die Politiker in den Kolonien als »eine armselige, unwürdige Bande kleiner
Grundbesitzer« bezeichnete, war das zwar ein hartes Urteil, aber im allgemeinen handelte es
sich dabei tatsächlich um Leute, deren Profitdenken keine hehren Ideale zuließ.
Zu einer eigenständigen Regierung kam es in den vierziger und fünfziger Jahren des
neunzehnten Jahrhunderts. Aber Selbstvertrauen und das Gefühl der größeren
Unabhängigkeit von England schürten die Bedenken hinsichtlich der kolonialen Sicherheit.
Die Siedler, deren Anzahl sich gerade einmal auf eine Million belief, brauchten noch Schutz
vor kämpferischen europäischen Supermächten, insbesondere, wenn Englands Feinde es als
einen klügeren Schachzug erachten sollten, sich seine Kolonien anzueignen, anstatt England
selbst anzugreifen. Die in den fünfziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts während des
Krimkriegs aufkommende Angst vor russischen Angriffen führte zum hektischen Bau von
Befestigungsanlagen. 1853 besetzten die Franzosen Neukaledonien, ehe sie dann in den
sechziger und siebziger Jahren zu anderen pazifischen Inseln weiterzogen. Die achtziger
Jahre führten deutsche Abenteurer nach Neuguinea. Besorgte Kolonialregierungen, die Angst
vor einer Einkreisung hatten, zwangen England zum Handeln. War der Schutz der Missionare
und Kaufleute erklärtes Ziel, so war die Verteidigung der britischen Interessen in den
»herrenlosen Teilen der Welt« für gewöhnlich noch wichtiger. 1883 annektierte Queensland
sogar den Süden von Neuguinea; dies wurde allerdings von der britischen Regierung
annulliert, die sehr wohl durchschaute, daß die Kolonie in Wirklichkeit nur mehr
»Eingeborene« für ihre florierende Zuckerindustrie haben wollte.
Solche Ängste überschatteten aber niemals das Verlangen nach Fortschritt oder das
Vertrauen in die Zukunft der Kolonien. Für die gesellschaftliche Elite stand außer Frage:
Australien mußte das Ebenbild der fortschrittlichsten Zivilisation der Welt sein. Weil man
darauf bedacht war, durch und durch britisch zu bleiben, bildete die Gentry sogar
»Akklimatisierungsgesellschaften«, um europäische Tiere und Pflanzen einzuführen. Wenn
die Gesellschaftsbälle und Jagdfeste langweilig wurden, konnte man einen gelegentlichen
Besuch »daheim« abstatten, um das Original zu sehen. Aber für die meisten Menschen sollte
das »kommende Australien«, obwohl es erkennbar britisch war, das Originalmodell
übertrumpfen. Durch ernsthaftes Zurschaustellen kolonialen Erfolges wie zum Beispiel auf
der Interkolonialen Ausstellung von 1866 in Melbourne betonte man mit allem Nachdruck,
daß die australischen Kolonien den »europäischen Königreichen in all dem, was der Rivalität
wert war«, ebenbürtig waren. Nachdem die Besucher eine nicht enden wollende Kantate für
mehrere Chöre über sich hatten ergehen lassen, konnten sie sich die Mineralien und
Erzeugnisse aus den verschiedenen Kolonien ansehen: Gold aus Victoria, Schaffelle aus den
Ebenen von New South Wales und Queensland, Weizen und Pflüge aus South Australia.
Alles legte Zeugnis von »der Fülle ihrer Ressourcen und dem Unternehmungsgeist ihrer
Bevölkerung« ab. Für den zukünftigen Menschen der Antipoden konnten die
Zukunftserwartungen gar nicht groß genug sein.
Mit großer Aufregung hießen dann schließlich Tausende von Menschen den zweitgeborenen
Sohn von Queen Victoria, Prince Alfred, 1868 in Sydney willkommen. Diese erste
»königliche Rundreise« war offenbar eine willkommene Bestätigung, daß die Wertschätzung,
die Britannien seiner Kolonie entgegenbrachte, nicht mehr nur darauf beruhte, in ihr ein
bequemes Gefängnis zu sehen. Doch als ein einzelner Schütze den Prinzen verwundete,
reichte ein Augenblick, um die dunklere Seite des zukünftigen Menschen zu enthüllen. Die
Tatsache, daß der Möchtegern–Attentäter Ire war – und somit als ein fenianischer Terrorist
und Ausländer angesehen werden konnte – war einigermaßen tröstlich. Doch der Vorfall
belebte die Besorgnisse in Hinblick auf das Strafgefangenenerbe und die entnervende
Präsenz von Menschen, die man als minderwertig ansah. Dazu kamen noch die beständigen
Zweifel, wie sich das nicht–europäische Klima und die Geographie auf die Qualität des
australischen Volkes auswirken würden. Zu den witzigen Auslassungen über die
Auswirkungen, die ein »auf dem Kopf stehender« Kontinent auf Verhalten und Moral haben
mochte, und zu der von Marcus Clarke, einem Schriftsteller, gegebenen Beschreibung des
»Australasiaten«, der sich durch zu große Anpassung an ein trockenes und unfruchtbares
Land dem Aussterben preisgibt, kamen Phantasien von »verlorenen Zivilisationen« in der
unendlichen Weite des Landesinneren, aber auch weitaus nüchternere wissenschaftliche
Spekulationen darüber, daß Australiens minderwertiger Boden und das heiße Klima »eine
unvermeidbare Degeneration des angelsächsischen Stammes« hervorrufen würden.
Dieselbe Forschung über »Stamm« und »Gattung« lieferte auch das Gegenmittel für diese
Befürchtungen – da gemäß der Behauptung des Schriftstellers Rolf Boldrewood »die Rasse
alles ist«, konnte der Triumph des »großartigen arischen Stammes« nicht durch den bloßen
Standort behindert werden. Das »Große Südland«, prophezeite er, würde die
»Grundqualitäten der Rasse« entwickeln und schließlich »einen Typus von solch physischer
und geistiger Kraft hervorbringen, wie er stärker nicht vorstellbar ist«. In einer Wissenschaft
der menschlichen Unterschiede, die sich ausschließlich darauf konzentrierte, den Beweis für
den natürlichen Triumph der »Arier« anzutreten, gab es natürlich Verluste. Der Status der
Iren war zweideutig, während die Chinesen und die »Hindus« eindeutig unterlegen waren.
Man betonte auch die Gefahren der »Rassenmischung« und der »Bastarde«. Noch
tiefgreifender war aber die Tragweite einer solchen Wissenschaft für die australischen
Ureinwohner. Obwohl man sich darüber einig war, daß es »Naturgesetze« gab, welche derart
»primitive« Menschen zum Aussterben verdammten, brachten koloniale Schriftsteller doch
zu ihren Gunsten vor, daß sie als aussterbende Rasse Mitgefühl verdienten. In den Missionen
arbeitete man mit sanfteren Mitteln auf ihr Ableben hin. Die allmähliche Auslöschung an der
Grenze war jedoch zu langsam, und so wurde in Queensland, im Northern Territory und in
Western Australia die gewaltsame Enteignung fortgesetzt.
Als 1888 New South Wales seinen hundertsten Jahrestag feierte, hatten sich die
Befürchtungen, was den Fortschritt anging, beruhigt, denn Kolonialstädte wie Sydney und
Melbourne hatten rasches Wachstum gezeigt, man hatte ein allgemein verpflichtendes
Schulsystem entwickelt und zahlreiche eindrucksvolle öffentliche Gebäude errichtet.
Insbesondere Melbourne verstand sich als eine »neue Weltstadt«, so energiegeladen und
aussichtsreich wie sonst nur noch Chicago. In Victoria und den anderen Kolonien hielt sich
die Begeisterung über Sydneys Geburtstag in Grenzen, denn er war mit Plänen für eine
gigantische Statue von »Australasien« verbunden, die hoch zu Roß über der Hafeneinfahrt
von Sydney thronte, aber daß der Jahrestag die Geburt einer erstklassigen britischen Nation
und »einer überragenden Zivilisation« markierte, darüber herrschte fast durchwegs Einigkeit.
Zweites Kapitel
Die ganzen neunziger Jahre hindurch, im Augenblick der Föderation von 1901 und noch gut
zehn Jahre danach hatten die einzelnen Menschen verschiedene »Australiens« in ihren
Köpfen, hegten unterschiedliche Hoffnungen und Ängste hinsichtlich eines neuen Landes,
das sich so weit von seinen angelsächsischen Anfängen entfernt hatte. Die Fragen, welche
Art von Nation Australien werden könnte, wurden Teil der Gesellschaftsliteratur und der
Alltagsgespräche, nicht nur der gehobenen politischen Debatte. Die Ängste der
verunsicherten Arbeiter, Kleinbauern und Landarbeiter, daß die Mühsal nie ein Ende nehmen
könnte, wurden von der Hoffnung auf eine politische Ordnung beschwichtigt, die Australiens
Interessen – und die australischen Arbeitsplätze – über die des Empire stellte. Für die
angespannte Führungsschicht wurde die Aufgabe, ein politisches System aufzubauen, durch
die Rivalitäten zwischen und innerhalb der einzelnen Kolonien erschwert; die Befürchtung,
daß eine oder mehr Kolonien den Zusammenschluß mit den anderen tatsächlich verweigern
könnten, war durchaus realistisch. Die australischen Nationalisten und Sozialisten, die mit
Begriffen wie »die Massen« und »echte Demokratie« um sich warfen, trugen auch nicht zur
Ermunterung bei. Für eine neue Generation von Frauen indessen schienen die Träume von
einer Gesellschaft, in der die Bürgerinnen den ihnen angemessenen Platz in einer zivilisierten
neuen Welt einnahmen, nicht mit der tatsächlichen Gesellschaft in Einklang zu bringen zu
sein, in der Ehe– und Scheidungsgesetze die Frauen in finanzieller Hinsicht zu Kindern ihrer
klügeren Ehemänner machten.
Die Menschen waren sich der Möglichkeiten und der Aussichten bewußt, die mit der
Erschaffung einer neuen Nation einhergingen. Künstler und Schriftsteller entdeckten ein
entschieden australisches Ethos im einfachen Volk und dem Alltag »im Busch«. Fingen die
Maler der »Heidelberg Schule« das blendende Licht Australiens ein, so erfanden die
Essayisten und Dichter die Geschichte eines Volkes voller Selbstvertrauen, dessen zutiefst
demokratisches Temperament es, nach den Worten seines selbsternannten Sprechers in der
Zeitschrift »Bulletin«, zum Feind der »von Tyrannen beherrschten Länder Europas« werden
ließ. Die Geschichte war bereits nostalgisch, als sie entstand. Die meisten derjenigen, die sie
in Umlauf brachten, kannten sich im Busch kaum aus, und diejenigen, die sich auskannten,
wie Henry Lawson, waren normalerweise sehr vorsichtig, wenn es darum ging, die Menschen
losgelöst von ihrer unwirtlichen Umgebung zu beurteilen.
Als das Jahrhundert sich seinem Ende näherte, erforschten andere Schriftsteller das Schicksal
Australiens auf dem Weg der Phantastik. Sie lasen europäische und amerikanische Literatur –
›Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer‹, ›Die Zeitmaschine, ›Die wunderbaren Erlebnisse
des Herrn Julian West im Jahre 2000‹, ›Kunde von Nirgendwo‹ und ließen mit ihren eigenen
Visionen die Flut utopischer und anti–utopischer Literatur anwachsen, die das nahe
Jahrhundertende auf den Plan rief. Im Vergleich mit englischen und europäischen
Schriftstellern, hatten die Dichter Australiens mehr Vertrauen in das, was kommen würde,
ließen sich nicht niederdrücken durch prophezeite Kriege und wirtschaftliche Rezession. Ein
beliebtes Genre blieb jedoch die Mär von den in der Wüste verschwundenen Zivilisationen.
Deren sich lösende Gespinste von fortschrittlichen Gesellschaften, die von Erdbeben und
Vulkanausbrüchen überwältigt werden, deuteten darauf hin, daß selbst ein hochentwickeltes
europäisiertes Australien sehr zerbrechlich sein konnte.
Feministische Utopien erlangten in Australien ebenfalls eine größere Bedeutung als
anderswo. Henrietta Dugdales Roman ›A Few Hours in a Far–Off Age‹ mit seinen
vollkommen befreiten Frauen des dreiundzwanzigsten Jahrhunderts, Catherine Helen
Spences ›A Week in the Future‹ und Rosa Preads abenteuerlustige Heldin ›Fugitive Anne‹
malten für die Frauen eine ziemlich ungewöhnliche Zukunft aus. Für die Feministinnen der
neunziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts verstand es sich von selbst, daß zur höchsten
Entwicklungsstufe angelsächsischer Zivilisation die Erhöhung von Australiens Frauen
gehörte. War es doch tatsächlich einer der Vorteile einer neuen Nation, daß den Frauen der
ihnen angemessene Platz zugebilligt werden konnte, ohne auf jahrhundertelange, verhärtete
Traditionen Rücksicht nehmen zu müssen. Die Feministin Louisa Lawson aus Sydney
bedrängte die Frauen, dabei mitzuwirken, »die Menschlichkeit mit sichereren und
bestimmteren Schritten voranzutreiben, mit dem Ziel, Gerechtigkeit, Wahrheit und Gnade zu
erreichen«.
