Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
EDITED BY
ROBERT J. BAST, Knoxville, Tennessee
IN COOPERATION WITH
VOLUME CXXI
MEDIZINISCHE THEOLOGIE
MEDIZINISCHE THEOLOGIE
CHRISTUS MEDICUS UND THEOLOGIA MEDICINALIS
BEI MARTIN LUTHER UND IM LUTHERTUM DER
BAROCKZEIT
VON
BRILL
LEIDEN • BOSTON
2005
This book is printed on acid-free paper.
BX8074.H42S74 2005
261.5'61'0882841-dc22
2004062926
ISSN 1573-5664
ISBN 90 04 14156 1
All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, translated, stored in
a retrieval system, or transmitted in any form or by any means, electronic,
mechanical, photocopying, recording or otherwise, without prior written
permission from the publisher.
TEIL I
Martin Luthers theologia medicinalis
1. Der Sünder vor Gott als Patient — Christus medicus .... 3
2. medicina corporalis et spiritualis ........................................ 7
3. Die Verwandtschaft von Medizin und Theologie ............ 11
4. Sündhaftigkeit als Urkrankheit — remissio peccatorum
als Radikalkur ...................................................................... 16
5. Das verbum Dei als Arznei .............................................. 19
6. Prediger und Bischöfe als ,Spitalmeister‘ .......................... 24
7. Die christologische Koinzidenz von medicus und
medicina .............................................................................. 28
8. Gesetz und Evangelium: Diagnose und Therapie ............ 32
9. Medizin und Theologie: Erfahrungswissenschaften .......... 37
10. pharmacologia sacra: Das Wort Gottes in den
Arzneien .............................................................................. 39
11. Christus, der Arzt und Apotheker: Arztpraxis und
Apotheke als Erfahrungsräume des Glaubens .................. 42
TEIL II
Die theologia medicinalis in der lutherischen Orthodoxie
1. Vorbemerkungen .................................................................. 51
2. Johannes Vietor .................................................................. 54
3. Christus als Arzt und Apotheker — Jes 55,1 und
Mt 11,28 .............................................................................. 59
vi inhalt
TEIL III
Editionen
1. Wilhelm Sarcerius, Der Hellische Trawer Geist (1568) ...... 149
2. Simon Musäus, Nützlicher Bericht [. . .] wider den
Melancholischen Teuffel (1569) .......................................... 210
3. Valerius Herberger, Leichenpredigt auf Flaminius
Gasto (1618) ........................................................................ 257
Abbildungen ................................................................................ 323
Quellen- und Literaturverzeichnis zum Editionsteil ................ 329
Quellen- und Literaturverzeichnis zu Teil I und II .............. 339
Abkürzungsverzeichnis ................................................................ 353
Bibelstellenregister ...................................................................... 357
Namenregister ............................................................................ 364
Dank ............................................................................................ 369
EINLEITUNG
Ein vieldiskutiertes Thema ist die Frage, wie sich die Reformation
auf das Verständnis der Berufsarbeit ausgewirkt hat1. Bekannt ist,
daß Luther die weltliche Berufstätigkeit als eine Konkretion der
christlichen Nächstenliebe angesehen hat. Gottesdienst findet nach
Luther nicht im Rückzug von der Welt statt, sondern auch und ge-
rade im Reich der Welt, also dadurch, daß sich der Mensch der
Lebenswelt des Alltags zuwendet. Zwar sind nach Luther zwei Reiche
bzw. Regimente zu unterscheiden: Ein Christenmensch lebt als Welt-
person unter dem weltlichen Regiment, das Gott eingesetzt hat, damit
die äußeren Koordinaten für das soziale Miteinander gesetzt und
Frieden und Gerechtigkeit gewahrt werden. Als Glaubender aber
lebt der Mensch hier und jetzt bereits im Reiche Gottes. Gleichwohl
dient ein jeder auch im weltlichen Bereich Gott, indem er dem
anderen ein Christus wird, einer beruflichen Tätigkeit nachgeht und
so das Gebot der Nächstenliebe befolgt. So betrachtet ist das arbeits-
teilige Prinzip Ausfluß des Doppelgebotes der Liebe.
Es ist kein Geheimnis, daß Luther im Rahmen seiner Berufsethik
einen ursprünglich geistlich, näherhin monastisch konnotierten Begriff,
nämlich den der vocatio, säkularisiert hat. ,Beruf ‘ ,,als Spezialausdruck
für rein weltliche Tätigkeit“2 verwendet Luther erstmals in der
,Kirchenpostille‘ (1522). Luther gilt damit als derjenige, der die heutige
Verwendung des Lexems ,Beruf ‘ für ,weltliche Arbeit‘ geprägt hat.
,,Die Geschichte des Worts zeigt also eine völlige Umdrehung seiner
Bedeutung. Erst hieß es: allein das Mönchtum hat einen Beruf; Luther
sagt umgekehrt: gerade das Mönchtum hat keinen Beruf; der wahre
Gottesberuf verwirklicht sich innerhalb der Welt und ihrer Arbeit“3.
1
Vgl. aus der reichhaltigen Lit. Gustaf Wingren, Art. Beruf II, in: TRE 4 (1980),
S. 657–671, hier: S. 660–666. Ders., Luthers Lehre vom Beruf (= FGLP 10/3),
München 1952. Herbert Olsson, Grundproblemet i Luthers socialetik, Bd. 1, Lund
1934. Karl Holl, Die Geschichte des Worts Beruf, in: Ders., Gesammelte Aufsätze
zur Kirchengeschichte III. Der Westen, Tübingen 1928, S. 189–219.
2
Wingren, Art. Beruf (wie Anm. 1), S. 660f. Vgl. Holl, a.a.O. (wie Anm. 1),
S. 217.
3
Holl, a.a.O. (wie Anm. 1), S. 219.
viii einleitung
Umgekehrt aber — und hierauf ist das nötige Augenmerk noch nicht
genügend gerichtet worden — ist diese Säkularisierung des Begriffes
,Beruf ‘ die Bedingung der Möglichkeit einer Sakralisierung des
weltlichen Bereichs, die wiederum Folgeerscheinung der Dialektik der
Zwei-Reiche-Lehre ist: Wer beruflich tätig ist, läßt die Nächstenliebe,
die Funktion, ja Ausdruck der Liebe zu Gott ist, Gestalt gewinnen
und somit das Reich Gottes sichtbar werden.
Ebenfalls weitgehend unerforscht ist die Frage, wie sich das refor-
matorische Berufsverständnis auf die Bewertung einzelner beruflicher
Sparten ausgewirkt hat. Darum soll in diesem Buch anhand eines
Beispieles, nämlich an der Bewertung der Tätigkeit von Ärzten und
Apothekern, aufgewiesen werden, welche Konsequenzen die Dialektik
von Säkularisierung des vocatio-Begriffes einerseits und Sakralisierung
der Berufsarbeit andererseits im 16. und 17. Jahrhundert zeitigten.
Um sich diesem Thema nähern zu können, bedarf es einer einge-
henden Analyse der Tradition der theologia medicinalis bei Luther
und im Luthertum.
TEIL I
MARTIN LUTHERS THEOLOGIA MEDICINALIS
1. DER SÜNDER VOR GOTT ALS
PATIENT — CHRISTUS MEDICUS
4
Vgl. zum Christus-medicus-Motiv: Adolf Harnack, Medicinisches aus der älte-
sten Kirchengeschichte (= TU 8,4), Leipzig 1892, S. 37–152. Hermann Josef Frings,
Medizin und Arzt bei den griechischen Kirchenvätern bis Chrysostomos, Phil. Diss.
Bonn 1959. Heinrich Schipperges, Zur Tradition des ‚Christus Medicus‘ im frühen
Christentum, in: ArztChr 11 (1965), S. 12–19. Gerhard Müller, Arzt, Kranker und
Krankheit bei Ambrosius von Mailand (334–397), in: SAGM 51 (1967), S. 193–216.
Gerhard Fichtner, Christus als Arzt. Ursprünge und Wirkungen eines Motivs, in:
FMSt 16 (1982), S. 1–18. Martin Honecker, Christus medicus, in: KuD 31 (1984/85),
S. 307–323. Jörg Hübner, Christus medicus. Ein Symbol des Erlösungsgeschehens
und ein Modell ärztlichen Handelns, in: KuD 31 (1985), S. 324–335. Michael
Plathow, Christus als Arzt. Zu Luthers integrierendem Verständnis von Diakonie
und Seelsorge, in: Ders., Freiheit und Verantwortung. Aufsätze zu Martin Luther
im heutigen Kontext, Erlangen 1996, S. 105–117. Fritz Krafft, Christus ruft in die
Himmelsapotheke. Die Verbildlichung des Heilandsrufs durch Christus als Apotheker.
Begleitbuch und Katalog zur Ausstellung im Museum Altomünster (29. November
2002 bis 26. Januar 2003) (= Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie
81), Stuttgart 2002, S. 15–24 (mit weiterer Lit.).
5
Vgl. David Knipp, ‚Christus medicus‘ in der frühchristlichen Sarkophagskulptur.
Ikonographische Studien der Sepulkralkunst des späten vierten Jahrhunderts
(= SVigChr 37), Leiden u.a. 1998. Vgl. zudem Elfriede Grabner, ‚Ein Arzt hat
dreierlei Gesicht . . .‘. Zur Entstehung, Darstellung und Verbreitung des Bildgedankens
‚Christus coelestis medicus‘, in: Materia Medica Nordmark 24 (1972), S. 297–317.
6
Vgl. hierzu, um jeweils nur eine Belegstelle zu nennen: Augustin, Enarratio in
Ps 130,7, CCSL 40, S. 1903,19f: „Dominus Iesus Christus, medicus et saluator
noster [. . .]“. Vgl. Petrus Cornelis Josephus Eijkenboom, Het Christus-Medicusmotief
in de preken van Sint Augustinus, Assen 1960 sowie Rudolf Schneider, Was hat
uns Augustins ‚theologia medicinalis‘ heute zu sagen?, in: KuD 3 (1957), S. 307–315.
Vgl. Gregor d. Gr., Homiliae in Evangelia. Evangelienhomilien, Teilbd. 2, übers.
und eingeleitet von Michael Fiedrowicz (= FC 28/2), Freiburg i.B. u.a. 1998, Homilia
32 (zu Lk 9,23–27), S. 594: „Sed coelestis medicus singulis quibusque vitiis obvi-
antia adhibet medicamenta.“
4 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
7
Vgl. hierzu und zum Vorangegangenen Schipperges, Tradition (wie Anm. 4),
S. 17f.
8
So auch Fritz Krafft, ‚Die Arznei kommt vom Herrn, und der Apotheker berei-
tet sie‘. Biblische Rechtfertigung der Apothekerkunst im Protestantismus. Apotheken-
Auslucht in Lemgo und Pharmako-Theologie (= Quellen und Studien zur Geschichte
der Pharmazie 76), Stuttgart 1999, S. 43–48.
9
BoA 5,241,4f (Römerbriefvorlesung 1515/1516).
10
Vgl. Oswald Bayer, Promissio. Geschichte der reformatorischen Wende in
Luthers Theologie, Darmstadt 1989 (Göttingen 11971).
11
BoA 5,241,6f.
der sünder vor gott als patient 5
12
BoA 5,241,7. Vgl. WA 11,171,35 (Predigten des Jahres 1523 [30.8.]): „Samaritanus
est Christus“. Vgl. weiter WA 12,661,25 (Predigten des Jahres 1523 [30.8.]). Vgl.
Lazarus Spengler, Schriften, Bd. 1: Schriften der Jahre 1509 bis Juni 1525, hg. und
bearb. von Berndt Hamm und Wolfgang Huber (= QFRG 61), Gütersloh 1995, S.
226f, der Christus den „rechten warhafften artzt, hailmacher und gütigen Samaritan“
nennt.
13
BoA 5,241,13–15.
14
Vgl. WA 5,311,1 (Operationes in Psalmos 1519–1521); 31/II,311,12 (Vorlesung
über Jesajas 1527–1530).
15
Vgl. hierzu Karl Heinrich Rengstorf, Die Anfänge der Auseinandersetzung zwi-
schen Christusglaube und Asklepiosfrömmigkeit (= Schriften zur Förderung der
Westfälischen Landesuniversität zu Münster 30), Münster 1953. Vgl. Heinrich
Schipperges, Tradition (wie Anm. 4), S. 12–15. Heinrich Schipperges, Art. Krankheit
IV, in: TRE 19 (1990), S. 686–689, hier: S. 687f. Josef N. Neumann, Art. Medizin
5. Christentum, in: RGG4 5 (2002), Sp. 983–985, hier: Sp. 985.
16
WA 52,711,17 (Hauspostille 1544).
17
WA 52,709,17f.
6 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
18
Vgl. WA 34/II,330,7f (Predigten des Jahres 1531 [Nr. 93]). Vgl. Peter Meinhold,
Zur Theologie der Krankheit bei Martin Luther, in: Saec. 23 (1972), S. 15–29.
Joachim Mehlhausen, Art. Krankheit VI, in: TRE 19 (1990), S. 694–697, hier: S.
694f mit weiteren Lit.-Angaben.
19
WA 31/II,571,16.
20
Vgl. Gerhard Ebeling, Lutherstudien Bd. 2: Disputatio de homine. 3. Teil: Die
theologische Definition des Menschen, Kommentar zu These 20–40, Tübingen 1989,
bes. S. 108–125.
21
WA 34/I,17,17–23 (Predigten des Jahres 1531 [Nr. 2]).
22
WA 34/I,18,18f.
23
WA.TR 1,151,5 (Nr. 360).
8 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
24
WA.TR 1,151,36–152,1.
25
Vgl. Richard Toellner, Art. Heilkunde/Medizin II, in: TRE 14 (1985), S.
743–752, bes. S. 747 und Hans Schadewaldt, Die Apologie der Heilkunst bei den
Kirchenvätern, in: Die Vorträge der Hauptversammlung der Internationalen
Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie e.V. während des Internationalen
Pharmaziegeschichtlichen Kongresses in Rotterdam vom 17.–21. September 1963
(= Veröffentlichungen der Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie
26), Stuttgart 1965, S. 115–130, hier: S. 126 sowie Krafft, Arznei (wie Anm. 8),
S. 44f.
26
Vgl. Die 50 Geistlichen Homilien des Makarios, hg. und erläutert von Hermann
Dörries, Erich Klostermann, Matthias Kroeger (= PTS 4), Berlin 1964, S. 314f.
27
WA.TR 1,151,16–18. Vgl. WA.TR 1,152,13–18: „Einst fragte mich unser
medicina corporalis et spiritualis 9
Bürgermeister: ‚Obs wider Gott wäre, Aerznei zu brauchen?‘ Denn Doct. Carlstadt
hatte offentlich geprediget: Wer krank wäre, der sollt keiner Aerznei brauchen, son-
dern Gott die Sache heim geben und beten, daß sein Wille geschehe etc. Fragte
ich ihn wieder: Ob er auch esse, wenn ihn hungerte? ‚ Ja,‘ sprach er. Da sagte ich
ihm: So möget Ihr auch wol Aerznei brauchen, die Gottes Creatur eben so wol ist
als Essen, Trinken und anders, so wir zu Erhalten dieses Lebens brauchen“.
28
Vgl. MPG 31, Sp. 1051 sowie Schadewaldt, Apologie (wie Anm. 25), S. 127.
29
Vgl. zur creatio continuata z.B. WA.TR 5,17,10f (Nr. 5227): „Das Gott cre-
ator heist, das ist ein vnerforschlich ding, vnd Gott schaffts doch teglich“. Zu letzt-
genanntem Aspekt vgl. WA 52,713,8–13: „Nach solcher kranckheit sind auch leibes
kranckheyten, schwermut und anders, da kanst du auch mancherley weyse deinem
nechsten helffen und dienen, wo nicht mit gelt unnd gut, doch mit einem gutten
wort und mit einem freundtlichen hertzen, das du gern woltest helffen, wo du nur
köndtest. Unnd ist gewiß, wo du es thust, das Gott im hymel drüber lachet, frö-
lich und gutter ding ist und sagt: Recht, mein Son, far also fort, solches gefellt mir,
ich habe lust unnd liebe daran.“
30
WA.TR 1,151,15f.
31
Vgl. WA.TR 1,443,10f (Nr. 886): „ Jesus Sirach sagt: Der gottseligen, from-
men Christen Gebet thut mehr zur Gesundheit denn die Arznei der Aerzte“. Zur
wissenschaftshistorischen Einordnung von Sir 38 und Luthers Übersetzung vgl. Krafft,
Arznei (wie Anm. 8), S. 33–36.
32
WA.TR 4,26,38 (Nr. 3945).
10 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
die Luther auch „geistlich Arzney aus Gottes Wort“33 nennt, zu einer
spannungsreichen Einheit, die dem Verhältnis von Heiligem Geist
und verbum externum sowie letztlich demjenigen von göttlicher und
menschlicher Natur in Christus analog ist. Hieraus ergibt sich, daß
der Berufsstand des Arztes mit Sir 38 in Ehren zu halten ist34, wenn-
gleich Luther, der von sich selbst sagt, nur höchst ungern Medikamente
zu sich zu nehmen35, eine gewisse Distanz zur Ärzteschaft zu wah-
ren befleißigt ist und exempla solcher Heilungen erzählt, die sich
ereignet haben, obwohl bzw. weil sich die Patienten gerade nicht an
die diätetischen Vorschriften der behandelnden Ärzte gehalten haben36.
Luther selbst hat bekanntermaßen unter Harnsäurestein und Gicht
gelitten. Im Jahre 1537, als Luther unter einer höchst schmerzhaf-
ten totalen Harnsperre37 und den Folgen einer beginnenden Harn-
vergiftung zu leiden hatte, ließ er sich — gegen den diätetischen Rat
seiner Ärzte — kalte Erbsen und Bratheringe auftischen und konnte
kurz darauf wieder urinieren38. Dieses Erlebnis dürfte Luthers seit
jeher ausgeprägte Skepsis den Ärzten und ihrer Kunst gegenüber
nur bestärkt haben.
33
WA.TR 4,26,39–27,1.
34
Zu Sir 38 bei Luther vgl. WA 30/II,580,9–581,9 (Eine Predigt, daß man
Kinder zur Schulen halten solle 1530): „Das aber die ertzte herrn sind, das sihet
man fur augen wol, Vnd das man yhr auch nicht emperen kann, leret die erfa-
rung wol, Das es aber der wellt ein nutzlicher trostlicher, heilsamer stand, dazu ein
angenemer Gottes dienst sey, von Gott geschaffen vnd gestifft, gibt nicht allein das
werck an yhm selber, Sondern zeugt auch die schrifft Ecc. 38. da schier ein gantz
Capitel von denn ertzten daher rhumet. Vnd spricht Du solt den artzt ehren, denn
man kan sein nicht geraten, Vnd Got hat yhn gestifft, Denn alle ertzney ist von
Gott, die kunst des artztes bringt yhn zu ehren, vnd er wird fur den grossen herrn
werd gehalten, Gott hat die ertzney aus der erden geschaffen, vnd kein vernunfftiger
mensch ist, der sie veracht, Denn gleich wie zu zeit Mose, das bitter wasser vom
holtz susse ward Also hat er wollen auch hierin den menschen kund thun, was ertz-
ney vermag, Vnd hat solche kunst darumb auch den menschen gegeben, das man
seine wunder preisen solle, Den hiemit kan der artzt, allerley schmertzen lindern,
vnd viel susser guter confect machen, vnd salben zurichten, dauon die krancken
gesund werden, vnd solcher seiner werck ist kein zal etc. Wolan es ist mir itzt zu
viel, die prediger konnen alle diese stuck wol reichlicher ausstreichen vnd den leü-
ten einbilden was schadens vnd nutzs sie hie schaffen konnen der gantzen wellt vnd
vnsern nachkomen besser denn ichs schreibenn kann“.
35
Vgl. WA.TR 6,299,2f (Nr. 6968).
36
Vgl. WA.TR 6,299,3–19.
37
Vgl. WA.B 8,51,5–8 (Nr. 3140).
38
Vgl. Richard Toellner, Heil und Heilung bei Martin Luther. Luthers Verhältnis zur
Medizin als Anfrage an die heutige Medizin, in: Hans-Jürgen Hoeppke u.a. (Hgg.),
Glaubend leben. Gerhard Ruhbach zum 60. Geburtstag, Wuppertal u.a. 1994, S.
140–152, hier: S. 142. Vgl. WA.TR 6,299,3–9 und WA.B 8,50,15 (Nr. 3139).
3. DIE VERWANDTSCHAFT VON
MEDIZIN UND THEOLOGIE
Luther hat des öfteren von einer engen Verwandtschaft von medi-
zinischer und theologischer Wissenschaft gesprochen. Der Physik, also
der Lehre von der Natur, die mitunter die Natur des Menschen und
seine „partes“ zu erforschen und zu beschreiben hat, entspricht die
theologische Anthropologie, die die nicht von der Sünde verdorbene
menschliche Natur, also den Menschen in statu integritatis, zum
Gegenstand hat. Mit der medicina „afitiologikÆ“ vergleichbar ist die
Hamartiologie, die den sündigen Menschen, also das demolierte
Ebenbild Gottes zum Thema macht. Die therapeutische Medizin,
die sich um die Heilung Kranker kümmert, hat ihr theologisches
Gegenstück in der Lehre ‚de mediis salutis‘, während die Diätetik
zu vergleichen ist mit der Lehre von der sanctificatio und den guten
Werken. Wenngleich Luther die verschiedenen medizinischen Teil-
disziplinen nicht ganz trennscharf zu differenzieren scheint, wird
doch die Parallelität und die enge Verwandtschaft („cognatio“) der
beiden Wissenschaften deutlich, wenn er sagt: „Magna est cognatio
medicinae et theologiae, nam utraque quatuor partibus absolvitur.
Prima pars t∞w fiatrik∞w vocatur fusiologikÆ; haec describit naturam
et partes hominis et absolutissimam ideam humani corporis propo-
nit. Secunda afitiologikÆ; haec remedia adhibet aegrotantibus et mor-
bos pellit. Haec dicitur yerapeutikÆ. Tertia diaithtikÆ, quae praescribit
certam victus rationem et alia exercitia. Quarta est yerapeutikÆ, quae
de morbis disputat, id est, de accidentibus conturbantibus èrmon¤an;
causas morborum quaerit. Haec dicitur afitiologikÆ. Ad hanc metho-
dum pulchre congruit doctrina christiana. Primum dici solet de homi-
nis natura, qualis fuerit ea ante lapsum. Secundo consideranda est
tristis étaj¤a, quae imaginem Dei horribiliter deformavit; quae voca-
tur peccatum. Tertio monstrantur efficacia remedia, quae letalem
morbum depellunt. Quarto traditur doctrina de bonis operibus“39.
An diesem Punkt wird später die lutherisch-orthodoxe Theologie neu
ansetzen und — unter Verarbeitung und Ausgestaltung der Lutherschen
39
WA.TR 5,648,21–34 (Nr. 6408).
12 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
40
Vgl. Johann Gerhard, Meditationes Sacrae (1606/7). Lateinisch-deutsch, kri-
tisch hg., kommentiert und mit einem Nachwort versehen von J.A. Steiger, 2 Bde.
(= DeP I, 3), Stuttgart-Bad Cannstatt 2000, S. 19: „Quod si Theologia est doc-
trina practica, utique etiam finis eius non erit nuda gn«siw & subtilis yevr¤a, sed
potius praxis. Haec si sciveritis, beati si feceritis, dicit Salvator ad discipulos. Non
in verbis, sed in factis res nostrae religionis consistunt, dicit Justinus, oÈ l°gein mÒnon,
éllå ka‹ e‰nai poie› xristianoÁw, dicit Ignatius. Summa Christianae religionis est,
imitari eum quem colis, dicit Augustinus. t‹ ¶sti xristianismÚw; yeoË ımo¤vsiw katå
tÚ §ndexÒmenon ényr≈pou FÊsei, dicit Basilius“.
41
WA 23,357,11.27–359,2 (Ob man vor dem Sterben fliehen möge 1527).
die verwandtschaft von medizin und theologie 13
42
WA 23,365,24f. Wie breit diese Ratschläge Luthers und ihr argumentativer
Begründungszusammenhang in den Pestschriften des Luthertums der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts gewirkt haben, läßt sich exemplarisch ablesen an: Simon
Musäus, Kurtze Auslegunge des ein vnd neuntzigsten Psalms / vnd Simeons Gesangs
/ Zu trost vnd vnterricht / wider die geschwinde seuche der Pestilentz, o.O. 1565
(HAB Wolfenbüttel QuN 719), fol. B 3v/4r: „Die vernunfft in den Philosophis vnd
Medicis / dieweil sie meinet / das diese plage allein aus den causis secundis / das
ist / aus den gifftigen mitteln / vnd schedlichen Creaturen herfliesse / So suchet
sie auch in andern guten vnd heilsamen Creaturen hülffe vnd raht / Als in den
Ertzeneyen / reynigung der lufft / weiter flucht / vermeydung der vergifften
Menschen vnd dergleichen.“
43
Vgl. Schadewaldt, Apologie (wie Anm. 25), S. 120. Dieser Aspekt verblaßt bei
Vivian Nutton, Art. Medizin, in: Der Neue Pauly 7 (1999), Sp. 1103–1117, hier:
Sp. 1115.
44
WA.TR 3,578,14 (Nr. 3733). Vgl. WA 47,797,36f (Predigten des Jahres 1539
[Nr. 27]): „Eruditio Theologica, item Iuridica et politica, medica etc. sunt dona
Dei.“
14 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
45
WA.TR 1,151,8f. Vgl. WA 39/I,175,11–13 (Die Disputation de homine 1536):
Die Vernunft ist „inventrix et gubernatrix omnium Artium, Medicinarum, Iurium,
et quidquid in hac vita sapientiae, potentiae, virtutis et gloriae ab hominibus
possidetur.“
46
Vgl. Toellner, Heil (wie Anm. 38), S. 147.
47
Vgl. Hans Schadewaldt, Medizinisches in Luthers Tischgesprächen, in: Joachim
Mehlhausen (Hg.), Reformationsgedenken. Beiträge zum Lutherjahr 1983 aus der
Evangelischen Kirche im Rheinland (= SVRKG 81), Köln 1985, S. 47–54, hier:
S. 51.
48
WA 23,359,28–361,5.18–20.
die verwandtschaft von medizin und theologie 15
49
Dieser Aspekt findet sich z.B. auch bei Melchior Bischoff, PASSIONALE
ESAIAE. Das ist: VBer das drey vnd funfftzigste Capitel deß heiligen Propheten
Esaiae / Darinnen Er von dem vnschuldigen Leiden vnnd Sterben / auch von der
frölichen Aufferstehung vnd ewigem Reich vnsers HErrn IESU CHRISTI, auffs
herrlichste Weissagt [. . .], Coburg 1605 (HAB Wolfenbüttel QuN 289), S. 69. Die
von Christus als „Medicus“ vorgenommene Heilung leiblicher Krankheiten ist als
promissio dahingehend zu verstehen, daß er die „selige Cur vnsers Leibs vnd der
Seelen vollziehen [scil. werde] am Jüngsten Tage“.
4. SÜNDHAFTIGKEIT ALS URKRANKHEIT — REMISSIO
PECCATORUM ALS RADIKALKUR
Bemerkenswert ist die Art und Weise, wie Luther in diesem Zusammen-
hang diejenigen Evangelientexte auslegt, die von Krankenheilungen
erzählen. Ein Beispiel sei hier herausgegriffen. An der Erzählung von
der Heilung des Paralytischen weist Luther auf, daß der Sohn Gottes
keineswegs einerseits Kranke leiblich heilt und andererseits als Heiland
durch die Vergebung der Sünde auch als geistlicher curator auftritt.
Vielmehr, so arbeitet Luther anhand von Mt 9,2 heraus, ist die
Sündenvergebung als geistlich-innerliche Kur die conditio sine qua
non für die Beseitigung auch der äußerlich-leiblichen Gebrechen.
Erst die Heilung der schwersten, weil innerlichen Krankheit, der
Sünde, gibt den Weg frei für die Überwindung der Lähmung.
„Remittuntur tibi peccata tua. Priusquam sanat (ut medicus perfec-
tus) morbum paralysis, causas morbi (ut dicitur) tollit, scilicet pecca-
tum“50. So betrachtet, ist die Sündenvergebung das eigentliche Wunder
und die Heilung leiblicher Gebrechen nur eine Sichtbarwerdung,
eine empirische Manifestation der remissio peccati. Christus als der
salvator mundi kuriert nicht an den äußerlichen Symptomen der im
Innersten des Menschen sitzenden Krankheit herum, sondern geht
der Sache mit einer Radikalkur auf den Grund, indem er die Sünde
als causa und Wurzelgrund aller Krankheit überwindet: „Dieser medi-
cus Christus greifft dieser kranckeit nach dem hals non sanaturus a
paralysi, nisi prius a peccatis sanarit“51. Nicht nur der Tod ist der
Sünde Sold (Röm 6,23), sondern auch die Krankheiten, die — schon
in der antik-heidnischen Sicht der Dinge — als Vorboten des Todes
galten. Wird aber die Sünde dadurch überwunden, daß sie aufgrund
der iustificatio nicht mehr zugerechnet wird, so schwinden damit
auch alle Krankheiten. „Morbus et mors nostra ist allein ein plag
50
WA 38,477,39f (Annotationes in aliquot capita Matthaei 1538). Vgl. analog
hierzu den Text von J.S. Bachs Kantate zum 19. Sonntag nach Trinitatis (Werner
Neumann [Hg.], Sämtliche von Johann Sebastian Bach vertonte Texte, Leipzig
1974, S. 139): „Vergibt mir Jesus meine Sünden, | So wird mir Leib und Seel
gesund“.
51
WA 34/II,329,26f.
sündhaftigkeit als urkrankheit 17
und straffe umb der sunde willen. Ablato autem peccato omnis mor-
bus ablatus est“52.
Wie aber fügt sich dies zu Luthers Anthropologie, der zufolge der
Christenmensch nach der Rechtfertigung simul iustus et peccator ist?
Der Zuspruch der Sündenvergebung bedeutet nicht, daß der Hei-
lungsprozeß bereits abgeschlossen ist. Vielmehr bringt es die impu-
tatio der fremden Gerechtigkeit Christi mit sich, daß die Sünde nicht
mehr zugerechnet wird, obgleich der Gerechtfertigte zugleich Sünder
ist. Die sanatio indes wird sich erst eschatologisch vollenden, wäh-
rend sie bis zum Jüngsten Tag eine imputative ist: „Christus sana-
vit nos imputatione, non ut etiam radicem peccati tolleret; sed ut ea
pullulans et erumpens non imputaretur nobis [. . .] Perpetuam sana-
tionem servavit sibi in alteram vitam. Hic satis fuit, inchoatione et
imputatione abesse peccatum at adesse iustitiam“53. Daß die sanatio
eine imputative ist, wird insbesondere an dem Umstand erfahrbar,
daß es weiterhin Krankheiten gibt und diese erst am Jüngsten Tage
endgültig überwunden werden. In einer Predigt über Lk 10 veran-
schaulicht Luther die Dialektik der Existenz eines Christenmenschen,
der zugleich Sünder und Gerechter, Geheilter und Kranker ist, indem
er sie vergleicht mit der Situation des in der Herberge liegenden
Rekonvaleszenten aus Lk 10,34, der sich auf dem Wege der Besserung
befindet. Der gerechtfertigte Sünder gleicht einem Verwundeten, des-
sen Wunden verbunden, aber noch nicht ausgeheilt sind. „Semper
manent die vulnera offen et tamen ligata, donec revertatur und hol
uns heim in die iudicii“54. Bis zum Jüngsten Tag also befindet sich
52
WA 34/II,330,7f. Vgl. hierzu Toellner, Heil (wie Anm. 38), S. 140. Ähnlich
Johann Olearius, Heylsame Betrachtung deß unschuldigen Leidens und Sterbens
Unsers HErrn und Heylandes JESU CHRJSTJ / Auß GOttes Wort Nechst hertz-
lichen Seufftzern / Gebet und Andachten Zu Beförderung der waren Gottseligkeit
wiederholet [. . .], Leipzig 1666 (HAB Wolfenbüttel Th 1950), S. 430: Christus hat
„alle Sünden Kranckheit / und deren wohlverdiente Straffe auff sich genommen
und getragen / Esa. 53. und zugleich den Brunquell aller zeitlichen Kranckheiten
und Leibes Beschwerungen damit verstopfft und abgewendet.“ Darum heißt der
Sohn Gottes bei Olearius „bester Leib=Artzt“, „bester Seelen=Artzt“ und „bester
Leibes= und Seelen=Artzt“ (ebd., S. 430f ).
53
WA 39/II,153,20f.23f (Die Promotionsdisputation von Johannes Macchabäus
Scotus 1542). Vgl. WA 40/I,369,19–23 (In epistolam S. Pauli ad Galatas Commentarius
1531): „Sed quomodo liberabor a peccato? Accurre ad Christum Medicum qui sanat
contritos corde et salvat peccatores. In hunc crede; si credis, es iustus, Quia tribuis glo-
riam Deo, quod sit omnipotens, misericors, verax etc. Iustificas et laudas Deum, Summa:
tribuis ei divinitatem et omnia. Quod reliquum in te peccati est, non imputatur“.
54
WA 29,537,15f (Predigten des Jahres 1529 [Nr. 62]).
18 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
55
Vgl. z.B. WA 49,11,17–23 (Predigten des Jahres 1540 [Nr. 2]): „Medicus mus
erstlich aegroto infirmitatem anzeigen vel dat gifft pro medicina. 1. ut dicat: das
ist die kranckeit. 2. contra hanc dienet die ertzney, wo ers nicht recht weis, gibt
ein bose etc. Sic praedicator mus 10 praecepta, das hohe recht behalten in Ecclesia,
ut homines agnoscant sua peccata, ut avidius audiam gratiae praedicationem, ut
credant et faciant bona opera etc. non quidem dant gratiam, sed geben zuerken-
nen, wie seer wir der gnade durffen.“ Vgl. auch WA 49,207–211 (Predigten des
Jahres 1540 [Nr. 4]).
56
WA 5,302,8.
57
WA 1,105,19 (Sermone aus den Jahren 1514–1517 [7.12.1516]).
58
WA 1,105,20.
59
WA 7,204,19 (Eine kurze Form der zehn Gebot, eine kurze Form des Glaubens,
eine kurze Form des Vaterunsers 1520).
60
WA 48,164,4f (Nr. 213).
20 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
findet — ähnlich wie Sir 38,5 dies tut — hier das Handeln Gottes
als Arzt abgebildet61, der den bitteren Tod in einen süßen Schlaf
verkehrt. In diesem Zusammenhang fordert Luther seine Hörer auf,
beim verbum Dei zu bleiben und in ihm den medicus divinus zu
finden: „So bleibe allezeit bey dem Wort, so wird Gott dein Medicus
sein und wird dich schützen für aller betrübnis“62. Dieses verbum
indes kann vielfältige Gestalt annehmen, nämlich überall dort, wo
das Wort Gottes getrieben wird: in Gebet, Lektüre der Heiligen
Schrift, Predigt und Abendmahl. „Interim patimur vivi medici, id
est, Christi medelam, audimus verbum, oramus, legimus, quantum
possumus, sanamus per verbum. Nam quotidie orare, quotidie audire
et meditari verbum et accedere ad sacramentum et purgare saniem
et putredinem debemus; ergo debemus uti his instrumentis, ut pur-
gemur, mundemur ex sanie peccati, donec vere et prorsus purge-
tur“63. Derjenige, der die Heilige Schrift meditiert und betet oder
ein geistliches Lied singt, appliziert sich Gottes Arznei, betreibt also
geistliche Selbstmedikation. Damit dies gelinge und eingeübt werden
könne, hat Luther im Jahre 1521 eine kurze Trostschrift mit dem
Titel ‚Tröstung für eine Person in hohen Anfechtungen‘64 veröffentlicht.
In ihr gibt der Reformator Angefochtenen einen Leitfaden, ein Rezept
an die Hand, wie in der Situation der tentatio Trost zu finden ist.
Kristallisationspunkt der Therapie ist die Arznei des Gebetes65, durch
61
Ausführliches Augenmerk wird der intertextuellen Verknüpfung von Sir 38 und
Ex 15 geschenkt bei Johannes Mathesius, Sÿrach Mathesij Das ist / Christliche,
Lehrhaffte / Trostreiche vnd lustige Erklerung vnd Außlegung des schönen Haußbuchs
/ so der weyse Mann Syrach zusammen gebracht vnd geschrieben [. . .], 3 Teile,
Leipzig 1586 (HAB Wolfenbüttel C 194. 2° Helmst.), II, fol. 117v/118r.
62
WA 16,286,26f (Predigten über das 2. Buch Mose 1524–1527).
63
WA 39/I,113,25–114,3 (Die Disputation de iustificatione 1536).
64
WA 7,785–791 (Tröstung für eine Person in hohen Anfechtungen 1521).
65
Vgl. zum Gebet bei Luther Traugott Koch, Johann Habermanns ‚Betbüchlein‘
im Zusammenhang seiner Theologie. Eine Studie zur Gebetsliteratur und zur
Theologie des Luthertums im 16. Jahrhundert (= BHTh 117), Tübingen 2001, S.
17–132 sowie Friedrich-Otto Scharbau (Hg.), Das Gebet (= VLAR 33), Erlangen
2002. Vgl. ferner folgende ausgewählte Studien: Bruno Jordahn, Luther und das
gottesdienstliche Gebet, in: Lu 33 (1962), S. 116–127. Kurt Dietrich Schmidt, Luther
lehrt beten, in: Lu 34 (1963), S. 31–41. Horst Beintker, Zu Luthers Verständnis
vom geistlichen Leben des Christen im Gebet, in: LuJ 31 (1964), S. 47–68. Ders.,
Die Bedeutung des Gebetes für Theologie und Frömmigkeit unter Berücksichtigung
von Luthers Gebetsverständnis, in: NZSTh 6 (1964), S. 126–153. Vilmos Vajta,
Luther als Beter, in: Helmar Junghans (Hg.), Leben und Werk Martin Luthers von
1526 bis 1546. Festgabe zu seinem 500. Geburtstag, Göttingen 1983, S. 279–295.
806–811. Gerhard Ebeling, Beten als Wahrnehmen der Wirklichkeit des Menschen,
wie Luther es lehrte und lebte, in: LuJ 66 (1999), S. 151–166.
das verbum dei als arznei 21
das der Beter der Melancholie den göttlichen Affekt der geistlichen
Freude entgegensetzt: „Kein stercker ertzney ist hierin, denn das sie
[scil. die angefochtene Person] anhebe irgend ein Gespreche, Wie
David Psal. 18. sprach: ‚Ich wil den HERRN loben und anruffen,
so werde ich erlöset von allem, das mich anficht‘. Denn der böse
Geist der schwermütigkeit mag nicht verjagt werden mit betrübnis
und klagen und sich engsten, sondern mit Gottes lobe, davon das
hertz frölich wird“66. Als ein Beispiel, wie sich solches Gebet vollzie-
hen kann, bietet Luther seinem Leser Ps 142 dar und kombiniert
diesen Text mit kurzen Erläuterungen, um einen Weg zu weisen,
wie die oratio dieses Psalms in die meditatio desselben überführt
werden kann.
Der Sohn Gottes als der erste Arzt hantiert und therapiert sowohl
mit scharfen, bitteren Arzneien, mit dem Gesetz, als auch mit den
süßen Medikamenten des Evangeliums. Nun wäre es aber ein
Mißverständnis, zu meinen, die bittere Arznei hätte nach Luther
lediglich innerhalb der Gesetzespredigt, mithin also nur in der
Vorbereitung des Gnadenempfanges durch die Stiftung von Sündener-
kenntnis (Röm 3,20) ihren Platz. Nach Luther steht fest, daß je stär-
ker der Glaube ist, desto vehementer auch die Anfechtungen sind,
die den Glaubenden je und stets neu auf den Anfang, insbesondere
auf die Taufe, zurückwerfen67. Gerade also dem Glaubenden verab-
reicht Gott bittere Arzneien — Kreuz, Leiden und tentatio —, um
ihn dadurch einer Auszeichnung teilhaftig werden zu lassen und ihn
in seinem Glauben zu üben. Darum interpretiert Luther die Erzählung
vom Samariter, der die Wunden des halb Toten zunächst mit Öl
und sodann mit Wein behandelt, dahingehend, daß er sagt, daß die
tröstlich-gelinde Therapie des Evangeliums in der Kreuzschule
ihre Fortsetzung findet68. Das Evangelium der Rechtfertigung allein
66
WA 7,785,19–23.
67
Vgl. J.A. Steiger, Art. Versuchung, in: TRE 35 (2003), S. 52–64, hier: S. 55.
68
So später auch Johann Gerhard, Postilla: Das ist / Erklärung der Sontäglichen
vnd fürnehmesten Fest=Euangelien / vber das gantze Jahr [. . .], Jena 1613, 3 Teile
und Appendix (HAB Wolfenbüttel 419–420 Theol.), II, S. 245: „Derselbe trewe
Samariter ist zu vns kommen / hat wahre menschliche Natur an sich genommen
/ ist in derselben geschlagen vnd verwundet / daß aus göttlicher vnd menschlicher
Natur in Christo vns eine heilsame Artzney zubereitet würde / er lindert vnsere
Wunden mit dem Oel des heiligen Euangelij / vnnd wegen der noch hinderstelli-
gen Sünde brauchet er den scharffen Wein des Creutzes / Er leget vns auff seine
Achseln / führet vns in die Herberge seiner Kirchen / lesset vnser pflegen vnd
warten / vnd was seine Diener an die Seelen der Menschen / dieselbe zu curiren
22 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
aus Gnade ist vergleichbar dem Öl, das als Wundarznei lindernd
wirkt69: „Ole geüst er darein, wenn die gnad gepredigt wird, wenn
man sagt: Sihe da, du armer mensch, da ist dein unglaub, da ist
dein verdamnis, da bist du verwundt und ungesundt, halt, das wil
ich dir alles haylen mit dem Euangelio, Sihe da helt dich der herre,
an disen Samariter, an Christum den Hayland, der wirt dir helffen,
sonst nichts. Ole wist jr wol, das macht linde, also macht auch die
süsse linde predig des Euangelions, das ich ein fein linndes hertz
gegen Got und dem nechsten [habe]“70. Sodann aber folgt die
Behandlung mit schärferen Medikamenten, mit Leiden und Kreuz
im Sinne der imitatio Christi. „Wein ist scharpff und bedeüt das
heylige Creütz, welchs balde hernacher folgt. Ein Christ darff sich
nicht nach dem Creutz umbsehen, es ist jm ehe auff dem halse,
denn er gedencket, wye Sant Paul sagt: Alle die gotfälig leben wöl-
len inn Christo Jesu, müssen verfolgunge leydenn [scil. 2Tim 3,12]“71.
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, daß Luther in der
‚Hauspostille‘ im Wein, den der himmlische Samariter dem halb
Toten in die Wunden träufelt, nicht Kreuz und Leidensnachfolge
gespiegelt sieht, sondern die Gesetzespredigt. Indem Luther die in
Lk 10,34 genannten Etappen der Behandlung mit Hilfe von Öl und
Wein umkehrt, sagt er: „er wescht unsere wunden auß mit wein und
geust das selige öll seiner gnaden drein und nimbt unsere sünde, die
tregt er an seinem leyb“72.
Christus heilt durch sein Wort, das in Gebet, Gehör des Wortes
Gottes, Meditation und Abendmahlsempfang appliziert wird. Dies
sind gewissermaßen die unterschiedlichen Applikationsformen ein und
derselben medizinischen Substanz. Im Anschluß an eine Tradition,
die bis auf Ignatius von Antiochien73 zurückgeht, spricht Luther vom
74
WA 29,212,18 (Predigten des Jahres 1529 [Nr. 18]). Vgl. WA 30/I,122,7
(Katechismuspredigten, 3. Reihe, Abendmahl 1528). So auch im Marburger Gespräch
über das Abendmahl Zwingli gegenüber (vgl. WA 30/III,128,12 [Das Marburger
Gespräch und die Marburger Artikel 1529]).
75
WA 17/I,172,24–26 (Predigten des Jahres 1525 [Nr. 26]).
76
Ähnlich auch Gerhard, Postilla (wie Anm. 68), II, S. 186: „Gottes Wort ist
die einige Artzney / dadurch vnsere krancke Seele möge gesundt gemacht werden
/ wenn ein Patient die Mittel der Ar[tz]ney / welche Gott der HErr verordnet /
beginnet zu verachten / ist nichts gewissers als der Tod zu hoffen / Also ist eine
Stadt vnnd Land dem Verderben nahe / welches die Artzney göttliches Worts
verwirfft“.
77
WA 39/II,196,15. Vgl. WA 40/III,734,11, wo Luther Christus als „unicum
remedium“ und „via unica“ bezeichnet.
78
WA 20,619,1 (Vorlesung über den 1. Brief des Johannes 1527).
79
EKG 146,7.
80
WA 10/I,2,364,32–36.
6. PREDIGER UND BISCHÖFE ALS ‚SPITALMEISTER‘
Luther hat sein eigenes predigendes und tröstendes Tun und dasje-
nige eines jeden Seelsorgers als ärztlich-geistliche Aufgabe interpre-
tiert. Hier zeitigt die theologia medicinalis pastoraltheologische
Konsequenzen. Da die Prediger in erster Linie die göttliche Arznei,
also die von der Sündenkrankheit befreiende Botschaft in unterschied-
lichen Verabreichungsformen weitergeben, sind auch sie Ärzte —
gewissermaßen Ärzte im Dienste des Oberarztes Christus, der allein
dieses Amt innehaben kann, weil er Jes 53,4 zufolge alle Krankheiten
trägt: „Christus treget unsere gebrechen und kranckheytten, unser
sünde nimpt er auf sich“81. Nur diese Gewißheit erlaubt es, daß
Menschen geistlich-ärztlich tätig werden können, indem sie die
Botschaft des Oberarztes ausrichten: „Medici sunt praedicatores,
regentes Christianorum, ut liberentur a peccatis“82. Oder ähnlich:
„Hic sunt praedicatores als die spitelmeister, semper habent, quibus
cura opus est, haben alzeit newe krancken und werden etlicher los,
etliche komen widder etc.“83
In seiner Predigt über Lk 10 in der Sommerpostille entwickelt
Luther (ähnlich wie dies im Bereich der Alten Kirche schon Cyprian
getan hatte84) aus dem zu predigenden Text eine kurze pastoraltheo-
logische Dienstanweisung, die zeigt, welche geistlich-medizinischen
Aufgabengebiete ein Seelsorger hat. „Die Prediger inn disem reich
sollen die gewissen trösten, sollenn freündtlich mit jnen umbgeen,
sollen sie speysen mit dem Euangelio, sollenn dy schwachenn tra-
gen, die kranckenn heylen, und sollen das wort fein wissen zu schnei-
den und einem yegklichen, nach dem es ym von nöten, fürtragen
[. . .] Ein Bischoff unnd Prediger sol sich stellen wie einer, der der
krancken wartet, der get gar seüberlich mit jn umb, gibt gute wort,
redet fein freündtlich mit den krancken und thut allen vleyß bey jn.
Also sol ein Bischoffe unnd Pfarrer auch thun, und sol nicht anders
81
WA 10/I,2,366,20.
82
WA 17/I,473,7f (Predigten des Jahres 1525 [Nr. 66]).
83
WA 11,172,37–39.
84
Vgl. Schadewaldt, Apologie (wie Anm. 25), S. 119.
prediger und bischöfe als ,spitalmeister‘ 25
gedencken, denn das sein Bistumb und Pfarre ein Spital und siech-
hauß sey, darinne er gar vil und mancherley krancken habe“85. Zwar
kranken alle letztlich an derselben Krankheit — an der Sündhaftigkeit.
Da sich diese Krankheit jedoch höchst unterschiedlich äußert, also
sehr individuelle Symptome zeitigt, ist es die Aufgabe des Seelsorgers,
die in den betreffenden Einzelfällen jeweils adäquate Diagnose zu
stellen und sodann jedem Kranken die ihm nötige Arznei zukom-
men zu lassen, das Wort Gottes und die mit ihm verbundene con-
solatio also auf seine spezielle Situation hin (d.h. am jeweiligen
Adressaten orientiert) zuzuschneiden. An dieser Stelle bezieht sich
Luther deutlich auf das paulinische Programm der Orthotomie des
Wortes Gottes (2Tim 2,15), aber auch auf die Einsicht, daß dem
verbum Dei selbst heilsame Qualität eignet (1Tim 6,3). Dieses
Miteinander von geistlich-medizinischer Topik und orthotomischer
Orientierung an den Adressaten hat die Pastoraltheologie des
Luthertums zutiefst geprägt, wie sich u.a. bei Nikolaus Selnecker
beobachten läßt86.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, daß Luther eine
seiner frühen Trostschriften folgendermaßen betitelt: ‚Eynn trostliche
ertzney, fur leut, die inn grossenn anfechtungen ligen, von anfech-
tungen des bosen feindts‘ (1521)87. Im selben Jahr gab der Nürnberger
Reformator Lazarus Spengler (1479–1534)88 eine Schrift in den Druck
mit dem Titel: ‚Ein trostliche christenliche anweisung und artzney
in allen widerwertigkaiten‘89. Von hieraus entwickelte sich rasch die
reformatorisch-literarische Gattung geistlicher Arznei-Schriften. Auch
Urbanus Rhegius (1489–1541)90 verfaßte eine solche und gab ihr den
85
WA 10/I,2,366,22–26.29–34.
86
Vgl. Nikolaus Selnecker, Der herrliche Prophet Ezechiel / frommen Christen
zum Vnterricht vnd trost / zu diesen schweren vnd gantz gefehrlichen zeiten /
Ausgelegt, Leipzig 1567 (HAB Wolfenbüttel Tc 317), fol. m 4r/v (zu Ez 34): „ Jn
solchem dienst sol der schwachen gewartet werden / die krancken geheilet / das
verwundte verbunden / das verirte geholet / vnd das verlorne gesucht werden /
das ist / in diesem dienst sol nur gehen / lehren / vermanen / trösten / drowen
/ straffen / nach gelegenheit der leut / mit denen vmbzugehen ist. Denn etliche
sind schwach im glauben / etliche kranck in anfechtung / etliche verwund mit
grossen sünden / etliche verirret mit falscher lehre vnd Ketzerey / etliche verlorn
vnd verfüret durch lose leute. Mit diesen allen sol ein rechter Lehrer wissen vmbzu-
gehen / vnd sanfftmütig / vnd / wo es von nöten / ernstlich sein“.
87
WA 7,784–791.
88
Vgl. Berndt Hamm, Art. Spengler, Lazarus, in: TRE 31 (2000), S. 666–670.
89
Spengler, Schriften (wie Anm. 12), S. 226–243.
90
Vgl. Hellmut Zschoch, Art. Rhegius, Urbanus, in: BBKL 8 (1994), Sp. 122–134.
26 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
Titel: ‚Seelen ertzney fur die gesunden vnd krancken / jnn todes
nötten‘91. Dieses Erbauungsbüchlein, das eine Vielzahl von Auflagen
erlebte, dürfte die erfolgreichste geistliche Arznei-Schrift des 16.
Jahrhunderts gewesen sein. Doch auch Hieronymus Weller (1499–1572)
betätigte sich auf diesem Segment der literarischen Produktion und
gab 1553 sein ‚Antidotum adversus tentationes omnis generis‘ in den
Druck. In seiner Vorrede vergleicht Weller das Tun eines Geistlichen
recht ausführlich mit demjenigen eines Arztes, indem er sagt: „Vidi
enim aliquoties, atque expertus sum, quàm inepti quidam sint mini-
stri Ecclesiae, in erudiendis & confirmandis conscientijs. Praeclarè
enim se officio suo fungi arbitrantur, si modo insignes quasdam
Scripturae sententias in consolandis afflictis & aegrotis coaceruaue-
rint, nec uident, nec aduertunt se hoc pacto animos telis ignitis
Diaboli sauciatos, magis perturbare, quàm confirmare. Perinde faci-
unt, ac si quis indoctus medicus eadem pharmaca, seu certum quod-
dam genus remedij omnibus aegrotis, nullo delectu, nec ratione
complexionum habita, praeberet. Omnino similis esse debet pius, &
doctus minister Ecclesiae perito & sapienti medico. Vt enim primum
aegroti complexionem, uitae consuetudinem, & causam morbi con-
siderat, deinde remedium uiribus aegroti conueniens parat: Ita &
medicus Spiritualis primum ex afflicto, seu tentato, ut ita dicam,
quaerat: quae ipsum tentatio premat. Postea dicta Scripturae tenta-
tioni eius congruentia afferat, eaque probè interpretetur & inculcet.
Sed est magnae sapientiae, ac experientiae, scitè et commodè paui-
das mentes tractare, & ambigentes conscientias erudire, & â dubita-
tione ac moestitia reuocare“92.
91
Wittenberg 1534 (Augsburg 11529). Vgl. Gunther Franz, Huberinus — Rhegius
— Holbein. Bibliographische und druckgeschichtliche Untersuchung der verbreitet-
sten Trost- und Erbauungsschriften des 16. Jahrhunderts (= BHRef 7), Nieuwkoop
1973.
92
Hieronymus Weller, ANTIDOTVM ADVERSVS TENTATIONES OMNIS
GENERIS. QVIBVS piae mentes exerceri solent, o.O. o.J. [ca. 1553] (HAB
Wolfenbüttel Yv 1210 Helmst. 8° [1]), fol. A 3r/v. Eine Parallelisierung von Medizin
und Theologie findet sich auch bei Philipp Melanchthon, Loci (1521), in: Werke
in Auswahl, hg. von Robert Stupperich, Bd. II/1, hg. von Hans Engelland, Gütersloh
1952, S. 7,14–19; 66,15–18 sowie in dessen Enarratio epistulae prioris ad Timotheum,
CR 15, Sp. 1367f. Vgl. zur Thematik Ralf-Dieter Hofheinz und Ralf Bröer, Zwischen
Gesundheitspädagogik und Kausalitätstheorie. Melanchthons ‚Theologie der Krankheit‘,
in: Günter Frank und Sebastian Lalla (Hgg.), Fragmenta Melanchthoniana. Zur
Geistesgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Bd. 1, Heidelberg 2003,
S. 69–86.
prediger und bischöfe als ,spitalmeister‘ 27
93
Vgl. z.B. Sigismund Scherertz, FVGA MELANCHOLIAE. Seu: Refectio
Animarum, in Tristitiâ Spiritus. Das ist: SEelen Artzney: Wider die Melancholey
vnd Schwermuth des Geistes / auch wider die Furcht vnd Zaghafftigkeit des Hertzens
/ damit viel Leute geplaget werden. Darinnen Christlicher Bericht zu finden / wie
die Trawrigkeit vnd Kleinmuth vertrieben / vnd ein frölichs Hertz in Gott erhal-
ten werden möge. Auff jetzige betrübte Zeiten gerichtet, Lüneburg 1633 (FB Gotha
Theol. 8° 630/7 [1]). Vgl. hierzu J.A. Steiger, Melancholie, Diätetik und Trost.
Konzepte der Melancholie-Therapie im 16. und 17. Jahrhundert, Heidelberg 1996,
S. 73–79. Zu Scherertz vgl. weiter Alexander Bitzel, Anfechtung und Trost bei
Sigismund Scherertz. Ein lutherischer Theologe im Dreißigjährigen Krieg (= SKGNS
38), Göttingen 2002. Vgl. zur Seelenarznei-Literatur weiter Krafft, Christus ruft in
die Himmelsapotheke (wie Anm. 4), S. 25–36.
94
Vgl. z.B. Sebald Krug, Christliche Predigt / Von der Trew vnd Pflicht Geistlicher
SeelenArtzte Das ist / Trewer Lehrer vnd Prediger / So wohl Christlicher Patienten
vnd Pfarrkinder / Als [. . .] Herr / Magister Johan Langer [. . .] zu einen Seelen
Artzt / vorgestellet / vnnd [. . .] investirt worden [. . .] Auß dem Evangelio Matth:
8. vom Aussetzigen Patienten, Coburg 1624 (FB Gotha Theol. 4° 118/1 [9]).
7. DIE CHRISTOLOGISCHE KOINZIDENZ VON
MEDICUS UND MEDICINA
95
WA 5,311,1.
96
Vgl. z.B. Augustin, MPL 38, Sp. 1387: „Medicus etiam cum occideretur, suo
sanguine aegrotos sanabat“. Vgl. weiter Augustin, MPL 38, Sp. 847: „Venit ergo
Salvator ad genus humanum, nullum sanum invenit, ideo magnus medicus venit“. Vgl.
zur Thematik Hübner, a.a.O. (wie Anm. 4), S. 325. 327 sowie Rudolph Arbesmann,
The Concept of ‚Christus Medicus‘ in St. Augustine, in: Tr. 10 (1954), S. 1–28.
97
WA 4,609,14–17 (Sermone aus den Jahren ca. 1514–1520). Vgl. Johann
Gerhard, APHORISMI SACRI PRAECIPUA THEOLOGIAE PRACTICAE COM-
PLECTENTES Ex Scriptoribus Ecclesiasticis collecti & proprio studio aucti, Jena
1616 (HAB Wolfenbüttel G 151 Helmst. 8° [3]), S. 79: „Fusus est sanguis Medici
& factus est medicamentum aegroti“.
98
WA 30/I,121,12f: „Sacramentum non est datum ad venenum iis, qui habent
infirmitatem, sed pro remedio“.
die christologische koinzidenz von medicus und medicina 29
und Teufel hingibt („medicus, qui dedit tibi corpus suum“99). Hier
wird deutlich, daß die nicht zuletzt auf dem Hebräerbrief basierende
Versöhnungslehre Luthers die Matrix seiner theologia bzw. christo-
logia medicinalis bildet. Hat die Arzneikunst die Aufgabe, Leben zu
schützen und zu erhalten, so besteht das hohepriesterliche Amt des
Arztes Christus, der das Leben selbst ist ( Joh 14,6), darin, sein Leben
zu lassen, um ewiges Leben zu stiften. Genau diesen Aspekt bringt
auch der Choral ‚Nun laßt uns Gott dem Herren [. . .]‘ (EKG 227)
von Ludwig Helmbold (1532–1598) zur Geltung, indem er in der
vierten Strophe formuliert: „Nahrung gibt er dem Leibe; | die Seele
muß auch bleiben, | wiewohl tödliche Wunden | sind kommen von
der Sünden. || Ein Arzt ist uns gegeben | der selber ist das Leben;
| Christus, für uns gestorben, | der hat das Heil erworben“100.
Der Heilungsprozeß, den der medicus Christus in Gang setzt und
zum Abschluß bringt, ist die iustificatio allein aus Glauben, die sich
durch die Zurechnung der den Menschen fremden Gerechtigkeit voll-
zieht. In den ‚Operationes in Psalmos‘ beschreibt Luther diesen
Vorgang als transfiguratio des Menschen in Christus. Die Heilung
des sündenkranken Menschen geht vor sich, indem Christus, und
99
WA 30/I,121,7.
100
EKG 227,3f. Dieses Lied hat eine auffällig breite Wirkung auch im Medium
der Predigt gezeitigt. Vgl. z.B. folgendes aus Schmucks Wochenpredigten hervorge-
gangenes Werk: Vincentius Schmuck, EXODI PARS II. Außlegung des XIV. vnd
der folgenden Capitel biß auff das XXI. im andern Buch Mose / Darinnen der
Kinder Jsrael durchgang durch das rothe Meer / die Erseuffung Pharaonis / Mosis
Lobgesang / etliche des Volcks Reisen / die bescherung des HimmelBrots / vnd
wie Gott am Berg Sina das Gesetz gegeben / etc. ördentlich beschrieben werden,
Leipzig 1614 (HAB Wolfenbüttel 400.4 Theol.), S. 172. Zu Ex 15,26 führt Schmuck
aus, daß Christus „vnser aller Artzt worden [ist] / sonderlich wider das schädliche
Gifft der Sünden / daß wir durch krafft seines Verdiensts daran genesen / vnd
ewig leben können vnd sollen / davon wir singen: Ein Artzt ist vns gegeben / |
Der selber ist das Leben / | Christus für vns gestorben / | Hat vns das Heil
erworben.“ Dieser Choral auch in Olearius, Heylsame Betrachtung (wie Anm. 52),
S. 431 im Rahmen einer oratio ficta Christi: „Jch bin und bleibe allein dein bester
Leibes= und Seelen=Artzt / der ich allein mit Warheit sagen kan: Alles was dir
mangelt / findest du bey mir. B. Richt. 19. 20. Gesundheit / Leben / Segen / ja
ewiges Leben / Heil / Trost und Seligkeit / daß es heist: Ein Artzt ist uns gege-
ben / Der selber ist das Leben“. Ebenso bei Salomo Glassius, Prophetischer
Spruch=Postill Erster Theil / Darinnen auff alle vnd iede Fest= vnd Feyr=Tage
durchs gantze Jahr / zweene Prophetische Sprüche / Einer aus dem Esaia / der
ander aus der folgenden Propheten einem / erkläret / mit dem gewöhnlichen
Evangelio verglichen / vnd zu Christlichem Nutzen / im Glauben vnd Leben /
angeführet werden [. . .], Jena/Nürnberg 1642 (Bibliothek des Fachbereichs Evangelische
Theologie der Universität Hamburg G VI v 331), S. 262.
30 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
101
WA 5,311,12–14.
102
WA 5,311,14–17.
103
WA 20,671,34f.
104
WA 30/I,121,6f. Vgl. auch WA 47,44,15–18 (Auslegung des dritten und vier-
ten Kapitels Johannis 1538–1540): „Wir thun nicht viel anders denn als die kran-
cken, die gerne gesunth werden wollen und gleichwohl dem Artzt nicht folgen wollen,
noch seiner Ertznej gebrauchen, sondern den artzt und die Apotecken verachten
und sprechen: Ej, soll ich gesunth werden, so schadet mirs nicht, ob gleich allerlej
esse und trincke, was mir meine Eldtern geben, obs gleich der Artzt verbotten hab“.
die christologische koinzidenz von medicus und medicina 31
105
WA 30/I,121,20–23.
8. GESETZ UND EVANGELIUM:
DIAGNOSE UND THERAPIE
106
Vgl. z.B. WA 23,347,6–12: „Denn sterben und tod zufliehen und das leben
zurretten ist naturlich von Gott eingepflantzt und nicht verboten, wo es nicht wid-
der Gott und den nehesten ist, wie S. Paulus sagt Eph. 4. ‚Niemand hasset sein
fleisch, sondern wartet und pfleget sein‘. Ja es ist geboten, das ein iglicher sein leib
und leben beware und nicht verwarlose, so viel er ymer kan, wie S. Paulus sagt .j.
Cor. 12. Das Gott die geliedmas gesetzt hat ym leibe, das ymer eins fur das ander
sorget und schaffet“.
107
WA 52,708,34–709,3.
gesetz und evangelium: diagnose und therapie 33
108
WA 7,204,22–27 (vgl. hierzu Albrecht Peters, Kommentar zu Luthers
Katechismen, Bd. 1: Die Zehn Gebote, hg. von Gottfried Seebaß, Göttingen 1990,
S. 41). Ähnlich Melanchthon, Loci (wie Anm. 92), S. 66, 15–18: „Duae in univer-
sum scripturae partes sunt, lex et evangelium. Lex peccatum ostendit, evangelium
gratiam. Lex morbum indicat, evangelium remedium.“ Auch hiermit dürfte Luther
in Augustinscher Tradition stehen. Vgl. Hübner, a.a.O. (wie Anm. 4), S. 331. Vgl.
Augustin, CCSL 36,26,1–4: „Non erat ista [scil. gratia] in Veteri Testamento, quia
lex minabatur, non opitulabatur; iubebat, non sanabat; languorem ostendebat, non
auferebat; sed illi praeparabat medico uenturo cum gratia et ueritate“. Vgl. Gerhard,
Postilla (wie Anm. 68), I, S. 524f: „Es handelt Gott der HErr mit vns wie ein trew-
er verstendiger Artzt / welcher dem Patienten seine schwere Kranckheit erst zu
erkennen gibt / hernach scharffen Wein in die Wunden geusset / auff daß er
dadurch jhm den Weg zur Heilung bereiten möge / so handelt auch Gott mit vns
in vnserer Bekehrung / er gibt vns erst vnserer Seelen Kranckheit zu erkennen /
Auff daß wir vns von Hertzen nach der himlischen Artzney sehnen mögen“.
109
Paul Fleming, Teütsche Poemata, Lübeck o.J. (Reprint Hildesheim 1969), S.
546. Neumann (wie Anm. 50), Kantate auf den 14. Sonntag nach Trinitatis (BWV
25), S. 127. Vgl. hierzu Renate Steiger, Dialogue Structures in J. S. Bach’s Cantatas.
The Basic Form of Worship and a Model for Artistic Shaping, in: Bach. Journal
of the Riemenschneider Bach Institute Baldwin-Wallace College 33 (2002), S. 35–70,
bes. S. 37ff.
34 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
eignet. Während der Satan dem peccator lediglich seine Sünden und
seine Verlorenheit vor Augen hält, geht die lex einen, aber den ent-
scheidenden Schritt weiter. Der Satan diagnostiziert die Krankheit,
heilt diese jedoch nicht, sondern imputiert diese noch dazu dem
Kranken zum Tode. Das Gesetz stellt zwar auch eine Diagnose und
ist wie der Teufel unfähig, einen Heilprozeß in Gang zu setzen, zeigt
aber auf Christus, den medicus, fungiert also als Wegweiser: „Non
facit lex ut Satan, qui vulnerat et non sanat. Lex facit contrarium,
macht erschlagen hertzen et indicat Christum medicum: durt ghe
hin“110. Im Gegensatz zum Gesetz setzt der Teufel sich und seine
Anklage des Sünders absolut: Es gibt keinen Ausweg. Das mosaische
Gesetz dagegen, dessen accusatio nicht minder scharf ist, relativiert
sich, indem es einen Ausweg weist und die Flucht zum salvator
ermöglicht. Was ihre Funktion betrifft, sind Gesetz und Krankheit
eng verwandt, und letztere kann als eine empirische Sinnenfällig-
werdung der Gesetzespredigt begriffen werden. Wie die lex den sün-
digen Menschen zu dem Retter führt, der nur darum von der Anklage
der lex befreien kann, weil er selbst unter das Gesetz getan ist (Gal
4,4), dessen gesamte Anklage auf sich nimmt, mithin zum Inbegriff
des von diesem Verfluchten wird (Gal 3,13), so führt auch die durch
das Gesetz gestiftete Erkenntnis der Sündenkrankheit den Menschen
zum Heiland, der wiederum Inbegriff, ja Personifikation der Krankheit
selbst ist, weil er alle languores trägt ( Jes 53,3f ). Nur vor diesem
Hintergrund wird die Dialektik des göttlichen Handelns erkennbar,
die sich wiederum an derjenigen des Arztes abbilden läßt: Der sich
im Gesetz offenbarende Zorn Gottes ist eine Funktion von dessen
misericordia und nicht das Gegenteil derselben. Diese Paradoxie ist
abbildbar an dem Umstand, daß Gott wie ein Arzt handelt, der
einen operativen Eingriff vornimmt, den Körper des Patienten ver-
letzen muß, um zu heilen, während der Teufel verletzt, um zu
schaden. „Talis medicus est deus, qui corripit, ut emendet, irascitur,
ut misereatur, secat, ut sanet. Contra satan tantum vulnerat, non
rursum medetur“111.
Dieses Verständnis der mosaischen lex als Arznei prägt auch Luthers
Ausführungen zum Kirchenbann. Der Bann darf nach Luther nur
als ultima ratio eingesetzt werden und muß seelsorglich stets auf die
110
WA 17/I,275,3–5 (Predigten des Jahres 1525 [Nr. 40]).
111
WA 13,698,22–699,1 (Praelectiones in prophetas minores 1524–1526).
gesetz und evangelium: diagnose und therapie 35
112
WA 6,65,17f (Ein Sermon von dem Bann 1520).
113
Vgl. WA 6,64,30–37. Vgl. Christoph Link, Art. Bann V., in: TRE 5 (1980),
S. 182–190, hier: S. 186f.
114
Vgl. WA 6,64,22–26.
115
WA 6,65,26–34.
116
WA 6,67,15. Vgl. WA 6,68,8 („gutige mutterlich geyssell“); 6,68,27 („eyn mut-
terliche ruten“); 6,71,6 („ein mutterlich, unschedliche, heylsam straf “).
117
WA 6,67,34.
36 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
118
WA 6,75,28–31.
119
Vgl. WA 6,75,34–38.
120
WA 6,75,24f.
121
Vgl. WA 52,710,19–25: „Wenn aber Christus kombt und sein ärtzney, das
ist: sein wort, dadurch der hellig Geist die welt der sünden, der gerechtigkeit und
des gerichts halb straffet, uns mitteylet, da wirdt uns erstlich offenbaret der zorn
Gottes, das ein mensch sein sünd erkennet und einen mißfallen dran hat und wolt,
er hets nit gethun. Dadurch aber ist der kranckheyt noch nit geholffen, und muß
doch sein, Denn on solches erkentnuß achtet man der genad und des trostes gar
nichts“.
9. MEDIZIN UND THEOLOGIE:
ERFAHRUNGSWISSENSCHAFTEN
122
WA.TR 1,151,4–6.
123
Vgl. WA.TR 1,178,7–9 (Nr. 411).
124
WA.TR 2,255,19f (Nr. 1898).
125
WA.TR 2,255,20f. Vgl. den Choral ‚Wenn Menschenhülff scheint aus zu sein,
| So stellt sich Gottes Hülfe ein‘ (1667) von Anton Ulrich, Herzog zu Braunschweig
und Lüneburg (1633–1714) (vgl. Fischer, Kirchenlieder-Lexicon 2, S. 353). Vgl.
38 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
Bei Luther gibt es keinen Dualismus von leiblicher Medizin hier und
medicina spiritualis dort. Dies wird nicht zuletzt anhand der
Beobachtung deutlich, daß nicht nur innerhalb der zu ewiger
Gesundheit führenden cura Dei einzig und allein das Wort wirkt.
Vielmehr trifft genau dies auch auf die leibliche Medizin zu. Nicht
zuvörderst die Medikamente wirken Gesundheit — so arbeitet Luther
anhand von Jes 38 heraus — sondern das verbum Dei in ihnen.
„Non quod medicina nihil ad curandum morbum faciat sed quod
ipsa curatio non sit in medicina et remediis sita sed in verbo. Per
et in creaturis operatur verbum“129. Hier bringt sich Luthers funda-
mental-hermeneutische Grundeinsicht zur Geltung, der zufolge sich
der trinitarische Gott an äußerliche media bindet, durch die hin-
durch er sich kommuniziert: durch das verbum externum, durch
äußerlich-leibliche Elemente in den Sakramenten, durch Kreaturen.
Ist schon die Tatsache, daß sich das verbum Dei mit kreatürlichen
Dingen, in diesem Falle mit Pflanzen und Kräutern, verbindet, Grund
der Verwunderung, so ist staunenswerter allemal der Umstand, daß
Gott keine Scheu hat, selbst dem Tiermist und Menschenkot Heilkräfte
dadurch einzustiften, daß er sein heilendes Wort in ihnen verbirgt.
„Mich wundert, daß Gott so hohe und edle Arznei in Mist gesteckt
hat; denn man hats aus Erfahrung, daß Säumist das Blut verstopft;
Pferdemist dienet fur Pleuresin; Menschenmist heilet Wunden und
schwarze Blattern; Eselsmist braucht man neben andern fur die rothe
Ruhr, und Kühmist mit eingemachten Rosen dienet fur die Epilep-
siam der Kinder“130. Noch also in den Heilmitteln kann man Gottes
129
WA 25,245,20–22 (Vorlesung über Jesaja, Scholia 1532–1534). Ähnlich spä-
ter Gerhard, Postilla (wie Anm. 68), I, S. 357: „Das Brot an vnd vor sich selbst
nehret nicht / sondern das krefftige Wort Gottes im Brot erhelt vns. Die Artzney
an vnd vor sich selbst macht nicht gesund / sondern das krefftige Wort Gottes in
der Artzney“.
130
WA.TR 1,29,21–25 (Nr. 78). Das Lob der therapeutischen Effizienz von Kot
ist auch patristisch belegbar, etwa bei Hieronymus. Vgl. Hieronymus Stridonensis,
MPL 23, Sp. 292: „Et (quod forsitan legenti mirum sit) hominis fimus quantis cura-
tionibus proficiat, Galenus §n èplo›w docet“. Vgl. Schadewaldt, Apologie (wie Anm.
40 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
25), S. 122. Seit dem Ausgang des 17. Jahrhunderts wird diese Tradition in ver-
schiedenen ‚Dreckapotheken‘ zusammengefaßt. Vgl. z.B. Christian Franz Paullini,
Heilsame Dreck=Apotheke; Wie nemlich mit Koth und Urin Fast alle / ja auch
die schwerste / gifftige Kranckheiten / und bezauberte Schaden / vom Haupt biß
zun Füssen / inn= und äusserlich / glücklich curirt worden; Durch und durch mit
allerhand curieusen / so nutz= als ergetzlichen / Historien / und andern feinen
Denckwürdigkeiten / bewährt und erläutert, Frankfurt a.M. 1696 (HAB Wolfenbüttel
Xb 2571 [2]). Eine überarbeitete und erweiterte Fassung dieses Werkes erschien
schon ein Jahr später: Christian Franz Paullini, Neu=Vermehrte / Heilsame
Dreck=Apotheke / Wie nemlich mit Koth und Urin Fast alle / ja auch die schwer-
ste / gifftigste Kranckheiten / und bezauberte Schaden / vom Haupt biß zun
Füssen / inn= und äusserlich / glücklich curiret worden; Durch und durch mit
allerhand curieusen / so nütz= als ergetzlichen / Historien und Anmerckungen /
auch andern Feinen Denckwürdigkeiten / Abermals bewährt / und üm ein merck-
liches vermehrt / und verbessert, Frankfurt a.M. 1697 (FB Gotha Med. 8° 78/3).
131
WA.TR 5,17,20–22 (Nr. 5227).
132
WA.TR 5,17,15.
pharmacologia sacra 41
133
Vgl. Mathesius, a.a.O. (wie Anm. 61), II, fol. 119v: „GOtt die vornemeste
vnnd erste vrsach aller Creaturen hat die mittel vrsachen verordnet / die Kreuter
/ den Artzt vnd den Apotecker / vnnd giebt Kunst / verstand vnnd geschicklig-
keit / von den Kranckheiten / Artzneyen / vnnd wie man sie appliciren vnd
gebrauchen sol / zu iudiciren vnnd zuschliessen / welcher Artzney gebrauch vnd
application mit dem Gebet [. . .] geschehen sol. Das ist nu das gemittelte ende der
Kreuter vnd Artzney: Gott lesset auff den Gebirgen Kreuter zu des Menschen dienst
wachsen / das sie die verletzten vnd beschedigten gliedmaß heylen / vnd die
schmertzen lindern / wie solches die erfarung giebet. Aber das letzte ende der
Artzney ist / das in den Menschen / welche gesund gemacht werden / Gotte aus
den Creaturen erkennet / jhme gedienet / vnnd er gelobet vnnd gepreyset möge
werden.“
134
Ebd., fol. 120r.
11. CHRISTUS, DER ARZT UND APOTHEKER:
ARZTPRAXIS UND APOTHEKE ALS
ERFAHRUNGSRÄUME DES GLAUBENS
Luther ist daran gelegen, seinen Hörern und Lesern vor Augen zu
malen, wie Gott den Sünder allein aus Glauben um seines Sohnes
willen rechtfertigt und heilt. Im Zuge dessen verarbeitet Luther ins-
besondere diejenigen biblischen Texte, die das Wirken Gottes mit
ärztlicher Behandlung vergleichen. Dabei wird sinnlich und im Kontext
des alltäglichen Lebens spurenhaft erfahrbar, wie es um Gottes
Heilsplan und Heilshandeln bestellt ist. Insofern liegt die Bezeichnung
Gottes als Arzt genau auf der Linie von Luthers typischer, um
Bildhaftigkeit und Anschaulichkeit bemühten Predigtweise, die den
Reformator auch veranlaßt, Christus Mt 23,37 folgend in der Tierwelt
gespiegelt zu sehen — in der Gluckhenne, die ihren Jungen unter
ihren Flügeln Schutz und Zuflucht bietet: „Ideo mus so zu ghen, ut
glorientur sub alis Christi, ut simus sub gluckhenne. Ut quando
Ieremias locutus, quae placuit. Sed fac mecum secundum misericor-
diam. Ibi fleuget er unserm herr Gott unter sein gnadenflügel“135.
Zwar trifft es zu, daß sich der Topos von Christus als Apotheker,
der sich nicht zuletzt in der recht verbreiteten Abbildung des Sohnes
Gottes als apothecarius manifestiert (— als Schöpfer dieses Bildmotivs
darf Michael Herr [1591–1661] mit seinem Öltafelbild aus dem Jahre
1619 gelten136 —), vollends erst im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts
135
WA 41,665,14–17 (Predigten des Jahres 1536 [Nr. 33]). Vgl. WA 41,667,23.
136
Vgl. Abb. 1 und weitere Beispiele für diesen Bildtypus im Abbildungsteil. Vgl.
hierzu ausführlich Fritz Krafft, Christus als Apotheker. Ursprung, Aussage und
Geschichte eines christlichen Sinnbildes (= Schriften der Universitätsbibliothek
Marburg 104), Marburg 2001, S. 197ff. Aus der älteren Forschungsliteratur vgl. v.a.
Wolfgang-Hagen Hein, Christus als Apotheker (= Monographien zur pharmazeuti-
schen Kulturgeschichte 3), Frankfurt a.M. 1974 (21992). Zu Michael Herr vgl. wei-
ter Michael Herr 1591–1661. Ein Künstler zwischen Manierismus und Barock.
Katalog der ausgestellten Werke. Ausstellung anläßlich seines 400. Geburtstages im
Rathaus der Stadt Metzingen vom 15. November bis 4. Dezember 1991, hg. von
der Stadt Metzingen. Mit Beiträgen von Silke Gatenbröcker u.a., Metzingen 1991,
S. 11–28. 57–116 sowie Silke Gatenbröcker, Michael Herr (1591–1661). Beiträge
zur Kunstgeschichte Nürnbergs im 17. Jahrhundert. Mit Werkverzeichnis (= Uni
Press Hochschulschriften 76), Münster 1996.
christus, der arzt und apotheker 43
137
Vgl. Krafft, Arznei (wie Anm. 8), S. 50f.
138
WA 17/I,477,25f.
139
WA 17/I,477,26.
140
WA 17/I,477,26–28.
141
Vgl. WA 17/I,477,28–478,2: „Stultus esset homo eger, quando veniret medi-
cus ad eum et vellet sanare et ipse apportaret gladium occisurus medicum“.
142
WA 20,544,39f (Predigten des Jahres 1526 [Nr. 68]).
44 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
ander kunst zu sagen, was die kranckhait sey, und ain ander kunst
zu sagen, was man dartzu haben sol, das manß loß werde. So ist
es hye jnnen auch: das gesetz endeckt die kranckhait, das Euangelium
gibt die ertzney“143.
Luther setzt auch die remissio peccatorum mit einer solchen
Apotheke gleich, die für gründliche, weil sofortige Abhilfe sorgt. Die
tröstliche Botschaft des Evangeliums weckt bei demjenigen, dem seine
Sünden allein um des Glaubens willen vergeben werden, die Einsicht
„quod mea peccata non sunt amplius peccata, quia sie sind hinweg
gerissen durch ein Apotecken. Remittuntur tibi etc.“144 Mit ‚Apotheke‘
(Arzneimitteldepot) bezeichnet Luther also regelrecht das ‚Heilmittel‘.
In diesem Zusammenhang nimmt es kaum wunder, daß Luther
nicht nur implizit von Christus als Apotheker spricht, indem er ihn
als denjenigen vor Augen malt und ‚fürbildet‘, der sich einer geist-
lichen Apotheke, will sagen: eines geistlichen Heilmittels bedient, son-
dern dies auch explizit zur Sprache bringen kann. Dies ist in einer
Bucheinzeichnung zu Joh 8,51 (‚Warlich / warlich / Jch sage euch
/ So jemand mein Wort wird halten / der wird den Tod nicht
sehen ewiglich‘) der Fall, wo es heißt: „DAs mag heissen ein guter
Apoteker, der sölche Ertzney geben kan, das der Todt nicht alleine
vberwunden sein sol, sondern auch nicht vnd nimmermehr sol gese-
hen werden. Vnd ist ein wünderlichs, das ein Mensch mus sterben
vnd doch den Tod nicht sehen sol, wo er Gottes wort im hertzen
hat vnd daran gleubet. Solche starcke Ertzney ist Gottes Wort, im
glauben behalten, das es aus dem Todt ewiges leben machet. O wer
das köndte gleuben, wie selig were er auch hie jnn diesem leben!“145
Da es sich bei diesem Text nicht um einen solchen handelt, der
im Verborgenen geblieben ist, dieser vielmehr in den entsprechen-
143
WA 10/III,338,4–10 (Predigten des Jahres 1522 [14.9.]).
144
WA 29,574,7–9 (Predigten des Jahres 1529 [Nr. 67]). Vgl. WA 29,574,24–30:
„Darümb ob ich gleich nichts anders füle denn viel und grosse sunde, so sind sie
doch nicht mehr sunde, Denn ich habe dargegen ein köstlich tyriak und Apoteken,
so der sunde yhr krafft und gifft nimpt und dazu tödtet, welchs ist das wort
Vergebung, fur welchem die sund zurgehet wie die stoppeln, wenn das fewer drein
kompt, sonst hülffe kein werck, kein leiden odder marter widder die aller gering-
ste sund“. Vgl. auch WA 30/I,15,22–24 (Katechismuspredigten, 1. Reihe, 5.
Vaterunser-Bitte 1528): „Ideo hat er uns den trost gestellt: Ich sol wol heilig
sein, sed etc. ein apotecken gestellt cum promissione: Si vis remitti tibi, remitte etc.
Luc. 7“.
145
WA 48,153f, Nr. 199 (Bibel- und Bucheinzeichnungen).
christus, der arzt und apotheker 45
146
Vgl. die entsprechende editorische Notiz: WA 48,153 zu Nr. 199.
147
S. u. S. 101ff.
148
Vgl. z.B. Nikolaus Selnecker, Tröstliche schöne Sprüche für die engstigen
Gewissen, Leipzig o.J. [ca. 1570] (HAB Wolfenbüttel Yv 1516 Helmst. 8° [2]), fol.
M 6v: „Da findet sich allein der Ertzartzt / Jhesus Christus / Gottes vnd Marie
Son. Dieser erbarmet sich vber vns / vnnd bringt von oben herab aus der Himlischen
Apoteken / ein Göttlichs vnnd lebendigs Recept / nemlich / sich selbs / gibt sich
für vns in den Todt“.
149
WA 30/I,51,23f (Katechismuspredigten, 2. Reihe, Taufe 1528). Vgl. WA
30/I,217,20–26 (Großer Katechismus 1529): „Denn rechne du, wenn yrgend ein
artzt were, der die kunst künde, das die leute nicht stürben odder, ob sie gleich
stürben, darnach ewig lebten, wie würde die welt mit gelt zuschneyen und rege-
nen, das fur den reichen niemand künde zukomen? Nu wird hie yn der Tauffe
yderman umb sonst fur die thür gebracht ein solcher schatz und ertzney, die den
tod verschlinget und alle menschen beym leben erhelt“.
150
Vgl. Schipperges, Tradition (wie Anm. 4), S. 15, wo allerdings kein Beleg
genannt wird.
46 teil i ‒ luthers theologia medicinalis
151
WA 30/I,51,15–17.
152
Vgl. WA 30/I,51,18–20: „Natura mocht wol dran zweifeln, obs war were etc.
wenn ein apoteken wer irgend an einem ort, die so reichlich und gros ding ver-
hiesse etc. quam dives esset ille doctor futurus, qui sciret artem, ne homines more-
rentur“.
153
BSLK, S. 515,25.
154
WA 37,253,2–5 (Predigten des Jahres 1534 [Nr. 1]). Ganz ähnlich WA
52,102,27–32.
155
Zur Verwendung dieses Terminus bei Luther vgl. WA 20,797,31.
156
Vgl. z.B. WA 34/II,412,10f (Predigten des Jahres 1531 [Nr. 98]).
157
WA.TR 3,298,15f (Nr. 3383b).
christus, der arzt und apotheker 47
158
Vgl. WA.TR 3,429,3f (Nr. 3580): „Denn der Teufel ist also kräftig, er kann
Arznei und Apotheken wandeln, und Staub in die Büchsen thun“.
159
WA 36,594,38–595,16 (Predigten des Jahres 1532 [Nr. 9]).
160
WA 36,595,24–26.28–30.
161
Vgl. WA 40/I,589,8–10: „Ideo nostra theologia est certa, quia ponit nos extra
nos: non debeo niti in conscientia mea, sensuali persona, opere, sed in promissione
divina, veritate, quae non potest fallere“. Vgl. Gerhard Ebeling, Luther. Einführung
in sein Denken, Tübingen 1964, S. 197. 301.
162
BSLK, S. 514,3f.
TEIL II
DIE THEOLOGIA MEDICINALIS IN DER
LUTHERISCHEN ORTHODOXIE
1. VORBEMERKUNGEN
163
Vgl. z.B. EKG 154,7 (Martin Luther); 227,4 (Ludwig Helmbold); 299,3 (Samuel
Rodigast); 394,9 (Benjamin Schmolck). Vgl. darüber hinaus etwa Johann Heermanns
Abendmahlslied „O Jesu, du mein Bräutigam“, in dem es in den Strophen 2 und
3 heißt: „Ich kom zu deinem Abendmal, | Verderbt durch manchen SündenFall.
| Ich bin kranck, vnrein, nackt vnd blos, | Blind und arm. Ach mich nicht ver-
stoß! || Du bist der Artzt, du bist das Liecht, | Du bist der HERR, dem nichts
gebricht. | Du bist der Brunn der Heiligkeit, | Du bist das rechte HochzeitKleid“
(Albert Fischer / Wilhelm Tümpel, Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17.
Jahrhunderts, 6 Bde., Gütersloh 1904–1916 [Reprint Hildesheim 1964], hier: Bd.
1, S. 291). Vgl., um ein weiteres Beispiel zu nennen, Johann Rists Lied eines
Kranken ebd., Bd. 2, S. 280, insbesondere die Strophen 4 und 5.
Ein Beispiel für die Aneignung der medizinisch-theologischen Thematik im Gebet
eines Kranken bietet Christian Chemnitz, Jenisches Handbuch / Darinnen enthal-
ten I. Morgen= und Abendsegen auf alle Tage in der Wochen / wie auch Beicht=
Buß= Communion= und andere Gebetlein / nach eines ieden Noth und Anliegen.
II. Köstliche Trostsprüche in aller Noth und Anfechtung / von D. Johann Gerhard
seeliger zusammen getragen. III. Catechismus D. Lutheri. IV. Ein Gesangbuch /
welches in neuen Geistlichen Liedern bestehet, [ Jena] 131688 (Privatbesitz), S. 409f:
„O du himlischer Artzt / HErr JESU Christe / nimm mich in deine Cur / lin-
dere mir meine Schmertzen / und heile mich durch deine Wunden / laß dein bit-
ter Leiden und Sterben meine Artzney seyn. HErr / laß mich deines Kleides Saum
anrühren / das ist / dein heiliges Wort und Sacrament / darein du dich verklei-
dest / und heile mich / daß ich durch deine heilige krafft / die von dir ausge-
het / gesund werde“.
Bekanntermaßen spielt die medizinische Topik auch bei Johann Arndt eine wich-
tige Rolle. Auf dem Hintergrunde der Tatsache, daß in den letzten Jahren immer
deutlicher geworden ist, daß Arndt im Rahmen des Luthertums eine Sonderrolle
zuzuweisen ist, bleibt dieser Autor in vorliegender Studie absichtlich unberücksich-
tigt. Zu Arndts medizinischer Theologie wäre eine eigene Monographie zu schrei-
ben. Klar aber dürfte sein, daß es unangemessen wäre, jegliche medizinische
Metaphorik bei Arndt auf das Konto des Paracelsismus zu buchen.
52 teil ii – lutherische orthodoxie
164
Vgl. Eberhard Mannack, Johann Rist. Gelehrter, Organisator und Poet des
Barock. Festvortrag zur 89. Jahresversammlung der Gesellschaft der Bibliophilen
e.V. am 5. Juni 1988 in Kiel, München 1988, S. 8. Der Beitrag von Anne-Charlott
Trepp, Zur Pluralisierung im Luthertum des 17. Jahrhunderts und ihrer Bedeutung
für die Deutungen der ‚Natur‘, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 26 (2003),
S. 183–197 stellt eine ganze Reihe von historisch nicht haltbaren Scheinalternativen
auf — etwa diejenige, daß die Lektüre im Buch der Natur (nicht nur bei Rist)
Ausweis einer Distanzierung von der ‚lehrhaft‘-akademischen Theologie der Ortho-
doxie sei.
165
Olearius, Heylsame Betrachtung (wie Anm. 52), S. 429.
166
Vgl. Michael Ziegenhorn, APOTHECA SPIRITUALIS, Hoc est: LIBELLUS
ORATORIUS, PRECATIONES INSIGNIORES, SELECTISSIMAEQUE SACRO-
SANCTAE SCRIpturae ac D. Patrum, ut Augustini, Bernhardi, Hieronymi, Ambrosii,
Gregorii, Athanasii, Basilii, Chrysostomi, Cyrilli, Cypriani, Isidori, Origenis, Anshelmi,
Theodoreti, Bedae & Clementis Alexandrini, complectens dicta, inprimisque annuae
Festorum celebrationi [. . .], Halle/S. 1613 (HAB Wolfenbüttel Yv 317.8° Helmst.
[2]). Das Buch enthält Gebete, Bibelsprüche und Vätersentenzen und ist eingeteilt
in die folgenden sich an den hohen Festzeiten des Kirchenjahres ausrichtenden
Rubriken: Weihnachten, Passion, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten, Trinitatisfest. Vgl.
neben Urbanus Rhegius’ berühmter ‚Seelen-Arznei‘ (vgl. o. Anm. 91) etwa Matthäus
Orneus, Trost Oder Seelartzneibuch Jn welchem fast wider alle Anfechtungen /
vnd Trübsalen / so sonderlich den waren Christen in dieser Welt begegnen /
Jnsonders heilsame / vnd edle Recept / oder Artzneytrünck / Seelsterck vnd Labung
/ aus den fürnembsten Trostsprüchen heiliger Göttlicher Schrifft / als gesunden
Kräutern / nach Rath des einigen waren SeelArtzs Christi / getrewlich zubereitet
[. . .], Frankfurt a.M. 1571 (HAB Wolfenbüttel G 71 Helmst. 2 [1]).
vorbemerkungen 53
167
Johann Gerhard, Sämtliche Leichenpredigten nebst Johann Majors Leichenrede
auf Gerhard, kritisch hg. und kommentiert von J.A. Steiger (= DeP I, 10), Stuttgart-
Bad Cannstatt 2001, S. 93.
168
Basilius d. Gr., Homilia in Ps 1, MPG 29, Sp. 210f: „Omnis Scriptura est
divinitus inspirata atque utilis, ideo a Spiritu sancto conscripta, ut velut in com-
muni animarum curandarum officina, nos omnes quotquot sumus homines ad
nostrum morbum sanandum medelam seligere possimus.“
169
Vgl. Leonhart Hütter, COMPENDIUM LOCORUM THEOLOGICORUM,
EX SCRIPTURIS SACRIS ET LIBRO CONCORDIAE Antehac collectum OPERA
ET STUDIO LEONHARDI HUTTERI Jst aber jetzo / allgemeiner Christenheit
/ und sonderlich der lieben Schul=Jugend / zum besten / Die Deutsche Version
/ Wie sie der Autor Seel. selbst übersetzet hat / auff jedem Blat hiebey gefüget,
Braunschweig 1661 (HAB Wolfenbüttel Te 607), fol. )( 7v: „Dann weil solch Erkäntniß
Gottes / in der That und Warheit ist communis medica animarum officina, das ist
/ eine allgemeine heilsame Apotheke der Seelen / ja die einige bewehrte Panacaea,
wider alles Creutz / Trübsal / Angst und Noth / im Leben und Sterben / So muß
es ja sehr übel stehen / üm einen solchen Menschen / der sich üm wahre Erkäntniß
Gottes / und die reine seligmachende Religion / in seinem Leben wenig beküm-
mert.“ Daß die Verwendung medizinisch-theologischer Topik im Rahmen von
Vorreden zu Lehrbüchern der Loci-Dogmatik zur Zeit Hütters bereits auf eine
beachtliche Tradition zurückblicken konnte, belegt ein Blick in die Kompendien
von Heerbrand und Hafenreffer. Vgl. Jacob Heerbrand, Compendium THEOLO-
GIAE Methodi quaestionibus tractatum [. . .] Jdem à MARTINO CRVSIO,
VTRIVSQVE LINGVAE IN EADEM Academia Professore, Graecè versum,
Wittenberg 1582 (Bibliothek des Fachbereichs Evangelische Theologie der Universität
Hamburg G VI v 465), fol. ):( 1r. Hier nennt der Autor der griechischen Überset-
zung des Heerbrandschen Compendiums dieses ein „animi Pharmacopolium viuificum“.
Vgl. weiter Matthias Hafenreffer, Loci Theologici, CERTA METHODO AC RAtione,
in Tres Libros tributi. QVI THEOLOGICARVM RERVM SVMMAS, SVIS
VBIQVE DILVCIDIS SCRIPTVRAE TESTImonijs confirmatas, breuiter conti-
nent: earundem Christianam Praxin, paucis commonstrant: ac nostri denique Seculi,
praecipuas ÑEterodidaskal¤aw fideliter exponunt [. . .], TERTIA CVRA Ab Auctore
Recogniti, & Prioribus auctiores [. . .], Tübingen 1603 (Bibliothek des Fachbereichs
Evangelische Theologie der Universität Hamburg G VI v 581), fol. ):( 2v/3r: „Ad
huius igitur amplißimae & Diuinißimae Scientiae, quae Omnia tum ad huius, tum
alterius Vitae Incolumitatem pertinentia, ac nobilißimam & diuinißimam animae
Medicinam, complexu suo continet, meritò omnes Christiani, animos studiaque
nostra conuertimus; memores quàm simus AEVI BREVIS.“
2. JOHANNES VIETOR
170
Vgl. zur medizin- und pharmaziehistorischen Relevanz der Leichenpredigten
die bei Irmtraut Sahmland, Beschreibung und Bewertung von Krankheit in der
Predigtliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts am Beispiel der Bergpredigten, in:
Udo Benzenhöfer und Wilhelm Kühlmann (Hgg.), Heilkunde und Krankheitserfahrung
in der frühen Neuzeit. Studien am Grenzrain von Literaturgeschichte und Medi-
zingeschichte (= Frühe Neuzeit 10), Tübingen 1992, S. 228–246, hier: S. 228, Anm.
5 angeführte Literatur.
171
Johannes Vietor, Panacea Biblica: Das ist / EJn Christlicher Sermon / von der
alleredlesten vnd gewissesten Artzney / mit welcher der beste Leibs vnd Seelen
Medicus, CHRISTUS IESUS, allen glaubigen Patienten am sichersten zuhelffen
pfleget / auß dem XVI. Cap. deß Büchleins der Weißheit / Gehalten Zu Darmbstatt
bey Begräbnuß der Ehrn vnd Tugendsamen Frauwen ANNAE / Fürstlicher
HofApoteckerin / weyland deß Ehrnhafften vnd Vornehmen Caspar Pfaffen / seli-
gen / gewesenen Kellners zu Senßfeld / hinderlassener Wittiben / welche den 10
Augusti seliglich in Christo verschieden vnd folgenden 13. Tag gemeldtes Mondes
ehrlich zur Erden bestattet worden, Darmstadt [1616] (HAB Wolfenbüttel 253.5
Th. [5]).
172
S. o. S. 30f.
johannes vietor 55
173
Vgl. Gerhard, Meditationes (wie Anm. 40), S. 108: „hîc parata vicissim vera
arbor vitae, dulce illud lignum, cujus folia sunt in medicinam, fructus in salutem:
eius dulcedo omnem malorum, ipsius etiam mortis amariciem tollit“.
174
Vietor, a.a.O. (wie Anm. 171), S. 10.
56 teil ii – lutherische orthodoxie
175
Ebd., S. 13.
176
Ebd., S. 17.
177
Ebd., S. 18. Vgl. WA.TR 1,406,27–29 (Nr. 834).
178
Vietor, a.a.O. (wie Anm. 171), S. 18.
179
Ebd., S. 16.
johannes vietor 57
180
Ebd., S. 16f.
58 teil ii – lutherische orthodoxie
Wort. Hiermit korreliert, daß der Deus revelatus einzig und allein
greifbar wird in Christus, also in demjenigen, der Gott und Mensch
zugleich ist. Weil es von hier aus betrachtet ein Korrespondenz- und
Kommunikationsverhältnis gibt zwischen Göttlichem und Menschli-
chem, Ewigem und Zeitlichem, Himmlischem und Irdischem, Geist
und Fleisch, nimmt es nicht wunder, daß lutherische Theologen nach
der geistlich-göttlichen Signatur der gesamten empirischen Wirklichkeit
fragen und herausarbeiten, wo Gott dem Blick des Glaubens faßbar
wird: nämlich überall. Die geistliche Dechiffrierung der Berufsarbeit
von Ärzten und Apothekern rührt her von dieser typisch reforma-
torischen Hermeneutik und dem sich aus ihr ergebenden Wirklichkeits-
verständnis im Lichte des Glaubens.
3. CHRISTUS ALS ARZT UND
APOTHEKER — JES 55,1 UND MT 11,28
181
Vgl. Krafft, Arznei (wie Anm. 8). Vgl. weiter Krafft, Christus (wie Anm. 136).
Ders., Christus ruft in die Himmelsapotheke (wie Anm. 4).
182
Vgl. Georg Moebius (Praes.), Johann Christian Sprenger (Disp.), MERCA-
TURA SPIRITUALIS Esaiae LV. cap. vers. 1, 2, 3. descripta, QVAM ATHENIS
PHILYREIS IN DISPUTATIONE PUBLICA EXPLANATAM, SUMMI NUMI-
NIS AUSPICIIS, PRAESIDE [. . .] DN. GEORGIO MOEBIO [. . .] exhibet
60 teil ii – lutherische orthodoxie
tione, Jesa. 55. v. 1. Apoc. 22. v. 17. Ideò supra Matth. 11. v. 28. amicissime invi-
tavit ad se omnes laborantes & oneratos, promittens se eos reficere velle. Hic ergo
habemus Medicum, qui morbos animae & conscientiarum plenè & perfectè curare
potest.“ Der Erstdruck dieses von Leyser weitergeführten Werkes Chemnitz’ erfolgte
in den Jahren 1604–1611 (vgl. Theodor Mahlmann, Bibliographie Martin Chemnitz,
in: Der zweite Martin der Lutherischen Kirche. Festschrift zum 400. Todestag von
Martin Chemnitz, Braunschweig 1986, S. 368–425, hier: S. 417). Vgl. zudem Johann
Gerhard, Frommer Hertzen Geistliches Kleinod. Das ist: Vier unterschiedene
Tractätlein / Deren Das erste in sich begreifft eine Erklärung des Catechismi /
durch außerlesene Sprüche heiliger Schrifft. Das ander / geistliche Gespräch Gottes
des HErrn / und einer gläubigen Seele. Das dritte / Trostsprüche und Trost=Gründe
in allerhand Noht und Anfechtung. Das vierdte / die Litaney mit andächtigen
Hertzens Seufftzern erkläret. Auf gnädige Anordnung einer hohen Fürstlichen Person
zusammen getragen [. . .], [Lüneburg] 1670 (HAB Wolfenbüttel Xb 2460 [1]), wo
sich im dritten Traktat, der 1618 erstmals gedruckt worden ist (vgl. Bibliographia
Gerhardina [1601–2002]. Verzeichnis der Druckschriften Johann Gerhards [1582–1637]
sowie ihrer Neuausgaben, Bearbeitungen und Übersetzungen, bearb. von J.A. Steiger
unter Mitwirkung von Peter Fiers [= DeP I,11], Stuttgart-Bad Cannstatt 2003, Nr.
216), unter der Rubrik „Klag eines geängsteten Hertzens / und göttlicher Trost“
(S. 183–187) Jes 55,1 und Mt 11,28 finden lassen (S. 185 bzw. 187). Einen frühe-
ren Beleg für die Kombination dieser beiden Zitate in Trostspruchsammlungen
konnte ich bislang nicht ausfindig machen. Die älteren hier einschlägigen Büchlein
enthalten jedoch häufig Mt 11,28, was mitunter auf Luthers Vorliebe für diese
Kernstelle zurückzuführen sein dürfte (WA / 17/II,394,33f [Festpostille 1527]: „[. . .]
welches gar ain treflicher, mechtiger tröstspruch ist in der anfechtung, es sey für
ain anfechtung, wie sie wölle“). Vgl. z.B. Veit Dietrichs ‚Sehr schöne Trostsprüche
für die engstigen gewissen‘ (in: Veit Dietrich, Etliche Schrifften für den gemeinen
man / von vnterricht Christlicher lehr vnd leben / vnnd zum trost der engstigen
gewissen. Durch V. Dietrich. Mit schönen Figuren. Nürmberg. M.D.XLVIII., hg.
von Oskar Reichmann [= QFEL 5], Assen 1972, S. 181–191), wo diese Bibelstelle
schon auf dem Titelblatt gewissermaßen als Motto zitiert wird und im späteren
Verlauf nochmals vorkommt (ebd., S. 183 — hier in Verbindung mit Mt 9,12). Als
einen weiteren Beleg für die enge Verbindung von Jes 55,1 und Mt 11,28 vgl.
Glassius, a.a.O. (wie Anm. 100), S. 242f: „Desselben vnsers hochverdienten Heylandes
Wort sind es / die allhier [scil. Jes 55,1–3] stehen / vnd kommen eigentlich
vberein mit dem / was aus seinem heiligen Munde Matthaeus setzet / Cap. 11. v. 28.
Kompt her zu mir / alle die jhr müheselig vnd beladen seyd / ich wil euch erquik-
ken. Vnd Johannes Cap. 7. v. 37. Wen da dürstet / der komme zu mir / vnd
trincke. Jn der Offenb. 22. v. 17. Wen dürstet / der komme / vnd wer da wil /
der nehme das Wasser des Lebens vmbsonst.“ Die enge Verknüpfung von Jes 55,1
und Mt 11,28 ist auch belegt bei Johann Olearius, Biblischer Erklärung Vierdter
Theil / Darinnen Die vier Grossen und zwölf Kleinen Propheten ebenmäßig Aus
der Grund=Sprache deß Heiligen Geistes betrachtet / und mit nothwendiger Lehre
/ Trost und Vermahnung / zu Gottes Ehre / vnd täglicher Beförderung der waren
Gottseeligkeit / Sammt dem Anhange Der Biblischen Zucht=Bücher vorgestellet
werden, Leipzig 1680 (Privatbesitz), S. 285a (zu Jes 55,1): „Zu der Evangelischen
Gnade in Christo wird jederman eingeladen. davon NB. Matth. 11.“
62 teil ii – lutherische orthodoxie
war, die man geradezu als direkte verbale Vorlage für Michael Herrs
Verbildlichung deuten könnte. In seiner Predigt zum 5. Sonntag nach
Trinitatis des Jahres 1527 über Mt 11,25–30 zitiert Luther Mt 11,28
und paraphrasiert die Worte des Sohnes Gottes im Rahmen einer
oratio ficta unter klar erkennbarer Bezugnahme auf Jes 55,1, woran
sich exemplarisch zeigt, daß es nach Luther Christus selbst ist, der
durch die prophetischen Texte des Alten Testamentes spricht. „Denn
er spricht yhe ‚kompt her zu mir alle, die yhr müheselig und bela-
den seyt, ich wil euch erquicken‘, Als solt er sagen: kömpt her umb
sonst, one verdienst, dürfft darümb nicht viel fasten odder erbeyten,
nicht viel werck thun odder gros verdienst mit euch bringen, gehet
nur mit dem Glauben des hertzens zu mir, haltet mich für einen
solchen güetigen gnedigen erlöser, wie ich mit euch rede, so hats
keine not, kompt doch nur, ich wil euch erquicken, es sol bald bes-
ser umb euch werden“186. Im weiteren Verlauf ist zwar nicht von
Robert Bellarmin dagegen bestreitet, daß Jes 55,1 die reformatorische Recht-
fertigungslehre zu stützen geeignet ist, indem er die Ansicht vertritt, hier sei nur
von leiblich-irdischen, nicht aber von geistlichen Gütern die Rede. Vgl. Robert
Bellarmin, DISPVTATIONVM DE CONTROVERSIIS CHRISTIANAE FIDEI,
ADVERSVS HVIVS TEMPORIS HAERETICOS Opus [. . .], 4 tom., Ingolstadt
1601, tom. 4, Sp. 1266f. Gegen Bellarmin wendet sich Johann Gerhard, LOCI
THEOLOGICI, ed. Eduard Preuß, 9 Bde. und Registerband, Berlin bzw. Leipzig
1863–1885, IV, S. 57b. Ebd., S. 57a charakterisiert Gerhard Jes 55,1 als rechtfer-
tigungstheologisches Summarium: „ubi proponit Deus se ipsum quasi inexhaustum
omnis gratiae ac benedictionis fontem, invitat omnes sitientes, hoc est agnoscentes
suam egestatem ac proinde esurientes et sitientes justitiam, ut exponitur Matth. 5,
v. 6. promittit denique vinum et lac, hoc est omnis generis corporalia et spiritua-
lia, temporalia et aeterna bona animam nostram nutrientia et laetificantia, promit-
tit autem gratis, sine argento et pretio, hoc est non ob aliquod nostrum meritum,
sed ex sola gratia se ea collaturum; ex quo ita colligimus: Quicquid gratis nobis
confertur, non propter merita nostra nobis redditur.“ Zur geistlich-poetischen Relevanz
von Jes 55,1 vgl. Fleming, a.a.O. (wie Anm. 109) (Buch 1, Gedicht Nr. 8: „Käuffet
ohne Geld“).
186
WA 23,690,34–691,2 (Predigten des Jahres 1527 [Nr. 1]). Zum Abdruck die-
ser Predigt in der Eislebener Ausgabe vgl. WA 23,680. Anders als in der Textfassung
der WA findet sich in der Eislebener Ausgabe eine Marginalie, die eindeutig auf
Jes 55,1 hinweist. Vgl. Ein Sermon Doct. Martin Luthers / am fünfften Sontag
nach der heiligen drey Könige tage / Anno M. D. XXVII., in: Der Erste Theil
Der Bücher / Schrifften / vnd Predigten des Ehrwirdigen Herrn / D. Martin
Luthers deren viel weder in den Wittenbergischen noch Jhenischen Tomis zufinden
/ vnd doch von dem Tewern Man Gottes / zum teil im Druck ausgangen / vnd
sonst geschrieben vnd geprediget worden sind / jtzt nach ordenung der Jarzal /
als vom M.D.XVI. bis in das M.D.XXIX. jar / dem Christlichen Leser zu aller-
ley Lere vnd Trost / mit vleis zusamen getragen, Eisleben 1564 (HAB Wolfenbüttel
Yv 13.4° Helmst. [1]), S. 401–407, hier: S. 405: „Denn er spricht je / komet her
zu mir alle die jr müheselig vnd beladen seid / ich wil er [sic!] erquicken / Als
christus als arzt und apotheker 63
Christus als Apotheker die Rede, sehr wohl aber greift Luther auf
die Christus-medicus-Topik zurück, indem er in der recht weit aus-
greifenden direkten Rede des Sohnes Gottes diesen mitunter durch
Rückbezug auf Ex 15,26 und Mt 9,12 (auch diese Texte werden in
Herrs Bild zitiert) als Arzt auftreten läßt: „Darümb zeyge ich euch
den nehisten weg an, kompt nur her, erkennet ewer armselig böses
leben, das yhr verdampt und sünder seyt, Solche schüler begere ich
zu haben, solche leutte fordere ich zu mir, Mit den gesunden hab
ich nichts zu thun [vgl. Mt 9,12], mit den gerechten und frommen
hab ich keine gemeynschafft, Mein reich ist ein spital der siechen,
da selbs bin ich ein artzte [vgl. Ex 15,26]. Darümb wer da begert
gesuntheit, ein fridsam gewissen und ein rugig hertz, der lauff nicht
weit hin und her, an dis odder jhenes ort, er kome zu mir, Denn
er ist mir ein rechter gast ynn meinem spital, der seine kranckeit
erkennet und der sünden zwang fület, Zum andern der da hülff und
trost aus hertzen von mir begeret und gleubt, ich wölle yhm helffen,
den ich auch frölich und bestendig erquicken wil, so das er auch
nymer mehr des todes sol sterben Johan. 8 [scil. v51]“187. Zwei wei-
tere wesentliche Merkmale des Bildes von Michael Herr finden sich
in der besagten Predigt Luthers wieder: Die Kundschaft des geistli-
chen Arztes will so gar nicht zu der betuchten Klientel passen, die
in der Frühen Neuzeit gewöhnlicherweise in einer leiblichen Apotheke
anzutreffen war. Zudem spricht Luther im selben Atemzug von einem
‚seltsamen Laden‘, um den sich nicht die Reichen, sondern eben die
Elenden tummeln. Dies könnte der Anlaß für Michael Herr gewe-
sen sein, den Sohn Gottes nicht als einen in einer standesgemäß aus-
gestatteten Apotheke Agierenden darzustellen — auch dieser Bildtypus
ist belegt —, sondern als einen solchen, der in einem Eckladen seine
Ware über die Straße verkauft, besser: verschenkt. „Ey wie ein selt-
zam laden ist das? Warümb berufft er nicht die starcken, reichen,
gesunden, gelerten, könige, fürsten und herren? Was wil er der armen
solt er sagen / komet her vmb sonst / one verdienst dürffet darumb nicht fasten
/ viel thun oder arbeiten / nicht viel werck heuffen / oder gros verdienst mit euch
bringen / gehet nur mit dem Glauben des hertzens zu mir / haltet mich fur ein
solchen / gütigen / gnedigen Erlöser / wie ich mit euch rede / so hats keine not.
Komet doch nur / ich wil euch erquicken / es sol bald besser mit euch werden.
Es wird nicht heucheley sein / ich wil euch das hertz vnd den Geist mutig machen
/ wider Helle / Sünde / Tod vnd Teufel / das jrs fülen werdet.“ Marginal hierzu:
„Des HErrn selbs ladung Esaie 55.“
187
WA 23,691,9–19.
64 teil ii – lutherische orthodoxie
188
WA 23,689,19–26.
189
Mathesius, a.a.O. (wie Anm. 61), II, fol. 120v.
190
Vgl. Fritz Krafft, Arzneien ‚umb sonst und on gelt‘ aus Christi Himmelsapotheke,
in: Pharmazeutische Zeitung 146 (2001), S. 10–17, hier: S. 13 sowie ders., Arznei
(wie Anm. 9), S. 59–74.
191
Vgl. Hans Schneider, Johann Arndt als Paracelsist, in: Peter Dilg und Hartmut
Rudolph (Hgg.), Neue Beiträge zur Paracelsus-Forschung, Stuttgart 1995, S. 89–110.
christus als arzt und apotheker 65
192
Vgl. Gerhard, Meditationes (wie Anm. 40), S. 16f.
4. DIE KOMBINATION VON LEIBLICHER
UND GEISTLICHER KRÄUTERKUNDE
193
Vgl. hierzu Reinhard Feldmann, Blüten und Blätter. Illustrierte Kräuter- und
Pflanzenbücher aus fünf Jahrhunderten (= Schriften der Universitäts- und
Landesbibliothek 13), Münster 1996. Regine Tillmann, Neue Erkenntnisse zur
Kräuterbuchliteratur des 16. Jahrhunderts, Marburg 1988. Werner Dobras (Bearb.),
Botanik, Kräuter und Arzneien in alten Büchern. Kostbarkeiten aus 5 Jahrhunderten
im Besitz der ehemals Reichsstädtischen Bibliothek Lindau [Ausstellungskatalog],
Lindau 1987. Von Dioskurides bis Mességué. Alte und neue Heilpflanzbücher
[Ausstellungskatalog], Darmstadt 1981. Wilhelm Ludwig Schreiber, Die Kräuterbücher
des XV. und XVI. Jahrhunderts, Stuttgart 1982 (München 11924).
194
Hieronymus Bock, New Kreütter Buch von underscheydt, würckung und
namen der Kreütter so in Teutschen Landen wachsen [. . .], Straßburg 1539 (ULB
Jena 2 Bot. II,6 [2]). Vgl. Brigitte Hoppe, Das Kräuterbuch des Hieronymus Bock.
Wissenschaftshistorische Untersuchungen. Mit einem Verzeichnis sämtlicher Pflanzen
des Werkes, der literarischen Quellen der Heilanzeigen und der Anwendungen der
Pflanzen, Stuttgart 1969.
195
Leonhard Fuchs, NEw Kreüterb%ch / in welchem nit allein die gantz histori
/ das ist / namen / gestalt / statt vnd zeit der wachsung / natur / krafft vnd
würckung / des meysten theyls der Kreüter so in Teütschen vnnd andern Landen
wachsen / mit dem besten vleiß beschriben / sonder auch aller derselben wurtzel
/ stengel / bletter / bl%men / samen / frücht / vnd in summa die gantze gestalt
/ allso artlich vnd kunstlich abgebildet vnd contrafayt ist / das deßgleichen vor-
mals nie gesehen / noch an tag kommen [. . .], Basel 1543 (SUB Hamburg Scrin.
C/88) (Reprint o.O. 2002). Vgl. hierzu Brigitte Baumann, Helmut Baumann, Susanna
Baumann-Schleihauf (Hgg.), Die Kräuterbuchhandschrift des Leonhart Fuchs, Stuttgart
2001. Zu Fuchs vgl. Fritz Krafft, Art. Fuchs, in: Biographisches Lexikon der Ludwig-
Maximilians-Universität München, Bd. 1, Berlin 1998, S. 135–142.
196
Adam Lonitzer, Kreuterbuch, new zugericht [. . .], Frankfurt a.M. 1557 (HAB
Wolfenbüttel 38.1 Med. 2°).
197
Vgl. Fritz Grossmann, Adam Lonicers Kräuterbuch, Zürich 1991. Zu Lonitzer
vgl. Wolf-Dieter Müller-Jahncke, Art. Lonitzer, Adam, in: Walther Killy (Hg.),
Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache, 15 Bde., Gütersloh/München
1988–1993, Bd. 7, S. 341. Lonitzers Kräuterbuch erschien in deutscher Sprache
seit 1557 in zahlreichen Auflagen.
leibliche und geistliche kräuterkunde 67
198
Vgl. hierzu Angela Baumann-Koch, Frühe lutherische Gebetsliteratur bei
Andreas Musculus und Daniel Cramer (= EHS.T 725), Frankfurt a.M. u.a. 2001,
S. 442ff.
199
Frankfurt a.M. 1587 (HAB Wolfenbüttel Mf 101) (Reprint Hannover 1982).
Es handelt sich um Rosbachs Erstlingswerk. Vgl. Krafft, Christus ruft in die
Himmelsapotheke (wie Anm. 4), S. 77. Im selben Jahr wie das ‚Paradeißgärtlein‘
erschien: Conrad Rosbach, Rosa D. Mariae. Das ist Christlichs und Geistliches
Rosengärtlein [. . .], Frankfurt a.M. 1587 (HAB Wolfenbüttel 751.22 Theol. [2]).
200
Vgl. zur Bildausstattung von Kräuterbüchern: Susanne Baumann, Pflanzenab-
bildungen in alten Kräuterbüchern. Die Umbelliferen in der Herbarien- und Kräuter-
buchliteratur der frühen Neuzeit (= Heidelberger Schriften zur Pharmazie- und
68 teil ii – lutherische orthodoxie
206
Vgl. WA 30/I,58,8–10 (Katechismuspredigten, 3. Reihe, 1. Gebot 1528). Vgl.
Ivar Asheim, Glaube und Erziehung bei Luther. Ein Beitrag zur Geschichte des
Verhältnisses von Theologie und Pädagogik, Heidelberg 1961, S. 46.
207
Vgl. Rosbach, Paradeißgärtlein (wie Anm. 199), fol. a 8r.
208
Hieronymus Brunschwig, Hauß apoteck. Zu yeden leibs gebresten / für den
gemainen mann / vnd das arm Landtuolck [. . .], Augsburg 1538 (HAB Wolfenbüttel
T 644 Helmst. 4° [12]).
209
Vgl. hierzu Telle, Pharmazie (wie Anm. 203), S. 60–65. Ein in Telles Katalog
nicht vorkommendes Beispiel für eine populäre Arzneikunde aus dem folgenden
Jahrhundert ist: Andreas Mack, ANTIDOTARIUM PRIVATUM, Das ist Wohlbestalte
Hauß= Rhäiß= vnd Feld=Apothecken; Worinnen zubefinden allerhand nützliche
vnd kräfftige Artzeney=Mittel / deren man / für sich / zu Hauß / vff Rhäisen /
auch im Feldzug / als welche mehrentheils wohl fort zu bringen vnd ein lange Zeit
kräfftig bleiben / wider allerhand Leibsbeschwerungen / vnd sonderlich ansteckende
vnd offt geschwind an= vnd zustossende Kranckheiten / So woln in verhüt= als
heilung derselben / sich bedienen / vnd nechst göttlicher Gnad / wohl sicher
gebrauchen kan; Nechst diesem ist auch beyfälliger Nachricht / das Malum
Hypochondriacum, wie auch der Schorbock / als jetziger Zeit hochbeschwerte /
vnd manchen als frembte / den Medicis aber / leyder / gemein vnd öffters vor-
kommende Kranckheiten / etwas zu erkennen / vnd wie etwa solche zuverhüten
vnd auch zu benehmen, Coburg 1647 (FB Gotha Med. 8° 165/4 [1]).
70 teil ii – lutherische orthodoxie
210
Vgl. Rosbach, Paradeißgärtlein (wie Anm. 199), fol. b 3v: „Drumb magst diß
Büchlein brauchen bald / | Zur FeldtSpatzierung vnnd im Wald / | Vnd magst
es lesen wol mit fleiß / | Viel guter Ding kanst werden weiß / | Hie findstu sol-
che Kräuter stehn / | Die alle Menschen fast angehn / | Viel guter Kräuter es
dir nennt“. Zur Hausapotheke in der frühen Neuzeit vgl. Telle, Pharmazie (wie
Anm. 203).
211
Rosbach, Paradeißgärtlein (wie Anm. 199), fol. b 1r. Auch dieser Aspekt findet
sich im übrigen bei Leonhard Fuchs (vgl. a.a.O. [wie Anm. 195], fol. 2v).
212
Rosbach, Paradeißgärtlein (wie Anm. 199), S. 140.
213
Vgl. Fuchs, a.a.O. (wie Anm. 195), cap. 85.
214
Rosbach, Paradeißgärtlein (wie Anm. 199), S. 142.
leibliche und geistliche kräuterkunde 71
215
Ebd.
216
Ebd., S. 143f.
72 teil ii – lutherische orthodoxie
217
Ebd., S. 67f.
218
Ebd., fol. X 1v.
219
Vgl. Josef Benzing, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deut-
schen Sprachgebiet (= BBBW 12), Wiesbaden 21982, S. 126f.
leibliche und geistliche kräuterkunde 73
vnnd nemmen sollen / nemlich / daß wir auß den sichtbaren vnd
wolbekandten Creaturen die vnsichtbare vnnd von Natur vnbekandte
Geheimnuß vnnd Haußhaltung Gottes zu vnserer Lehr / Trost /
Vermahnung vnd Besserung betrachten [. . .] sollen“220. Die geistli-
che Entzifferung des Gegenständlichen, Keatürlichen, hier der Kräuter,
läßt sich leiten von der Erzählwelt der biblischen Gleichnisse, genauer
von der Heilmethode des Sohnes Gottes, der u.a. die Lilien auf dem
Felde als Heilkraut gegen die Sorge des alten Adam verordnet und
verabreicht (Mt 6,28). „Wie vns denn Gott gemeiniglich die Geistliche
Artzeney wider die Sicherheit / Vnglauben / vnd andere Sünde /
durch eusserliche Mittel vnnd leibliche Creaturen fürbildet vnnd leh-
ret / Als Exempels weiß darvon zu reden: Wer schwach vnnd kranck
ist an dem Glauben / vnd mit der Bauchsorge angefochten wirt /
der schawe an die Lilien auff dem Felde / wie sie wachsen / sie
arbeiten nicht / auch spinnen sie nicht“221. Derjenige aber, der durch
Kleinglauben angefochten ist, soll anhand der Betrachtung des bib-
lisch konnotierten Senfkorns (Mt 13,31; 17,20) erfahren, daß gerade
die Schwäche der fides deren Stärke ist und das Senfkorn nicht nur
als Gewürz Verwendung finden kann, sondern auch eine Funktion
als Heilkraut hat222.
Die leiblich-geistliche Kräuterkunde, von der Rosbachs Herbarium
ein beredtes Zeugnis ablegt, steht im engen Zusammenhang mit der
reformatorischen theologia medicinalis und mit der sich aus ihr ent-
wickelnden pharmacologia sacra. Selbstverständlich wurden auch in
der zweiten Hälfte des 16. und im Laufe des 17. Jahrhunderts Herbarien
produziert, die lediglich die leibliche Heilkraft der Kräuter beschrei-
ben. Rosbachs Verquickung von Herbarium und geistlicher Pharmazie
ist gewiß kein Einzelfall. Deutlich aber ist: Viel zahlreicher sind die
geistlichen Kräuterkunden, die auf die leibliche Wirkung der Heilkräuter
nicht derart stark Rücksicht nehmen. Die geistlichen Herbarien (wie
etwa diejenigen von Nikodemus Kramer, Wilhelm Sarcerius223, David
220
Rosbach, Paradeißgärtlein (wie Anm. 199), fol. a 5v/6r.
221
Ebd., fol. a 6r/v.
222
Ebd., fol. a 6v.
223
Nikodemus Kramer, Wurtzgaertlein der Seelen. Auß der schönen Lustawen
deß Herrn, Etliche wolgestalte Kreutlin, mit jren lieblichen farben, in geistlicher
krafft vnd wirckung, neben etlichen Trostspruechlin, und notwendigen Gebetlin
[. . .], Frankfurt a.M. 1573 (UB Rostock Fm-3176). Wilhelm Sarcerius, Geistlicher
Herbarius, oder Kreuterbuch Jn welchem erzehlet / vnd allerhand vmbstenden
nach beschrieben werden / allerley Erdgewechs / Samen / Kreuter / Bäume /
74 teil ii – lutherische orthodoxie
Wolder224, Johann Christoph Beer225) bzw. die sich von ihnen her-
schreibenden Leichenpredigten226 indes ermangeln der höchst span-
nenden Dialektik von leiblicher und geistlicher Heilmethode und
deren gegenseitiger Abbildbarkeit.
227
Vgl. J.A. Steiger, Johann Gerhard (1582–1637). Studien zu Theologie und
Frömmigkeit des Kirchenvaters der lutherischen Orthodoxie (= DeP I, 1), Stuttgart-
Bad Cannstatt 1997, S. 53–94.
228
„Constat autem poenitentia proprie his duabus partibus: altera est contritio
seu terrores incussi conscientiae agnito peccato, altera est fides, quae concipitur ex
evangelio seu absolutione“ (BSLK, S. 66f ).
76 teil ii – lutherische orthodoxie
Glauben, der Gott wohlgefällig ist. „Die Opffer die Gott gefallen /
etc. Er sihet mit lust an den Elenden / vnnd der zerbrochens Geistes
ist: Jn Apotecken befindet mans ja: Das Weyrauch / Mastigs /
Augstein vnnd dergleichen sachen / man reibe oder halte sie an die
Nasen / wie man wolle / doch für sich selbsten den geringsten
geruch nit haben. Wann sie aber in dem Mörser zerstossen / auff
glüende Kolen gelegt vnd angezündt werden / da gibt es erst ein
lieblichen gesunden vnd starcken geruch / dardurch nicht allein die
Lufft gereinigt / sondern auch vil beschwer: vnd gefehrlicher flüß
im Menschen getrücknet / grosse vnkräfften vertriben / vnnd die
Spiritus Vitales erfrischet werden. So machts ja der liebe Gott auch
offt mit vns / greifft einen Menschen bißweilen an wo er am weich-
sten ist / stämpfft vnd stöselt jhn wol im Mörser der widerwertig-
keit / legt jhn auff die Kolen der Bekümmernus vnd Traurigkeit /
damit durch sein hertzlich vnnd ängstiglich ruffen / beten / vnnd
schreyen / jhm ein lieblicher angenemmer geruch vor seinem hey-
ligen Angesicht gemachet vnd angerichtet werde“229.
Im Rahmen der Personalia lobt Vietor die verstorbene Anna Pfaff
als eine im höchsten Maße kompetente Apothekerin und als eine
Person, die sich auf ihre Berufstätigkeit verstand. Pfaff, eine eman-
zipierte Frau fürwahr, hat nach dem Tode ihres Mannes acht Jahre
lang die fürstliche Hofapotheke in Darmstadt geleitet. „Als ein Artzney
verständiges Weib“ habe sie mit den Kranken Mitleid gehabt und
ihnen nach fürstlicher Verordnung geholfen — dies umso engagier-
ter in der Zeit, als sie selbst „an jhrem Leib bawfellig“230 wurde. Der
laudatio der Verstorbenen jedoch widmet der Prediger keineswegs
das Hauptaugenmerk. Vielmehr richtet Vietor dieses auf die Art und
Weise, wie sich die Apothekerin als Christperson auch der geistli-
229
Johann Jacob Beurer, Geistliches Kül: vnd Labtrüncklein / Auß der Apotecken
deß H. Geistes vnd heyligen Göttlichen Schrifft: Bey zugestandener geher Hitz /
schwerer traurigkeit vnd betrübnuß; Als nach gnedigem vnd gerechtem willen Gottes
/ die Weyland Ehrn= vnd Tugendtsame Junckfraw Catharina Beßlerin: deß Erbarn
vnd Fürnemmen Herrn Basilij Beßlers Apoteckers in Nürnberg geliebte Ehrliche
EhrnTochter / Donnerstags den 28. Decemb. deß nunmehr abgewichenen 1626.
Jahrs / in warer erkandnuß vnd beständigem Glauben an jhren Newgebornen
Heyland Jesum Christum / sanfft vnd selig eingeschlaffen vnnd verschiden. Auß
Christmitleydenlichem affect, betrübten Hertzen zu Trost / wolmeinend zusamen
getragen. Durch M. Johann Jacob Beurer Pfarrer zu Heydeck Miscin vnd von dero
Geschwistrigten vnd Freundschafft zu trucken verordnet, Oettingen 1627 (HAB
Wolfenbüttel 184.26 Theol. 4° [1]), fol. B 2v/3r.
230
Vietor, a.a.O. (wie Anm. 171), S. 26.
vietor, beurer und dannhauer 77
chen Apotheke bedient hat. In ihrem Leben hat Pfaff die Medikamente,
die ihr Predigt und Abendmahl boten, intensiv genutzt „[. . .] vnd
darinnen als in der recht Geistlichen Apoteck für jhr betrübte Seel
Trost vnd Labsal gesucht vnnd gefunden“231. Einer Überschätzung
der leiblichen Medizin, so betont Vietor, hat die Verstorbene nicht
das Wort geredet, sondern: „Auß dieser Apotecken [scil. der geistli-
chen] hat sie sich auch selbst besser erkennen lernen / daß sie nem-
lich sey ein arme Sünderin / deren Seel ohn Christi deß Himmlischen
Medici Cur vnnd Segen nicht kön oder mög genesen“232. Das
Lebensende von Anna Pfaff war dadurch gekennzeichnet, daß sie
sich, der Grenzen ihrer Kompetenz eingedenk, dem Apotheker
Christus anheimgegeben hat. Als die irdischen Arzneien nicht mehr
helfen wollten, „hat sie sich jedoch steiff vnd fest gehalten / einig
vnnd allein verlassen auff Christum Jesum jhren Himmlischen Medicum
vnd besten Helffer“ und dessen „Officina oder Apoteck deß lieben
seligmachenden Worts“233 genutzt. So bestimmt die Inanspruchnahme
der geistlichen Apotheke auch die Sterbeszene der Apothekerin, die
die Leichenpredigt schildert. Im letzten Stündlein nahm sie das
Sündenbekenntnis und die Absolution als ein „Confortatif“234 ein.
Wie eng der Zusammenhang zwischen der im Luthertum des 17.
Jahrhunderts sich verstärkend zur Geltung bringenden theologia medi-
cinalis und der sich intensivierenden Blut- und Wundentopik ist, zeigt
sich u.a. auch bei Johann Conrad Dannhauer (1603–1666)235. Dann-
hauer zitiert in einer Predigt über Joh 19,34 neben anderen Autoritäten
den Kirchenvater Ambrosius, der das Blut Christi als Medizin bezeich-
net, und verwendet in einer Paraphrase das Stichwort ‚apotheca‘. Es
„haben die lieben Alten den Wunden Christi herrliche / schöne und
Trostreiche elogia ertheilt / und genennet / Apothecam, Heil=Wunden
/ Heil=Balsam für die Sünde / Vulnus est, quod Christus accepit;
sed medicina est, quae effudit schreibt Ambrosius. Das ist / Eine
Wund hat zwar Christus empfangen / aber lauter heilsame Artzney
231
Ebd., S. 24.
232
Ebd., S. 25f.
233
Ebd., S. 26.
234
Ebd.
235
Vgl. Johannes Wallmann, Art. Dannhauer, Johann Konrad, in: RGG4 2 (1999),
Sp. 563f und ders., Die Eigenart der Straßburger lutherischen Orthodoxie im 17.
Jahrhundert. Apokalyptisches Endzeitbewußtsein und konfessionelle Polemik bei
Johann Conrad Dannhauer, in: Ders., Theologie und Frömmigkeit im Zeitalter des
Barock. Gesammelte Aufsätze, Tübingen 1995, S. 87–104.
78 teil ii – lutherische orthodoxie
236
Johann Conrad Dannhauer, CATECHJSMVS MJLCH Oder der Erklärung
deß Christlichen Catechismi Achter Theil, Straßburg 1666 (HAB Wolfenbüttel Th
511), S. 11.
237
Ebd., S. 2.
238
Ebd., S. 7.
239
Vgl. Luther, StA 4,82,5–7 (Vom Abendmahl Christi, Bekenntnis 1528): „Denn
wenn ich das gleube / das allein die menschliche natur fur mich gelidden hat /
so ist mir der Christus ein schlechter heiland / so bedarff er wol selbs eines
heilands“.
240
Dannhauer, a.a.O. (wie Anm. 236), S. 7.
241
Ebd., S. 8.
vietor, beurer und dannhauer 79
242
Ebd., S. 10f.
243
Ebd., S. 11. Vgl. EKG 243,2. Vgl. Fleming, a.a.O. (wie Anm. 109), S. 9:
„Du bist Emanuel / von unsern Wunden wund / | Durch welche Wunden du die
vnsern machst gesund.“
244
Vgl. ähnlich Christophorus Gaudichius, Grundfest der Seelen Seligkeit / Das
ist: Gründliche Erklerung des 53. Capitels Esaiae / darinnen der Grund vnd
Fundament vnser Seligkeit angezeiget wird / welcher ist Christus Jesus / das vnschul-
dige Lämblein [. . .], Leipzig 1625 (HAB Wolfenbüttel Th 883), S. 125. Auch hier
findet sich der Topos von der Heilung der Sündenwunden der Menschen durch
die Wunden Christi, wobei Gaudichius ähnlich wie Dannhauer recht intensiv auf
Bernhard von Clairvaux zurückgreift und mitunter folgende Passage zitiert: „Omnia
quae de Christo Servatore legimus, medicamina sunt animarum nostrarum“. Der
Beleg findet sich: Bernhard, Opera, 8 Bde., ed. J. Leclercq, C.H. Talbot et H.M.
Rochais (Bde. 1–2), ed. J. Leclercq, O.S.B. et H.M. Rochais (Bde. 3–8), Rom 1957–
1977, Bd. 5, S. 110,4f.
245
Dannhauer, a.a.O. (wie Anm. 236), S. 9.
246
Vgl. Physiologus latinus. Éditions préliminaires versio B, ed. Francis J. Carmody,
Paris 1939, cap. 6, S. 17: „Physiologus dicit de pelicano quoniam amator est filiorum
nimis; cum autem genuerit natos et coeperint crescere, percutiunt parentes suos in
faciem; parentes autem eorum repercutiunt eos et occidunt. Tertia uero die mater
eorum percutiens costam suam aperit latus suum, et incumbit super pullos, et effundit
sanguinem suum super corpora filiorum mortuorum; et sic sanguine suo suscitat eos
a mortuis“.
80 teil ii – lutherische orthodoxie
247
Vgl. Dannhauer, a.a.O. (wie Anm. 236), S. 11. Ähnlich Johann Gerhard,
Erklährung der Historien des Leidens vnnd Sterbens vnsers HErrn Christi Jesu nach
den vier Evangelisten, kritisch hg. und kommentiert von J.A. Steiger (= DeP I, 6),
Stuttgart-Bad Cannstatt 2002, S. 330f: „Wir alle sämptlich sind numehr nach dem
Fall für Gott dem Herrn eitel Mörder / als die wir von dem ersten Ertzmörder
dem Adam herkommen / darumb sind wir für Gott verworffene verdorrete
Todenköpffe / aber da kompt Christus zu vns / stellet sein Creutz auff / vnd les-
set am Creutz sein heiliges Blut auff vns herab röhren / auff daß die verdorreten
Todenköpffe wiederumb lebendig gemacht würden / wie dann daher die Väter den
HErrn Christum dem Vogel Pelican vergleichen / welcher mit Besprengung seines
Bluts seine ertödtete Jungen sol wiederumb lebendig machen“. Vgl. weiter Hermann
Heinrich Frey, Therobiblia. Biblisch Thier-, Vogel- und Fischbuch (Leipzig 1595),
hg. von Heimo Reinitzer (= Naturalis historia bibliae 1), Graz 1978, hier: Vogelbuch,
fol. 144. Vgl. Arthur Henkel und Albrecht Schöne (Hgg.), Emblemata. Handbuch
zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts, Stuttgart 1987 (11967), Sp.
811–813 sowie LCI 3 (1971), Sp. 390–392.
248
Vgl. Gerhard, Meditationes (wie Anm. 40), S. 33. 152. Vgl. Steiger, Gerhard
(wie Anm. 227), S. 67–74 u.ö. (u.a. mit dem Hinweis darauf, daß Hld 2,14 der
biblische Wahlspruch Johann Michael Dilherrs gewesen ist. Adolph Saubert hat
seine Leichenpredigt auf Dilherr über diesen Text gehalten [vgl. ebd., S. 70f ]). Vgl.
weiter Sven Grosse, Fünffeckichte Brustwehr, Schmerzens-Schauspiel, gespießte
Fledermaus. Die Passionsbetrachtung im Pentagonum Christianum des Johann
Hülsemann, in: Johann Anselm Steiger u.a. (Hgg.), Passion, Affekt und Leidenschaft
in der Frühen Neuzeit. Akten des 11. Internationalen Barockkongresses 2003 in der
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Wiesbaden 2005 (in Vorbereitung).
249
Dannhauer, a.a.O. (wie Anm. 236), S. 12.
vietor, beurer und dannhauer 81
250
Ebd., S. 28.
251
Ebd., S. 29.
252
Vgl. ebd., S. 8: „die alte Paradiß=Schlange hat ihm hie den grimmigen
Versen=Stich gegeben / und seinen grimmigen Zorn über diesem Schlangen=Tretter
ausgegossen und erkühlet“.
253
Ebd., S. 16.
6. JOHANNES WAGNER
254
Johannes Wagner, IERODIDASKALIA De licito & salutari medicorum & medi-
camentorum usu. Das ist: Eine Christliche Lehr vnnd Vnterricht / wie man der
Arzte vnd der Artzney / heilsam vnd nützlich gebrauchen möge. BEY der
Leichbegengnüß des Erbarn vnd Wolgelarten Herrn M. Justini Vvilhelmi, der Stadt
Braunschweig gewesenen Physici vnnd Medici, so neben seiner lieben Haußfrawen
den 1. Maij dieses 1609. Jarß selig im HErrn Christo entschlaffen [. . .], Braunschweig
1609 (HAB Wolfenbüttel J 73.4 Helmst. [2]).
255
Ebd., fol. B 1v.
256
Ebd.
257
Vgl. zur Bezeichnung der Medizin als ‚donum Dei‘ folgende Belegstellen:
johannes wagner 83
die er bereitstellt, damit die Menschen sich durch sie der göttlichen
Hilfe gegen Krankheiten bedienen. Wer diese Medien jedoch ablehnt
und sein Vertrauen darauf setzt, daß Gott ihn auch außerhalb der
göttlich gesetzten Ordnung heilen oder bewahren kann, versucht
Gott, versündigt sich gegen ihn und verachtet die Gaben des
Schöpfers258. Gott „leistet vns Schutz vnd bezeiget vns hülffe durch
die Mittel / die Er dazu geordnet hat. Wer dieselbige verachtet / der
versuchet GOtt / welches durch den Mann Gottes Mosen ernstlich
verbotten ist [vgl. Dtn 6,16]“259. Hier artikuliert sich das Luthersche
Verständnis der Versuchung Gottes durch die Menschen. Um eine
solche handelt es sich, wenn man Gottes promissiones außerhalb der
von ihm gesetzten äußeren Bedingungen auf den Prüfstand stellt,
ihm also Zeit und Maß der Erfüllung des Verheißenen vorschreibt260.
Wer nun auf die Hilfe Gottes ohne Nutzung der von ihm zur
Verfügung gestellten und verordneten Mittel vertraut, ist vermessen
und versucht Gott, indem er sich herausnimmt, Gott die Rahmenbe-
dingungen seines Handelns vorzugeben.
Ganz ähnlich argumentiert auch Luther in seiner Pestschrift. Indem
der Reformator an die schon patristische Apologie der Heilkunst261
anknüpft, greift er diejenigen, die meinen, die Pest „sey Gotts straffe,
wolle er sie behueten, so wird ers wol thun on alle ertzney und
unsern vleis“262, scharf an, indem er sagt: „Solchs heist nicht Gott
trawen, sondern Gott versuchen. Denn Gott hat die ertzney geschaffen
und die vernunfft gegeben, dem leibe fur zustehen und sein pflegen,
das er gesund sey und lebe“263. Luther scheut sogar nicht davor
zurück, denjenigen, der zu Pestzeiten die Hilfe der Ärzte nicht in
Anspruch nimmt, als Selbstmörder zu bezeichnen. „Wer derselbigen
[scil. der Arznei] nicht braucht, so er wol hat und kan on seines
nehesten schaden, der verwarloset seinen leib selbs und sehe zu, das
er nicht sein selbs mörder erfunden werde fur Gott“264. Schon bei
Luther begegnet die uns bereits bekannte Argumentation, daß der-
jenige, der meint, Gott habe schließlich die Freiheit, ihn auch ohne
Arzt und Arznei zu retten, demjenigen gleichzuachten ist, der die
Nahrungsaufnahme unter dem Hinweis darauf verweigert, Gott könne
ihn ja auch ohne leibliche Lebensmittel am Leben erhalten. „Denn
259
Wagner, a.a.O. (wie Anm. 254), fol. B 2r. Vgl. Jacob Honold, TOBJAS Das
ist / SChrifftmässige Erklärung des Büchleins Tobiae in 364. Predigten der Gestalt
ordenlich abgehandelt / daß erstlich ein bequemer Eingang gemacht / darnach der
Text auß dem Grund erkläret / über das ein gründliche HauptLehr herauß gezo-
gen / und dann endlich vermeldet wird / worzu solche nutzlich in unserem
Christenthumb zugebrauchen. Allen Lehrern und Predigern / sowohl auch dersel-
ben Zuhörern besonders allen HaußVäter [sic!] / und HaußMüttern / die wahre
Gottesforcht zupflantzen / und mit Frucht zulesen / sehr erbräuchlich. Gehalten
zu Vlm [. . .], Bd. 2, Ulm 1653 (Privatbesitz), hier: II, S. 304.
260
Vgl. Steiger, Versuchung (wie Anm. 67), S. 56.
261
Vgl. hierzu Schadewaldt, Apologie (wie Anm. 25), S. 115–130.
262
WA 23,365,4f.
263
WA 23,365,5–8.
264
WA 23,365,8–10.
johannes wagner 85
mit der weise mocht yemand auch essen und trincken, kleider und
haus lassen anstehen und keck sein ynn seym glauben und sagen,
Wolle yhn Gott behueten fur hunger und frost, werde ers wol on
speise und kleider thun. Der selbige were freylich sein selbs mör-
der“265. Luthers Erben haben viel Kraft daran gewandt, der Verachtung
der Heilkunst aus vermeintlich frommen Gründen entgegenzuwirken,
so auch der Ulmer Münsterpfarrer Conrad Dieterich (1575–1639),
der sich in seinen Predigten über die Sapientia Salomonis diesbe-
züglich sehr deutlich vernehmen läßt, indem er diejenigen, die medi-
zinische Hilfe ablehnen, scharf kritisiert266 und sich explizit gegen die
u.a. von Bernhard von Clairvaux (ca. 1090–1153) vertretene Ansicht
wendet, der zufolge ein wahrer Christ keine ärztliche Hilfe in Anspruch
nimmt267. Hieran zeigt sich — nebenbei bemerkt — exemplarisch,
daß die im Luthertum höchst breite Rezeption der Bernhardschen
Theologie268 keineswegs dazu geführt hat, daß man diesem Autor
unkritisch in allem folgte. Unbestreitbar ist, daß Bernhard gerade im
Hinblick auf die Ausbildung der lutherischen theologia medicinalis
eine eminent wichtige Quelle war. Dies wird z.B. daraus ersichtlich,
265
WA 23,365,10–14. Vgl. Gerhard, Loci (wie Anm. 185), VIII, S. 41a. Nach
der Zitation von Sir 38,1 heißt es hier: „Si nullus locus medicamentorum usui dan-
dus, utique nec cibi et potus usui. Ut enim per alimenta vigor corporis conserva-
tur, ita per medicamenta sanitas amissa recuperatur, quare de medicamentis etiam
usurpari potest illud apostolicum 1. Tim. 4, v. 4: Omnis creatura Dei bona est et
nihil rejiciendum, quod cum gratiarum actione percipitur, v. 5. sanctificatur enim
per verbum Dei et orationem.“
266
Vgl. Dieterich, Weisheit (wie Anm. 257), S. 868. Menschen, die medizinische
Hilfe rundweg ablehnen, „gibts auch vnter vns / welche / wann sie schwach /
kein Artzneymittel brauchen wollen / sagen / wann GOTT haben will / daß ich
soll gesund werden / vnd wider auffkommen / wird er mich wol gesund machen
/ wann ich schon nichts brauche / etc.“
267
Ebd., S. 868, wendet sich Dieterich gegen Bernhard, der die Meinung ver-
tritt, es sei der „Religion zuwider [. . .] Leibliche Artzney zugebrauchen / es sey
auch nicht nutzlich zur Seligkeit: von geringen Kräutern bißweilen was gebrauchen
/ gehe noch hin / aber diese vnnd jene species kauffen / Artzte suchen / Träncke
einnehmen / das stehe Religiosen vnd Ordenspersohnen nicht an / sey zuwider
der Reinigkeit / stimme nicht vberein mit der Erbarkeit. Dann nach dem allem
trachten die Heyden“. Dieterich bezieht sich auf: Bernhard von Clairvaux, Epistola
345, in: Ders., Opera (wie Anm. 244), Bd. 8, S. 287,22–24: „At vero species emere,
quaerere medicos, accipere potiones, religioni indecens est et contrarium puritati,
maximeque Ordinis nostri nec honestati congruit, nec puritati“.
268
Vgl. Ernst Koch, Die Bernhard-Rezeption im Luthertum des 16. und 17.
Jahrhunderts, in: Kaspar Elm (Hg.), Bernhard von Clairvaux. Rezeption und Wirkung
im Mittelalter und in der Neuzeit (= Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 6), Wiesbaden
1994, S. 333–351.
86 teil ii – lutherische orthodoxie
269
Vgl. Gerhard, Erklährung (wie Anm. 247), S. 61–63: „sihe so nim zu dir 1.
das Unguentum contritionis, welches Bereitung von einem geistlich vnnd woluer-
suchten Artzt vns also beschrieben wird / daß dazu genommen werden die gros-
sen fasciculi vnnd Bürden vnserer Sünden / derer du im Garten deines Gewissens
jederzeit viel vnd vberflüssig wirst können samlen. Diese mancherley Kreuter dei-
ner mancherley Sünden / soltu in dem Mörser deines Hertzens mit wahrer Rew
vnnd innigem Trawren zerstossen / vnnd durch die Hitze des Schmertzens zu einer
köstlichen Salben bereiten / vnd dann mit Maria Magdalena / die Füsse deines
HErrn salben / solche beyde Füsse seyn / Judicium & Misericordia, Gerechtigkeit
vnnd Barmhertzigkeit / must dir erstlich vor Augen stellen die gestrenge Gerechtigkeit
GOttes / welcher von Natur der Sünde vnd den Sündern feind ist / welcher mit
ewigem Fewer alle Sünde an den Vnbußfertigen heimsuchen wird / du must aber
an diesem Fuß nicht hangen bleiben / sondern auch den andern Fuß der
Barmhertzigkeit ergreiffen vnnd dich des trösten / daß Christus für deine Sünde
bezahlet vnnd allen Gleubigen eine ewige Erlösung erworben. 2. So ist noch ein
ander Unguentum devotionis, wann du nemlich bedenckest alle Wolthaten vnnd
Gaben / welche dir Gott der HERR verliehen / vnd dieselbige himlische Blümlein
in dem Gefeß deines Hertzens durch innigliche Betrachtung erwermest / vnnd
darauff das geistliche Freudenöl geust / vnd solches mit dem Fewer der brünstigen
Liebe GOttes bereitest zu einer geistlichen Salbe / sihe damit magstu das Heupt
deines HErrn / gleich wie alhie dieses Weiblin salben. Dieses Unguentum ist viel
höher vnd werther denn das erste / sintemal die Kreuter vnd Blümlein / welche
hierzu kommen / nicht in vnserm Garten des Hertzens zu finden / sondern aus
dem himlischen Paradeiß herkommen. 3. Das dritte ist / Unguentum pietatis, des-
sen Bild wir haben an den dreyen Weiberlein / welche ausgiengen den Leib des
HErrn zu salben / wie nun mit dem ersten die Füsse des HErrn / mit dem andern
das Heupt des HErrn zu salben / also kan man hiemit den gantzen Leib des HErrn
salben / Zu dieser Salbung werden genommen alle Gebrechen / alle Noht vnd
Mangel vnsers Nechsten / dieselben müssen in dem Mörser des Erbarmens vnd
Mitleidens gesamlet / durch Behertzigung betrachtet / vnnd mit dem Oel der Liebe
begossen werden / auch durchs Fewer rechter brüderlicher Affection erwermet wer-
den / sihe so wird daraus eine köstliche Salbe bereitet / damit du den gantzen
Leib Christi / welcher ist die Christliche Kirche / das mysticum Corpus Christi
kanst salben“.
270
Bernhard, Sermones super Cantica, Sermo 10, cap. 3, Opera (wie Anm. 244)
1, S. 50,18–22. Vgl. Bernhard, Sermones de diversis, Sermo 87, cap. 6, Opera 6/1,
S. 333,9–12: „Primum itaque unguentum vocatur unguentum compunctionis, et
absumitur igne contritionis; secundum devotionis, et absumitur igne caritatis; ter-
tium vocatur unguentum pietatis, quod non absumitur, sed integrum conservatur.“
johannes wagner 87
271
Vgl. Wagner, a.a.O. (wie Anm. 254), fol. B 2v.
272
Ebd., fol. B 3r. Vgl. ähnlich Honold, a.a.O. (wie Anm. 259), II, S. 301: „Er
[scil. der Mensch in statu corruptionis] ist auch vnterworffen dem zeitlichen Tod
/ sampt allen Vnglück vnd Vbel / welches lauter Vorboten deß Tods vnd alles
dessen seyn / daran man sterben kan / als Hitz / Frost / Blösse / Hunger /
Durst / Arbeit / Vnfall am Leib / Weib / Kindern / Vnsicherheit vor allen
Thieren / Vntrew von den Menschen / Vnverstand vnd Jrrthumb auch in weltli-
chen Sachen / Trawrigkeit / Angst / Sorg / vngerathene Kinder / Anfechtung
vom Teuffel vnd der Welt / biß er endlich deß zeitlichen Tods stirbt / da der
Leib in die Erde begraben vnnd zu Aschen wird“.
273
Wagner, a.a.O. (wie Anm. 254), fol. B 3r.
274
Vgl. ebd., fol. B 3v: „Es haben auch die Heiden bezeuget / das die Artzney
von Gott herkomme / wenn sie gesagt: Die Artzte als Chiron AEsculapius vnnd
andere sein von den Göttern geleret“.
88 teil ii – lutherische orthodoxie
wie schon ein Blick in das Tierreich verrate275. Auch könne beob-
achtet werden, daß sogar die Tiere, obgleich sie der ratio erman-
geln, sich gewisser Kräuter zum Zwecke der Selbstmedikation bedienen:
„Die Esel sollen suchen vnd gebrauchen Asplenum oder Hirschzungen
/ damit sie die beschwerung der Miltz sollen lindern. Die Beeren
sollen Amiesen [sic!] fressen / wenn sie Mandragorae apffel gena-
schet / damit jhnen der Gifft nicht schade“276.
Wagner also bemüht exempla der tierischen Kreatur, um den ver-
nunftbegabten Menschen, die dem Tier doch überlegen sein sollten,
ihre stultitia vor Augen zu führen, die darin besteht, daß sie die
Schöpfergaben verachten und diese nicht in Anspruch nehmen.
Hieraus resultiert eine argumentatio a minore ad majus: „Brauchen
nun die vnuornünfftige Thiere die Artzney solte den der Mensche
solche mittel verachten? ja wer dieselbige als Gottes gabe verachtet
/ bezeuget damit das er vnvorstendiger sey als das vnuornünfftige
vihe“277. Nachdem Wagner seine Argumentation mit Hilfe von exem-
pla aus dem Buch der Natur vorangetrieben hat, nimmt er Bezug
auf einige „Exempel in der heiligen Schrifft“278, u.a. auf die Heilung
Hiskias durch den Propheten Jesaja ( Jes 38,1–22). Daß die Medizin
eine göttliche Kunst ist, zeigt sich auch darin, daß es Engel sind,
die den Menschen in dieser himmlischen Wissenschaft unterweisen.
Dies wird — so Wagner — darin sichtbar, daß ein Engel dem jun-
gen Tobias die Heilkraft von Herz, Galle und Leber des von die-
sem gefangenen Fisches offenbart und diese Innereien aufzubewahren
rät, damit mit deren Hilfe die Blindheit des alten Tobias geheilt wer-
den könne (Tob 6,6ff ): „So haben auch [. . .] die Engel die Artzney
den Menschen gezeiget / vnd zugebrauchen bevolen / wie Raphael
/ das ist Gottes Artzte / des FischesGall vnd Leber als gut zur
Artzney auffzuheben / vnnd hernach zu des Tobiae gesicht zuge-
brauchen befohlen hat“279.
Der Berufsstand der Ärzte und Apotheker verdankt sich dem lap-
sus Adae, mit dem die Sünde und mit ihr sowohl Tod als auch
275
Vgl. ebd., fol. B 4r: „das die Natur auch in den vnuernünfftigen Thieren jhre
erhaltung zum höhesten begere“.
276
Ebd. Eine ganze Reihe von Exempeln der Nutzung von Heilkräutern durch
Tiere nennt Honold, a.a.O. (wie Anm. 259), II, S. 303.
277
Wagner, a.a.O. (wie Anm. 254), fol. B 4r.
278
Ebd., fol. B 4v.
279
Ebd., fol. C 1r.
johannes wagner 89
280
Vgl. Mathesius, a.a.O. (wie Anm. 61), II, fol. 114r: „Aber mit der Sünden ist
der Todt / vnd viel grosse vnnd auch vnheilbare Kranckheiten / die man gantz
vnd gar nicht curiren vnd heylen kan / sondern sich mitte bis ins Grab schleppen
mus / in die Welt kommen“.
281
Vgl. hierzu etwa die Ausführungen bei Johann Gerhard, COMMENTARIUS
super GENESIN, IN QVO Textus declaratur, quaestiones dubiae solvuntur, obser-
vationes eruuntur, & loca in speciem pugnantia conciliantur. Editio novißima &
emendatior, Jena 1653 (Privatbesitz), S. 118. Gerhard spricht von der „laboris anxie-
tas“ und hält die infralapsarische Dialektik der Arbeit, einerseits Sündenstrafe zu
sein, andererseits aber auch zum Segen gereichen zu können, folgendermaßen the-
tisch fest: „Labor in se ac per se peccati paena, sed timentibus Deum cedit in bene-
dictionem, Ps. 128. v. 3. Caveamus ergò ignavum otium, ac sciamus, hominem post
lapsum natum ad laborem, sicut avis nascitur ad volatum, Job. 5. v. 7.“ (ebd.,
S. 121).
282
Wagner, a.a.O. (wie Anm. 254), fol. C 1v. Vgl. ähnlich Honold, a.a.O. (wie
Anm. 259), II, S. 303.
283
Vgl. WA.TR 5,88,11f (Nr. 5359): „Adam durfft kein buch, quia habebat
librum naturae“. Vgl. auch WA 42,80,3–7 (Vorlesungen über 1. Mose 1535–1545)
und dazu Holger Flachmann, Martin Luther und das Buch. Eine historische Studie
90 teil ii – lutherische orthodoxie
zur Bedeutung des Buches im Handeln und Denken des Reformators (= SuR NR
8), Tübingen 1996, S. 282: „Demnach sind Papier, Tinte, Schreibfeder und eine
Unmenge von Büchern Charakteristika der verlorenen Unschuld des Menschen und
des Sündenstandes“.
284
Wagner, a.a.O. (wie Anm. 254), fol. C 4r.
285
Vgl. ebd., fol. C 4v.
286
Vgl. Seneca, De beneficiis, lib. 7, cap. 14, in: L. Annaeus Seneca, Philosophische
Schriften. Lateinisch und deutsch. Sonderausgabe Bd. 5, hg. von Manfred Rosenbach,
Darmstadt 1999, S. 566: „Si omnia fecit, ut sanaret, peregit partes suas medicus“.
287
Wagner, a.a.O. (wie Anm. 254), fol. D 1r.
johannes wagner 91
288
Ebd. Vgl. ähnlich Felix Bidembach, PROMPTUARII EXEQVIALIS PARS
PRIOR, In qua continentur CENTVRIAE III. DISPOSITIONUM, QVIBUS THE-
MATA FUNEBRIA SIVE SCRIPTURAE DICTA varia (quae in MANUALI
BIDEMBACHIANO Anno 1603. primùm edito, ceu Indice quodam annotata, &
pro varietate Casuum ac Personarum qualitate, in NOVEM CLASSES distributa,
extant) breviter ac solidè explicantur [. . .], EDITIO TERTIA [. . .], Lübeck 1611
(Privatbesitz), S. 190: „Docere debet hic locus [scil. Lk 8,40], quis Medicus in omni
genere morbi quaerendus, ante omnes alios, Christus Dei filius. Is sc. qui omnipo-
tens, ad quem accurrere possumus piis precibus. Is verus Medicus. Exod. 15. v. 26.
Et Magister ad juvandum. Esa. 63. Deindè verò media adhibenda legitima. Vide
Syr. 38. Iac. 5.“ Vgl. ebd., S. 225. 276. Vgl. auch Mathesius, a.a.O. (wie Anm.
61), II, fol. 122r.
289
Wagner, a.a.O. (wie Anm. 254), fol. D 2v.
290
Zu Henricus Brucaeus (1530–1593) vgl. Krause, in: ADB 3 (1876), S. 374f
und DBA 149,70–77.
291
Wagner, a.a.O. (wie Anm. 254), fol. D 3r.
92 teil ii – lutherische orthodoxie
292
Ebd.
293
Ebd., fol. D 4r.
294
Ebd., fol. E 1v/2r.
7. JUSTUS SÖFFING
295
Justus Söffing, Der auf Erden und im Himmel Geehrte Artzt / Aus dem
Spruch 1. Joh. III. v. 1 / 2. Sehet / welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget
/ etc. Als Der Wohl=Edle / Groß=Achtbare und Hoch=Gelahrte Herr Andreas
Mack / Der Artzeney Hoch=Erfahrner DOCTOR, Hoch=Gräfl. Schwartzburgischer
Hochverdienter Leib= und Hof=MEDICUS zu Rudolstadt und weitberühmter
PRACTICUS, Jm Jahr Christi MDCLXXXIII. den 21. Martii, Seinem sehnlichen
Begehren nach / selig aufgelöset / und die Seel zu CHRJSTO erhaben / Der
Leichnam aber in die neu=erbauete GOttes=Acker=Kirche und darinn bereitete
Begräbniß=Stätte Bey Hochansehnlicher / vornehmer und sehr Volckreicher
Versammlung / gebracht und beerdiget ward / Beschrieben und auf Begehren zum
Druck übergeben, Rudolstadt [1683] (HAB Wolfenbüttel LP 16129 [Slg. Stolberg]),
S. 4.
296
Vgl. hierzu z.B. auch Matthias Hoë von Hoënegg, STATUS MEDICI HONO-
RATISSIMUS. Eines Kunstreichen bewährten vnd fürtrefflichen Artztes Ehren=Stand
Außgeführet / bey dem Begräbnüß Des weiland Ehrenvesten / Großachtbarn /
vnd Hochgelahrten Herrn PETRI HEIGII, Der Artzney berühmbten Doctoris, auch
Churfürstlicher Durchl. zu Sachsen wolbestalten Leib=Medici seligen. Welcher den
20. Decembris Anno 1634. zum GrossenHayn in Gott verschieden / vnd den 4.
Januarii Anno 1635. Christlich / vnd ansehnlich / in der Churfürstl. Residentz
Dreßden / in sein Rhuebettlin gebracht worden. Auff begehren in Druck gegeben
[. . .], Leipzig 1635 (HAB Wolfenbüttel LP 12681 [Slg. Stolberg]), fol. B 1v: „Eben
94 teil ii – lutherische orthodoxie
dem Berufsstand der Ärzte dadurch zuteil, daß Gott selbst Arzt ist,
zudem in seinem Sohn die Gattung ‚Menschheit‘ annimmt und so
zum Kollegen innerhalb der irdischen Ärzteschaft wird. „Das erin-
nert Sirach / und wie ists auch an sich so billig, daß man solchem
Wort nachlebe? Denn GOtt selbst ehret den Artzt / wenn Er ihn
schaffet / und segnet; Unser JEsus / der Welt Heiland / wird selbst
ein Artzt / und heilet die Patienten auch mit seinen eigenen Blut
und Wunden“297.
Der Ärztestand also ist zu loben — nicht an und für sich, son-
dern um Gottes willen. So wird es Söffing möglich, die panegyri-
sche Rede auf den verstorbenen Arzt so zu gestalten, daß sie
durchgängig auch eine Lobrede auf Gott ist. Des Lobes wert ist die
Medizin nach Söffing, weil Gott deren Ursprung ist und zwar sowohl
der natürlichen als auch der übernatürlichen298. Zu loben ist die
medizinische Wissenschaft überdies aber aufgrund ihrer antiquitas,
die bis in das Paradies zurückreicht. Denn zwar haben Tod und
Krankheiten erst nach dem Verlust des status integritatis und dem
Sündenfall Platz gegriffen. Im Urstand jedoch waren die Menschen
aufgrund ihrer Urgerechtigkeit und ihrer uneingeschränkten Gott-
ebenbildlichkeit von keinerlei Krankheit affiziert. Gleichwohl hat es
schon im Paradiesesgarten eine Apotheke gegeben, nämlich den Baum
des Lebens (Gen 2,9), der dazu diente, die Gesundheit der Kreaturen
zu bewahren.
Nach griechisch-antiker Auffassung hat die Medizin bekannterma-
ßen zweierlei Aufgabenbereiche: Gesundheit herzustellen, zu thera-
pieren also, einerseits und Gesundheit zu bewahren andererseits: cura
und conservatio. Darum bietet Galenus (129–ca. 216), neben Hippo-
krates (ca. 460–ca. 370 v. Chr.) gewiß der prominenteste Arzt der
griechischen Antike, folgende Definition: „Quum una sit ars, quae
circa corpus hominis occupatur, ut in alio libro demonstratum est,
ejus primae ac maximae partes sunt duae; quarum altera sanitatis
conservatrix, altera curatrix appellatur“299. Die Kirchenväter, aber
also heist es nun auch von einem geschickten Medico, der die Kunst der Medicin
wol gelernet hat. Ehre den Artzt / vnd muß demnach sein Stand ein geehrter
Stand seyn / weil Jhn Gott selb darfür erkläret / vnd erkennet hat.“
297
Söffing, a.a.O. (wie Anm. 295), S. 4.
298
Vgl. ebd., S. 7.
299
Galenus, De sanitate tuenda, lib. 1, cap. 1, in: Ders., Opera omnia, ed. Carl
Gottlob Kühn, tom. 6 (= Medicorum Graecorum Opera quae exstant 6), Leipzig
1823, S. 1.
justus söffing 95
300
Vgl. Gerhard, Meditationes (wie Anm. 40), S. 13f.
301
Vgl. Gregor von Nazianz, Oratio 2 apologetica, cap. 22, MPG 35, Sp. 431:
„Jam quod utriusque medicinae fines attinet, id enim nobis conferendum adhuc
superest: illa nihil aliud spectat, quam ut sanitatem, aut bonam carnis habitudinem,
vel praesentem conservet, vel absentem revocet [. . .]“. Vgl. Augustin, Enarratio in
Ps 7, 10, CCSL 38, S. 43,2f: „Duo sunt officia medicinae, unum quo sanatur
infirmitas, alterum quo sanitas custoditur“.
302
Söffing, a.a.O. (wie Anm. 295), S. 8.
8. MELCHIOR LEHEN
303
Melchior Lehen, SANGVINES PECCATORVM. Der Sünder Blutschulden
/ Das ist: Eine Christliche Predigt / vom schönen Spruch des 51. Psalms: Errette
mich von den Blutschulden / Gott etc. Beym volckreichen Leichbegängnüß / Des
Ehrnvesten / Achtbarn vnd Wolgelarten Herrn M. JOHANNIS-PHILIPPI BREN-
DELII, weiland wolverordneten Hoff= vnd Stad Medici zu Schlaitz in Reusischer
Herrschafft / Welcher zur Newstadt an der Orla / dahin er von etlichen Adelspersonen
vnd inwonenden Bürgern zur Praxis Medica erfordert worden / den 17. Novemb.
im Jahr 1615. selig in Gott verschieden / vnd des drauff folgenden 19. Novemb.
am XXIV. Sontag nach Trinitatis Christlich zur Erden bestattet worden, Jena 1616
(HAB Wolfenbüttel LP 5044 [Slg. Stolberg]).
304
Vgl. ebd., fol. A 3r: Nach einem ersten Aderlaß nahm Brendel am folgenden
Tag einen zweiten vor: „Folgendes Tages aber am lincken Arm zu gehoffter sei-
ner Gesundheit ein ander Ader selbst geöffnet hat / Welches Aderlassen aber jhme
gar vbel gelungen / weil er aus vnuermerckter zufelliger Mattigkeit sich darüber
dermassen verblutet hat / daß er hierauff von Tag zu Tag so hinfellig vnnd schwach
geworden / daß er hat seinen Geist drüber auffgeben / vnd sein zeitlich Leben
beschliessen müssen. Weil er denn bey solchem seinem zufelligen Blutgang sich sei-
ner Blutschulden vnnd Sünden erinnert / vnnd Gott vmb Vergebung derselben
nach des Königs Davids Exempel gebeten hat / so nehmen wir billich seinet wegen
diesen Text für vns / daß wir jhn am heutigen Sontag recht erklären mögen /
beuoraus weil er sich nicht allein auffs heutige Euangelium / sondern auch auff
vnsern in Gott selig abgestorbenen Mitbrudern gar fein schicket“.
305
Vgl. o. Anm. 303.
melchior lehen 97
von ihrer Sündenkrankheit verdient hat ( Jes 1,18; 1Joh 1,7) — auch
dem Verbluteten. „Denn dessen Blut [scil. Christi] / wie Hieronymus
schreibet / ist Clavis Paradisi, der Schlüssel zum Himmlischen Paradeiß
/ oder wie Bernhardus redet: Est pretiosum Balsamum vulnerum
nostrorum; Das köstliche Balsamöl zur Heilung vnserer Sünden
Wunden / oder wie ein ander Christlicher Kirchenlehrer redet /
Rubrica Dei, Gottes rothe Dinte / mit welcher alle seine Heiligen
canonisirt, vnd ins Calendarium oder Buch der Lebendigen einge-
schrieben werden“306.
306
Lehen, a.a.O. (wie Anm. 303), fol. B 2r.
9. CASPAR HUBERINUS
307
Vgl. nur die Übersicht bei Martin Lipenius, BIBLIOTHECA REALIS THE-
OLOGICA OMNIVM MATERIARVM, RERUM ET TITULORUM [. . .], 2
Bde., Frankfurt a.M. 1685 (Reprint Hildesheim/New York 1973), Bd. 2, S. 769–771.
308
Vgl. Ernst Koch, Die ‚Himlische Philosophia des heiligen Geistes‘. Zur Bedeutung
alttestamentlicher Spruchweisheit im Luthertum des 16. und 17. Jahrhunderts, in:
ThLZ 115 (1990), Sp. 706–720, hier: Sp. 707f.
309
Friedrich Rothe, Das Buch Jesus Syrach Jm Latein ECCLESIASTICVS. Auff
Deutsch / Die Geistliche Zucht genant. Jn hundert vnd zwey vnd dreyssig Predigten
erkleret / Vnd auff die Lere des heiligen Catechismi gerichtet / Jn der Pfarrkirchen
zu S. Andres / in der alten Stad Eißleben [. . .] Mit einer Vorrede D. M. Hieronymi
Mencelij [. . .], Eisleben 1596 (HAB Wolfenbüttel 250.1 Theol. 2° [1]), II, fol. 70r.
310
Vgl. Hoë von Hoënegg, a.a.O. (wie Anm. 296), fol. B 1r (mit Bezug auf Sir
38).
caspar huberinus 99
311
Vgl. Hütter, Compendium (wie Anm. 169), S. 4: „Qui sunt libri Apocryphi?
Illi, quorum occulta origo non claruit illis, quorum testificatione autoritas verarum
Scripturarum ad nos pervenit“.
312
Conrad Dieterich, INSTITUTIONES CATECHETICAE, Leipzig o.J. [1640]
(Privatbesitz), S. 20: „Ita & haec Apocrypha scripta, ne publicae autoritatis fierent,
abscondita qvasi & occulta in Ecclesia fuêre. Idque ideò vel 1. qvia nomina scrip-
torum istorum latebant: vel 2. qvia autoritas eorum obscura & dubia erat: vel 3.
qvia nonnulla Propheticis & Apostolicis libris partim ignota, partim contraria con-
tinebant“.
313
Gerhard, Loci (wie Anm. 185), I, S. 37b.
314
Hütter, Compendium (wie Anm. 169), S. 2 formuliert: „Alii enim sunt Canonici:
alii Apocryphi: quorum illi certam atque classicam habent autoritatem: hos verò
quamvis Ecclesia legit ad aedificationem plebis: tamen ad confirmandam dogma-
tum Ecclesiasticorum autoritatem non adhibentur“. Hiermit bezieht sich Hütter auf:
Hieronymus, Praefatio in libros Salomonis, MPL 28, Paris 1845, Sp. 1242f: „Sicut
ergo Judith, et Tobi, et Machabaeorum libros legit quidem Ecclesia, sed inter cano-
nicas Scripturas non recipit: sic et haec duo volumina legat ad aedificationem ple-
bis, non ad auctoritatem Ecclesiasticorum dogmatum confirmandam.“
315
Gerhard, Loci (wie Anm. 185), I, S. 36b.
316
Ebd., S. 94a: „Non est scriptus a propheta, quia Siracides hujus libri auctor
non scripsit ex inspiratione prophetica“.
100 teil ii – lutherische orthodoxie
317
Vgl. ebd.: „Insunt quaedam huic libro fidei analogiae minus congrua“.
318
Vgl. ebd., S. 48a.
319
Vgl. Dieterich, Weisheit (wie Anm. 257).
320
Auch nach Bartholomäus Gernhard, LehreBuch / Himlischer Weisheit / fur
allerley Stende / aus den vier Edlen Büchern Salomonis / vnd Jhesu Syrachs. Jn
gantz richtige Ordenung gebracht / vnd auff die zehen Gebot Gottes / in allerley
derselben Tugende oder gute Wercke / hiergegen auch Sünde vnd Laster gerich-
tet, Eisleben [1575] (HAB Wolfenbüttel Yv 634 Helmst. 8°), fol. f 2r traktieren die
Sapientia Salomonis und Sirach die „Himlische Philosophia vnd Weisheit“.
321
Vgl. Ernst Koch, Die höchste Gabe in der Christenheit. Der Umgang mit
Schwermut in der geistlich-seelsorgerlichen Literatur des Luthertums im 16. und
17. Jahrhundert, in: Monika Hagenmaier und Sabine Holtz (Hgg.), Krisenbewußtsein
und Krisenbewältigung in der Frühen Neuzeit — Crisis in Early Modern Europe,
Festschrift für Hans-Christoph Rublack, Frankfurt a.M. u.a. 1993, S. 231–242 und
Steiger, Melancholie (wie Anm. 93).
322
Vgl. Herbert Wolf, Art. Mathesius, Johannes, in: Killy, Literaturlexikon (wie
Anm. 197), Bd. 8, S. 9f.
caspar huberinus 101
323
Vgl. E. Koch, Philosophia (wie Anm. 308), Sp. 709f.
324
Caspar Huberinus, Spiegel der Haustzucht. Jhesus Syrach genant / Sambt
einer kurtzen Außlegung. Für die armen Haußväter / vnd jre gesinde / Wie sie
ein Gottselig leben / gegen menigklich sollen erzeygen. Darinnen der welt Lauff
begriffen / vnd wie sich ein jedlicher Christ / inn seinem beruff / vnd in der
Policey / ehrlich vnnd löblich solle halten, Nürnberg 1555 (HAB Wolfenbüttel C
190 Helmst. 2°). Im selben Jahr erschien: Georg Lauterbach, Jesus Syrach zu
Wittenberg verdeutscht. Jn eine newe vnd richtige ordnung gebracht, Nürnberg
1555 (HAB Wolfenbüttel A 142.8° Helmst. [unvollständig]). Lauterbach sieht den
Skopos des Buches Sirach in der Erteilung von Lebenshilfe und der Begründung
einer christlichen Ethik. Vgl. fol. A 2v: „Denn wie man one sorg sol leben / |
Stets nach Gottes willen streben. | Das lehret Syrach in diesem Buch / | Durch
manchen feinen Gottes spruch“. Lauterbachs Schrift bietet nach Lemmata geord-
nete Auszüge aus Sir, vor allem für den Schulgebrauch. Als Strukturprinzip der
von Lauterbach vorgenommenen Ordnung dienen die beiden Tafeln des Dekaloges
(vgl. fol. A 3v). Als Motiv für seine kompilierend-strukturierende Aufbereitung des
Sirachschen Stoffes gibt Lauterbach folgendes an: „Nach dem diß gegenwertig Buch
/ bißher so vnordentlich durch einander geworffen gewest / das sich auch kein
stück fast auffs ander gereymet / dardurch es möcht als für ein meisters werck
erkand vnd angesehen werden / sonder ist geblieben / wie es erstlich auß vielen
Büchern zusammen gelesen / Wie denn solchs der Ehrwirdig D. M. Luther seli-
ger / in seiner Vorred vber diß Buch auch bekendt vnd anzeucht. Vnd es aber
gleich wol ein solch Buch ist / darauß sich viel Leute bessern / vnd jre Haußzucht
darnach anstellen können / Vnd derwegen wol einer bessern Ordnung wirdig wer
/ So hab ich auff bitt [. . .] mich für dieser zeyt / solcher arbeyt vnterstanden“
(fol. A 3r/v).
325
Huberinus, Sirach 1555 (wie Anm. 324), fol. 192r.
102 teil ii – lutherische orthodoxie
326
Vgl. Caspar Huberinus, Spiegel der Haußzucht. Jesus Sirach genandt / Sampt
einer kurtzen Außlegung. Für die armen Haußuäter / vnd jhr Gesinde / Wie sie
ein Gottselig leben / gegen menigklich sollen erzeygen. Darinnen der Weltlauff
begriffen / vnd wie sich ein jeglicher Christ / in seinem beruff / vnd in der Policey
/ ehrlich vnd löblich solle halten, Nürnberg 1558 (HAB Wolfenbüttel 440 Th. 2°
[1]), fol. B 1v: „Syrach wil hie einen Gottsförchtigen Haußuatter vnterrichten / wie
er vor allen dingen / nach der Himlischen Götlichen weißheyt trachten solle / wel-
che allein auß Gottes wort gelernet werden muß“.
327
Huberinus, Sirach 1555 (wie Anm. 324), fol. 193r.
caspar huberinus 103
als die Seele. Der Christen Leib ist ein Tempel GOttes des heiligen
Geistes [scil. 1Kor 6,19]. Der Leib hat die Hoffnung der Aufferstehung
zum ewigen Leben / vnd daß er gleichförmig werden solle / dem
verklärten Leib JEsu Christi / Phil. 3. cap. [scil. Phil 3,21]“328. Damit
stimmt überein, daß Johann Olearius (1611–1684) im Anschluß an
Sir 34,20 die leibliche Gesundheit eine Gottesgabe nennt329 und die
These, wonach von der Krankheit des Leibes zurückgeschlossen wer-
den könne darauf, daß der von ihr Geplagte von Gott bestraft sei,
scharf zurückweist330. Nur in diesem Kontext läßt sich das nicht
zuletzt in Predigten des Luthertums des 17. Jahrhunderts häufig
aufzufindende äußerst stark ausgeprägte empirische Interesse331 an
Krankheiten, dem Verlauf derselben sowie an Krankheitsbildern erklä-
ren. All dies stiftet nicht die Neugierde ein, all dies ist vielmehr the-
ologisch motiviert und verdankt sich der Leibfreundlichkeit der
reformatorischen Theologie.
Der erste Stifter der Heilkunst ist auch nach Huberinus Gott. Der
„Artzet [ist] von Gott dem Herrn selber erschaffen / verordnet /
begabet vnnd verlihen“332 wie die Arzneikunst auch, weswegen man
sich an die professionell ausgebildeten Ärzte wenden und nicht „zu
einem schwartzkünstige[n] / Beschwerer / Segner / gauckler / vnnd
Teuffels affen“333 gehen soll. Zudem habe Gott der Natur die Heilkräfte
eingestiftet, so daß „ein jedlichs kreutlin / wurtz / bäumlin / frücht-
lin / Edel gestein / vnnd mancherley gewechs / auch thier vnnd
Element / jhre sondere natur / art vnd wirckung haben“334. Als
biblisches Vorbild geflissentlich nachzuahmender naturkundlicher
328
Hoë von Hoënegg, a.a.O. (wie Anm. 296), fol. B 2r.
329
Vgl. Johann Olearius, NOSOSOPHIA Beständiger Krancken=Trost / Aus
der heimlichen Weißheit der Kinder Gottes gezeiget, Leipzig 1669 (HAB Wolfenbüttel
Th 1959 [2]), S. 581: „So ist doch allhier keines Weges die Frage / I. Ob die
Gesundheit an sich selbst eine edle Gabe Gottes sey? Denn der HErr ists der das
Hertz erfreuet / und das Angesicht frölich macht / und giebt Gesundheit / Leben
und Seegen. Sir. 34. 20.“
330
Vgl. ebd., S. 583f. Ähnlich Johann Michael Dilherr, Kurtze Anweisung / Zu
Christschuldiger Gebühr / In Gesundheit / In Kranckheiten / Und Im Sterben,
Nürnberg 1655 (HAB Wolfenbüttel Th 542), S. 130: „Denn es wil GOTT gantz
und gar nicht haben / daß man / weder aus zeitlichem Glück solle schliessen /
daß einer einen gnädigen GOTT habe; noch auch aus zeitlichem Unglück muth-
massen / daß einer einen ungnädigen GOtt habe.“
331
Vgl. Sahmland, a.a.O. (wie Anm. 170), S. 236.
332
Huberinus, Sirach 1555 (wie Anm. 324), fol. 193v.
333
Ebd., fol. 196r.
334
Ebd., fol. 194r.
104 teil ii – lutherische orthodoxie
335
Ebd.
336
Vgl. Fuchs, a.a.O. (wie Anm. 195), fol. 3r: „Vnd wer ist vor vnd nach vnder
allen Königen so mechtig vnd gewaltig gewesen als Salomon / noch wolt er nichts
dester weniger sich allso seer in der erkantnuß der kreüter bemüen / das er / wie
vns sölches die heylig Götlich schrifft offenbarlich bezeugt / vom Cederbaum an
biß zu dem Hysopkraut / das aus der mauren wechßt / artlich vnd weißlich kündte
reden vnnd disputieren“.
337
Vgl. Hütter, Compendium (wie Anm. 169), S. 55f: „Quae fuerunt causae prae-
cipuae, propter quas Deus creavit hoc universum? Causa impulsiva fuit immensa
Dei bonitas, qui, uti in se est summè bonus, ita Bonitatis etiam hujus suae partem
nobiscum communicare voluit liberrimè. Joh. 1, 3. Heb. 1, 2. Causa finalis est, ut
à creaturis vicissim agnosceretur, & celebraretur: Ps. 19, 1. Coeli enarrant gloriam
Dei, & opera manuum ejus annunciat firmamentum.“
338
Huberinus, Sirach 1555 (wie Anm. 324), fol. 194r.
caspar huberinus 105
339
Ebd., fol. 195r.
340
Ebd.
341
Vgl. ebd., fol. 195v.
342
Vgl. hierzu Krafft, Christus (wie Anm. 136).
343
Huberinus, Sirach 1555 (wie Anm. 324), fol. 195v.
106 teil ii – lutherische orthodoxie
344
Ebd., fol. 196r.
10. JOHANNES MATHESIUS
345
Nach Huberinus’ und vor Mathesius’ Sirach-Auslegung erschien diejenige
Victorin Strigels, der aufgrund seines Kryptocalvinismus von sich reden gemacht
und 1567 einen Ruf nach Heidelberg erhalten hatte. Vgl. o. Anm. 257.
346
Vgl. Anm. 61.
347
Mathesius, a.a.O. (wie Anm. 61), II, fol. 114v.
348
Vgl. ebd., fol. 115r.
349
Ebd., fol. 115v.
108 teil ii – lutherische orthodoxie
Dagegen stellt Mathesius mit Cato die Regel auf: „Corporis auxi-
lium, medico committe fideli. Die Cura vnnd pflegung deines Krancken
Leibes / vertrawe / sagt Cato350, einem getrewem vnd fleissigem
Artzt“351. Mathesius betreibt hier aus berechtigter Sorge um die
Volksgesundheit Volksaufklärung im wahrsten Sinne des Wortes,
indem er seinen Hörern und Lesern die Kriterien nennt, die ein
Arzt erfüllen muß, um als ein rechter medicus zu gelten.
Man soll sich, so Mathesius, nur von den von Amts wegen appro-
bierten, niedergelassenen Ärzten behandeln lassen. Ein Arzt muß
zudem „ein zeugnis seiner promotion“352 vorlegen können. Schon
nach antiker Sicht der Dinge ruht die medizinische Wissenschaft auf
zweierlei auf: auf lÒgow ka‹ pe›ra353. Dieses doppelte Wissenschafts-
prinzip zugrundelegend, erwartet Mathesius von einem guten Arzt
zweierlei: medizinische eruditio einerseits und praktisch-empirische
Kompetenz andererseits. Ein guter Arzt muß gelehrt sein und „die
Arabischen / Griechischen vnnd Lateinischen autores vnd scriben-
ten neben seiner Philosophia wol wissen vnd können“354. Er muß
aber zugleich ein hohes Maß an „erfarung“ („Experientia“) und mög-
lichst viele der potentiellen Behandlungsfehler, insbesondere solche,
die schwerwiegende und letale Folgen zeitigen, bereits hinter sich
haben, oder, wie Mathesius sich ausdrückt: Ein guter, erfahrener
Arzt muß „zuuor etliche Spital geleeret / vnd Kirchhöfe erfüllet
haben“355.
Die Volksaufklärung des 18. Jahrhunderts jedenfalls hat eine
Vorgeschichte, deren Relevanz noch kaum zum Gegenstand der
Forschung gemacht worden ist. Zu unkritisch wird innerhalb der
350
Cato, Disticha, rec. Marcus Boas, Amsterdam 1952, S. XV: „Consilium arca-
num tacito committe sudali | corporis auxilio socio committe fideli“.
351
Mathesius, a.a.O. (wie Anm. 61), II, fol. 115v.
352
Ebd.
353
Vgl. hierzu Heinrich Schipperges, Zum Topos von ‚ratio et experimentum‘
in der älteren Wissenschaftsgeschichte, in: Fachprosa-Studien, hg. von Gundolf Keil,
Berlin 1982, S. 25–36, hier: S. 26–28, wo die platonischen als auch die aristoteli-
schen und galenischen Wurzeln dieses Topos skizziert und belegt werden. Zur
Rezeption dieser Definition vgl. Gerhard, Meditationes (wie Anm. 40), S. 15: „Habet
Medicina certa sua principia, lÒgon scilicet, ka‹ pe›ran, quae ob id crura quaedam
eiusdem appellantur, cum quibus quod consonum, acceptat; quod dissonum, respuit“.
Vgl. weiter Olearius, Biblische Erklärung (wie Anm. 185), IV, S. 395: „Denn bey
dieser Kunst gehöret zusammen Logos und Peira. Verstand und Erfahrung“.
354
Mathesius, a.a.O. (wie Anm. 61), II, fol. 115v.
355
Ebd.
johannes mathesius 109
356
Ebd.
110 teil ii – lutherische orthodoxie
357
Ebd., fol. 116r. Diese Passage zitiert Olearius, Biblische Erklärung (wie Anm.
185), IV, S. 399 unter Hinweis auf Mathesius als Quelle. Vgl. zum Sachzusammenhang
der Prävalenz der göttlichen medicina auch Joachim Mörlin, Erste [— Dritte] Teil
Aller Predigten Vnd Außlegungen vber die Psalmen deß Königlichen Propheten
Dauids / Jn welchem viel Stück vnd Artickel Christlicher Lehr / auß Gottes Wort
vnnd Heiliger Schrifft nottürfftiglich erkläret werden. Allen Christen / so die Warheit
lieb haben: Auch allen angefochtenen / vnd betrübten Gewissen / ein sehr nütz-
lich vnd tröstlich Buch [. . .], Erfurt 1580 (HAB Wolfenbüttel 368 Theol.), III, S.
314, die Auslegung von Ps 107,21: „Was ist das? Sagt Dauid / sein heiliges Göttliches
wort / das hat er darumb gegeben / vns von solcher Seuch vnd allem Vnfall zu
retten. Jst derhalben nu hier die köstliche Ertzney / der edle Balsam / nicht aus
dem Paradiß allein / Sondern auß Gottes Hertzen zubereitet vnd distilliret / dadurch
vns allen mus geraten werden. Denn wenn es die nicht thut / so wird vns durch
kein ander Ertzney geholffen / oder aber dazu geholffen / das wir lenger auff
Erden sind / vnser Sünde zuuberheuffen / vnd das maß vol zumachen / Matth.
23. auff das vnser Verdamnis deste grösser sey. Jst darumb ohn diese kein andere
Ertzney krefftig / weil alles von Gottes wort / krafft / safft vnd Leben hat / oder
wircket vns zum verderben vnd ewigen verdamnis“ [marginal hierzu: „Gottes
Apotecken.“]. Zu Mörlin vgl. Jürgen Diestelmann, Joachim Mörlin. Luthers Kaplan
— ‚Papst der Lutheraner‘. Ein Zeit- und Lebensbild aus dem 16. Jahrhundert,
Neuendettelsau 2003. Auch nach Christoph Pelargus, In secundum Librum Mosaicum,
EXODVM SACRAM, Commentarius breuis, Leipzig 1604 (HAB Wolfenbüttel Alv.
Di 157 [1]), S. 145 (zu Ex 15,26) arbeiten die Ärzte vergeblich, wenn Gott nicht
heilt: „Omnipotenti huic medico nihil est insanabile, inquit Augustinus in Psal. 58.
& 102. Hieron. in 26. Esa. cap. Nisi Dominus languorem curauerit, in vanum labo-
rant medici, qui cupiunt sanare languentes. Nisi Dominus custodierit sanitatem,
invanum custodiunt, qui etiam praecepta custodiendae salutis propriis edunt libris:
semperque dicendum est, non solùm in corporis, sed etiam in animae sanitate:
Benedic anima mea Domino, qui sanat omnes languores tuos.“
358
Abraham Calov, BIBLIA TESTAM. VETERIS ILLUSTRATA [. . .], Dresden/
Leipzig 21719 (Privatbesitz), III, S. 142b.
johannes mathesius 111
359
Mathesius, a.a.O. (wie Anm. 61), II, fol. 116v. Diesem Rat folgte Anfang des
20. Jahrhunderts Franz Priester bei der Restaurierung der Detmolder Hofapotheke.
Vgl. Krafft, Arznei (wie Anm. 8), S. 20–22.
360
Vgl. Krafft, Arznei (wie Anm. 8), S. 76ff.
361
Vgl. die Abbildung ebd., S. 81 sowie S. 120.
362
Mathesius, a.a.O. (wie Anm. 61), II, fol. 116v.
112 teil ii – lutherische orthodoxie
Berufstätigkeit des Apothekers insofern, als sie das Gebot der Näch-
stenliebe befolgt und dem Mitmenschen zu Diensten steht, womit zu-
gleich Gott der Schöpfer verehrt wird. „DAs reden wir zum trost
den Apoteckern / denn ein jeglicher frommer Christ sol gewis sein
/ das er in einem Göttlichem vnd ehrlichem beruf ist / in welchem
er mit gutem gewissen Gott anruffen vnd andern dienen könne“363.
Daß hier Luthers Berufsethik virulent ist, liegt auf der Hand. Umgriffen
wird diese Rezeptionslinie jedoch — ganz in Luthers Sinne — von
der Überzeugung, daß die Tätigkeit eines Apothekers auch insofern
eine gottesdienstliche Dimension aufweist, als in ihr gleichnishaft das
Heilshandeln Gottes selbst greifbar wird.
Ähnlich wie die bisher vorgestellten lutherischen Theologen rät
auch Mathesius, sich im Gebet zu Gott zu kehren, bevor man ärzt-
liche Hilfe in Anspruch nimmt364. Zuerst ist es nötig, ein Sünden-
bekenntnis abzulegen, denn Gott straft die Sünde durch Krankheit.
Sodann soll man Christus, den Arzt des Leibes und der Seele, im
Glauben ergreifen und Gott darum bitten, auch gute leibliche Ärzte
zu geben.
Um dem Arzt die Behandlung zu erleichtern, ist es — so Mathe-
sius — unabdingbar, daß der Patient einen „gute[n] vnnd warhafftige[n]
bericht“365 erstattet. Innerhalb dessen, was man heute als Anamnese
bezeichnen würde, soll man nichts verschweigen, sondern dem Arzt
„lautern Wein“366 einschenken. Auffällig ist, daß Mathesius die
Anamnese auch „Beichte“367 nennt, wodurch er einmal mehr inner-
halb der Beschreibung des ärztlichen Tätigkeitsfeldes eine geistliche
Kategorie zur Geltung bringt. Genauso starke Aufmerksamkeit soll
der Patient jedoch auch dem schenken, was der Arzt nach Unter-
suchung und Diagnose bezüglich Therapie und diätetischer Direk-
tiven zu sagen hat, damit es nicht aufgrund von Mißverständnissen
zu mitunter gefährlichen Verwechslungen kommt. „Alleine mercket
/ das ein Patient mit fleis auffmercke / was er einnehme / das er
nicht / was von jhm kaum gebracht / austrincke / oder damit er
sich sol salben vnd schmieren lassen / verschlinge / oder vor Pillulis
/ Pullos / oder junge Hüner / oder vor Coriander / verstehe vnd
363
Ebd., fol. 120v.
364
Vgl. ebd., fol. 122r.
365
Ebd., fol. 123v.
366
Ebd.
367
Ebd.
johannes mathesius 113
368
Ebd., fol. 124r.
369
Vgl. hierzu Barbara Elkeles, Arzt und Patient in der medizinischen Standes-
literatur der Frühen Neuzeit, in: Benzenhöfer/Kühlmann, a.a.O. (wie Anm. 170),
S. 131–143, hier: S. 141 und Barbara Elkeles, Das Ende eines Mythos? Die Frage
der unentgeltlichen Behandlung armer Kranker in deontologischen Texten vornehm-
lich des 17. Jahrhunderts, in: SAGM 74 (1990), S. 130–147.
370
Vgl. Mathesius, a.a.O. (wie Anm. 61), II, fol. 124v.
11. VALERIUS HERBERGER
371
Valerius Herberger, Sirachs Hohe Weißheit=und Sitten=Schule / Oder Jesus
Sirach Jn XCVII. Predigten deutliche erklähret [. . .], Leipzig 1698 (HAB Wolfenbüttel
Th. 4° 28).
372
Ebd., S. 522.
373
Ebd., S. 523.
374
Ebd.
375
Vgl. u. S. 264.
376
Herberger, Sirach (wie Anm. 371), S. 523. Vgl. Rothe, Sirach (wie Anm. 309),
II, fol. 70v, der ebenfalls dazu ermahnt, den Arzt zu ehren, weil in ihm Gott geehrt
valerius herberger 115
Doch auch Herberger erinnert daran, daß die Ehre, die Ärzten zu
zollen ist, nur dann mit Recht eine „gebührliche Verehrung“377
genannt werden kann, wenn man sein Vertrauen zuvörderst auf Gott
bzw. auf die Heilige Schrift als geistlichem Arzneibuch378 und nicht
auf den Arzt alleine setzt. Ein diesbezüglich negatives biblisches
Exempel bietet König Assa, der in seiner Krankheit Hilfe nur bei
Ärzten, nicht aber bei Gott suchte: ‚Vnd Assa ward kranck an sei-
nen Füssen im neun vnd dreissigsten jar seines Königreichs / vnd
seine kranckheit nam seer zu / Vnd sucht auch in seiner kranckheit
den HERRN nicht / sondern die Ertzte. Also entschlieff Assa mit
seinen Vetern / vnd starb im ein vnd vierzigsten jar seines Königreichs‘
(2Chr 16,12f ). Die Sünde König Assas besteht darin, daß er die
causa prima der Heilung, nämlich Gott, verachtete, sein Vertrauen
lediglich auf die causae instrumentales setzte, mithin gegen das erste
Gebot verstieß, indem er dem Arzt mehr Vertrauen schenkte als
Gott379.
Die Ermahnung, die Ärzte in Ehren zu halten, hat auch ganz
handfeste, alltägliche Aspekte. Recht häufig begegnen daher im
Rahmen der lutherischen Auslegungen von Sir 38 kritische Töne
bezüglich der offenbar recht niedrigen Zahlungsmoral, was die
Honorierung von Ärzten betrifft. So auch bei Herberger: „Thue nicht
wie D. Esche hat pflegen zu klagen: Die Patienten sähen den Medicum
an zum ersten als einen GOtt / wenn er kömmt: Zum andern als
einen Engel / wenn die Hülffe sich zeiget: Und zum dritten als einen
Teuffel / wenn man zahlen soll“380.
wird, der der Stifter der Medizin ist. Man soll erkennen, „das solche Leute nicht
aus einem Stein gesprungen / oder on gefehr herkommen sind / Sondern sie wer-
den von Gott gegeben / vnd Er brauchet sie als seine Hand vnd Mittel / den
Leuten zu helffen / aus jren Nöthen“.
377
Herberger, Sirach (wie Anm. 371), S. 523.
378
Vgl. Herberger, Sirach (wie Anm. 371), S. 3f: „Biblia comparate, (sagt Chryso-
stomos) quae medicina animae sunt; omnium enim malorum causa est, ignorare
scripturas. Schafft euch doch eine Bibel ins Hauß / als welche eine Artzney der
Seelen ist; denn das ist alle Ubels Ursach / wenn man die Schrifft nicht weiß /
wenn man in der Bibel bekannt ist / wie im Böhmer Walde.“
379
Vgl. Mathesius, a.a.O. (wie Anm. 61), II, fol. 122r: „Diß ist die Sünde Assae
/ sich auff der Artzte hülffe stewren vnd verlassen / vnnd Gott außschliessen / das
mercket wol. Weil nu Gott also verachtet wird / zeucht er die Hand an sich /
weil aber nu die erste vrsach feyert / vnnd nicht wircket / können freylich wider
Artzt noch Artzney etwas schaffen noch außrichten“. Vgl. Chemnitz/Leyser, a.a.O.
(wie Anm. 185), S. 742b.
380
Herberger, Sirach (wie Anm. 371), S. 525. (Als literarische Vorlage verarbei-
tet Herberger hier Mathesius, a.a.O. [wie Anm. 61], II, fol. 124r). Vgl. Olearius,
116 teil ii – lutherische orthodoxie
Herberger lobt Gott als den Urheber nicht nur der Medizin, son-
dern auch der Pharmazie381. Hierbei nimmt Herberger jedoch nicht
nur Gott als den Schöpfer der Heilkräuter in den Blick, sondern
auch und vor allem als denjenigen, der im Rahmen der creatio con-
tinuata Jahr für Jahr neu die nötigen Heilmittel bereitstellt. Gott
arbeitet im Zuge der stetigen conservatio der Schöpfung u.a. als
Apotheker: „Die gantze Welt ist Gottes Apotheca / die steht voller
Büchsen und Flaschen. GOtt ist ein fleissiger Apothecker / er reno-
viret durch sein kräfftiges Wort seine Materialien alle Jahr / (spricht
der Herr Matthesius) und giebt einem ieden Lande nach Gelegenheit
der Leiber und der Lufft eigene Artzney“382.
Biblische Erklärung (wie Anm. 185), IV, S. 394f: „Man muß aber den Artzt nicht
nur ehren / wenn er helffen soll / sondern auch / wenn er geholffen hat / daß es
nicht heisse: Tres Medicus facies habet, unam qvando rogatus Angelicam: mox est,
cum juvat, ipse Deus. Ast cùm curato poscit sua praemia morbo, Horridus appa-
ret, terribilisqve Satan“. Vgl. hierzu Grabner (wie Anm. 5) sowie u. S. 289f, Anm.
260.
381
Vgl. Herberger, Sirach (wie Anm. 371), S. 523: „Die Artzney ist auch von
GOtt: Der Blümlein Krafft ist von GOtt / GOtt läst sie dem Menschen zum besten
aus der Erden wachsen“.
382
Herberger, Sirach (wie Anm. 371), S. 523 (Hier verarbeitet Herberger Mathesius,
a.a.O. [wie Anm. 61], II, fol. 116r).
12. FRIEDRICH ROTHE
383
Rothe, Sirach (wie Anm. 309).
384
Schon ein Jahrzehnt zuvor war Rothe mit folgender Sir betreffenden Schrift
an die Öffentlichkeit getreten: Friedrich Rothe, Zwo Predigten AVs dem dritten
Capitel des weisen Mans Jesu Syrachs. Die Erste / Von der Kinderzucht. Die Ander
/ Von Warer Demuth. Geschehen in der Pfarkirchen zu S. Andres in der alten
Stad Eisleben, Eisleben 1586 (Kolophon: 1585) (HAB Wolfenbüttel Alv. 854.1 Theol.
[2]).
385
Vgl. Rothe, Sirach (wie Anm. 309), I, fol. )( 5v.
386
Vgl. ebd., I, fol. )( 5r: „[. . .] sind von wegen der langen zeit / dieselben
gedruckten Exemplar vnd Bücher / fast alle verruckt / vnd den Leuten / so gar
aus den Henden kommen / das man jetzt derselben gar selten eins finden / vnd
zu sehen bekommen kan“.
387
Vgl. ebd., I, fol. )( 5v: „Es haben für jme [scil. Friedrich Rothe] / dieses Buch
/ in vnserer Kirchen zu predigen / vnd ausszulegen angefangen / M. Heinrich
Rhote [. . .] Der ist mit seiner Außlegung durch die ersten viertzehen Capitel kom-
men. Nach jme / hat M. Zacharias Praetorius, auch seliger / die nechstfolgende
drey Capitel geprediget vnd erkleret. Endlich ist an M. Heinrich Rothen stat / M.
Bartholomaeus Gernhard / ein Jahrlang im Pfarampt gewest / vnd hat dieselbe
zeit vber / folgende fünff Capitel außgeleget“.
118 teil ii – lutherische orthodoxie
388
Gernhard, a.a.O. (wie Anm. 320), fol. f 4r.
389
Rothe, Sirach (wie Anm. 309), II, fol. Dd 1v.
390
Dies zeigt sich nicht nur in den mannigfachen Schulordnungen schon des 16.,
aber auch des 17. Jahrhunderts, sondern u.a. auch bei Johannes Placotomus, Wie
man Christliche Deudsche Kinder=Schulen halten / vnd die Jugent recht vnder-
weisen sol. Mit etzlichen Gesengen vnd andern nützbarlichen leren. Von etzlichen
Misbreuchen in Latinischen particular Schulen, Rostock 1568 (HAB Wolfenbüttel
509 Quod. [9]), fol. A 8v. Placotomus zufolge sollen die Kinder den Katechismus
und die Haustafel auswendig lernen. „Nach dem Catechismo / den gantzen Jesus
Syrach / oder die sprüch Salomonis / Eins nach dem andern lesen / vnd aus-
schreiben“. Doch auch in den Lateinschulen hatte das Buch Sirach vielenorts sei-
nen festen Platz. Vgl. exemplarisch die Schulordnung des Hamburger Johanneums
aus dem Jahre 1634: Richard Hoche, Beiträge zur Geschichte der St. Johannis-
Schule in Hamburg III: Die Ordnungen der St. Johannis-Schule im 16., 17. und
18. Jahrhundert (= Festschrift zur dreihundert und fünfzigjährigen Jubelfeier des
Johanneums am 24. Mai 1879), Hamburg 1879, S. 116. Aus der Stundentafel geht
hervor, daß Sirach in der Secunda in lateinischer Sprache, in der Prima indes in
griechischer Version traktiert wurde. Welch großer Beliebtheit sich das Buch Sirach
im Schulwesen erfreuen durfte, hat E. Koch, Philosophia (wie Anm. 308), S. 709f
herausgearbeitet und u.a. nachgewiesen, daß diese weisheitliche Schrift sogar in den
Mädchenschulen behandelt wurde.
friedrich rothe 119
391
Gernhard, a.a.O. (wie Anm. 320), fol. f 6r.
392
Hierauf weist auch Gernhard hin, wenn er ebd., fol. f 3v sagt, Sap und Sir
enthielten vor allem „Lere vnd Vnterweisung / sonderlich fur dis gemeine zeitliche
Leben“.
393
Heinrich Rothe, CATECHISMI Predigt. Durchaus gericht auff den Catechismum
D. Mart. Lutheri / darinnen die fünff Heubtstück Christlicher Lere / sampt dem
Morgen vnd Abendsegen / dem Tischsegen / vnd entlich der gantzen Hausstaffel
/ verfasset sind / mit einer Vorrede. M. Hieron: Mencelij / der alten löblichen
Graffschafft Mansfelt Superintendenten, Eisleben 1573 (HAB Wolfenbüttel Alv. Dm
217).
394
Vgl. als Überblick, in dem Rothe freilich nicht vorkommt: Werner Jetter, Art.
Katechismuspredigt, in: TRE 17 (1988), S. 744–786.
395
Gernhard, a.a.O. (wie Anm. 320), fol. c 1v. Vgl. Luther, WA.DB 12,147,16–22
(Vorrede auf das Buch Jesus Sirach 1545): „ES ist ein nützlich Buch, fur den gemei-
nen Man, Denn auch alle sein vleis ist, das er einen Bürger oder Hausuater gott-
fürchtig, from vnd klug mache, wie er sich gegen Gott, Gottes wort, Priester, Eltern,
Weib, Kindern, eigen Leib, Knechten, Güter, Nachbarn, Freunden, Feinden, Oberkeit
vnd jederman, halten sol. Das mans wol möcht nennen ein Buch von der Hauszucht,
oder von den Tugenden eines fromen Hausherrn, welchs auch die rechte geistliche
Zucht ist, vnd heissen solt“.
120 teil ii – lutherische orthodoxie
396
Gernhard, a.a.O. (wie Anm. 320), fol. b 1v.
397
Ebd., fol. f 5v/6r.
398
So auch Strigel, a.a.O. (wie Anm. 257), fol. A 3v: „Nec verò priuatos tan-
tum alloquitur, sed nominatim compellat reges & principes, vt testetur hos quoque
legi diuinae subiectos esse, nec licere ipsis quicquid libet“.
399
Vgl. Bruno Singer, Art. Fürstenspiegel, in: TRE 11 (1983), S. 707–711, hier:
S. 709f sowie ders., Die Fürstenspiegel in Deutschland im Zeitalter des Humanismus
und der Reformation (= Humanistische Bibliothek I/34), München 1981.
friedrich rothe 121
400
Rothe, Sirach (wie Anm. 309), II, fol. 71r.
401
Ebd.
402
Ebd., II, fol. 71v.
403
Ebd.
404
Vgl. ebd.: „Denn vnser HERR Gott hat nichts / wie gering vnd klein es auch
ist / vmb sonst vnd vergeblich geschaffen [. . .] wie solches die erfahrung bezeuget
/ das auch kein Kreutlein ist / es hat seine sondere Krafft vnd Wirckung / Ein
Kraut dienet dem Heupt / eines dem Gehirn / das ander der Leber etc.“
405
Ebd., II, fol. 72r.
122 teil ii – lutherische orthodoxie
und Erhalter alles Daseins hat jedoch einen anderen ordo gewählt.
So betrachtet kommt — so Rothe im Anschluß an Luther406 — die
Weigerung, Arzneien in Anspruch zu nehmen, der Verweigerung der
Nahrungsaufnahme gleich. „Wie nu die jenigen Sündigten vnd Vnrecht
theten / welche nicht Essen wolten / vnd drüber verschmachten /
da sie doch Essen vnd Trincken hetten vnd köndten / Also Sündigen
auch die jenigen vnd thun Vnrecht / welche die Artzney verachten
/ die sie / dieselbe zu erhaltung der Gesundheit haben können“407.
406
Vgl. o. S. 8f.
407
Rothe, Sirach (wie Anm. 309), II, fol. 72r.
13. VALERIUS HERBERGER (FORTSETZUNG)
408
Valerius Herberger, JESUS OMNIUM MEDICORUM PRINCEPS ET DOMI-
NUS. SANATOR Fidelium aegrorum & aegrotorum, ipsorum quoque Medicinae
Doctorum. JESVS Der HERR mein Artzt / der fürnemeste / klügeste vnd aller-
glückseligste Doctor, welchem keiner vnter seinen Patienten ist gestorben. Beschawet
aus der letzten Zeil / Exod. 15. Jch bin der HERR dein Artzt. I. Zu Ehren / sei-
ner grossen Trew / II. Zu gefallen / allen Doctoribus Medicinae, III. Zum Gedechtnis
aber / des tewren H. DOCTORIS FLAMINII GASTONIS, Fürstlicher Gnaden
von Lignitz vnd Brieg / so wol auch der löblichen Stadt Guraw trewen MEDICI.
Welcher seliglich entschlaffen Anno 1618. den 5. Februarii, vnd den 21. hernach
in grosser Versamlung begraben worden, Leipzig 1618 (UB Rostock Fl-3384 [7]).
409
Ebd., S. 10.
410
Ebd., S. 12f.
411
Vgl. Krafft, Christus (wie Anm. 136), S. 170 und Schadewaldt, Apologie (wie
Anm. 25), S. 115.
412
Herberger, Jesus (wie Anm. 408), S. 22.
124 teil ii – lutherische orthodoxie
4,33 zu entnehmen ist. Der Prophet Jesaja war nicht nur damit
befaßt, Gottes Wort auszurichten, sondern war „zugleich ein Wund-
artzt“, der den König Hiskia mit einem Feigenpflaster behandeln
ließ ( Jes 38,21)413. Der Evangelist Lukas betätigte sich als Leibes-
und Seelenarzt gleichermaßen und bediente sich seines Evangeliums
als „Kräuter=Buch“414. Die enge wissenschaftstheoretisch begründete
Verquickung von Theologie und Medizin erfährt hiermit eine bibli-
sche Legitimation. Ähnlich wie Herberger betont auch Jacob Honold
(1599–1664), daß zu biblischer Zeit „vnter dem Volck Gottes Medicina
vnd Theologia, conjunctae artes gewesen seyen, vnd daß die Priester
/ Leviten / Propheten auch Aertzt gewesen seyen“415. Doch nicht
nur die biblische, sondern auch die heidnische Antike bietet eine rei-
che Ahnengalerie prominenter Ärzte. Von ihnen nennt Herberger
Aeskulap, Hippokrates, Galenus und Avicenna416.
Aufschlußreich in medizinhistorischer Hinsicht ist der Umstand,
daß sich — wie Herberger berichtet — der verstorbene Gasto nicht
nur mit der galenischen Schulmedizin, sondern auch mit der alche-
mischen Methode des Paracelsus befaßt hat417. Gasto war ein „zu-
gleich in Galenischer vnnd Paracelsischer Medicin erfahrner Mann“418.
Dies wird bestätigt, wenn man in die von Matthäus Vechner
(1587–1630) auf Gasto gehaltene Leichabdankung blickt, die dem
Druck der Herbergerschen Leichenpredigt beigegeben ist. Vechner
sagt, Gasto sei Galenus und Hippokrates gefolgt, jedoch „liberali-
ter“419. Was die Arzneikunde betrifft, so habe Gasto auch die „Her-
meticorum Magisteria vnd arcana, Essentias vnd Tincturas“420 nicht
ungenutzt gelassen.
413
Ebd., S. 24.
414
Ebd., S. 25.
415
Honold, a.a.O. (wie Anm. 259), II, S. 302.
416
Vgl. Herberger, Jesus (wie Anm. 408), S. 26.
417
Vgl. ebd., S. 26f: „ Jch wil hier geschweigen des berühmeten AEsculapii, des
tieffsinnigen Hippocratis, des fürtrefflichen Galeni vnd Avicennae, vnd des weltkün-
digen Theophrasti Paracelsi. Die Gelehrten wissen das sehr lange Register alter vnd
newer Medicorum, aus dem Theatro Humanae vitae zu Basel gedruckt / etc. Was
vnser jetzo selige Herr Flaminius Gasto für ein trefflicher vnd zugleich in Galenischer
vnnd Paracelsischer Medicin erfahrner Mann gewesen / wird in den nechsten pahr
Tagen in diesen vnd benachbarten Orten nicht leicht vergessen werden“.
418
Ebd.
419
Ebd., S. 148.
420
Ebd., S. 149f.
valerius herberger 125
421
Vgl. hierzu grundlegend folgende Edition: Corpus Paracelsisticum. Dokumente
frühneuzeitlicher Naturphilosophie in Deutschland. Der Frühparacelsismus, bislang
2 Teile, hg. und erläutert von Wilhelm Kühlmann und Joachim Telle (= Frühe
Neuzeit 59 und 89), Tübingen 2001/2004.
422
Vgl. Hermann Geyer, Verborgene Weisheit. Johann Arndts ‚Vier Bücher vom
Wahren Christentum‘ als Programm einer spiritualistisch-hermetischen Theologie,
3 Bde. (= AKG 80/I–III), Berlin u.a. 2001, Bd. 1, S. 79ff u.ö.
423
Vgl. hierzu Hans Schneider, Johann Arndts Studienzeit, in: JGNKG 89 (1991)
(= FS Hans-Walter Krumwiede), S. 133–175 sowie ders., Johann Arndt als Paracelsist
(wie Anm. 191).
424
Oswaldus Crollius, De signaturis internis rerum. Die lateinische Editio prin-
ceps (1609) und die deutsche Erstübersetzung (1623), hg. und eingeleitet von Wilhelm
Kühlmann und Joachim Telle (= Heidelberger Studien zur Naturkunde der frühen
Neuzeit 5), Stuttgart 1996, S. 167.
126 teil ii – lutherische orthodoxie
425
Vgl. Geyer, a.a.O. (wie Anm. 422), Bd. 1, S. 120f.
426
Vgl. Johann Arndt an Johann Gerhard, 15.3.1603, in: Erdmann Rudolf Fischer,
VITA IOANNIS GERHARDI [. . .], Leipzig 1723 (HAB Wolfenbüttel Db 1525),
S. 23: „Quidam adeo sunt populares, vt nihil rerum habeant: quidam tantum in
cortice haerent: plurimi, quod pace aliorum dixerim, non ex spiritu, sed ex carne
scribunt“.
427
Crollius, a.a.O. (wie Anm. 424), S. 167f.
428
Vgl. ebd., S. 188.
429
Vgl. ebd., S. 176.
valerius herberger 127
Hilfe der „Magia“, einer Kunst, die dem Menschen durch das lumen
naturale eingestrahlt ist, ist es nach Crollius möglich, aufzudecken,
wie sich Gott den natürlichen Dingen eingeprägt hat und wo in
ihnen die vestigia Gottes und somit auch die übernatürlichen Heilkräfte
zu entdecken sind.
Vergleicht man nun die paracelsische mit der geistlichen Kräuter-
kunde lutherischer Provenienz, so wird deutlich, daß es beiden um
die Dechiffrierung der innerlichen, zunächst unsichtbaren efficacia
der Kräuter zu tun ist. Crollius spürt unter Anwendung der Magia,
also der geistlich-wahren Naturkunde, die ‚Impression‘ Gottes in den
kreatürlichen Dingen und deren überirdische Signatur auf. Conrad
Rosbach — und nicht nur er — dagegen arbeitet auf dem Wege
der Naturallegorese die biblische Signatur der Heilkräuter heraus. Nach
Crollius ist die Magia eine Kunst, die dem (entsprechend geübten)
menschlichen Verstand im Sinne einer natürlichen Offenbarung
zugänglich ist. Der geistliche Herbarismus des Luthertums dagegen
ist der Überzeugung, daß unabdingbare Voraussetzung für die Ent-
zifferung des sensus spiritualis äußerlicher Dinge der Glaube ist,
der es ermöglicht, der Wirklichkeit — ausgehend von der Heiligen
Schrift — eine tiefere Bedeutung abzugewinnen. Gleichwohl besteht
trotz dieser gravierenden Unterschiede eine Strukturanalogie zwi-
schen dem paracelsischen und dem lutherischen Ansatz, so daß es
nicht verwunderlich ist, daß nicht wenige lutherische Theologen noch
zu Beginn des 17. Jahrhunderts beim Paracelsismus Anleihen mach-
ten. So erwartet etwa Matthias Hoë von Hoënegg von einem rech-
ten Arzt, daß er „einen guten Botanicum“, „einen guten Pathologicum“,
„einen guten Therapevticum“, „einen guten Physiologicum, einen
guten Anatomicum“430 abgibt. Und Hoë von Hoënegg fügt hinzu:
„Der da giebet einen guten Chymicum, vnd der die Kunst begrieffen
/ daß Er aus den manchfältigen Creaturen GOttes / die qvintam
essentiam, die beste Krafft vnd Safft weis auszubringen / darmit den
Krancken desto bälder / desto gewisser / desto bestendiger / vnd
desto kräfftiger geholffen werden möge“431.
Gerade in diesem Zusammenhang dürfte Flaminius Gastos sowohl
an der galenischen als auch an der paracelsischen Medizin orien-
tierte Interessenlage von einiger Bedeutsamkeit sein. Hieran wird
430
Hoë von Hoënegg, a.a.O. (wie Anm. 296), fol. A 4v.
431
Ebd., fol. B 1r.
128 teil ii – lutherische orthodoxie
432
Ähnlich auch Schmuck, a.a.O. (wie Anm. 100), S. 172: „Gleich wie er aber
der Seelen hilfft / also ist er auch in Leibesgebresten der öberste Artzt / vnd ohne
jhn vermag kein Leibes Medicus etwas außzurichten. Das bezeuget er hie / da er
auch in leiblichen Plagen vnd Kranckheiten sein Volck an jhm hangend haben wil
/ daß er heil vnd hülff von seiner Hand gewarte. Darumb sol er ersucht werden
auch in Leibeskranckheiten / vnd alßdenn der Medicus gebraucht / Wenn dessen
Fleiß vnd des HERRN Segen zusammen kommen / da ist die Cur glückselig /
Feilet es aber am Segen Gottes / so ist all Arbeit vnd Mühe des Medici vmbsonst
/ vnd wird nichts außgerichtet. Denn auch hieher gehöret was Petrus sagt / Es ist
in keinem andern Heil etc. Act. 4. Ipsi gloria, &c.“
433
Herberger, Jesus (wie Anm. 408), S. 45f.
valerius herberger 129
434
Vgl. ebd., S. 48f: „Andere Doctores müssen jhre Artzneyen aus Kräutern oder
andern materialien zurichten. Vnserm himlischen Doctori Jesu / ists nur vmb ein
Wort zu thun / so ist dem Patienten geholffen. Darumb sagte der Häuptmann zu
Capernaum / Matth. 8. HERR / ich bin nicht werth / dz du vnter mein Dach
gehest / sondern sprich nur ein Wort / so wird mein Knecht gesund / etc. Sein
Wort läufft schnell / Psal. 147. Als der HERR Jesus zu dem Königischen sagete
/ Joh. 4. Gehe hin / dein Sohn lebet / das hatte alsbald dasselbe Augenblick seine
WunderKrafft vber fünff Meilweges“.
435
Ebd., S. 50f. Die Einsicht, daß gegen den Tod kein Kraut gewachsen ist, das
sich die irdische Medizin zunutze machen könnte, bestimmt auch das Trauergedicht,
das Simon Dach aus Anlaß des Ablebens des Apothekers Caspar Pantzer 1656 ver-
faßt hat: „NEin, nein, ist unsre Zeit gekommen, | So werden wir nur hingenom-
men, | Hie hilfft kein Artzeney, | Vnd keine Kunst die je zu lernen, | Kein Bezoar,
kein Tranck von Perlen, | Wie kräfftig er auch sey.“ Simon Dach, Gedichte, hg.
von Walther Ziesemer. 4 Bde., (= Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft
4–7), Halle/S. 1936–1938, hier Bd. 4: Geistliche Lieder. Trostgedichte, 2. Teil,
S. 336.
436
Herberger, Jesus (wie Anm. 408), S. 57.
130 teil ii – lutherische orthodoxie
437
Vgl. ebd., S. 64.
438
Ebd., S. 65.
439
Ebd., S. 66f. Zur Gestalt des Sohnes Gottes als Arzt, der Adam und Eva
geistliche Arznei verschreibt, in einer bildlichen Darstellung (zwischen 1519 und
1528) vgl. Krafft, Christus ruft in die Himmelsapotheke (wie Anm. 4), S. 23,
Abb. 1.
440
Gerhard, Meditationes (wie Anm. 40), S. 35.
valerius herberger 131
441
Herberger, Jesus (wie Anm. 408), S. 71–73.
442
Vgl. ebd., S. 73. Zum Physiologus-Beleg vgl. o. Anm. 246.
443
Herberger, Jesus (wie Anm. 408), S. 78.
444
Ebd.
445
Vgl. BSLK, S. 515,25.
446
Herberger, Jesus (wie Anm. 408), S. 78.
447
Ebd., S. 79f.
448
Ebd., S. 84f.
132 teil ii – lutherische orthodoxie
449
Gerhard, Meditationes (wie Anm. 40), S. 115.
450
Herberger, Jesus (wie Anm. 408), S. 95.
451
Ebd., S. 101.
452
Ebd., S. 103.
453
Vgl. ebd., S. 105.
454
Ebd., S. 106.
455
Vgl. ebd., S. 108.
456
Ebd., S. 114.
valerius herberger 133
heute zu sterben und nicht erst morgen, ist der Inbegriff der wah-
ren ars moriendi. Gastos Hausinschrift ist darum als Radikalisierung
des Spruches anzusehen, der sich häufig auf frühneuzeitlichen Grab-
steinen sowie anderswo findet und dort dem Verstorbenen in den
Mund gelegt wird: ‚hodie mihi, cras tibi‘.
Nicht nur die empirische Wirklichkeit der Arzneikunst erhebt
Herberger im Rahmen seiner metaphorischen Hermeneutik zum
Raum der Erfahrung geistlicher Inhalte. Ähnliches gilt vielmehr auch
von seiner Methodik der geistlichen Interpretation von Personennamen.
Innerhalb einer inventio a nomine nennt Herberger Flaminius Gasto
ein „templum divini Flaminis“ und „Divini Flaminis Flaminica domus,
des heiligen Geistes werther Gasthoff “457. Sein Familienname, so
berichtet Herberger, gab Gasto vielfältigen Anlaß, sich dessen zu
erinnern, daß er in seiner irdischen Existenz tatsächlich nur Gast,
„Weltgast“458 ist, sich auf der Wanderschaft (peregrinatio) befindet
und seine wahre Heimat allein im Himmel hat (vgl. Hebr 13,14).
Der Name Gasto avanciert hier zur Motivation, den Sachzusammen-
hang der Lehre von der ecclesia militans zu meditieren. „Darnach
hat er auch solche Todesgedancken geschöpfft aus seinem eignen
Zunamen Gast. Dabey hat er bedacht / daß er ein Gast auff Erden
sey / Ps. 119. v. 19. vnd daß seines bleibens hier nicht sey / Ebr.
11. v. 13. Levit. 25. v. 23.“459 Ergreifend ist die Art und Weise, wie
Herberger davon erzählt, daß er seinen Freund Gasto durch eine
ähnliche inventio a nomine einst dazu überredet hat, nicht mehr am
selben Tag die Heimreise anzutreten, sondern als Gast beim Herberger
zur Herberge zu sein. „Er wolte einmal zur Frawstadt vber Nacht
nicht bleiben / weil ich nun in der Kirchen zu thun hatte / gieng
ich zu jhm / vnd bat / er wolte mich doch zuvor lassen fertig wer-
den / vnd sprach: Herr Doctor / wo der Gast nicht mehr wil bey
dem Herberger bleiben / so wirdts in der Welt nit gut werden /
oder der jüngste Tag muß bald kommen. Da wandte er sich zu sei-
ner lieben Frawen Barbara / vnd sprach: Liebes Hertz / fürwar /
diese invention zu ehren / muß ich lassen außspannen. Wir haben
vns ja viel Frewdenstunden darüber gemacht / daß ich ein gebor-
ner Herberger / vnd er ein geborner Gast war“460.
457
Ebd., S. 112.
458
Ebd., S. 120.
459
Ebd., S. 117f.
460
Ebd., S. 119f.
134 teil ii – lutherische orthodoxie
Der verstorbene Arzt mit Namen Gasto, der auf Erden nur Gast
gewesen ist, ist durch den Tod, wie Herberger nun seine geistliche
Interpretation des Wortfeldes um Gast und Herberge(r) weiter fort-
spinnt, zum „selige[n] Himmelsgast“461 dessen geworden, der in Mt
25,36 in der Rolle des Weltenrichters das Beherbergen von Fremden
als eines der sieben Werke der Barmherzigkeit nennt und auf Erden
selbst ein Gast gewesen ist: „Mein lieber Gast / der geborne Weltgast
/ ist nun ein seliger Himmelsgast worden. Der HErr mein Artzt
Jesus / der auch ein Gast gewesen / Matth. 25. v. 36. helffe mir
seliglich hernach / damit Gast vnd Herberger wieder mit frewden
zusammen kommen. Am Jüngsten Tage / wird mein HERR Jesus
/ der auch weiland ein Gast gewesen / kommen / alle Gäste zu
besehen / wie das Evangelium saget Matth. 22. da wird er spre-
chen / wie Job cap. 31. v. 32. Draussen muß mir der Gast nicht
bleiben. Vnd weiter: Gehe ein zu deines HERRN Frewde Matth.
25. Gehe ein in den grossen geraumen Gasthoff des ewigen Lebens
/ da wird dieser Himmelsgast nicht mehr ein schlechter Gast seyn
/ sondern ein Bürger mit den Heiligen Ephes. 2. v. 19.“462
In eine ähnliche Richtung weist Herbergers Predigt auf die Frau
eines Apothekers463, die in den ‚Trauerbinden‘ abgedruckt ist. Auch
hier bringt Herberger seine Programmatik der geistlich-biblischen
Dechiffrierung der alltäglichen Berufsarbeit zur Anwendung und
zeichnet das Tätigkeitsfeld des Apothekers in die geistliche Phäno-
menologie des Alltags ein. Den Leichenzug vom Haus der Verstorbenen
zur Kirche interpretiert Herberger als einen Weg von einer Apotheke
zur anderen: „MEine geliebten Freunde / wir sind jetzt gegangen
von einer Apotheken zu der andern. Aus vnsers Herrn Apothekers
hauß haben wir eine Leiche fortgetragen in des HErrn Jesu Christi
461
Ebd., S. 120.
462
Ebd., S. 120–122.
463
Valerius Herberger, APOTHECA MORIENTIUM, UEL PANACEA AGO-
NISANTIUM. Der Sterbenden Christen Apotheken / Oder Ein Kräutlein aus des
HErrn JEsu Garten / welches wider den schwartzen Sontag des Todes kan arten.
Gepflückt aus einem Sprüchlin JESV Iohan. 8. Warlich warlich etc. vnd gepredi-
get Anno 1601. am schwartzen Sontag / IUDICA. Bey dem schönen Begräbnis
der tugentsamen Frawen Evae / des weisen Herrn Christophori Nesselhauffens /
Rathsfreundes vnd Apothekers ersten Haußwirtin, in: Ders., Der Ander Theil Der
Geistlichen Trawrbinden [. . .] Gewircket von lauter safftigen / schmackhafftigen /
nützlichen vnd tröstlichen Leichpredigten / derer zahl bald nach der Vorrede zu
finden. Zu ehren etlichen frommen / Christlichen / jetzo in Gott ruhenden Hertzen,
Leipzig 1605 (HAB Wolfenbüttel 468 Th. [2]), S. 150–172.
valerius herberger 135
464
Ebd., S. 151.
465
Ebd.
466
Vgl. ebd., S. 151f.
467
Ebd., S. 152.
468
Ebd.
469
Vgl. ebd., S. 153.
470
S. o. S. 44.
471
Herberger, Apotheca (wie Anm. 463), S. 155.
472
Ebd.
136 teil ii – lutherische orthodoxie
473
Ebd., S. 157.
474
Ebd., S. 165.
475
Vgl. ebd., S. 170: „Sie hat aber jhr hertz / gleich wie eine geistliche Apotheken
/ mit den worten Christi durch vnd durch gefüllet / das mag eine herrliche künst-
liche Apothekerin seyn!“
476
Ebd., S. 172.
EPILOG
477
Vgl. Jörg Baur, Art. Ubiquität, in: TRE 34 (2002), S. 224–241.
478
Vgl. J.A. Steiger, Fünf Zentralthemen der Theologie Luthers und seiner Erben.
Communicatio — Imago — Figura — Maria — Exempla. Mit Edition zweier chri-
stologischer Frühschriften Johann Gerhards (= SHCT 104), Leiden u.a. 2002, S.
23–74.
479
Vgl. treffend Ebeling, Luther-Einführung (wie Anm. 161), S. 303f: „Um der
Glaubhaftigkeit des Wortes und um der Worthaftigkeit des Glaubens willen müs-
sen Gott und Welt so zusammengedacht werden, daß zuweilen der Verdacht pan-
theistischer oder gar atheistischer Redeweise entstehen könnte“.
480
WA 23,135,3–6 (Daß diese Wort Christi ‚Das ist mein Leib‘ noch fest stehen
1527).
138 teil ii – lutherische orthodoxie
widderumb so tieff vnd nahe ynn alle Creatur setzen / als Gott
drynnen ist“481. Auf diese Weise durchbricht Luther den philosophi-
schen Lehrsatz, wonach Endliches Unendliches nicht fassen kann
(‚finitum non capax infiniti‘), indem er das ‚non‘ ausläßt: ‚finitum
capax infiniti‘. Bei dieser einfachen Negation indes bleibt es nicht.
Vielmehr kann die menschlichen Verstand und Sprache überstei-
gende ineffabilitas der Allgegenwart Gottes nur in der Negation der
Negation zur Sprache gebracht werden: Kreatürliche Dinge sind
nicht nur nicht zu klein, als daß Gott in ihnen sein könnte, sie sind
vielmehr „viel viel zu weit“482. Hier ist es gewiß möglich, von einem
‚Extra Lutheranum‘ zu sprechen483, jedoch nur, wenn — simul! und
mit demselben Nachdruck — von der Realpräsenz Christi, und d.h.
beider Naturen, in den Schöpfungswerken gesprochen wird. Dieses
simul läßt sich genauso wenig in die eine oder andere Richtung hin-
ein auflösen wie das Miteinander und die communicatio der beiden
Naturen in Christus oder das simul von Gerechtfertigt- und Sündersein.
Das ‚Extra Lutheranum‘ ist demzufolge nur die andere Seite des
Theologumenons der Realpräsenz, was nicht erst anhand von Luthers
großer Abendmahlsschrift, sondern schon mit Hilfe der früheren
Schrift ‚Daß diese Worte [. . .]‘ vielfältig zu belegen ist, etwa, wenn
Luther sagt: „Hat er nu die weise funden, das sein eigen göttlich
wesen kan gantz und gar ynn allen creaturn und ynn einer iglichen
besondern sein, tieffer, ynnerlicher, gegenwertiger denn die creatur
yhr selbs ist, und doch widderumb nirgent und ynn keiner mag und
kan umbfangen sein, das er wol alle ding umbfehet und drynnen ist,
Aber keines yhn umbfehet und ynn yhm ist, solt der selbige nicht
auch etwa eine weise wissen, wie sein leib an vielen orten zu gleich
gantz und gar were, vnd doch derselbigen keines were, da er ist?“484
Die Unerhörtheit der leiblichen Präsenz Christi in allen Dingen und
deren rationale Nichtbegreifbarkeit besteht darin, daß der ubique
realpräsente Christus auch und zugleich nicht ist, worin er ist, ja in
allem gegenwärtiger ist als es die Dinge sein können, in denen er
sich vergegenwärtigt. Daß man auch, wenn man — ungetrennt und
ungesondert — diesen Aspekt der praesentia Christi, die zugleich
481
StA 4,96,18f.22–97,1 (Vom Abendmahl Christi, Bekenntnis 1528). Vgl. WA
23,137,25–31.
482
StA 4,102,10. Vgl. Baur, a.a.O. (wie Anm. 477), S. 232.
483
Vgl. Baur, a.a.O. (wie Anm. 477), S. 234.
484
WA 23,137,31–138,2.
epilog 139
485
Vgl. WA 19,492,19–493,8 (Sermon von dem Sakrament 1526).
486
Vgl. Steiger, Zentralthemen (wie Anm. 478), S. 118–139.
487
Vgl. J.A. Steiger, Der Mensch in der Druckerei Gottes und die imago Dei.
Zur Theologie des Dichters Simon Dach (1605–1659), in: Daphnis 27 (1998), S.
263–290.
488
Vgl. J.A. Steiger, Nachwort, in: Gerhard, Leichenpredigten (wie Anm. 167),
S. 317–334.348–363, hier: S. 329f.
489
Vgl. z.B. WA 40/I,463,9–464,2 (In epistolam S. Pauli ad Galatas Commentarius
1531): „Omnes ordinationes creatae sunt dei larvae, allegoriae, quibus rethorice pin-
git suam theologiam: sol als Christum in sich fassen“. Vgl. hierzu Herbert Olsson,
Schöpfung, Vernunft und Gesetz in Luthers Theologie (= AASU.SDCU 10), Uppsala
1971, S. 375ff.393ff.
140 teil ii – lutherische orthodoxie
unser erbeit auff dem felde, im garten, jnn der stad, im hause, im
streit, im regiern anders gegen Gott, denn ein solch kinderwerck,
dadurch Gott seine gaben zu felde, zu hause und allenthalben geben
wil? Es sind unsers herrn Gotts larven, darunter wil er verborgen
sein und alles thun“490. Wer arbeitet — gleichgültig in welchem
Stand — verleiht, so führt Luther weiter aus, Gott larvae, unter
denen er sich verbirgt. Da aber Offenbarung nach Luther nicht mit
einer platten Offenbartheit gleichzusetzen ist, sondern immer mit
Verborgenheit zu tun hat, folgt hieraus: Derjenige, der einer Berufs-
arbeit nachgeht, verhilft Gott dazu, im Alltag sichtbar zu werden.
„Man spricht: ‚Dat deus omne bonum, sed non per cornua taurum‘,
Gott bescheret alles gut, aber du must zu greiffen und den ochsen
bey den hörnern nemen, das ist, du must erbeiten und damit Gotte
ursachen und eine larven geben“491. Wohlgemerkt obwaltet hier eine
doppelte dialektisch qualifizierte Verborgenheit. Denn nicht nur Gott
offenbart sich dadurch, daß er sich im Alltag verbirgt, sondern auch
der Christenmensch betreibt seine Heiligung bzw. seine Tätigkeit im
Sinne des Gebotes der Nächstenliebe, indem er diese unter alltägli-
chen Dingen verdeckt492.
So wie die Kreaturen per analogiam fidei zu Predigern der gött-
lichen Botschaft werden und die Natur darum als biblisches Bilderbuch
gelten kann, so trifft ähnliches auch auf die Berufswelt zu: Das
Handwerkszeug in einer Werkstatt oder Schneiderei, die Ladenaus-
stattung, das Bierfaß oder was es auch sei — alle diese während der
beruflichen Arbeit in Brauch befindlichen Dinge sind — so Luther
— Prediger und fordern den Menschen auf, in Befolgung des Gebotes
der Nächstenliebe dem Nächsten zu dienen. Der hermeneutische
490
WA 31/I,436,7–11 (Der 147. Psalm, Lauda Jerusalem, ausgelegt 1532).
491
WA 31/I,436,16–19. Vgl. WA 16,263,5–7.
492
Vgl. WA 10/I,1,137,18–138,5 (Adventspostille 1522 [Epistel am 3. Advent]):
„Denn eynn Christlich weßen steht nit ynn eußerlichem wandel, es wandellt auch
den menschen nit nach dem eußerlichen stand, ßondernn nach dem ynnerlichen,
das ist, es gibt eyn ander hertz, eyn andernn mutt, willen und synn, wilcher eben
die werck thut, die eyn ander on solchen mutt und willen thutt; denn eyn Christen
weyß, das es gar am glawben ligt; drumb geht, steht, ysset, trinckt, kleydet, wirckt,
wandellt er wie ßonst eyn gemeyn man ynn seynem stand, das man nit gewar wirt
seyniß Christenthumß, wie Christus sagt Luce. 17: Das reich gottis kumpt nit mit
eußerlicher weyße unnd leßt sich nit sagen: Sihe hie odder da, ßondern das reych
gottis ist ynn ewrem ynwendigsten“. Vgl. Wingren, Luthers Lehre (wie Anm. 1), S.
57: „Wer dem Beruf folgt, dessen Heiligung wird verborgen unter anstößlich all-
täglichen Dingen, sodaß man kaum gewahr wird, daß er überhaupt ein Christ ist“.
epilog 141
493
WA 32,495,29–496,2 (Wochenpredigten über Matth. 5–7 1532). Vgl. Wingren,
Luthers Lehre (wie Anm. 1), S. 57.
494
Vgl. ebd., S. 187, Anm. 163: „Wie Gott in Christus sich herabbeugt unter
das Kreuz, so geht Gott auch hinein in die Glanzlosigkeit des Berufes durch Glaube
und Liebe“.
495
Vgl. Holl, a.a.O. (wie Anm. 1), S. 215, der zutreffend, allerdings ohne genü-
gende Profilierung der christologischen Dimension, sagt: „Das Kleinste, an seinem
Ort getan und im Bewußtsein, einen göttlichen Auftrag zu erfüllen, steht sittlich
auf derselben Höhe, wie das, an seinen Wirkungen gemessen bedeutendste Werk“.
142 teil ii – lutherische orthodoxie
496
Vgl. Wingren, Luthers Lehre (wie Anm. 1), S. 55.
497
Vgl. ebd.
498
Vgl. Steiger, Gerhard (wie Anm. 227), S. 106–108.
499
Vgl. BoA 2,365,7ff; 368,24f (Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr
Gehorsam schuldig sei 1523).
epilog 143
500
Vgl. BoA 2,374,20–23: „Das du wissest / wie die altzumal heyden sind vnter
Christlichem namen / die sich rechen odder fur gericht vmb yhr g%tt vnd ehre
rechten vnd zancken / Da wirt nicht anders auß / das sag ich dyr“.
501
Vgl. BoA 2,370,4–8.
502
Vgl. BoA 2,375,22–29.
503
Vgl. BoA 2,373,5–7.
144 teil ii – lutherische orthodoxie
1
Vgl. Ralf Georg Bogner und J.A. Steiger, Prinzipien der Edition von theologi-
schen Texten der frühen Neuzeit. Mit einer Vorstellung und Begründung der
Prinzipien für die geplanten Editionen von Werken Johann Gerhards, in: editio.
Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaft 12 (1998), S. 89–109 sowie J.A.
Steiger, Nachwort, in: Johann Gerhard, Meditationes Sacrae (1606/7), lateinisch-
deutsch, hg. und kommentiert von J.A. Steiger, 2 Bde. (= DeP I, 3), Stuttgart-Bad
Cannstatt 2000, S. 625–748, hier: S. 627–630.
1. WILHELM SARCERIUS, DER HELLISCHE
TRAWER GEIST (1568)
Einleitung
2
DBA 1080, 331–333.
3
Vgl. Benzing, Buchdrucker, S. 100f.
4
VD16 S1797.
5
S. u. S. 163.
150 teil iii ‒ editionen
Sarcerius Angefochtenen gibt, den Teufel nicht nur mit dem göttli-
chen Wort sowie dem Gebet, sondern — im Glauben „keck stoltz
vnd vbermütig“ — auch mit „lecherlichen Possen“6 aus dem Feld
zu schlagen.
Wie sehr die theologia medicinalis bei Sarcerius im Zentrum des
Interesses steht, ist nicht nur seiner antimelancholischen Schrift, son-
dern u.a. auch seinem ‚Geistlichen Herbarius oder Kreuterbuch‘
(1573)7 zu entnehmen.
6
S. u. S. 178. Vgl. WA.TR 1,548,3–6 (Nr. 1089): „Die beste Arznei wider die
Anfechtung ist, daß du deine Gedanken davon abwendest, das ist, redest von andern
Dingen, von Markolfo, Eulenspiegel und dergleichen lächerlichen Possen, so sich
gar nichts zu solchen Händeln weder reimen noch dienen, damit du jener schwe-
ren Gedanken vergessest oder haltest dich stracks ans Gebet und einfältig an den
Text des Euangelii.“
7
S. o. S. 73f, Anm. 223.
<fol. A 1r>
8
Lippische Landesbibliothek Detmold Th 410.4°. HAB Wolfenbüttel J 250a. Helmst. 4°
(15) (unvollständig).
<fol. A 2r>
9
fürsichtigen] vorausbedacht verständigen. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 822.
10
hinterschlagen] listig verbergen, unterschlagen. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1516.
11
Vgl. Mk 9,44.46.48.
wilhelm sarcerius, trauergeist 153
12
Marginal: Johan. 8. Joh 8,44.
13
Jud 6.
14
sonderlich] Emendiert aus: sonlich
15
Bernhard von Clairvaux (ca. 1090–1153), 1113 Eintritt in das Kloster Cîteaux, 1115
Gründung des Klosters Clairvaux, dessen Abt Bernhard bis zu seinem Tode war. Leclerq, Art.
Bernhard.
16
Marginal: Cap. 12. Apk 12,9.13.
17
Vgl. Bernhard von Clairvaux, In natali Sancti Benedicti, cap. 11, Opera 5, S. 10,3–11,14.
18
einen anhang gemacht] sich Anhänger verschafft. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 369.
19
Ps-Augustin, Liber exhortationis, vulgo de salutaribus documentis ad quemdam comitem, cap.
18, MPL 40, Sp. 1053: „quia humilitas homines sanctis Angelis similes facit, et super-
bia ex Angelis daemones fecit.“ Ps-Augustin, Sermones ad fratres in eremo commorantes, Sermo
12, MPL 40, Sp. 1255: „Cavete, fratres mei, et vigilanter attendite, ne superbia infle-
mini de bonis commissis: scientes quod superbia de Angelis bonis daemones fecit;
sed humilitas homines similes Angelis constituit.“
154 teil iii ‒ editionen
hertzen / ich wil in den Himmel steigen / vnd meinen Stuel vber
die sterne Got= <fol. A 3v> tes erhöhen / ich wil mich setzen auff
den Berg des stifftes / an der seiten gegen Mitternacht / ich wil
vber die hohen Wolcken faren vnd gleich sein dem aller höhesten
/ ja zur Hellen ferestu zur seiten der Gruben20. Welche wort ob sie
gleich katå tÚ =htÒn dem Text nach / von dem Babilonischen König
dem Nebucadnezar können verstanden werden / so entwerffen sie
doch zugleich den fall des Sathans vnd seiner bösen Engel. Denn
wie das Sprichwort laut / Art lest von arte nicht21 / so der Teufel
hernachmals Christum vnd seine Kirche alzeit verfolget / hat er
gewis auch damals bald nach seiner erschaffung an Christo sich ver-
suchet vnd Ritter an jm werden wollen. Aber Christus ist im zu
starck vnd mechtig / vnd wirfft jn vom Himmel / vnd bindet jhn
vnd seine Engel die gesündiget hatten mit Ketten der Finsternis /
verstösset vnd vbergibt sie zur Helle22 / vnd kan in keinem wege
Christus nachmals leiden / das Juncker Sathan in seinem stuel sit-
zen vnd jm gleich sein wolte. Darumb da der Teufel von jm begerte
/ er sol nider fallen vnd jn anbeten / da trit im Christus gleich
vnter die augen / vnd weisset den stoltzen Geist ab mit harten wor-
ten / Teufel heb dich weg23 / vnd der schrecken gast könte nicht
lenger bleiben. Dieser hönh <fol. A 4r> vnd verstossung thut dem
Ehrndiebe dem Sathan mechtig wehe / vnd mögte für zorn bersten
/ das Gottes Son Jesus Christus jn sampt seinem vnartigen hauffen
aller ehren entsetzet24 / des Himmels verwiesen / vnd in Abgrund
der Helle geworffen hat / vnd könte diese schmach desta eh vnd
leichter etwan verschmertzen / wenn die andern Engel vnd Menschen
vmb solchen seinen fall vnd Exilium kein wissenschafft hetten25 /
Aber das die heiligen Engel vnd fromme Christen solches wissen /
vnd ausruffen in aller welt / vnd noch darüber Jubilieren / jm das-
selbige teglich noch auffrücken26 vnd fürwerffen / vnd singen darzu
mit Geist vnd Munde das schöne §pin¤kion oder Sieglied / welches
Johannes in seiner offenbarung settzet. Nu ist das heil vnd die krafft
20
Marginal: Cap. 14. Jes 14,12–15.
21
Sprichwörtlich. Vgl. Wander 1, Sp. 148.
22
2Petr 2,4.
23
Marginal: Matth. 4. Mt 4,9f.
24
entsetzet] beraubt. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 621.
25
vmb solchen seinen fall <. . .> kein wissenschafft hetten] von solchem seinem Fall
<. . .> nichts wüßten. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 781.
26
auffrücken] vorhalten, vorwerfen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 713.
wilhelm sarcerius, trauergeist 155
vnd das Reich vnd die Macht vnsers Gottes seines Christus worden
/ weil der verworffen ist / der sie verklaget tag vnd nacht vor Gott27.
Das erzörnet jn erst recht vnd thut im das gebrandte leid28 an / das
er für angst vnd schwermüt nicht weis zubleiben / wie hieuon ein
Exempel in uitis patrum29 gelesen wird / das ein mal ein Altuater
sass vnd bete / da war der Teufel bald hinter jm her / vnd machte
ein gerumpel / das den Altuatter dauch= <fol. A 4v> te / er hörete
ein gantzen hauffen Sawen girren30 vnd grüntzen / darmit der Teufel
in schrecken / vnd sein Gebet verhindern wolte / da fieng der altt
Pater an vnd sprach / Ey Teufel wie ist dir so recht geschehen /
du solt sein ein schöner Engel / so bistu zu einer Saw worden /
da hörete das gedröne vnd gekire auff. Vnd in des Apostels S.
Andreas Legenda stehet / das der Teufel jm / in einer gestalt einer
schönen Jungfrawen / eine frage auffgegeben / nemlich wie weit
von der Erden gen Himmel were / sol Andreas geantwort haben /
das wuste er der Teufel selbs am besten / als der den weg gemes-
sen / da er vom Himmel gestossen worden / vnd darauff sey die
schöne Teufelsbraut verschwunden31.
Darnach / so krencket beisset vnd plaget den Teufel nicht ein
wenig das gnedige Erbieten32 / so bald nach dem fall vnserer ersten
Eltern / Gott den Menschen thut vnd fürtragen lest. Denn es hatte
dem Teufel der newlich vom Himmel gestossen / einmal glückt /
das er vnsere erste Eltern berucht33 vnd betrogen / vnd dahin mit
seiner schmeicheley vnd Zuckerworten beredet / das sie Gottes ern-
stes Gebot faren liessen / vnd von dem verbottenen Baum eine
rechte Hellische <fol. B 1r> Malzeit34 / vnd aller gifftigste Grundsuppen
frassen / vnd auff eine stunde Gott vnd sein Himmelreich sampt
allen herrlichen schetzen vnd gaben vernascheten / das war dem
27
Marginal: Cap. 12. Apk 12,10.
28
das gebrandte leid] Dieser Ausdruck schreibt sich von der für den Patienten schmerzhaf-
ten Technik des Cauterisierens, des Ausbrennens von Wunden mit einem glühenden Gegenstand,
her. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 304f. 366.
29
Bislang kein Beleg ermittelt.
30
girren] Ein Schallwort, hier in der Bedeutung von ‚quieken‘. Vgl. Grimm, DWb 7, Sp.
7549.
31
Jacobus de Voragine, Legenda aurea, S. 33–36 (dt. Edition: S. 23–25). Der in der Gestalt
einer schönen Frau erscheinende Teufel stellt diese Frage hier allerdings nicht Andreas, sondern er
läßt diese durch einen Dritten einem Pilger zur Beantwortung aufgeben.
32
Erbieten] Anerbieten. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 724.
33
berucht] berückt, überlistet, betrogen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1529.
34
Vgl. Gen 3,6.
156 teil iii ‒ editionen
Neidhart35 dem Teufel / der den menschen die ehr vnd herrligkeit
misgönnete / darzu sie erschaffen / ein gewonnen spiel / vnd frew-
ete sich / quod socios poenarum haberet, Das er nicht allein / son-
dern auch die menschen von aussen den Himmel ansehen / vnd
Hellische Mitgenossen sein solten. Da erjammert vnsern lieben Herrn
Gott / solch elend vnd verdamnis des Menschlichen Geschlechts /
vnd dachte auff mittel vnd wege / wie seinem geschepffe den men-
schen möchte wider geraten vnd geholffen werden / vnd da nu
vnsere trawrige Groseltern / das verzerende Fewer Göttliches zorns
vnd Gerichtes / wider sich angezündet / vnd aus bösem Gewissen
für Gott zitterten vnd flohen / nicht anders wusten / denn sie müsten
sampt den Teufeln in Abgrund der Hellen geworffen / vnd von Gott
ewiglich geschieden werden. Da kömpt Gottes ewiger Son aus dem
wunderbarlichem Rath der heiligen Dreyfaltigkeit selbs / als ein
Mitler zu jnen / Tröstet sie wider den fall mit seiner Menschwerdung
/ vnd zeiget jnen an / wie er <fol. B 1v> als ein Same des Weibs
dem Teufel den Kopff zutretten36 / jren fall büssen / vnd wider die
Fewrige flammen Göttliches zorns jr Külwasser vnd vmbraculum /
jr schirm sein wolte / vnd erquicket vnd erfrewet sie also wider mit
der Euangelischen predigt / darmit sich den Adam vnd Eua mech-
tiglich trösteten37.
Vnd ob sie Gott wol mit sehr schwerem kreutze beladen / wirfft
den Adam in den Schweis des Angesichts / vber dem vnfruchtbarn
vnd dörnichten Acker / stösset die Euam in schmertzen / vber der
Kindergeburt / vnd verurtheilet endlich sie beide zum leiblichen
tode38 / das wenn sie sich lang auff Erden hetten gesület39 / gebeu-
let40 vnd abgemartert / solten sie zur erden wider werden / lest sie
auch mit hawenden Schwerd aus dem Paradis treiben41 / jedoch tra-
gen sie diss alles willig vnd gedüldig / allein das sie durch den ver-
heissenen Samen / vnd das zukünfftige Newgeborne Kindlein / mit
dem ewigen Gericht verschonet / nicht dörffen42 in die Helle faren
35
Neidhart] Ursprünglich ein Eigenname, der schon im 14. Jahrhundert im Sinne einer
Personifikation des Neides gebraucht wurde. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 559.
36
Gen 3,15.
37
Marginal: Gen 3.
38
Gen 3,16–19.
39
gesület] gesuhlt, beschmutzt. Vgl. Grimm, DWb 20, Sp. 1007.
40
gebeulet] Beulen bekommen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1746.
41
Gen 3,23f.
42
nicht dörffen] nicht müssen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1725.
wilhelm sarcerius, trauergeist 157
43
Marginal: Psalm 116. Ps 116,13.
44
nach jm gebrand] nach ihm verlangt. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 367.
45
Gen 4,1.
46
Vgl. den mit diesen Worten beginnenden altkirchlichen ‚Hymnus de adventu Domini‘ von
Ambrosius (Zoozmann, S. 26–28), der von Luther ins Deutsche übertragen worden ist (‚Nun
komm, der Heiden Heiland‘ [Wackernagel 2, S. 12f = EKG 1]).
47
solte] Emendiert aus: svlte
48
Gen 4,4.
49
Vgl. Gen 4,4; Hebr 11,4.
50
zuuerstören] Emendiert aus: zuueerstören
158 teil iii ‒ editionen
wie sie los werden sollen / ja jnen wider auffschleust die Gnadenthür
zum Himmel vnd ewiger Seligkeit.
Darumb da der hellische Geist / die verheissung nicht gar vertil-
gen noch vertunckeln konnte / da erwecket er doch etzliche leute
/ die von solcher zusage vnd Menschwerdung Christi abwichen /
vnd wenig ja wol gar nichts daruon hielten / als Cain verzweiffelte
aus bösem gewissen vnd f%rcht Göttliches gerichtes / da er spricht
/ Meine s%nde ist grösser / denn sie mir kan vergeben werden51 /
das würde Cain nicht geredt haben / wenn er hette gegleubet / das
des Weibes <fol. B 3r> verheissener Same / als der Mitler vnd
Heiland / der gantzen Welt sünde tragen52 vnd büssen53 w%rde.
Zum dritten / so verdreust den Teufel sehr / vnd macht jn gantz
vnmütig / die menschwerdung des Sons Gottes vnd die victoria oder
sieg so Christus wider jn erlanget vnd erhalten hat / vnd kan man
dem Schreckenteufel54 / nicht weher noch grösser leid thun / denn
so man von dem lieben Jesulein vnd seiner menschwerdung leret /
prediget / singet vnd sagt. Sonderlich sind diese wort jm eitel spit-
zige stacheln vnd dörn in seinen Fewerglötzenden Augen / da man
bekennet / vnd mit frölichem hertzen saget / Deus Homo factus est.
Et Verbum caro factum est55. Diese wenig wort kan der Teufel nicht
hören / mus vber etzliche meilen daruon fliehen / denn er fület
wol was sie in sich haben / vnd wenn wir menschen so hertzlich
vber diesen worten freudig würden / Das Wort ist Fleisch oder Gott
ist Mensch worden56 / so sehr der Teufel dafür erschrickt vnd erzit-
tert / stünde es sehr wol vmb vns. Es sollen auch die Gottseligen
sich nicht jrren lassen / wie gering vnd schlecht die Wort lauten /
sondern achtung haben auff die ewigen himlischen Schetze / so dar-
innen ge= <fol. B 3v> fasset / vnd fürgetragen vnd zu eigen ange-
boten werden / die vnseglich / ja so gros vnd herrlich sind / das
auch die lieben Engel sie gelüstet anzusehen.
Man hat sich aber dar%ber nicht zuuerwundern / das der Teufel
an der Menschwerdung Christi ein solchen Eckel vnd verdrus tre-
get / denn darbey erinnert er sich des spots oder der schand / so
51
Gen 4,13.
52
Vgl. Joh 1,29.
53
vnd büssen] Emendiert aus: vndbüssen
54
Schreckenteufel] Emendiert aus: Schreckeneufel
55
Joh 1,14.
56
Vgl. Joh 1,14.
wilhelm sarcerius, trauergeist 159
57
eingeleget] heimgetragen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 224.
58
Feilschlags] fehlgegangenen Anschlags. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1431.
59
Marginal: Math. 4. Mt 4,6.
60
er gehalten hat] der Ansicht gewesen ist. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 298.
61
Marginal: Psalm. 82. Ps 82,6.
62
Marginal: Esaie. 7. 9. Jes 7,14; 9,5.
63
oben hin] oberflächlich, flüchtig. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1072.
64
hette er sich an jhn nicht geleget] hätte er ihn nicht angegriffen; hätte er sich mit ihm
nicht eingelassen. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 533.
65
fahen] fangen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1236.
66
Marginal: Augustinus sermone 10 de tempore. Vgl. Ps-Augustin, Sermones ad populum,
Sermo 193, MPL 39, Sp. 2103f: „Usus enim fuerat diabolus consilio malo, ut per ser-
pentem mulieri loqueretur, et diabolus non agnosceretur. Sed hinc ad nihilum redigit illum
160 teil iii ‒ editionen
Fisch fangen wil / der bindet eine schnure an einen stecken / vnd
vnten an die schnur ein scharpffe Angel / daran hengt er ein W%rm-
lein / vnd wirfft das ins Wasser / da kommet denn der Fisch /
sihet das <fol. B 4v> arme w%rmlein / sihet aber nicht die scharpffe
Angel in dem Würmlein verborgen / vnd beist drein / meinet er
bekome ein gut niedlich bislein / Aber die Angel bleibet jm im
Munde oder halse stecken / vnd wird also gefangen vnd ergriffen.
Also thut Gott der Vater auch / da nimpt er seinen eingebornen
geliebten Son / den henget er an die Linea oder schnur der Patriarchen
vnd Propheten / mus Adams / Abrahams / Dauids Fleisch vnd Blut
annemen / vnd lest jn aus dem hohen Himmel in die Welt kom-
men / da nu der Teufel sihet wie Christus als ein armer elender
Wurm / (wie er sich selbst also nennet67) das ist als ein armer geplag-
ter Mensch einher gehet / leidet hunger / durst / kelt / frost vnd
hitze / weinet vnd hat eitel elend vnd jammer in dieser Welt /
gebaret68 wie ein ander Mensch69 / weis aber nicht das in diesem
Christo verborgen / das er ewiger allmechtiger Gott ist / gleich dem
Vater / doch ein ander Person / da dencket er / ob wol Christus
Wunderzeichen gethan habe / so habens doch andere für jm mehr
gethan / er habe sie aber alle auffgefressen / wie hoch vnd heilig
sie gewesen / wolle den Christum auch wol verschlingen / vnd mei-
net er wolle an dem Man einen redlichen <fol. C 1r> bissen haben
/ hebt an frist den Christum vnd verschlinget jhn / Aber es bekömpt
jm wie dem hunde das Grass / denn der Christus bleibet jm im
halse stecken / vnd mus jhn wider speien / wie der Walfisch den
Deus Dei Filius, qui de coelo descendit, ut humanum susciperet corpus, tendens ei
laqueum mortis, per visionem videlicet carnis; ut quasi ad hominem solum tentator acce-
deret, et Dominum penitus ignoraret. Videbat carnem, sed ignorabat Domini majesta-
tem; cernebat infirmitatem, et non videbat deitatem. Remansit confusus diabolus, dum
in homine apparuit Dominus. Sic a Deo Patre descendit, unde nunquam discessit. In
terris erat; et coelos non deserebat, sicut ipse Dominus ait: Nemo ascendit in coelum,
nisi qui de coelo descendit, Filius hominis qui est in coelo (Joan. III, 13). In terris ut
homo loquebatur hominibus; et in coelo se esse fatebatur ut Deus. Deitas enim non
minoratur, cum infirmitas assumitur; et illud quod non erat accepit, et Deus mansit quod
ab initio fuit. Quod enim homo fuit, nobis profuit, sibi nihil minuit. Exinanivit plenitudinem
deitatis, formam suscepit humilitatis; et Patri mansit aequalis.“ Der betr. Text findet sich
als zehnte Predigt zum Weihnachtsfest z.B. in Bd. 10, S. 218 der Antwerpener Ausgabe der
Opera Augustins.
67
Marginal: Psalm 22. Ps 22,7.
68
gebaret] verhält sich, benimmt sich. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 1636.
69
Vgl. Phil 2,7.
wilhelm sarcerius, trauergeist 161
Propheten Jonam70 / vnd eben mit dem fressen ermordet vnd erwür-
get sich der Teufel selbs / vnd wird von Christo gefangen71.
Dieser hohn vnd spot / lieget dem bösen Geist jmmerdar im sinne
/ vnd kan des nicht vergessen / das er also vbel an Christo
angelauffen72 / vnd mit schanden hat von jm lassen müssen / vnd
so er in den besessenen schrey zittere vnd bebete in Christi gegen-
wertigkeit / da er noch nicht wüste wie er mit Christo daran were
/ ob er jn für den heiligen Gottes Sone (wie er jhn damals nen-
nete73) oder für ein schlechten Zimmermans knecht halten solte /
viel mehr ist er nun erschrocken vnd furchtsam da er Christi gewalt
70
Marginal: Math. 12. Mt 12,39f; Jon 2,11.
71
Luther, WA 20,334,16–335,2 (Predigten des Jahres 1526 [2.4.]): „Derwegen verbir-
gets Gott dem teufel, das er in inn dem Son, der Mensch geworden, so fahen wil und
thut wie ein fischer, der fisch fangen wil, der bindet ein schnur an einen stecken und
unden an die schnur eine scharpfe angel, daran henget er ein würmlein und wirfft das
ins wasser, da kompt denn der fisch, sihet das arme würmlein, sihet aber nit die schar-
pfe angel, in dem würmlein verborgen, und beist drein, meint, er bekom ein guth nied-
lich bisslein, aber die angel bleibt im imm munde oder halse stecken, wird also gefangen
und ergriffen. Also thut Gott der vater auch, da nimpt er seinen eingepornen geliepten
Sohn, den henget er an die linea oder schnur der Patriarchen und Propheten, mus
Adams, Abrahams, Davids fleisch und bluth annemen, und lest in aus dem hohen himel
in die welt kommen, da der teufel sihet, wie Christus als ein armer, elender wurm, wie
er sich im 22. Psalm selber so nennet, das ist, als ein armer geplagter mensch einher-
gehet, leith hunger, durst, kelte, frost und hitze, weinet und hat eitel elend und jamer in
dieser welt, gebaret wie ein ander mensch. Es weis aber der Satan nicht, das dis in die-
sem Christo verborgen, das er ewiger almechtiger Gott ist, gleich dem vater, doch ein
ander person, darumb dencket er, ob wol Christus wunderzeichen thut, ‚haben doch die
propheten auch wunderzeichen gethan, ich habe sie aber all aufgefressen, wie hoch
und heilig sie gewesen, will den Christum auch wol verschlingen‘, und meinth, er wöl
an dem man ein niedlich bisslein haben, hebt an, frist den Christum und verschlinget
in, aber es bekompt im, wie dem hund das gras. Denn der Christus bleibt im im hals
stecken und mus in wieder speien, wie der walfisch den Propheten Jonas, und eben mit
dem fressen ermordet und erwürget sich der teufel selbst unnd wird von Christo gefan-
gen.“ Vgl. weiter Luther, WA 49,356,27–34 (Predigten des Jahres 1544 [Nr. 8]): „Jch bin
dem Teuffel inn der Hellen gewesen, erger hat man mich nit konnen zurichten, der todt,
sund, hell, Teuffel griffen mich gewaltiglich an, Aber der Teuffel versach sich nicht des
angels, der unter dem regenwurm war, drumb beis er drein, wie er denn die gantze welt
gefressen hat, Also beist er auch frey hinein und versachs und traff den angel, Do hat
er ein solch bißlin kriegen, das nichts gantz an ihm blieben, Er solt sterben, und war
doch das leben sein, Drumb musts da anders werden, Denn do war nicht Adam, Eva
oder ein Mensch allein, sondern Gottes son, Drumb ist Er billich verdampt.“ Dieses Motiv
findet sich in bildlicher Darstellung schon im ‚Hortus Deliciarum‘ (12. Jh.). Vgl. Stauch, Sp.
694. Zum Angelmotiv bei Luther vgl. (mit weiteren Luther-Belegen [die Stelle aus WA 49 fehlt
allerdings]) Plathow, bes. S. 127–132.
72
an Christo angelauffen] Christus angegriffen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 393–396.
73
Marginal: Marci 1. Luce 4. Mk 1,24; Lk 4,41.
162 teil iii ‒ editionen
74
vberwindliche] sieghafte. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 660.
75
Marginal: Luce 11. Lk 11,22.
76
S. o. S. 154, Anm. 24.
77
jnnen gehabt] innegehabt, besessen. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 2127.
78
Marginal: Ephes. 4. Eph 4,11–14.
79
vbersichtig] stolz, anmaßend. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 555.
wilhelm sarcerius, trauergeist 163
auff hohe ding / er gehet daher vnd sihet vber sich / so wirfft jm
denn vnser Herr Gott ein armes Predigerlein vnter die füsse / dar-
über stölpert denn der Teufel das er zu boden lieget. Vnd wenn
mans in Gottes furcht / vnd mit andacht bedencken wil / so sind
alle die wercke eines getrewen Seelsorgers in seinem Ampt / eitel
Geistliche schütz80 vnd Siegwehren81 wider den Teufel / dardurch
sein Hellisch Reich von Tag zu Tag geschwecht vnd geringert82 wird.
Ein diener Göttliches Worts / da er ein Kindlein teuffet / im
Namen des Vaters / Sons vnd <fol. C 2v> heiligen Geistes83 / ob
es gleich für Menschlicher vernunfft vnd vnsern augen scheinet /
ein schlecht vnd geringe Werck sein / so ist es doch ein recht heil-
sam Gottes werck84 / darbei die gantze heilige Dreifaltigkeit gegen-
wertig ist vnd wircket. Vnd gleich wie / da man Zucker vnd andere
Gewürtz ins Wasser wirfft / so ist es nicht mehr wasser / sondern
wird ein köstlich Claret85 / oder sonst etwas / Also dieweil Gott
selbs bey vnd in dem Tauffwasser ist / vnd Christus mit seinem ver-
dienst sich darein gelegt hat / so wird die Tauffe ein solch Wasser
/ das die Sünde / den Todt vnd alles vnglück hinweg nimpt / erret-
tet vns von der Gewalt vnd Tiranney des Teufels / hilfft vns in
Himmel vnd zum ewigen Leben. So ein köstlich Zuckerwasser
Aromaticum vnd Apoteck ist daraus worden / da Gott sich selbs ein-
gemenget hat / Gott aber ist ein Gott des lebens / weil der nu in
diesem Wasser ist / so mus dieses das Rechte Aqua vitae sein / das
den todt Teufel vnd Helle vertreibet / vnd ewig lebendig machet.
Jtem ein Kirchendiener da er das Abendmal Christi nach seiner
ordnung vnd einsetzung ausspendet86 / versichert er die so es im
Glauben brauchen / das Christi Leib für sie in Todt gege= <fol. C
3r> ben / vnd sein Blut für jre Sünde vergossen / vnd sie nu mit
Gott gentzlich ausgesönet sein / vnd des Teufels pochen vnd trot-
zen sich nicht weiter sollen schrecken oder jrren lassen.
Were derhalben kein Wunder nicht das der Teufel in den Kirchen
/ wie er sich wol vnterstehet / vorlengst alle Tauffstein Altar vnd
80
schütz] Geschütze. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3975.
81
Siegwehren] Bollwerke. Nicht bei Grimm.
82
geringert] geschmälert. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1008.
83
Mt 28,19.
84
Vgl. Luther, Großer Katechismus, BSLK, S. 698,7–10.
85
Claret] Wassermeth. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 628.
86
ausspendet] Emendiert aus: auspendet
164 teil iii ‒ editionen
87
in die Klüppen kommen] in die Hände gefallen. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 1305.
88
Wechterhörnlein] Wächterhörner wurden u.a. von Turmwächtern benutzt, um Signale zu
geben. Vgl. Grimm, DWb 27, Sp. 191.
89
vnmesliche] unermeßliche. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 1182.
wilhelm sarcerius, trauergeist 165
heilige Geist / der die Christen auff dem wege zum Himlischen
Vaterland jhr gantzes Leben vber / also regieret vnd füret / das sie
dem Teufel vnd seinen wercken absagen vnd das vermögen erlan-
gen / hinförder in vnschuld vnd gerechtigkeit jrem Erbherrn Jhesu
Christo zudienen / vnd vnanstössig90 91 zum ewigen Leben zu wallen.
Durch diese für der Welt vnansehliche vnd doch krefftige werck
des Predigampts / wird dem Teufel grosser abbruch gethan / vnd
sein Reich zerstöret / er reucht auch Christum im Lerhampt vber
viel hundert meilen / vnd mus endlich fliehen vnd weichen / da
Gottes Wort lauter vnd rein geleret92 / vnd die rechten Gottes dien-
ste getrieben werden. Daher lesen wir bey dem Euangelisten Luca:
da der Herr die 70. Jünger aussante zu predigen / vnd sie mit freu-
den wider kamen vnd sprachen: Herr es sind vns auch die Teufel
vnterthan in deinem Namen / sprach Christus zu jnen / Jch sahe
wol den Sathanas von Him= <fol. C 4v> mel fallen als ein Blitz93
/ mit welchen Worten er wil anzeigen vnd weissen die krafft des
Göttlichen Worts oder Predigampts / es gehet nicht one frucht vnd
nutz ab / der Teufel wird dardurch ausgejaget vnd vertrieben plötz-
lich vnd in einem nu / gleich wie in einem Augenblick der plitz /
daher schlecht / vnd wider verlischet. Das mus nu alles fürwar dem
Teufel mechtig wehe thun / vnd so gleich nichts anders were das
jn plagete vnd betrübte / so hat er am Predigampt genugsam wider-
stand vnd verdries / darüber er hefftig entrüst vnd gequelet wird.
Zum fünfften / thut es auch dem Teufel zorn vnd mehret seine
schwermut / die grosse gewalt vnd Siegekrafft so alle getauffte gleu-
bige Christen wider jn erlanget haben / vnd mechtiglich gebrau-
chen können. Welche Rüstung vnd streit macht der gleubigen wider
den bösen Feind / nicht von der Welt oder aus der vernunfft kan
genommen werden / denn von der Welt haben wir nicht mehr /
denn so gros wir sind / was in Hosen vnd Wammes steckt / nem-
lich fleisch vnd blut / das gegen dem mechtigen Fürsten der Welt
dem Teufel / nicht bestehen noch sich auffenthalten94 kan. Sondern
ist ein wercke vnd ge= <fol. D 1r> schenck95 des heiligen Geistes
90
vnanstössig] ohne Anstoß zu erregen. Vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 169.
91
Marginal: Philip. 1. Phil 1,10.
92
Vgl. Confessio Augustana 5, BSLK, S. 61,5f.
93
Marginal: Cap. 10. Lk 10,1.17f.
94
sich auffenthalten] wohnen, bleiben. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 637.
95
schenck] In Custode statt dessen: schencke
166 teil iii ‒ editionen
/ der in vnser hertze oder Geist die himlische krafft vnd den besten-
digen trost / als in ein Beutlein stechet96 / mit dem Teufel zu
kempffen vnd jm abzubrechen97 / in dem der Gnadengeist vnserm
Geist zeugnis gibt / das wir Kinder Gottes sein / vnd Abba lieber
Vater zu Gott ruffen können98. Diese Schutzwere99 sol vnd mus der
Teufel vns vnbetastet vnd vnuerruckt lassen / vnd keinen danck
darzu haben100.
Stehet derhalben der Christen Gewalt vnd Krafft wider den Teufel
fürnemlich hirinnen / das sie jn vnd alle seine tück101 vnd verlipte102
pfeil vberwinden vnd abwenden können / durch den Glauben. Denn
der Glaube / wie S. Johannes leret / ist der Sieg der die Welt vber-
wunden hat103 / vnd der Apostel Paulus wil / das wir für allen din-
gen ergreiffen sollen den Schild des Glaubens / mit welchem man
ausleschen kan alle fewrige Pfeil des Bösewichtes104. Darumb sagt
Lutherus105 gar fein: Lieber Gott wer diese Kunst nemlich Gleuben
wol köndte / dem were es zumal ein leichte sache / dem Teufel
mit allen seinen listen vnd tücken die feigen zuweisen106 / der sonst
darmit das er den Leuten jhre Sünde fürhelt / <fol. D 1v> machet
/ das sie sich zu tode gremen / vnd durch verzweiffelung zur Helle
faren müssen / es sey den das sie mit dieser Göttlichen kunst vnd
weisheit des Glaubens / wol gerüstet sein vnd jm widerstehen / denn
darmit allein wird die Sünde / der Todt vnd Teufel vberwunden.
Wer aber die Sünde aus dem sinn vnd gedechtnis nicht schlagen
kan / sondern behelt sie also bey sich / martert vnd plaget sich nur
mit seinen eigenen gedancken / wie er möge mit seinen eigenen
krefften vnd wercken jm selbst rathen vnd helffen / oder wil so lang
warten / bis das sein gewissen für sich selbst zu frieden werde / der
martert sich selbst jemmerlich / vnd felt mit der zeit / wenn die
96
stechet] stecket. Vgl. Grimm, DWb 17, Sp. 1298.
97
jm abzubrechen] ihm Einhalt, Abbruch zu tun. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 15.
98
Marginal: Rom <emendiert aus: Rmo> 8. Röm 8,15f.
99
Schutzwere] Schutzwaffe. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 2139.
100
keinen danck darzu haben] ‚Dank‘ hier im Sinne von ‚Absicht‘, ‚Wollen‘, also: ohne
weitere Absichten zu hegen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 728.
101
tück] Angriffe. Vgl. Grimm, DWb 22, Sp. 1517.
102
verlipte] vergiftete. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 815.
103
Marginal: 1. Cap. 5. 1Joh 5,4.
104
Marginal: Ephes 6. Eph 6,16.
105
Marginal: Tom: tischreden fol. 287.
106
die feigen zuweisen] mit geballter Faust zu drohen. Sprichwörtlich. Vgl. Wander 1,
Sp. 962.
wilhelm sarcerius, trauergeist 167
107
Luther, Tischreden (1566), fol. 287r/v: „LJeber Gott / wer diese Kunst (wie ange-
zeigt) wol könte / dem were es zumal ein leichte Sache / dem Teufel / mit allen seinen
Tücken vnd Listen / die Feigen zu weisen / der sonst damit / das er den Leuten jre
Sünde furhelt / machet / das sie sich zu tode gremen / vnd durch verzweiffelung zur
Helle faren müssen / Es sey denn / das sie mit dieser Göttlichen Kunst vnd Weisheit
wol gerüstet seien / vnd jm widerstehen / Denn damit allein / wird die Sünde / der Tod
vnd Teufel vberwunden. Wer aber die Sünde aus dem sinn vnd gedechtnis nicht schla-
gen kan / sondern behelt sie also bey sich / martert vnd plaget sich nur mit seinen eigen
Gedancken / wie er möge / mit seinen eigen krefften vnd wercken / jm selbs rathen vnd
helffen / Oder wil so lange warten / bis das sein Gewissen fur sich selbs zu frieden
werde / vnd martert sich selbs jemerlich / vnd felt mit der zeit / wenn die Anfechtung
grösser wird / vnd nicht auffhöret / in verzweiffelung / Denn der Teufelt <sic!> höret nicht
ehe auff / das Gewissen anzuklagen / er habe denn sein Werck ausgerichtet / das ist /
einen Menschen in verzweiffelung bracht.“ Dieser Passus fußt auf folgendem Text: WA
40/I,90,14–24 (In epistolam S. Pauli ad Galatas Commentarius 1535): „Qui hanc artem
sciret, facile eluderet astutias omnes diaboli qui recordatione peccati enecat et ad infe-
ros deducit hominem, nisi hac arte ac sapientia Christianorum resistat ei, Qua sola pec-
catum, mors, diabolus vincuntur. Qui vero peccati memoriam non excutit, sed retinet et
excruciat se suis cogitationibus, videlicet, quo modo suis viribus velit sibi consulere, Aut
tantisper vult expectare, donec conscientia pacata reddatur, ille incidit in laqueos Satanae
(quos ipse in hoc tendit, ut capiat homines) et perdit se tristicia ac tandem miserrime
vincitur; Quia Diabolus non cessat accusare conscientiam. Denique egregie novit astu-
tus Serpens Iesum Christum, Mediatorem ac Salvatorem nostrum, proponere tanquam
Legislatorem, Iudicem et damnatorem.“
168 teil iii ‒ editionen
108
thumkün] dummkühn, tollkühn. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1521.
109
stöcke] ‚stöcken‘ bedeutet ‚in den Gefangenenstock (hierzu Grimm, DWb 19, Sp. 30) set-
zen‘ im Sinne von ‚ins Gefängnis werfen‘. Vgl. Grimm, DWb 19, Sp. 81.
110
plöcke] ‚blöcken‘ bedeutet ‚in den Block legen/setzen‘. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 137.
111
S. o. S. 154, Anm. 24.
112
Marginal: Colos. 2. Kol 2,14.
113
Marginal: Lutherus am rande daselbs. WA.DB 7,231 (Bibel 1546, Randglosse zu
Kol 2,14): „Nichts ist so hart wider vns, als vnser eigen Gewissen damit wir als mit eige-
ner Handschrifft vberzeuget werden, wenn das Gesetz vns die sunde offenbaret, damit
wir solche Handschrifft geschrieben haben. Aber Christus erlöset vns von solchem allen,
durch sein Creutze, vnd vertreibet auch den Teufel mit der sunde.“
114
2Petr 2,4.
wilhelm sarcerius, trauergeist 169
115
Hellebrand] Höllenbrand; einer, der in der Hölle brennt. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp.
1749.
116
Marginal: Ezech. 18 33. Ez 18,23; 33,11.
117
2Sam 11,1–27.
118
2Sam 12,13.
119
Marginal: Johan. 8. Joh 8,44.
120
Jes 7,14.
121
schlecht] schlechterdings. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 529.
170 teil iii ‒ editionen
122
Sprichwörtlich. Vgl. Wander 2, Sp. 1694.
123
Vgl. GebMan 9.
124
Marginal: 1. Pet. 2. 1Petr 2,24.
125
Marginal: 1. Timoth. 1. 1Tim 1,15.
126
Marginal: Heb. 9. Hebr 9,28.
127
Marginal: Ephes. 1. Eph 1,7.
128
Marginal: Rom. 5. Röm 5,10.
129
hie /] Emendiert aus: / hie
130
Marginal: Rom. 8. Röm 8,33.
131
Röm 8,34.
132
Wehre] Waffe. Vgl. Grimm, DWb 28, Sp. 148.
wilhelm sarcerius, trauergeist 171
legen können. Denn kan er vns sagen / das wir arme Sünder sein
/ so können wir jhm wider sagen / das Christus für die Sünder
gestorben ist / vnd er vns selbs verkündige / wider sein danck133
vnd willen / Gottes ehre vnd herrligkeit / hiermit / das er vns bey
der Sünden erinnert / der Veterlichen liebe Gottes / so er gegen
vns arme grosse vnd verdampte sünder treget / nemlich das Gott
also die Welt geliebet hat / das er seines eingebornen Sons nicht
verschönet / sondern denselben für vnsere S%nde gegeben134. Weiter
vermanet er vns auch hiermit an die wolthaten vnsers heilands Jesu
Christi / auff welches allein / nicht auff vnsern schüldern / alle
vnsere Sünde liegen. Denn der Herr hat alle vnsere sünde vnd vnge-
rechtigkeit auff jn gelegt / vnd vmb der sünde willen die sein Volck
gethan hatte / hat er jhn geschlagen135. Mit einem solchen Glauben
/ der auf136 Christum vnd sein verdienst <fol. E 1r> trotzet137 / wird
der Teufel also zu nicht gemacht / das er sich für einem jungen
Kindlein in der wiegen mus fürchten. Denn wo er den Jesum nur
höret nennen aus einem rechten Glauben / da kan er nicht bleiben
/ denn er gedencket diesen hab ich erwürget. Eben als wenn ein
Mordbrenner138 jrgends an ein ort keme / da ein gewaltiger Herr
were / dem er schaden gethan / so würde er fliehen vnd des Herrn
nicht erwarten / denn er weis das er jhn gebrennet hat. Also mus
auch der Teufel für Christo erschrecken / er lieffe ehe durch ein
Fewer denn er bliebe. Das heist Semen mulieris conteret caput serpen-
tis139, Jch mein er habe jm den Kopff zu tretten / das er den Jhesum
Christum weder hören / noch sehen mag.
Des haben wir ein herrlich glaubwirdiges Exempel / so sich in
Türinger lande sol zugetragen haben. Jm stetlein Frieburg / da lag
ein Bawersman hefftig vnd gefehrlich kranck / vnd da er dem tode
gar nahe / sehen die vmb jn waren einen langen schwartzen scheus-
lichen Man in die Kammer kommen / der sich bald zum Bette des
Krancken wandte / vnd jn mit diesen worten hart anfure / hörestu
133
S. o. S. 166, Anm. 100.
134
Marginal: Johan. 3. Joh 3,16.
135
Marginal: Esaie 53. Vgl. Jes 53,4f.
136
auf ] Emendiert aus: auch
137
der auf Christum vnd sein verdienst trotzet] der sein Vertrauen auf Christus und
sein Verdienst setzt. Vgl. Grimm, DWb 22, Sp. 1133.
138
Mordbrenner] Brandstifter. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2535f.
139
Gen 3,15.
172 teil iii ‒ editionen
/ du must heut sterben / da wird nichts anders aus / vnd von rechts
wegen <fol. E 1v> gebürt mir deine Seele. Der Krancke antwort
Kech140 vnd Vnerschrocken / Jch bin bereit vnd willig zu sterben /
da es mein lieber Gott haben wil / der mir141 ziel vnd mass mei-
nes lebens gesetzet hat / vnd befehle meine Seele / der du dich
anmassest / meinem Herrn Christo / der sie von der Sünden Todt
vnd ewiger verdamnis hat erlöset durch sein blut. Darauff antwort
der Teuffel / du bist gleichwol voller S%nder vnd Laster / vnd
ich bin darumb da / das ich deine sünde auffzeichnen sol / vnd
mit den worten zeucht er aus dem busen Feder vnd Dinte / vnd set-
zet sich zu Tische / vnd schicket sich zum schreiben142. Da fehet
der Bawer an / vnd spricht / Jch weis das ich ein armer Sünder
bin / vnd nichts guts an mir ist / Aber das weis ich dargegen /
das meine Sünde der Herr Christus alle an das Creutze mit sich
genomen / die gebüsset vnd mich mit Gott dem Vater versöhnet.
Doch so du wilt meine Sünde anschreiben / trage ich der keinen
schew / wil dir sie gern erzelen. Setze derhalben zum ersten / wir
sind alle wie die Vnreinen / vnd alle vnser gerechtigkeit ist wie ein
vnfletig Kleid / wir sind alle verwelcket wie die Bletter / vnd vnsere
Sünde füren vns dahin wie ein Wind143 / vnd können mit vnserm
<fol. E 2r> thun für Gottes sünden gericht nicht144 bestehen / das
hatte der Teufel bald in die Feder gefast vnd auffs papier bracht /
hielte auch an bey dem Krancken / er solt also fort faren. Der
Krancke saget weiter / Aber / du ewiger Barmhertziger getrewer
Gott145 / du hast gesagt / Jch Jch tilge deine vbertrettung vmb mei-
net willen / vnd gedencke deiner s%nde nicht146 / vnd du hast
verheissen / wenn gleich ewer Sünde blut rot ist / sol sie doch
schneeweis werden / vnd wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe / solle
sie doch wie wol werden147. Diese wort liess der Trügner148 Sathan
aussen / vnd hielt hefftig an / er wolle bey der vorigen erzelung
seiner s%nden bleiben. Darauff jm der Krancke mit sonderlicher
140
Kech] keck. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 375.
141
mir] Emendiert aus: wir
142
schicket sich zum schreiben] fängt an zu schreiben. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 2649.
143
Marginal: Esaie 43. (Erratum). Recte: Jes 64,5.
144
nicht] Emendiert aus: nich
145
1Kor 10,13.
146
Marginal: Esaie 43. Jes 43,25.
147
Jes 1,18.
148
Trügner] Betrüger. Vgl. Grimm, DWb 22, Sp. 1307.
wilhelm sarcerius, trauergeist 173
149
Marginal: 1. Johan. 3. 1Joh 3,8.
150
Ergreifft] Emendiert aus: Eegreifft
151
scheuchert] verscheucht. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 2611.
152
In Custode : Natur
153
Luther, Christ unser Herr zum Jordan kam, Str. 7, Wackernagel 3, S. 26 (Nr. 43)
(=EKG 146, 7): „Das Aug allein das wasser siht, | wie Menschen Wasser giessen: |
Der Glaub im Geist die krafft versteht | des Blutes Jhesu Christi, | Vnd ist für im ein rote
Flut | von Christus Blut geferbet, | die allen Schaden heilen thut | von Adam her geer-
bet, | auch von vns selbs begangen.“
154
Vgl. o. S. 171, Anm. 137.
174 teil iii ‒ editionen
den Teufel nicht mehr fürchten / Als nun des Kindes Geuattern155
/ vnd die andern die sonst vmb die Tauffe stunden / sagten das er
eben auch also getaufft were / vnd man hette diese Wort vber sei-
ner Tauffe auch gesprochen / da gewan der Doctor noch einen
grössern muth vnd Geist / das er weder den Teufel / noch kein
vnglück fürchten wolte. Nu treget sichs zu / das diesem Doctor der
Teufel erschiene / in gestalt eines Zötigen156 Bocks / mit langen
Hörnern / vnd lies sich an der Wand also sehen / der Doctor mer-
cket / das es der Teufel were / vnd fasset ein hertz / erwüschet
den Bock bey den Hörnern / vnd reisset jn von der Wand / schlecht157
den Bock auff den Tisch / behelt die Hörner in der hand / vnd
der Leib verschwindet158. Daraus ist abzunemen / was die Tauffe
vermag wider den Teufel / sie machet die Christen keck vnd vber-
windlich159 / vnd schlecht160 den Teufel in die flucht / wolt Gott
das man sich nur starck darauff verliesse / vnd dem Teufel mit dem
geheilig= <fol. E 3v> ten Tauffstein vnter das Kolschwartze ange-
sicht f%re / es würde viel anfechtung vnd zweiffelmut zurrinnen161
vnd aussen bleiben.
5. Helt der Glaube dem Teufel ernstlich für die Absolution / vnd
stehnet162 vnd verlest sich darauff / das die Absolutio so von dem
Beichtuater in Christi namen mitgetheilt wird / bey Gott gelte vnd
155
Geuattern] Taufeltern und Taufzeugen. Vgl. Grimm, DWb 6, Sp. 4642.
156
Zötigen] zottigen. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 139.
157
schlecht] schlägt. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 347.
158
Marginal: Tom: tischreden fol: 289. Luther, WA.TR 6,208,28–209,5 (Nr. 6815):
„Darvon D. Luther dies Exempel erzählete: ‚Daß ein Doctor der Arznei gewesen sei, der
hab in der Kirche zugesehen, wie man ein Kindlein getauft hatte, und hatte die Wort
der Einsetzung der Taufe mit Fleiß hören sprechen und daraus einen festen starken
Glauben geschöpft, daß er mit großer Freudigkeit gesagt hatte: ‚Wenn ich wüßte, daß
ich mit diesen Worten gleich als dies Kindlein getauft wäre, so wollt ich den Teufel nicht
mehr fürchten.‘ Als nu des Kindes Gevattern und die Andern, die sonst um die Taufe
stunden, sagten, daß er eben also auch getauft wäre und man hätte diese Wort uber
seiner Taufe auch gesprochen, da gewann der Doctor noch einen größern Muth und
Geist, daß er wider den Teufel, noch kein Unglück fürchten wollte. Nu trägets sichs zu,
daß der Teufel diesem Doctor erschiene in Gestalt eines zötigen Bockes mit langen
Hörnern, und ließ sich an der Wand also sehen. Der Doctor merkete, daß es der Teufel
wäre, und fasset ein Herz, erwischet den Bock bei den Hörnern, und reißet ihn von der
Wand, schlägt den Bock auf den Tisch, behält die Hörner in der Hand und der Leib ver-
schwindet.“
159
S. o. S. 162, Anm. 74.
160
S. o. Anm. 157.
161
zurrinnen] zerrinnen. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 749.
162
stehnet] ‚sich stöhnen‘ bedeutet ‚sich auf etwas stützen‘. Vgl. Grimm, DWb 19, Sp. 179.
wilhelm sarcerius, trauergeist 175
mechtig sey / vnd das rechte himlische Ablass mit sich bringe /
nach den worten Christi / was jhr auff Erden bindet / das sol im
Himmel gebunden sein / was jhr loss lasset / das sol im Himmel
loss sein163. Vnd ist nicht der Christen geringster schutz vnd streit-
wehre164 wider den hellischen Trawergeist / das jnen niemand den
Himmel versperren sol / auch jre eigene Sünde nicht / denn ob sie
gleich Sünde haben / wie andere Leute / so haben sie doch die
Schlüssel des Himmelreichs165 / das durch vergebung der Sünden /
welche so auff mancherley weise jnen zugesagt vnd gegeben wird /
der Himmel jnen wider wird auffgethan / vnd finden solche gnade
/ nicht allein bey denen / so Christus mit einem sondern befelch
seiner Kirchen fürzustehen / verordnet hat / sondern auch im fall
der noth bey einem jeden Christen menschen / da sol mans gleu-
ben <fol. E 4r> vnd annemen. Vnd solcher gnaden trösten sic<h>
auch mehr die rechtschaffenen Christen / denn das sie die Pforten
der Hellen166 mit jrem teglichen anlauffen sich schrecken liessen /
vnd gleuben gewis / wo da vergebung der S%nden ist / da habe es
nicht noth / der Himmel sol offen bleiben / das sol der Teufel vnd
Helle nicht wehren. Wo man auch mit dem lose Schlüssel dem Teufel
also für den ohren klinget / nimpt er die hinderklawe mit sich /
vnd weichet daruon.
6. Begegnet der Glaub dem Teufel mit dem Sacrament des altars
/ vnd da das gewissen blöd vnd erschrocken ist / vnd kan den trost
nicht fest genugsam ergreiffen / das Gott gnedig sein vnd Sünden
vergeben wolle / so sihet vnd füsset es auff das Abendmal / das
Christus verordnet / vnd schleust also / weil mir Christus sein leib
vnd blut zur speise vnd tranck gegeben hat / ich auch dasselbige
genossen / was wolt ich denn zweiffeln / das sein Leib f%r meine
Sünde hingegeben / vnd sein Blut für meine Sünden vergossen sey.
Du Teufel magst sagen / vnd mir der bösen gedancken eintragen
/ so viel als du wilt vnd kanst / so gleube ich vestiglich / der
Himmel sey mir vmb sonst gegeben / vnd sey mein ge = <fol. E
4v> schencke / dar%ber ich denn Brieff vnd Siegel habe / das ist
/ Jch höre Gottes wort / vnd bin getaufft / vnd gehe zum Sacrament
163
Marginal: Luce 24. Johan. 20. Mt 18,18; vgl. Joh 20,23. Lk 24 als Belegstelle ist
inkorrekt.
164
streitwehre] Kampfausrüstung. Vgl. Grimm, DWb 19, Sp. 1399.
165
Mt 16,19.
166
Mt 16,18.
176 teil iii ‒ editionen
167
S. o. S. 174, Anm. 161.
168
verlassen] hinterlassen. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 730.
169
viedemieren] beglaubigen. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 48.
170
Mt 6,12f.
171
Marginal: Ephes. 6. Eph 6,17f.
172
Wahl] Wall. Vgl. Grimm, DWb 27, Sp. 1256.
173
Marginal: Zach. 12. Sach 12,10.
174
Marginal: Cap. 12. (Erratum). Recte: Ez 22,30.
175
Vgl. Ps 91,15.
176
Vgl. Mt 7,8.
wilhelm sarcerius, trauergeist 177
177
Marginal: Durchs Gebet.
178
Bislang nicht ermittelt.
179
aus befelch] auf Befehl. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1251.
180
Marginal: Cap. 8. Tob 8,2f.
181
S. o. S. 173, Anm. 151.
182
Vgl. Hos 13,14.
183
Marginal: Colos. 3. Kol 3,16.
184
Vgl. Eph 5,19.
185
1Sam 16,14–23.
178 teil iii ‒ editionen
zeugnis. Der schönesten vnd herrlichsten gaben Gottes eine ist die
Musica / der ist der Sathan sehr feind / darmit man viel anfechtung
vnd böse gedancken vertreibet / der Teufel erharret jr nicht. Jtem:
Musica ist der besten kunst eine / die Noten machen den Text
lebendig / sie veriagt den Geist der trawrigkeit / vnd ist das beste
labsal einem betrübten menschen / dardurch das hertze wider zufriede
gestellet / erquicket vnd erfrischet wird186. Da Luth. auch einmal
auff einem weglein in ein holtz / vnd auff die Acker hinaus spaci-
ren füre / sich zu erlüstigen187 / sang vnd war frölich / Gott zu
ehren / sprach er / vnser gesenge verdriessen den Teufel vbel /
vnd thun jm sehr wehe / widerumb vnser vngedult klagen vnd Awe
schreien / gefelt im wol / vnd lachet drüber in die faust / er hat
lust vns zuplagen / sonderlich wenn wir Christum rühmen / predi-
gen vnd loben. Denn weil er Furst der welt vnd vn= <fol. F 2v>
ser abgesagter Feind188 ist / so müssen wir jm durch sein Land pas-
siren / darumb wil er auch warlich den Zoll von vns haben / vnd
schleget vnsere leiber mit mancherlei plagen189.
Endlich wird der Glaub so keck stoltz vnd vbermütig / das er
auch mit lecherlichen possen / vnd grosser verachtung dem Teufel
begegnet / vnd von sich weiset / wie Luth. von jm selbs saget /
wenn er des Teufels mit der heiligen schrifft / vnd mit ernstlichen
worten nicht hette können loss werden / so hette er jn offt mit spit-
zigen worten vnd lecherlichen possen vertrieben / vnd wenn er jm
sein gewissen hett beschweren wollen / so hette er offt zu jm gesagt
/ Teufel ich habe auch in die hossen etc. hastu es auch gerochen
186
Luther, WA.TR 1,490,6–9.19f (Nr. 968): „‚Der schönsten und herrlichsten Gaben
Gottes eine ist die Musica. Der ist der Satan sehr feind, damit man viel Anfechtunge
und böse Gedanken vertreibet. Der Teufel erharret ihr nicht. Musica ist der besten Künsten
eine. Die Noten machen den Text lebendig. Sie verjagt den Geist der Traurigkeit, wie
man am Könige Saul siehet < . . .> Musica ist das beste Labsal einem betrübten Menschen,
dadurch das Herze wieder zufrieden, erquickt und erfrischt wird <. . .>‘.“
187
erlüstigen] belustigen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 909.
188
abgesagter Feind] Feind, dem man abgesagt hat, bzw. derjenige, der sich zum Feind
erklärt hat. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 47.
189
Luther, WA.TR 4,26,18–25 (Nr. 3945): „Doctor Martinus fuhr ein Mal auf eim
Wäglin hinaus in ein Holz und auf die Aecker spazieren, sich zu erlustiren, sang und
war fröhlich, Gotte zu Ehren, und sprach: ‚Unser Gesänge verdrießen den Teufel ubel
und thun ihm sehr wehe; wiederum unser Ungeduld, Klagen und Auweh schreien gefällt
ihm wol und lacht drüber in die Faust. Er hat Lust, uns zu plagen, sonderlich wenn wir
Christum bekennen, rühmen, predigen und loben. Denn, weil er ein Fürst der Welt und
unser abgesagter Feind ist, so müssen wir ihm durch sein Land passiren, darum will er
auch wahrlich den Zoll von uns haben und schlägt unsere Leibe mit mancherlei Plagen.‘“
wilhelm sarcerius, trauergeist 179
190
Luther, WA.TR 6,210,7–15 (Nr. 6817): „Doctor Luther sagte: ‚Wenn er des Teufels
mit der heiligen Schrift und mit ernstlichen Worten nicht hätte können los werden, so
hätte er ihn oft mit spitzigen Worten und lächerlichen Possen vertrieben. Und wenn er
ihm sein Gewissen hätte beschweren wollen, so hätte er oft zu ihm gesagt: Teufel, ich
hab auch in die Hosen geschmissen, hast du es auch gerochen, und zu den andern
meinen Sünden in dein Register geschrieben?‘ Item er hätte zu ihm gesagt: ‚Lieber
Teufel, ists nicht gnug an dem Blut Christi, so fur meine Sünde vergossen ist, so bitte
ich dich, du wollest Gott fur mich bitten.“
191
gestunde] kostete. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 4211.
192
Luther, WA 10/III,176–200 (Sermon von dem reichen Mann und dem armen Lazarus
1522).
193
warff ] Zur Verwendung von ‚werfen‘ ohne Objekt vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 292f.
180 teil iii ‒ editionen
F 3v> schertzet er / leufft auff dem Bette daher wie eitel194 ratten
meuse / da er nu nicht wil auffhören / da ist das weib her / vnd
wendet das hindertheil zum bette hinaus / vnd lest jm ein redlichen
(mit züchten zu reden) für die Nasen tretten / vnd spricht / sihe da
Teuffel / da hastu einen stab / den nim in deine hand / vnd gehe
darmit walfart gehn Rom / zu deinem Abgott dem Bapste / vnd
hole dir Ablas von jm / spottet also des Teufels noch darzu / Nach
dem bleibe der Teuffel mit seinem poltern aussen. Denn es ist ein
stoltzer Gesell / verachtens vnd vexirens / kan er nicht leiden viel195.
Ein solchen wunderbarlichen sieg füren vnd erhalten die Christen
/ durch den glauben / wider den Teufel / vnd all sein macht vnd
gewalt. Gleich als wenn einer ein grosse Fewerglut vnd brand mit
einem leffel vol wassers / oder mit einem tröpfflein wassers solte
ausleschen / oder wenn ein armes schefflein viel reissende wolffe
vnd grimmige Lewen196 veriagen solte. Denn ein einiger Teuffel ist
194
wie eitel] Emendiert aus: wieeitel
195
Luther, WA.TR 6,210,21–211,6.18–27 (Nr. 6817): „Daß man ihn aber nirgends
besser vertreiben könne denn mit Verachtung, deß erzählet der Herr D. Luther eine
Historien, die sich hätte zu Magdeburg zugetragen, und sprach. ‚Im Anfang meiner Lehre,
da das Euangelium anging, da legte sich der Teufel fast drein, und ließ nicht gerne ab
von dem Poltern, denn er hätte zu Magdeburg das Purgatorium und den Discursum
animarum gerne erhalten. Nu war allda ein Bürger, dem starb ein Kind, dem ließ er nicht
Vigilien und Seelmesse singen, denn es stunde trefflich viel. Da fing nu der Teufel ein
Spiel an und kam alle Nacht um 8 Uhr in die Kammer und winselte wie ein jung Kind.
Dem guten Manne war drüber leide, und wußte nicht, wie er ihm thun sollte. Da schrien
die Pfaffen: ‚Ei, da sehet Ihr, wie es gehet, wenn man nicht Vigilien hält etc. Wie thut
das arme Seelchen!‘ Darauf schickt der Bürger an mich, und ließ mich um Rath fragen;
denn es war mein Sermon uber den Spruch: ‚Sie haben Mosen und die Propheten,‘
ausgegangen, den hatte er gelesen. Da schriebe ich ihme wieder: Er sollte nichts hal-
ten lassen, denn er und das ganze Hausgesinde sollts gewißlich dafür halten, daß es
der Teufel wäre, der solches anrichtete. Das thäten die Kinder und Gesinde und verach-
teten den Teufel, und sprachen: ‚Teufel, was machst du, hast du sonst nichts mehr zu
thun? Heb dich, du verfluchter Geist, dahin du gehörest, in Abgrund der Hölle!‘ Wie nu
der Teufel das merkete, da war er kein Kind mehr, sondern er polterte, stürmete, warf
und schlug, und thät scheußlich, ließ sich oft sehen wie ein Wolf, der da heulete; aber
die Kinder und jdermann verachteten ihn. Wenn irgends eine Magd mit dem Kinde die
Treppen hinauf ging, so trappete er mit den Händen hinnach; so sagete denn das Gesinde:
‚Hui, bist du toll?‘ <. . .> Letztlich kömmt er hinüber zu der armen Frauen, die in der
einen Kammer lag, mit der scherzet er auch also, läuft auf ihrem Bette daher wie eitel
Rattenmäuse. Da er nu nicht will aufhören, da ist das Weib her, vnd wendet den A- zum
Bette hinaus, und läßt ihm einen F- (mit Züchten zu reden), und spricht: ‚Siehe da,
Teufel, da hast du einen Stab, den nimm in deine Hand, und gehe damit wallfahrten gen
Rom zu deinem Abgott, dem Papst, und hole dir Ablaß von ihm!‘ Spottet also noch des
Teufels dazu. Nach dem bliebe der Teufel mit seinem Poltern außen, quia est superbus
spiritus et non potest ferre contemptum sui.“ Vgl. auch WA.TR 3,50,17–20 (Nr. 2884).
196
Lewen] Löwen. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 825.
wilhelm sarcerius, trauergeist 181
stercker vnd klüger / denn alle menschen / als der vns auswendig
vnd inwendig kennet / vnd gegen jm zurechen197 sind wir Alphabet
schüler / schwache vnd arme sünder198 / wie wir aus der erfarung
teglich lernen. Doch können wir arme menschen <fol. F 4r> mit
vnser schwacheit gar grosse ding / im Glauben / wider den bösen
hellischen Geist ausrichten / wie jtz nach einander erzelt worden.
Das nu der Teufel solcher gewaltigen rüstung vnd vberwindlicher199, 200
macht / so ein jeder gleubiger Christ gegen jm hat / füret vnd brau-
chet / sich hoch erfrewen solte kan nicht sein / Sondern es brin-
get jm in der warheit stetiges trawren / vnd das rechte Hertzpoffen201
vnd zittern / das die Christen sich seiner so krefftiglich erwehren /
vnd alle seine t%ck / anfeindung / vnd verfolgung / so leichtlich
ausschlahen / vnd mit schanden abweisen können / vnd möchte
darüber tol vnd vnsinnig werden / Auch wo er sterblicher natur
were sich zu tode gremen.
Vnd das ich wider ad propositum komme / vnd mehr vrsachen
anzeige / woher der Teufel grosse trawrigkeit vnd schwermuth
schöpffe. So verdreust jn zum sechsten / vnd thut jm schmertzlich
wehe / das Gott noch sorge treget / für die so jhn fürchten / vnd
vber den gerechten vleissige vnd trewe wache helt. Denn wie Dauid
leret / so kommet der fromen hülffe von dem Herrn / der Himmel
vnd Erden gemacht hat202 / vnd der hüter Jsrael / der Christlichen
kirchen / schleffet noch schlummert nicht203 / er ist hinden vnd forn
/ vnd auff allen <fol. F 4v> seiten vmb sein volck / vnd behütet es
also / das weder Sonn203a noch Monde / die seinen zu tode stechen
sollen204 / Ja das auge des Herrn sihet auff die so jn fürchten / die
auff seine güte hoffen 205. Die augen des Herrn sehen auff die
gerechten206. Vnd brauchet zu derselbigen schutz / der lieben heili-
gen Engel / die sich zurings wie ein Wagenburg vmb die Christen
197
gegen jm zurechen] verglichen mit ihm. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 351. Zu ‚rechen‘
für ‚rechnen‘ vgl. ebd. Sp. 347.
198
arme sünder] Emendiert aus: armesünder
199
vberwindlicher] Emendiert aus: vberwidlicher
200
S. o. S. 162, Anm. 74.
201
Hertzpoffen] Herzklopfen. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2210.
202
Ps 124,8.
203
Marginal: Psalm 120. Ps 121,4.
203a
Sonn] Emendiert aus: Sohn
204
Ps 121,6.
205
Marginal: Psalm 33. Ps 33,18.
206
Marginal: Psalm 34. Ps 34,16.
182 teil iii ‒ editionen
207
Ps 34,8.
208
geleitsleuten] Begleiter. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3002.
209
Hackenschützen] Hakenschützen sind Kriegsleute, die Handrohrwaffen, näherhin sog.
Hakenbüchsen verwenden. Es handelte sich dabei um schwere Handfeuerwaffen (Kaliber von min-
destens 1,5 cm), die an der Laufunterseite (unterhalb des Schaftes in der Mitte oder im vorderen
Drittel) einen oder zwei Haken aufwiesen, um sie (wegen ihres hohen Gewichts und des erhebli-
chen Rückstoßes) auf Mauern oder Stützgabeln auflegen zu können. Aufgrund ihres hohen Gewichtes
spielten Hakenbüchsen vor allem in der stationären Verteidigung fester Plätze (Festungen, Lager)
eine große Rolle. Spätestens zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden die sperrigen ‚Handrohre‘
durch die wesentlich leichteren Musketen abgelöst. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 178. 181f. Heinrich,
S. [21]. Gohlke, S. 58f. Ortenburg, S. 54.
210
welden] Wäldern. Vgl. Grimm, DWb 27, Sp. 1073.
211
pfülichten] sumpfigen. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1807.
212
hüte] Hut, Wachung. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1983.
213
fichtige] Fittiche. Diese Form nicht bei Grimm, DWb.
214
Marginal: Cap. 1. Hi 1,8–11.
wilhelm sarcerius, trauergeist 183
werden mit einander reden mit rewe / vnd für angst des Geistes
seufftzen215 / Jst kein zweiffel nicht / das der Teuffel schon darü-
ber seufftzet / vnd grausamen neid vnd schmertzen tregt / das noch
etzliche aus dem menschlichen geschlecht / sollen gen Himel auff-
genomen / vnd in die Gloria oder ehr gesetzt werden / daraus er
mit seinem anhang216 verstossen worden. Darumb köndte er es dahin
richten vnd bringen / das niemands selig würde / das were sein
höchste freude. Aber wider seinen danck217 / <fol. G 1v> mus er
Christo sein Kirchlein zu frieden lassen / welches wie es hiemit lei-
det / Also sol es mit zur herligkeit erhaben werden218 / vnd wird
einmal geschehen / das die gemeine der heiligen als eine geschmückte
braut219 wird bey Gott ewiglich sein vnd wohnen / vnd Gott wird
abwischen alle threnen von jren Augen / vnd der Todt wird nicht
mehr sein / noch leid / noch geschrey / noch schmertzen wird
mehr sein / denn das erste ist vergangen220 / vnd sie werden trin-
cken von dem brunnen des lebendigen wassers221 / vnd von der herr-
ligkeit Gottes erleuchtet werden222. Solchs kan one trawrigkeit vnd
betrübnis der Teufel nicht bedencken noch anschawen.
Zum achten letzlich / so lieget dem Teufel im sinne seine eigene
zukünfftige verdamnis / vnd machet jn erst recht voller vnruhe vnd
mehrer trawrigkeit. Denn wie beide Aposteln Petrus vnd Judas schrei-
ben / die bösen engel / so jr fürstenthumb nicht behielten / hat
Gott behalten zum gerichte des grossen tages mit ewigen banden im
finsternus223 / vnd wird endlich der Sathanas der aus seinem gefeng-
nis tausend Jar loss worden / vnd ausgegangen die heiden in den
vier örten der erden224 zuuerfüren225 / mit dem thier vnd falschen
Propheten (das ist dem Antichrist vnd seinem an= <fol. G 2r> hang)
in den Feurigen pfuel vnd schweffel geworffen vnd gequelet werden
215
Marginal: Cap. 5. Sap 5,2f.
216
anhang] Emendiert aus: angang
217
S. o. S. 166, Anm. 100.
218
Marginal: Rom. 8. Röm 8,17.
219
Apk 21,2.
220
Apk 21,4.
221
Marginal: Apocalip. 21. Apk 21,6.
222
Apk 21,23.
223
Marginal: 2. Pet. 2. Jud 6; 2Petr 2,4.
224
in den vier örten der erden] in allen vier Himmelsrichtungen. Vgl. Grimm, DWb 13,
Sp. 1354.
225
Apk 20,7f.
184 teil iii ‒ editionen
226
Marginal: Cap. 20. Apk 20,10.
227
Marginal: Matth. 25. Mt 25,41.
228
gewarten] ‚gewarten‘ meint ein „verstärktes warten“. Grimm, DWb 6, Sp. 5336.
229
quia] Emendiert aus: qui
230
Isidor Hispalensis, Sententiarum libri tres, lib. 1, cap. 25, MPL 83, Sp. 593C/594A:
„Quanto propinquius finem mundi diabolus videt, tanto crudelius persecutiones exercet,
ut quia se continuo damnandum conspicit, socios sibi multiplicet, cum quibus gehennae
ignibus addicatur.“
231
zeugen] zeigen. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 853.
wilhelm sarcerius, trauergeist 185
232
Sprichwörtlich. Vgl. Wander 3, Sp. 965.
233
hienüber] Emendiert aus: hie nüber
234
Sprichwörtlich. Vgl. Wander 5, Sp. 510.
235
reisiges] ein zum Kriegsdienst ausgerüstetes. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 746.
236
S. o. Anm. 235.
237
beissig] bissig. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1402.
238
Streckepein] Emendiert aus: Sreckepein
239
Streckepein] Bezeichnung für den Tod. Vgl. Grimm, DWb 19, Sp. 1098.
240
vogelsteller] jemand, der Vögel fängt. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 425.
186 teil iii ‒ editionen
vnd würget sie / behelt jr gar wenig / allein die da locken vnd singen
sein liedlein / vnd was er gerne hat / die setzet er in ein bewer-
lein241 / das sie seine lockuogel seien / andere mehr darmit zube-
rücken242 vnd zufahen / die vbrigen m%ssen alle herhalten. Darumb
so nach dem gemeinen sprichwort / das werck den meister lobet243
/ so schenden aus dem gegentheil diese böse schedliche werck den
Teufel / vnd weisen244 augenscheinlich / was er f%r ein schadengast
vnd gifftige schlang sey.
Also am mitwoch f %r Pfingsten / welcher war der ander tag
junij / dieses jtzigen 1568. jars / lies vns der hellische Trawergeist
auch ein schrecklichen gefehrlichen tück245 sehen / gönnet vns nicht
/ dz wir den freudenreichen trost / den wir aus der sieghafftigen
Himelfart Christi zunemen / gentzlich nach der weissagung des 47.
Psalms246 anhöreten / vnd mit vns heimtrügen / bliesse derhalben
ein sörglich247 fewer auff / dz wir mitten in der predigt von einan-
der gehn musten / dem nehesten zu helffen / vnd ein jeder das
seine zu retten / vnd kondte also nicht die auslegung des psalmens
/ wie ich <fol. G 4r> mir sie durch Gottes hülff vorgenommen /
volbracht werden. Ein solch pancket248 schencket vns damals der
Teufel. Aber Gott sey lob vnd danck / er richtet wenig darmit aus
/ das Fewer wurde bald gestilt / vnd gieng on sonderlichen scha-
den ab.
Dieweil aber Ewer Erbarkeiten vnd günsten zum theil mich münd-
lich vnd durch andere leute haben ansprechen lassen / dz ich die-
selbige damals gefaste vnd nicht vollendete predigt / dem Teufel zu
verdries schreiben / vnd in truck ordnen wolte / habe ich E. E.
vnd g%nsten wilfaren vnd zu dienstlichem gefallen folgen wollen
/ vnd in dieser vorred ein wenig die trawer haut249 dem Teuffel her-
für ziehen / vnd ans liecht stellen wollen / auff dz ich jm als ein
getauffter Christ / vnd sein abgesagter250 Feind auch ein dorn in die
241
in ein bewerlein] in einen kleinen Käfig. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1175.
242
zuberücken] in die Falle zu locken. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1529.
243
Sir 9,24. Sprichwörtlich. Vgl. Wander 5, Sp. 196.
244
weisen] zeigen. Vgl. Grimm, DWb 28, Sp. 1089.
245
S. o. S. 166, Anm. 101.
246
Ps 47,1–10.
247
sörglich] Sorge erregendes, gefährliches. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1800.
248
pancket] Banket, hier ironisch gebraucht. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1422f.
249
trawer haut] Nicht bei Grimm, DWb.
250
S. o. S. 178, Anm. 188.
wilhelm sarcerius, trauergeist 187
251
ein dorn in die klawen stecke] die Schuld auf ihn schiebe. Sprichwörtlich. Vgl. Wander
1, Sp. 679.
252
ein treffen thun] in einen Kampf eintreten. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 1656.
253
Marginal: Math. 11. Mt 11,29.
254
erbötig] erbietig. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 734.
255
Das ist der 10. August.
<fol. J 1r>
Der xlvij. Psal. vor
zu singen der Kinder Korah.
FRolocket mit Henden alle Völcker / Vnd jauchtzet Gott mit frö-
lichem schall.
Denn der Herr der Allerhöheste ist erschrecklich / Ein grosser König
auff dem gantzen Erdboden.
Er wird die Völcker vnter vns zwingen / Vnd die Leute vnter vnsere
füsse.
Er erwelet vns zum Erbtheil / Die herrligkeit Jacob / den er liebet
/ Sela.
Gott fehret auff mit jauchtzen / vnd der Herr mit heller Posaunen.
Lobsinget / lobsinget Gott / Lobsinget / lobsinget vnserm Könige.
Denn Gott ist König auff dem gantzen Erdboden / Lobsinget jm
klüglich.
Gott ist König vber die Heiden / Gott sitzet auff seinem heiligen
Stuel.
Die Fürsten vnter den Völckern sind versamlet zu eim Volck dem
Gott Abraham / Denn Gott ist sehr erhöhet bey den Schilden
auff Erden256.
256
Ps 47,1–10. Zitate aus und Anspielungen auf diesen Text werden im folgenden nicht eigens
nachgewiesen.
wilhelm sarcerius, trauergeist 189
257
klumpffen] Klumpen. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 1293.
258
Vgl. 1Kor 1,18.
259
verblenter] verblendeter. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 140.
260
wilfertigen] willfährigen. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 179.
261
Heuptfesten] Emendiert aus: Heupfesten
190 teil iii ‒ editionen
262
Marginal: Actor. 1. Apg 1,6.
263
dadurch] Emendiert aus: daduich
264
Marginal: 1. Timoth. 2. 1Tim 2,5.
wilhelm sarcerius, trauergeist 191
meil von vns geschieden / auff das Firmament / das er mit seiner
Menschheit / weder im hochwirdigen Sacrament leiblich sein / noch
in der gleubigen Hertzen wohnen mög265 / machen also aus Christi
vnermeslichem Stuel / der da gehet vber Himel vnd Erden / einen
Kinderstuel / darinne er jr ewiger gefangener sein müsse. So doch
wie S. Paulus leret / Christus gen Himel auffgefaren / auff das er
alles erfülle266 / vnd hat sich gesetzt zu der Rechten / der Maiestet
in der höhe / so viel besser worden denn die Engel / so gar viel
ein höhern Namen er für jnen ererbet hat267.
Die Epicurer oder rochlose268 Weltkinder / spotten dieses Artickels
/ wie auch der andern / vnd geben mit jhren bösen vnchristlichen
Wercken zuuerstehen / das sie nichts weniger gleuben / denn das
Christus gen Himel gefaren / vnd jnen ein ewiges Erbe erworben
vnd bereitet habe / sonst würden sie <fol. J 3v> ja etwan die Hand
zum Hertzen schlagen / vnd auch dencken / wie sie zu Christo in
solch Erbe komen mögen / vnd sich hüten für den schedlichen din-
gen / die sie am Himmel hindern.
So tregt sichs vber das auch zu / das die rechte Christen manch-
mal diesen Artickel / ehe sie es gewar werden / in schwerer anfech-
tung vnd Creutz / aus dem hertzen vnd vnter den henden verlieren
/ das sie anfangen zu zweiffeln / als lege Christus noch im grabe
/ hette jrer vergessen / were nicht gen Himel gefaren / were nicht
ein Schutzherr seiner Kirchen vnd Gleubigen worden. Vnd sind die-
ses fals die lieben Ertzueter vnd Propheten vns weit für zuziehen
vnd zu loben. Denn sie haben von diesen vnd andern Artickeln
vnsers Glaubens / so gewis vnd vngezweiffelt geredt / das sie die-
selben one allen zweiffel gegleubet haben / ob sie wol noch lange
zeit hernach erst erfüllet / vnd ins werck gebracht sind worden /
widerumb wir / so da wissen / vnd teglich in vnserm Glauben
bekennen / das alles ergangen vnd volendet sey / vnd darzu der
Propheten / Aposteln vnd Euangelisten Schrifft teglich hören ausle-
gen / stellen vns darzu / als hielten wirs schier für Lügen / vnd
hörens nicht anders / als sonst ein Geschicht vnd Meerlein / las-
sens also zu einem ohr eingehen / zum andern wider aus269. Darumb
265
Vgl. Eph 3,17.
266
Marginal: Ephes. 4. Eph 4,10.
267
Marginal: Heb. 1. Hebr 1,3f.
268
rochlose] ruchlosen. Diese Form nicht in Grimm, DWb.
269
Sprichwörtliche Redensart. Vgl. Röhrich 4, S. 1115.
192 teil iii ‒ editionen
es nicht vnnötig vnd ein vergebliche mühe vnd arbeit ist / das man
die Zeugnis von der Himelfart Christi / aus der Schrifft zusamen
lese vnd wol einbilde / vnd diesen Artickel vleissig lerne / <fol. J
4r> auff das man den Lestermeulern begegenen könne / vnd an der
Himmelfart Christi in allen nöten ein bestendigen trost haben.
Also hören wir auch nu im vorgelesenem Psalm eine herrliche
Weissagung von dem Herrn Christo / wie er werde gen Himel faren
/ vnd ein HErr vnd König sein vber die Erden / Jm ein gewaltig
Reich anrichten werde / doch nicht durch eusserliche Waffen /
Schwerd / Büchsen / Stangen / vnd wie man jhm werde vnd sol
dienen / Nemlich / mit frolocken / mit jauchtzen / lobsingen vnd
Posaunen / das ist / durch die tröstliche Predigt des heiligen Euangelij.
Vnd wie zur zeit Josua / die Mauren von der Posaunen schal
vmbfielen270 / also was hoch ist vnd gewaltig sol nieder gerissen /
vnd vnter die gewald Christi gebracht werden. Vnd das ist die Summa
oder jnhalt dieses Psalms / der sich nach dem Text in zwey stücke
abtheilet.
Das erste stück ist / eine trewe Vermanung des Königlichen
Propheten Dauids an alle Völcker vnd Menschen auff Erden / das
sie sich frewen / frolocken / jauchtzen vnd dem Allmechtigen Gott
vnd herrlichen König lobsingen sollen.
Das ander stück / ist eine Erzelung etlicher erheblicher vnd genug-
samer vrsachen / die alle Menschen / vnd ein jedern Christen in
sonderheit bewegen sollen frölich zu sein / zu jauchtzen / zu loben
vnd in allen befohlenen Gottesdiensten sich vleissig zu vben vnd
zuuerhalten. Dis sind die fürnemsten stück in diesem Psalm / wel-
che vns nach anlei= <fol. J 4v> tung des Texts zubetrachten vnd
zu lernen fürfallen / wollen etwas daruon auff dismal reden vnd
anhören.
270
Jos 6,8–20.
271
Vnterthan] Emendiert aus: Vnterhan
wilhelm sarcerius, trauergeist 193
272
vnd] Emendiert aus: vn ( fehlender d-Strich über n).
273
entpfindet] empfindet. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 426.
274
Vgl. Mt 12,34.
275
Marginal: Psalm 116. Ps 116,10; 2Kor 4,13.
276
meniglichen] jedermann. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1591.
277
brauch] Emendiert aus: drauch
278
Leib vnd Seelen schade verkommen] dem Schaden des Leibes und der Seele zuvor-
gekommen. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 679.
279
Marginal: 1. Corinth. 13. Vgl. 1Kor 13,4ff.
194 teil iii ‒ editionen
/ wie sie jhn zu Eigen behalten / vnd niemands was daruon rei-
chen dürffe / aber die Christliche liebe ist / gutthetig / vnd beide
mit Geistlichen vnd leiblichen gütern milde / als / die da weis /
das sie darmit andern zu dienen schuldig ist / vnd jhrer freiwillig-
keit keinen verlust haben sol.
Zum dritten / der vnfleis vnd faulheit des grösten hauffens / zu
den waren Gottesdiensten. Denn gleich wie heutiges tages / also
würden auch zu je= <fol. K 1v> ner zeit mancherley Verechter
Gottes / vnd der befohlenen Gottesdienst gefunden.
Etliche280 lebten dahin wie das thumme281 Viehe / bedachten vnd
erkanten nicht ein mal die vielfaltigen Wolthaten so sie von GOtt
empfangen / viel weniger danckten sie jm dafür / vnd wusten der
Gaben Gottes nicht nützlich zugebrauchen.
Etliche ob sie wol anfiengen die Wolthaten Gottes zuerkennen /
vnd in den rechten Gottes diensten sich zu vben / wurden sie doch
von tag zu tag in dem vorsatz zum guten faul vnd verdrossen / lies-
sen sich die ékhd¤an die Geistliche Schlaffseuche also einnemen /
das die vorige lust vnd liebe zur ehre Gottes in jnen bald verlösche
vnd erkaltet.
Die letzten liessen die rechten Gottesdienste gar faren / vnd rich-
teten sonderliche Gottesdienste an / Gottes Huld vnd gnade darmit
zu erlangen / vnd durch eigen gesuchte vnd ertichte werck / den
Himmel zuuerdienen. Diesen allen wil Dauid mit dieser seiner ver-
manung dienen / vnd sie zu recht bringen.
Zum vierden verursacht jn zu dieser Exhortation, sein Königlich
Ampt / so er damals in verwaltung hette. Denn der Königliche
Prophet Dauid dencket weit hinter sich / vnd errinnert sich / warumb
jn Gott in die 10. jar wol habe tribuliern vnd verfolgen lassen / vnd
für der Tyranney Sauls doch so wunderbarlich beschützt / auch
endlich auff den Königlichen stuel gesetzet. Bedencket auch ferner
/ wie er in der Auffrhur seines Sons der jhm nach Leib vnd Leben
vnd nach dem Königreich stunde / <fol. K 2r> so gantz gnediglich
sey erhalten worden / vnd warumb jn Gott widerumb zum Regiment
bracht habe / nicht darumb / das er nu solte guter tage pflegen282
/ fressen / sauffen / jagen / spatziern reiten vnd allerley anderer
280
Etliche] Emendiert aus: Etl che
281
thumme] dumme. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1510.
282
pflegen] ‚pflegen‘ mit Genitiv hier im Sinne von ‚haben‘. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp.
1739.
wilhelm sarcerius, trauergeist 195
283
liegen dem König Dauid hart an] bedrängen den König David stark. Vgl. Grimm,
DWb 1, Sp. 401.
284
vierfechtigen] vierfachen. Vgl. Grimm, DWb 26, Sp. 294f.
285
Albius Tibullus, Carmina, lib. 3, elegia 6, v34, S. 81: „Difficile est tristi fingere mente
iocum <. . .>.“
196 teil iii ‒ editionen
286
her aus] Emendiert aus: heraus
287
Marginal: Esaie 53 Jes 53,4f.
288
Marginal: Psalm. 69 Ps 69,5.
289
Marginal: Cap. 1 1Kön 1,39f.
290
Marginal: Act. 3. Apg 3,7f.
wilhelm sarcerius, trauergeist 197
licher für ein geberde die aus dem vnglauben vnd zweiffelung291 geris-
sen / nun fest im Glauben bestehen / vnd den vorschmack des
Himels reichlich bey sich entpfinden292 vnd fülen293.
Von dieser jnnerlichen frewden redet S. Paulus in der Epistel an
die Römer also: Iustificati fide pacem habemus. Nu wir denn sind
gerecht worden durch den Glauben / so haben wir friede mit Gott
/ durch vnsern Herrn Jhesum Christ / durch welchen wir auch
einen zugang haben im Glauben / zu dieser gnad / darinnen wir
stehen / vnd rhümen vns der hoffnung / der zukünfftigen herrlig-
keit die Gott geben sol294. Solcher frewde lesen wir auch ein Exempel
/ von der Monica der Mutter Augustini295 / da sie eins mals zum
Sacrament gieng / vnd solche himlische ding vnd schetze bedachte
/ nemlich / das sie mit Christi Leib vnd Blut da gespeiset vnd
getrencket würde / vnd gerechtigkeit / vergebung der Sünden / vnd
ewiges Leben erlangete / ward sie also frölich / das sie für frew-
den auffsprunge / vnd sagete / was zeihen wir vns296 / das wir so
lang hie begern zu leben / Viui uolemus in coelum. Last vns jmer
bald lebendig gen Himel fliehen. Dieses jnnerlichen frolockens des
Gewissens ist voll gewesen / der alte Simeon / der den getrewen
Heiland Christum nicht allein in die blossen Arm / sondern in das
hertze beschlossen hatte / vnd sagte.
Herr nu las mich in fried vnd ruh /
Hinfarn / vnd mein augen thun zu / <fol. K 4r>
Nu leg mich schlaffen in mein grab /
Dweil ich den Heiland gesehen hab /
Den du für vns hast all bereit /
Zum heil der gantzen Christenheit /
Das er das ewig Liecht sol sein /
Den Heiden zum seligen schein /
Vnd das auch Jsrael darob
Hab herrligkeit vnd ewigs Lob297.
291
zweiffelung] schwankendem Glauben bzw. Verzweiflung. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp.
1035.
292
S. o. S. 193, Anm. 273.
293
Marginal: Act. 3. Vgl. Apg 3,10.
294
Marginal: Rom. 5. Röm 5,1f.
295
Bislang kein Beleg ermittelt.
296
was zeihen wir vns] was vermessen wir uns. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 512.
297
Im Anschluß an Lk 2,25–32.
198 teil iii ‒ editionen
298
Marginal: Matth. 17. Mt 17,1ff.
299
Mt 17,4.
300
Marginal: Phil. 1. Phil 1,23.
301
Aurelius Clemens Prudentius (gest. nach 405) war als Dichter tätig und von Beruf wahr-
scheinlich Rechtsanwalt, fungierte zweimal als Statthalter einer spanischen Provinz, war Inhaber
einer herausragenden Position im Militär oder bei Hofe, jedenfalls in der Nähe Theodosius’ I.,
unternahm 402/3 eine Reise nach Rom und zog sich sodann aus asketischen Beweggründen aus
dem öffentlichen Leben zurück. Vgl. Manser/Kurfess.
302
Prudentius, Liber Peristefanon, cap. 2: Passio Laurenti beatissimi martyris, CCSL 126,
S. 271, Z. 401–404: „‚Conuerte partem corporis | satis crematam iugiter | et fac peri-
clum quid tuus | Vulcanus ardens egerit.‘“
303
vertragen] ertragen. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 1930.
304
Marginal: Esaie 57. Jes 57,20.
wilhelm sarcerius, trauergeist 199
Der ander Gottesdienst ist / das man dem HErrn ein geuierdes305
sanctus singen sol / wie im Text stehet: Lobsinget / lobsinget Gott
/ Lobsinget / lobsinget vnserm Könige.
Was ist das aber für ein geuierdtes Lobsingen?
Das erste Lobsingen oder Sanctus ist / die Bekentnis / das man
den Gott / so man erkennet hat frey herausser bekenne / jn rhüme
/ lobe vnd preise / vnd jm für seine Wolthat dancksage / vnd
seine güte vnd warheit andern offenbare vnd verkündige / auff das
auch andere neben vns jhn rhümen / vnd für den allerhöhesten vnd
waren Gott achten / vnd <fol. L 1r> halten / vnd also durch vnser
bekentnis Gottes lob weit gebracht / vnd ausgebreitet werde / wie
Dauid an einem andern ort saget: Jch wil dich loben in der versam-
lung306 / ich wil dem Herrn singen / das er so wol an mir thut307
/ vnd von einem solchen Sanctus redet er auch im 8. Psalm: HERR
vnser herrscher / du hast dir aus dem Munde der jungen Kindern
vnd Seuglingen eine Macht zugericht vmb deiner Feinde willen /
das du vertilgest den Feind vnd den Rachgirigen308. Ein solchen
Lobgesang oder Sanctus singet Moises / da Gott die Kinder Jsrael
aus Egyptenland erlöset hatte / das must jederman wissen vnd erfa-
ren / Jch wil (fehet er an) dem HErrn singen / denn er hat eine
herrliche309 That gethan / Ross vnd Wagen hat er ins Meer gestürtzt310.
Die frome heilige fraw Debora / da sie den Sisseram des Cananiter
Königes Feldheuptman einen Nagel durch seinen Schlaff 311 getrie-
ben hatte / vnd jhn also getödtet312 / da singet sie dem HErrn vnd
spielet dem Gott Jsrael ein fein Dancklied / vnd mus nicht ver-
schwiegen bleiben / das Debora dem Sissera seinen Schlaff zuquit-
schet vnd durchboret / vnd der Herr Jsrael wider frey gemacht
hatte313. Desgleichen Sanctus singet vnserm HErr Gott die Gottfürchtige
Matron Hanna / da er jr einen Son bescheret hatte314 / Jtem Judith315
305
geuierdes] vierfaches. Vgl. Grimm, DWb 6, Sp. 4684.
306
Ps 26,12.
307
Marginal: Psalm 13. Ps 13,6.
308
Ps 8,2f.
309
herrliche] Emendiert aus: heerliche
310
Marginal: Exodi 15. Ex 15,1.
311
Schlaff ] Schläfe. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 270.
312
Ri 5,26.
313
Marginal: Jud. 5. Ri 5,1ff.
314
Marginal: 1. Samuel. 1. 1Sam 1,26–28.
315
Jud 9,1–15.
200 teil iii ‒ editionen
316
Lk 1,68–79.
317
Lk 1,46–55.
318
Apg 15,8.
319
Vgl. z.B. Ambrosius, De poenitentia, lib. 2, cap. 9, SC 179, S. 184, Z. 15–17.
320
Marginal: Matth. 5. Mt 5,16.
321
willen] Emendiert aus: wilren.
322
Marginal: Act. 5. Apg 5,41.
323
Vgl. Apg 7,55–59.
wilhelm sarcerius, trauergeist 201
Frage.
Wie lobsinget man aber dem Herrn klüglich?
Antwort also.
j. Wenn man sein Sanctus oder lobsingen / nach Gottes wort rich-
tet / das von Gott gleubet vnd bekennet / prediget / leret vnd rhü-
met / das er in seinem wort offenbaret hat / jhn auff die weise
anrufft / wie er wil angeruffen sein / vnd aus rechtem Ernst vnd
Eiuer / nicht aus Heucheley / auff ein schein / williglich vnd nicht
gezwungen GOtt dienet / Jtem / vmb Vnschuld vnd der Warheit
willen nicht als ein Mörder / oder Dieb / oder Vbeltheter leidet /
vnd schemet sich nicht als ein Christen Gott in solchem fal zu
ehren326. Darumb D. Lutherus das wörtlein Klüglich am rande also
glosieret / das man im predigen / das wort mit vleis handle / vnd
324
Tertullian, Apologeticum, cap. 50, CSEL 69, S. 120, Z. 60: „semen est sanguis
Christianorum.“ Vgl. den Kommentar hierzu von Juan Luis de la Cerda, MPL 16, Sp. 536C:
„Non possunt Christiani persecutionibus imminui, quia si semen est eorum sanguis,
cujusque plus effusum fuerit, eo major promittitur fidelium proventus, sicut messis copiosa,
amplioris segetis praeparatio est.“
325
S. o. S. 195, Anm. 284.
326
Marginal: 1. Petri 4. 1Petr 4,15f.
202 teil iii ‒ editionen
darauff bleibe / nicht einhin327 schreie vnd plaudere / wie die wil-
den wüsten schreier / vnd Speier / vnd frechen Prediger / die da reden
was sie düncket328.
ij. So solches lobsingen alles herkömpt aus einem waren Glauben
/ das man auff solch lobsingen nicht pochet / noch trotzet / noch
etwas verdienstliches daraus machet / wie die groben werckheiligen
thun / sondern erkennet man sey es zu thun schuldig / vnd lauffe
doch jmmer noch viel schwachheit mit vnter / ja wie328a es alles mit-
einander was wir daher lallen vnd singen / sey lauter bettelwerck
vnd nichts gegen den Wolthaten GOttes vnd ewigem Leben / Gefalle
aber doch Gott wol <fol. L 3r> vmb Jesu Christi willen / an des
verdienst wir vns festiglich halten / vnd durch jhn für GOtt gerecht
vnd angeneme Kinder329 worden sein.
Vnd das sind die Gottesdienste / so von allen Menschen / vnd
auch von vns in diesem Psalm erfordert werden / vnd sollen wir
diese trewe vnd guthertzige vermanung des Königlichen Propheten
Dauids behalten vnd derselben folge leisten / sollen für allen din-
gen / den waren Gott nach seinem wesen vnd willen lernen erken-
nen / seiner güte vns trösten / an Christum gleuben / Gott vnd
sein wort frewdiglich bekennen / jhn allein anruffen / seinen gebot-
ten gehorsam sein / vnd letzlich widerumb alles hertzlich gern vmb
seines Worts vnd Namens willen leiden vnd dulden.
327
einhin] hinein. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 203.
328
Luther, WA.DB 10/I, 253 (Bibel 1545, Randglosse zu Ps 47,8): „(Klüglich) Das
man im predigen das wort mit vleis handele vnd drauff bleibe, nicht einhin schreie vnd
plaudere, wie die wilden, wüsten Schreier vnd Speier, vnd frechen Prediger, die da reden
was sie dünckt.“
328a
wie] Emendiert aus: die
329
Vgl. Eph 1,6.
330
sprenget] ‚sprengen‘ hier im Sinne von ‚einstreuen‘. Vgl. Grimm, DWb 17, Sp. 31f.
wilhelm sarcerius, trauergeist 203
Erdboden / Er wird die Völcker vnter vns zwingen / vnd die Leute
vnter vnsere füsse. Hie möchte nu einer fragen / ist das solcher gros-
ser frewde vnd hohes danckes werd / das GOtt erschrecklich ist /
vnd mit gewald vnd <fol. L 3v> zwang vmbgeht / Jch dechte das
solchs viel mehr den Menschen ein furcht vnd grawen machen solte
/ denn sie erfrewen? Antwort. Den Gottlosen machet es freilich eitel
hertzleid / vnd bekümernis / das Gott erschrecklich ist / Aber die
Gottseligen Leute trösten vnd frewen sich des. Denn Gott ist jnen
nicht erschrecklich / sondern gnedig / freundlich vnd gütig / vnd
an jm haben sie einen Allmechtigen vnd vnuberwindlichen Herrn /
der da wider seine / vnd jre der Kirchen feinde / den sieg allzeit
behelt / vnd die Sünde / den Tod / den Teufel / Helle vnd ewige
Verdamnis / also vberwindet vnd demütiget / das sie jm vnd allen
Gleubigen vnterworffen sein / vnd vnter seinen vnd jren füssen ligen
müssen / wie im 91. Psalm gesaget wird. Das die vnter dem schirm
des Allerhöhesten sitzen / vnd vnter dem schatten des Allmechtigen
bleiben / die sollen gehen auff Lewen vnd Ottern / vnd tretten auff
den jungen Lewen vnd Drachen331. So wil der Herr Herr auch stew-
ren332 / vnd der bösen Welt mit jhren Tyrannen in Zügel greiffen333
/ das sie nicht alles jres gefallens treiben müssen / vnd wider sei-
nen willen den Christen nicht sollen ein heerlein krümmen dürffen334
/ daher sie billich sich zu erfrewen haben vnd Gott lobzusingen vnd
zu dancken.
Die ander vrsache wird genommen / von der ewigen gnadenwalh
GOTTES / der wie S. Paulus schreibet / vns gesegenet mit aller-
ley Geistlichem Segen in Himlischen Gütern durch Chri= <fol. L
4r> stum / vnd vns erwhelet hat durch denselbigen / ehe der Welt
Grund geleget war / das wir sollen sein Heilig vnd Vnstreflich für
jhm / vnd hat vns verordenet zur Kindschafft CHRJSTJ / nach
dem wolgefallen seines willens335 / oder wie hie im Text stehet /
Der vns erwelet hat zum Erbtheil336 / das wir für seinen Augen nu
mehr die Herrligkeit Jacob / das ist / ein herrliches vnd angenemes
331
Ps 91,1.13.
332
stewren] lenken. Vgl. Grimm, DWb 18, Sp. 2639.
333
der bösen Welt < . . .> in Zügel greiffen] die böse Welt hemmen. Vgl. Röhrich 5,
S. 1778.
334
Marginal: Luce 12. Vgl. Lk 12,7.
335
Marginal: Eph. 1. Eph 1,3–5.
336
Ps 47,5.
204 teil iii ‒ editionen
337
Freiwalh] Erwählung zur Freiheit. Nicht in Grimm, DWb.
338
Marginal: 1. Cap. 4. 1Joh 4,10.
339
Marginal: Rom. 9. Röm 9,16.
340
S. o. S. 197, Anm. 291.
341
gezogen] bezogen. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 984.
wilhelm sarcerius, trauergeist 205
342
Marginal: Johan 20. Joh 20,17.
343
Vgl. Nicolaus Decius (Hovesch), Allein Gott in der Höh’ sei Ehr’, Str. 1, Wackernagel
3, S. 566f (Nr. 616) (= EKG 131, 1): „ALlein Gott in der höhe sey ehr | vnd danck fur
seine gnade, | Darumb das nu vnd nimermehr | vnd rüren kan ein schade: | Ein wolge-
fallen Gott an vns hat, | nu ist gros fried on vnterlas, | All fehde hat nu ein ende.“
344
anmassen] ‚anmaßen‘ hier im Sinne von ‚sich annehmen‘. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp.
405.
345
Marginal: Philip. 3. Phil 3,20.
346
Elisabeth Creutziger, Eyn Lobsanck von Christo, Str. 2, Wackernagel 3, S. 46 (Nr. 67)
(= EKG 46, 2): „Fur vns ein mensch geboren | im letzten teil der zeyt, | Der mutter
vnuerloren | yhr yungfrewlich keuscheyt, | Den tod fur vns zu brochen, | den hymel auf-
geschlossen, | das leben wider bracht:“
347
Marginal: Psalm 68. Ps 68,19.
206 teil iii ‒ editionen
bist in die höhe gefaren / vnd hast das <fol. M 1v> gefengnis gefan-
gen. Das wir nu den vortheil vnd gewin aus Christi Himelfart haben
/ das vns die sünde ob sie gleich in vnseren Beinen / Marck vnd
fleisch stecket / vnd gewaltig wület vnd wütet nicht sol verdammen.
Der Teufel / er schleiche gleich vmb vns her / als ein Beerwolff 348
vnd grimmiger Lewe / so sol er vns doch nicht zureissen noch
auffreiben können / vnser tod sol ein sanffter schlaff sein349<.>
Hellisch fewer sol mit seinen flammen vns keinen schaden thun kön-
nen / Jn Summa für aller verdamlicher Tyranney der Geistlichen
Feinden sollen wir nu mehr gesichert vnd gefreiet sein.
iij. So hat er durch seine Himelfart erlanget seiner Kirchen den hei-
ligen Geist / der vns in alle warheit leitet350 vnd darinnen erhelt /
auch in der anfechtung vnd todes nöten vnser Aduocat beistand vnd
Tröster ist. Wie er selbs sagt / Es ist euch gut das ich hin gehe zum
Vater / das ist / Leide / sterbe / aufffahre / mich zur rechten des
Vaters setze / denn so ich nicht hin gehen werde / so kömpt der
Tröster nicht zu euch / so ich aber hin gehe / wil ich jhn senden351
/ vnd daher singet die Christliche Kirche mit frölichem Hertzen vnd
munde.
Christus fuhr gen Himel /
Da sandte Er vns hernieder /
Nach seinem Wort den heiligen Geist /
Zu trost der gantzen Christenheit /352
iiij. So nützet vns Christus mit seiner auffart dieses / das er vns von
Himel herunter / als aus einer reichen Schatzkamer / allerley güter
vnd Ga= <fol. M 2r> ben zusendet vnd zukomen lest / derer wir
an seel vnd Leib nicht entrathen353 können / wie Dauid im 68.
Psalm singet / Du hast gaben entpfangen354 für die menschen355 /
vnd Paulus zun Ephesern leret / das Christus vber alle Himmel
348
Beerwolff ] Bärwolf, Werwolf. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1244.
349
Vgl. Joh 11,11–13.
350
Joh 16,13.
351
Marginal: Johan. 16. Joh 16,7.
352
Diese Strophe zitiert in leichter Abwandlung: Christophorus Solius, Christ fuhr gen Himmel,
Str. 1, Wackernagel 3, S. 956 (Nr. 1144) (vgl. EKG 90): „CHrist fuhr gen Himel, | was
sandt er vns erwider? | Den Tröster den heiligen Geist | zu trost der armen Christenheit.“
353
entrathen] entbehren. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 580.
354
entpfangen] empfangen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 577.
355
Ps 68,19.
wilhelm sarcerius, trauergeist 207
auffgefaren sey / auff das er alles erfüllet356 / das ist (wie es Lutherus
glosiert) das er alles in allen dingen wircke / vnd on jn nichts gethan
/ geredt noch gedacht werde357 / vnd wie da folget / Er hat etli-
che zu Aposteln gesetzet Etliche aber zu Propheten / Etliche zu
Euangelisten etc.358 Vnd darauff sihet auch der Apostel S. Jacob da
er spricht: Alle gute gabe vnd alle volkomene gabe kömpt von oben
herab / von dem Vater des Liechts359.
v. Jst Christus im Himel vnser ewiger Hoherpriester / der gegen
dem Vater für vns mittelt / vnd vnser gebet fürbringt / das es ange-
nem vnd erhöret werde / wie S. Paulus schreibet: Christus aufferwecket
von den todten / ist zur rechten Gottes vnd vertrit vns360. Jtem /
Johannes in seiner 1. Epistel: Ob jemand sündiget so haben wir ein
vorsprecher bey dem Vater Jhesum Christum der gerecht ist361 /
vnd zun Hebreern am 9. Christus ist eingegangen in das Heiligthumb
/ nicht das mit Henden gemacht ist / sondern in den Himmel selbs
/ zuerscheinen für dem Angesicht Gottes für vns362.
vj. Hat Christus endlich durch seine Himelfart die Lufft gereinigt /
vnd die ban gebrochen vnd richtig gemacht / das / ob wir schon
sterben vnd begraben werden / doch im grab vnd tod nicht bleiben
sol<=> <fol. M 2v> len / sonder dermal eins wider herfür komen /
aufferstehen / gen Himel faren / vnd das ewige Vaterland einne-
men sollen. Denn das der Herr wunderlicher weise von seinen Jüngern
aufferet in die höhe / wie ein Vogel vnd / verschwindet in der Lufft
/ das ist / er feret so hoch das seine Jünger jhn nicht sehen kön-
nen / das ist ein anzeigung / was für leibe wir nach diesem abster-
ben vberkomen363 sollen. Jetzt sind vnsere Leib schwer / vngelenck
/ langsam / Aber wenn wir von toden aufferstehen / vnd newe
Leibe vberkomen werden / die werden wol rechte Leibe von fleisch
vnd bein / vnd allen gliedmassen sein / Aber sie werden nicht mehr
so schwer vnd vngelenck sein / sondern wie wir mit gedancken jetzt
356
Marginal: Cap. 4. Eph 4,10.
357
Luther, WA.DB 7, 201 (Bibel 1546, Randglosse zu Eph 4,10): „(Alles erfüllen) Das
er alles in allen dingen wircke vnd on jn nichts gethan, geredt, noch gedacht werde.“
358
Eph 4,11.
359
Marginal: Cap. 1. Jak 1,17.
360
Marginal: Rom. 8. Röm 8,34.
361
Marginal: Cap. 2. 1Joh 2,1.
362
Hebr 9,24.
363
vberkomen] empfangen, bekommen. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 345.
208 teil iii ‒ editionen
behende da vnd dort sein / also werden wirs damals364 mit dem
Leibe thun können / neben dem das es fortan sollen vnsterbliche
Leibe365 sein / die weder essens noch trinckens bedürffen / vnd nim-
mermehr an gesundheit mangel haben werden366.
Welche nu also die krafft vnd frucht der Himmelfart Christi be-
trachten vnd anschawen / Die werden allerley schwermut vnd
trawrigkeit können ausschlagen / vnd vrsach gnug vnd vberflüssig
haben / sich zu frewen vnd Gott zu dancken.
Die vierde vrsache fleust aus der vorigen / das Gott aufferet mit
jauchtzen / vnd der Herr mit heller Posaun / das ist / das Christus
solche seine Auffart vnd Wolthat derselbigen / durch die Predigt des
Euangelij jedermenniglich367 lest verkündigen vnd fürtragen / wie
denn die Aposteln daruon weit <fol. M 3r> vnd breit geleret haben
/ vnd noch heutiges tages alle Prediger oder Kirchendiener in der
gantzen werden368 Christenheit / von dem nutzen des leidens / vnd
sterbens der Aufferstehung vnd Himmelfart Christi singen / vnd
sagen / rhümen / vnd predigen. Wenn die Himelfart Christi heim-
lich geschehen / vnd verborgen were gehalten worden / so hetten
wir billich zu trawren vnd kleinmütig zu sein / als die wir aller
hoffnung vnd trostes mangelten / Aber dieweil nach der Weissagung
364
damals] Hier mit Bezug auf die Zukunft. In dieser Bedeutung nicht in Grimm, DWb
2, Sp. 701, wo behauptet wird, ‚damals‘ trete erst im 17. Jahrhundert auf.
365
Vgl. 1Kor 15,42–44.
366
Marginal: Lutherus in der Hauspostill. Luther, EA 4, S. 2f (Hauspostille [nach Veit
Dietrich — dieser Text nicht in WA]): „Da ist erstlich das Wunderwerk billig zu beden-
ken, daß der Herr wunderbarlicher Weise von seinen Jüngern auffähret in die Höhe, wie
ein Vogel, und verschwindet in der Luft, das ist, er fähret so hoch, daß seine Jünger ihn
nicht sehen können. Denn in der Luft fahren ist den Menschen ein ungewöhnlich, ja gar
ein unmöglich Ding. Eines Menschen Leib hat von Natur die Art, daß er, wie ein Stein
oder ander schwer Ding, unter sich begehret. Nun aber hat Christus nach seiner
Auferstehung einen rechten Leib, der Fleisch und Bein hat, wie er selber sagt, Luc. 24,
und sich greifen läßt; dennoch ist’s ein solcher Leib, so der Natur halben, eben so wohl
kann in die Höhe, und über sich fahren, als unter sich. Das ist eine Anzeigung, dabei
wir lernen mögen, was für Leiber wir nach diesem Absterben überkommen sollen. Jetzt
sind unsere Leiber schwer, ungelenk, langsam; aber wenn wir von den Todten auferste-
hen, und neue Leiber überkommen werden, die werden wohl rechte Leiber, von Fleisch
und Bein, und allen Gliedmassen seyn; aber sie werden nicht mehr so schwer und unge-
lenk seyn: sondern gleich wie wir mit Gedanken jetzt behend da und dort sind; also wer-
den wir’s dazumal mit dem Leibe können thun <. . .> Der Herrlichkeit sollen wir an
unserm Leibe, nach diesem Leben, auch gewarten; neben dem, daß es fortan sollen
unsterbliche Leiber seyn, die weder Essens noch Trinkens bedürfen, und nimmermehr
an Gesundheit Mangel haben werden.“
367
S. o. S. 193, Anm. 276.
368
werden] werten. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 446.
wwilhelm sarcerius, trauergeist 209
369
Marginal: Cap. 14. Sach 14,4.
370
( ] Emendiert aus: /
371
Röm 1,16.
2. SIMON MUSÄUS, NÜTZLICHER BERICHT [. . .] WIDER
DEN MELANCHOLISCHEN TEUFFEL (1569)
Einleitung
1
Vgl. Mahlmann. DBA 878, 340–355.
simon musäus, melancholischer teuffel 211
2
S. u. S. 241.
3
S. u. S. 242.
<fol. A 1r>
Nützlicher
Bericht / vnnd Heilsammer
Rath aus Gottes Wort / wider den
Melancholischen Teuffel / Allen
schwermütigen vnnd trawrigen hertzen /
zum sonderlichen beschwerten4 trost /
Labsall vnnd Ertzney
gestellet
Durch
SIMONEM MVSAEVM
der heyligen Schrifft
Doctor
Mache dich selbs nicht trawrig / vnd plage dich nicht selbs / mit deinen eigenen
gedancken. Denn ein frölich Hertz ist des menschen leben / Vnd seine freude ist
sein langes leben. Thu dir guts / vnd tröste dein Hertz / vnd treib trawrigkeit
ferne von dir / Denn trawrigkeit tödtet viel Leuthe / vnnd dienet doch nirgend
zu. Eiuer vnd zorn verkürtzen das leben / vnd sorge macht alt vor der zeit5.
M.D.LXIX.6
<fol. A 1v vacat>
4
beschwerten] nachdrücklichen. Nicht bei Grimm.
5
Sir 30,22–26.
6
HAB Wolfenbüttel Alv. Ba 78 (1). ULB Halle/S. AB 155729 (7). Vgl. VD 16 M
5041. Eine zweite Auflage wurde 1572 publiziert (HAB Wolfenbüttel 1164.123 Theol. [2]
und Alv. Ba 83 [6]). Vgl. VD 16 M 5042. Eine spätere Auflage erschien unter abweichendem
Titel: Simon Musäus, Speculationischer Teuffel / Darin heilsamer Bericht vnd Rhat / aus Gottes
Wort zusamen gefasst / vnd gezogen / womit man die Melancholische Teuffelische gedancken
von sich treiben sol / Allen bekümmerten vnd schwermütigen Hertzen zu Trost <. . .> beschrie-
ben, Magdeburg: Andreas Gehe <Drucker> — Simon Hüter <Verleger> 1579 (UB Rostock
Fm-4545.2). Vgl. VD 16 ZV 10925.
<fol. A 2r>
Dem Erbaren /
vnnd Namhafften / Caspar
Göbel7 / Bürger inn Dantzig / mei=
nem günstigen Herren vnnd
Freunde.
7
Caspar Göbel (ca. 1520–nach 1605), gebürtiger Königsberger, war seit 1577 Münzmeister
in Danzig. DBA II,457,137f.
8
S. o. S. 178, Anm. 188.
9
gefeyert] von seinem Werk abgelassen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1436.
10
hart vor] kurz vor. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 508.
11
Sprichwörtlich. Vgl. Röhrich 2, S. 417: „Das schlägt dem Faß den Boden aus: das gibt
den Ausschlag, macht das Maß voll, macht gewaltsam Schluß“.
12
Apk 12,12.
214 teil iii ‒ editionen
Christus Matthei am 24.13 also auß / das es alles eitel voll Rotten
vnd Secten / vnd verfolgung vber der Lere sein werde / zur ver-
fürung vnd verderbung der Seelen / vnnd eine vnerhörte Schlachtbanck
<fol. A 3r> durch Krieg / Hunger vnd Pestilentz zur verderbung
des Leibes vnnd des zeitlichen lebens / das nicht wunder were / ob
jederman blutige threnen darüber weinete. Vnd dennoch solle der
Teufel den mehrer theil leuthe so gar verstocken / dz sie nichts
dafür sorgen / sondern mitten im höchsten vnglück prangen / pan-
cketieren14 / bruder rausch15 vnd Hans ohne sorgen16 sein / Wie
S. Paulus in der ersten zun Thessalonichern am 5. saget / Wenn
sie werden sagen / Es ist friede / Es hat keine gefahr / so wird sie
das verderben schnel vberfallen17. Jtem / der HErr Christus Luce
am 17. Es wirdt gehen / wie zu zeitten Noha / da sie assen / trun-
cken / freyeten / vnnd liessen sich freyen / biß die Sündflut kam
/ vnd brachte sie alle vmb18.
Aber doch / in dem der HERRE Christus widerumb Luce am
21. saget / Es werde den leuten bange sein / vnnd werden zagen
/ vnd verschmachten für forcht / vnnd warten der ding / die komen
sollen auff Erden19 / Zeiget er an / <fol. A 3v> das gleichwol nicht
jederman / mit dem nassen gesindtlich 20 vnter des sauff vnd
Fraßteufels21 Fehnlein werden sitzen / sondern etliche werden sich
vber der betrübten zeit bekümmern / vnnd vonn dem Melancholischen
Teuffel grewlich zuplaget22 / vnnd eines theils auch verschlungen
werden / die sich nicht wissen zu trösten.
Dieweil denn nuhn vnter solchen hauffen / auch viel frommer
Christen sind / welchen der Melancholische teufel zum wenigsten
engstlichen schweiß vnnd seufftzen außdringet23 / ob er sie nicht gar
inn verzweiffelung bringen kan / vnd der HERRE Christus sie sel-
ber so hertzlich tröstet / sie sollen jre Heubter vber allen betrübten
13
Mt 24,6–12.
14
pancketieren] feiern. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1423.
15
Sprichwörtlich. Vgl. Wander 3, Sp. 1509.
16
Sprichwörtlich. Vgl. Wander 3, Sp. 1124.
17
1Thess 5,3.
18
Lk 17,26f.
20
gesindtlich] Gesindel (in verächtlicher Bedeutung). Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 4116.
21
Fraßteufels] Emendiert aus: Fraßtenfels
22
zuplaget] zerplackt, durch Plagen beschädigt. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 730.
23
außdringet] Hier im transitiven Gebrauch: auspreßt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 846.
simon musäus, melancholischer teuffel 215
24
Lk 21,28.
25
Röm 8,28.
26
2Kor 1,3f.
27
Vgl. Matthäus Friedrich von Görlitz, Wider den Sauffteuffel 1552.
28
Vgl. Albert Blanckenberg, Von Juncker Geitz vnd Wucherteuffel / so jetzt in der Welt in
allen Stenden gewaltiglich regieret. An alle Stende des Teutschen Reichs geschrieben, in: Sigmund
Feyerabend (Hg.), Theatrum Diabolorum 1569.
29
Vgl. Andreas Musculus, Vom zuluderten / zucht vnd ehrerwegnen / pluderichten Hosen
Teuffel 1555.
30
Vgl. z.B. Andreas Musculus, Wider den Ehteuffel 1561. Eine große Anzahl von Teufel-
Schriften und -typen kompiliert: Sigmund Feyerabend (Hg.), Theatrum Diabolorum 1569.
31
gemelte] erwähnten. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1994.
32
2Kor 11,14.
216 teil iii ‒ editionen
33
jrrunge <. . .> inn ewer Kirchen] Musäus nimmt Bezug auf die gegenreformatorischen
Bestrebungen, die in Westpreußen und Danzig v.a. von Stanislaus Hosius vorangetrieben wurden:
1565 Einrichtung eines Jesuitenkollegs in Braunsberg, 1568 Rückgabe des 1564 eingezogenen
Dominikanerklosters an die Altgläubigen in Danzig. Neumeyer I, 90.
34
verhöre] Anhörung. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 579.
35
Röm 16,17f.
simon musäus, melancholischer teuffel 217
36
andern Sontage Trinitatis] 11.6. veteris styli bzw. 21.6.1569 novi styli.
37
Lk 16,19–31.
<fol. A 6v>
38
sich beneme] sich benenne, ihren Namen habe. Frühneuhochdeutsches Wörterbuch 1, Sp.
1292f.
39
Hippokrates aus Kos (* kurz nach 460) gilt als der berühmteste Arzt der Antike. Unter
seinem Namen sind zahlreiche medizinische Schriften überliefert, in denen u.a. die Viersäftelehre
entwickelt wird. Vgl. Potter/Gundert, Art. Hippokrates; Meyer, Art. Hippokrates.
40
Galenus (129–ca. 216), griechischer Philosoph und Mediziner, Rezipient und Kommentator
u.a. Platons und des Aristoteles, schuf auf der Basis hippokratischer Lehren das bis weit in die
Neuzeit kanonische medizinische System der Humoralpathologie. Vgl. Nutton, Art. Galenos; Kudlien,
Art. Galenos; Bäumer-Schleinkofer/Krafft, Art. Galenos.
41
Ps 2,11.
42
anschlegen] Plänen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 440f.
simon musäus, melancholischer teuffel 219
43
sorgfeltig] angsthaft, bekümmert. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 1792.
44
meers] In Custode statt dessen: Meers
45
Jer 17,9.
46
Tauben] albernen Einfällen. Vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 168.
47
Vgl. Sir 30,26.
48
Mt 6,13.
49
Joh 14,26; 15,26; 16,7.
220 teil iii ‒ editionen
seiner hand vnd willen schweben / sondern wir sehen sie allein an
in den causis secundis, das ist / in den Creaturen ausser Gott vnnd
seinem Wort / nach der blinden vernunfft / vnnd des Melancholischen
Teuffels eingebung. Darumb werden wir auch betrogen / nicht
anders / denn als wenn einer <fol. A 8v> alle ding durch ein gema-
let glaß ansehe / das / was für Gott schedlich vnd böse ist / das
lieben vnnd begeren wir für nützlich vnnd gut / Was aber für Gott
nützlich vnd gut ist / das fliehen vnd hassen wir als schedlich vnd
böse. Gehen also mit lautern betrieglichen Gespensten vmb.
Darzu schleget auch die vermessenheit / das wir vns düncken las-
sen / alle sachen / hendel vnd geschefft stehen inn vnser Gewalt /
sorge / geschickligkeit vnd fleiß / das wir sie nach vnserm willen
vnd gefallen mögen führen / lencken / mehren / vnnd erhalten /
vnd wie wirs abmessen vnnd abzirckeln / so muß es gehen / vnnd
nicht anders. Gehet es denn also hinauß / wie wirs angeschlagen50
haben / lassen wir vns lauter Götter düncken / vnd beten das Werck
vnser hende an. Gereth es aber anders (wie denn Gott zur straff der
vermessenheit / gemeinlich gehet ein andere Bahn / wenn wirs auffs
klügest greiffen an) so hengen wir die köpfe als die verzagte Heyden /
murren wider Got / das ers nicht nach vnserm <fol. B 1r> Kopff
gemacht hat / geben jm schuld / er nehme sich vnser gar nicht
an / sondern lassen es alles nach dem Glücksrade durch einander
gehen / vnd plumpsweise51 gerathen / Oder regiere vns also / das
er einem jeglichen bald vonn ewigkeit versehe vnnd beschliesse sein
anfang / mittel vnnd ende / wie es jhm zeitlich vnd ewig gehen
solle / vnd wz er sein lebenlang für Glück oder vnglück haben solle.
Vnd was Gott ein mal ordene / da laß er es bey wenden52 / vnd
endere es nimmermehr / Also / dz welche leuth Gott ein mal ver-
ordnet hat zur Armuth / Kranckheit vnd verdamnis / dieselbigen
mögen solchem vnglück nicht entgehen / sondern müssen on alle
barmhertzigkeit darin verderben / vnd mögens Gott weder abbitten
noch abbüssen.
Das ist denn eine recht grewliche Melancholey / dadurch Got
glat verleugnet wird / mit seinen fürnembsten tugenden / als mit
seiner gnade vnnd Barmhertzigkeit / das er sich keines elends jam-
50
angeschlagen] beabsichtigt, veranschlagt. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 443.
51
plumpsweise] plötzlich, von ungefähr. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1945.
52
da laß er es bey wenden] dabei lasse er es bewenden. Vgl. Grimm, DWb 28, Sp.
1796f.
simon musäus, melancholischer teuffel 221
mern lasse. Jtem / mit seiner Warheit / das er nicht gebe was <fol.
B 1v> er zusagt. Jtem / mit seiner Allmechtigkeit / das er nicht alle
not wenden könne. Jtem / mit seiner Weißheit / dz er nicht alles
wisse noch sehe. Darüber gehet auch vnter / aller Glaube / Hoffnung /
Gedult vnnd Gebet / Jn summa / die gantze geistliche Gesundheit
der seelen / vnnd nimpt vber handt jre inwendige kranckheit / ja
der geistliche todt selbs mit trostloser furcht / sorge / gram / vnsin-
nigkeit / vnd endtlicher verzweiffelung. Daraus weiter folget auch
des Leibs verderbung vnd vntergang.
Denn dieweil der Leib mit der seelen in eine Person zusammen
verbunden ist / wie ein herberge an jren Wirt / vnd wie ein Knecht
an seinen Herrn / so muß er auch mit jr guts vnnd böses leiden.
Wenn nun die Seele von dem Melancholischen teufel mit hefftigen
sorgen vnd schmertzen gemartert / gebraten vnd gesoten wird / so
verdorret vnd verwelcket auch der leib / wie eine blume von bren-
nender hitz vnd sonne / das Gehirn wird im Kopff verrückt / <fol.
B 2r> das Hertz wird mat / der magen wirt schwach / alle lust
vnd freude zu essen / zu trincken vnd zuschlaffen vergehet / vnnd
werden dardurch die aller geschwindesten Kranckheiten erreget /
als der Schlag / die Darre vnnd anders. Wie Salom: Pro. 17. sagt
/ Ein frölich hertz macht das leben lustig / Aber ein betrübter mut
vertrucknet dz Gebeine53. Dergleichen Syrach am 38. Von trawren
kompt der Todt / vnd des Hertzen Trawrigkeit schwechet die kreffte54.
Das hat Dauid wol versucht / Darumb er im 39. Psalm klagt / Jch
gehe den gantzen tag trawrig / meine lenden verdorren gantz / vnd
ist nichts gesundes an meinem leibe55. Das ist / das Moses Deuter.
am 28. sagt / Der HERR wird dir geben ein bebendes Hertz / ver-
dorrete Seele / vnnd verschmachte Augen / das du vnsinnig wer-
dest / für dem / das deine augen sehen müssen / darumb das du
dem Herren deinem Gott nicht gedienet hast mit freude vnd lust
deines Hertzens / das es dir wolginge / vnd du alles genug hattest56.
<fol. B 2v>
Darumb sind die grausame scheden / so aus der Melancholey
wachssen / diese / Nemlich / das sie durch jhre vermessenheit vnnd
vnglauben / Gott den HErren mit seinem segen / schutz vnnd geleit
53
Prv 17,22.
54
Sir 38,19.
55
Ps 38,7f.
56
Dtn 28,65.34.47.
222 teil iii ‒ editionen
von vns abwendet / vnnd wirfft vns vnter seinen fluch vnd zorn /
das wir vergeblich tichten57 vnd arbeiten / sintemal wir vns zu wider
dem ersten Gebot / gleich auff Gottes Stul setzen / greiffen jm inn
sein Regiment / rauben jm seine Göttliche Ehre / wollen vns ohn
seinen danck58 selbs reich / gesund vnd selig tichten / welches die
aller höheste Abgötterey / Schmach vnd vnehre Gottes ist / die er
nicht kan vngerochen59 lassen. Wie Jeremias am 2. saget: Also mustu
jnnen werden / was für jammer vnnd Hertzenleid es bringe / den
HErrn deinen Gott verlassen / vnd jn nicht fürchten / spricht der
HErr Zebaoth60.
Darnach tödtet vnd verderbet die Melancholey (wenn man jr nach-
henget) beide die Seele / vnd den leib / welche billich heylige vnd
stille wohnunge vnd Tempel des heyligen Geysts61 <fol. B 3r> sol-
ten sein / vnd sich in Gott frewen / vnd ruhen / mit hertzlicher
furcht / vertrawen vnd gedult / das wir mit Dauid auß dem 62.
Psalm möchten rhümen / Meine Seele ist stille zu GOtt / der mir
hilfft62. Jtem / Psalm 65. Gott / man lobet dich in der stille zu
Zion63. Jtem / Esaie 30. Wenn jr stille bliebet / so würde euch
geholffen / durch stille sein vnnd hoffen würdet jr starck sein64.
Aber die schendtliche Melancholey vertreibet den heyligen Geist
/ vnd ladet zu Gast den bösen Geist / der machet denn aus vnser
Seel vnd leib ein lauter Rhumorhauß65 / oder ein vngestümm Meer
/ das für vnnd für auff vnd nider gehet / brauset vnnd scheumet
mit sorgen / Grillen / Hummeln66 / vnd Tauben67 durch einander
/ da jmmer ein gedanck den andern treibt / vnd eine vnruhe die
ander jagt vnd schleget. Wie der Prophet Esaias 57. sagt / Die
Gottlosen sindt wie ein vngestümm Meer / das nicht stille sein kan
/ vnnd seine Wellen kot vnd vnflat außwerffen / denn die Gottlosen
haben nicht friede / spricht mein Gott68. Damit wir <fol. B 3v>
57
tichten] sinnen, nachdenken. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1059.
58
S. o. S. 166, Anm. 100.
59
vngerochen] ungerächt, ungestraft. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 22f.
60
Jer 2,19.
61
1Kor 6,19.
62
Ps 62,2.
63
Ps 65,2.
64
Jes 30,15.
65
Rhumorhauß] Polizeihaus, Gefängnis. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1486.
66
Hummeln] tollen Gedanken. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1904.
67
S. o. S. 219, Anm. 46.
68
Jes 57,20f.
simon musäus, melancholischer teuffel 223
69
Sir 30,22–26.
70
2Kor 7,10.
71
Mt 6,27.
72
nacht] Emendiert aus: nach
73
S. o. S. 215, Anm. 31.
224 teil iii ‒ editionen
74
Koh 8,16f.
75
her schlecht] schlägt. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1163.
76
Sir 18,6f.
77
obermeldtes] des oben genannten. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 914.
78
Koh 3,9–11.
79
Koh 3,14.
80
Koh 3,15.
81
S. o. S. 218, Anm. 42.
simon musäus, melancholischer teuffel 225
82
Jes 14,27.
83
Jes 28,29.
84
Koh 4,7 u.ö.
85
Vgl. Sap 2,1.
86
greiflich] handgreiflich. Vgl. Grimm, DWb 9, Sp. 49.
87
filtz] Geizhals. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1633.
88
Landleuffer] Landstreicher. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 122.
89
1Sam 25,11.
90
1Sam 25,37f.
91
S. o. Anm. 87.
226 teil iii ‒ editionen
vnnd lest ein Knecht im hause beide jr Weib vnd Güter besitzen /
nach dem Spruch Salomonis / Eccles: am 2. Gott gibt dem Sünder
vnglück / das er samle vnd heuffe / vnd doch dem gegeben werde
/ der GOtt gefelt92.
Also ists auch gangen dem Könige Saul / der sich mit aller macht
vnterstanden / das Königreich erblich auff seine Kinder zu bringen
/ durch allerley geschwinde Prackticken / Also / dz er auch zu letzt
durch die Zauberer93 / den Teufel selbs vmb rath vnnd hülff ersuchte
/ vnangesehen / das er wuste / Got hette das Königreich vmb sei-
nes vngehorsams willen dem Dauid zu geschantzet. Darumb hat er
auch den Teufel damit also zu Gast geladen / das er jhm weder
tag noch nacht ruhe gelassen / biß er mit erbermlicher verzweiffelung
ins Messer felt94 / vnnd er= <fol. B 7r> sticht sich selber / vnd ver-
leuret / Leib / Seele / Königreich / sampt allen Kindern vnd
Geschlecht95 / zum mercklichen Spiegel allen grossen Herren vnd
Potentaten / darinn sie sehen / wie sie Gott mit beraubung jrer
Herrschafft vnd außrottung jhres Geschlechts / ja auch mit verkürt-
zung jres lebens vnd verlust jhrer Seelen straffe / wenn sie Gott
nicht fürchten / vnd durch vnbilliche griff jre Heerschafften meh-
ren / vnd auff jhre nachkommen gedencken zubringen. Wie Salomo
Eccle: 4 saget / Es kompt offt einer aus dem gefengnis zum Königreich
/ vnd widerumb ein ander der inn seinem Königreich geboren ist
/ verarmet96. Dergleichen saget Syrach am 10. GOtt ist wunderbar-
lich inn seinen Wercken / vnd niemand weiß was er thun will / Es
ist manchem die kron auffgesetzt / auff den man nicht gedacht hette
/ vnd vil grösser Herren sein zu boden gangen / vnnd gewaltige
Könige sind andern in die hende kommen97 / Darumb heist es / wie
abermals Salomo Prouerb. 20. saget / From vnd warhafftig <fol. B 7v>
sein behüten den König / vnd sein thron bestehet durch frömigkeit98.
Jtem / Dauid 112. Psalm. Wol dem / der den HERREN fürchtet
/ der grosse lust hat zu seinen geboten / des Same wirdt gewaltig
sein auff Erden / das Geschlecht der Frommen wird gesegnet sein99.
92
Koh 2,26.
93
1Sam 28,7–25.
94
1Sam 31,4.
95
1Sam 31,6.
96
Koh 4,14.
97
Sir 11,4–6.
98
Prv 20,28.
99
Ps 112,1f.
simon musäus, melancholischer teuffel 227
Nichts bessers ist auch gerathen Ahitophel dem stoltzen vnnd ver-
messenen Hoffschrantzen / welcher Dauids Oberster / vnd geheim-
ster Rath gewesen / Also / das wenn er etwas geredet / hat mans
angenomen / als hette es Gott selbs von Himmel geredt / vnd hat
sich seiner Klugheit so hoch erhaben / dz er gedacht / er hette
den König Dauid sampt seinem Reich gantz vnd gar in seinen
Henden / das er jhn möchte außheben / wenn er nur selbst wolte /
vnd seinen Sohn Absolon an seine statt setzen / vnd sich darbey
also begrasen100 / das es weder Er / noch seine Kinder möchten
verzehren. Da jhm aber GOTT durch Dauids gebet bewogen /
vnuersehens inn die <fol. B 8r> Karthen greiffet / vnd seine listige
anschlege verhindert / vnd zu nichte machet / wird er so Melan-
cholisch darüber / das er sich selbs drüber erhenckt101 / zur abschew
allen vermessenen klugen / vnd verschlagenen Räthen / das sie
sehen / wie sie zu Hoff / so hoch vnnd fest nicht können sitzen /
Gott kan sie leichtlich aus dem Sattel heben / vnd machen / das
vntrew zu letzt jren eigenen Herren schlage102. Wie Salomo / Prouerb.
12. saget / Eins weisen Mannes Rath wird gelobet / Aber die
Tücke103 werden zuschanden104.
Ja / was sage ich allein von den Gottlosen / die bloß als lauter
fleisch vnd blut gelebet / gesorget / vnnd melancholisirt haben /
Mann sehe an die grosse Heyligen / die durch beywohnung des
heyligen Geistes mit Gottes furcht / Glauben / Hoffnung vnd gedult
auß aller macht wider den melancholischen Teufel gefochten / den-
noch hat er jnen so hart zugesetzt / das sie sich sein kaum erwe-
ret haben.
Mit dem lieben Hiob bracht ers <fol. B 8v> so weit / das er im
neundten Capitel seines Buchs sagt / Meine seele wündschet erhan-
gen zu sein / vnd meine gebeine den Todt / Jch begere nicht mehr
zu leben105. Dergleichen klagt auch Dauid in seinem Psalter hin vnnd
wider sehr jemmerlich drüber / als im 77. Psalmen / Meine Handt
ist des Nachts außgereckt / vnnd lest nicht abe denn meine Seele
100
sich darbey also begrasen] „sich begrasen“ hier im Sinne von „an wolstand zuneh-
men“. Grimm, DWb 1, Sp. 1306.
101
2Sam 17,23.
102
Sprichwörtlich. Vgl. Wander 4, Sp. 1485.
103
Tücke] hinterlistigen Pläne. Grimm, DWb 22, Sp. 1518.
104
Prv 12,8.
105
Hi 7,15f.
228 teil iii ‒ editionen
wil sich nicht trösten lassen / Meine augen heltest du / das sie
wachen / Jch bin so anmechtig106 / das ich nicht reden kan107.
Ja eben der Salomo selbs inn seinem Prediger Buch / welchs er
wider die Melancholey geschrieben / klaget er / wie jhm die
Melancholische Grillen im Kopff vmbgangen / das er gerne gewust
het / wie es nach seinem tode mit seinem Königreich würde gehen
/ ob es seine Kinder behalten / oder verlieren würden / vnd het
es gern verhütet / aber er hat es müssen bleiben lassen / wie es
Gott geschickt hat / vngeachtet seiner grossen weißheit vnnd klug-
heit / Wie er107a im 3. Capitel gemeltes108 Buchs saget / Mich ver-
droß aller <fol. C 1r> meiner arbeit / die ich vnter der Sonnen
hatte / das ich dieselbige einem Menschen lassen müste / der nach
mir sein solte / Denn wer weiß ob er weise oder toll sein wird? vnd
sol doch herrschen inn aller meiner Arbeit / die ich weißlich gethan
habe / vnter der Sonnen109 / vnd zwar / was jhn geanthet110 hat
/ das ist jm widerfaren / denn Rehabeam sein toller vnd tyranni-
scher Son / hat es schier gar verloren vnd verschüttet111.
Damit auch niemand gedencke / ja / vorzeiten hat der
Melancholische Teufel also regieret / vnd die Leute also geplaget
vnnd verderbet / jetzt aber ist er tod / oder hat sein alt handt-
werck vergessen / So fühlen wirs nicht allein an vnser eigen Person
teglich / wie vnns die schwermütigkeit so offt vberfellet / vnnd in
vnserm beruff hindert / vnd an gesundtheit schwechet112 / sondern
sehens vnnd hörens auch an andern leuthen / wie sich einer hie /
der ander dort zu tod gremet / oder ersticht vnd erseufft / nicht
allein in armut vnd mangel / sondern offt auch mitten inn <fol. C
1v> fülle vnd Reichthumb / das mancher reicher Bawer gefunden
wirdt / hangendt vber dem hauffen Korn / oder Geldtkasten / das
jederman muß greiffen113 vnnd sagen / Das Spiel hat niemand ange-
richtet / denn der Melancholische Teufel auß der Hellen.
106
anmechtig] ohnmächtig. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 404.
107
Ps 77,3.5.
107a
er] Emendiert aus: es
108
S. o. S. 215, Anm. 31.
109
Koh 2,18f.
110
jhn geanthet] er geahnt, vorhergesehen. Vgl. Frühneuhochdeutsches Wörterbuch 1, Sp.
1066.
111
Vgl. 1Kön 14,21ff.
112
schwechet] Emendiert aus: schwechen
113
greiffen] begreifen. Vgl. Grimm, DWb 9, Sp. 25.
simon musäus, melancholischer teuffel 229
114
witzig] verständig. Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 891.
115
zabeln] sich abarbeiten. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 8.
116
zu scheittern gehen] scheitern, zugrundegehen. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 2482–2484.
117
wider zustehen] zu widerstehen. Vgl. Grimm, DWb 29, Sp. 1281.
118
Ps 30,6.
230 teil iii ‒ editionen
119
Röm 12,11.
120
das wir mit jm die hand im sode haben] daß wir uns einmischen. Vgl. Grimm,
DWb 16, Sp. 1396f.
121
Ps 55,23.
122
Ps 37,4f.
123
Geschrenck] der eingeschränkte Raum. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3962.
124
S. o. S. 222, Anm. 66.
125
Gen 3,5.
126
jm in die handt zusehen] Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 356: „der verlangende und von
wohlthaten abhängige sieht einem geber in, auf die hände“.
simon musäus, melancholischer teuffel 231
thun stehet nicht in seiner gewalt / vnd stehet inn niemandes macht
/ wie er wandele / vnd seinen weg richte127. Darumb wil ich mein
heubt mit allen sorgen / sanfft in Gottes schoß legen vnd sprechen:
Wolan / du frommer vnd getrewer Gott128 / dir sey mein Leib vnd
Seel / Weib vnd Kindt / Hauß vnnd hoff / zeitlichs vnd ewigs
leben befolhen / denn du durch deine vnmeßliche weißheit / sihest
alle personen / gescheffte vnd gelegenheit / was mir frommet oder
schadet / darumb wirstu meinen nutz vnnd heil nicht verschlaffen.
Du durch deine grundlose Barmhertzigkeit in Christo dem mitler
liebest mich wie ein Vater sein kind / vnd hast schon so vil auff
mich gewant / nemlich / deines Sohns blut / Tauff / Wort vnnd
Geist / biß du mich erlöset vnd mich zum Christen gemacht hast
/ darumb wirst du mich nicht also inn die Schantze schlagen129 /
vnd verderben lassen / du durch <fol. C 4r> deine Göttliche Allmech-
tigkeit / hast alle Creaturen / gute vnd böse gewaltiglich in deiner
hand / darumb / was du mir gönnest vnnd bescherest / das wirdt
mir niemand hemmen noch nemen / warumb wolte ich mich denn
gremen vnd bekümmern / ob mir gleich nicht alles nach meinem
sinn vnd willen gehet. Denn was für mir gut ist / das ist für dir
böse / vnd was für mir böse ist / das ist für dir gut.
Das heist denn recht mit sorgen gebürliche masse gehalten / vber
alle hohe Berge des glücks / vnnd vber alle tieffe thal des vnglücks
/ inn GOttes väterlichen willen vnd schutz sich geschwungen / vnd
von aller Melancholey einen seligen sabbath vnd Feyerabend gemacht
/ vnd mit dem 62. Psal. gesagt: Meine seele ist stille zu Gott / der
mir hilfft130. Jtem / mit dem drey vnd sibentzigsten Psalm: HErr du
leitest mich nach deinem rath / vnd nimest mich entlich mit ehren
an / wen ich nur dich habe / so frage ich nichts nach Himel vnd
Erden131. Das ists das Got fordert <fol. C 4v> im 46. Psalm / vnd
spricht / Seit stille / vnd erkennet / das ich Gott bin / Jch wil
ehre einlegen132.
127
Jer 10,23.
128
1Kor 10,13.
129
inn die Schantze schlagen] Vgl. Röhrich 4, S. 1301: „Etw. in die Schanze setzen,
legen oder schlagen bedeutet also eigentl.: etw. auf einen Wurf setzen, es einsetzen als Gewinn für
den, der am höchsten würfelt“. Hier aber wohl doch im Sinne von ,besiegen‘.
130
Ps 62,2.
131
Ps 73,24f.
132
Ps 46,11.
232 teil iii ‒ editionen
O wie sicher ist / der sein Datum dahin setzet / vnnd sein ziel
so hoch stecket. O wie sanfft schlefft der / der ein solch Pulster133
zun Heubten hat / das da heisset / Got sorget für mich. O wie viel
Jahr ersparet jhm der an seinem leben vnd gesundtheit / der da
teglich wider die Melancholische Seuche / diß heilsam Aqua vite
gebraucht. Denn dieweil die Seele innwendig frisch / frölich vnnd
starck ist / mit Glauben / Hoffnung vnnd Gebett gegen Gott / so
gedeyet auch der Leib außwendig. Wie Salomo Prouerb. 18. sagt /
Wer ein frölich hertz hat / der weiß sich inn seinem leiden zuhal-
ten / Wenn aber der Muth liegt / wer kans ertragen134? Jtem /
Prouerb. 15. Ein gutter muth ist ein teglich wolleben / Aber ein
betrübter hat nimmer keinen guten tag135. Jtem / der Fürst Nehemias
tröstet im 8. Capitel seines Buchs / das betrübte Volck / so aus
dem Babilonischen Gefengknis wider komen war / <fol. C 5r>
Bekümmert euch nicht / denn die freude am HErrn ist ewer stercke136.
Es glaubts aber niemandt / denn ders versucht / wie schwer es
sey / solcher gestalt der Melancholey sich zu erwehren / zuuor auß
/ wenn man sie zimlich tieff schon hat lassen einwurtzeln / denn
wo wir hingehen oder stehen / so schleichet sie vns hinden nach /
klebt an wie Pech / auch mitten in geschefften / vnnd will kurtz-
umb mit vns / als eine verschembte Teufelsbraut bulen. Zeucht vns
jmmerdar von leuthen zu winckel / das wir vnns verkriechen / sawer
sehen / den Kopff in die Handt fassen / die Hende winden137 /
tag vnnd nacht achtzen vnnd seufftzen / gerade als were Himel vnd
Erde nichts / denn eitel lauter voller Teufel / Stricke vnd messer
/ die auff vns zieleten / vnnd nirgend keinen trost / heil noch ret-
tung verhanden.
So ist vnser alter Vetter Adam gantz geneigt dazu / lest offt die
gantze Haußhaltung stehen / Gehet mit der Melancholey zu bette
/ vnnd lest sich von jr also zu drucken138 vnd zu hertzen139 / <fol.
C 5v> das wir selbs klagen / Ach ich habe mich zu gremet140 / das
ich kaum ein halber Mensch bin / Mein hertz im leib ist schweer
133
Pulster] Kissen, Polster. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1986.
134
Prv 18,14.
135
Prv 15,15.
136
Neh 8,10.
137
Hende winden] Ein Gestus der Klage. Vgl. Röhrich 2, S. 654.
138
zu drucken] stark drücken, zusammendrücken. Vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 331.
139
zu hertzen] heftig liebkosen. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1230.
140
zu gremet] zergrämt, durch Gram aufgerieben. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 693.
simon musäus, melancholischer teuffel 233
/ wie ein stein / vnd alle meine Glieder / wie sie zuschlagen141 vnd
geradbrecht weren. Solchem jammer zu wehren / so hat vns Gott
wider solche Melancholische Marterwoche zweyerley Ostern zuhal-
ten / das ist / zweyerley krefftige mittel zu gebrauchen / on vnter-
laß befolhen.
141
zuschlagen] zerschlagen. Nicht in Grimm, DWb.
142
Prv 12,25.
143
gebeine] In Custode statt dessen: Gebeine
144
Prv 16,24.
145
Plutarch, Consolatio ad Apollonium 102B, in: Plutarch’s Moralia, vol. 2, S. 110: ,,cux∞w
går nosoÊshw efis‹n fiatro‹ lÒgoi.“
146
Menander, Sententiae, S. 58,439. ,,LogismÒw §sti fãrmakon lÊphw mÒnow.“ Vgl.
Plutarch, Consolatio ad Apollonium 103F, in: Plutarch’s Moralia, vol. 2, S. 118: ,,Krãtiston
dØ prÚw élup¤an fãrmakon ı lÒgow ka‹ ≤ diå toÊtou paraskeuØ prÚw pãsaw toË b¤ou
tåw metabolãw.“
147
Eph 6,16.
148
dreyfeltige] dreifache. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1379.
149
Koh 4,12.
234 teil iii ‒ editionen
Prouerb. 27. Ein messer wetzet das ander / vnd ein Mann den
andern150.
Darumb sollen schwermütige leut nicht gerne allein sein / son-
dern allezeit jemandt vmb sich haben / der sie wacker vnnd mun-
ter halte. Sonst ist ein mensch allein dem teufel zu schwach / <fol.
C 6v> vnd wird leichtlich vberteubet151. Wie die Exempel außwei-
sen / das Heua / da sie allein gewest / im abwesen152 jhres Mannes
Adam verfüret ist153. Vnd der HErr Christus wird auch vom Teufel
angefochten / nicht da er zu Nazareth bey seinen Eltern / sondern
inn der Wüsten154 / da er allein gewest / Also geschihet noch heu-
tiges tages am meisten vbels / wenn die leut allein sindt.
Zum andern / Wirdt neben dem gesprech wider die Melancholey
auch gelobet ein messiger trunck Weins. Wie der 104. Psalm saget
/ Der Wein erfrewet des Menschen Hertz155. Jtem / Salomo Prouerb.
31. Gebt Wein den betrübten Seelen / das sie trincken / vnd jres
elends vergessen / vnnd jhres Vnglücks nicht mehr gedencken156.
Jtem / Syrach 32. Der Wein erquicket dem menschen das leben /
so man jn messig trincket / vnnd was ist das leben / da kein Wein
ist? Der Wein ist geschaffen / das er den Menschen sol frölich
machen / der Wein zur nottdurfft getruncken / erfrewet Leib vnnd
Seele / Aber so man sein zu vil trincket / bringet er das hertze-
leidt157. <fol. C 7r>
Zum dritten / Wird auch nicht weniger die Musica gepreiset /
als der edlen gaben vnnd krefftiger Mittel eins wider die Melancholey.
Wie Syrach am 44. zeuget / dz vorzeitten die hochberhümbten Leut
vnnd heylige Väter Musicam gelernet / vnd Geistliche lieder getich-
tet haben158. Jtem im 32. Cap. sagt er / Gleich wie ein Rubin inn
feinem Goldt leuchtet / also ziret ein Gesang das Mahl159 / das ist
/ Musica ist das beste Gericht / vnd Wildpret inn ehrlichen Collationen
vnd Gastboten160 / bringet fröligkeit / vnnd vertreibet die Melancho-
150
Prv 27,17.
151
vberteubet] taub gemacht, betäubt. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 592.
152
im abwesen] in Abwesenheit. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 153.
153
Gen 3,1–6.
154
Mt 4,1.
155
Ps 104,15.
156
Prv 31,6f.
157
Sir 31,32–36.
158
Sir 44,5.
159
Sir 32,7.
160
Gastboten] Gastgeboten, Gastereien. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 1472. 1478.
simon musäus, melancholischer teuffel 235
161
1Sam 16,23.
162
2Kön 3,15.
163
Röm 14,17.
164
obgemelten] oben erwähnten. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1994.
165
Koh 2,22–24.26.
236 teil iii ‒ editionen
166
Paschkallen] Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1482: „Paschkalieren, verb., schles. paschka-
lern, wahrscheinlich entstellt aus pokulieren“.
167
Wolher] Wohlan! Vgl. Grimm, DWb 30, Sp. 1163.
168
Koh 2,1.
169
Meyenblumen] Maiglöckchen. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1476.
170
Sap 2,6–9.
171
obberürts] oben genannten. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1537.
172
Koh 11,9.
173
Koh 12,13f.
simon musäus, melancholischer teuffel 237
Gebott vnd Gericht gedencken / so kan man nicht <fol. D 1v> frö-
lich sein / es macht schwer vnd Melancholisch geblüt. Aber Salomo
hat recht wol geredt / damit er dem hunde einen knüttel an den
halß binde174 / vnnd scheide die gebürliche freude von der vnge-
bürlichen / vnnd zeige an / sollen die obgemelten175 drey eusserli-
che Mittel / wider den Melancholischen teufel krefftig sein / so
müssen sie nach Gottes Geboten reguliert vnd gemessiget werden /
wo nicht / so mache man nur vbel erger / vnd lade nur den
Melancholischen Teufel desto mehr zu Gast / als / wenn man mit
böser Bursche im Luder176 liegt / von vnzüchtigen dingen Gesprech
vnnd Gesellschafft helt. Dawider sagt S. Paulus in der 1. Corinth.
15.177: Böse Geschwetz verderben gute sitten178 / darumb ist besser
allein hinter dem Ofen gesessen / vnd mit Weib vnd Kindern / als
den Haußpapagoyen179 / vnd Spielvögeln kurtzweil gehabt / wenn
mans ja nicht besser haben kan. Dergleichen wenn man der Musica
vnd des Weins mißbrauchet / zur trunckenheit / vnd teglichem
schlampamp180 / darüber schulden <fol. D 2r> gemacht / des beruffs
gescheffte verseumet / vnnd das Gebet sampt allen guten vbungen
zurstöret wird / da ists besser Wasser / denn wein getruncken /
den pflug auff dem Acker hören knarren / denn die Sackpfeiffe in
Krethschmer181 kirren182 vnd schallen. Wie Salom: Ecclesiast: 7. sagt
/ Es ist besser in dz Klaghauß gehen / denn in das Trinckhauß /
denn in jenem ist das ende aller Menschen / vnd der lebendige
nimpts zu hertzen / Es ist besser trawren / denn lachen / denn
durch trawren wird das hertz gebessert183. Dergleichen sagt auch
Esaias 5. Wehe denen / die des Morgens früe auff sind / des sauffens
sich zu fleissigen / vnd sitzen in die nacht / dz sie der wein erhitzt
/ vnd haben harffen / paucken / psalter184 / pfeiffen vnd wein in185
174
einen knüttel an den halß binde] Sprichwörtlich: sein Treiben erschwere. Vgl. Grimm,
DWb 11, Sp. 1532.
175
S. o. S. 235, Anm. 164.
176
im Luder] in sündlichem Wohlleben. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1232.
177
15.] Emendiert aus: 15. sagt
178
1Kor 15,33.
179
Haußpapagoyen] Papageien. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1433.
180
schlampamp] Schwelgerei. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 436.
181
Krethschmer] Schenke, Schankwirtschaft. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 2175.
182
kirren] (hell) erklingen lassen. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 841.
183
Koh 7,2f.
184
psalter] „saiteninstrument von harfenähnlicher gestalt“. Grimm, DWb 13, Sp. 2199.
185
in] Emendiert aus: in in
238 teil iii ‒ editionen
jrem wolleben / vnd sehen nicht auff das werck des HErrn / vnd
schawen nicht auff das geschefft seiner hende. Daher hat die helle
jren Rachen ohne masse auffgethan / das hinunter faren beide jhre
herrliche vnnd pöbel / beide jre reichen vnd fröliche186.
Das alles ist gesagt nicht wider <fol. D 2v> die messige vnd zim-
liche ergetzligkeit vnd kurtzweil der schwermütigen vnd bußfertigen
Seelen / sondern wider dz Sewleben der ruchlosen / Epicurer vnd
weltkinder. Wie Salom: Prouerb. 15. saget / Den Thoren ist die
Thorheit eine frewde / Aber ein verstendiger mann bleibt auff dem
rechten wege187. Darumb sol gepürliche maß gehalten werden / so
wol mit fröligkeit als mit trawrigkeit. Denn gleich wie S. Paulus inn
der 2. Corinth. 7. von zweyerley trawrigkeit redet / Göttlicher vnd
Melancholischer / vnd saget / Die Göttliche trawrigkeit wircket zur
Seligkeit / ein rewe die niemand gerewet. Die trawrigkeit aber der
Welt wircket den tod188 / Also ist auch zweyerley fröligkeit / Epi-
curische vnnd Christliche. Die Christliche vertreibt den Melancholischen
Teuffel durch messigen Gebrauch der obgemelten189 mittel. Die
Epicurische aber ladet jhn desto mehr zu Gast / durch den miß-
brauch der mittel / Wie Luce am 16. an dem Reichen Mann zuse-
hen190 / der alle tag lebet inn frewden mit vnbußfertigkeit. Aber <fol.
D 3r> da Gottes Gericht vber jhn erwacht / da gibt jm die tolle
Weltfreude / gute nacht / vnd tritt an jre statt eine solche schreck-
liche melancholey / die sich mit keinem rausch wil abschwemmen191
/ noch wegsauffen lassen / sondern er fehret darüber mit verzweiffelung
dahin in Nobis Krug192 / da alle vnsinnige Sewfrewde hingehöret.
186
Jes 5,11f.14.
187
Prv 15,21.
188
2Kor 7,10.
189
S. o. S. 235, Anm. 164.
190
Lk 16,19–31.
191
abschwemmen] wegschwemmen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 112.
192
Nobis Krug] Wirtshaus der Hölle. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 864.
simon musäus, melancholischer teuffel 239
anruffung des heiligen Geists vmb trost / das jhm ein trawriger
Mensch aus der Bibel etwas lesen / oder ein Geistlich Liedt singen
lasse. Jst es aber ein Predigtag / so gehe er in die Kirche / höre
das Wort / bete vnd dancke Gott mit der Christlichen versamlun-
gen / vnnd lasse für sich bitten. Solche Geistliche mittel müssen den
<fol. D 3v> obberürten193 eusserlichen zu hülffe kommen / sonst sind
dieselbige allein zu schwach wider den Melancholischen Teufel /
der sich mit blosser Gesellschafft / mit einem trunck Wein / vnd
Musica nicht lest schrecken noch verjagen / es sey denn sache /
das er den nachtruck Göttliches Worts vnnd Geists dabey spüre /
das ist jhm das rechte vnleidliche Creutz / Weyrauch / vnd gewei-
het Wasser / welchs er am meisten schewet vnd fleucht. Wie Jeremias
am 6. saget: Fraget nach dem vorigen wege / welches der gute weg
sey / vnd wandelt darinnen / so werdet jr ruhe finden für ewere
seele194. S. Paulus zun Ephesern 6. rhümet GOttes wort für des hey-
ligen Geistes schwert / dadurch angezündet wird der glaub / als
ein Schildt / außzuleschen die feurige Pfeile des Bösewichts195 / Wie
die gantze Kirche im 118. Psalm sagt: Sie vmbgeben mich allent-
halben / wie bienen / aber im Namen des HERRN / wil ich sie
zuhawen196. Jtem am 119. Psalm sagt sie / Grossen friden haben
HErr die jenigen / die dein Gesetz lie= <fol. D 4r> ben / Jch greme
mich / das mir das hertz verschmacht / stercke mich nach deinem
Wort / Wo dein Wort nicht mein trost gewest were / so were ich
vergangen in meinem elende197.
Darumb gleich wie die obgenante eusserliche Mittel / die schwer-
mütige an jrem leibe / vnd allen leiblichen sinnen / wider den
Melancholischen teufel erfrewen vnnd erquicken / also erfrewet vnnd
stercket sie Gottes Wort jnwendig an jhren Seelen / wenn sie damit
vmbgehen / so halten sie mit Got vnnd allen Engeln gesellschafft
vnnd Gesprech / hören die himlische Musicam / vnd werden vom
himlischen wein gleich truncken mit geistlicher frewde / Friede /
Glauben vnnd Hoffnung gegen GOtt. Wie der 36. Psalm mit ver-
wunderung saget / Wie thewer ist deine güte / O Gott / das men-
schenkinder vnter dem schatten deiner Flügel trawen / sie werden
193
S. o. S. 236, Anm. 171.
194
Jer 6,16.
195
Eph 6,16f.
196
Ps 118,12.
197
Ps 119,165.28.92.
240 teil iii ‒ editionen
198
Ps 36,8f.
199
Ps 10,14.
200
Ps 103,13.
201
Ps 146,6.
202
vberharret] allzu hart. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp. 296f.
203
endern] Emendiert aus: enden
204
Ps 77,11.
205
Falden] Falten.
simon musäus, melancholischer teuffel 241
schön vnd prechtig geschmückt / liecht ist dein Kleidt206. Ja vil mehr
sind das eitel lauter köstliche Malmasier207 Credentzer208 mit welchen
der H. Geist die schwermütige Hertzen inn der <fol. D 5v>
Trinckstuben Göttliches Worts erquicket / truncken vnd frölich macht
/ wie er sie in 34. Psalm so freundtlich herzu locket / vnnd spricht:
Schmeckt vnd sehet wie freundtlich der HErre ist209. Jtem / Esaie
55. Kompt her vnnd kaufft ohne Geldt / vnnd vmb sonst / Wein
vnd Milch / Höret mir doch zu vnd esset das gute / so wird ewre
seele in wollust fett werden vnd leben210.
Ein solcher teglicher Gast inn der Collation Göttliches Worts /
vnd in der Trinckstuben des heyligen Geistes ist vorzeiten Dauid
gewesen / vnd hat darinn gar manche schwere Melancholey ver-
truncken / Wie er selber rhümet / im 23. Psalm: HErr Gott / du
bereitest für mir einen Tisch / gegen meine Feinde / du salbest
mein Haubt mit Ole / vnnd schenckest mir voll ein / Guts vnnd
Barmhertzigkeit werden mir folgen mein lebenlang / vnd werde im
Hause des HErrn bleiben jmmerdar211. Jtem / im 94. Psalm: Jch
hette viel bekümmernisse inn meinem hertzen / Aber deine tröstun-
gen / Herr ergetzen meine Seele212. <fol. D 6r>
Das sihet man auch in der that an jm / denn da jn Absolon sein
leiblicher Son auß dem Reich stösset / vnd stehet jm mit allem
Volck nach leib vnnd leben213 / das nicht wunder gewest / ob er
sich zu todt gegremet / vnd keine nacht kein auge zugethan hette
/ da singet er mitten im fehrlichsten sturm / dem melancholischen
Teufel zu verdrieß / den dritten Psalm / vnd spricht: Jch liege vnd
schlaffe vnnd erwache / denn der HErr helt mich / Jch fürchte
mich nicht für viel hundert tausenden / die sich vmbher wider mich
legen214. Dergleichen that er auch im 42. Psalm: Meine threne
(spricht er) sind zwar tag vnnd nacht meine Speise / weil man
teglich zu mir saget / Wo ist nu dein Gott? Aber was betrübst du
dich meine Seele / vnd bist so vnruhig inn mir? Harre auff Gott /
206
Ps 104,1f.
207
Malmasier] Malvasier. Eine griechische Weinsorte. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 1512.
208
Credentzer] Weingefäße. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 639.
209
Ps 34,9.
210
Jes 55,1f.
211
Ps 23,5f.
212
Ps 94,19.
213
2Sam 15.
214
Ps 3,6f.
242 teil iii ‒ editionen
denn ich werde jm noch dancken / das er mir hilfft mit seinem
Angesicht215.
Von disem Zechbruder solten wir lernen gleicher gestalt in der
geistlichen Trinckstuben des heyligen Gey= <fol. D 6v> stes ohn
vnterlaß pancketiren216 / vnd alle Melancholische anfechtungen vber
zeitlichem vnd ewigem leben vertrincken. Wie S. Paulus zun Philippern
am 4. alle Christen so trewlich darzu vermanet / vnnd spricht /
Frewet euch in dem HErren / Vnnd abermal sage ich / Frewet euch
/ der HErr ist nahe / sorget nichts / Sondern in allen dingen las-
set ewere Bitte im gebet vnnd flehen / mit dancksagung für GOTT
kundt werden / Vnd der friede Gottes welcher höher ist denn alle
vernunfft / beware ewre Hertzen vnnd sinne inn Christo Jesu217.
Derhalben / als offt vns der Melancholische Teufel plaget mit
sorge / furcht vnd bekümmernis vber allerley anstössen dieses zeit-
lichen lebens / wie es vns möchte ergehen / dieweil sichs zu einer
schweren vnnd gefehrlichen zeit anliesse / mit Hunger / Kriege vnd
Pestilentz / Oder vnsere narung schlüge vmb218 / wir weren darzu
kranck / vnd mit vilen Kindern beladen / vnnd so fort an. So sol-
len wir vns erinnern / was wir vnser lebenlang tröstliches <fol. D
7r> vom zeitlichen Leben in allen Büchern gelesen / oder in Predigten
gehöret haben / will vns denn nichts einfallen / (wie denn gemei-
nigklich zur zeit der anfechtung alle kunst zerrinnet / deren man
sonst im friede vol vnnd vber vol stecket) So sollen wir zum wenig-
sten mit den Kindern beten den ersten Artickel vnsers Christlichen
Glaubens / Jch gleube an Gott Vatter / Allmechtigen /
Schöpffer Himmels vnnd der Erden219. Die wort fleissig erwe-
gen / vnnd wie ein wolriechendes Kreutlein wol reiben / biß wir
jnen einen ruch angewinnen220 vnnd erkennen / Er heisse darumb
ein Schöpffer Himmels vnd der Erden / das er vns sampt allen
Creaturen221 / auß lauterm nichts geschaffen / mit Leib / Seele /
vnd allem was wir sind vnd haben. Ein Vater aber vnnd Allmechtiger
215
Ps 42,4.6.
216
S. o. S. 214, Anm. 14.
217
Phil 4,4–7.
218
schlüge vmb] ,umschlagen‘ hier im Sinne von „sich plötzlich ins gegenteil ändern“ (Grimm,
DWb 23, Sp. 1082), hier: ,wenn eine Mißernte entstünde‘.
219
Apostolisches Glaubensbekenntnis, BSLK, S. 21,7f.
220
einen ruch angewinnen] einen Geruch abgewinnen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 352f;
DWb 14, Sp. 1340.
221
Vgl. Luther, Kleiner Katechismus, BSLK, S. 510,33ff.
simon musäus, melancholischer teuffel 243
222
Sprichwörtlich. Röhrich 2, S. 603.
223
sich legern] sich legen, auflösen. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 70.
224
Apg 17,27f.
225
Lk 12,7.
226
Sach 2,9.
227
Recte: Ps 91,11–13.
244 teil iii ‒ editionen
228
gemühet] bemüht. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 2634.
229
Quitantz] Quittung. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 2380.
230
Jes 45,22.
231
Ez 33,11.
232
Lk 15,7.
233
GebMan 9.
234
Lk 23,42f.
235
Lk 8,2.
simon musäus, melancholischer teuffel 245
den lassen springen / vnnd vnsern mund auß dem 103. Psalm las-
sen singen: Lobe den HErrn meine seele / vnd was in mir ist (das
ist / alle Glieder vnd Kreffte / die durch die Melancholey verdor-
ret vnnd verschmachtet) seinen heyligen Namen: Lobe den HErren
meine seele / vnd vergiß nit / was er mir guts gethan hat. Der dir
alle deine sünde vergibt / vnd heilet alle deine gebrechen. Der dein
leben vom verderben erlöset / Der dich krönet mit gnade vnd barm-
hertzigkeit. Der deinen Mundt frölich macht / Vnnd du wider jung
wirst wie ein Adeler. Barmhertzig vnd gnedig ist der HErr / Gedultig
vnnd <von>236 grosser Güte. Er wird nicht jmmer haddern / Noch
ewigklich zorn halten. Er handelt nit mit vns nach vnsern sünden
Vnd vergilt vns nicht nach vnser Missethat. Denn so hoch der Himel
vber der Erden ist / Lest Er seine gnade walten / vber die / so
jhn fürchten. Wie sich ein Vatter vber Kinder erbarmet / so erbar-
met sich der HERR vber die / so jn fürchten237. <fol. E 2r>
236
<von>] Emendierend ergänzt.
237
Ps 103,2–5.8–11.
246 teil iii ‒ editionen
den Glauben an seine gnade / temperiren mit der furcht gegen sei-
nem zorn / das wir jn auß sicherheit nicht verachten / noch wider
jhn sündigen / Wie S. Paulus zu den Philippern am 2. vermanet /
Schaffet das jhr selig werdet mit furcht / vnd frewet euch mit zit-
tern238. Jtem / der 2. Psalm / Dienet dem HERRN mit furcht /
vnnd frewet euch mit zittern239. Jtem / der 147. Psalm / Der HERR
hat gefallen an denen die jn fürchten / Vnd auff seine Güte war-
ten240. Jtem / Syrach am 2. Die so jr den HErren fürchtet / ver-
trawet jm / denn es wirdt euch nicht fehlen / Die so jr den HErren
fürchtet / harret seiner gnade / vnd weichet nicht / auff das jhr
nicht zu grundt gehet241. Darumb hat Gott einer jeglichen dieser
zweyer tugenden einen besondern platz vnd werckstat bestimmet vnd
verordnet / sich darinnen zu vben.
Der Platz zur vbung der furcht GOttes / ist fürnemlich groß glück
vnd gute tage / wenn Gott ein liebli= <fol. E 3r> che vnd freundt-
liche Schönbärth242 für sein angesicht zeucht / verbirget seinen zorn
/ thut vnns alles guts / vnnd gibt vns gleich ein stücklein vom him-
melreich zu kosten. So sollen wir vns hüten / das wir jn ja auß
sicherheit / hoffart / vnd vermessensheit nicht verachten / seiner
wolthaten vnd gunst zu sünden nicht mißbrauchen / noch mit den
Creaturen wider jhn trotzen / als köndten vns dieselbigen inn vnsern
Sünden / wider seinen zorn schützen vnd decken / sondern sollen
im Spiegel seines Gesetzes betrachten / was er wider alle sichere
vnd vermessene Sünder für einen treflichen ernst wolle gebrauchen
vnnd wie einen starcken nachdruck vnd hinderhalt243 er darzu habe
/ Nemlich seine gestrenge Gerechtigkeit / seine vnmeßliche weiß-
heit / vnd seine allmechtige gewalt.
Durch seine gestrenge Gerechtigkeit / ist er der Sünden zum höch-
sten feind / vnd wil sie nicht leiden. Wie der fünffte Psalm saget:
Du bist nicht ein GOTT / dem Gottloß wesen gefelt / Wer böß
ist / der bleibet nicht für <fol. E 3v> dir / die Rhumretigen244 blei-
ben nicht für deinen augen / du bist feind allen Vbelthetern245. Jtem
238
Phil 2,12.
239
Ps 2,11.
240
Ps 147,11.
241
Sir 2,7.9.
242
Schönbärth] Maske. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 1486.
243
hinderhalt] Rückhalt. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1504.
244
Rhumretigen] Prahler. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1453f.
245
Ps 5,5f.
simon musäus, melancholischer teuffel 247
246
Hab 1,13.
247
Jer 23,23f.
248
Ps 94,8f.
249
Ps 94,11.
250
Sir 23,28.
251
Ps 139,7–12.
248 teil iii ‒ editionen
Derhalben kan kein Bube GOtt dem HErren auß seiner Herrschafft
vnd Gebiete entlauffen / er kan sie alle erreichen / darff 252 auch
keiner grossen mühe darzu / wenn er nur auffhöret einen zu seg-
nen / vnd saget jhm das Geleit auff / vnd fluchet jm / so ist er
schon geschossen / vnd muß zu boden gehen / wenn GOTT winckt
/ so müssen alle Creaturen / gute vnd böse / Engel vnd Teufel /
Fewer vnd Wasser / Todt vnd Helle / Krieg / Pestilentz / Hunger
/ Hencker vnnd Galgen im Harrnisch sein / den Buben nacheilen
/ vnnd von allen seiten zuschissen / hawen vnd stechen / biß sie
entweder zur buß vnd demut gebracht / oder inn grundt getilget /
vnd gefressen werden. Wie der 148. Psalm saget / Alle Wahlfisch /
alle tieffe Fewer / Hagel vnd Schnee die sein Wort außrichten253.
Also richteten sie sein Wort auß wider den Propheten Jonam / da
er GOTT dem HERREN wolte entflihen254 / vnnd seinem Beruff
nicht folgen / da war <fol. E 5r> auff das Meer / die Winde255 /
vnnd die Walfische256 / verlieffen jm alle stege vnd wege257 / vnd
hielten jn so lang auff biß das er sich mit Gott wider versönete /
vnd vmb seiner busse willen wider loß gegeben wardt258. Daher rhü-
met Gott billich / Deut. 32. vnnd spricht / Sehet jrs nun / das ichs
allein bin / vnnd sey kein Gott neben mir / ich kan tödten vnd
lebendig machen / Jch kan schlagen vnd heilen / vnnd ist niemandt
der auß meiner hand errette259.
Wenn wir also anschawen den Spiegel des Gesetzes / von Gottes
gestrenger Gerechtigkeit / damit er alle vbelthat verbeut / vnnd
seine vnmeßliche Weißheit damit er alle verbottene vbelthat sihet /
vnnd seine Allmechtigkeit / damit er alle gesehene Vbelthat straffet
/ so bleiben wir mitten im gelück vnnd guten tagen / Gottsfürchtig
vnd demütig / ob er vns gleich nicht straffet / sondern seinen zorn
vnd fluch mit eusserlichem segen vnd wolfahrt verbirget.
Der Platz aber zur vbung des <fol. E 5v> Glaubens260 vnd hoffnung
gegen Gott / ist sonderlich das creutz vnd vnglück / wenn Gott
252
darff ] bedarf. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1725.
253
Ps 148,7f.
254
Jon 1,3.
255
Jon 1,4.
256
Jon 2,1.
257
verlieffen jm alle stege vnd wege] schnitten ihm alle Stege und Wege ab. Vgl. Grimm,
DWb 25, Sp. 745.
258
Jon 2,11.
259
Dtn 32,39.
260
Glaubens] In Custode statt dessen: glau=
simon musäus, melancholischer teuffel 249
261
Vgl. Eph 4,22; Kol 3,9.
262
1Tim 2,5.
263
Röm 3,25.
264
Sir 11,26.
250 teil iii ‒ editionen
265
labetrunck] erfrischenden Trunk. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 8.
266
Recte: 1Sam 2,6f.
267
am dicksten] Hier im uneigentlichen Sinne (vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1074): am tiefsten.
268
Lk 16,25.
simon musäus, melancholischer teuffel 251
der HERRE lieb hat / den züchtiget er / vnd steupt einen jeg-
lichen Son / den er auffnimmt269. Daher auch GOtt selbst / Esaie
am acht vnnd zwentzigsten Capitel das Creutz sampt allen bösen
Tagen / nennet er ein frembdes Werck270 / darumb / das ers von
seiner natur nicht gerne thut / vnnd wolte es lieber vberhaben sein271
/ muß es aber gleichwol thun / <fol. E 8r> vmb vnsers vnuormeid-
liches nutzes vnd not willen / wil er vns anders für der ewigen
Hellen behüten / vnnd inn sein Himmelreich bringen. Denn wo ers
nicht thete / behilt er gewißlich vnser keinen / so gar geschwinde
zeucht vns das Fleisch am Halse inn sicherheit / vnd wir sind mit
widerstandt gar zu weich vnd zart / schonen der Haut / vnnd wöl-
len vnns nicht wehe thun. Darumb kompt vns GOtt mit dem Creutz
zu hülffe / vnd fasset vnser fleisch selbst recht zwischen die Sporn272.
Wie S. Paulus 1. Corinth. 11. sagt: So wir vnns selber richteten /
so würden wir nicht gerichtet / Wenn wir aber gerichtet werden /
so werden wir vonn dem HErren gezüchtiget / auff das wir nicht
sampt der welt verdampt werden273.
Derhalben lieber Christ / lerne dich im gantzen leben / also inn
die sachen schicken / das / wenn dirs wolgehet / nit trotzest noch
pochest / sondern fürchte dich denn am allermeisten / vnnd wisse
/ das du zur selbigen zeit <fol. E 8v> am aller fehrlichsten vnd
schlipfferigsten274 stehest / droben vber der Hellen loch / vnd plum-
pest275 gewiß hinein / wo dich GOtt durch das Creutz nicht nidri-
get / vnd durch den heyligen Geist regieret / vnnd in seiner forcht
behelt / Wie der 73. Psalm von allen ersoffenen in zeitlichen wol-
lüsten saget / HERR Gott sie sind nicht in vnglück wie andere
Leute / vnd werden nicht wie andere Menschen geplaget / Darumb
muß jr trotzen köstlich ding sein / Vnd jr freuel muß wolgethan
heissen / Aber du setzest sie auffs schlipfferige276 / Vnd stürtzest sie
zu boden / Sie gehen vnter vnd nemen ein ende mit schrecken277.
269
Hebr 12,5f.
270
Jes 28,21.
271
wolte es lieber vberhaben sein] wollte dessen lieber entledigt sein. Vgl. Grimm, DWb
23, Sp. 306.
272
fasset vnser fleisch selbst recht zwischen die Sporn] gibt unserem Fleisch selbst die
Sporen. Sprichwörtlich. Vgl. Wander 4, Sp. 731.
273
1Kor 11,31f.
274
schlipfferigsten] schlüpfrigsten, unsichersten. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 846.
275
plumpest] plumpsest, fällst. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1941f. 1944.
276
S. o. Anm. 274.
277
Ps 73,5f.18f.
252 teil iii ‒ editionen
278
1Kor 10,13.
279
Ps 30,6.
280
Thren 3,31–33.
281
Jes 66,2.
282
Sprichwörtlich. Nicht bei Wander.
283
1Tim 2,5.
simon musäus, melancholischer teuffel 253
AMEN.
<fol. F 2v>
284
aridum] Emendiert aus: atidum
285
Verkürztes Zitat aus der dritten und vierten Strophe der mittelalterlichen Pfingstsequenz
„Veni, sancte spiritus“, die auch in Confessio Augustana 20 (BSLK, S. 81,23–25) zitiert
wird: „O lux beatissima, | reple cordis intima | tuorum fidelium. | Sine tuo numine | nihil
est in homine, | nihil est innoxium || Lava quod est sordidum, | riga quod est aridum, |
sana quod est saucium: | Flecte quod est rigidum, | fove quod est frigidum, | rege quod
est devium“ (Wackernagel 1, S. 105 [Nr. 160]).
286
blödes] verzagtes. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 139.
287
siegeln] segeln. Vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 909.
288
1Kor 13,12.
254 teil iii ‒ editionen
Aber das ist der trost dagegen / das man solche Gedancken auß-
schlahe (damit mann sich selbs vergeblich krencket) vnnd fasse dafür
ins Hertz vnnd gedancken / die Wunderwerck Gottes inn den alten
Geschichten.
Da findet man / das allezeit sein Werck gewesen ist / den elen-
den / betrübten / verlassenen zu helffen / vnnd die sichern / stolt-
zen verechter zu stürtzen / wie er die Kinder Jsrael aus Egypten
erlösete. Darumb heissen sei= <fol. F 3r> ne wege verborgen / das
er da ist / vnnd hilfft da man meinet / es sey alles verloren / Das
soll man wol lernen.
Vnnd also wil vns dieser Psalm Gott zeigen / vnnd seine weise
zu helffen / lehren / Nemlich / das wir nicht verzagen an Gott /
wenns vbel gehet / sondern als denn auffs aller gewissest der hülffe
gewarten289 / vnd nicht vnsern gedancken gleuben290.
289
S. o. S. 184, Anm. 228.
290
Luther, WA 38,45,25–46,6 (Summarien über die Psalmen und Ursachen des Dolmetschens
1531–1533).
simon musäus, melancholischer teuffel 255
291
Luther, WA 38,27,14–20 (Summarien über die Psalmen und Ursachen des Dolmetschens
1531–1533).
256 teil iii ‒ editionen
Psalm. IX.
292
Ps 9,19.
3. VALERIUS HERBERGER, LEICHENPREDIGT AUF
FLAMINIUS GASTO (1618)
Einleitung
1
Vgl. Lauterbach, Vita, fama et fata Valerii Herbergeri. Wagenmann. Lauterbach,
Fraustädtisches Zion, S. 265–358. Cohrs. Schott. Krausse (mit weiterer Lit.).
2
Vgl. u. S. 264, Anm. 29.
3
S. o. S. 123–134.
<fol. A 1r>
JESUS
OMNIUM MEDICORUM PRIN-
CEPS ET DOMINUS.
SANATOR
Fidelium aegrorum & aegrotorum, ipsorum
quoque Medicinae Doctorum.
JESVS
Der HERR mein Artzt /
der fürnemeste / klügeste vnd allerglückseligste
Doctor, welchem keiner vnter seinen Patien=
ten ist gestorben.
Beschawet aus der letzten Zeil / Exod. 15.4
Jch bin der HERR dein Artzt.
I. Zu Ehren / seiner grossen Trew /
II. Zu gefallen / allen Doctoribus Medicinae,
III. Zum Gedechtnis aber / des tewren
H. DOCTORIS FLAMINII GASTONIS,
Fürstlicher Gnaden von Lignitz vnd Brieg / so
wol auch der löblichen Stadt Guraw5
trewen MEDICI.
Welcher seliglich entschlaffen Anno 1618.
den 5. Februarii, vnd den 21. hernach in grosser
Versamlung begraben worden.
<fol. A 1v vacat>
4
Ex 15,26.
5
Guraw] Guhrau, westlich von Glogau.
6
UB Rostock Fl-3384 (7).
<fol. A 2r>
7
Vgl. Historisches Ärztelexikon für Schlesien 2, S. 233f.
8
S. o. S. 258, Anm. 5.
9
RUDOLPHO] Emendiert aus: RODULPHO
10
Das ist der 13. Sonntag nach Trinitatis.
JESUS
OMNIUM MEDICORUM
PRINCEPS ET DOMINUS:
FELICISSIMUS SANATOR
fidelium aegrorum & aegrotorum,
ipsorum quoque Medicinae
Doctorum.
JESVS
Der Herr mein Artzt / der
fürnehmeste / glückseligste /
herrlichste vnd allerbeste Do=
ctor / welchem kein Patient ist
gestorben / der sich in seine
Curam hat begeben / Exod.
am 15.
Seiner Trewe zu Lob vnd Preiß /
Allen Doctoribus Medicinae zu ehren /
Besonders aber dem Edlen thewren
D. FLAMINIO GASTONI
zu schüldigem Gedächtniß.
Gesetzt von VALERIO HERBERGERO,
Anno 1618.
<S. 1>
DAs walt der HErr mein Artzt / der himlische allzeit glückseligste
ParadißDoctor / Jesus Christus / welcher mir vnd dir (lieber Leser
vnd Zuhörer) vielmal das Leben hat gerettet / welcher die meisten
Patienten hat / vnd welchem kein Patient jemals ist gestorben / der
sich seiner Cur hat vntergeben / ohne welchen auch kein Doctor
auff <S. 2> Erden mit Ehren kan bestehen / seinem thewren edlen
Namen zu Lob vnd Preiß / allen frommen / fleissigen / trewhert-
zigen Medicinae Doctoribus zu ehren / vnd demnach auch meinem
weiland sorgfältigen wolverdienten HaußArtzt / jetzo seligen Herrn
Flaminio Gastoni zu danckbarem Ruhm / vnd löblichem Gedächtniß
/ wie denn auch seinen hinterlassenen Bluts= vnnd <S. 3> Muhts-
freunden zu besonderem Trost vnd gefallen / Amen / Amen.
Hertzliebster Leser vnd Zuhörer / Vndanck ist das gröste Laster11.
Omnia vicia dixeris, ingratum si dixeris12. Wenn man jemand mit
Warheit kan bezüchtigen13 / dz er ein vndanckbarer guckguck / vnd
Hospes Ingratus, oder / vergessener gast sey / so ists eben so viel /
als hette man jn für einen Schelmen gescholten. Drumb saget Salomo
/ Prov. 17. v. 13. Wer Guts mit Bösem <S. 4> vergilt / von des
Hause wird Böses nicht lassen. Non recedet malum à domo ingrati 14.
Weil mich nu der jetzo selige Herr D. Flaminius Gasto gar zärtlich
geliebet hat / mich gar klüglich / weißlich vnnd bedächtig curiret,
vnd sich vmb mich vnd mein Hauß ehrlich / redlich / vnd sehr wol
verdienet / als bin ich gesonnen / diesem ehrlichen jetzo willkom-
menen newen Himmelsgast / ein löbliches Gedächtniß in der Welt
auffzurichten. Der Befehl: Ehre den Artzt / Syr. 38.15 gehet auch
mich an. <S. 5> Eusebius16, Sozomenus17, vnd Nicephorus18 schreiben
/ daß die Fraw / welche zwölff Jahr den Blutgang gehabet / vnd
11
Sprichwörtlich. Vgl. Wander 4, Sp. 1422.
12
Sprichwörtlich. Vgl. Proverbia 3, S. 580 (Nr. 19812) und Wander 4, Sp. 1422.
13
bezüchtigen] bezichtigen. Entgegen den Angaben bei Grimm, DWb 1, Sp. 1799 ist
,bezüchtigen‘ eine im Frühneuhochdeutschen geläufige Form.
14
Kein Beleg in Proverbia.
15
Sir 38,1.
16
Vgl. Euseb, Historia ecclesiastica, lib. 7, cap. 18, 1f, GCS NF 6/2, S. 672,3–16.
17
Vgl. Sozomenus, Historia ecclesiastica, lib. 5, cap. 21, 1, GCS 50, S. 228,6–11.
18
Vgl. Nicephorus, Refutatio et eversio, CCSG 33, cap. 82, S. 141,41–48.
262 teil iii ‒ editionen
gesund worden / als sie des Herrn JEsu Saum angerühret19 / habe
zur Danckbarkeit / für jhrem Hause in der Stadt Caesarea Philippi
/ eine Säule von Ertz auffrichten lassen / darauff sey des HErren
Jesu Bildniß sehr schön gegossen gestanden / der Frawen aber zu
den Füssen / wie sie von hinden zu / seines Kleides Saum anrühre.
<S. 6> Sie sagen auch / daß oben auff der Seule Kräuter gewach-
sen / wenn dieselben den Saum des Kleides Christi im Bildniß errei-
chet / so haben sie viel krancken Leuten / mit grosser Verwunderung
aller Doctorum, geholffen. Diese Seule hat vber dreyhundert Jahr
gestanden. Wird nu diese Matron20 jhrer Danckbarkeit halben gelo-
bet / so wird mir mit bewilligung aller ehrliebenden Hertzen / auch
nicht vbel anstehen / meinem wolverdienten Artzt / Herrn Flaminio
ein dergleichen / <S. 7> wiewol viel geringschätziger papyren
Gedächtniß auszuarbeiten. Wer an meinem danckbaren Gemüth ein
mißgefallen träget / der mag sawer sehen biß die grawen Gänse
vergehen21.
Wie köndte ich auch der hinderlassenen Witwen / die meines wis-
sens ein hertzlich Verlangen darnach träget / eine grössere Frewde
zurichten? Wie köndte ich den hinterlassenen Kindern / die in aller
Tugend daher grünen / vnd auch den ehrlichen Blutsfreunden <S. 8>
einen angenehmern Dienst erzeigen? Wie köndte ich dem alten hertz-
frommen Herrn Sebastiano Helden22 etwas liebers beweisen? Jch kan
auch der grossen Menge der ehrliebenden Freunde des Namens
Flaminii Gastonis, welche stetig bey mir vmb solche Arbeit anhalten
/ mit Ehren nichts versagen. Damit nu mein Fürnehmen nach mei-
nem vnd jhrer aller Wundsch gerahte / so sey das mein Wort:
HERR / erhebe dich in deiner Krafft / so <S. 9> wollen wir sin-
gen vnd loben deine Macht / Psal. 21. v. ult.23
19
Mt 9,20–22.
20
Matron] Eine Matrone ist eine ältere, würdevolle Frau. Vgl. Kluge22, S. 466.
21
Kein Beleg bei Wander und Röhrich.
22
Das ist Gastos Schwiegervater.
23
Ps 21,4.
valerius herberger, leichenpredigt 263
24
Ex 15,26.
25
Bislang nicht ermittelt.
26
Gregorius Tolosanus/Pierre Grégoire (ca. 1540–1617), französischer Jurist, Prof. an der
Universität Toulouse, ab 1581 an der Universität Pont-à-Mousson. FranzBA I,476,448–457.
27
Pierre Grégoire, De republica, S. 1184: „Sanitatis auctor Deus, qui occidit & viuificat,
deducit ad inferos & reducit, vim tribuit & efficaciam sanandi rebus, vnde medicinae col-
liguntur: Dei instrumentum est natura, vtriusque minister, medicus:“
264 teil iii ‒ editionen
I.
Welchs der beste Artzt / der klügeste Doctor sey? Den jemals die
Sonne hat beschienen / welcher allen denen / die gut seyn gewe-
sen / nicht allein gleich / sondern auch allen / die köstlich gewe-
sen / gar <S. 16> sehr weit / beyders in Theoria vnnd praxi, vberlegen
ist / welcher auch die meisten Patienten hat / vnd das zumal zuver-
wundern / welchem nicht ein einiger Patient jemals ist gestorben /
der sich in seine Curam hat ergeben.
28
Scribonius Largus, Compositiones, Epistula dedicatoria, S. 1,1f : „Inter maximos quon-
dam habitus medicos Herophilus, Cai Iuli Calliste, fertur dixisse medicamenta divum
manus esse, et non sine ratione, ut mea fert opinio:“
29
Matthaeus Vechner (1587–1630), gebürtiger Fraustädter, von 1602 an Besuch des Gymnasiums
in Thorn, 1604 Studium in Frankfurt a.d.O., 1607 Fortsetzung des Studiums (Theologie und
Medizin) in Wittenberg, 1610f Aufenthalt in Marburg und Gießen, 1611f Reise in die Niederlande
(Leiden) und nach Frankreich (Paris) sowie nach Straßburg, 1612 Promotion zum Dr. med. in
Marburg, 1613 Rückkehr nach Fraustadt und Bestallung als Stadtphysicus ebd., später Ernennung
zum Leibmedicus des Königs von Polen. Arnhold, S. 53–56.
30
Oberstell] die erste Stelle. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1102.
31
Die Rezeptbücher Vechners sind offenbar nicht im Druck erschienen.
valerius herberger, leichenpredigt 265
II.
Was er für edle / thewre Artzneyen in seiner Apotheken brauche?
<S. 17> Die alle Perlen32 / Corallen33 / Agtstein34 / oder andere
köstliche Materialien, Oliteten, Spiritus vnd quintas essentias vbertreffen.
III.
Wie wir seine Patienten / vns das alles sollen zu n%tz machen.
WElchs ist der beste Doctor vnd klüge= <S. 18> ste Artzt in der
Welt? Jch rede heut nicht von leichtfertigen Gesellen vnd Küh-
Doctoribus35, die sich für Aertzte ausgeben / vnnd habens doch nie
gelernet / vnd werden jhres Nechsten Mörder vnd Hencker / vmb
des schnöden verfluchten Geldes vnnd Geniesses36 willen. Solche
heimliche MenschenMörder / den man die CainsKeule muß mit
bahrem Gelde bezahlen / werden jhrem Richter nicht entlauffen.
Viel weniger rede ich von leichtfer= <S. 19> tigen alten Vetteln
vnd schlipfferigen37 gängen38 Mäulern / die für alle Kranckheiten
Artzney wissen / vnnd doch jhnen selbst nicht helffen können. Jch
achte sie nicht der Ehren würdig / daß ich mich vmb sie weitläufftig
bekümmern sollte.
Nicolaus Marchio Ferrariensis kam in ein Gespräche mit dem kurtz-
weiligen Gonella39, vnd wolte gerne wissen / welche Zunfft in der
grossen Stadt am stärcksten besetzt were. Gonella sprach: <S. 20>
Der Aertzte sind der meisten. Der Marggraff schüttelt den Kopff /
32
S. u. S. 283, Anm. 201.
33
S. u. S. 283, Anm. 203.
34
S. u. S. 283, Anm. 204.
35
KühDoctoribus] Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 2551 zu ,Küharzt‘: „auch als scheltwort,
quacksalber“.
36
Geniesses] Genuß. Vgl. Grimm, DWb 5, Sp. 3451.
37
schlipfferigen] schlüpfrigen. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 746.
38
gängen] losen. Vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 1240.
39
Die Quelle dieser Episode — vermutlich eine der zahlreichen von Herberger öfter benutzten
Exempelsammlungen — konnte bislang nicht ermittelt werden.
266 teil iii ‒ editionen
vnd sprach: Du Affe / die guten Aertzte sind nicht dicke geseet /
man schüttelt sie nit von Bäwmen. Sie schlugen eine Wette an.
Gonella verputzelt40 vnd verhüllet das Angesicht / trat früe für die
Kirchthür / klagte grosse Stücke vber vnträgliches Zahnwehe / jeder-
man sagte jhm eine besondere Artzney. Endlich kam Gonella auch
zum Herren selber / klaget eben wie vor / <S. 21> der sprach: lie-
ber thue das / du wirst mir dancken. Gonella schrieb alle mit Namen
auff / vnd satzte im Register den Marggrafen oben an / kam wie-
der vnd sagte: Herr Marggraff / jhr habet verspielet / der Aertzte
sind der meisten / wolt jhrs nicht gläuben / so vbersehet das Register.
Als der Marggraff seinen Namen vnnd Recept oben an sihet / vnnd
die andern in grosser Zahl folgen / lächelt er vnd bekendt / Gonella
habe die Wette gewon= <S. 22> nen / Er selber habe sich vnwis-
sent für einen Doctorem ausgeben. Von solchem vnbedächtigem
Gesippe rede ich heute nicht / sondern ich wil meine Frage ver-
standen haben / von den allerthewresten / scharffsinnigsten Medicis,
die jemals die Erdkaul41 betretten haben. Welcher ist vnter jhnen
der klügeste vnd beste?
König Salomo ist ein hochverständiger KräutelDoctor gewesen /
wie <S. 23> 1. Reg. 4. vers. 33. zu lesen / daß er geredet hat von
Bäwmen / von Cedern an / zu Libanon / biß auff den Jsop / der
aus der Wand wächst / etc. Dieser weise König hette dem Herrn
Tabernae-montano42 vnnd Bauhino43 zu jhrem newen vollkommentli-
chen KräuterBuch44 herrlichen Einschlag geben45 können. Dieser
40
verputzelt] verstellte. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 979.
41
Erdkaul] Erdkugel. Zu ,Kaul‘ vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 2534.
42
Jakob Theodor (Tabernaemontanus) (ca. 1525–1590) war ca. 1549 –1565 Arzt der
Grafen Philipp II., Johann und Adolf von Nassau-Saarbrücken, trat dann (ca. 1563–1581) in
die Dienste des Speyerer Bischofs Marquard von Hattstein, war 1581–1584 Stadtarzt in Worms
sowie kurfürstlich-pfälzischer Medicus in Neuhausen bei Worms. Theodor wurde an der Universität
Heidelberg zum Dr. med. promoviert (Immatrikulation 1562). Die erste Auflage seines ,Neuw
Kreuterbuch‘ erschien 1588. Vgl. Telle, Art. Theodor, Jakob sowie Müller-Jahncke/Bofinger.
43
Gaspard Bauhin (1560–1624) begann sein Medizinstudium in Basel. Nach einer peregri-
natio academica durch Oberitalien und Frankreich 1581 Promotion zum Dr. med. in Basel. 1582
Ordinarius für Griechisch an der Universität Basel, 1589 für Anatomie und Botanik ebd., 1614
Stadtarzt und Prof. für praktische Medizin. Bauhin, der u.a. die Errichtung des Baseler Theatrum
anatomicum vorantrieb, besorgte eine verbesserte Edition von Tabernaemontanus’ Kräuterbuch (1613)
(vgl. die folgende Anm.), das mehrfach aufgelegt wurde und weite Verbreitung fand. Müller-Jahncke,
Art. Bauhin, Bauhinus sowie ders., Art. Bauhin, Caspar. Jaumann, S. 73.
44
Caspar Bauhin, New vnd Vollkommen Kräuterbuch <. . .>, Frankfurt a.M. 1625 (vgl.
Quellenverzeichnis).
45
Einschlag geben] Ratschlag geben, Beratung erteilen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 273f.
valerius herberger, leichenpredigt 267
46
Pedanios Dioskurides (1. Jh. nach Chr.), griechischer Militärarzt unter den Kaisern Claudius
und Nero. Dioskurides gilt als der berühmteste Pharmakologe der Antike. Seine Arzneimittelkunde
(,De materia medica‘) entfaltete eine ungeheure Wirkung bis weit in die Frühe Neuzeit hinein.
Vgl. Hahn, Art. Dioskurides.
47
Pietro Andrea Mattioli (1501–1577), Mediziner und Botaniker, Studium in Padua, 1523
Promotion ebd., praktizierte dann in Perugia, Rom (bis 1527), Trentino und Gorizia. Seit 1554
diente Mattioli als Leibarzt Ferdinands I. (später Maximilians II.) in Prag und wurde 1562
in den Adelsstand erhoben. 1577 setzte sich Mattioli zur Ruhe und zog nach Innsbruck, wo er
an der Pest starb. DBA II,863,361.
48
Der Arzt und Botaniker Hieronymus Bock (1498–1554) lebte in Zweibrücken (ab 1522),
Hornbach (ab 1533) und Zweibrücken (ab 1550/51) und genoß die Gönnerschaft des Zweibrücker
Herzoghauses. Bock, der als Jakob Theodors, gen. Tabernaemontanus, Lehrer gilt, wurde v.a.
durch sein Kräuterbuch bekannt, das erstmals 1539 gedruckt wurde und in zahlreichen Auflagen
erschien. Vgl. Telle, Art. Bock.
49
Adam Lonicer (1528–1586), 1550 Medizin-Studium in Marburg, 1551 in Mainz, 1553
Prof. für Mathematik in Marburg, Promotion zum Dr. med. 1554, im selben Jahr Stadtarzt in
Frankfurt a.M. Weite Verbreitung fand Lonicers Kräuterbuch, das erstmals 1550 erschien und
bis ins späte 18. Jahrhundert immer wieder gedruckt wurde. Vgl. Müller-Jahncke, Art. Lonitzer.
50
Jes 38,21.
51
Der Paracelsist Oswald Crollius (ca. 1560 –1608), dessen ,Basilica Chymica‘ weite
Verbreitung fand und als ,Fibel‘ der paracelsischen Medizin angesehen werden darf, empfahl getrock-
nete Kröten als Heilmittel gegen die Pest. Vgl. Crollius, De signaturis, S. 107.204.
52
Oculisten] Augenarzt. Diefenbach, S. 393.
53
Tob 11,13–16.
54
Bislang kein Beleg ermittelt.
55
Horaz, Briefe, lib. 1, epist. 17, v36, S. 79: „non cuiuis homini contingit adire
Corinthum.“
56
Apuleius, Pro se de magia liber (Apologia), par. 43, S. 50,19f : „non enim ex omni
ligno, ut Pythagoras dicebat, debet Mercurius exculpi.“
268 teil iii ‒ editionen
Jch wil hier geschweigen des berühmeten AEsculapii 57, des tieff-
sinnigen Hippocratis 58, des fürtrefflichen Galeni 59 vnd Avicennae 60, vnd
des weltkündigen Theophrasti Paracelsi 61. Die Gelehrten wissen das
sehr lange Register alter vnd newer Medicorum, aus dem Theatro
Humanae vitae 62 zu Basel gedruckt / etc.
Was vnser jetzo selige Herr Flaminius Gasto für ein trefflicher vnd
zugleich in Galenischer vnnd Para= <S. 27> celsischer Medicin
erfahrner Mann gewesen63 / wird in den nechsten pahr Tagen in
diesen vnd benachbarten Orten nicht leicht vergessen werden. Hilff
GOtt / wie viel klagens ist vnter edlen vnd vnedlen Leuten / man
wolte den thewren Mann gern mit Nadeln aus der Erden graben.
Aber die Warheit zu bekennen / wir haben den fürnehmesten
noch nit / wenn D. Flaminius lebete / er würde es selber bekennen
/ vnd mit allen vernünfftigen <S. 28> Aertzten aus dem 3. Capitel
Esaiae v. 7. sagen: Jch bin (zu rechen gegen dem64 / welchen bald
mein Freund Valerius nennen wird) Kein Artzt / ich muß mein
Doctor Paret65 für jhm abziehen vnd niederlegen.
Wer ists denn? Der klügeste / der glückseligste / der scharffsinnigste
/ der thewreste vnter allen ist Jesus Christus. Der HErr mein Artzt
/ ist der beste.
Er bekennts selber allhier durch Mosen: <S. 29>
Jch bin der HERR dein Artzt66.
57
Aesculap/Asklepios, Sohn des Apollon, ist der wichtigste griechische Heilheros und wurde
als Gott der Heilkunde verehrt. Vgl. Ley, Art. Asklepios; Fauth, Art. Asklepios sowie Steger.
58
S. o. S. 218, Anm. 39.
59
S. o. S. 218, Anm. 40.
60
Avicenna (ca. 980 –1037), islamischer Philosoph und Mediziner. Vgl. Rudolph, Art.
Avicenna.
61
Theophrast Bombast von Hohenheim (Paracelsus) (1493/4–1541), Naturphilosoph, Arzt
und theologischer Autodidakt, 1524 in Salzburg, 1525 Vertreibung aufgrund der Bauernunruhen
und Asyl in Straßburg, 1527 Berufung zum Stadtarzt und Prof. der Medizin nach Basel, seit
1528 erneut Wanderschaft. Goldammer, Art. Paracelsus.
62
Vgl. Theodor Zwinger, Theatrum vitae humanae 1565, S. 85–92.
63
Gasto wird hier als ein ,Arzt beider Medizinen‘ charakterisiert. Um eine Verbindung der
hermetisch-paracelsischen und der klassischen hippokratisch-galenischen Arzneikunst war es u.a.
auch Johannes Hartmann (1568–1631) zu tun, der seit 1609 an der Marburger Universität
als erster Professor für Chymiatrie tätig war. Vgl. Krafft, Arznei, S. 67–74 und Bauer, S.
494 – 498 u.ö. Auch sonst hat es zahlreiche ,Gelegenheitsparacelsisten‘ gegeben. Vgl. Corpus
Paracelsisticum 2, S. 11.
64
S. o. S. 181, Anm. 197.
65
Paret] Barett. Vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 1461.
66
Ex 15,26.
valerius herberger, leichenpredigt 269
Denn das ist der Herr / der alzeit mit den Ertzvätern geredet
hat / Johan 8. Matthaei am 12. spricht er: Hie ist mehr als Salomo67.
Der kluge KräutelDoctor Salomo ist nur ein Kind vnnd Schüler
gegen mir. Drumb rühmet er sich auch / er sey Magister Salvationum,
er sey gar ein Meister drauff / wenn vns soll geholffen werden /
Esa. 63.68 Seine künstliche Magisteria69 sind nicht zu zehlen. Jerem.
30. vers. 13. vnd 17. spricht er: Es kan <S. 30> Dich70 niemand
heilen / Aber ich wil dich wieder gesund machen. Matth. am 9.
Cap. nennt er sich ausdrücklich einen Artzt / da er saget: Die
Starcken dürffen des Artztes nicht / sondern die Krancken71. Vnd
Luc. am 10. mahlet er sich so holdselig im trewhertzigen Samariter
/ welcher mit seinem Wein vnd Oele so glücklich die Wunden vnsers
Gewissens von Grund aus kan heilen72 / vnd Matth. 11. sitzet er
als ein allgemeiner Land Do= <S. 31> ctor / vnnd ruffet alle
Krancken zu sich: Kommet her zu mir / alle / die jhr müheselig
vnd beladen seyd / Jch wil euch erquicken73.
Wes er sich erbeut / das helt er ehrlich. Matth. 8. Capit. da kom-
men allerley Krancken für jhn / er hilffet jhnen allen / es sey
Aussatz / Fieber / oder wie sie mögen Namen haben74 / schlage
mir zu gefallen das Capitel auff / die Mühe wird dich nicht rewen.
Dieser / sage ich noch einmal / ist der fürnehmeste Artzt. Sind
jemals <S. 32> gute Aertzte gewesen / er ist jnen allen gleich /
sind jemals köstliche Aertzte gewesen / er ist jnen allen sehr weit
vberlegen. Sonst hat ein Doctor eine Gabe / Ein ander eine andere.
Denn es bleibet auch hier war: Non omnia possumus omnes75, einer
hat mehr Pfund als der andere / Matth. 25.76 Aber Jesus ist alles
in allem / excellit in omni scibili.
1. Wenn ein Artzt fromm ist / so helt man jn hoch. Wer ist doch
fröm= <S. 33> mer als der Herr Jesus / Er hat seinen himlischen
Vater von Ewigkeit her nie erzürnet / drumb saget er: Das ist mein
67
Mt 12,42.
68
Jes 63,1.
69
,Magisteria‘ sind (al-)chemische Medikamente.
70
Dich] In Custode statt dessen: dich
71
Mt 9,12.
72
Lk 10,34.
73
Mt 11,28.
74
Mt 8,1–17.
75
Proverbia 3, S. 338 (Nr. 18147).
76
Vgl. Mt 25,14–30.
270 teil iii ‒ editionen
77
Mt 3,17.
78
Kein biblischer Beleg ermittelt (auch im Buch Daniel nicht).
79
Mt 11,25f; Joh 17,1–26.
80
Sammates] samtenes. Vgl. Grimm, DWb 14, Sp. 1745.
81
Joh 6,37.
82
Mk 7,31–37.
83
Liebichen] Liebling/Liebchen. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp. 914.
84
Titus Flavius Vespasianus (39–81), ca. 65 Quaestor, als Feldherr beteiligt am Jüdischen
Krieg, 69 zum Caesar ernannt, 71 zum imperator. Nach Vespasians Tod (79) wurde Titus
Augustus. Vgl. Eck, Art. Titus [3]; Wegenast, Art. Titus.
85
blöden] kranken. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 139.
86
Ps 45,3.
87
Jes 42,3.
valerius herberger, leichenpredigt 271
5. Ein tapfferer Artzt muß einen scharffsinni= <S. 37> gen Kopff
haben / wie Hippocrates, Galenus: Der Herr Jesus vbertrifft sie alle
im Verstande vnd Nachdencken / Er weis aller Kräutlin Krafft /
Wirckung vnnd Eigenschafft / Er hat sie jhnen selber gegeben. Es
ist zu beklagen / daß wir durch Adams Fall so verderbet sind88 /
daß wir so viel Dinges in der Natur verborgen / nicht verstehen.
Herophilus89 bey dem Plinio ein hochberühmter Medicus bekennet /
daß mancher Krancke seinen Artzt <S. 38> vnd Doctor mit Füssen
trete / vnd vber dem Kraut herlauffe / das jhm helffen köndte /
nonnullas etiam herbas tantùm calcatas homini prodesse lib. 25. cap. 2.90
Ja der HERR Jesus kennet nicht allein die Kräuter / sondern auch
die Vrsachen vnser Kranckheiten. Da die vier Männer / den
Gichtbrüchigen für seine Füsse lassen / Matth. 9. sihet er bald den
Mangel vnd Vrsprung des Elendes im Gewissen vnd spricht: Sey
getrost mein Sohn / dir <S. 39> sind deine Sünde vergeben91 / Als
die Wurtzel verbrüet ist / folget bald drauff Leben vnd Gesundheit.
Das mag ein subtiler Doctor seyn / er darff 92 kein Wasserglaß93 /
er darff den Patienten nicht fragen94 / er darff nicht erst den Pulß
begreiffen / er sihets jhm bald an Augen an / wie dergleichen wird
gelesen von dem trefflichen Medico Joannino Sangvinacio95 medico
Patavino, welcher endlich in Verdacht kommen / daß er mehr köndte
88
S. u. S. 286, Anm. 232.
89
Herophilos (ca. 330/320–260/250 v. Chr.) aus Chalkedon war in Alexandria als Arzt
tätig. Er gilt als einer der bedeutendsten antiken Mediziner und als einer der ersten, die im rein
deskriptiven Interesse anatomische Studien an Menschenleichen sowie Vivisektionen betrieben haben.
Vgl. Touwaide, Art. Herophilos; Kudlien, Art. Herophilos.
90
Plinius Secundus d.Ä., Naturalis historia, lib. 25, par. 14f, S. 26: „inde et plerosque
ita video existimare, nihil non herbarum vi effici posse, sed plurimarum vires esse incog-
nitas, quorum in numero fuit Herophilos clarus medicina, a quo ferunt dictum, quasdam
fortassis etiam calcatas prodesse.“
91
Mt 9,2.
92
darff ] bedarf. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1722.
93
Wasserglaß] Harnglas. Vgl. Grimm, DWb 27, Sp. 2412. Das Harnglas wurde im
Rahmen der humoralpathologischen Urinschau verwendet und war in der Frühen Neuzeit ein wich-
tiges Symbol für ärztliche Tätigkeit.
94
darff <. . .> nicht fragen] braucht nicht zu fragen. Vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1725.
95
Giovanni Sanguinacci († 1399), Prof. für Medizin in Padua. Ihm wird nachgesagt, er
habe den Patienten die sie plagende Krankheit an der Nase ablesen können (vgl. die folgende Anm.).
Als sich darum das Gerücht verbreitete, er sei ein Zauberer, wurde er der Stadt verwiesen. Zedler,
Universallexikon 33, Sp. 2015.
272 teil iii ‒ editionen
als Brodt essen. Lege Bernh. Scardeonum lib. 2. <S. 40> class. 8. hist.
Pat.96 Deßgleichen sagt man fast auch von Petro Aponensi 97.
6. Ein demütiger Artzt ist jederman ein Spiegel in Augen / vnnd
mit solcher Tugend muß er auch begnadet seyn. Denn arme geringe
Leute dürffen jn98 eben so wol als reiche Herren. Wer ist demüti-
ger als vnser HErr Jesus? Nennet er sich doch den kleinesten im
Himmelreich99 / vmb seiner tieffen Demuth willen / kein Engel hat
sich so tieff gedemütiget. <S. 41> Drumb saget er mit Warheit /
Matth. am 11. Jch bin sanfftmütig / vnd von Hertzen demütig100 /
Pyrrhus101 der Epirotarum König hatte von Natur die Wundergabe /
daß er miltzsüchtigen Leuten helffen kundte / wenn er den Ort mit
der grossen Zehe des rechten Schenckels berührete / vnnd niemand
war so arm vnnd elend / daß er jm die Cur hette versaget / wie
Plutarchus102 vnd Plinius103 schreiben. Eben solche Demuth vnd
Wilfertigkeit gegen Reich vnd Arm müssen wir dem Könige <S. 42>
der Ehren104 Jesu Christo nachsagen.
7. Ein geschickter Artzt muß was ehrlichs erfahren haben. Wer hat
längere vnnd bessere Erfahrung / als vnser Herr JEsus / er hat trefflich
96
Vgl. Laurentius Pignorius, Origines Patavinae, lib. 2, class. 9, Sp. 228f, wo „De Joannino
Sanguinacio“ gehandelt wird, „qui usque adeo calleret omnem disciplinam artis medicae,
ut non inspecta urina, nec exploratis prius brachiorum arteriis, ut caeteri solent, sed
(quod mirabile dictu est) vel ex solo aspectu, ut ex vultus mutatione, omne genus aegri-
tudinum, & habitum febrium augmentum, videlicet, statum & declinationem miro quo-
dam judicio cognosceret, & morbum (quantum medico licebat) adhibitis salutiferis remediis
cito fugaret.“
97
Pietro d’Abano (1257–1315), Studium in Padua, danach mehrere Reisen, u.a. nach
Konstantinopel, wo Pietro die Werke des Aristoteles und Galenos’ erstand. Ende des 13. Jhs.
Lehrtätigkeit an der Universität Paris, von 1307 an in Padua. Pietro ist u.a. Verfasser eines
Kommentars zu Aristoteles’ ,Problemata‘ und interessierte sich insbesondere für Magie und Astrologie.
Vgl. Fantini, Art. Pietro d’Abano.
98
dürffen jn] bedürfen seiner. Vgl. o. S. 271, Anm. 92.
99
Mt 11,11.
100
Mt 11,29.
101
Pyrrhos (319/18–272 v. Chr.), König der Molosser in Epeiros 306–302 und 297–272,
König von Makedonien 288–284. Vgl. Günther, Art. Pyrrhos [3]; Volkmann, Art. Pyrrhos.
102
Plutarchos von Chaironeia (* ca. 45, † vor 125), Biograph und Popularphilosoph. Vgl.
Pelling, Art. Plutarchos [2]; Dörrie, Art. Plutarchos. Zur Pyrrhus nachgesagten Zehe, von der
göttliche Wunderkraft ausgegangen sein soll, vgl. Plutarch, Vitae parallelae, vol. 3/1, cap. 3, S.
156,17–20.
103
Gaius Plinius Secundus (23/24 –79), römischer Offizier, Historiker, Rhetor und
Fachschriftsteller. Vgl. Sallmann, Art. Plinius. Vgl. Plinius, Naturalis historia, lib. 7, 20, par.
2, S. 24,20–22: „quorundam corpori partes nascuntur ad aliqua mirabiles, sicut Pyrro
regi pollex in dextro pede, cuius tactu lienosis medebatur.“ Vgl. ebd., lib. 28, § 6, 34,
S. 32.
104
Ps 24,7.
valerius herberger, leichenpredigt 273
viel experimenta, er hat seine Kunst getrieben so lange die Welt ge-
standen. Er ist der älteste Doctor in der gantzen Welt / aber er wird
nimmermehr kindisch. Sapientiae ejus non est numerus, Psal. 147.105
8. Ein berühmeter <S. 43> Artzt muß glückselig seyn: Wer ist
glückseliger als vnser himlische Artzt JEsus Christus. Es muß jhm
gelingen in seinem Schmuck / sagt der 45. Psalm106: Die rechte
Hand des HERREN kan alles ändern / Ps. 77.107 Alsbald war dem
Tauben vnnd Stummen geholffen / da er sagte: Hephetha / Marc.
7. v. 35.
9. Galenus wird gerühmet / daß er nicht allein seine Patienten
bey <S. 44> Tage offt habe besucht / sondern / wenns die Noht
erfodert / auch vber nacht bey jhnen gewachet. Das thut vnser
Leib= vnd Seelen=Artzt Jesus vnverdrossen / er wartet bey vns auff
Tag vnd Nacht. Drumb saget er / Ps. 91 Jch bin bey jhm in der
Noth108 / Matth. 28. Siehe / Jch bin bey euch alle Tage / biß an
der Welt Ende109 / Joh. 14. Jch wil euch nicht Wäisen lassen110. Vnd
der 121. Psalm spricht: Der dich behütet / schläffet <S. 45> nicht
/ Siehe / der Hütter Jsrael schläfft noch schlummert nicht111 / etc.
10. Einen verschwiegenen Mund haben / eine Klincke112 fürm
Maul haben113 / das ist bey einem Artzt hochnöhtig / damit der
Patient jhm frewdig alles heimliche Leiden möge offenbahren. Fürwar
vber den Herrn JEsum darff niemand klagen / daß er vnsere
Heimligkeit jemals verrahten / oder bey vns aus der Schule geschwat-
zet habe114 / er helt sich <S. 46> nach dem Juramento Silentii
Hippocratis.
11. Ein ehrlicher Artzt muß ohne falsch seyn / er muß nicht den
Schaden grösser machen / wie etliche vntrewe Wundärtzte thun /
damit sie desto länger zu heilen haben. Die erfahrung giebet Exempel
/ daß ich die Warheit sage. Solcher Vntrew dürffen wir vns bey
105
Ps 146,5 (Vulg.).
106
Ps 45,5.
107
Ps 77,11.
108
Ps 91,15.
109
Mt 28,20.
110
Joh 14,18.
111
Ps 121,3f.
112
Klincke] Hier in der Bedeutung von ,Riegel‘. Vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 1194.
113
Sprichwörtlich. Vgl. Wander 2, Sp. 1396. Hier ist ein weiterer Beleg bei Herberger nach-
gewiesen.
114
Sprichwörtlich. „Aus der Schule schwatzen <. . .>: von Dingen reden, die eigentl. Geheimnisse
eines bestimmten Kreises sind“ (Röhrich 4, S. 1414).
274 teil iii ‒ editionen
dem HErren Jesu nicht besorgen / Er ist vnd bleibet trew / wenn
gleich die gantze Welt wolte vntrew werden / <S. 47> wenn er solte
vnsere Schäden grösser machen / so müsten wir alle verderben /
Aber nein / er ist vom Himmel kommen / vnsere Schäden nicht
allein kleiner zu machen / sondern gantz vnd gar abzuwenden. Er
meynet115 nicht das Geld / sondern seines Namens Ruhm / vnd
vnsere gewisse Wolfarth<.> Geitz vnd eigner Nutz ist fern von jhm.
Drumb sagt er / Esa. 55. Kommet her / vnd käuffet / ohne Geld /
vnd vmbsonst116. Kein König / kein Fürst kan jhm bezahlen / <S. 48>
was er bey vns durchs Jahr vmbsonst thut.
12. Andere Doctores müssen jhre Artzneyen aus Kräutern oder
andern materialien zurichten. Vnserm himlischen Doctori Jesu / ists
nur vmb ein Wort zu thun / so ist dem Patienten geholffen. Darumb
sagte der Häuptmann zu Capernaum / Matth. 8. HERR / ich bin
nicht werth / dz du vnter mein Dach gehest / sondern sprich nur
ein Wort / so wird mein Knecht ge= <S. 49> sund117 / etc. Sein
Wort läufft schnell / Psal. 147.118 Als der Herr Jesus zu dem
Königischen sagete / Joh. 4. Gehe hin / dein Sohn lebet119 / das
hatte alsbald dasselbe Augenblick seine WunderKrafft vber fünff
Meilweges.
13. Ja vnser Artzt thut das / was sonst kein Doctor in der Welt
thäte. Vnsere Medici liessens wol zehen mal ein gutes Jahr haben /
daß sie die Kranckheit des Patienten solten weg= <S. 50> nehmen
/ vnd mit willen an jhrem eignen Halse tragen. Das aber hat vnser
Herr JEsus gethan / Esaias bezeugets klar / Cap. 53. Fürwar er
trug vnsere Kranckheit / vnnd lud auff sich vnsere Schmertzen /
die Straffe liget auff jhm / auff daß wir Friede hetten120.
14. Vnd das ist der einige Artzt vnter allen / welchem kein
Patient / so lange die Welt gestanden / ist gestorben. Denn / sonst
gehets nach dem Wort: <S. 51>
115
meynet] ,meinen‘ hier in der Bedeutung von ,im Sinne haben‘. Vgl. Grimm, DWb 12,
Sp. 1925.
116
Jes 55,1.
117
Mt 8,8.
118
Ps 147,15.
119
Joh 4,50.
120
Jes 53,4f.
valerius herberger, leichenpredigt 275
Aber bey des HERRen Jesu Cura bleiben wir alle leben / kömpt
gleich der Todt / so wird er vns doch in einen süssen Schlaff ver-
wandelt / nach des HErren JEsu Zeugniß / Matthaei 9. Das Mägdlein
ist nicht todt / sondern es schläfft122. Vnd Johan. 11. Lazarus vnser
Freund schläfft123. Vnnd abermal: Jch bin die Aufferstehung vnd das
Leben / wer an mich gläu= <S. 52> bet / der wird leben / ob er
gleich stürbe / vnd wer da lebet vnnd gläubet an mich / der wird
nimmermehr sterben124. Drumb singen wir beym Begräbniß vnserer
MitChristen: Er ist gestorben vnnd lebet noch125.
15. Wenn gleich alle andere Aertzte in der Welt verlohren geben
/ so ist vnseres himlischen Artztes Jesu Hand noch vnverkürtzet.
Dem blutflüssigen Weibe Luc. 8. <S. 53> gaben alle Aertzte im
gelobten Lande verlohren / ob sie schon jr Haab vnd Gut drüber
verzehret hatte / da sie aber zu Christo kreucht / wird sie gesund
/ als hette jhr niemals was gemangelt126. Wer hette gedacht / daß
Job / welcher sieben Jahr so jämmerlich gekrancket / den Halß
hette sollen davon bringen? Sein Erlöser127 Jesus hat jhm doch wie-
der auff die Beine geholffen. Dem Könige Hißkiae hatte Esaias schon
selbst das Leben abgesaget / er <S. 54> kehret doch wieder vmb
/ vnd lebet noch funfftzehen Jahr128. Das kan der Herr JEsus thun.
Wer hette gedacht / daß sich der acht vnd dreissigjährige krancke
Mann hette sollen ausheilen / Johan. 5.129 Also kan JEsus Wunder
thun in allen vnsern desperat=Nöhten. Gleich wie er den halbtod-
ten Menschen / der bey Jericho vnter die Mörder gefallen / mei-
sterlich kondte ausqueicheln130 / Luc. 10.131
121
Ovid, Epistulae ex Ponto, lib. 1, carmen 3, v17 : „non est in medico semper, rele-
uetur ut aeger:“
122
Mt 9,24.
123
Joh 11,11.
124
Joh 11,25f.
125
Michael Weiße, Nun laßt uns den Leib begraben, Str. 4, Wackernagel 3, S. 332 (Nr.
395) (= EKG 174, 1): „Sein arbeit, trübsal vnd elend | jst kommen zu eim gutten ennd,
| Er hat getragenn christi joch, | jst gestorben vnd lebet noch“.
126
Lk 8,43–48.
127
Hi 19,25.
128
Jes 38,1–5.
129
Joh 5,5–9.
130
ausqueicheln] ausheilen. Mitzka 1, S. 76.
131
Vgl. Lk 10,34.
276 teil iii ‒ editionen
16. Es ist eine grosse Zierde an einem Medico, <S. 55> wenn er
wol in der Welt peregriniret vnd herumb gewandert ist / wie das
Lob D. Flaminius auch hat erjaget 132. Jn diesem Fall ist vnser
Engelländische Doctor JEsus Christus allen andern auch weit vber-
legen / Er ist herfürgewandert aus dem Hertzen des himlischen
Vaters / Johan. 1.133 vnter das keusche Hertz Mariae / Luc. 1.134 von
dannen ins Kripplin zu Bethlehem / Luc. 2.135 Bald in der Kindheit
in Egypten=Land136 / hernach wieder zu rück / gen Nazareth137 /
Endlich an den Jordan / vnd von ei= <S. 56> ner Gräntze des Jüdi-
schen Volcks zur andern / Er ist kommen auff die Hoheschul gen
Jerusalem138 / hat gantz Palestinam mit seiner Practica erfüllet. Endlich
wandert er in Oelgarten139 / magistralischen Balsam für vnsere Seele
zuzurichten / er wandert von einem Richter zum andern140 / aus der
Stadt ans Creutz141 / vom Creutz ins Grab142 / in die Helle / wider
zum Leben / vnd endlich zur Rechten der Majestät seines himli-
schen Vaters143. Ach wie viel sawrer Schritt vnnd Tritt hat jhn seine
peregrination vnnd Wanderschafft gekostet. An= <S. 57> der Medici
müssen sich alle mit jhren peregrinationibus für jhm verkriechen /
wenns gleich Galenus, Hippocrates, vnd Theophrastus selber weren.
Wer wolte nicht viel von diesem bewanderten HErren halten?
17. Wir müssen auch von seiner promotion reden. Er hat nicht
promoviret zu Pariß / sondern im himlischen Paradiß / da ist die
allerhöchste Schule. Auff der hohen Cathedra des Berges Thabor
wird er Doctor proclamiret von <S. 58> dem himlischen Vater sel-
ber / mit dem Wort: Hunc audite144. Den solt jhr hören. Huic omnes
auscultate populi praeceptori 145, singet hiervon die Prosa. Thabor heist
132
erjaget] erlangt. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 861.
133
Vgl. Joh 1,18.
134
Vgl. Lk 1,31.
135
Vgl. Lk 2,7.
136
Vgl. Mt 2,13–15.
137
Vgl. Mt 2,19–23.
138
Vgl. Lk 2,41–52 u.ö.
139
Vgl. Lk 22,39.
140
Vgl. Mt 26,57ff; 27,2ff.
141
Vgl. Mt 27,31.
142
Vgl. Mt 27,57–60.
143
Hebr 1,3.
144
Mt 17,5.
145
Notkerus Balbulus, Liber sequentiarum, cap. 7, MPL 131, Sp. 1008C/D: „Patris etiam
insonuit vox pia | Veteris oblita sermonis: | Poenitet me fecisse hominem. | Vere Filius
es tu meus, mihimet | Placitus, in quo sum placatus | Hodie te, mi Fili, genui. | Huic
omnes auscultate | Populi, praeceptori.“ Text auch bei Wackernagel 1, S. 97 (Nr. 145).
valerius herberger, leichenpredigt 277
146
Mt 17,2.
147
Lk 17,12.
148
Lk 17,17.
149
2Sam 24,10.
150
Mt 9,1f.
151
2Kor 12,7.
152
Kühlbändlein] kühlender Wickel bzw. Verband. Nicht bei Grimm.
153
2Kor 12,9.
154
Mk 10,46; vgl. Lk 18,35.
155
Mk 8,22.
156
Mk 7,32–37.
157
Mt 15,22.
158
Mt 8,14.
159
Bislang kein Beleg ermittelt.
278 teil iii ‒ editionen
sagte ein alter frommer Doctor / mein sehr trewer Freund. Die
Gelehrten pflegen sonst zu sagen:
Hydrops quartana,
Medicorum scandala plana160.
CHristo aber vnserm Artzt ist nichts vnmüglich. Luc. 14.161 Viel
erbieten sich / wie sie das Podagra162 <S. 63> wollen widerwenden163
/ aber die Wort sind besser als die That. Vnser HErr JEsus kan die
Lamen rüstig machen / daß sie springen wie die Hirschlin164. Drumb
berufft er sich drauff / Matt. 11. ver. 4. vnd 5. Gehet hin / vnnd
saget Joanni wieder / was jhr sehet vnd höret / die Blinden sehen
/ vnd die Lamen gehen / die Aussätzigen werden rein / vnd die
Tauben hören / die Todten stehen auff / vnnd den Armen wird
das Evangelium <S. 64> geprediget / etc. Er kan Blinde vnnd Lahme
von Mutter Leib an / heilen. Er kan Malcho das Ohr ansetzen165
/ vnd darff keinen Hafft thun166 / er darff 167 kein Pflaster dazu. Das
mag ein meisterlicher Artzt seyn.
19. Je mehr Patienten einem Doctor nachziehen / je höher wird
er gehalten / wie denn der jetzo selige D. Flaminius deßhalben cele-
berrimus vnd nobilissimus gewesen. Wer wil aber die Summam der
Patienten Jesu Christi be= <S. 65> rechnen? Er hat die allermei-
sten / Er ist Salvator & Sanator omnium hominum, ein Heyland vnd
Medicus aller Menschen / 1. Tim. 4.168 Drumb saget er hier / zu
dem gantzen Jsraelitischen Volck:
Jch bin der HERR dein Artzt169.
Gleich wie er in seiner Geburtslinien hat Patriarchen / Könige /
Fürsten / vnd gemeine Leute: Also hat er / der HErr Jesus / im
Register seiner Patienten / Keyser / Könige / Hertzoge / Grafen /
160
Bislang kein Beleg ermittelt.
161
Recte: Lk 1,37.
162
Podagra] ,Podagra‘ ( frühneuhochdeutsch: ,Zipperlein‘) ist die Gicht an den Füßen, insbe-
sondere an den Zehen. Zedler 28, Sp. 920.
163
widerwenden] wieder aufheben, heilen. Vgl. Grimm, DWb 28, Sp. 1792.
164
Jes 35,6.
165
Lk 22,51.
166
darff keinen Hafft thun] muß keinen Verband anlegen. Zu ,Haft‘ in der Bedeutung
von ,Band‘ vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 129.
167
S. o. S. 271, Anm. 92.
168
1Tim 4,10.
169
Ex 15,26.
valerius herberger, leichenpredigt 279
170
Mt 11,28.
171
Gen 3,15.
172
Gen 15,1.
173
Gen 28,14.
174
Gen 22,18.
175
Joh 15,5.
176
S. o. S. 271, Anm. 92.
177
Theodor Zwinger, Theatrum humanae vitae 1586, Sp. 3176b: „THEOPHRASTVS
Paracelsus, cùm Basileae uernacula lingua publicè doceret, de Incantationibus quoque
& exorcismis morborum magicis agere coepit. Eam rem aegrè ferentibus uiris doctis atque
piis, in haec uerba prorupit, Will Gott nicht helffen / so helffe der Teuffel / imitatione sci-
licet Maronianae Iunonis, Flectere si nequeas superos, Acheronta moueto. Quam illius
uocem ab Albano Torino medico, & Ioanne Oporino discipulis exceptam, publicè repre-
hendit Volffgangus Visenburgius Theologus. Hanc ne quis fabulam putet, scripta eius faci-
unt, quibus Christiano homini citra pietatis iniuriam, daemonis tanquam latronis ope, opera,
consilio uti, diuinitùs permissum asserere audet. Sed haec scoria à purissimo metallo
separanda, & secundum Apostoli praescriptum, probanda omnia, & bona retinenda.“
178
Theodor Zwinger, Theatrum humanae vitae 1586, Sp. 3204a: „THEOPHRASTVS
280 teil iii ‒ editionen
WAs brauchet denn der HErr vnser Artzt für köstliche <S. 72>
Artzneyen? Darauff giebet S. Johannes Antwort / 1. Cap. 1. Das
Blut JEsu Christi des Sohns Gottes / macht vns rein von allen vnsern
Sünden184. Wiltu seine wolbestelte Apotheken visitiren, so beschawe
jhn / wie er am Creutz mit Händen vnnd Füssen ist außgespannet.
Sein allerheiligster Leib ist voll thewrer Apotheker=Büchsen vnd
Kräuselin / da sind lauter Striemen / Beulen vnd Wunden / dar-
aus rinnet / sickert vnnd <S. 73> fleusset eitel edler Balsam für
vnsere beschädigte Seelen / seine allerheiligste Blutströpfflin sind die
preciosae medicinae, die hochwichtigen Artzneyen / die vns zu ewi-
ger Gesundheit helffen. Davon hat die verdackte Rede in Mose
gezeuget: Genes. 9. In sangvine vita185, Das Leben ist im Blut / lege
Magnal. Dei p. 2.186
Gleich wie der Pellican187 seinen Jungen mit seinem eigenen Blut
das Leben rettet: Also hats auch mit vns gemacht vnser trewe Hertz
Artzt Jesus. <S. 74>
Christe tuus sangvis, mortem quibus intulit angvis,
Dat vitam pullis, dum noxia crimina tollis.
Suscitat ut stratos Pelicanus sangvine natos:
Participes lucis sic nos ex morte reducis 188.
Drumb spricht Augustinus 189 sehr lieblich: Magnus per totum mundum
jacebat aegrotus: Ideo magnus in mundum venit medicus 190. Fusus est
184
1Joh 1,7.
185
Vgl. Gen 9,5f.
186
Vgl. Herberger, Magnalia Dei, Teil 2, S. 228–240, Kap. 20 („IESUS Spricht vber
Noa vnnd seine Kinder den Segen. Vnd erinnert jhn verdackter weise / daß in
seinem Blut sey das LEBEN. Gen. 9.“).
187
Physiologus, cap. 6, S. 17: „Physiologus dicit de pelicano quoniam amator est fili-
orum nimis; cum autem genuerit natos et coeperint crescere, percutiunt parentes suos
in faciem; parentes autem eorum repercutiunt eos et occidunt. Tertia uero die mater
eorum percutiens costam suam aperit latus suum, et incumbit super pullos, et effundit
sanguinem suum super corpora filiorum mortuorum; et sic sanguine suo suscitat eos a
mortuis.“ Vgl. o. S. 79–81 und Anm. 246.
188
Bislang kein Beleg ermittelt.
189
Aurelius Augustinus (354–430), seit ca. 396 Bischof in Hippo Regius. Vgl. Schindler,
Art. Augustin/Augustinismus I.
190
Augustin, Enarratio in Ps 45,11, CCSL 38, S. 525,14 –20: „Quantacumque sit
infirmitas tua, uide quis te suscipiat. Aegrotat nescio quis, adhibetur medicus;
282 teil iii ‒ editionen
sangvis medici, & factus est medicamentum phrenetici 191. Weil der Patient
groß war / so muste <S. 75> jhm auch durch einen grossen Artzt
geholffen werden. Der Artzt hat sein eigen Blut müssen dran wagen192
/ damit dem elenden Krancken eine heilsame Artzney köndte zuge-
richtet werden. Bernhardus193 leget sein Wort auch dazu / vnd saget
kurtz vnd gut: Vulneribus Christi fit medicina meis 194.
Denn / Durch seine Wunden sind wir geheilet / Esa. 53.195 Durch seine
Striemen sind wir heil worden / 1. Pet. 2.196 Drumb <S. 76> pflege
ich aus dem Evangelio vom trewhertzigen Samariter197 also zu beten:
Emunda & sana198, JESU, dilecte viator,
Vino oleoque tuo vulnera nostra, precor 199.
Vinum oleumque tuum de pectore sangvis & unda est,
Haec animae, JESU, sunt medicina meae200.
JEsu mein Hertz hat Wunden tieff /
Brauch du den Samariter Grieff /
Jm Fläschlein deiner offnen Seit /
Jst Oel vnd Wein für mich bereit. <S. 77>
Dein Blut vnnd Wasser flöß mir ein /
Führ mich zur Christen Herberg fein /
An Leib vnnd Seele pflege mein /
Dir wil ich ewig danckbar seyn.
susceptum suum dicit medicus aegrotum. Quis eum suscepit? Ille. Magna spes salutis,
magnus medicus eum suscepit. Quis medicus? Omnis medicus praeter illum homo est;
omnis medicus qui uenit ad infirmum, alia die infirmari potest, praeter illum.“ Vgl. zu
Christus als ,magnus medicus‘ weiter: Augustin, MPL 38, Sp. 847. 945. 1372.
191
Quodvultdeus, Tractatus adversus quinque haereses, cap. 7, MPL 42, Sp. 1114: „Quid
ergo facere nunc habetis, nisi ut credentes baptizemini, et bibatis sanguinem quem fudi-
stis? Non est quod horreatis: fusus est sanguis medici, et factus est medicamentum
phrenetici.“
192
dran wagen] dahingeben. Vgl. Grimm, DWb 27, Sp. 399.
193
S. o. S. 153, Anm. 15.
194
Dieses Zitat findet sich bei Bernhard nicht. Vgl. jedoch zum Sachzusammenhang z.B.
Bernhard, In nativitate Domini, Sermo 3, cap. 4, Opera 4, S. 260,21–261,2: „Utique quia
ex consideratione remedii, periculi mei aestimo quantitatem. Nesciebam, sanus mihi
videbar; et ecce mittitur Virginis Filius, Filius Dei altissimi, et iubetur occidi, ut vulneri-
bus meis pretioso sanguinis illius balsamo medeatur. Agnosce, homo, quam gravia sunt
vulnera pro quibus necesse est Christum Dominum vulnerari.“
195
Jes 53,5.
196
1Petr 2,24.
197
Lk 10,23–37.
198
sana] Emendiert aus: sane
199
Lk 10,34.
200
Bislang kein Beleg ermittelt.
valerius herberger, leichenpredigt 283
201
Perlenwasser] Perlenwasser wird ein Destillat aus Sauerampfer, Ochsenzunge, Rosen und
anderen Ingredienzen genannt; es wurde zur letzten Ölung gebraucht. Auch die Perle selbst galt
als Droge. Zedler, Universallexikon 2, Sp. 1034; 27, Sp. 504f.
202
magisterium] Terminus für nach bestimmten chemiatrischen Verfahren gewonnene Materia
medica, hier: aus Corallen oder Agstein gewonnene magisteria (= Meisterstücke [semantisch nahe-
stehend: arcana]). Vgl. Ruland, Lexicon Alchemiae, S. 310.
203
Corallen] Korallen wurden bis ins 18. Jahrhundert hinein als Steine angesehen und als
Arzneimittel gegen vielfältige Krankheiten eingesetzt. Vgl. Grams-Thieme, Art. Koralle.
204
Agstein] Ag(t)stein ist Bernstein, wurde zu den Edelsteinen gerechnet und u.a. zur Herstellung
von Medikamenten verwendet. Bernsteinpräparate wurden u.a. gegen Blutungen, Harnbeschwerden,
Magenerkrankungen und Rheumatismus verabreicht. Vgl. Zedler, Universallexikon 3, Sp. 1394–1398.
Jüttner, Art. Bernstein.
205
aurum potabile] Das Goldwasser gilt in der alchemischen Medizin als hochwirksames
Heilmittel. Vgl. Jüttner, Art. Aurum potabile. Zu den diversen Sorten von „Trinck=Gold“ vgl.
Zedler, Universallexikon 4, Sp. 814–827. Vgl. weiter Ruland, Lexicon Alchemiae, S. 95.
206
Corallen < . . .> aurum potabile] Es handelt sich um paracelsische Arzneipräparationen
(tinctura auri und tinctura corallorum), von denen in Paracelsus’ ,Großer Wundartzney‘ (1536,
Buch 2, Traktat 3, cap. 2f, S. 355–359) die Rede ist.
207
Bezoar] „aus verfilzten Haaren, Pflanzenfasern, Harzen und Steinchen gebildete Konkremente
aus Pansen der Bezoarziege“ (Daems, Art. Bezoar), aber auch des Lamas und anderer Wiederkäuer
(vgl. Anagnostou, S. 151–154), ehemals aufgefaßt als „ein Stein, der aus dem Leibe unter-
schiedener Thiere in Persien und Ost=Jndien genommen wird“ (Zedler, Universallexikon
3, Sp. 1656) und u.a. wirksam ist gegen „alle gifftige, pestilentzialische Kranckheiten“ (ebd.,
Sp. 1660).
208
Ambra] Sperma vom Walfisch. Vgl. Ruland, Lexicon Alchemiae, S. 37: „Ambra est
sperma Ceti.“ Zedler, Universallexikon 1, Sp. 1691–1694, hier: Sp. 1691 dagegen: „Es ist
eine Specerey, deren Natur und Ursprung noch nicht hat können erkundiget werden“.
Sodann referiert Zedler eine ganze Reihe von Ansichten, mitunter auch die von Ruland vertretene.
Vgl. Anagnostou, S. 207–210.
209
Moschus] Sekret des Moschushirsches, das vielfältige arzneiliche Anwendung fand, u.a. bei
Ohnmacht, Depression, Migräne, und seit dem 15. Jahrhundert auch in Deutschland verwendet
wurde. Vgl. von Matuschka, Art. Moschus.
210
quinque lapides preciosi ] Die frühneuzeitlich-alchemistische Steinkunde unterscheidet im
Anschluß an ältere Einteilungsprinzipien ,lapides vulgares‘ und ,lapides pretiosi seu insigniores‘.
Vgl. Jüttner, Art. Steinkunde.
211
Einhorn] Einhornsubstanzen galten als besonders heilkräftig und gehörten zu den kostspie-
ligsten Arzneien. Vgl. Zedler, Universallexikon 8, Sp. 559–561.
212
Balsamus Indicus] Vgl. Zedler, Universallexikon 3, Sp. 277–280, hier: Sp. 277: „Jst
ein natürlicher Balsam, der aus einem Bäumlein entspringet, so <. . .> Peruvianischer
Balsam=Baum genennet wird, und in der Americanischen Landschaft Peru wächst,
dahero er auch nebst dem Balsam diesen Namen bekommen.“ ,Indicus‘ bedeutet in die-
sem Falle ,westindisch‘ (,amerikanisch‘). Vgl. Anagnostou, S. 314–317.
284 teil iii ‒ editionen
213
Vgl. Apk 20,15.
214
schlecht] schlichtes, gewöhnliches. Vgl. Grimm, DWb 15, Sp. 523.
215
Vgl. Luther, Kleiner Katechismus, BSLK, S. 516,16f.
216
Tit 3,5.
217
Vgl. Ambrosius, De spiritu sancto, lib. 3, cap. 10, CSEL 79, S. 178,85–179,91:
„Spiritus enim nos per adoptionem filios dei fecit, sacri fontis unda nos abluit, sanguis
domini nos redemit. Alterum igitur invisibile, alterum visibile testimonium sacramento
consequimur spiritali, quia spiritus testimonium reddit spiritui nostro. Etsi in utroque ple-
nitudo sit sacramenti, distinctio tamen muneris est: Ergo ubi distinctio est muneris, non
est utique testificationis aequalitas.“
218
S. o. S. 173, Anm. 153.
219
mehr als Goldwichtigen] schwerer als Gold wiegenden. Nicht bei Grimm. Vgl. aber zu
,wichtig‘ im Sinne von ,gewichtig‘, ,Gewicht habend‘ Grimm, DWb 29, Sp. 824.
220
1Petr 1,2.
221
S. o. S. 262, Anm. 20.
222
1Joh 1,7.
valerius herberger, leichenpredigt 285
vnd errettet sie / daß sie nicht sturben223. Vnd Sap. 16. v. 12. Es
heilete sie weder Kraut noch Pflaster / sondern dein Wort / das
alles heilet.
Vber diß / so werden wir bey dem Beichtstuel auff das Blut vnd
Verdienst Jesu Christi von <S. 83> Sünden loßgesprochen / Da ists
abermal nichts anders / als wenn vnser Hertz mit den Blutströpfflin
Jesu würde besprenget. Das hat ohne zweiffel König David bedacht
/ bey seinen reden Ps. 51. Entsündige mich mit Jsopen / daß ich
rein werde / wasche mich / dz ich schneeweis werde224. Gleich wie
das Jsraelitische Volck wird geweyhet / wenn der Priester seinen
Sprengwedel von Jsop tuncket in das Weyhewasser / aus der Aschen
von der verbrandten <S. 84> rothen Kuhe zugerichtet / Num. 19.
vnd das Volck damit betreuffelt225: Also laß mich auff meine dehe-
mütige Beichte eine fröliche Absolution hören / daß ich in Krafft
des Bluts Messiae des edlesten Weihewassers aller meiner Sünden
loß werde.
Endlich im hochwürdigen Abendmal / da trencket vns der HErr
Jesus mit seinen thewren Blutströpfflin / da flösset der himlische
Samariter sein heilsames <S. 85> Balsamöle in die Wunden vnsers
Gewissens226/ so werden wir geheilet. Wer nun dem Evangelio gleu-
bet vnd getaufft wird227 / wer die Absolution geholet / vnd die
Balsamischen Blutströpfflin Jesu CHristi im heiligen Abendmal nicht
verachtet hat / der sol heil vnnd selig werden.
WJe sol jhm ein andächtiges Hertz <S. 86> diß alles nütz machen?
Jch wils richtig nacheinander zehlen228.
1. Für allen dingen Nosce teipsum. Lerne dich selber kennen / du
bist in der Warheit ein ungesunder krancker Patient / bekenne gerade
zu mit Esaia cap. 1. Das gantze Hertz ist mat / von der Fußsolen
223
Ps 107,20.
224
Ps 51,9.
225
Num 19,2–9.
226
Vgl. Lk 10,34.
227
Mk 16,16.
228
zehlen] geordnet darstellen. Vgl. Grimm, DWb 31, Sp. 47.
286 teil iii ‒ editionen
229
,Von Kopf bis Fuß‘ (,a capite ad calcem‘) ist ein seit alters her angewandtes Prinzip zur
systematischen Ordnung von Krankheiten oder Arzneien, das für letztere meist erst Marcellus
Empiricus (ca. 400 n. Chr.) zugeschrieben wird.
230
Jes 1,6.
231
Lk 5,8.
232
Lazarus Spengler, Durch Adams Fall ist ganz verderbt, Str. 1, Wackernagel 3, S. 48
(Nr. 71) (= EKG 243,1): „DVrch Adams fal ist gantz verderbt | menschlich natur vnd
wesen, | Dasselb gifft ist auff vns geerbt, | das wir nicht mochten gnesen | On Gottes
trost, | der vns erlost | hat von dem grossen schaden, | dareyn die schlang | Heuam
bezwang, | Gotts zorn auff sich zu laden.“
233
Joh 17,3.
234
Jer 30,13.17.
235
Konrad Hubert, Allein zu dir, Herr Jesu Christ, Str. 1, Wackernagel 3, S. 174 (Nr.
201) (= EKG 166,1): „ALleyn z ů dir, HERR Jhesu Christ, | mein hoffnung steet auff-
erden. | Jch weyß, das du mein tröster bist, | keyn trost mag mir sunst werden. | Von
anbegin ist nichts erkorn, | auff erden ist kein mensch geporn, | der mir auß nötten hel-
ffen kan: | dich rüff ich an, | z ů dem jch all mein vertrawen han.“
236
Artzt] Emendiert aus: Artz
237
1Kor 16,22.
238
Ps 2,12.
239
Ludwig Helmbold, Nun laßt uns Gott den Herren, Str. 7, Wackernagel 4, S. 647 (Nr.
932) (= EKG 227,7): „Wir bitten deine Güte, | wolst vns hinfurt behüten, | Vns grosse
mit den kleinen, | du kansts nicht böse meinen.“
valerius herberger, leichenpredigt 287
240
er were berichtet] ihm sei berichtet worden. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1523.
241
Vgl. Curtius Rufus, Geschichte Alexanders des Großen, lib. 3, par. 13f, S. 32–34.
242
Alexander Severus (208–235), 221 zum Caesar erhoben, von 222 an römischer Kaiser,
235 in der Nähe von Mainz von meuternden Soldaten ermordet, die den Thraker Maximinus
zum Gegenkaiser ausgerufen hatten. Vgl. Hanslik, Art. Aurelius II.
243
Ps 16,4
244
Lazarus Spengler, Durch Adams Fall ist ganz verderbt, Str. 6, Wackernagel 3, S. 49
(Nr. 71) (nicht in EKG 243): „Der mensch ist gottlos vnd verrucht, | seyn heyl ist auch
noch ferren, | Der trost bey eynem menschen sucht | vnd nicht bey Gott dem Herren; |
Denn wer yhm will | eyn ander zill | on disen troster stecken, | denn mag gar bald | des
teuffels gwald | mit seyner lyst erschrecken.“
245
Mt 25,9.
288 teil iii ‒ editionen
246
Kein Beleg in Proverbia.
247
Hadrian (76–138), 117 zum römischen Kaiser ausgerufen. Vgl. Eck, Art. Hadrianus.
Hanslik, Art. Hadrianus.
248
Sprichwörtlich. Vgl. Wander 2, Sp. 683.
249
2Chr 16,12f.
250
einrathen] Ratschlägen. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 246.
251
Joachim Curaeus (1532–1573), Besuch der Schule in seiner Vaterstadt Freystadt (Schlesien)
und des Gymnasiums in Goldberg, 1550–1554 Studium der Theologie und der Philosophie in
Wittenberg, 1554 Promotion zum Magister ebd., 1554–1557 Rektor in Freystadt, von 1557
an ca. zweijähriges Medizinstudium in Padua und Bologna, 1558 Promotion zum Dr. med. in
Bologna, seit 1559 Stadtarzt in Glogau. Curaeus trat nicht nur als medizinischer und theologi-
scher Fachschriftsteller in Erscheinung, sondern verfaßte zudem historisch-chronistische Werke zur
Geschichte Schlesiens. Vgl. Jöcher 1, Sp. 2255f. Historisches Ärztelexikon für Schlesien 1, S.
244–247.
252
Vgl. Joachim Curaeus, Gentis Silesiae Annales 1571.
253
Albrecht Herzog von Preußen, Was mein Gott will, das geschehe allzeit, Str. 1, Wackernagel
3, S. 1070 (Nr. 1240) (= EKG 280, 1): „WAs mein Gott wil, das gescheh alzeit, | sein
wil ist der aller beste: | Zu helffen den er ist bereit | die an jn glauben feste. | Er hilfft
aus noth, | der getrewe Gott, | er tröst die welt on alle massen: | Wer Gott vertraut, |
hertzlich auff jn baut, | den wil er nicht verlassen.“
valerius herberger, leichenpredigt 289
254
Tit 2,13.
255
Gen 48,13.
256
Guillelmus Durantus (1230/31–1296), kanonistischer und liturgischer Fachschriftsteller,
unter Clemens IV. und Gregor X. päpstlicher Kaplan und Auditor generalis causarum Sacri Palatii,
zugleich Kanonikus von Beauvais, Narbonne und Chartres, 1274 Berater Gregors X. auf dem
Konzil zu Lyon. 1278–1286 Statthalter der Romagna, 1285 Berufung zum Bischof von Mende
(1286 Weihe), doch dort nur 1291–1295 tätig, danach erneut päpstlicher Statthalter der Romagna
und der Mark Ancona. Ludwig Fischer, Art. Duranti(s), Wilhelm d.Ä.
257
Guillelmus Durantus, Rationale divinorum officiorum, lib. 6, cap. 102, 3, CChr.CM
140A, S. 500,39–51: „Contigisse autem dicitur Romanis premissa inguinaria pestis pro
eo quia, cum in Quadragesima continenter uixissent et in Pascha corpus Domini reci-
perent, postmodum comessationibus, ludis et luxurie frena laxabant. Fuit quidem tam
seua hec pestis ut ubique homines subito perimeret, ita quod, sicut dicitur, cum aliquis
sternitabat sepe spiritum emittebat; unde cum aliquis sternitabat, audiens statim accu-
rens dicebat: ,Deus te adiuuet‘. Et abinde, ut dicunt, hec adhuc consuetudo seruatur, ut
audiens aliquem sternitantem, statim dicat: ,Deus te adiuuet‘. Rursus, ut fertur, cum tunc
aliquis occitabat, frequenter subito spiritum emittebat; unde cum aliquis se uelle occi-
tare sentiebat, continuo signum crucis sibi imprimere festinabat, que consuetudo simili-
ter usque hodie obseruatur.“ Auf diesen Text verweist Herberger auch in Magnalia Dei,
S. 381.
258
Sir 38,1–3.
259
1Sam 2,30.
290 teil iii ‒ editionen
zahlen / so fürchteten sie sich für jhm als für einem Teuffel260.
Schimpff vnd <S. 100> Ernst. Laß dir solchen Vndanck vnd grö-
berey261 nimmermehr nachsagen / wofern du ehrliches Geblüts vnd
Gemüts bist.
Zum 7. Wie nu vermögene Leute den Medicis jhre Bestallung
machen262. Also mache deinem HErren Jesu richtige Bestallung auffs
gantze Jahr deines Lebens / du kanst jhn mit guten Worten / die
nicht aus falschem Hertzen gehen / leicht vberreden. Wo man jhn
gerne hat / da wil er sich gerne <S. 101> finden lassen263 / wie
aus der Historia von Zachaeo, des Hause Heil wiederfehret264 / zu
sehen.
Zum 8. Gebrauche willig seines rathes / vnd folge jhm / es wird
dir keinen schaden bringen. Laß dir seinen methodum curandi nicht
bange thun / er schencket gern aus hochweisen rath im anfang
Creutzbittere Purgierträncke ein / durch scharfe Gesetzpredigten /
durch mancherley elend vnnd beschwerung. Sey aber <S. 102> gewiß
/ die kräftigen Hertzstärckungen werden auch folgen / vnnd es sol
vnd muß dir alles zum besten dienen / Rom. 8.265
Zum 9. Hastu lust seiner zu geniessen / so thue hertzlich Busse.
Hieher gehöret auch Sirachs Latein266 cap. 38. Mein Kind / wenn
du kranck bist / so verachte diß nicht / sondern bitte den HErrn
/ so wird er dich gesund machen. Laß von der Sünde / vnd mache
deine Hände vnsträfflich / vnnd rei= <S. 103> nige dein Hertz
von aller Missethat. Opfer süssen Geruch / vnnd Semmel zum
Gedenckopfer / vnd gieb ein fett Opfer als müssestu davon. Darnach
laß den Artzt zu dir / denn der HErr hat jhn geschaffen / vnnd
laß jhn nicht von dir / weil du sein doch bedarffest. Es kan die
Stunde kommen / daß dem Krancken allein durch jene geholffen
werde / wenn sie den HErrn bitten / daß mit jhm bes= <S. 104> ser
werde / vnnd Gesundheit kriege lenger zu leben. Wer fur seinem
Schöpffer sündiget / der muß dem Artzt in die Hände kommen267.
260
Dieser verbreitete Topos geht wohl auf ein Epigramm von Euricius Cordus (Buch 7, Erfurt
1525) zurück (vgl. Grabner, S. 313). Vgl. hierzu auch Herberger, Sirach, S. 525 und o. S. 115.
261
gröberey] Unhöflichkeit. Vgl. Grimm, DWb 9, Sp. 411.
262
jhre Bestallung machen] als Leibarzt anstellen. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1651.
263
Jer 29,14; Ez 36,37.
264
Lk 19,9.
265
Röm 8,28.
266
Latein] Hier im Sinne von ,eindringliche Rede/Mahnung‘. Vgl. Grimm, DWb 12, Sp.
274. Röhrich 3, S. 931.
267
Sir 38,9–15.
valerius herberger, leichenpredigt 291
268
Ps 6,3.
269
Jer 17,14.
270
Gen 20,17.
271
Mt 7,12.
272
hortig] hurtig, behende. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1971.
273
Ps 103,1–4.
274
Recte: Mt 28,20.
275
thuen /] In Custode statt dessen: thun /
292 teil iii ‒ editionen
vnd endlich weil andere Artzney jhm selber nicht mehr helffen wol-
len / einig vnnd allein seiner himlischen Artzney sich gefrewet /
vnd sich seiner Cura einig vnd allein zu guter letzt ergeben. Drumb
er auch nicht gestorben / sondern seliglich eingeschlaffen / vnd zum
ewigen Leben eingegangen. Als ich jhn kurtz für seinem seligen
Abschiede besuchte / vnd von <S. 110> jhm abscheiden wolte /
fasset vnd drückete er meine Hände sehr fest / vnd sprach: Non
dimittam te, donec benedixeris mihi 276. Da sprach ich die Wort: Der
HErr segne euch vnnd behüte euch. Der HErr lasse sein Angesicht
leuchten vber euch / vnnd sey euch gnädig. Der HErr hebe sein
Angesicht vber euch / vnd gebe euch friede277. Gott der Vater wohne
euch bey / Jesus Christus wohne euch bey / der heilige Geist
wohne euch bey278. Benedicat tibi DEUS, DEUS <S. 111> noster, bene-
dicat tibi DEUS, Es segne euch Vater / vnd der Sohn / es segne euch
GOtt der heilige Geist. GOtt der Vater bleibe ewer Liebhaber /
JEsus Christus bleibe ewer Erlöser / der heilige Geist bleibe ewer
Tröster. Mein HErr Jesus bleibe bey euch an meiner stell / vnnd
erhalte euch kräfftig zum ewigen Leben / daß wir einander mit frew-
den darin wieder sehen. <S. 112>
Jch kan nicht gnung rühmen / mit was für hertzlicher andacht /
vnnd mit was für lieblichen anmütigen seuberlichen Geberden der
liebe fromme Man diß alles hörete vnnd annam. Das mag ein rech-
ter Flaminius seyn / templum divini Flaminis. Divini Flaminis Flaminica
domus, des heiligen Geistes werther Gasthoff. Denn / gleich wie nach
S. Pauli Reden / Niemand den HErren JEsum einen HErren nen-
nen kan / ohn durch den heiligen Geist 1. Cor. 12. v. 3. Also wird
<S. 113> auch niemand frölicher / wenn man von dem HErren
JEsu redet / als welcher den heiligen Geist im Hertzen zu gast hat.
Jch wil mich nicht zu weit vergehen279 / damit ich der allbereit
in offentlichen druck publicirten Sermon280 des Ehrwirdigen / hoch-
gelahrten Herrn M. Martini Etneri 281, meines grossen Freundes / so
276
Gen 32,27.
277
Num 6,24–26.
278
Vgl. Luther, Gott der Vater wohn’ uns bey, Str. 1–3, Wackernagel 3, S. 16 (Nr. 24)
(= EKG 109, 1–3).
279
wil mich nicht zu weit vergehen] will nicht zu weit gehen, nicht zu weitschweifig
ausgreifen. Vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 402.
280
Martin Eitner, Christliche Leichpredigt (s. Quellenverzeichnis).
281
Martin Eitner (Etnerus) (1590–1620), besuchte in Guhrau und Bunzlau (1604–1605)
die Schule, danach Studium in Wittenberg, am 12.3.1611 Promotion zum Magister ebd. Im
Mai 1611 wurde Eitner zum Gehilfen des altersschwachen Pfarrers Martin Leschius nach Guhrau
valerius herberger, leichenpredigt 293
berufen und kurz danach in Wittenberg von Leonhart Hütter examiniert. 1615 trat Eitner die
Nachfolge Leschius’ als Pfarrer an. Siegismund Justus Ehrhardt, Kirchen= und Prediger=Geschichte
des Fürstenthums Gros=Glogau, S. 270. Jöcher, Fortsetzung 2, Sp. 954.
282
S. u. S. 298–314.
283
geben] Emendiert aus: gegeben In Custode recte.
284
Prv 27,1.
285
Bislang nicht ermittelt.
286
Vgl. Augustin, Enarrationes in Psalmos (zu Ps 102,8), CCSL 40, S. 1467,23–26:
„Sunt enim qui praeparant conuersionem, et differunt, et fit in illis uox coruina: Cras,
cras. Coruus de arca missus, non est reuersus. Non quaerit Deus dilationem in uoce
coruina, sed confessionem in gemitu columbino.“
287
Gedancken] Emendiert aus: Gedaneken
288
Theodorus Priscianus (4./5. Jh.), vermutlich aus Nordafrika stammend, Schüler des
Vindicianus und Verfasser eines therapeutischen Lehrbuches. Fischer, Art. Theodorus Priscianus.
289
P. p.] Pater piissimus. Vgl. Abkürzungen, S. 162.
294 teil iii ‒ editionen
290
Gregor d. Gr., Registrum epistolarum, lib. 5, cap. 46, CCSL 140, S. 340,42– 44:
„Imperator caeli, dominus hominum et angelorum pro uita tua tibi suas epistulas trans-
misit, et tamen, gloriose fili, easdem epistulas ardenter legere neglegis.“
291
Gregor d. Gr., Registrum epistolarum, lib. 5, cap. 46, CCSL 140, S. 339,37–39: „Quid
autem est scriptura sacra nisi quaedam epistula omnipotentis Dei ad creaturam suam?“
292
Vgl. Herberger, Dem Ehrbaren / Holdseligen in Ehr vnd Tugend blüendem Jungfrewlein /
Euphrosinae Gastin / Des Edlen / Ehrenvhesten / Hochgelarten / weitberümeten Herrn Doctoris
FLAMINII GASTONIS <. . .> Töchterlin, in: Herberger, Jungfraw=Kräntzlin 1614, fol. A
2r–7v.
293
Herberger, DE TEMPORE PEREGRINATIONIS. Das Geistliche Wanderkalb. Das ist
/ Kurtzer Bericht von der Zeit vnserer Walfarth vnd Pilgramschafft auff Erden / vnd wie ein
jeder kluger Christ das Netze / Vellus, Felleyß / oder Wanderkalb seines Hertzens alle Stunden
vnd Augenblick solle fertig haben / aus zweyen Sprüchen / Psal. 119. Jch bin ein Gast auff
Erden. Vnd Ebr. 13. Wir haben hier keine bleibende stat / etc. Beym Begräbnis des frommen
Studiosi Georgij Deutschländers / welcher Anno 1613. Mittwochs nach Pfingsten am Quartal /
da Tempus peregrinationis angehet gestorben / vnd Freytags hernach begraben worden, in: Herberger,
Trauerbinden, Teil 3, S. 348–363.
valerius herberger, leichenpredigt 295
Gast gewesen / Matth. 25. v. 36.294 helffe mir seliglich her= <S. 121>
nach / damit Gast vnd Herberger wieder mit frewden zusammen
kommen.
Am Jüngsten Tage / wird mein HERR Jesus / der auch weiland
ein Gast gewesen / kommen / alle Gäste zu besehen / wie das
Evangelium saget Matth. 22.295 da wird er sprechen / wie Job cap.
31. v. 32. Draussen muß mir der Gast nicht bleiben. Vnd weiter:
Gehe ein zu deines HERRN Frewde Matth. 25.296 Gehe ein in den
grossen geraumen Gasthoff des ewi= <S. 122> gen297 {Le}bens / da
wird dieser Himmelsgast nicht mehr ein schlechter Gast seyn / son-
dern ein Bürger mit den Heiligen Ephes. 2. v. 19.
Sein Symbolum, nach der Gelehrten weise / war:
QUID AGO?
Was thue ich?
Das hat er aus des Pythagorae aureis carminibus298 genommen. Denn
/ derselbe hat seine Studenten vermahnet / daß sie alle Abend /
drey ding solten besinnen. <S. 123>
Quid egi?
Quid ago?
Quid agam?
Diese Gedancken haben jhn in seinem Wandel so auffgemuntert /
daß er in keiner Sache schläfferig / langsam / vnd verdrossen gewe-
sen. Edle Naturen können nicht müssig seyn. Ulysses der tapffere
Held sagte auch: Mea autem laborum portio sit major 299. Je mehr ich
zu thun habe / je besser ist mir. Jch dencke viel mal: Besser ists /
294
Mt 25,35.
295
Mt 22,11.
296
Mt 25,21.
297
ewigen] Zweite Silbe nur in Custode.
298
Vgl. Pythagoras, Carmina aurea (1532), S. 151: „Id est, nec somnum mollibus ocu-
lis prius inducas, quàm ter operum diurnorum, singula animo percurras: quo profectus?
quid egi? quid imperfectum reliqui? Hoc praeceptum cum ad uitae solertiam, tum uel
maximè ad memoriam excolendam pertinet: quod Ciceroni usque adeò placuit, ut in
Catone maiore id laudauerit, & ex persona Catonis obseruauerit. Pythagoreorum inquiens,
more quoquid in die dixerim, egerim, audierim, commemoro uesperi. Aristot. quoque
praecepit, egredientem domum, agenda praemeditari, ingredientem actorum reminisci
oportere.“ Vgl. Pythagoras, Carmina aurea (1995), S. 96,40–42. ,,MØ dÄ Ïpnon malako›sin
§pÄ ˆmmasi prosd°jasyai, pr‹n t«n ≤merin«n ¶rgvn tr‹w ßkaston §pelye›n: ,pª par°bhn;
t¤ dÄ ¶reja; t¤ moi d°on oÈk §tel°syh;‘ “
299
Bislang kein Beleg ermittelt.
296 teil iii ‒ editionen
300
Ps 3,6.
301
Es könnte sich um ein Zitat aus einem Kirchenlied handeln. Bislang kein Beleg ermittelt.
302
Ps 116,13.
303
S. o. S. 262, Anm. 20.
304
Mk 14,3.
305
Jes 64,3.
306
S. o. S. 292f, Anm. 281.
307
S. o. S. 258, Anm. 5.
308
S. o. S. 292, Anm. 280.
309
Herberger, Aller Liebhaber Gottes / Augentrost / Ohrenklang / vnnd Hertzlust im ewi-
valerius herberger, leichenpredigt 297
Sein gantzes Leben vber / sind seine Augen / <S. 128> Ohren
vnd Hertz allzeit in voller Arbeit gewesen. Seine Augen haben sich
in der Welt redlich vmbgesehen nach den309a fürnehmesten Leuten /
Seine Ohren haben nichts / was denckwirdig gewesen / lassen für-
über rauschen / Sein Hertz hat allen nützlichen Subtilitatibus scharff
vnnd auffs tieffste nachgesonnen. Weil er aber gleichwol befunden
/ daß er mit seinen Augen vnnd Ohren / auch mit seines Hertzens
Gedancken / nicht alles hat außfischen / vnd erwischen können /
so hat <S. 129> er sich gefrewet / daß er die vbrigen arcana werde
im Himmel erforschen / da wird er mit verkläreten Englischen Augen
ad oculum sehen / was er hier nicht hat finden mögen / da wird
er deutlich aus dem Munde Jesu hören / was jhm niemand in die-
ser Welt hat offenbaren können / da wird sein Hertz volkömlich
alles das fassen / was er mit Gedancken in dieser Welt nicht hat
erreichen können / da wird Frewde die völle / vnd lieblichs Wesen
seyn / Ps. 16.310 Zu solchen seligen <S. 130> Augen / Ohren /
vnd Hertzen / helffe auch mir vnd dir vnser fürtrefflichste Oculist311
/ Ohrenartzt / vnnd Hertz= Doctor JEsus Christus / gelobet in
Ewigkeit / Amen.
Valet=Segen.
JEsus der Herr mein Artzt / der fürnehmeste Doctor / der allen
köstlichsten Medicis nicht allein gleich / sondern auch weit vber=
<S. 131> legen ist / welcher die meisten Patienten hat / welchem
auch keiner von seinen Patienten ist gestorben / welcher allen Medicis
selber muß helffen / der lasse jhm / mich / vnd euch / mit Leib
vnd Seele in seine Doctoralische Cur vnd Sorge befohlen seyn / er
versage vns nicht die preciosas medicinas, den tewresten Artzneybalsam
seiner allerheiligsten <S. 132> Blutströpfflin / er rette vns das Leben
/ wenns vns andere absagen / er lasse vns nicht sterben / sondern
leben / vnd seine WunderCur in Ewigkeit preisen / er versuche alle
seine Kunst an vns / daß wir heil vnd selig werden / Amen.
gen Leben / aus S. Pauli worten / 1. Corinth. 2. Oculus non vidit, &c. Beym Begräbnüß einer
Christlichen Matron / Margarethae S. C. Haußwirthin / die sich lange zeit mit schweren Creutz
getragen / Anno 1607. Mitwoch für 13. Post Trinitatis, in: Herberger, Trauerbinden, Teil 3,
S. 473–484.
309a
den] Emendiert aus: dem
310
Ps 16,11.
311
S. o. S. 267, Anm. 52.
<S. 133>
Zum Gedächtniß
Wil ich die schönen re=
den meines lieben Hertz=
freundes D. Matthaei Vech-
neri, derer oben gedacht /
hernach setzen.
Q. D. E. N.
Valet / oder Gratial /
aus dem schönen Na=
men
FLAMINIUS GAST,
nach der Leichprocession im Hau=
se gehalten.
ad
Hospites & Comites. <S. 134>
312
Marginal: Exordium.
313
Georg Rudolf, Herzog von Liegnitz (1595–1653), 1611f Aufenthalt an der Universität
Frankfurt/Oder, 1614 ausgedehnte Reisen durch Italien, Frankreich und die Niederlande, bald
nach seiner Vermählung mit Sophie-Elisabeth von Anhalt-Dessau Konversion zum reformierten
Bekenntnis, 1621 jedoch Rückkehr zur lutherischen Konfession, 1621–1629 Oberlandeshauptmann
von Schlesien. Georg Rudolf, der mit Johann Arndt einen Briefwechsel führte, wird eine tiefe
Frömmigkeit nachgesagt. Vgl. Krebs. Petry.
314
Marginal: à fatale necessitate.
315
vorsichtige] fürsorgliche, vorbedachte. Hier als Ehrenprädikat verwendet. Vgl. Grimm,
DWb 26, Sp. 1574f.
316
Proverbia 1, S. 46 (Nr. 3346). Röhrich 3, S. 885. Vgl. Sap 16,12.
317
Marginal: Confirmatio.
valerius herberger, leichenpredigt 299
318
Marginal: Confutatio.
319
Marginal: Conclusio exordij.
320
Marginal: Transitio ad proposition.
321
Stadt= vnnd Landkündig] bekannt in der ganzen Stadt und im ganzen Land. Vgl.
Grimm, DWb 12, Sp. 122; 17, Sp. 476.
322
Marginal: Cum Narratione.
323
Marginal: Propositio bimembris.
324
Marginal: Flaminius.
300 teil iii ‒ editionen
so wol nach seiner Geburt / als nach seiner Widergeburt / DEI pro-
genies, wie S. Paulus außm Arato325 redet / aus Gottes Geschlecht
Act. 17. v. 28.
1. Nach seiner Geburt326; quia flamine cretus & ortus; Darumb /
daß sein Geist oder Seele nicht vom Fleisch / noch vom Blut genom-
men / sondern von Gott / qui creando infudit S. animam in <S. 140>
corpus, welcher selbsten spiraculum vitarum jhme einbließ / Gen. 2.327
kommen war328. Eccl. 12. v. 7.
2. Nach seiner Widergeburt aber; quia Flamine tinctus & unctus329;
Darumb / daß er nur von Gott im Glauben widergeboren war /
effundendo Spir. S. in Animam330.
Erstlich bey der heiligen Tauffe / da er flumine vnnd flamine, mit
Wasser vnnd Geist / ja flammâ, mit dem Fewer Göttlicher Liebe
getauffet war331.
Zum andern / beym H.332 <S. 141> Abendmal / da er offters
mit dem wahrem Leib vnd Blut Christi / mit dem rechten Brod des
Lebens333 nutriret, vnd zu einem heiligen newen Leben ist ernewert
worden. Letzlich vnd zum dritten334 / in seinem Christenthumb /
so offte er seine Sünde beweinet / rechtschaffene Busse gethan /
vnnd Krafft des heiligen Oehls / damit er / etiam prae multis, gesal-
bet war / sich zu einem außerwehleten Baw335 / ja zum Königlichen
Priesterthumb Gottes336 erbawet / vnd im Gebet geistliche Gaben /
welche Gott angenehme waren / durch JE= <S. 142> sum CHristum
geopffert hat337.
325
Aratus, Phaenomena 4f, S. 72: ,,pãnth d¢ DiÚw kexrÆmeya pãntew. toË går ka‹ g°now
efim°n.“ Aratus aus Soloi in Kilikien (Ende 4. Jh. — Mitte 3. Jh.). Von Aratus’ zahlreichen
poetischen Schriften sind nur die Phaenomena überliefert. Vgl. Fantuzzi, Art. Aratus [4] und
Böker, Art. Aratus.
326
Marginal: Flamine cretus & ortus, in generatione infundendo animam in corpus.
327
Gen 2,7.
328
war] Emendiert aus: wer
329
Marginal: Flamine tinctus & unctus.
330
Marginal: in Regeneratione. effundendo S. S. in animam.
331
Marginal: Ministerio Sacrament. in baptismo.
332
Marginal: in Coenâ.
333
Joh 6,35.
334
Marginal: Ministerio Verbi in Christianismo.
335
Vgl. 1Kor 3,9.
336
1Petr 2,9.
337
1Petr 2,5.
valerius herberger, leichenpredigt 301
Er ist aber ferner nicht allein nach dem Geschlecht vnd Herkommen
/ sondern auch nach dem Leben338 ein rechter Flaminius, ein recht
Geistlicher gewesen / ceu Flamine doctus & actus ; Vom heiligen Geist
gelehret vnnd geleitet. Denn / sein Verstand339 vnnd Gemüt ward
von Gott erleuchtet vnd begabet mit dem 1. Geist der Weißheit340
/ vom göttlichen Wesen341 / Willen / vnd Wolthaten / 2. mit heil-
samer Erkäntniß sein selbsten / <S. 143> 3. vnd dann mit frucht-
barlicher Wissenschafft aller natürlichen Geheimnisse. Also ward sein
Hertz / Sinne vnd Wille342 gleichsfals vom heiligen Geist geführet
zum rechten Glauben / Ehre vnd Anruffung Gottes343 / so auch zu
vngefärbter Liebe344 vnd dienstfärtigkeit seines Nechsten. Denn wie-
wol er kein Theologus ex professo gewesen / so hat er doch stets
geforschet in der H. Schrifft345 / darinnen den Messiam funden /
dessen Person erkant / bekandt / vnd geehret / seinem Willen sich
vnterworffen / vnnd endlich alle seine Verdienst <S. 144> vnd
Wolthaten jhme zugeeignet. Hat allerley Theologische Schrifften emb-
sig gelesen / von Theologischen Sachen weißlich geurtheilet / vnd
darvon mit den Gelehrten / so offt es die Gelegenheit geben / con-
feriret, vielleicht auch vielen Theosophis346 es hierinnen zuvorn gethan.
Jngleichen hat ers in Philosophia vnd Medicina347 mit seinem wissen
vnnd können durch Gottes gnädige erleuchtung so hoch gebracht /
daß jhn vielleicht niemand vbersteigen / wenig erreichen werden.
Jn deme er <S. 145> jhme alle partes Philosophiae, alle sectas
Medicorum348, alle recessus naturae349 nicht allein familiar gemacht /
338
Marginal: Flamine doctus & actus.
339
Marginal: Informando mentem.
340
Eph 1,17.
341
Marginal: DEI sui ipsius Naturae cognitione
342
Marginal: conformando voluntatem ad Spir. S.
343
Marginal: Rationis obsequium.
344
vngefärbter Liebe] Liebe ohne Falsch. Vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1326.
345
Marginal: Pietatis & fidei. <Emendiert aus: in Pietatis & fidei.>
346
Theosophis] Vermutlich Reflex der von Jacob Böhme und seinem Kreis in Schlesien ver-
breiteten Theosophie. Jedenfalls wird Gasto an dieser Stelle zu einem Theoalchemiker stilisiert mit
umfassenden naturkundlich-naturphilosophischen wie theologischen Kenntnissen bzw. Fähigkeiten.
347
Marginal: Artis & Charitatis.
348
sectas Medicorum] Bezieht sich wohl auf zwei Hauptrichtungen der frühneuzeitlichen
Medizin, die galenische (medicina dogmatica) und paracelsische (medicina hermetica). Geläufig
waren im einstigen Wegestreit in der medizinischen Wissenschaft drei ,Sekten‘: Methodiker, Empiriker
und Rationalisten. ,Empiriker‘ ist eine „von Vertretern der akademischen Medizin gebrauchte
Bezeichnung für alle nichtakademischen Heiler bzw. Mediziner, die (im Unterschied zu den
,Rationalisten‘ bzw. ,Dogmatikern‘) ohne theoretisches Fundament therapierten“ (Corpus Paracelsisticum
1, S. 276).
349
recessus naturae] Heimlichkeiten, Geheimnisse, secreta der Natur.
302 teil iii ‒ editionen
sondern auch opera Physica mit dem Igne Naturae oder Vulcano
Alchymistarum350 zu repraesentiren, aemuliren, vnd perficiren sich wol
vnterstanden hat.
Jst demnach seine Sapientia vnd Scientia351 nicht faul oder vnfrucht-
bar gewesen; Sondern hat auch dieselbe allzeit practiciret vnd opere
bewiesen; als Pietate erga DEUM, vnd Charitate erga Homines; mit fröm-
migkeit des Hertzens gegen GOtt / <S. 146> vnd mit Wercken
Christlicher Liebe in seinem Christenthum vnnd Beruff. Dieweil er
nicht allein für seine Person Gott geschawet vnnd vertrawet / gefürch-
tet vnd gehorchet hat352; sondern auch mit exemplarischem Leben
seinen Nechsten Gotte gewonnen; Ja mit heilsamen Rathe vnd That
in seinem Beruff / für seiner Patienten Gesundheit / mehr denn für
sich selbst laboriret vnd gewachet353. Hat nit allein all sein vorneh-
men vnd consilia; sondern auch alle seine geberden / Wort vnd
reden meisterlich examiniret vnd reguliret354, nè quid teme- <S. 147>
rè, ne quid timidè 355; damit er ja nit vnvorsichtiglich jemand ärgerte
oder beleidigte. Dannenhero er auch pro Symbolo illud Pythagorae 356
geführet357.
Quid ago? Dadurch er seine Gedancken à curis rerum inanium, zu
betrachtung seines gegenwertigen Zustandes vnd gebühr revociren
wollen. Jst deßwegen allzeit / in allen fällen vnnd verrichtungen
(quae maxima prudentiae pars est) gantz praesenti animo vnd attent
gewesen.
In faciendâ Medicinâ358 hat er nicht gegaffet auff die steriles com-
munitates Metho- <S. 148> dicorum, eben so wenig sich auff die fal-
laces Empiricorum observationes verlassen: Sondern hat sehr artig vnd
weißlich die gantze Philosophiam, ja alle verborgene Schätze der
350
Vulcano Alchymistarum] Vulkan ist der römische Gott des Feuers und der Schmiedekunst.
In der paracelsisch-medizinischen Fachliteratur wurde ,Vulkan‘ häufig als metonymische Bezeichnung
des von Paracelsus empfohlenen laborantischen Feuers benutzt (vgl. Corpus Paracelsisticum 1, S.
256f). ,Vulkan‘ begegnet zudem als „Bezeichnung der Alchemiker, der mit Öfen und Destilliergeräten
hantierenden ,Feuerphilosophen‘ bzw. ,Feuerkünstler“‘ (ebd., S. 438).
351
Marginal: exercitijs.
352
Marginal: Explicatio sive
353
Marginal: Exaggeratio
354
Marginal: occasione
355
Proverbia 3, S. 71 (Nr. 16271a).
356
Marginal: Symboli. Vgl. o. S. 295, Anm. 298.
357
S. o. S. 295.
358
Marginal: Professionis Medicae.
valerius herberger, leichenpredigt 303
359
Marginal: in qua mirificè excelluit.
360
Arabos] Emendiert aus: Arabes
361
Vgl. hierzu Schipperges, Zum Topos, S. 26–28, wo die platonischen als auch die aristo-
telischen und galenischen Wurzeln dieses Topos skizziert und belegt werden.
362
Apozematibus] Ein Apozema ist eine Arznei, die durch Abkochen von Drogen gewonnen
wird. Vgl. Goltz, S. 201–203.
363
Syrupis] Unter einem Sirup versteht man eine „trinkbare Arzneizubereitung, die man durch
Kochen von Drogen in Wasser unter Zusatz von Zucker oder Honig herstellte“. Kuhlen, Art. Sirup.
364
arcana] Hier im Sinne von ,alchemische Präparate‘. Vgl. Corpus Paracelsisticum 1, S.
281.
365
Essentias] ,Essentia‘ meint „ein Präparat, das alle pharmakotherapeutisch wesentlichen
Kräfte und Tugenden eines bestimmten Stoffs enthalten soll; als besonders heilkräftig galten Essenzen
aus Gold und Silber, den ,edelsten‘ Metallen“. Corpus Paracelsisticum 1, S. 52.
366
Tincturas] Unter Tinkturen versteht die paracelsisch-paracelsistische Arzneimittellehre sol-
che Stoffe, die, von außen auf den Leib oder auf Metall aufgetragen, Gesundheit bzw. einen höhe-
ren Grad an Reinigkeit hervorrufen. Vgl. Corpus Paracelsisticum 1, S. 281.
367
Vgl. zur Kombination ,beider Medizinen‘ o. S. 268, Anm. 63.
368
zugespannet] Emendiert aus: zugespannen
369
S. o. S. 276, Anm. 132.
304 teil iii ‒ editionen
Wie nun vnser seliger H. Doctor jhme ingenio & beneficiis beyn
Menschen ein jmmerwerendes Lob bereitet hat; Also hat auch sein
Geist / seine Seele Gott jrem Schöpfer vnd Erlöser in gnaden wol-
gefallen. Hat deßwegen mit jhr geeylet aus dem Gasthofe dieses
bösen Lebens / in das rechte Vaterland des ewigen Himmelreichs.
Da ist er <S. 152> nun erst nach seinem hieischen370 Abschied recht
Flamine laetus & aevus, am Geist frölich vnnd in ewiger Gloria371.
Er ist außm Finsterniß gebracht zum Liecht372 / da er Gott sihet
von Angesicht zu Angesicht373 / vnd in jhme alles was er zuvorn weder
mit Augen sehen / noch mit Ohren hören / noch mit Gedancken
hat begreiffen können374:
Wie sawr er es jhme auch in seinen studiis apodemiis375, vnd praxi
hat werden lassen376. Er ist entzücket außm Kercker des Leibes zur
frey= <S. 153> heit des Geistes / zur Gesellschafft der heiligen
Englischen Geister / ja zur participation der göttlichen Natur 2.
Pet. 1.377
Er ist versetzet aus der Vnruhe zum frieden378 / da jhn keine
Qual anrühret379 / da er in vnaußsprechlicher Herrligkeit vnd frewde
lebet / vnd ohne alles auffhören ein fröliches Hallelujah mit allen
außerwehleten schallet vnd singet biß in Ewigkeit.
Das mag mir ein rechter Flaminius seyn? Quis neget? Omnia nomi-
nibus saepè subesse suis.
Anlangende demnach380 <S. 154> vnsers seligen H. Doctoris
Zunamen / wird vns gleicherweise darinnen sein 1. Herkommen /
2. Wandel / vnd 3. Hinfahrt / abgemahlet381. Denn nach seinem
Geschlecht ist er gewesen ein Gast382. Dieweil sein H. Vater vnnd
H. Großvater / von welchen er diesen Zunamen ererbet / geheis-
sen haben Gabriel vnd VVolffgangus Gast. vornehme Amptspersonen.
370
hieischen] hiesigen. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1311.
371
Marginal: Flamine laetus & aevus.
372
Marginal: visione Essentiae.
373
1Kor 13,12.
374
1Kor 2,9.
375
studiis apodemiis] Studien während Gastos akademischer Wanderjahre.
376
Marginal: participatione naturae
377
2Petr 1,4.
378
Marginal: fruitione gloriae Divinae.
379
Sap 3,1.
380
Marginal: II. Pars proposition.
381
Marginal: Confirmatur.
382
Marginal: Gast Jure Majorum.
valerius herberger, leichenpredigt 305
383
S. u. S. 307, Anm. 411.
384
Marginal: More Sanctorum omnium.
385
S. o. S. 183, Anm. 224.
386
2Kor 6,15.
387
Marginal: in V. T.
388
außdrücklich] Emendiert aus: anßdrücklich
389
Dieses sind die Jsraeliten auch in keiner abrede] Dieses stellen die Israeliten auch
in keine Abrede. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 87.
390
1Chr 29,15.
391
Marginal: typo.
392
Ps 119,19.
393
Marginal: In N. T.
394
Mt 22,11.
395
Hebr 11,13.
396
Mt 25,35.
397
Marginal: antitypo
398
Marginal: Gast
306 teil iii ‒ editionen
399
Marginal: in Christianismo vita officio
400
Marginal: per abstractionem theologicam à mundo ad DEUM.
401
2Petr 2,21.
402
1Tim 6,11.
403
Marginal: Philosophicam à corpore ad Animam.
404
,Spagyria‘ wird hier als Synonym für ,Alchemie‘ verwendet. Vgl. Ruland, Lexicon Alchemiae,
S. 439.
405
Der Autor greift mit dieser Regenerationstheorie der durch gewisse Tinkturen von Unreinigkeit
zu reinigenden Lebensgeister sowie der Analogisierung von geistlichen Körpern mit körperlichen
Geistern Gedanken auf, die zum Kernbestand der paracelsisch-alchemischen Medizin gehören. Vgl.
Theophrast von Hohenheim, gen. Paracelsus, Neun Bücher Archidoxis, lib. 1, Sämtliche Werke,
Abt. 1, Bd. 3, S. 97: „also werden die magnalia dei erkennet in dem, das zwen corpus
seind, aeternum und corporale <. . .> aber die arznei wirket in dem, das sie das haus
erleuteret und reiniget, dorin dan der corpus spirituale mag gnugsam verbringen sein
wesen.“ „also die arznei die corpora, darin spirituale ligt, reiniget“ (ebd., S. 98).
406
terrâ damnatâ] Eine auch ,terra impura‘ bzw. ,terra vituperata‘ genannte Arkansubstanz.
Vgl. Theatrum chemicum, Bd. 4, S. 461.
407
capite mortuo] ,caput mortuum‘ bezeichnet einen in der Retorte verbleibenden Destil-
lationsrückstand. Hier metaphorisch gebraucht.
408
phlegmate insulso] Unter ,phlegma insulsus‘ (— auch dies an dieser Stelle metaphorisch
gebraucht —) versteht man eine bei der Destillation entstehende wässerige Fraktion, eine Art
Verunreinigung. Mit ,phlegma‘ ist hier wohl nicht der Körpersaft im Sinne der Humoralpathologie
gemeint.
valerius herberger, leichenpredigt 307
Ferner aber so hat vnser selige Herr Doctor / auch dem Leibe
nach409 / ratione totius adaequati, als einem Pilgram / einem Gaste
zustehet / sich verhalten. Jst nicht hinderm Ofen blieben410 / fau-
lenzen liegende: Sondern hat bald in seiner Kindheit aus seines H.
Vatern <S. 161> Hause zugeeilet der Schulen zu Schwibsen411. Alldar
sein zartes Ingenium412 nur mit Milch vnd Honig des H. Catechismi,
Civilitatis morum, vnd Grammaticae Latinae geseuget ward. Von dan-
nen wanderte er nach Görlitz / vnd ward von H. Ludovvico413 vnd
Mylio414, mit den Exercitiis trivialibus gleichsam außgehärtet415 / vnd
zu stärckerer Kost gewehnet. Jnmassen bald hernach jhme in dem
freyen Gasthofe der berühmten Vniversitet Wittenberg416 eine öffentliche
Taffel reichen Vor= <S. 162> raths aller artium vnnd facultatum
von den H. Professoribus, als freyen Gastgebern adorniret vnnd gehal-
ten ward417. Da hat er pro aetate vornemlich die fructus Peripateticos
decerpiret; der Artzney aber nur einen süssen Vorschmack / von den
treflichen Medicis D. Salomone Alberto418 vnd Schatone419, eingenommen.
Als jhme nu die Augen vnd Weg eröffnet / hat er weiter passiret
durch Leipzig nach Altorff 420 / auff der Nürnberger Academien.
Da die erleuchten Männer <S. 163> Ph. Scherbius421 jhme sein
409
Marginal: Ethicam ab ocio ad laborem <emendiert aus: laborum>
410
Marginal: In cursu studiorum
411
Schwibsen] Schwiebus, nördlich von Grünberg (Schlesien).
412
Marginal: contemplativo
413
Laurentius Ludovicus (1536–1594), von 1558 an Studium in Wittenberg v.a. bei
Melanchthon, nach dessen Tod Bildungsreise durch Sachsen und Süddeutschland, 1564 Promotion
zum Magister, 1565 Konrektor in Görlitz, seit 1584 Rektor ebd. DBA I,786,262–272.
414
Martin Mylius (1542–1611), Studium in Wittenberg, 1574 Promotion zum Magister
ebd., seit 1568 als Lehrer in Görlitz tätig, 1594 Schulrektor in Görlitz als Nachfolger von
Laurentius Ludovicus, den Mylius zuvor während dessen Krankheit bereits vertreten hatte, 1604
Krönung zum poeta laureatus durch Paulus Melissus, 1608 Versetzung in den Ruhestand. Vgl.
Jöcher 3, Sp. 794. DBA I,880,384–391.
415
Marginal: per diversas Scholas
416
Gasto wurde am 7. Februar 1592 in die Matrikel der Universität Wittenberg eingetragen.
Vgl. Album Academiae Vitebergensis 1502–1602, Bd. 2, S. 387a.
417
Marginal: Academias
418
Salomo Alberti (1540–1600), 1560ff Studium der Medizin in Wittenberg, 1574 Promotion
zum Dr. med. ebd., 1575 Prof. für Physik ebd., 1577 für Medizin, 1592 Berufung zum kur-
fürstlichen Leibarzt in Dresden, Verfasser eines Lehrbuches der Anatomie. Vgl. M. Schmid, Art.
Alberti. Hirsch, Art. Alberti.
419
Andreas Schato (1539–1603), zunächst Prediger in Torgau, 1574 Prof. für Mathematik
und Physik in Wittenberg. Jöcher 4, Sp. 227. Friedensburg, S. 308.
420
Gasto wurde am 2. November 1592 in die Matrikel der Universität Altdorf eingetragen.
Vgl. Matrikel der Universität Basel 2, S. 453.
421
Philipp Scherb (1555–1605), von 1572 an Studium in Basel, Heidelberg, Padua, Rom
308 teil iii ‒ editionen
und Bologna, Promotion in Basel (6. September 1580 [vgl. Matrikel der Universität Basel 2,
S. 170]), 1580 Berufung auf eine Professur für Logik ebd., 1584 Prof. für Moralphilosophie
ebd., 1586 Prof. für Medizin und Philosophie in Altdorf. DBA II,1140,193.
422
Nikolaus Taurellus (1547–1606), Studium der Theologie und Philosophie in Tübingen,
Promotion zum Magister der Philosophie 1565 ebd., dann Medizin-Studium, am 21. November
1570 Promotion zum Dr. med. in Basel, und etwa ab 1572 Lehrtätigkeit ebd. 1576 Prof. für
Ethik ebd., 1580 Berufung auf eine Professur für Medizin nach Altdorf. Taurellus, der als medi-
zinischer, philosophischer und emblematischer Fachschriftsteller recht fruchtbar war, starb dort an
der Pest. Vgl. Matrikel der Universität Basel 2, S. 162. Groos, Art. Taurellus. Jöcher 4, Sp.
1028f. Jaumann, S. 647.
423
Wandergebündlin] Wandergepäck. Vgl. Grimm, DWb 27, Sp. 1655.
424
Marginal: Regiones.
425
Peter Monau (1551–1588), Studium in Wittenberg und Heidelberg, 1575–1578 Studium
der Medizin in Padua, am 20. April 1578 Promotion zum Dr. med. in Basel (vgl. Matrikel
der Universität Basel 2, S. 252). Monau war sodann als Arzt in Breslau tätig. 1580 wurde
er aufgrund von Crato von Kraftheims Empfehlung zum Leibarzt Kaiser Rudolfs II. ernannt. Vgl.
Schimmelpfennig, Art. Monau, Sp. 162f (zu Peter Monau: S. 163). Jöcher 3, Sp. 610.
426
Laurentius Scholz (1552–1599), Arzt und medizinischer Fachschriftsteller, Medizin-Studium
in Wittenberg, Padua und Bologna, nach Reisen durch Italien und Südfrankreich 1580 Rückkehr
in seine Heimatstadt Breslau. Scholz praktizierte sodann in Freystadt, nach 1585 in Breslau und
war mit Crato von Kraftheim befreundet, dessen ,Consilia et Epistolae‘ er herausgab. 1598 wurde
Scholz in den böhmischen Adelsstand erhoben. Vgl. Gebauer, Art. Laurentius Scholz, in: Schlesische
Lebensbilder, Bd. 4, S. 133–139.
427
Andreas Dudith (1553–1589), 1550 Studien in Verona, sodann Sekretär des aus England
verbannten Kardinals Reginald Pole ebd., 1553f als Gesandter Papst Julius’ III. Reise durch
Deutschland, die Niederlande und Frankreich nach England, danach philologische und philosophi-
sche Studien in Paris, 1558 Fortsetzung der Studien in Padua und Venedig, 1560 weitere
Studienreise, die Dudith nach Ungarn führte. 1561 Titularbischof von Tina/Knin in Dalmatien
und Sekretär der ungarischen Hofkanzlei, später als Abgesandter des ungarischen Klerus auf dem
Konzil von Trient. 1562 bzw. 1563 wurde Dudith Bischof von Csánad und Pécs, wirkte als
Gesandter Kaiser Maximilians II. in Polen, heiratete 1567, legte alle kirchlichen Ämter nieder
und wohnte sodann in Krakau. Konversion zum reformierten Protestantismus; nach dem Verlust
seines Vermögens lebte Dudith in Mähren und schließlich in Breslau. Vgl. Szczucki. Corpus
Paracelsisticum 1, S. 91. Jaumann, S. 234.
428
Der Erstdruck der ,Euporista‘ erschien in den ,Miscellanea Cratoniana‘ (1629), wie das
Titelblatt verrät („Euporista. Gute leichte Hauß=Mittel“).
429
Johann Crato von Kraftheim (1519–1585), Arzt und medizinischer Fachschriftsteller, ab
1534 Studium der Theologie, später der Medizin in Wittenberg u.a. bei Luther und Melanchthon,
1546 Fortsetzung des Medizin-Studiums in Padua, Promotion zum Dr. med. in Bologna, 1549
Rückkehr nach Deutschland. 1550 zweiter Stadtarzt in seiner Heimatstadt Breslau. 1561 wurde
Crato wegen seiner kryptocalvinistischen Einstellung seines Amtes enthoben. 1560 wurde Crato
valerius herberger, leichenpredigt 309
ren <S. 164> Männer / erhalten hat. Von dannen er verrücket nach
Prage zum scharffsinnigen Philosopho vnd Medico Simone Simonio430,431,
vnd so ferner in Jtaliam / in das beschrienste432 Gasthauß aller freyen
Künste gewandert hat. Alldar ist er zu Bononien433, als im Mütterlichen
Schoß der studiorum am längsten verblieben / vnd hat sich als einen
stetten Gast beym hochberühmten Chirurgo Tagliacotio434, so auch beym
hochbenamten435 Herrn Claudino Costaeo436, Rota437 vnd andern in
Hospitaln / beyn Krancken / etc. mit seinem <S. 165> grossen gewinst
allzeit finden lassen.
zum Leibarzt Kaiser Ferdinands I. (und 1565 zu demjenigen Maximilians II.) ernannt, hielt
sich seit 1563 dauerhaft in Wien auf, wurde 1567 nobilitiert und erhielt 1568 die Pfalzgrafenwürde.
DBA I,207,174–196. Vgl. Siegel, Art. Johann Crato von Kraftheim. Historisches Ärztelexikon
für Schlesien 1, S. 232–238. Jaumann, S. 201.
430
Simon Simonius (1532–1602), gebürtiger Italiener, Studium in Bologna, Ferrara, Neapel,
Pavia und Padua, Promotion zum Dr. med. in Padua. Simonius ging 1563 nach Genf, wandte
sich vom römischen Katholizismus ab, lehrte von 1565 an als Professor Philosophie in Genf,
scheiterte aber mit dem Versuch, in Genf Professor für Medizin zu werden. Nach einer Reise nach
Paris (1567) lehrte Simonius einige Monate Philosophie in Heidelberg. Von 1569 an Prof. für
aristotelische Philosophie in Leipzig, 1575 zusätzlich Leibarzt des sächsischen Kurfürsten. Von
1580 an war Simonius Prof. für Anatomie und Chirurgie, wurde aber infolge seiner Weigerung,
die Konkordienformel zu unterschreiben (November 1580), seines Amtes enthoben. Simonius arbei-
tete dann als Arzt des böhmischen Kanzlers Vratislav von Pernshtejn, konvertierte zum römischen
Katholizismus (1582) und wurde im selben Jahr Leibarzt Kaiser Rudolfs II. Von 1583 an Arzt
am Hofe des polnischen Königs (Stephan Barthory) in Krakau, 1587–1590 Arzt des Markgrafen
von Moravien. Simonius starb 1602 in Polen und wurde in Krakau begraben. Vgl. Ludwig.
Polski S∑ownik Biograficzny 37, 529–532.
431
Marginal: Nationes.
432
beschrienste] berühmteste. Vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1594.
433
Bologna.
434
Gaspare Tagliacozzi (1546–1599). Nach dem Studium der Medizin in Bologna 1565–1570
sowie der Philosophie (bis 1576) praktizierte Tagliacozzi ebd. 1576–1586, wirkte dann
1586–1596 als Chirurg und Professor für Medizin ebenfalls in Bologna sowie von 1596
an als Arzt am Hofe Vincenzo Gonzagas in Mantua. Tagliacozzi war als medizinischer
Fachschriftsteller tätig (Hauptwerk: ,De curtorum chirurgia per insitionem‘ [1597]). Vgl. Gundi/
Webster.
435
hochbenamten] mit vortrefflichem Ruf versehenen. Vgl. Grimm, DWb 10, Sp. 1607.
436
Gemeint ist wohl Giovanni Costeo (Costa) (gest. 1603). Costeo praktizierte von 1568 an
als Arzt in Lodi und wurde 1570 vom Herzog Emanuele Filiberto auf den Lehrstuhl für theo-
retische Medizin in Turin berufen, der ihn auch zu seinem Leibarzt ernannte. 1580 siedelte er
nach Bologna über, wo er zuerst praktische und von 1593 an theoretische Medizin lehrte. Er
schrieb Handbücher über die meisten Gebiete seiner Disziplin, unter denen seine Untersuchung über
die botanischen Gattungen (,De universali stirpium natura libri duo‘ [1578]) hervorsticht. Vgl.
De Ferrari.
437
Flaminius Rota (gest. 1611), Studium in Bologna, 1577 Promotion zum Dr. med., lehrte
1579–1611 als Professor in Bologna Anatomie und Chirurgie. Vgl. Gundi/Webster, S. 146f,
Anm. 9. Mazzetti, S. 271b. ABI 866, 33.
310 teil iii ‒ editionen
438
Andrea Cesalpino (1519–1603), Studium in Pisa, 1550 Promotion zum Dr. med. ebd.,
1555 Prof. für Medizin und Direktor des Botanischen Gartens ebd., 1592–1605 Leibarzt Papst
Clemens’ VIII. und Prof. in Rom. Vgl. Müller-Jahncke, Art. Cesalpino. Jaumann, S. 33. Krafft,
Art. Cesalpino.
439
Marsil.] Emendiert aus: Marsit:
440
Marsilio Cagnati aus Verona (1543–1612), ein Schüler Giacomo Zabarellas, Studium
der Philosophie und Medizin in Padua (Abschluß 1563), praktizierte sodann in Rom, erhielt den
Titel eines archiater pontificius und fungierte als Leibarzt mehrerer Päpste und Kardinäle. Von
1587 an lehrte er in der römischen medizinischen Schule und bekleidete dort mehrmals das Amt
des protomedicus. Stabile. ABI 225, 229–235. Zedler, Universallexikon 5, Sp. 119. Jöcher 1,
Sp. 1546.
441
Francesco Patrizi (1529–1597), Philosoph, Gegner der aristotelischen Philosophie. 1547–1554
Studium in Padua (Medizin und Philosophie), nach Aufenthalten in Cherso, Ferrara, Rom und
Venedig wirkte Patrizi 1561–1568 als Verwalter in Zypern und danach als Sekretär des Erzbischofs
Philippo Mocenigo. In der Zeit von 1574 bis 1577 wurde Patrizi zweimal als venezianischer
Gesandter nach Spanien geschickt, lehrte von 1578 an als Professor für Philosophie in Ferrara
und seit 1592, von Papst Clemens VIII. dorthin berufen, in Rom. Jaumann, S. 498. Zedler
26, Sp. 1386–1388. Jöcher 3, Sp. 1303.
442
Ferrante Imperato (ca. 1525–1615), Naturkundler und Apotheker, dessen Tätigkeit in
Neapel von 1550 an nachgewiesen ist. Imperato unterhielt ein seinerzeit vielbeachtetes Kunst- und
Wunderkabinett in Neapel, befaßte sich mit der Erforschung antiker Arnzeimittel, was u.a. zu
langwierigen Auseinandersetzungen mit den Paduaner Medizinern führte. 1599 veröffentlichte er
eine Gesamtdarstellung der Naturkunde (Dell’historia naturale libri 28). Minieri Riccio, S. 165f.
Preti. ABI 535, 100–112. Jöcher 2, Sp. 1881.
443
Massariae] Emendiert aus: Massaviae
444
Alessandro Massaria (ca. 1510/12–1598), Arzt und medizinischer Fachschriftsteller,
Anhänger der galenischen Schulmedizin, studierte in Padua, praktizierte in Vincenza und von 1578
an in Venedig, wurde 1587 auf eine Professur für Medizin nach Padua berufen und befaßte sich
u.a. mit der Erforschung der Pest und anderer Seuchen. Calvi, S. LXXXII–XCIV. ABI 630,
325–331. Jöcher 3, Sp. 265. Jöcher, Fortsetzung 4, Sp. 934f.
445
Prospero Alpini (1553–1616), Studium in Padua, 1580–1583 Reise nach Griechenland
und Ägypten als Leibarzt des venezianischen Konsuls Giorgio Emo. Nach seiner Rückkehr wurde
Alpini zum lettore dei semplici und zum Leiter des botanischen Gartens der Universität ernannt.
Alpinis botanische und drogenkundliche Arbeiten erfreuten sich im 16. und 17. Jh. großer Beliebtheit.
Vgl. Eckart, Art. Alpini.
446
Girolamo Fabrizi d’Acquapendente (1537–1619) studierte Medizin in Padua, 1563
Promotion zum Dr. med. ebd., wurde 1565 ebd. Nachfolger von Gabriele Falloppio auf dem
Lehrstuhl für Medizin und Anatomie. Fabrizi d’Acquapendente ist der Begründer des berühmten
und noch heute existierenden anatomischen Theaters in Padua, das 1594 auf seine Anregung hin
erbaut wurde. Seine Schriften widmen sich der Anatomie und der Physiologie. Mazzucchelli, Teil
1, S. 112–116. ABI 5, 425–432. Jöcher 2, Sp. 483.
447
Orazio Augenio, auch: de Monte Sancto (ca. 1527–1603), studierte Medizin in den
valerius herberger, leichenpredigt 311
insinuiret. <S. 166> Vnnd als er solcher massen gantz Italien, Insubriam,
vnd Paedemontium durchwandert / die vornemste lumina Medicorum
usurpiret, einen vnverzehrlichen Vorrath jhme gesamlet / vnd hie-
mit seine gantze peregrination in theorico cursu, innerhalb 21. Jahren
absolviret, ist er Anno 1597. zu Basel solenniter in Doctorem Medicinae
promoviret worden449. Nur darumb daß er seine gepflogene studia
desto besser exerciren möchte.
Hoc fine ist er wieder in Schlesien nachm Schwib= <S. 167> sen
kommen450 / vnd von dannen anhero nachm Guhre gelanget. Wiewol
er nu hier anfänglich ein gantz frembder vnd vnbekandter Gast gewe-
sen / so hat er jhme doch in kurtzem Animi virtute, judicij dexteri-
tate, morum svavitate, vnd artis felicitate, einen vberaus grossen Namen
allenthalben gemachet.
Jst derwegen von einem Ehrnvesten Rath / vnnd Ehrsamen Bürger-
schafft als ein lieber / willkomner Gast / vnd Engel Gottes auffgenom-
men / vnd Gast= <S. 168> frey gehalten worden. So auch / daß
jhm Gott sein zartes liebes Hertz= vnd Hauß=Englichen / die jet-
zund hochbetrübte Fraw Wittib / ein gantz damaln frembdes / wie-
wol hochansehnliches Jungfräwlin451 / welche jhm hernach gantz
Marken, in Fermo oder in Camerino. Er las in Macerata über Logik und in Rom über theore-
tische Medizin. 1577–1593 lehrte er zusammen mit Giovanni Costeo in Turin praktische Medizin
und wurde später auf den Lehrstuhl für theoretische Medizin nach Padua berufen. Hier geriet er
mit seinem Kollegen Alessandro Massaria in eine heftige Auseinandersetzung über den Aderlaß.
Als Fachschriftsteller befaßte sich Augenio u.a. mit den verschiedenen Seuchen, dem Aderlaß und
dem Fieber. Premuda. Mazzucchelli, Teil 2, S. 1249–1251. ABI 81, 106–108. Jöcher 1,
Sp. 637f. Zedler, Universallexikon 2, Sp. 2168.
448
Ercole Sassonia/Hercules Saxonia (1551–1607), Arzt und medizinischer Fachschriftsteller,
studierte Medizin in Padua, las dort von 1573 an Logik, verließ jedoch nach einigen Jahren die
Universität und ließ sich in Venedig als Arzt nieder. 1590 wurde er als Nachfolger von Girolamo
Capodivacca auf den Lehrstuhl für praktische Medizin nach Padua berufen. Er wurde vom Kaiser
Maximilian II. als Leibarzt zu Rate gezogen und verwickelte sich in einen heftigen Streit mit
seinem Kollegen Alessandro Massaria. Er schrieb Traktate über Fieber, Arzneikunst und Syphilis
sowie Sammlungen von consilia und praktischen Anweisungen. Vedova, S. 219–221. ABI 890,
244–250. Jöcher 4, Sp. 182.
449
Die Promotion fand am 6. September 1597 in Basel statt. Vgl. Matrikel der Universität
Basel 2, S. 453. Das Titelblatt von Gastos Promotionsdisputation hat folgenden Wortlaut:
DECRETO ET AVCTORITATE AMPLISS: COLLEG: MED. BASILEENS. Hanc PRO
DOCTORATVS Iure & privileg. conseq. Velitat. amic. indicit FLAMINIVS GASTO Suibusin.
SIL. ad XXXI. August. in inclyta Rauracorum, Basel 1597 (UB Basel Disp. med. IV [16]).
Im ausgehenden 16. und im 17. Jahrhundert waren zahlreiche deutsche Mediziner bestrebt, im
Ausland promoviert zu werden. Die Universität Basel war diesbezüglich eine prominente Anlaufstelle.
Vgl. Kühlmann, Universität, Sp. 890.
450
Marginal: in cursu medicinae Practico
451
Marginal: per varios casus
312 teil iii ‒ editionen
452
mit grossem Vberlauff ] mit großer Unruhe/Überlastung. Vgl. Grimm, DWb 23, Sp.
371.
453
Marginal: dissita loca
454
Marginal: Gast
455
Marginal: promotione
456
Ps 24,7.
457
Marginal: reditu
valerius herberger, leichenpredigt 313
vnnd Todt / Jammer vnd Elend. Seine Seele oder Geist / welcher
nur ein Gast war des Leibes / hat hindurch gebrochen458 / vnd ist
gebracht worden zu seiner rech= <S. 173> ten Heymat: Hat von
Gott nicht Doctoralem lauream, sondern die vnverwelckliche Kron459
des Lebens460 / der Gerechtigkeit461 / vnd Herrligkeit462/ ja das
pol¤teuma463, oder Bürgerrecht der Kinder Gottes im Himmel erlan-
get vnd bekommen. Sein Leib464 / welcher war ein Gast auff Erden
/ ist nun Christlichem Brauch nach wieder zur Erden / in sein
Ruhekämmerlein bestattet worden / alldar er fermentiret, putreficiret,
vnd circuliret wird / tanquam in fimo465 vel ovo Philosophico466, erwar=
<S. 174> tende der frölichen Sublimation oder Aufferstehung ad sem-
piternum Animae Conjugium vnd Gloriosissimum beatorum Triumphum.
Ob nun zwar vnser selige467 / vmb männigliche wolverdiente H.
D. Flaminius Gast / mein werther / grosser Freund vnd Gevatter /
ja Hertzvater / sich fast ängstiglich / hertzlich vnnd lechzende gesöh-
net hat / nach dieser seligen analysi vnnd aufflösung468. Jhme auch
die Ruhe vnd Herrligkeit / auff seine seufftzer vnd Hertzenswundsch
erfolget / billich zu <S. 175> gönnen ist: So können wir doch vnsere
Orbitatem auch nicht gnugsam beweinen469 / ob gleich vnsere Häupter
zu Wasserbrunnen / vnsere Augen zu Threnenquellen würden. Denn
die Krone vnserer Hoffnung ist gefallen / vns ist je sehr groß Leid
wiederfahren / vnd so viel mehr / weil Magnorum virorum fata, fata-
lia zu seyn pflegen.
Wie dem allem / so müssen wir vns gleichwol auch selbst häm-
men / mit Gedult die wolverdiente Straffe tragen / in der Hoffnung
verharren / vnd im Gebet anhalten; damit durch Vnglauben <S.
176> vnnd470 Heidnisches murren Gott nicht zu mehrem Zorn / zu
mehrer Straffe genötiget werde.
458
Marginal: Animae in coelestem patriam.
459
1Petr 5,4.
460
Jak 1,12.
461
2Tim 4,8.
462
Bar 5,2.
463
Phil 3,20.
464
Marginal: Corporis ad terrae hospitium.
465
fimo] (Pferde-)Mist wurde verwendet, um Substanzen zu erwärmen. Man grub Gefäße in
Pferdemist, damit der Inhalt bei ca. 35–40° C digerierte.
466
ovo Philosophico] ,ovum philosophicum‘ ist Terminus für ein bestimmtes Gefäß.
467
Marginal: Conclusio continet
468
Phil 1,23.
469
Marginal: querelas
470
vnnd] In Custode statt dessen: vnd
314 teil iii ‒ editionen
Daß nun die Herren mit so grosser Anzahl vnd condolentz471 diese
exequias zieren / das Gasthauß der verbliechenen Leiche mit
Ehrenpreiß vnd Gedächtnißröselin bestrewen / vnd ohne beschwerd
die betrübte Freundschafft wieder anhero comitiren wollen; dessen
thut sich gegen jhr Fürstl. Gn. Ewr Gestr. Excellentien, Ehrwürden
/ Weißheiten vnnd Gunsten für <S. 177> so hohe begnadung /
würdigung / Ehrendienst vnd Freundschafft / die hochbekümmerte
Fraw Wittib sampt jren weinenden Wäiselin zum demütigsten /
dienst= vnnd freundlichsten bedancken. Jst erbötig472 mit jhrem Gebete
/ schuldiger danckbarkeit / vnd gebührlicher dienstfertigkeit dieses
vmb sämptliche grösten vermögens zum verdienen. Wündschend von
grund jhres Hertzens473 / daß der getrewe Gott474 sie sämptliche vor
solchem schmertzlichen Hertzleide vnd allem vbel in Gnaden behü-
ten / vnd <S. 178> hergegen mit aller ersprößlichen Leibes vnd der
Seelen Wolfahrt zu guter gesundheit vnd langem Leben väterlich
versorgen / segnen vnnd ehren wolle. Befiehlet hiemit sich vnnd jhre
Wäiselin ferner in dero gnädigen Schutz / günstige beföderung /
geneigten favor, guten Willen vnd Freundschafft. Der tröstlichen
Hoffnung / werdet wie zuvor jhren seligen Herrn vnd Vater / also
auch jhre Personen jhnen zum besten lassen anbefohlen seyn vnd
bleiben.
471
Marginal: Gratias.
472
S. o. S. 187, Anm. 254.
473
Marginal: Votum.
474
1Kor 10,13.
<fol. M 4r>
Epitaphium
D. T. O. M.475
&
Immortali Famae, Elegan-
tissimi
Medici ac Philosophi;
D. FLAMINII GASTO-
NIS. S. S.476 Illustriss. Princ.
Lign. Ac Breg. & Reipl. Gu-
ran. Archiatri Incom-
parabilis.
Viri
Omn. Doctrinar. & literar. cultus Pietat.
Gratiar. & virtutum usu planè
Admirabilis.
Qui cum
Piè vivendo, Prudenter consulendo
Benè faciendo, Feliciter medicando
de
Universâ Silesiâ, Polon. Moraviâ, Lusat, &c.
inpr. de isthac Eccl. Scholâ & ci-
vit. praeclarissimè esset
meritus:
Supremumque celebritatis apicem modestè
conscendisset. Heu! subitò <fol. M 4v>
Ingenti cum Bonorum omn. moerore, Um-
bram vitae istius invitae, Bullam
inanis opinionis,
alijs liberaliùs Inserviendo, consumtus praeterijt,
Caelique Gloriam, Omn. Scientiam, Bonor.
Summam re, fideque apprehendit
Anno Christi 1613. d. 5. Febr. AEtatis
47. conjugij 18.
475
D. T. O. M.] Deo Ter Optimo Maximo. Vgl. Abkürzungen, S. 57.
476
S. S.] Serenissimi
316 teil iii ‒ editionen
Quondam
Animae suae Dimidio, Fidei Sacrario, Vitae subsidio:
Hygijae Praesidio, Charitum delicio, virtut. Ocello.
Hoc Amor. & Mnemosyn. Monum.
P. P. P.477
BARBARA HELDIA conjux, & Filij IV.
GOTFR. SEBAST. FR. IOH. CHRISTIAN.
GEOR. RUD. cum dolore Superstites.
Epigraphe Sepulchralis
FLAMINIUS GASTO
Principum Medicus,
&
Medicorum478 Princeps.
Quam <fol. M 5r>
Pl. alijs arte suâ prorogavit, Sibi ipsi
perpetuare nequivit vitam hanc labilem.
Immò noluit:
cum
Fatis volentibus
ipse
Lubens volensque
Terrae hoc hospitium desereret,
Coelorumque patriam repeteret.
Relicto
Suis luctu, piis exemplo, Omnib. desiderio:
Glebae v. huic Corporis exuvio.
Anno aerae Christ.
1618. Die 5. Febr.
Tu quisquis es
Hospitio mundum, Patria tibi praefice Coelum,
Flamine vive Deo, res age. Salvus eris.
M. V. D.479
477
P. P. P.] parentes pii posuerunt. Vgl. Abkürzungen, S. 164.
478
Medicorum] Emendiert aus: Medicornm
479
M. V. D.] Matthaeus Vechnerus Doctor
valerius herberger 317
480
ex multis] Emendiert aus: exmultis
481
Caspar von Cunradi (1571–1633), Dr. der Philosophie und der Medizin, poeta laurea-
tus, befreundet mit Martin Opitz, von Kaiser Ferdinand II. nobilitiert, war als Physicus in sei-
ner Vaterstadt Breslau tätig, wo er 1633 an der Pest starb. Vgl. Kelchner, Art. Cunradi. Jöcher
1, Sp. 2252. Historisches Ärztelexikon für Schlesien 1, Sp. 242f.
482
Jakob Bernauer († 1630), 1602 Promotion zum Dr. med. in Basel, zunächst Gymnasiallehrer
in Beuthen (Schlesien), dann Stadtarzt in seiner Heimatstadt Bunzlau, später Landphysicus in
Bautzen. DBA I,76,198.
318 teil iii ‒ editionen
483
F ] fecit. Abkürzungen, S. 68.
484
Thomas Sagittarius (1577–1621), 1597 Promotion zum Magister, 1599 zum Dr. iur.,
1605 Prof. für Griechisch in Jena, 1610 für Logik und Metaphysik ebd., von ca. 1616 an
Professor am und Rektor des Gymnasium Elisabethanum in Breslau. DBA I,1074,371–374.
485
Johann Brachmann (1571–1631) besuchte das Gymnasium in Görlitz (ab 1588) und
studierte in Leipzig (1591) sowie in Wittenberg (1592) Philosophie und Medizin. 1593 begab
valerius herberger 319
Tumulus
FLAMINII GASTONIS,
Philosophi & Medici in-
comparabilis, &c.
DEFUNCTUS
adloquitur Conjugem superstitem.
er sich nach Königgrätz, wo sein Vetter, der Mediziner Leonhart Krentzheim, ihn aufnahm und
weiter ausbildete. Danach gründete Brachmann eine Schule in Krumau (in Böhmen, südlich von
Budweis), nahm den Lehrbetrieb 1598 auf, mußte die Schule jedoch 1600 wieder schließen und
wurde im selben Jahr als Schulrektor nach Fraustadt berufen. 1607 wurde Brachmann Schulrektor
in Guhrau und nach Übergabe der dortigen Schule an die Katholiken im Jahr 1628 Direktor
und Inspektor der Schule zu Fraustadt. Lauterbach, Fraustädtisches Zion, S. 449–456. DBA
I,132,162–164. Jöcher 1, Sp. 1323. Friebe, S. 11.
320 teil iii ‒ editionen
<fol. M 7v>
486
Johann Heermann (1585–1647), seit 1611 Pfarrer in Köben, 1638 Niederlegung seines
Amtes aus gesundheitlichen Gründen, Übersiedlung nach Lissa, dort Kontakt mit Johann Amos
Comenius. Vgl. Bunners.
487
P. L. C.] poeta laureatus Caesareus. Abkürzungen, S. 159.
488
Zacharias Herberger (1591–1631), Sohn von Valerius Herberger d.Ä., Besuch des
Gymnasiums in Thorn, studierte von 1610 an in Leipzig, wurde ebd. 1613 zum Magister pro-
moviert und war ab 1614 als Diakon, ab 1627 als Oberpfarrer und Nachfolger seines Vaters
in Fraustadt tätig. DBA I,516,233; II,563,133. Lauterbach, Fraustädtisches Zion, S. 371–393.
valerius herberger 321
<Druckermarke>
LIPSIAE,
Excudebat Fridericus Lanckisch490.
Impensis Haeredum Thomae Schüreri 491.
ANNO M. DC. XVIII.
489
Bislang keine biographischen Daten ermittelt.
490
Der Drucker Friedrich Lanckisch d.Ä. war 1617 bis ca. 1631 in Leipzig tätig. Benzing,
Buchdrucker, S. 285.
491
Thomas Schürer (1563–1615) war von 1597 bis zu seinem Tode als Buchhändler in
Leipzig tätig. Seine Erben führten den Verlag weiter, bis Zacharias Schürer II. (1597–1629)
das Geschäft übernahm. Benzing, Verleger, Sp. 1263f.
ABBILDUNGEN
Abb. 1: Michael Herr, Christus als Apotheker (1619), Öl auf Kupfer (26,6 × 35 cm). Marburg,
Universitätsmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte (Inv.-Nr. 7040) (Fotoarchiv Fritz Krafft). Vgl. Krafft,
Christus ruft in die Himmelsapotheke (wie S. 3, Anm. 4), S. 136–139.
324 abbildungen
Abb. 2: Christus als Apotheker (ca. 1630), Öl auf Leinen (107 × 97 cm). Evangelische
Pfarrkirche Plötzin (Fotoarchiv Fritz Krafft). Vgl. Krafft, Christus ruft in die Himmels-
apotheke (wie S. 3, Anm. 4), S. 144–147.
abbildungen 325
Abb. 3: Christus als Apotheker (ca. 1670), Öltafelbild (55,7 × 43,2 cm), Totentafel
aus dem Kreuzgang der ehemaligen evangelischen Hospitalkirche Stuttgart. Stadtarchiv
Stuttgart (Fotoarchiv Fritz Krafft). Vgl. Krafft, Christus ruft in die Himmelsapotheke
(wie S. 3, Anm. 4), S. 170–172.
326 abbildungen
Abb. 5: Christus als Apotheker, Ölbild von Johann Dicel (ca. 1740) in der Evangelischen
Kirche in Seebach (Thüringen) (Foto Fritz Krafft). Vgl. zu diesem Bildtypus Fritz
Krafft, Christus in der Himmelsapotheke mit reumütigem/r Sünder/in. Die pieti-
stische Erweiterung eines protestantischen Andachtsbildmotivs, in: Rosarium littera-
rum. Beiträge zur Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte. Festschrift zum 65.
Geburtstag von Peter Dilg, hg. von Christoph Friedrich und Sabine Bernschneider-
Reif, Frankfurt a.M. 2003, S. 161–182. Es liegt auf der Hand, daß das Motiv der
Waage auf Luthers Umdeutung des Motivs der Seelenwägung durch den Erzengel
Michael zurückgeht. In mittelalterlichen Darstellungen der Seelenwägung sind meist
Teufels- bzw. Dämonengestalten zu sehen, die versuchen, die im Gericht Gottes
gewogene Seele dadurch in die Hölle zu ziehen, daß sie die Wägetechnik stören
und sich an die der Seele gegenüberliegende Waagschale hängen, auf daß der
328 abbildungen
Mensch als zu leicht befunden werde, um in den Himmel zu kommen. Dieses Bild
greift Luther auf, reformuliert es jedoch christologisch-soteriologisch, setzt daher
Christus in die herabfahrende Schale, damit der Sünder, von seinen Sünden erleich-
tert, in den Himmel fahre1. Das Motiv der angesichts des Gewichtes der durch
Christus erworbenen Versöhnung gewiß aufgewogenen Sünde der Menschen begeg-
net in Predigten lutherischer Theologen des 16. und 17. Jahrhunderts recht häufig,
so z.B. bei Martin Chemnitz2 und Johann Gerhard3.
1
Vgl. Luther, WA 50, 590, 11–22 (Von den Konziliis und Kirchen 1539): „Denn
wir Christen müssen das wissen, wo Gott nicht mit in der woge ist und das gewichte
gibt, so sincken wir mit unser schüssel zu grunde, Das meine ich also: Wo es nicht
solt heissen, Gott ist fur uns gestorben, sondern allein ein mensch, so sind wir ver-
loren, Aber wenn Gottes tod und Gott gestorben in der wogeschüssel ligt, so sin-
cket er unter und wir faren empor, als eine leichte ledige schüssel, Aber er kan wol
auch wider emporfaren oder aus einer schüssel springen. Er kündte aber nicht in
die schüssel sitzen, Er müste uns gleich ein mensch werden, das es heissen kündte,
Gott gestorben, Gottes marter, Gottes blut, Gottes tod, Denn Gott in seiner natur
kan nicht sterben, Aber nu Gott und Mensch vereinigt ist in einer Person, so heissts
recht Gottes tod, wenn der mensch stirbt, der mit Gott ein ding oder Person ist.“
Vgl. hierzu J.A. Steiger, Fünf Zentralthemen der Theologie Luthers und seiner
Erben. Communicatio — Imago — Figura — Maria — Exempla. Mit Edition
zweier christologischer Frühschriften Johann Gerhards (= SHCT 104), Leiden u.a.
2002, S. 122f.
2
Vgl. Martin Chemnitz, HISTORIA Der Passion vnsers lieben HERRN vnd
Heilands Jesu Christi / Wie dieselbe von den Vier Euangelisten einhellig beschrie-
ben ist. Aus den Predigten des weilandt Ehrwirdigen / Achtbarn vnd Hochgelarten
Herrn Doctoris MARTINI CHEMNITII [. . .] zusammen gezogen / Durch
Melchiorem Newkirchen / Pastorn zu S. Peter binnen Braunschweig, Wolfenbüttel
1590 (HAB Wolfenbüttel 709. Theol. [1]), fol. 332v/333r.
3
Vgl. Johann Gerhard, Erklährung der Historien des Leidens vnnd Sterbens
vnsers HErrn Christi Jesu nach den vier Evangelisten, kritisch hg. und kommen-
tiert von J.A. Steiger (= DeP I, 6), Stuttgart-Bad Cannstatt 2002, S. 43f: „Das erkle-
ret der Herr Lutherus im 7. Jehnischen Theil p. 264. also: Wenn man in eine
Schalen legte vnsere Sünde vnd Gottes Zorn / welcher auff die Sünde folget / in
die andere eines blossen Menschen oder allein der menschlichen Natur Tod legte
/ so würde jene Schale viel zu wichtig seyn / wir müsten wegen der Sünden vnd
der Last des göttlichen Zorns in die Helle sincken / wenn man aber in die andere
Schalen leget Gottes Leiden / Gottes Blut / Gottes Tod / so wird dieselbige viel
wichtiger als aller Welt Sünde / vnd als die gantze Last des göttlichen Zorns.“
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS ZUM
EDITIONSTEIL
Quellen
Blanckenberg, Albert, Von Juncker Geitz vnd Wucherteuffel / so jetzt in der Welt
in allen Stenden gewaltiglich regieret. An alle Stende des Teutschen Reichs
geschrieben, in: Sigmund Feyerabend (Hg.), Theatrum Diabolorum (s.u.), fol.
363v–370r.
Clemens von Alexandrien. Erster Band: Protrepticus und Paedagogus, hg. von Otto
Stählin. Dritte, durchgesehene Auflage von Ursula Treu (GCS ohne Angabe der
Bandnummer), Berlin 1972.
Corpus Paracelsisticum. Dokumente frühneuzeitlicher Naturphilosophie in Deutschland.
Der Frühparacelsismus, bislang 2 Teile, hg. und erläutert von Wilhelm Kühlmann
und Joachim Telle (= Frühe Neuzeit 59 und 89), Tübingen 2001/2004.
Crato von Kraftheim, Johannes, Consiliorum & Epistolarum Medicinalium [. . .]
LIBER PRIMUS [— SEPTIMVS]. Studio & labore LAVRENTII SCHOLZII
Medici Vratisl. in lucem editus [. . .], Frankfurt a.M. 1611–1620 (HAB Wolfenbüttel
Xb 2940).
Ders., Miscellanea Cratoniana Medica: Mischling allerhand Artzeneyischer Rath
vnd Hilffsmittel. Auß den Schrifften / Deß Edlen / Hochgelehrten vnd
Weitberühmten Herren IOHANN CRATO von Krafftheim / Weyland Keys.
May. Ferdinandi I. Maximiliani II. vnd Rudolphi II. Rath vnd obersten Hoffmedici.
I. Aphoristica. Haupt vnd SchlußSprüche. II. Epistolica, Außzüg der Episteln.
III. Euporista. Gute leichte Hauß=Mittel. IV. Pharmaceutica. Apotecker=Artzney.
Jtem Gynaeceia, von sonderbaren Blödigkeiten deß Weiblichen Geschlechts. Mit
einverleibten Bericht Hieronymi Capivaccii von Fontanellen: vnd Andreae Aurifabri
vom Agestein. Erlesen / vnterschieden / vnd verteutschet Durch Iohannem
Fabricium, Medic. Th. Stud., Speyer und Frankfurt a.M. 1629 (FB Gotha Med.
8° 30/3 [2]).
Crollius, Oswaldus, De signaturis internis rerum. Die lateinische Editio princeps
(1609) und die deutsche Erstübersetzung (1623), hg. und eingeleitet von Wilhelm
Kühlmann und Joachim Telle (= Heidelberger Studien zur Naturkunde der frü-
hen Neuzeit 5), Stuttgart 1996.
Curaeus, Joachim, GENTIS SILESIAE ANNALES COMPLECTENTES HISTO-
RIAM DE ORIGINE, PROPAGATIONE ET MIGRATIONIBVS gentis, &
recitationem praecipuorum euentuum, qui in Ecclesia & Respublica vsque ad
necem LVDOVICI Hungariae & Bohemiae regis acciderunt. CONTEXTI EX
ANTIQVITATE SACRA ET ETHNICA, ET ex scriptis recentioribus: A IOA-
CHIMO CVREO FREISTADIENSI, PHILOSOPHO ET MEDICO IN
INCLYTA vrbe Glogouiensi, Wittenberg 1571 (ULB Halle/S. AB 69113).
Curtius Rufus, Geschichte Alexanders des Großen. Lateinisch und deutsch, München
1954.
Durantus, Guillelmus, Rationale divinorum officiorum V–VI, hg. von Anselme Davril
und Timothy M. Thibodeau (= CChr.CM 140A), Turnhout 1998.
Eitner, Martin, Christliche Leichpredigt / Vber die Wort des H. Apostels Pauli 1.
Cor. 2. à v. 9. usque ad 14. excl. Bey Ansehlicher Volckreicher Leichbegängnis
/ Des weyland Edlen / Ehrenvesten / GroßAchtbaren vnd Hochgelährten Herrn
FLAMINII GASTONIS, Phil. & Medicinae Doctoris, Fürstl. Gnad: zur Lignitz
/ vnd Brig / Rahts / vnd Leib Medici, vnd der Stadt Guhr Physici Ordinarij,
&c. Welcher den 5. Febr. St. N. des 1618. Jahres / in Gott selig vorschieden /
vnd den 21. selben Monats Christlicher weise zur Erden bestattet worden [. . .],
Wittenberg 1618 (Staatsbibliothek Berlin Jb 661 [unvollständig]).
Euseb von Caesarea, Die Kirchengeschichte, Teil 2, hg. von Eduard Schwartz und
Theodor Mommsen. Zweite, unveränderte Auflage von Friedhelm Winkelmann
(= GCS NF 6,2), Berlin 1999.
Evangelisches Kirchengesangbuch (EKG). Ausgabe für die Evangelische Landeskirche
in Baden, Karlsruhe 211978 (11951).
Feyerabend, Sigmund (Hg.), THEATRVM Diabolorum, Das ist: Ein sehr Nutzliches
quellen- und literaturverzeichnis zum editionsteil 331
verstenndiges Buch / darauß ein jeder Christ / sonderlich vnnd fleissig zu ler-
nen / wie daß wir in dieser Welt / nicht mit Keysern / Königen / Fürsten vnd
Herrn / oder andern Potentaten / sondern mit dem aller mechtigsten Fürsten
dieser Welt / dem Teuffel zukempffen vnd zustreiten / Welcher (wie S. Petrus
schreibt) vmbher geht / wie ein brüllender Löw / vns zu verschlingen / Also
das er vns täglich nachschleicht / damit er vns zufall bringen / in allerley sündt
/ schandt vnd laster einführen / vnd endlich mit Leib vnd Seel in abgrundt der
Hellen stürtzen müge. Vnd derwegen seine grausame Tyranney vnd wüterey /
recht lernen erkennen / Gott vmb hülff vnd beystandt seiner Göttlichen gnaden
vnd heiligen Geistes anruffen / alle gifftige Pfeile / tödtliche geschoß / genug-
sam auffzufahen / außzuschlahen / vnd in Christo Jesu vnserm einigen Heiland
vberwinden / Victoriam vnd das Feldt behalten [. . .], Frankfurt a.M. 1569 (ULB
Halle/S. I D 172, 4°).
Friedrich von Görlitz, Matthäus, Wider den Sauffteuffel / Etliche wichtige vrsa-
chen / Warumb alle Menschen fur dem Sauffen hüten sollen. Jtem / Das das
halb vnd gantz Sauffen Sünde / vnd in Gottes Wort verboten sey. Jtem / Etliche
Einreden der Seuffer / mit jren verlegungen, [Leipzig] 1552 (ULB Halle JG
5942 [16]).
Gasto, Flaminius (Resp.), DECRETO ET AVCTORITATE AMPLISS: COLLEG:
MED. BASILEENS. Hanc PRO DOCTORATVS Iure & privileg. conseq. Velitat.
amic. indicit FLAMINIVS GASTO Suibusin. SIL. ad XXXI. August. in inclyta
Rauracorum, Basel 1597 (UB Basel Disp. med. IV [16]).
Grégoire, Pierre, DE REPVBLICA LIBRI SEX ET VIGINTI, ANTEA IN DVOS
DISTINCTI tomos, nunc vno concise & artificiose comprehensi [. . .], MVLTI-
JUGA RERVM SCIENTIA, varietate, & nouitate, ac pene aurea Reipubl. insti-
tuendae ratione, non tam vtiles, quam iucundi lectoribus futuri. EDITIO
GERMANIAE NOVA [. . .], o.O. 1597 (ULB Halle/S. AB 68368).
Gregor d. Gr., Registrum epistularum libri I–VII (= CCSL 140), Turnhout 1982.
Herberger, Valerius, DE JESU, Scripturae nucleo & medulla, MAGNALIA DEI.
Das ist: Die grossen Thaten Gottes, von Jesu, Der gantzen Schrifft Kern und
Stern, Nebst beygefügtem Psalter=Paradise, Gefasset Durch fleißiges Gebet, Lesen
und Nachdencken, Hertz, Mund und Feder [. . .], Leipzig 1728 (Bibliothek des
Fachbereichs Evangelische Theologie der Universität Hamburg L IV d 945).
Ders., Der Ander Theil MAGNALIUM DEI, Der grossen Thaten GOTTES: wie
GOTT mit seinem Sohn JESV Christo von Anfang der Welt hat groß gethan
/ vnd die gantze heilige Schrifft von JHM hat zeugen lassen / daß also die
gantze Bibel ist ein Kunstbuch von Christo / vnd hingegen JESVS der gantzen
heiligen Schrifft Kern / Marck / Ziel / Ende / Zweck vnd Heiligthumb [. . .],
Leipzig 1616 (ULB Halle/S. Id 1461 × [2]).
Ders., Der Dritte Theil der Geistlichen Trawrbinden VALERII HERBERGERI,
Predigers bey dem Kriplein Christi in Frawenstadt / Gewircket von lauter safftigen
/ nützlichen Leichpredigten / derer Zahl bald nach der Vorrede zu finden. Zu
ehren etlichen frommen / Christlichen jetzo in Gott ruhenden Hertzen, Leipzig
1615 (ULB Halle/S. 78 L 1638 [3]).
Ders., Jungfraw=Kräntzlin / Aus dem schönen Sprüchlin: Apoc. 14. Sie sind
Jungfrawen / vnd folgen dem Lamb nach wo es hin gehet. Zu Ehren allen fro-
men Jungfrawen vnd andechtigen Gleubigen Christlichen Jungfrewlichen Hertzen
/ welche einig vnd allein in Himmel gehören [. . .], Leipzig 1614 (UB Rostock
Fm-3659.2; Fl-3385.3).
Ders., Sirachs Hohe Weißheit= und Sitten=Schule / Oder Jesus Sirach Jn XCVII.
Predigten deutliche erklähret [. . .], Leipzig 1698 (HAB Wolfenbüttel Th. 4° 28).
Horaz, Epistles. Book I, hg. von Roland Meyer (= Cambridge Greek and Latin
Classics o.Nr.), Cambridge 1994.
Isidor von Sevilla, Opera omnia, tom. 5 (= MPL 83), Paris 1862.
332 quellen- und literaturverzeichnis zum editionsteil
Jacobus de Voragine, Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine. Aus dem
Lateinischen übers. von Richard Benz, Darmstadt 121997 (11955).
Ders., Legenda aurea. Edizione critica, hg. von Giovanni Paolo Maggioni, 2 Bde.
(= Millennio medievale 6, Testi Bd. 3), Florenz 1998.
Lauterbach, Samuel Friedrich, Fraustädtisches Zion. Das ist Historische Erzehlung,
desjenigen, Was sich von An. 1500. biß 1700. im Kirch=Wesen zu Fraustadt in
der Cron Pohlen, zugetragen, Dabey so wohl fernerer Bericht, vom Kripplein
Christi, und den andern Lutherischen Kirchen allhier, als auch die Lebens=
Beschreibungen aller Evangelischen Prediger dieses Orts, samt denen Schul=
Bedienten, und was inzwischen denck= und merckwürdiges vorgefallen, So daß
es für den 2. Theil des ausgegangenen Lebens, VALERII Herbergers, Welches
zugleich umb ein gutes vemehret wird, dienen kan [. . .], Leipzig 1711 (SUB
Göttingen 8 H POLON 258/57).
Ders., VITA, FAMA ET FATA VALERII HERBERGERI. Das merckwürdige
Leben, guter Nach=Ruhm, und seliger Abschied, Des theuren und um die Kirche
GOttes hoch=verdienten Theologi, Hn. VALERII Herbergers, Weiland Predigers
zur Fraustadt in Groß=Pohlen [. . .], Leipzig 1708 (SUB Göttingen H. lit. biogr.
VIII 6755).
Luther, Martin / [ Johannes Aurifaber (Hg.)], Tischreden Oder COLLOQVIA
DOCT. Mart: Luthers / So er in vielen Jaren / gegen gelarten Leuten / auch
frembden Gesten / vnd seinen Tischgesellen gefüret / Nach den Heubtstücken
vnserer Christlichen Lere / zusammen getragen, Eisleben 1566 (Reprint Wiesbaden
1981).
Ders., Sämmtliche Werke, Bd. 4: Hauspostille, hg. von Johann Georg Plochmann,
Erlangen 1826.
Ders., Werke, Weimar 1883ff.
Menander, Sententiae. Comparatio Menandri et Philistionis, hg. von Siegfried Jaekel
(= BSGRT o.Nr.), Leipzig 1964.
Musculus, Andreas, Vom zuluderten / zucht vnd ehrerwegnen / pluderichten Hosen
Teuffel / vermanung vnd warnung, o.O. 1555 (ULB Halle 78 L 1648 [47]).
Ders., Wider den Ehteuffel, Frankfurt a.d.O. 1561 (ULB Halle Ig 5942 [1]).
Nicephorus, Refutatio et eversio definitionis synodalis 815, cur. Jeffrey M. Featherstone
(= CCSG 33), Turnhout und Löwen 1997.
Notkerus Balbulus, Opera omnia, in: MPL 131, Paris 1853, Sp. 993–1178.
Ovid, Ex Ponto libri quattuor, rec. John Anthony Richmond (= BSGRT o.Nr.),
Leipzig 1990.
Paracelsus siehe Theophrast von Hohenheim
Physiologus latinus. Éditions préliminaires versio B, ed. Francis J. Carmody, Paris 1939.
Pignorius, Laurentius, ORIGINES PATAVINAE Et ANTENOR, una cum ejusdem
PIGNORII Animadversionibus. Latine vertit, suisque Notis auxit, SIGEBERTUS
HAVERCAMPUS. Accedit LAURENTII PIGNORII Epistola super Antiquissimam
Picturam, quae Romae visitur, de Ritu Nuptiarum; ut & ejusdem PIGNORII
Vita, Bibliotheca & Museum, Auctore JACOBO PHILIPPO TOMASINO; &
denique OCTAVII FERRARII Oratio de Laudibus Urbis Patavii. Editio Nova,
prioribus accuratior & auctior, Leiden o.J. (ULB Halle/S. an Nq 1218, 2°).
Plinius Secundus d.Ä., Naturalis Historiae Libri XXXVII. Liber VII – Naturkunde.
Lateinisch-deutsch. Buch VII: Anthropologie, hg. und übers. von Roderich König
in Zusammenarbeit mit Gerhard Winkler (= Sammlung Tusculum o.Nr.),
München/Zürich 1975.
Ders., Naturalis Historiae Libri XXXVII. Liber XXV – Naturkunde. Lateinisch-
deutsch. Buch XXV: Medizin und Pharmakologie: Heilmittel aus wild wachsen-
den Pflanzen, hg. und übers. von Roderich König in Zusammenarbeit mit Joachim
Hopp und Wolfgang Glöckner (= Sammlung Tusculum o.Nr.), Zürich 1996.
Ders., Naturalis Historiae Libri XXXVII. Liber XXVIII – Naturkunde. Lateinisch-
quellen- und literaturverzeichnis zum editionsteil 333
deutsch. Buch XXVIII: Medizin und Pharmakologie: Heilmittel aus dem Tierreich,
hg. und übers. von Roderich König in Zusammenarbeit mit Gerhard Winkler
(= Sammlung Tusculum o.Nr.), München/Zürich 1988.
Plutarch, Moralia in Sixteen Volumes, with an English Translation by Frank Cole
Babbitt, vol. 2, Cambridge, MA u.a. 1971.
Ders., Vitae parallelae, recognoverunt Claes Lindskog et Konrat Ziegler, vol. III,
fasc. 1, iterum recensuit Konrat Ziegler (= BSGRT o.Nr.), Leipzig 1971.
Prudentius, Aurelius Clemens, Carmina, hg. von Maurice P. Cunningham (= CCSL
126), Turnhout 1966.
[Pythagoras,] STEPHANI NIGRI QVAE QVIDEM PRAESTARE SVI NOMI-
NIS AC STVDIOSIS VTILIA NOVErimus monimenta, nempe translationes:
Iconum Philostrati: Aureorum carminum Pythagorae: Athenaei collectaneorum:
Orationis de optimo principe Musonij philosophi: De regijs muneribus Isocratis
orationis. Adhaec opusculorum quae ipse aedidit, horum uersa pagella catalogum
recenset, Basel 1532 (HAB Wolfenbüttel 200 Quod. [1]).
Pythagoras, The Pythagorean Golden Verses. With Introduction and Commentary,
hg. von Johan C. Thom (= Religions in the Graeco-Roman World 123), Leiden
u.a. 1995.
Quodvultdeus, Tractatus adversus quinque haereses, in: Augustin, Opera omnia,
tom. 8 (= MPL 42), Paris 1841, Sp. 1101–1116.
Ruland, Martin, LEXICON ALCHEMIAE SIVE DICTIONARIVM ALCHEMI-
STICVM, Cum obscuriorum Verborum, & Rerum Hermeticarum, tum Theophrast-
Paracelsicarum Phrasium, Planam Explicationem continens [. . .], Frankfurt a.M.
1612 (Reprint Hildesheim u.a. 21987).
Scribonius Largus, Compositiones, hg. von Sergius Sconocchia (= BSGRT o.Nr.),
Leipzig 1983.
Sozomenus, Hermias, Kirchengeschichte, hg. von Joseph Bidez (= GCS 50), Berlin
1960.
Tertullian, Quintus Septimus Florens, Apologeticum, hg. von Heinrich Hoppe
(= CSEL 69), Wien/Leipzig 1939.
Ders., Opera omnia, tom. 1 (= MPL 16), Paris 1844.
THEATRVM CHEMICVM, PRAECIPVOS SELECTORVM AVCTORVM
TRACTATVS DE CHEMIAE ET LAPIDIS PHILOSOPHICI ANTIQVITATE,
veritate, jure, praestantia, & operationibus, continens [. . .] VOLVMEN QVARTVM,
hg. von Lazarus Zetzner, Straßburg 1613 (HAB Wolfenbüttel 70 Med.).
Theophrast von Hohenheim (Paracelsus), Sämtliche Werke, hg. von Karl Sudhoff
und Wilhelm Matthießen, Abt. I, Bd. 10: Die große Wundarznei und anderes
Schriftwerk des Jahres 1536 aus Schwaben und Bayern, Hildesheim u.a. 1996
(Nachdruck der Ausgabe München u.a. 1928).
Tibullus, Albius, Carmina, hg. von Georg Luck (= BSGRT o.Nr.), Stuttgart u.a. 1998.
Wackernagel, Philipp, Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang
des XVII. Jahrhunderts, 5 Bde., Leipzig 1864–1877.
Zedler, Johann Heinrich, Großes vollständiges Universal-Lexikon, 64 Bde. und 4
Supplementbde., Halle/S./Leipzig 1732–1754.
Zoozmann, Richard (Hg.), Laudate Dominum / Lobet den Herrn. Altchristliche
Kirchenlieder und geistliche Gedichte lateinisch und deutsch, München 1928.
Zwinger, Theodor und Conrad Lycosthenes, THEATRVM VITAE HVMANAE,
Omnium ferè eorum, quae in hominem cadere possunt, Bonorum atque Malorum
EXEMPLA historica, Ethicae philosophiae praeceptis accommodata, & in XIX.
Libros digesta, comprehendens: Vt non immeritò Historiae PROMPTVARIVM,
Vitaeque humanae SPECVLVM nuncupari poßit [. . .], Basel 1565 (ULB Halle/
S. AB 102530).
Ders., THEATRVM HVMANAE VITAE [. . .], Bd. 13, Basel 1586 (HAB Wolfen-
büttel Alv. Ln 289).
334 quellen- und literaturverzeichnis zum editionsteil
Abkürzungen aus Personalschriften des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts, bearb. von
Frank Ausbüttel unter Mitarbeit von Uwe Bredehorn und Rudolf Lenz, 2. völ-
lig überarbeitete und stark erweiterte Auflage, bearb. von Rudolf Lenz, Uwe
Bredehorn und Marek Winiarczyk (= Marburger Personalschriften-Forschungen
18), Sigmaringen 1993.
Ärztelexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, hg. von Wolfgang U. Eckart
und Christoph Gradmann (= Beck’sche Reihe 1095), München 1995.
Album Academiae Vitebergensis. Ältere Reihe in 3 Bänden 1502–1602, hg. von
Karl Eduard Förstemann u.a., Bd. 2: 1560–1602, hg. von Otto Hartwig, Halle/
S. 1894 (Reprint Aalen 1976).
Anagnostou, Sabine, Jesuiten in Spanisch-Amerika als Übermittler von heilkundli-
chem Wissen. Mit einem Geleitwort von Fritz Krafft (= Quellen und Studien
zur Geschichte der Pharmazie 78), Stuttgart 2000.
Archivio Biografico Italiano [1], hg. von Tommaso Nappo, München 1993.
Bauer, Barbara (Hg.), Die Anfänge der Chymiatrie in Marburg, in: Dies. (Hg.),
Melanchthon und die Marburger Professoren, 2 Bde. (= Schriften der Universitäts-
bibliothek Marburg 89), Marburg 1999, S. 494–498.
Bäumer-Schleinkofer, Änne und Fritz Krafft, Art. Galenos, in: Fritz Krafft (Hg.),
Vorstoß ins Unerkannte. Lexikon großer Naturwissenschaftler, Weinheim u.a.
1999, S. 160–162.
Benzing, Josef, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen
Sprachgebiet (= BBBW 12), Wiesbaden 21982.
Ders., Die deutschen Verleger des 16. und 17. Jahrhunderts. Eine Neubearbeitung,
in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 18 (1977), Sp. 1077–1322.
Böker, Robert, Art. Aratus 4., in: Kleiner Pauly 1 (1964), Sp. 488f.
Bogner, Ralf Georg und J.A. Steiger, Prinzipien der Edition von theologischen
Texten der frühen Neuzeit. Mit einer Vorstellung und Begründung der Prinzipien
für die geplanten Editionen von Werken Johann Gerhards, in: editio. Internationales
Jahrbuch für Editionswissenschaft 12 (1998), S. 89–109.
Bunners, Christian, Art. Heermann[us], Johannes, in: RGG4 3 (2000), Sp. 1503f.
Calvi, Paolo [Pseud.: Angiolgabriello di Santa Maria], Biblioteca e storia di quegli
scrittori così della città come del territorio di Vicenza [. . .], Bd. 5, Vicenza 1779.
Cohrs, Ferdinand, Art. Herberger, Valerius, in: RE3 7 (1899), S. 695–697.
Daems, Willem F., Art. Bezoar, in: LMA 2 (1983), Sp. 36.
Dassmann, Ernst, Art. Ambrosius, in: TRE 2 (1978), S. 362–386.
De Ferrari, A., Art. Costa (Costeo), Giovanni, in: Dizionario Biografico degli Italiani
30 (1984), Sp. 403b–405a.
Deutsches Biographisches Archiv, hg. von Bernhard Fabian, München 1982–1998.
Diefenbach, Laurentius, Glossarium Latino-Germanicum mediae et infimae aetatis,
Frankfurt a.M. 1857 (Reprint Darmstadt 1997).
Dörrie, Heinrich, Art. Plutarchos 2., in: Kleiner Pauly 4 (1972), Sp. 945–954.
Eck, Werner, Art. Hadrianus, in: Der Neue Pauly 5 (1998), Sp. 59–64.
Ders., Art. Titus [3], in: Der Neue Pauly 12/1 (2002), Sp. 633f.
Eckart, Wolfgang U., Art. Alpini, Prospero, in: Wolfgang U. Eckart und Christoph Grad-
mann (Hgg.), Ärztelexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert (= Beck’sche
Reihe 1095), München 1995, S. 17f.
Ehrhardt, Siegismund Justus, Kirchen= und Prediger=Geschichte des Fürstenthums
Gros=Glogau, Liegnitz 1783 (Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit
Osnabrück 2082–166 7).
Fantini, Bernardino, Art. Pietro d’Abano, in: Wolfgang U. Eckart und Christoph Grad-
mann (Hgg.), Ärztelexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert (= Beck’sche
Reihe 1095), München 1995, S. 284.
quellen- und literaturverzeichnis zum editionsteil 335
Fantuzzi, Marco, Art. Aratos [4], in: Der Neue Pauly 1 (1996), Sp. 957–962.
Fauth, Wolfgang, Art. Asklepios, in: Kleiner Pauly 1 (1964), Sp. 644–648.
Fischer, Klaus Dietrich, Art. Theodorus Priscianus, in: Wolfgang U. Eckart und
Christoph Gradmann (Hgg.), Ärztelexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert
(= Beck’sche Reihe 1095), München 1995, S. 353.
Fischer, Ludwig, Art. Duranti(s), Wilhelm d.Ä., in: LThK1 3 (1931), Sp. 497f.
Friebe, Moritz, Geschichte der ehemaligen Lateinschulen Fraustadts. Beilage zum
41. Jahresbericht des Königlichen Gymnasiums zu Fraustadt, Fraustadt 1894.
Friedensburg, Walter, Geschichte der Universität Wittenberg, Halle/S. 1917.
Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hg. von Ulrich Goebel und Oskar Reichmann,
Bd. 1, Lfg. 3, Berlin 1988.
Gebauer, Curt, Art. Laurentius Scholz, in: Schlesische Lebensbilder, hg. von der
Historischen Kommission für Schlesien, Bd. 4: Schlesier des 16. bis 19. Jahrhunderts,
hg. von Friedrich Andreae u.a., Sigmaringen 21985, Bd. 4, S. 133–139.
Gohlke, Wilhelm, Geschichte der gesamten Feuerwaffen bis 1850. Die Entwicklung
der Feuerwaffen von ihrem ersten Auftreten bis zur Einführung der gezogenen
Hinterlader, unter besonderer Berücksichtigung der Heeresbewaffnung (= Sammlung
Göschen 530), Leipzig 1911.
Goldammer, Kurt, Art. Paracelsus, in: Walther Killy (Hg.), Literaturlexikon. Autoren
und Werke deutscher Sprache, 15 Bde., Gütersloh/München 1988–1993, Bd. 9,
S. 76–80.
Goltz, Dietlinde, Mittelalterliche Pharmazie und Medizin. Dargestellt an Geschichte
und Inhalt des Antidotarium Nicolai. Mit einem Nachdruck der Druckfassung
von 1471 (= Veröffentlichungen der Internationalen Gesellschaft für Geschichte
der Pharmazie NF 44), Stuttgart 1976.
Grabner, Elfriede, ‚Ein Arzt hat dreierlei Gesicht . . .‘. Zur Entstehung, Darstellung
und Verbreitung des Bildgedankens ‚Christus coelestis medicus‘, in: Materia Medica
Nordmark 24 (1972), S. 297–317.
Grams-Thieme, Marion, Art. Koralle, in: LMA 5 (1991), Sp. 1442.
Grimm, Jacob und Wilhelm, Deutsches Wörterbuch, 33 Bde., Leipzig 1854–1971
(Reprint München 1984).
Groos, Karl, Art. Taurellus, Nicolaus, in: ADB 37 (1894), S. 467–471.
Günther, Linda-Maria, Art. Pyrrhos [3], in: Der Neue Pauly 10 (2001), Sp. 645–
648.
Gundi, Martha Teach und Jerome Pierce Webster, The Life and Times of Gaspare
Tagliacozzi, Surgeon of Bologna 1545–1599, New York 1950.
Hahn, Johannes, Art. Dioskurides, Pedanios in: Wolfgang U. Eckart und Christoph
Gradmann (Hgg.), Ärztelexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert
(= Beck’sche Reihe 1095), München 1995, S. 110f.
Hanslik, Rudolf, Art. