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PZ Pforzheim vom 02.09.

2017
36 SAMSTAG, 2. SEPTEMBER 2017
GE S CHICHT EN AUS DER R E GION  $ #" ! UND VON DAHEIM
PFORZHEIMER ZEITUNG NUMMER 203

Hier befindet sich die Wüstung Nitlingen, wie Michael Schmidt demonstriert.

Zwar kein Ort mehr, aber ein


herrliches Fleckchen Erde
Südlich von Göbrichen bei den
Neulinger Dolinen, unweit der
Bundesstraße 294, lag einst die
im 13./14. Jahrhundert nicht
unbedeutende Siedlung Nitlin-
gen, auch Neidlingen genannt.
Die Ortschaft verfügte nach
Einschätzung von Heimat-
Neulingens Bürgermeister Michael Schmidt nahm sich für die PZ Zeit und steuerte mit seinem Lada-Geländewagen mehrere geheimnisumwobene Orte an: die kundlern über Kirche, Friedhof
Wüstungen Weiher bei Nußbaum (Bild) und Nitlingen bei Göbrichen. und eine Burg und war über ei-
ne gewisse Zeit auch als Pferde-
station für wichtige Straßen,

Schultes Michael Schmidt


die die Region durchzogen, ei-
ne gefragte Anlaufstelle. Die
Lage in der heutigen Dolinen-
landschaft ist ein Hinweis, war-

und die verlorenen Dörfer


um Wüstungen entstehen kön-
nen. Viel mehr als heute waren
Zivilisationsareale früherer Zei- Im Dolinengebiet ist es immer wieder zu
ten auf naturräumliche Eigen- Absenkungen gekommen.
schaften angewiesen. Wasser
TEXT UND FOTOS: in dem schon vor Jahrhunderten die und fruchtbare Böden so-
PETER MARX Menschen ihrer Zeit ihre Dorfgär- wie die Errichtung an
ten angelegt hatten, ist am Handelsrouten er-
Rand einer dicht bewachse- öffneten Perspek-
Wüstungen? Das sind bebaute Orte, nen Waldinsel schließlich ei- tiven. Verände-
ne alte Quelle zu entde- rungen der Na-
die vor Jahrhunderten einmal be- cken. Beim Vorkämpfen tur, Krankhei-
wohnt waren, aber längst aufgege- durchs Gesträuch lassen ten wie die Pest
ben worden sind. Auch in der Region sich schließlich künstliche und Kriege be-
Erhöhungen im Gelände er- günstigten das
gibt es viele dieser ursprünglichen kennen. Spuren kundiger Abwandern der
Zivilisationskerne, die oft auch für Zeitgenossen aus deutlich jün- Bevölkerung, im
den Fachmann nur mit Adleraugen gerer Geschichte sind ebenfalls schlimmsten Fall ihre
zu finden. Jede Menge Glasflaschen Auslöschung. Auch zu
erkennbar sind. Um andere Orte ran- und eine im Dickicht untergestellte, alte Me- Nitlingen finden sich in der er-
ken sich Legenden, man weiß aus tallbadewanne lassen darauf schließen, dass wähnten Monographie des Hei-
Karten und Urkunden, dass es sie die Nußbaumer Jugend das legendäre, uralte matforschers Heinrich Tölke
Weiher längst für wilde Partys in Beschlag ge- viele Hinweise. Weitere Wüs-
gab, doch in der Flur können sie bis In der Wüstung Weiher: Michael Schmidt nimmt einen nommen hat. Die Weiherer Gemarkung wurde tungen werden in der Region
heute nicht exakt lokalisiert werden. alten Brunnen in Augenschein. übrigens in den Schriften bis ins 19. Jahrhun- vermutet (siehe Info-Kasten).
dert hin gesondert aufgelistet. Die erste siche-

E
ines ist sicher: Mit Neulingens Bürger- re Erwähnung Weihers fand 1412 statt. Aller- Interessante Schriften zu Wüs-
meister Michael Schmidt auf Mar- dings gehen Heimatkundler davon aus, dass tungen in der Region sind im
kungstour zu gehen und sich beispiels- der Ort deutlich älter ist. Im 16. Jahrhundert Kreisarchiv des Landratsamts Die Wüstung Nitlingen liegt im Natur-
weise auf die Spuren der beiden Wüstungen wird Weiher bereits als „abgegangen“ bezeich- auf Anmeldung einsehbar. schutzgebiet südlich von Göbrichen.
Weiher bei Nußbaum und Nitlingen bei Göbri- net, ist also Wüstung.
chen zu begeben, hat ein klein wenig Expediti- Für die Gemeinde Neulingen hat sich ein
onscharakter. Sonne satt und grüne Wiesen lo- passionierter Forscher ganz besonders hervor-
cken bei der lockeren Ausfahrt. Und wo Grä- getan, wenn es um liebevoll herausgearbeitete
ben oder Höhenunterschiede zu bewältigen Heimatkunde geht: Das ist Heinrich Tölke aus
sind, erweist sich Schmidts Lada-Geländewa- Karlsruhe-Durlach, der in ungemein aufwen-
gen aus russischer Produktion als Alleskönner. diger und detaillierter Art und Weise viele Ge-
Doch alle Fahrkünste und historische Karten heimnisse der Vergangenheit zu faszinieren-
helfen nicht weiter, wenn dichter Baum- und dem Leben wiedererweckt hat. Seine zweibän-
Strauchbestand historische Areale bedeckt. dige „Monographie eines Dorfes und einer
Zum Auftakt der Tour entfährt dem PZ-Re- Landschaft im Norden Pforzheims“ unter dem
porter auf der Suche nach der Wüstung bei Titel „Göbrichen/Neulingen“, die im Verlag
Nußbaum denn auch ein beziehungsreiches Bernhard Gengenbach (Bad Liebenzell) er-
„Oh Weiher“. Auf der Gegenanhöhe zum Wei- Blick von der Wüstungsanhöhe Weiher auf das heute schienen ist, stellt eine Fundgrube des Wis- Alte Gemäuer bietet die Wüstung Nitlingen nicht. Und auch sonst sieht das
herbuckel, einem gepflegten Freizeitgelände, noch existente Freizeitareal am Weiherbuckel. sens dar. Gelände heute anders aus. Nitlingen wurde einst in einem dichten Wald errichtet.

Abc der möglichen Wüstungen im Bereich Pforzheim/Enzkreis


A Dollbronn (Schellbronn) Heilig Kreuz Kapelle (Nußbaum) Ketzinger/Katzental (Bilfingen) Obermönsheim (Mönsheim) Thailfingen/Dagelfingen (Enzberg)
Aalhaus (Dürrmenz) Du Queyras (Dürrmenz) Heimbronn (Nußbaum, Göbrichen) Kirche in der Öd (Hagenschieß) Ottenheim (Öschelbronn) Tiefenbach (Birkenfeld)
Altenhofen (Knittlingen) E Heimerweg/Höwingen (Tiefenbronn) Klampfingen (Steinegg) Öffingen (Illingen) Tröstbachhof (Neuenbürg)
Arlingen (Brötzingen) Eich (Nöttingen) Henkelberg (Iptingen) Kolbenhausen (Ötisheim) R U
B Eichhaim (Öschelbronn) Heslach (Lienzingen) L Rattach (Niefern, Eutingen) Ütingen (Wimsheim)
Bach/Bächingen (Dürrn) Elfingen (Maulbronn) Hetzingen (Dürrn) Langendorf (Niefern) Rauental (Öschelbronn) Untermberg (Dürrmenz)
Bechthofen (Huchenfeld) Elgerateswilare (Nußbaum) Heuberg (Dennach) Lollhardenhaus (Illingen) Remchingen (Wilferdingen) W
Bernhardsweiler (Knittlingen, Erlach/Ohrlach (Dürrmenz) Hochstetten (Kieselbronn) Lucerne (Wurmberg) Riesch (Eutingen, Niefern) Waldbruderhaus (Sternenfels)
Oberderdingen) F Hofstatt (Heimsheim) M Roth-Salmbach (Ölbronn) Weiher (Nußbaum)
Beuern (Nußbaum) Falkengarten (Dillstein) Hofstatt (Sternenfels) Malschhausen (Göbrichen) Rotplatte/Rod (Pforzheim) Weiler (Sternenfels)
Billensbach/Bulispach Freudinger (Zaisersweiher) Hub (Wurmberg) Mäulbronn (Knittlingen) S Weiler am Monbach (Neuhausen)
(Maulbronn) Friedrichshof (Mönsheim) Huchenfeld (Eisingen) Mönchshofen, Maminchoven Salzachhof (Maulbronn) Weilerfeld (Heimsheim)
Birkhof (Iptingen) G Hägenich (Knittlingen) (Wilferdingen, Darmsbach) Schellbach (Göbrichen) Weilerle (Ersingen)
Birkhof (Wurmberg) Gumpoltsschüren Höfle (Kieselbronn) Mühle (Enzberg) Schellenberg (Mönsheim) Weissach (Knittlingen)
Blancken (Tiefenbronn, Friolzheim) (Ottenhausen, Gräfenhausen) Höfle (Zaisersweiher) Mühlhausen am Brühl (Ölbronn) Scholpingen (Dürrn) Wilflingen (Pforzheim)
Bohningen (Ersingen, Bilfingen, H Höwingen (Lehningen) Mulinhusen (Ölbronn) Schwabhausen (Dennach) Wolmersbure (Ottenhausen)
Wilferdingen, Sperlingshof) Hadandesheim I N Seltenbach (Neuhausen, Hamberg) Z
Bonlanden (Steinegg) (Dürrn oder Maulbronn) Igelsbach (Niefern, Eutingen) Nallenmule (Ottenhausen) Stockam (Öschelbronn) Ziegelhaus (Wurmberg)
Brandal (Bauschlott) Hangensteinhof Iselsbach (Kieselbronn) Nitlingen/Neitlingen (Göbrichen) Steckhof (Iptingen) Ziegelhütte (Maulbronn)
Brinklingen (Ötisheim) (Niefern-Öschelbronn) K Niederhofen (Lomersheim) Stetten (Knittlingen)
Burghausen (Niefern) Hartheim (Öschelbronn, Hagenschieß) Kapelle St. Heinrich ob dem O Straubenhardt (Dennach)
Böhringen (Iptingen) Hägenich (Knittlingen) Baumweggrund (Hagenschieß) Oberer Hagen (Lomersheim) T (Grundlage dieser Liste
D Hegenach (Schützingen) Kerzemerrain/Kerzheim/Kerzenheim Oberhagen (Dürrmenz) Tannhofen (Brötzingen) ist die Auswertung
Delebrunnen (Dietenhausen) Hegnach (Ötisheim) (Steinegg) Oberhofen (Knittlingen) Taulbronnen (Hamberg) mehrerer Schriften)

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