Direkte politische Teilnahme war eines der Mittel zu diesem Zweck – South Australia führte
1894 das Frauenstimmrecht ein, gefolgt von Western Australia 1899. 1902 erhielten dann alle
australischen Frauen das Recht, bei Unterhauswahlen abzustimmen. Für die arbeitenden
Frauen waren die Vorteile eines neuen Frauenverständnisses nicht ganz so eindeutig. Doch
indem sie wählten, wurden durch leichter durchzuführende Scheidungen, gleichberechtigtere
Eheschließungen und Gesetze zur Zügelung der »männlichen Laster«, wie etwa der
Trunksucht, die Klassenunterschiede zwischen den Frauen aufgehoben – und einigen
Männern wurde kräftig auf die Zehen getreten, denn die Annahme, daß eine fortschrittliche
Zivilisation eine Neue Frau brauchte, hielt sich hartnäckig. Die australischen Feministinnen
machten auch deutlich, daß die »Gründerväter« der Föderation ebenso von weiblichen
Bürgern wie von männlichen Bürgern sprechen müßten. Der Beitrag der australischen
Feministinnen zur internationalen Diskussion um die Gleichstellung der Bürgerin war so
gewichtig, daß die Frauen in Europa und Amerika ihren Blick auf die Antipoden–
Gesellschaften von Australien und Neuseeland richteten, um sich inspirieren zu lassen.
Auch die australischen Arbeiter redeten von tiefgreifenden Änderungen, insbesondere von
der Notwendigkeit, sich deutlich von den Aristokratien Europas abzusetzen. In der »neuen
Gewerkschaftsbewegung« von William Spence verbanden sich im Ideal einer Einheit der
Arbeiter die Annahme grundlegender Klassengegensätze und die Hoffnung auf eine
sozialistische Zukunft. Für den Journalisten William Lane beruhte das »Paradies« für den
arbeitenden Menschen auf dem unvermeidbaren Sieg, den der Sozialismus in seinem Kampf
gegen den Kapitalismus davontragen würde. In Cartoons und Geschichten zeigten radikale
Zeitungen wie ›Tocsin‹ und ›Labor Call‹ den unmittelbar bevorstehenden Triumph des
australischen Sozialismus, dessen strahlender Triumphwagen die »aufgeblasenen
Plutokraten« von der Bühne der Geschichte fegt. Und für Optimisten der Mittelschicht, wie
den Geistlichen Horace Tucker, versprachen die Fruchtbarkeit Australiens sowie die
wissenschaftlichen und technologischen Möglichkeiten des ausgehenden neunzehnten
Jahrhunderts eine Gesellschaft solchen Überflusses, daß alle Klassengegensätze ausgesöhnt
und durch die Geisteshaltung der »Kooperation« ersetzt werden könnten.
Ereignisse in den frühen neunziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts rissen tiefe soziale
Gräben auf. Um einen Streik der zivilen Seefahrt zu beenden, setzten die
Schiffsgesellschaften Streikbrecher ein. In der Auseinandersetzung mit den schlechter
organisierten Arbeitgebern erkämpften sich die Schafscherer von Q,ueensland und New
South Wales 1890 einige Zugeständnisse, die aber in einer Gegenoffensive der Unternehmer
1891 wieder zunichte gemacht wurden. Diese Auseinandersetzungen sowie ein verbissen
ausgefochtener Streik in der Bergwerksstadt Broken Hill im Jahr 1892 führten zum Kampf
der Streikenden gegen die Polizei und die rasch mobilisierten »Sonderkommandos« und
überzeugten viele Gewerkschafter von der Notwendigkeit, ihre politische Vertretung
abzusichern. Die Regierungen hatten gezeigt, daß sie fest auf der Seite der Arbeitgeber
standen. Die Menschen konnten eine derartige Tyrannei nur mit ihrer eigenen Arbeiterpartei
bekämpfen.
Zur selben Zeit brach der Landboom von Melbourne in sich zusammen, und eine harte
Dürreperiode legte die Empfindlichkeit einer Ökonomie bloß, die sich zu sehr auf die
Weidewirtschaft konzentriert hatte. Als 1893 die britischen Investoren dem wackeligen
Finanzsystem ihre Unterstützung entzogen, kam es zum Zusammenbruch der Banken. Der
wirtschaftliche Wohlstand der achtziger Jahre erwies sich als ebenso instabil wie er
unausgewogen war. Der rechtzeitig in Western Australia ausbrechende Goldrausch isolierte
diese Kolonie, aber überall sonst deckte die zusammenbrechende Wirtschaft auf, wie nah die
meisten Kleinbauern und die Arbeiter in der Stadt am Rande der Armut lebten.
Als die Menschen auf die Trümmer ihrer Zukunftshoffnungen blickten, wurden aufgrund der
Schwachstellen einer Kolonialwirtschaft neue Ängste dahingehend geschürt, welchen Platz
Australien in einer bedrohlichen Welt innehatte. Gleichzeitig entlarvten die großen Streiks,
daß die Uneinigkeiten nicht nur einfach auf Rivalitäten zwischen den einzelnen Kolonien
beruhten oder auf der schon ewig währenden politischen Debatte zwischen den Befürwortern
der Schutzzölle und denen, die an den Freihandel glaubten. Sie machten deutlich, daß die
unterschiedlichen Bekenntnisse der Australier den Kampf beförderten, nicht die Harmonie.
Auf den Flugblättern der Gewerkschaften waren teuflische und mörderische Bosse zu sehen,
die Menschen dem Profit opferten. Auf der anderen Seite beschrieben angesehene Zeitungen
die Streikenden als anmaßende irische Schlägertypen, welche die Gemeinschaft erpreßten,
und drängten auf die strengstmöglichen Maßnahmen gegen »Anarchisten« und
»Revolutionäre«. Und wenn dies auch den Verzicht auf Prinzipien wie Rede– und
Glaubensfreiheit bedeutete, dann mußte das eben sein.
Das sozialistische Paradies war nicht gekommen, aber vielleicht der ihm vorangehende
Klassenkampf. Manche ließen sich von der Hoffnung leiten, daß der Sozialismus
unausweichlich kommen mußte. Diejenigen aber, die gefährliche Ideen wie etwa
Gewerkschaften zurückwiesen – oder auch dagegen waren, daß den Arbeitgebern das Recht
beschnitten wurde, ihre Arbeiter auszubeuten, wie es ihnen paßte –, wünschten sich nichts
sehnlicher, als Gesetz und Ordnung wieder in Kraft zu setzen, egal welche politischen
Freiheiten dabei geopfert wurden. Doch wenn die Streiks und die Depression etwas
offenkundig gemacht hatten, dann war es die Notwendigkeit zur Veränderung und zur
Schaffung eines gewissen Schutzes vor den gefährlichen Unsicherheiten einer nur schwach
gesteuerten Wirtschaft. Die Zusammenbrüche führten bei der Mittelklasse zu
Darlehenskündigungen und Konkursen. Die Arbeiter wollten vor der Ausbeutung geschützt
werden, vor der Bedrohung, welche die Arbeitslosen für ihre Jobs und Löhne darstellten, und
vor der »primitiven« Unterwürfigkeit, die ihnen bei den »nicht–europäischen« Lohnarbeitern
auffiel. Bauern und Landarbeiter wollten vor Dürrezeiten und Preisverfall abgesichert
werden. In den »zu groß gewordenen« und »ungesunden« Städten wollten die Wohlhabenden
vor den Krankheiten und kriminellen Angewohnheiten der Armen geschützt werden. Die
Armen wünschten sich ein Leben in annehmbaren Verhältnissen, besser abgesicherte
Arbeiter wollten ihr bescheidenes Auskommen erhalten. Die Zukunft mußte anders werden,
nichts konnte mehr bleiben, wie es war.
Inmitten von Depression und Widersprüchen überrascht es, daß die einzelnen Kolonien es
schafften, sich 1901 zum Commonwealth of Australia zusammenzuschließen. Die relative
wirtschaftliche Macht, über welche eine Nation im Unterschied zu sechs einzelnen Kolonien
verfügte, hatte einige überzeugen können. Auch wer sich um die Verteidigung Sorgen
machte, malte sich eine sicherere Zukunft aus, wenn man sich innerhalb des größten
Weltreichs zur Nation zusammentat. Auf der Konferenz der Australasiatischen Föderation
versicherte der erfahrene Politiker Henry Parkes seinem Publikum, daß die Australier »so
große Fortschritte gemacht haben, daß sie damit bei den besten der anderen Staaten
Bewunderung erregten«. Doch wenn er auf einen die Bundesidee vorantreibenden Kreuzzug
hoffte, wurde er leider enttäuscht.
Außerhalb der offiziellen politischen Prozesse erfreute sich die Idee des Zusammenschlusses
größerer Beliebtheit und wurde von der »Australasian Natives' Association« und den
»Federal Leagues« auf den Konferenzen von Corowa 1893 und drei Jahre später in Bathurst
wiederbelebt. 1897 begann man mit den Verhandlungen über den Verfassungsentwurf. Die
weniger dicht bevölkerten Staaten fürchteten die Vorherrschaft von New South Wales oder
Victoria, wohingegen New South Wales und Victoria dies in Abrede stellten, weil ihr
Hauptinteresse ihrem gegenseitigen Kampf um die Vorherrschaft galt. Eine weitere heikle
Frage war die, welcher Regierung des jeweiligen Bundesstaats oder der Regierung des
Staatenbundes – so umstrittene Befugnisse wie das Eintreiben der Steuern zuerkannt werden
sollten.
Den Nationalisten mißfielen die noch verbleibenden Abhängigkeiten von Großbritannien,
wohingegen die Radikalen gegen ein bundesstaatliches Oberhaus zu Felde zogen, das »von
Reaktionären aus Western Australia und Tasmania beherrscht wird«. Die Konservativen
wiederum hatten Angst vor der Tragweite eines Regierungssystems, in dem die große
Mehrheit der Bürger – sogar Frauen und die Armen – ihre Stimmen gegen die natürlichen
Führer der Gesellschaft einsetzen konnten. Beängstigend war auch der rapide Aufschwung
der »Australian Labor Party«, die 1891 ihre ersten Sitze in New South Wales ergatterte und
1899 in Queensland sogar kurz die Macht innehatte. Es war ein riskantes Geschäft, sich für
eine neue Nation die politischen Strukturen auszudenken, zumal die Entscheidung über den
Zusammenschluß auf Volksbegehren beruhen sollte, die jede Kolonie für sich durchführte.
Die genaueren Einzelheiten wurden auf den Federal Conventions von 1897 und 1898
ausgearbeitet, und die Wähler in Victoria, Tasmania und South Australia ratifizierten schnell
die neue Verfassung. Nachdem New South Wales und Queensland noch einige
Ergänzungsanträge durchgesetzt hatten, traten sie 1899 bei. Das britische Parlament
ratifizierte im Jahr 1900 die Übereinkunft, obwohl Western Australia noch zauderte, doch
zwei Monate nachdem England den neuen Commonwealth offiziell geschaffen hatte, trat ihm
auch diese Kolonie bei. Am ersten Januar 1901, dem Gründungstag des Commonwealth,
wurde überall in Australien gefeiert. Der ›Sydney Morning Herald‹ begrüßte »die so
überwältigend vielversprechenden Aussichten«, und in jeder Stadt bereiteten die
Honoratioren vor Ort Reden für die erwarteten Massen vor. Es gab Prozessionen, Festwagen,
Banner, schlechte Gedichte und noch schlechtere Lieder – offenbar war eine Nation
erstanden.
Die politischen Übereinkünfte für die nationale Einheit waren jetzt sicher. Die Bürger
Western Australias stimmten in den dreißiger Jahren über eine Abspaltung ab; aber da die
britische Regierung sich weigerte, ihre Petition zu berücksichtigen, blieb ihnen der
Bürgerkrieg als einzige – unwahrscheinliche – Möglichkeit. Andere Bewegungen versuchten
erfolglos neue Staatsgründungen im nördlichen Queensland und im südlichen New South
Wales.
Die einzelnen Länder schimpften über die Machtbefugnisse des Staatenbundes, aber die
Verfassung garantierte, daß eine Ausweitung derselben durch ein Referendum sehr erschwert
wurde. Ein komplexes Sicherungssystem war in der Tat der Trägheit weitaus dienlicher als
der Initiative.
Die Vorstellung eines von allen Australiern gemeinsam geteilten Schicksals rief noch immer
Unstimmigkeit hervor. Es gab ganz nüchterne wirtschaftliche Interessen: Arbeiterführer
redeten von Verstaatlichung und Besteuerung; Fabrikbesitzer von Zöllen und Profiten;
Bauern von Märkten und Handel. Es herrschte ein Durcheinander von patriotischen
Vorstellungen, die auf unterschiedlichen Darstellungen von Australiens Beziehung zur alten
Welt basierten. Loyalität gegenüber Religion, Region und Klasse kam durch das Festhalten
an der Herrschaft oder am Nationalismus in Bedrängnis. Wenn Journalisten, Politiker und
Künstler diesbezüglich eine Hilfe boten, dann sah diese so aus, daß auf jede Vision einer
glänzenden Zukunft eine Warnung vor Niedergang und Verfall kam.
Es dauerte seine Zeit, bis definiert war, was die neue Nation ihren Bürgern, und die Bürger
ihrer Nation schuldig waren. Bedenken angesichts der geringen europäischen Bevölkerung
Australiens an den Grenzen eines »wimmelnden« Asiens ließen Rufe laut werden, die
Aufmerksamkeit verstärkt auf die nationale Verteidigung und ein schnelles
Bevölkerungswachstum zu richten. Weitere Einwanderer aus Großbritannien und Nordeuropa
könnten das Lohnniveau und den Lebensstandard beeinflussen, jedoch die meisten redeten
von der Notwendigkeit zusätzlicher australischer Babies. Es war die nationale Pflicht der
australischen Frau, viele Kinder in die Welt zu setzen, aber die meisten Frauen wandten
bessere Verhütungsmethoden an, um die Fruchtbarkeit einzudämmen. Als die
durchschnittliche australische Familie nicht mehr sechs oder sieben Kinder wie in den
siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts hatte, sondern um 1910 nur noch drei, führten
die Forderungen, daß die australische Frau ihrer nationalen und rassischen Verpflichtung
nachkam, zur Einführung des Mutterschaftsgeldes; gleichzeitig wurden im Namen des
Königs Kampagnen gegen »unnatürliche Vorrichtungen« und Sünden wie Prostitution und
Geschlechtskrankheiten gestartet.
Waren die Frauen die Mütter Australiens, so waren die Männer seine Bewacher und
Soldaten. Um britische Interessen zu verteidigen, zogen die Australier in den Burenkrieg
(1899–1902) zwischen Großbritannien und den südafrikanischen Burenstaaten (Transvaal
und Oranje–Freistaat). Zum Schutze Australiens legte die neue Nationalregierung fest, daß
schon die Knaben zu einer militärischen Ausbildung verpflichtet waren, und 1913 wurden
fast ein Drittel der Einnahmen für die Verteidigung ausgegeben. Die Vorstellung, daß die
Nation erst dann »echt« sein würde, wenn sie sich im Krieg erprobt hatte, war Allgemeingut
– und Australiens bekanntester Dichter Henry Lawson schrieb begeistert: »Und eines lernst
du aus der vielgeschmähten Vergangenheit, wenn auch ihre Methoden manchmal barbarisch
waren – eine Nation wird geboren, wo es Patronen hagelt und Hoffnungen sich erneuern.«
Jungen und Mädchen erfuhren von ihren Bürgerrechten und ihren vaterländischen Pflichten
aus den Geschichten über Sir Francis Drake und Sir Walter Raleigh und Clive von Indien,
während die jährlichen Paraden am Empire Day, den man 1905 eingeführt hatte,
schwelgerisch Australiens Anhänglichkeit an einen König und ein Land zelebrierten, das
immer weniger Australier jemals tatsächlich gesehen hatten.
Beliebte Zeitschriften und Romane dachten die Kriegsphantasien in grauenerregenden
Geschichten von japanischen Invasionen zu Ende, in denen »Mischlinge« und
»Chinamänner« im Opiumrausch weiße Frauen in sexuelle Sklaverei lockten. Der Schock,
den der Sieg Japans über Rußland 1905 auslöste, verstärkte nur noch die Besorgnis um den
»Platz der Weißen« in Asien. Und als Großbritannien ein Marineabkommen mit Japan
schloß, schien es, als könnten die Interessen des Empire nicht immer mit Australiens Wunsch
nach Schutz vor asiatischen Invasionen in Einklang gebracht werden. Die australischen
Politiker drängten auf eine Stärkung der pazifischen Verteidigung und sorgten dafür, daß die
»große weiße Flotte« der Vereinigten Staaten auf ihrer Weltreise 1908 auch in Australien
anlegte. Die australischen Besucher nutzten die Imperial Conferences zu Bittgesuchen, bei
den strategischen Entscheidungen stärker berücksichtigt zu werden, doch es gelang ihnen nie,
das Reich so zu sichern, wie sie es wollten.
Da die eigentliche Herrschaftsmacht sicher in London saß, konnten die Australier nur hoffen,
daß die angelsächsische Loyalität ihnen weiterhin Schutz gewährleistete. Demzufolge
bedeutete Verteidigung nicht nur militärische Einsatzbereitschaft, sondern auch, daß
Australien so englisch blieb, daß dieser Schutz auch gerechtfertigt war. Grundsätzliche
Einigkeit bestand über die Notwendigkeit, die »Reinheit der Rasse« aufrechtzuerhalten, und
so war die erste wirkliche Aufgabe des neuen CommonwealthParlaments das einmütige
Engagement für ein »weißes Australien«. Es sollte keine Einwanderung »fremder farbiger
Menschen« geben, und es wurden sogar Vorschläge gemacht, diejenigen zu deportieren, die
bereits in Australien waren. Weil die britische Regierung internationale Reaktionen
befürchten mußte, hatte sie es verhindert, daß ein ausgesprochenes Rassenverbot in die neue
Verfassung Eingang fand, die Einführung eines »Spracheignungstests« aber erlaubt. Wer
nach Australien einwandern wollte, mußte zuerst einen Test in einer europäischen Sprache
ablegen, die der diensthabende Beamte bestimmte und dann prüfte, ob man sie tatsächlich
sprach oder nicht. Solche Hürden hielt man für gerechtfertigt, denn die Australier waren
davon überzeugt, daß eine vereinigte Nation eine homogene Rasse erforderte. Liberale und
konservative Politiker gleichermaßen verwiesen auf die »unglückliche Geschichte« der
Vereinigten Staaten als ausreichenden Beweis dafür, wohin eine Vermischung der Rassen
führte. Die Aborigines konnten natürlich nicht so leicht entfernt werden. Aber abgeschoben
in abgesonderte Regierungsreservate wurden sie zu einem Problem, das man nur allzu leicht
vergaß.
Die Vorstellung, daß Australien seine Bürger auf andere Weise schützen mußte, war
zentrales Thema in der »New Protection«, die von liberalen Politikern wie Alfred Deakin und
Richtern auf Reformkurs wie H. B. Higgins verfochten wurde. Der Geniestreich bestand
darin, die Arbeiterlöhne an die Schutzzölle zu koppeln. Indem die Regierung aufgerufen
wurde, ihrer Verantwortung für das Allgemeinwohl nachzukommen, bot dies einen
Ausgleich der zwischen Arbeitgebern und Arbeitern klaffenden Interessen, die im letzten
Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts zu so vielen Konflikten geführt hatten. Die »New
Protection« erfaßte und stärkte den reformerischen »Verbesserungsgedanken« in den
Bereichen Erziehung, Stadtplanung und Volksgesundheit. Außerdem wurde die australische
Gesellschaft dadurch zu einem antipodischen »Gesellschaftslabor« idealisiert und das
australische Volk zu einem Vorbild in Sachen Fortschritt für die alte Welt.
Die »New Protection« zeigte den Australiern auch, wie sie zusammengehörten. Die darin
verwendete Rhetorik und die Bilder kennzeichneten die Bürger als Menschen mit besonderer
Verantwortung, die im Gegenzug besondere Rechte genossen. Für die Kinder waren das die
kostenlose Erziehung und der Schutz vor dem moralisch Bösen. Für die Mütter waren das
finanzielle Unterstützungen und die Würdigung ihrer Rolle »bei der Förderung von
körperlich, moralisch und geistig gut entwickelten Staatsbürgern«. Für jeden (weißen)
Erwachsenen bedeutete dies das allgemeine Wahlrecht. Für die Alten gab es die Absicherung
durch Alterspensionen. Und das Gesamtgefüge würdigte den Vater und baute auf ihn als den
Ernährer, dem durch bindende Schlichtungsentscheide und Lohnfestsetzungen ein
Einkommen garantiert wurde, das ihm den ausreichenden Unterhalt einer Familie erlaubte.
Jeder einzelne Bürger war aufgerufen, seine »natürliche« Rolle auszufüllen, dafür versprach
die Schutznation den Menschen Sicherheit, an deren Nichtvorhandensein sie sich nur allzu
gut erinnerten.
Bei allen Übereinkünften und Kompromissen gab es aber immer noch Unstimmigkeiten.
Versuche, dem Reich politische Einheit und Treue zum Empire zu verordnen, setzte andere
Verpflichtungen nicht außer Kraft. In einem Land, in welchem den Kindern gewaltsam
beigebracht werden mußte, wem sie tatsächlich treu zu sein hatten, in welchem sich
politische Koalitionen in schöner Regelmäßigkeit bildeten und entzweiten, in welchem der
Kardinal von Sydney den Empire Day als »Australia Day« feierte und dabei die Fahnen von
Irland und Australien hißte, nicht aber die des United Kingdom, konnte es kaum Zweifel
darüber geben, daß man sich am Ende des ersten Jahrzehnts als Nation die Zukunft
Australiens noch immer als sehr mannigfach vorstellen mußte.
Drittes Kapitel
1914 wurden sich die politischen Vertreter Australiens darüber einig, wie sie auf den
Kriegsausbruch in Europa reagieren wollten: Andrew Fisher, der Führer der Labor Party,
machte in seiner erfolgreichen Wahlkampagne von 1914 das Angebot, »den letzten Mann
und den letzten Shilling« zu opfern. Sein Parteigenosse Billy Hughes, jahrelanger Anwalt der
Bürgerrechte, nannte den Krieg »die schwerwiegendste Krise unseres Jahrhunderts« und
vertraute darauf, daß alle Australier sich mit ihrer Geschichte und ihrer Heimat
identifizierten, wenn diese auch ihren Alltagserfahrungen etwas fern gerückt war.
Arbeitslosigkeit und die Krise der Landwirtschaft ließen die Zahl der Freiwilligen
anschwellen, die sich zur ersten Australian Imperial Force (AIF) meldeten. Für einige
versprach der Krieg Abenteuer, andere kämpften für ein Reich, dem man sich eindeutig
verpflichtet fühlte. Es bestand kaum Zweifel darüber, daß Australien England zur Seite
stehen sollte, selbst wenn einige übereifrige Patrioten nicht willens waren, ihre lukrativen
Verträge mit deutschen Firmen zu opfern. Australien tat 1914 das seine, indem es
stillschweigend die deutschen Gebiete im Pazifik besetzte. Die »Sydney« versenkte die
»Emden« im Indischen Ozean. Die 20000 Männer der AIF landeten in Ägypten und
formierten sich gemeinsam mit den Neuseeländern zum Australian and New Zealand Army
Corps (ANZAC).
Diese Soldaten, die zusammen mit britischen und französischen Truppen auf Gallipoli
landeten, um Druck auf die Türkei auszuüben und dem in die Zange genommenen Rußland
beizustehen, sollten zu einer Personifikation der Kriegserfahrung und Australiens überhaupt
werden. Siebentausend erlagen in den acht Monaten, die es dauerte, bis sich die britischen
Befehlshaber die Aussichtslosigkeit des Unternehmens eingestanden, ihren Verletzungen und
Erkrankungen. Doch dieser vergebliche Tod erhöhte noch den Edelmut, selbst unter denen,
die den Krieg wirklich aus nächster Nähe gesehen hatten. Gallipoli wurde zu einem Inbegriff
des heldenhaften Opfers und jenes Augenblicks, in dem Australien sich durch seine jungen
Männer selbst unter Beweis gestellt hatte. »Gallipoli« und »ANZAC« verliehen Australien
und seinen »Diggers« einen Ort und einen Namen im Zentrum der Weltgeschichte.
Im Lauf der Zeit sollte »ANZAC« zu einer Geschichte der »Krieger« und einer »Rasse« –
aber auch von deren Feinden – werden, zu einer Geschichte, in der die echten Soldaten
immer mehr an Bedeutung verloren. Für die Soldaten, die nach Frankreich weitergezogen
waren, wo viele bei sinnlosen Angriffen auf Pozieres oder Bullecourt oder Passchendaele
umkamen, für die Verstümmelten und Erblindeten, und für jene, die in Palästina kämpften,
war die AN ZACGeschichte die Erklärung des Unerklärlichen. Für diejenigen, die ihre
Männer verloren, gab das Opfer und die Ehre von ANZAC eine Art Antwort auf die Frage
»Warum?«. Und viele brauchten eine Antwort: Am Ende eines Krieges, in dem 30 000
Australier gedient hatten, war einer von sechs getötet und die Hälfte verwundet worden, und
selbst diejenigen, die körperlich unversehrt geblieben waren, würden noch jahrelang den
Waffenlärm des Krieges hören.
Die ANZAC–Geschichte stellte die nationale Einheit her, aber schon 1915 entdeckten die
Australier auch »Feinde« in den eigenen Reihen. Als erste hatten die deutsch–lutherischen
Gemeinden in South Australia und in Qneensland unter der Wachsamkeit der wahrhaften
Patrioten zu leiden. Deutschsprachige Zeitungen wurden verboten oder zensiert, Lehrer
mußten auf Englisch unterrichten, wenn ihnen nicht überhaupt die Unterrichtserlaubnis
entzogen wurde, und Städte mit allzu germanischen Namen bekamen neue und passendere:
Kitchener, Sedan, Vimy Ridge. Einige deutschsprachige Australier landeten sogar in
Internierungslagern.
Doch indem man der unwahrscheinlichen Bedrohung eines Aufstands unter Menschen, die
seit drei oder vier Generationen in Australien lebten, erfolgreich entgegenwirkte, erschöpfte
man die intoleranten Kräfte keineswegs. Für Hughes, der inzwischen Prime Minister des
Staatenbundes geworden war, war die Weigerung, sich freiwillig zum Kriegsdienst zu
melden, klarer Beweis für ein Schwinden der Loyalität, und die zunehmenden
Arbeiterunruhen wegen stagnierender Löhne und steigender Preise bestätigten seinen
Verdacht, daß die Australier sich der Sache nicht mit Eifer annahmen. 1916 wurde dann die
Einführung der Wehrpflicht für den überseeischen Kriegsdienst zum Prüfstein der Loyalität
es kam zu einer Volksabstimmung. Hughes' Beharren auf gemeinsamen Opfern hätte
glaubhafter geklungen, wenn seine Labor–Regierung nicht den Versuch aufgegeben hätte, die
Profite zu kontrollieren; bei Löhnen, die vom Schlichtungsausschuß festgelegt wurden,
überrascht es wenig, daß Bilder reich gewordener »Kriegsgewinnler« heraufbeschworen
wurden. Und die Zusage, »die Entscheidung des Volkes zu akzeptieren«, klang hohl, wenn
Versammlungen gegen die Wehrpflicht aufgelöst und irische Katholiken indirekt oder direkt
des fehlenden Patriotismus bezichtigt wurden. Die Kampagne für die Wehrpflicht, die der
Volksabstimmung Ende 1916 vorausging, wurde laut und überheblich geführt. Als die
Australier dann mit knapper Mehrheit gegen die Wehrpflicht stimmten, waren die
Befürworter einigermaßen verblüfft.
Wer für die Wehrpflicht gestimmt hatte, wurde zwar aus der Labor Party verwiesen, aber
diejenigen, die gegen die Wehrpflicht waren, wurden, jedenfalls im übertragenen Sinne, aus
der Nation ausgestoßen. Unterschiedliche Meinungen wurden zu »Patriotismus« oder
»Treulosigkeit« polarisiert. Große Streiks, zu denen es 1917 vor allem in New South Wales
kam, verschärften die Vorwürfe der »Konspiration« gegen den Kriegsdienst. Die
Andersdenkenden wurden zu den Bösen: aus Katholiken wurden »Sinn Fein«–Fanatiker,
Gewerkschaftler wurden zu »Radikalen« – oder später, als dieses Konzept zur Verfügung
stand, zu »Bolschewiken« –, und Feministinnen in der Women's Peace Army bezeichnete
man als »Verräterinnen«. Weil Hughes dem australischen Volk noch eine zweite Chance
geben wollte, die Sache zurechtzubiegen, organisierte er für den Dezember 1917 eine zweite
Volksabstimmung. Sie fiel für ihn allerdings noch schlechter aus als die erste. Australiens
Krieg sorgte für den Nationalhelden in der ANZAC, aber er riß auch tiefe Gefühlsgräben auf,
die keine Siegesfeier zu überbrücken vermochte.
Leidenschaftliche Uneinigkeit beherrschte die Zeit nach dem Krieg, und die vom offiziellen
Kriegshistoriker C. E. W. Bean in Umlauf gebrachte ANZAC–Legende wurde zur
wichtigsten Waffe gegen fehlende Loyalität. Beans »Digger« war ein Gegenmittel, ein
opferbereiter Mann, der sich gegen Uneinigkeit und abweichende Auffassungen stellte.
Dieser ANZAC war kein wirklicher Soldat mehr – die tatsächlich zurückkehrenden Soldaten
gehörten in der Nachkriegsgesellschaft eher zu den unzuverlässigen Größen. Die
Organisationen der Veteranen erlangten sehr rasch bedeutende politische Schlagkraft, wenn
auch wegen ihrer Verbindungen zur konservativen Politik, die in den frühen zwanziger
Jahren verstärkt wurden, bald immer weniger echte Digger dazugehörten. Bei der Labor
Party, die durch die Wehrpflichtdebatte praktisch aufgerieben war, und bei den mit den
Arbeitgebern in einen verbissenen Kampf um die Wiederherstellung des Lebensstandards
von vor dem Krieg verstrickten Gewerkschaften gab es keine Kraft, die mächtig genug
gewesen wäre, jene Soldaten zu vertreten, die von etwas anderem als bloßer gedankenloser
Loyalität redeten.
Die Menschen des Nachkriegsaustralien schreckten vor der Enthüllung innerer
Meinungsverschiedenheiten und vor einer überaus bedrohlichen Welt zurück. Als eine
Grippeepidemie 1919 12 000 Menschen das Leben kostete, bekam der Gedanke, das Land zu
isolieren, zusätzlichen Auftrieb. Mitte der dreißiger Jahre versuchten die Behörden daher, das
Land gegen »schlechte« Einflüsse abzuschirmen: moderne Kunst und Literatur,
»aufrührerische« Romane wie Erich Maria Remarques ›Im Westen nichts Neues‹ oder das
»wahnsinnige Geschwafle« von James Joyce, »unaustralische« politische Ideen,
»Negermusik«, sogar Comics.
Australier, die sich in ein anderes Land außer England wagten, begaben sich in Gefahr,
schließlich waren das hervorragende Rennpferd Phar Lap und der großartige Boxer Les
Darcy in Amerika unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Und anhand des
»bodyline« Cricket, in welchem Englands Werfer sich den Geist, wenn nicht sogar die
Regeln des Spiels zurechtbogen, um den großen Schlagmann Don Bradman zu verdrängen,
zeigte sich, daß man selbst denen nicht trauen konnte, mit denen man traditionsgemäß
befreundet war.
»Loyalität« wurde zu einem Abwehrmittel gegen ein angstbesetztes Morgen. Die
Nationalisten vertraten nicht mehr die Auffassung, daß Australien sich verändern oder für
abweichende Meinungen offen sein sollte. Ihre Verherrlichung war unnachgiebig, es war eine
Art Stellungskrieg gegen jeden, der das in Frage stellte, was allen Australiern gemeinsam
sein sollte. In diesem Sinne befand 1921 ein Patriot, »es sei schändlich zu denken, man könne
sich illoyal verhalten und trotzdem in einem freien Land leben«.
Solche Konzepte von »Freiheit« ebneten den Weg, Streikende als »Meuterer«, nicht–
britische Einwanderer als »Ausländer« und Frauenrechtlerinnen, Pazifisten und andere
Nonkonformisten allesamt als »Kommunisten« zu bezeichnen. Bewegungen, die auf
Veränderungen abzielten, verschwanden jedoch nicht einfach; insbesondere die
Feministinnen blieben auch in den zwanziger und dreißiger Jahren aktiv, zuerst in
Kampagnen für die finanzielle Absicherung von Kindern und später in Fragen der
Lohngleichheit. Doch auch vor ihnen machte die Notwendigkeit, sich keine »Treulosigkeit«
zuschulden kommen zu lassen, nicht Halt. Läßt sich der Tatsache, daß Gerüchte von einem
kommunistischen Marsch nach Melbourne dazu führten, daß 1931 in den Städten Victorias
von Ouyen bis Bairnsdale Schützengräben ausgehoben wurden, noch eher eine komische
Seite abgewinnen, so zeugt die Anwesenheit ehrbarer und einflußreicher Bürger in geheimen
anti–bolschewistischen Kampftruppen von einer ziemlich schwachen Bindung an die
Prinzipien und die Praxis der Meinungsfreiheit, vor allem unter denjenigen, welche bestens
darin geübt waren, sich zur politischen Freiheit zu bekennen.
Zur Betonung von Loyalität, Verteidigung und kultureller Homogenität gehörte auch die jetzt
viel strenger verfochtene Überzeugung, daß Australien eine britische Gesellschaft war und
bleiben sollte. Mit einem australischen Nationalismus ließen sich weder anti–britische noch
anti–imperiale Gefühle länger vereinbaren. Als nach 1920 die landwirtschaftlichen Interessen
ins Hintertreffen gerieten, wurden die neue Country Party, die von den »Nationalisten«
geführte Regierung und Prime Minister Stanley Bruce zunehmend eins mit einem Ethos
aggressiver nationaler Entwicklung, das sich in dem Slogan »Australia Unlimited« und der
Suche nach »men, moneyland, markets« zusammenfassen ließ. Die »Männer« (es waren auch
viele Frauen darunter) waren Briten, die aufgrund eines Siedlungsprogramms in den
Staatenbund geschickt wurden, und auch das Geld war britisches Kapital. Auch die Märkte
gehörten zum Reich, gesichert durch Vorzugszölle auf Weizen und Wolle aus Australien.
Auch amerikanisches Kapital floß ins Land, und mit ihm die amerikanischen Vorstellungen
»industrieller Leistungsfähigkeit«. Vieles an der Regierungspolitik spiegelte das Vertrauen
darauf, daß wissenschaftliche (und kostensparende) Lösungen für menschliche Zwangslagen
jeglicher Art gefunden werden konnten. Mit großer Rhetorik – und kleineren Leistungen–
warb man für eine »rationale« Mutterschaft, und in ein paar wenigen Kliniken für
Rassenhygiene konnte man sich vor der Ehe sogar auf defekte Erbanlagen untersuchen
lassen. Wenn man sich in Australien auch mit der Sterilisation der als »untauglich«
Eingestuften zurückhielt, sprachen doch einige Verfechter der Eugenik ziemlich sorglos über
»unnütze« Elemente in der »Rassenfamilie«.
Trotz all des Geredes über ein »Australia Unlimited«, ein Land der unbegrenzten
Möglichkeiten, brachten die zwanziger Jahre keinen großen Wohlstand. Bauern und
Landarbeiter mußten sich auch weiterhin ihren Lebensunterhalt mühsam erarbeiten. Die dank
des Besiedlungsplans des Empires kommenden Siedler sowie heimkehrende Soldaten wurden
mit Land belohnt, das gerade einmal ausreichte, sich knapp davon zu ernähren, und sie litten
sehr unter Dürre und Überschwemmungen und was es sonst noch alles gab. In den Städten
besaß die an der Peripherie wohnende Mittelklasse Radio, Gasherd und vielleicht einen
Kühlschrank, Arbeiterfamilien konnten sich so etwas aber kaum leisten. Der Wohlstand der
zwanziger Jahre zeichnet sich vor allem durch seine ungleiche Verteilung aus. Die
Regierungen der Einzelstaaten nahmen mehr Kredite auf, um die Entwicklung
voranzutreiben, und schienen damit Zeit zu gewinnen. Die Bundesregierung setzte den
Gewerkschaften zu, nachzugeben, weil sie darauf vertraute, daß ein »gutes Geschäftsklima«
wichtiger war als der sozialistische »Wahnsinn«, den Reichtum umzuverteilen. Die
Wahlniederlage, die Bruce 1929 hinnehmen mußte, signalisierte die Besorgnis über den
fallenden Lebensstandard und die Zusammenstöße der Interessengruppen in der Industrie.
Doch als eine Labor–Regierung die Macht übernahm, warnte mehr als ein Beobachter vor
dem möglicherweise tiefen Absinken der wirtschaftlichen Erfolge Australiens.
Aufgrund seiner starken Abhängigkeit vom Wohlstand Europas und Amerikas, traf die
Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre Australien besonders heftig. Die hohe
Auslandsverschuldung stellte in einem Augenblick, wo die Preise für Weizen und Wolle in
den Keller fielen, eine zusätzliche Belastung für das Exporteinkommen dar. Die Regierung
schraubte die Ausgaben zurück und entzog einer Wirtschaft, die ohnehin in der Deflation
war, noch mehr Gelder. Die Banken verweigerten Anleihen, größere Firmen kürzten die
Löhne und kleinere Firmen machten einfach zu, setzten Tausende auf die Straße. Mit dem
immer geringer werdenden Einkommen sank auch die Kaufkraft der Leute, was wiederum
die Preise destabilisierte, die Profite verringerte und noch mehr Geschäfte in den Bankrott
trieb. Die Wirtschaft der Nation stotterte und keuchte wie eine kaputte Maschine, und einen
kurzen Moment schien es, als wollte sie überhaupt nicht mehr.
Die ersten Gegenmaßnahmen verschlimmerten die Probleme, da Australien wie andere
Nationalstaaten auch, sich hinter Schutzzöllen zu isolieren versuchte. Ein Herumbasteln an
den Steuern oder den Gebühren für Schulen und Gesundheitsfürsorge brachte wenig. 1931
war fast ein Viertel der Bevölkerung arbeitslos und Zehntausende arbeiteten für geringere
Löhne.
Wollte man ein Heilmittel finden, mußte man jemanden finden, der die Last auf sich nahm.
Die Bank von England schickte Sir Otto Niemeyer, damit er beurteilte, ob Australien in der
Lage war, seine Schulden zu begleichen. Seiner Einschätzung nach hatten die Australier
einen Lebensstandard genossen, der künstlich in die Höhe getrieben worden war. Als Lösung
schlug er vor, eine »gesunde Finanzpolitik« zu betreiben, indem Löhne und Ausgaben
zusammengestrichen wurden. Der Treasurer des Staatenbundes, E.G. Theodore, befürwortete
hingegen Expansionsprogramme, um die Arbeitslosen mit Arbeit zu versorgen. Der von der
Labor Party gestellte Premier von New South Wales, John Thomas Lang, der 1930 mit dem
Auftrag gewählt wurde, keine Kürzungen zu bewilligen, schlug einfach vor, die
Zinszahlungen für die Auslandsanleihen einzustellen. Wie zu erwarten, reagierten die
ausländischen Banken mit Entsetzen.
Nach dem 1931 vorgelegten Kompromißplan des Premiers wurden die Steuern erhöht, die
Zinssätze gesenkt und eine zwanzigprozentige Kürzung bei den Pensionen und Renten
durchgesetzt. Die Reichen würden sich mit niedrigeren Zinszahlungen abfinden müssen,
Rentner und Arbeitslose mit einem Leben nahe am Hungertod. Die Regierungen entwickelten
staatliche Beschäftigungsprogramme und stellten dafür die entsprechenden würdelosen
»Unterstützungsgelder« zur Verfügung. Um diese Unterstützung zu erhalten, arbeiteten die
Männer dort, wo man sie hinschickte, selbst wenn die »Notstandsarbeiten für das Land« sie
Hunderte von Kilometern weit weg von ihren hungrigen Familien und ausgemergelten
Frauen führten. Die Firmenprofite, die anfangs steil abgefallen waren, hatten sich 1932
praktisch wieder erholt, gerade dann, als die Arbeitslosigkeit ihren Höhepunkt von dreißig
Prozent erreichte. Die Reichen mußten ein wenig Hauspersonal entlassen, für einen Armen
kam es einer Katastrophe gleich, wenn er einen Shilling verlor. Die Wähler dankten der
Labor–Regierung diese »Gleichheit« der Opfer nicht: Die ALP verlor binnen eines Jahres
ihre Macht im Staatenbund und bis auf Tasmania auch in jedem Einzelstaat.
Die von der Depression gezeichnete Generation sollte das Leben in Australien bis gut in die
sechziger Jahre hinein bestimmen. Ein paar wenige begrüßten ihre reinigende Kraft, darunter
einige Führungskräfte der Wirtschaft, die an sinkenden Löhnen, verzweifelten Arbeitern und
dem Untergang lästiger Konkurrenten ihre Freude hatten. Einige sahen darin den Beweis für
die Unzulänglichkeit einer repräsentativen Regierung und schielten voller Bewunderung auf
die geradlinige Leistungsfähigkeit des europäischen Faschismus. Die ALP wurde durch
Abtrünnige und innere Machtkämpfe zerrüttet, während konservative Gruppierungen wie die
All for Australia Leagues sich zur neuen United Australia Party zusammenschlossen.
Gruppen des rechten Flügels, die am Rande operierten, scharten Männer und Waffen um
sich, um Australien gegen die »Bolschewiken« zu verteidigen und die erwarteten Aufstände
der Arbeitslosen »niederzuschlagen«. Es kam tatsächlich zu eine paar Aufständen und
Aufrufen zur Revolution, und die kommunistische Partei Australiens konnte zeitweilig einen
größeren Mitgliederzulauf verzeichnen, aber die »Bedrohung« von links spielte im
wirklichen Leben immer eine weitaus unbedeutendere Rolle als in den Köpfen der
Furchtsamen.
Stillschweigendes Leiden war die Antwort auf die als demoralisierend erfahrene
Arbeitslosigkeit und die gegen jede kollektive Antwort auf Vertreibungen blitzschnell
eingreifende Polizei oder die täglich erfahrene entwürdigende Behandlung durch die
Sozialfürsorge.
Die Weltwirtschaftskrise ließ die Schwachen auf der Strecke und brachte echte Not zurück in
die Behausungen, die ihr gerade erst entkommen waren. Lehrer und Staatsbeamte schlugen
sich mit ihren gekürzten Gehältern mühsam durch, Vertreter lebten von den wenigen
Aufträgen, die sie unter der Woche gesammelt hatten. Männer, die ihre Arbeit in der Stadt
verloren, nahmen den mühevollen Marsch aufs Land auf sich, um dort Arbeit zu suchen. Man
stellte Fallen für Kaninchen und fing Fische. Während die Beamten der öffentlichen Fürsorge
bei den Kindern der Innenstädte wirkliche Unterernährung feststellten, machten sich die
privaten Wohlfahrtsverbände und die Damen, die sie zur Inspektion schickten, die Mühe,
unter den Bedürftigen diejenigen auszuwählen, die Hilfe »verdienten« und diejenigen zu
bestrafen, die diese »nicht verdienten«. Die Armen halfen einander so gut sie konnten. Viele
Menschen erinnerten sich an die zusätzlichen kleinen Freuden eine Fleischmahlzeit,
Marmelade anstatt Speisefett, ein Kinobesuch – die einmal selbstverständlich gewesen
waren.
Die Krise offenbarte auch in aller Deutlichkeit die Grenzen des »Schutzes« in der
australischen Gesellschaft und rüttelte hart an der Vorstellung, daß ein zivilisiertes
industrielles Wirtschafts– und Handelssystem jeden einzelnen absichern konnte. In dem
Lohn– und Sozialsystem, das Australien kennzeichnete, zielte alles darauf ab, den
Lebensunterhalt des Ernährers abzusichern und finanziell zu unterstützen. Um aber die
Wohlfahrtsgesellschaft wiederherzustellen, brauchte es mehr als das. Und die Krise
offenbarte ein Australien, das manche nicht hatten wahrhaben wollen. Sie machte Slums und
Armut sichtbar, die sich nur allzu oft hinter der Rhetorik grenzenlosen Wachstums verborgen
hatten. Was die Romanautorin Katharine Susannah Prichard zu der Frage veranlaßte, »warum
es in Australien Menschen geben muß, die nicht genug zu essen und anzuziehen haben ... die
gezwungen sind, in schmutzigen Slums und Häusern zu leben, wie sie nicht fürs Weidevieh
taugen?«
Sollten die dreißiger Jahre den Australiern auch sonst nichts deutlich gemacht haben – eins
zeigten sie mit aller Schärfe, nämlich was den Menschen in einer gleichgültigen Gesellschaft
widerfahren kann. Bis jetzt hatten einige sich geweigert, dies zu sehen, oder nur
Herablassung gezeigt: Vielleicht mußten die Armen ja einfach nur persönliche Tüchtigkeit
lernen, vielleicht sollte man die Babies ihren Eltern wegnehmen, da diese ihnen nur die
Lebensweise der Armen beibrachten. Doch andere waren schockiert, als sie erkannten, daß
die Menschen nicht aufgrund ihrer individuellen Lebensführung verarmten, sondern aufgrund
von Systemstrukturen. Eine wirkliche Veränderung schien mitten in der Wirtschaftskrise ein
Ding der Unmöglichkeit, aber viele Australier glaubten nach und nach, daß die schrecklichen
Unsicherheiten der dreißiger Jahre sich nie mehr wiederholen dürften.
Die Aussichten für die Pläne hinsichtlich eines Wandels im zukünftigen Kurs Australiens
verbesserten sich, als die Nation sich im September 1939 wieder im Krieg befand. Nach der
Zusicherung, daß England die potentielle Bedrohung, die von Japan ausging, nicht vergessen
würde, machte sich eine zweite AIF auf, um 1940 und 1941 in Nordafrika und Griechenland
zu kämpfen. Aber die in der zehnjährigen Krise kleiner gewordenen Reserven wurden nicht
herangezogen. Meinungsumfragen zeigten weitverbreitetes Desinteresse an diesem
europäischen Krieg, wenn auch die Not, in der Großbritannien sich aufgrund der deutschen
Luftangriffe befand, Hilfsbereitschaft in Form von Nahrungspaketen sowie Freiwilligen für
Luftwaffe, Armee und Marine auslöste. Weil die politisch Verantwortlichen vermutlich
Angst hatten, die gleichen Unstimmigkeiten wie 1916 zu entzünden, zeigten sie kein großes
Interesse am »totalen Krieg«.
Aber der totale Krieg holte Australien ein, und zwar schnell.
Nur ein paar Wochen, nachdem der Labor–Abgeordnete John Curtin im Oktober 1941 eine
neue Regierung gebildet hatte, griffen die Japaner Pearl Harbor an und fügten den USA
empfindliche Verluste zu. Bis Weihnachten hatten sie Hongkong und den größten Teil
Malaysias besetzt und zwei der wichtigsten Schiffe der englischen Marine versenkt. Mitte
Februar fiel Singapur, bald darauf fielen Bomben auf Darwin, und die japanische Armee
landete in Neuguinea. Die alten Gewißheiten waren dahin: Weiße Überlegenheit hatte die
Japaner nicht aufhalten können, die britische Marine hatte sich als wirkungslos erwiesen, und
der Fall Singapurs deutete darauf hin, daß die Macht des Empires in Asien für immer
gebrochen war. Curtin, der die Totalmobilmachung forderte, erklärte, daß Australien sich
nunmehr Schutz bei den Vereinigten Staaten holen würde.
Die von Roosevelt und Churchill verfolgte »schlagt zuerst Hitler«–Strategie zehrte an den
Nerven der Australier, doch das Eintreffen von General Douglas Macarthur und der ersten
amerikanischen Truppen bestätigte Australiens Wichtigkeit als Operationsbasis gegen Japan.
Hinterhöfe und öffentliche Parkanlagen wurden von Luftschutzbunkern in Beschlag
genommen, Strategen sannen darüber nach, wie die Nordküste am besten gegen eine
japanische Invasion verteidigt werden konnte, und in ihrem Eifer, jeden ankommenden Feind
zu verwirren, zerstörten die Menschen in den Städten von Q,ueensland die Straßenschilder.
Mitte 1942 schien aufgrund des Kampfes im Korallenmeer und der erbittert geführten
Verteidigung Neuguineas die unmittelbare Gefahr einer Invasion abgewendet, obwohl immer
noch japanische Unterseebote sporadisch ihre Besuche abstatteten und weiterhin Bomben auf
Darwin und andere nördliche Häfen fielen. Weil Curtin die strittige Frage der Wehrpflicht
nicht wieder strapazieren wollte, erweiterte er einfach die Definition »Heimatgebiet«, in
welchem die wehrpflichtigen Männer kämpfen sollten, um Neuguinea, Indonesien und den
Südwestpazifik. 1945 hatten über eine halbe Million australischer Männer bei den
bewaffneten Streitkräften gedient, hunderttausende Männer und Frauen waren auf andere Art
»eingerückt«. Über 30 000 starben: ein Drittel in Europa und Nordafrika, ein Drittel im
Kampf gegen Japan, ein Drittel kam in den japanischen Kriegsgefangenenlagern um, weil sie
krank wurden, verhungerten oder man sie brutal mißhandelte.
Dieser Krieg forderte zwar weniger Menschenleben als der Erste Weltkrieg, sein Einfluß auf
das Alltagsleben war jedoch sehr viel tiefgreifender. Ressourcen und Menschen waren sehr
viel wirksamer mobilisiert worden. Zivilisten leitete man zu kriegswichtigen Arbeiten an
oder brachte sie in der landwirtschaftlichen Produktion unter. Das bedeutete für viele,
insbesondere für die Frauen, ungewohnte körperliche Mobilität, Zugang zu bezahlter Arbeit
und zu Berufen etwa im medizinischen Bereich, die Gelegenheit, sich Fertigkeiten
anzueignen. Darüber hinaus wurden Menschen aus den unterschiedlichsten Orten
zusammengebracht. Ihre Kriegserfahrung wurde auch durch die Ankunft der amerikanischen
Soldaten gewürzt, die mit ihrer Hollywood–Ausstrahlung, mit Coca–Cola und Kaugummi auf
die einen anziehend wirkten, bei den anderen aber auf verärgerte Ablehnung stießen. Der
Zweite Weltkrieg öffnete und rüttelte die australische Gesellschaft auf wie kein anderes
Ereignis je zuvor.
Für die Aborigines weckte der Kriegsdienst Hoffnungen, in der Nachkriegsgesellschaft
erstmalig Teil einer Nation werden zu können, zu deren Rettung sie beigetragen hatten. Bei
der Women's Charter Conference 1943 machten die Feministinnen ihre Hoffnungen deutlich,
die sie mit der Nachkriegsgesellschaft verbanden. Beiden gemeinsam war die Erwartung, daß
starke, reformistische Regierungen nach dem Krieg die gute Gesellschaft planen und schaffen
sollten. Für die Menschen, die von der Erinnerung an die Depressionszeit durchdrungen
waren, bedeutete dies Vollbeschäftigung, angemessene Wohnungen, bessere Ausbildung,
wirksamere soziale Unterstützungen. Solche Hoffnungen nährten sich größtenteils aus der
noch nie dagewesenen Macht, über welche die Bundesregierung jetzt verfügte. Sie hatte
gezeigt, daß sie in der Lage war, eine unter Beschuß stehende Gesellschaft zu mobilisieren
und zu verteidigen. Sie hatte rationiert, einberufen und kontrolliert, und die Reformer sahen
keinen Grund dafür, warum mit dem Ende des Krieges das Planen, mit dem man »das ganze
Leben des Bürgers sicherte«, ein Ende haben sollte. Und es sprach tatsächlich nichts
dagegen, warum die Welt insgesamt kein Ort werden sollte, der besser einschätzbar und
friedlicher war, und Australien spielte eine bedeutende Rolle bei dem Versuch, Vereinte
Nationen zu schaffen, mit denen sich arbeiten ließ.
Die Ausdehnung der Befugnisse der Bundesregierung, insbesondere auf den Einzug der
Einkommensteuern und die Bereitstellung der Mittel für die Sozialfürsorge, wurde von den
Einzelstaaten heiß diskutiert, 1944 in einem Referendum außer Kraft gesetzt und durch die
konservativen Verfassungsauslegungen des High Court immer wieder bedroht. Was unter
einer Verteidigungsherrschaft zu erreichen war, ging im Frieden verloren. Doch in ihrem
Ministerium für den Nachkriegsaufbau und den davon unterstützten Weißbüchern und
Planungsbüros, schuf die Labor–Regierung einen Entwurf für den Wandel und löste eine
Debatte darüber aus, daß Regierungen den Bürgern gegenüber zu Leistungen verpflichtet
waren – darunter auch zum Erhalt der Vollbeschäftigung. »Falls eine bessere und
glücklichere Gesellschaft in der Zukunft sozialistische Methoden notwendig machen sollte«,
plädierte etwa ein erfahrener Ökonom, »dann sollten wir keine Angst davor haben, sie auch
anzuwenden.« Nie mehr kamen die Regierungen der Versicherung, daß man von einer
Marktwirtschaft auch eine Gesellschaft erwarten konnte, die besser war und mehr
Gleichberechtigung vorsah, so nahe, wie in den letzten Kriegsjahren.
Weil der Fortschritt der Japaner so bedrohlich nahe war, wurden die alten Ängste eines
»leeren Kontinents« wieder wach. Und sie weckten den Ruf nach den herkömmlichen
Gegenmitteln: Ankurbeln der Fortpflanzungsbereitschaft, Entwicklungsarbeit im Norden des
Kontinents und Ansiedlung hart arbeitender Einwanderer dort, wo die Landkarte noch weiße
Flecken zeigte. Bei Kriegsende kam es unter den Australiern zu Eheschließungen in noch nie
dagewesenem Ausmaß, und es setzte sofort ein »Babyboom« ein. Doch die Experten für
Bevölkerungsentwicklung hatten kein Vertrauen in die Dauer dieses
Fortpflanzungsaufschwungs, es gab sogar Voraussagen, daß sich die australische
Bevölkerung stabilisieren und in den siebziger Jahren wieder rückläufig sein würde. Die
nationale Verteidigung machte jedoch mehr Menschen erforderlich. Große Pläne zur
Entwicklung des Landes, wie die kühnen Dämme und Tunnels in den Snowy Mountains,
verlangten nach Arbeitern. Und beides forderte mehr Einwanderer.
Der neue, von der Labor–Regierung gestellte Minister für Einwanderung, Arthur Calwell,
war anfangs sehr zuversichtlich, daß sich im kriegsmüden England genügend Auswanderer
finden würden, um den Bedarf zu decken. Eine dreiviertel Million Engländer kamen, aber um
seinen ehrgeizigen Zielen nachzukommen, mußte Calwell sein Netz bald weiter auswerfen:
»Zwangsvertriebene« aus Osteuropa, Deutsche, Holländer, Italiener, Griechen, Malteser,
Jugoslawen, Libanesen, Türken. Die Rekrutierung machte nur vor der ziemlich unscharfen
Grenze zwischen »Europa« und »Asien« halt – die Politik eines Weißen Australien war zwar
dahingehend abgewandelt worden, daß sie auch Menschen aus dem Nahen Osten einschloß,
doch endgültig verabschiedet hatte man sich noch nicht von ihr. Eine gesellschaftliche und
kulturelle Revolution nahm ihren Anfang, wenn das auch Menschen aus Bayern oder
Kalabrien oder Mazedonien beim Lesen der offiziellen Beschreibung der Einwanderer, die
nicht »auffielen«, nicht vorhergesagt hätten.
Als die Einwanderer ankamen, fürchteten viele, daß der Wohlstand der Kriegszeit zugunsten
einer neuen Depression in Friedenszeiten wieder aufgegeben werden mußte. Würden die
Einwanderer nicht die Arbeitsplätze wegnehmen? Waren relativ gute Löhne und die
ausreichenden Arbeitsplätze bloß Produkte einer kriegsbedingten Mobilität? Konnte die
Industrie »zurückverwandelt« werden, ohne daß Tausende ihre Arbeitsplätze verloren? Die
Reformer konnten solche Befürchtungen nicht so leicht zerstreuen. Und man verlangte viel
von Menschen, die unter der ständigen Rationierung von Treibstoff, Tee und Butter zu leiden
hatten und in beengten Wohnverhältnissen leben mußten, weil die Ziegel zum Bau neuer
Häuser fehlten, wenn sie in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft die Entbehrungen klaglos
hinnehmen sollten.
Weil die Gewerkschaften einer Wirtschaft überdrüssig waren, bei der jeder Boom bald darauf
in einer Pleite endete, drängten sie auf bessere Löhne und abgesicherte Arbeitsbedingungen.
In vielen Industriezweigen schienen sich die Fronten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern
zu verhärten. In den Kohlengruben und den Gaswerken, bei der Eisenbahn und bei den
Hafenarbeitern wurde gekämpft. Und jene erbittert geführten Auseinandersetzungen ließen
das Vertrauen einiger Arbeiter in die harten Taktiken der kommunistischen
Gewerkschaftsführerwachsen. Doch sie erhärteten auch die Entschlossenheit der Arbeitgeber,
nicht nachzugeben. In den Gewerkschaften setzten antikommunistische »Industriegruppen«
den Radikalen zu, während die katholische Kirche bestrebt war, ihre Gemeindemitglieder aus
der Arbeiterschaft davon zu überzeugen, daß der Kommunismus böse sei. Die Labor Party
legte sich mit denen an, die einen »harten Kurs« verfolgten, was vor allem im
Bergarbeiterstreikvon 1949 in New South Wales deutlich wurde, doch im Parlament und in
der Presse wurde sie noch immer als eine »sozialistische« Regierung beschimpft. Ende der
vierziger Jahre riskierte jeder, der das Wort Sozialismus oder auch nur Sozialdemokratie in
den Mund nahm, als »Gesandter Moskaus« verunglimpft zu werden.
Eins hatten die Reformer gewiß nicht vorhergesehen, nämlich das Wiederaufleben einer
schlauen neuen konservativen Macht mit Robert Menzies, der 1941 politisch stark
angeschlagen worden war, als überraschendem Anführer. Die neue Liberal Party schlachtete
das Kommunistenproblem begeistert für sich aus, doch noch stärker profitierte sie von den
Geldreserven der Banken und Ärzte, die auf die Ideen der Labor Party hinsichtlich
»Verstaatlichung« und Volkseigentum mit Entsetzen reagierten, und sie banden auch die
Arbeitgeber an sich, die nur auf eine Regierung warteten, die ihre Bedürfnisse besser
verstand.
Menzies' größte politische Leistung war die Kanalisierung der Nachkriegsängste hinsichtlich
Arbeitsplatz und Lebensstandard in eine Suche nach Sicherheit, die nicht auf unentwegter
sozialer und wirtschaftlicher Reform und staatlicher Kontrolle beruhte, sondern darauf, daß
man die Wirtschaft sich selbst überließ. Er pochte auf das »Selbstvertrauen« und versprach,
daß dank seiner Partei die Menschen die Früchte ihrer Arbeit würden genießen können, ohne
sie zur Finanzierung »großartiger Pläne« mit »überhöhten Steuern« oder auch
»sozialistischer Bürokratie« zu belasten. Er pries die aufopferungsvollen Tugenden der
»vergessenen Menschen« seiner Mittelschicht gegenüber den selbstsüchtigen Wünschen der
»Unwürdigen«. Es war ein Geniestreich seiner politischen Strategie, daß er sich direkt an die
Frauen wandte und sehr subtil das häusliche Reich der Frauen beschwor, das von Kürzungen
und Streiks bedroht war. Unter den effektivsten Befürwortern und Anwälten der neuen
Liberal Party waren antisozialistische Frauenorganisationen.
Der Konservativismus machte einige bezwingende Übeltäter aus. Tendierte in Australien die
LaborParty dazu, langfristige Gewinne und eine gerechtere Gesellschaft zu versprechen, legte
der Konservativismus die Betonung auf die Opferbereitschaft, den Wohlstand und das
Standhalten gegenüber – eher in der Einbildung existierenden – Feinden. Als Menzies bei der
Wahl von 1949 an die Macht kam, waren allerdings einige Australier von der Echtheit dieser
Feinde überzeugt. Andere, die sich noch immer an die Zeit der Depression und der Konflikte
erinnern konnten, waren verständlicherweise der Meinung, daß es wichtiger war, jetzt
Sicherheit als später Gleichheit zu haben.
Zuversichtlich, wohlhabend und geeint? Oder konformistisch, intolerant und träge? Die
fünfziger Jahre vermitteln den Eindruck eines Dämmerzustands, der erst mit dem »sozialen
Wandel« in den sechziger Jahren wieder durchbrochen wurde, und dennoch waren sie mehr
als nur ein Vorspiel des Künftigen. Aus Ungewißheit und Hoffnung gleichermaßen entstand
eine Vorstadtidylle, in der die Männer Rasen mähten und die Frauen ständig mit dem
Reinemachen einer Welt beschäftigt waren, an deren Erschaffung sie bedeutenden Anteil
hatten. Dies war ein Morgen, mit dem man sehr vorsichtig umging, denn die Menschen
priesen die Sicherheit einer Welt, von der sie wußten, wie schnell sie gefährlich werden
konnte.
Man zelebrierte Einigkeit, aber sowohl in der Politik als auch in weltanschaulichen Fragen
trennten tiefe Abgründe die Menschen voneinander. Katholiken und Protestanten lebten und
arbeiteten in nahezu getrennten Welten. Leute wurden wegen ihres Glaubens an den Pranger
gestellt. Die Wähler der Liberalen hatten für die Gewerkschaften und die kommunistischen
Unruhestifter nur Verachtung übrig, das Wahlvolk der Labor Party haßte Menzies und die
antikommunistischen »Industriegruppen«, welche die Partei kaputtmachten.
Da während der Depressions– und Kriegsjahre viele Wünsche hatten unterdrückt werden
müssen, kam es mit dem raschen Bevölkerungswachstum und einer sich erholenden
Weltwirtschaft für Australien zu einem nicht vorhergesehenen Wirtschaftsaufschwung. Hohe
Zölle und andere Konzessionen schützten die wichtigsten Industriezweige, während in
Staaten wie South Australia und Victoria die neue industrielle Entwicklung ohne große
Rücksicht auf politische Unterschiede oder ökonomische Wahrheiten vorangetrieben wurde.
Selbst scheinbar konservative Staatsführer stimmten freudig der Verstaatlichung der
Elektrizität zu oder machten amerikanischen Gesellschaften große Zugeständnisse bei der
Steuer, wenn das eine neue Fabrik verhieß. Löhne und Ausgaben befanden sich im
Aufwärtstrend, und so konnten sich immer mehr Menschen Kühlschränke, Waschmaschinen
und sogar Autos leisten. Viele waren auch in der Lage, die billigen Kredite für ein neues
Zuhause am Stadtrand aufzubringen. Menzies belohnte die Familien der Mittelschicht mit
Steuervorteilen und größeren Zuwendungen der öffentlichen Hand für die private
Gesundheitsvorsorge und private Schulen. Da aufgrund der geringen Arbeitslosigkeit die
Gewerkschaften strategische Vorteile hatten, erfreuten sich die meisten Arbeiter ungewohnter
Errungenschaften wie regelmäßiger Arbeit, bezahlter Überstunden, längerem Urlaub und
Arbeitszeitverkürzungen.
Doch noch immer lebte einer von sieben Australiern in Armut, und alle drei oder vier Jahre
machte eine einschneidende Rezession die Grenzen des Wohlstands deutlich. Ein Lohn– und
Sozialsystem, das noch immer vor allem darauf abzielte, den Lebensunterhalt des Ernährers
zu sichern, bot den Frauen, Kindern oder älteren Menschen wenig. In den aus dem Boden
schießenden Vorstädten gab es nie genug Gehwege oder Straßen, geschweige denn
öffentliche Krankenhäuser oder Schulen. Während des Staatsbesuchs von Königin Elisabeth
II. im Jahre 1954, der ein stürmischer Erfolg wurde, schickte man Australiens gesunde,
glückliche Kinder zur Parade, doch die Panik, welche die Banden straffälliger Jugendlicher
auslösten, machte die scharfen Kanten einer intoleranten Gesellschaft deutlich. In den
Köpfen der Menschen war auch noch immer das Gespenst »der Bombe« und die Angst vor
einem nächsten Krieg lebendig. Die Rhetorik der Politiker war schneidend und ging auf die
Meinung anderer nicht ein. Wenn überhaupt, war es wohl ein ganz besonderer Wohlstand
und eine ebensolche Harmonie, die diese Zeit bestimmte.
Die Konservativen schienen davon überzeugt zu sein, daß die Australier sich mit allem
einverstanden erklärten. Es war sehr praktisch, bei Wahlen die Kommunisten anzugreifen,
obwohl die Wähler 1951 mit knapper Mehrheit den Versuch stoppten, die Kommunistische
Partei zu verbieten. Der konzertierte Kampf zwischen linientreuen Parteigängern und
katholischen Antikommunisten führte 1955 schließlich zur Spaltung der Labor Party, wobei
letztere sich zur Democratic Labor Party zusammentaten. Doch obwohl die Vorlieben der
DLP eindeutig den Liberalen galten, war der Sieg, den Menzies 1961 über die ALP
davontrug, mit nur einer Sitzmehrheit sehr knapp. Konsens und Uneinigkeit lagen immer
nahe beieinander.
Menzies personifizierte die anglo–australische Überlegenheit selbst dann noch, als die
Vereinigten Staaten den Briten ihre zentrale Stellung auf der internationalen Bühne streitig
machten. Denn Australien unterstützte nach wie vor Großbritanniens Versuche, eine
Großmacht zu bleiben. Als beispielsweise die Engländer ihre Atomwaffen testen oder ihre
Raketen abschießen wollten, bot ihnen Menzies das »nicht bewohnte« Land in der Mitte
Australiens an. Offenbar existierten die Aborigines, die hier lebten, offiziell noch immer
nicht.
In den fünfziger Jahren erfanden Soziologen, Gesellschaftsbeobachter und Werbefirmen den
»Australian way of life«. Dies war ein sehr unbeholfener Begriff, aber nichtsdestotrotz ein
ziemlich nützliches Rezept. Aus den luftigen Höhen seiner Ritterschaft herab sprach
beispielsweise Sir Frederic Eggleston von Australien als »einer klassenlosen Gemeinschaft«.
Vielleicht war ja die Kluft zwischen Sir Frederics Privilegien und der Lage eines
Werftarbeiters im Hafen von Melbourne rein zufälliger Natur. Auf alle Fälle lautete die
Botschaft des »way of life«, daß Wohlstand, Sicherheit und Chancen allen Australiern
gemeinsam waren, und deshalb war derjenige, der von Klassenunterschieden sprach, nicht
nur im Unrecht, sondern auch un–australisch.
Der »way of life« war eine trotzige Behauptung gegen kulturelle Unterschiede, insbesondere
die Vorstellung, daß Einwanderer die australische Gesellschaft verändern könnten. Sein
vornehmlicher Zweck war es deshalb auch, den europäischen Einwanderern die rapide
Assimilation vorzuschreiben, ohne daß man dazu auf die in Mißkredit geratene Definition der
Nation als »Bastion der weißen Rasse« ausweichen mußte. Da war »way of life« schon
sicherer, aber doch verschwommen genug, um Vorurteile jeglicher Art zuzulassen. In einem
Land, das so viele »Neuaustralier« aufnahm, konnte man leichter darauf bestehen, daß die
italienischen, deutschen oder griechischen Einwanderer ihre Kultur aufgaben als ihre
»angeborenen« Eigenschaften.
Die nämlichen Ideen rechtfertigten auch andere Anordnungen gegenüber Menschen, die sich
auf welche Art auch immer vom selbsternannten »Mainstream« abhoben. Programme zur
Rettung von Kindern wurden in den Slums durchgeführt, und von unverheirateten Müttern
erwartete man, daß sie freudig einer Adoption ihrer Babies durch »bessere Familien«
zustimmten. Auch von den Aborigines erwartete man Assimilation, jedenfalls von denen, die
man für zivilisiert genug ansah, um ihrer Errettung auch würdig zu sein. Die während der
ganzen fünfziger Jahre geübte Praxis, den Aboriginal–Eltern ihre Kinder wegzunehmen – vor
allem die sogenannten »Mischlinge« – zerbrach nicht nur die Familien, sondern brachte
Schmerz und Angst mit sich, welche die weißen Australier erst jetzt allmählich zu begreifen
vermögen. Vielen dieser »gestohlenen Generation« hat man nicht einmal von ihren
Ursprüngen erzählt oder davon, wohin sie einmal gehört haben. Es fiel eben leichter, eine
gute Tat darin zu sehen, die Kinder der Aborigines fern ihrer Eltern in einem »weißen
Zuhause« aufwachsen zu lassen, wenn man nur ihre Gewohnheiten, nicht aber ihre Rasse
verändern mußte.
Das Vertrauen in den »way of life« war nie ungetrübt. Gebildete Kritiker spotteten über den
Lebensstil in den Vorstädten, beklagten die »australische Häßlichkeit« oder entflohen dem
»kulturellen Katzbuckeln«, indem sie nach England aufbrachen. Selbst die Beweise
australischer Errungenschaften waren nicht ganz ohne negativen Beigeschmack. Bei den
zwei großen Ereignissen, denen die Welt zusah dem königlichen Staatsbesuch von 1954 und
den Olympischen Spielen von 1956 in Melbourne –, befürchteten die Australier, irgend etwas
falsch machen zu können, und waren erleichtert, als alles glatt lief. Die Ängste vor einem
»sich ausweitenden Kommunismus« in Asien banden die australische Regierung nur um so
fester an die Vereinigten Staaten, was so weit ging, daß sie ihre Truppen aufrief, in den
Dschungel von Vietnam zu gehen. Die amerikanischen Soldaten in Südostasien signalisierten
den Australiern die Gewißheit, sicher zu sein. Und als die amerikanischen Streitkräfte die
Unterstützung ihrer Verbündeten brauchten, wurden die australischen Truppen zur Hilfe
geschickt.
Mitte der sechziger Jahre jedoch hatte Australien sich verändert. Als die Oueen dem Land
1963 wieder einen Staatsbesuch abstattete, waren die Massen noch immer begeistert, aber die
Anbetung, die Menzies ihr entgegenbrachte, wurde langsam peinlich. Jedenfalls wurde das
von ihr repräsentierte Großbritannien ein Jahr danach von der so ganz anderen Sprache der
Beatles übertönt. Gastarbeiter zogen ihre Kinder neben den anglo–australischen Arbeitern
auf. Einige beklagten sich, daß die »Kanaken« ihnen die Jobs wegnahmen, aber der Erfolg
der Gastarbeiter beruhte auf ihrer Bereitschaft, Vorurteile zu ignorieren und einander in
Institutionen zu helfen, in denen regionale Unterschiede sich zugunsten intensiverer
»griechischer« oder »italienischer« Gemeinschaften verwischten, und auf einer
selbstverständlichen Toleranz ihren Nachbarn gegenüber.
In anderen Teilen der ungeheuer schnell wachsenden Städte waren aus den Kindern des
Babybooms Erwachsene geworden. Verglichen mit jeder Generation vor ihnen, waren sie
besser ernährt und hatten die Zeit der Pfennigfuchserei und enttäuschten Erwartungen nicht
hautnah erleben müssen. Sie hatten Jobs oder konnten damit rechnen, leicht welche zu
bekommen. Einige heirateten, bekamen früh ihre Kinder und zogen hinaus in die frisch aus
dem Boden gestampften Vorstädte. Andere gingen auf die Universität oder das
Lehrerseminar, um die Qualifikationen und die Sicherheit zu erlangen, die ihre Eltern sich so
sehr für sie erhofft hatten. Aber für viele war die sichere und bequeme Welt, die für sie
geschaffen worden war, zunehmend eine Welt, die sie so eigentlich nicht wollten.
Proteste gegen den Wehrdienst und Australiens Beteiligung am Vietnamkrieg sind Symbol
einer Veränderung, die Zwietracht zwischen die Generationen brachte, verschiedene soziale
Entwicklungen in Gang setzte und 1972 der Labor Party unter Gough Whitlam wieder an die
Macht verhalf. Die Anti–Vietnam–Moratorien und die weniger durchorganisierten
Universitäts– und Straßenkämpfe der frühen siebziger Jahre gaben der Jugend neuen
Auftrieb. Doch die Friedensbewegung wurde neben den Studenten auch von pazifistischen
Veteranen und radikalen Gewerkschaftlern getragen. Und ein wieder auflebender
Feminismus, der für gleiche Bezahlung und Chancengleichheit eintrat, spiegelt die
Entwicklung verheirateter Frauen in der Arbeiterschaft, zu der auch die Mütter der
Frauenbewegung von 1970 gehören.
Getrennt wurden die Generationen durch zutiefst unterschiedliche Zukunftserwartungen,
nicht durch Zivilcourage. Die Unterschiede zeigen sich an einer Verlagerung von der Sorge
zur Zuversicht, vom Finden eines sicheren Orts zur Selbstfindung. Für die Menschen, die
während der Krisen– und Kriegszeit aufwuchsen, bedeutete die sichere Welt der fünfziger
Jahre einen wichtigen emotionalen und psychologischen Fortschritt. Doch ihre Kinder
erfuhren diesen Fortschritt häufig als eine ihnen auferlegte Konformität. Diese Reaktionen
auf verschiedene Erfahrungen ließen sich kaum vereinbaren. Töchter wollten nicht wie ihre
Mütter sein, und das ermöglichten ihnen die Antibabypille, die legalisierte Abtreibung, die
Chancengleichheit und die Möglichkeit, sich leichter scheiden zu lassen. Die Söhne glaubten
mit ihren fernen Vätern nur wenig gemein zu haben, obwohl die Männer sehr viel länger als
die Frauen brauchten, um die Bedeutung dieser Entdeckung zu ermessen. Wenn es im
Australien der sechziger und siebziger Jahre eine »Gesellschaftsrevolution« gab, dann
begann sie zu Hause, in den Familien, nicht auf der Straße.
Die jungen Leute waren nicht mehr bereit, die Sicherheit mit der Unterordnung unter eine
Autorität zu bezahlen, sondern bestanden auf ihrem Recht zu reden und vor allem, nein zu
sagen. Anders zu sein machte einen stolz und gab einem Identität, war nichts Unnormales.
Man hörte sehr viel genauer auf die vorher nur als Randerscheinungen abgetanen Reformer,
die jetzt Formen und Sprache des internationalen politischen Protests aufgriffen. Umstrittene
Themen wurden nun zur Sprache gebracht: Rechte der Ureinwohner, Feminismus, Identität
der Gastarbeiter, Umweltschutz, Rechte der Lesben und Schwulen.
Die auf Reformen ausgerichteten Labor–Regierungen in Canberra und in einigen
Einzelstaaten brachten diese Forderungen zum Ausdruck und reagierten in manchen Fällen
durch ihr Handeln darauf. Die Aborigines, die in einem Referendum von 1967 endlich als
Bürger anerkannt wurden, belebten die entscheidende Frage der Landrechte aufs neue. Die
Gleichberechtigung der Frauen wurde zu einer politischen Angelegenheit. Die Politik des
»Weißen Australien« und der Assimilation wurde zugunsten einer neuen Idee, nämlich der
»multikulturellen Gesellschaft« aufgegeben. Mit dem Wandel kam es zu einem
Wiederaufleben des Nationalismus in der australischen Kunst, dem australischen Theater und
der australischen Kultur.
Doch die kurzlebige Regierung Whitlams war keine Regierung der gesellschaftlichen
Umwälzungen. In vielen Teilen des ganz gewöhnlichen Australien erinnert man sich im
Zusammenhang mit ihr an das erste erschwingliche Gesundheitssystem, Zuwendung für
Alleinerziehende und Senioren, bessere Schulen sowie Gehwege und Abwasserleitungen.
Doch 1975 endete der »lang anhaltende Wirtschaftsaufschwung«, der in den fünfziger Jahren
seinen Anfang nahm. Die Labor–Regierung versuchte die Probleme einzugrenzen, aber so
vorsichtig Australien auch seine politischen Maßnahmen gestalten mochte, es wurde doch
wie immer ein Opfer der wirtschaftlichen Probleme mächtigerer Nationen.
Neu entdeckte Öl– und Gasvorkommen hielten die australischen Energiekosten niedrig,
jedoch die Energiekrise in Nordamerika und Europa beeinträchtigte den Handel und das
Exporteinkommen. In einer galoppierenden Inflation wechselten steigende Preise und
steigende Löhne einander ab. Wettbewerb aus Japan und anderen sich entwickelnden
Wirtschaftsnationen Asiens unterhöhlten die Selbstzufriedenheit der Fabrikanten, während
multinationale Gesellschaften, die zu Hause mit harten Zeiten zu kämpfen hatten, ihr
Engagement auf australischem Boden reduzierten. Die Arbeitslosigkeit stieg auf ein Niveau
an, das während der langen Aufschwungphase nie erreicht worden war, und sie nahm nicht
ab, was noch schwerer wog.
Die Zeit der Whitlam–Regierung wurde von diesen ökonomischen Problemen und
insbesondere von den zur Uneinigkeit führenden Lösungen beherrscht. Einige hielten die
Labor Party für ungeeignet, gesundes Wirtschaften zu ermöglichen. Ein konservativer Senat
blockierte die Finanzpolitik der Regierung: Als der Generalgouverneur darauf mit der
Begründung, daß die Regierung nicht mehr wirksam arbeiten könne, beschloß, diese im
November 1975 aufzulösen, waren ihre Gegner erleichtert. Andere hatten das Gefühl, daß der
ganze Schwung des Wandels durch einen Anachronismus verraten worden war. Jedenfalls
wurden die Fragen, die sich anläßlich der Regierungsauflösung stellten, durch den
überragenden Sieg der Konservativen bei der nachfolgenden Wahl erstickt.
Wenn sich die folgende Regierung der Liberal Party unter Malcolm Fraser auch in den
Punkten Außenpolitik, Einwanderung und multikulturelle Gesellschaft nicht sonderlich von
der Labor–Regierung unterschied, gerieten die traditionellen Ziele der Konservativen doch
erneut unter Beschuß. Die Wirtschaftspolitik legte fest, daß die Arbeitslosen und die gering
Entlohnten den höchsten Preis der anhaltenden Inflation zu bezahlen hatten. Unter
»unnötigen« Regierungsausgaben schien man immer das für die Armen verwendete Geld zu
verstehen, nie die Ausgaben für die Interessen und Vorteile der Mittelschicht, die für die
Wahlen doch so entscheidend war. Und indem Fraser den »sozialistischen« Gewerkschaften
ihre »Gier« zum Vorwurf machte, unterschied er sich in seiner Rhetorik nicht allzu sehr von
der Hatz auf die Roten während der zwanziger Jahre.
In den acht Jahren wachsender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Probleme wurde sehr
viel geredet, aber wenig getan. Kurzlebige »Aufschwünge«, die für die Mineralölindustrie
und ein paar glückliche Arbeiter Gewinne abwarfen, konnten den Wohlstand der sechziger
Jahre nicht wieder herstellen, und der zunehmende Reichtum von Queensland und Western
Australia ging Hand in Hand mit den sinkenden Gewinnen in den Industriegebieten der
südlichen Staaten. »Strukturelle Anpassung« lautete der unbeholfene Euphemismus für die
harte Realität wie strukturbedingte Arbeitslosigkeit und eine wachsende Ungleichheit
zwischen den Klassen, Regionen und Generationen.
Die einschneidende Rezession der Jahre 1982 und 1983 half mit, die Glaubwürdigkeit der
Fraser–Regierung und ihre Mehrheit zu zerstören. Doch die Erfahrungen der siebziger Jahre
hatten auch die Labor Party verändert. Weil die neue Regierung es leid war, diejenigen zu
bekämpfen, die beim Sturz Whitlams mitgeholfen hatten, redete sie zwar viel von
Veränderung, aber ohne daß dabei von der Parteitradition, die wirtschaftlichen Vor– und
Nachteile gerechter verteilen zu wollen, noch recht viel übrigblieb.
Am Ende der achtziger Jahre schien es, als würden mit dem hundertsten Geburtstag des
Staatenbundes dramatische Veränderungen der Symbole und sogar der Strukturen der Nation
einhergehen. Wollte man sich jetzt Australiens Zukunft vorstellen, gehörte dazu, daß man
seine Vielfalt lobte, die asiatischen Länder als Handelspartner und nicht als Bedrohung
ansah, sich zur Hinterlassenschaft der Enteignung der Aborigines und der Fiktion einer terra
nullius bekannte, die fortdauernde enge politische Beziehung zu Großbritanniens Monarchie
in Frage stellte und sich zugleich fragte, ob Australien in der Lage sein würde, sein
antagonistisches Verhältnis zu seiner eigenen Geographie und Geschichte zu überwinden.
Diese Fragen und Herausforderungen verbanden sich zu einem lockeren Plänegefüge, wie
Australiens Zukunft neu zu gestalten wäre. Stichworte waren: multikulturelle Gesellschaft,
ein bewußteres Verhältnis zur Umwelt, Aussöhnung mit den Ureinwohnern,
Republikanismus.
Der multikulturellen Gesellschaft konnte man sich schließlich rühmen, aber die auf Reichtum
und Klasse beruhenden Unterschiede wurden weitgehend ignoriert. Die Entscheidung der
Labor–Regierung, die erlahmende australische Wirtschaft der Globalisierung »zu öffnen«,
mag unvermeidbar gewesen sein, aber Entscheidungen darüber, wer die Last zu tragen hatte,
waren niemals vorherbestimmt. Die Neustrukturierung der Wirtschaft brachte ein paar
Gewinner, aber auch eine große Anzahl von Verlierern hervor. Für diejenigen, die ihre
Arbeitsplätze behielten, begrenzte die mit den Gewerkschaften an einem Strang ziehende
Labor–Regierung die Löhne, während die miteinander verbündeten Senkrechtstarter sich mit
dicken Bonussen belohnten und Spekulanten Millionen gewannen oder auch verloren. Die
Labor–Regierung kehrte zu einem staatlichen Gesundheitssystem zurück, reformierte die
Fürsorgezuwendungen und investierte sehr viel Energie in die Berufsausbildung. Doch die
grundlegende Infrastruktur von Gesundheitswesen, Transportwesen und Erziehung nutzte
sich ab, da die Regierungen weitestgehend privatisierten und den Rest
»herunterwirtschafteten«. Die Regierungsprogramme sicherten zwar die ganz Armen so weit
ab, daß es ihnen nicht noch schlechter ging, doch vor allem bat man die Lohn– und
Gehaltsempfänger zur Kasse, nicht die Reichen.
Nach einer weiteren drückenden Rezession in den frühen neunziger Jahren wurden die
Berichterstatter endlich wach für die tief verwurzelte Arbeitslosigkeit und das wahre Ausmaß
des Elends in den Ländern des »Rostgürtels« wie Victoria und South Australia. Manche
sprachen unbeholfen von einer aufkommenden »Unterschicht«. Andere vertraten hartnäckig
die Ansicht, daß all das Gerede von der wachsenden Armut nur das maskierte, was alle
»wußten«: daß die Arbeitslosen nur faul waren und zu ihrem eigenen Nutzen zum Arbeiten
angetrieben werden sollten, die Fürsorgeempfänger alle nur Schwindler und Betrüger waren.
Die mangelnde Vorstellungsgabe dieser Leute wurde nur noch von ihrer Hartherzigkeit
übertroffen. Die Neigung zu bestrafen und zu stigmatisieren wurde auch auf andere
traditionelle Angriffsziele übertragen. Politische Einzelgänger griffen die Gastarbeiter dafür
an, daß sie sich im Staat breitmachten, ohne gleichzeitig Teil des Staates zu sein, und die
Aborigines mußten sich empörte Vorwürfe anhören, weil sie es wagten, Gerechtigkeit zu
fordern. Die vorherrschende konservative Einstellung löste diese Angriffe zwar nicht direkt
aus, tat aber auch kaum etwas, um sie aktiv zu brandmarken.
Die erfolgreichen Prime Minister der Labor–Regierung Bob Hawke und Paul Keating
erfanden Australiens Zukunft neu – als »kluges Land« oder »Arbeitsnation« –, erneuerten
aber nicht. In den neunziger Jahren haben die großen politischen Parteien einander – und
auch sehr viele Wähler – fast davon überzeugt, daß Australiens Zukunft darauf hinausläuft,
daß jeder selbst zusehen muß, wie er in einer immer stärker privatisierten Welt
zurechtkommt. Alles wird an den Begriffen der »wirtschaftlichen Gegebenheiten« gemessen.
Die Regierung wird jetzt von denen beherrscht, die wissen, wie man Kosten verursacht, ohne
daß ein entsprechender Wert dahintersteckt. Die Wähler verabschieden sich von unfähigen
Regierungen, doch nur um festzustellen, daß die Alternativen auch nicht viel besser
aussehen. Und der Wahlsieg der Konservativen von 1996 mag bei einigen Australiern die
Frage aufwerfen, ob eine Zukunft, die von und für diejenigen gemacht wird, denen es gut
geht, auch für sie Platz hat.
Über ihre europäische Geschichte hinaus, wurde bei allen Zweifeln über und jeglichem
Vertrauen in Australiens Zukunft immer eine Debatte darüber in Gang gehalten, welche Art
der alten oder neuen Welt das sein sollte. Im allgemeinen Umweltbewußtsein und im
Tourismus erfahren immer mehr Australier das Alter und den Tenor eines Landes, das anders
ist. Australien wird immer noch entdeckt langsam.
Zukünftige Generationen mögen urteilen, daß die neunziger Jahre einen Wendepunkt in der
Einstellung zu Reichtum und Ungleichheit darstellten, der nicht weniger bedeutsam war als
der vor hundert Jahren. Sie mögen sich kritisch zu den Siegen im Umweltschutz und den
schwierigen Streitfragen hinsichtlich Fortschritt, Bewahrung und ländlicher Lebensformen
äußern. Sie mögen die politische Stärke preisen, die es geschafft hat, die Waffen aus den
australischen Wohnungen zu verbannen, aber auch darüber grübeln, warum diese Energie
nicht auch aufgebracht werden konnte, um Arbeitsplätze zu schaffen und der Jugend Chancen
zu geben. Sie mögen sich fragen, warum die Debatten über Verfassungen und ein von der
englischen Monarchie befreites, republikanisches Australien so lange ergebnislos blieben,
und das, wo die Jahrhundertfeier des Zusammenschlusses vor der Tür stand. Vielleicht
werden sich ihre wichtigsten Fragen darauf konzentrieren, wie es um Versöhnung und
Gerechtigkeit für die australischen Ureinwohner bestellt ist, nachdem der High Court in
seinem 1992 gefaßten Mabo–Beschluß zu den Landrechten schließlich festgelegt hat, daß die
weißen Australier sich mit den moralischen und rechtlichen Konsequenzen ihrer Geschichte
auseinanderzusetzen haben. Die zukünftigen Generationen könnten sich an die neunziger
Jahre wegen ihrer innovativen Versuche erinnern, sich mit der Armut und der Enteignung der
Aborigines zu befassen. Oder sie denken bei den neunziger Jahren an den Mangel an
Visionen und den fehlenden Mut.
Für die Menschen von morgen, wie für uns, wird die Vergangenheit sich auch aus den
Augenblicken zusammensetzen, wo die Zukunft hätte anders verlaufen können. Und es gibt
Stellen in unserer Vergangenheit und unserer Gegenwart, wo die Wahrheit über eine
Geschichte erzählt wird, die Zehntausende von Jahren umfaßt, nicht nur ein paar hundert. Bei
der Wahrheit geht es nicht um Schuld, sondern um Verantwortung und Erkenntnis. Davon
sind wir in den letzten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts genauso weit entfernt wie je
zuvor. Es gibt immer noch etwas zu entdecken – und neu zu entdecken.
Anhang
Glossar
AIF Australian Imperial Force, australische Streitkräfte
ALP Australian Labor Party
ANZAC Australian and New Zealand Army Corps (Bündnisarmee im Ersten
Weltkrieg)
Digger Goldgräber; seit dem Ersten Weltkrieg auch populäre Bezeichnung für
den australischen Soldaten
DLP Democratic Labor Party
exclusivists Bezeichnung für die freiwillig nach Australien Ausgewanderten
(Exklusive)
emancipists Bezeichnung für die rehabilitierten Strafgefangenen
(Emanzipierte)
Generalgouverneu Staatsoberhaupt in Vertretung der Königin oder des Königs von
r England
Premier Regierungschef eines australischen Bundesstaates
Prime Minister Regierungschef des australischen Staatenbundes (Commonwealth)
Squatter ursprünglich illegaler Siedler; wird heute auf Besitzer großer
Ländereien angewandt
Treasurer Finanzminister
Zeittafel
40000 v. Chr.und früher Besiedelung des australischen Kontinents von Südostasien über
die indonesische Inselwelt und Neuguinea; archäologische Funde
von 20 000 bis über 40 000 Jahre alten Knochen und
Werkzeugen.
1606 Willem Jansz landet an der Westküste von Cape York.
1642–1644 Abel J. Tasman entdeckt Van Diemens Land (Tasmanien), segelt
entlang der australischen Nord– und Nordwestküste.
1688/1699 William Dampier landet an der Nordwestküste und berichtet als
erster Engländer über Australien.
1770 James Cook erkundet die Ostküste und landet in Botany Bay; auf
Possession Island deklariert er im Namen des englischen Königs
Georg III. die Souveränität über den Ostteil Australiens, den er
New South Wales nennt.
1788 Landung der Ersten Flotte (First Fleet) in Botany Bay; Kapitän
Arthur Phillip wird erster Gouverneur. Port Jackson wird
Hauptort der Niederlassung, aus dem später Sydney wird.
1813 Der Übergang über die Blue Mountains wird möglich; die
Kolonie dehnt sich nach Westen aus.
1817 Expeditionen ins Landesinnere, um den vermuteten großen
Binnensee zu finden.
1824 Der Überlandweg von der Ost– zur Südküste an den Snowy
Mountains vorbei wird erschlossen.
1826/27 Die ersten Sträflingslager werden errichtet.
1827 Erkundung des Swan Rivers.
1828 Der Westen Australiens wird für England in Besitz genommen.
Gründung von Perth.
1831 Proklamation der Kolonie West Australia.
1835 Melbourne wird gegründet.
1836 Edward Gibbon Wakefield forciert die »systematische
Kolonisierung«; Gründung der Kolonie South Australia.
1840 Die Sträflingstransporte nach New South Wales werden
eingestellt (Mo–lesworth–Beschluß).
1850/51 Proklamation der Kolonie Victoria; Beginn des Goldrausches in
New South Wales und Victoria, Höhepunkt 1892/93 in
Kalgoorlie/Western–Australia.
1853 Frankreich besetzt Neukaledonien, gibt es aber später wieder auf.
1855/56 Selbständige Regierungen für die Kolonien Victoria, New South
Wales, South Australia, Van Diemens Land (Tasmanien).
1859 Proklamation der Kolonie Queensland mit eigenständiger
Regierung.
1866 Erste Interkontinentale Ausstellung in Melbourne.
1867 Beendigung der Sträflingstransporte nach West Australia;
Attentatsversuch gegen Prince Alfred anläßlich seines Besuches
in Sydney.
1872 Die Overland Telegraph Line von Adelaide nach Darwin wird
fertiggestellt.
1888 100. Jahrestag von New South Wales.
1894 Einführung des Frauenstimmrechts in South Australia; 1899 in
West Australia.
1890 Eigenständige Regierung in Western Australia.
1897/98 Federal Constitutions zur Vorbereitung des Staatenbundes.
1901 Proklamation des »Commonwealth of Australia« durch Queen
Victoria. Hauptstadt des Bundesstaates wird Melbourne (ab 1927
Canberra).
1911 Aufnahme des Northern Territory in den Bundesstaat.
1914–18 Australien nimmt auf Seiten Englands am Ersten Weltkrieg teil;
Gründung der Australian Imperial Forces (AIF) und des Australia
and New Zealand Army Corps (ANZAC); schwere Verluste bei
Gallipoli/Dardanellen (25. 4. 1915, seitdem Nationalfeiertag).
1919 Grippeepidemie fordert 12000 Opfer.
1929 Die Weltwirtschaftskrise trifft Australien hart, es folgen Jahre der
wirtschaftlichen Depression.
1939–1945 Australien auf seiten der Alliierten im Zweiten Weltkrieg;
Oktober 1941 Angriff der Japaner auf Pearl Harbor;
Bombardierung Darwins durch die Japaner, japanische U–Boote
im Hafen von Sydney; Australien steht unter amerikanischem
Oberbefehl (General Douglas MacArthur) insbesondere zur
Verteidigung des Südwestpazifiks.
nach 1945 Forcierte Einwandererpolitik zum Auf– und Ausbau des Landes;
»White Australia Immigrations Policy« (Dictation Test).
1949 Bergarbeiterstreik in New South Wales.
1954 Erster Staatsbesuch von Königin Elisabeth II.; zweiter Besuch
1963.
1956 Olympische Spiele in Melbourne.
1965–1971 Australien beteiligt sich auf seiten der USA am Vietnamkrieg.
1967 In einem Referendum erhalten die Aborigines die Bürgerrechte.
1975 Entlassung der Labor–Regierung unter Gough Whitlam (seit
1972), neue Regierung unter Malcolm Fraser (Liberal Party),
wird in den achtziger Jahren wieder durch die Labor–Regierung
abgelöst (Bob Hawke, Paul Keating).
1977 Gesetzliche Anerkennung der Landrechte der Aborigines im
Northern Territory.
1993 Sydney wird zum Austragungsort der Olympischen Spiele
Sommer 2000 gewählt.
1996 Wahlsieg der Liberal Party und Na–tional Party, doch
Fortsetzung des Reformkurses in Wirtschafts– und Finanzfragen.
1997 Förmliche Entschuldigung von Prime Minister Howard bei den
Aborigines für die rigorose Politik der Zwangsadoption in den
fünfziger Jahren.
1998 Gesetzliche Einschränkung der Landrechte der Aborigines, wenn
beanspruchtes Land bereits zur Nutzung verpachtet ist. Bei
vorgezogenen Parlamentswahlen Stimmenverluste für die
konservative Koalition, sie bleibt aber an der Regierung.
Literatur
Die folgenden Bücher behandeln die im vorliegenden Band angesprochenen Themen und
Ereignisse sehr viel genauer und ausführlicher und seien als interessante weitere Lektüre zur
australischen Geschichte empfohlen.
Brett, Judith: Robert Menzies' Forgotten People. Sydney 1992.
Broome, Richard: Aboriginal Australians. Black Responses to White Dominance, 1788–
1994. 2. Aufl.1994.
Davison, Graeme: The Unforgiving Minute. How Australians Learned to Tell the Time.
Melbourne 1993.
Flannery Tim: The Future Eaters. An Ecological History of the Australian Lands and People.
Sydney 1994.
Grigsby, J. R., T: I? Gurry: Australia's Frontiers. An Atlas of Australian History. Sydney
1979.
Griffiths, Tom: Hunter and Collectors. The Antiquarian Imagination in Australia. Melbourne
1996.
Grimshaw, Patricia, Marilyn Lake, Arm McGrath und Marian Quartly: Creating a Nation,
17881990. Melbourne 1994.
Macintyre, Stuart: The Oxford History of Australia. Bd. 4: The Succeeding Age, 1901–1942.
Melbourne 1986.
Markus, Andrew: Australian Race Relations, 1788–1993. Sydney 1994.
McCalman, Janet: Struggletown. Public and Private Life in Richmond, 1900–1965.
Melbourne 1984. Reynolds, Henry: The Other Side of the Frontier.
Aboriginal Resistance to the European Invasion of Australia. Melbourne 1982.
Rickard, John: Australia. A Cultural History. 2. Aufl. London 1997.
Thomson, Alistair: Anzac Memories. Living with the Legend. Melbourne 1994.
Voigt, Johannes H.: Geschichte Australiens. Stuttgart 1988.
White, Richard: Inventing Australia. Images and Identy,1688–1980. Sydney 1981.

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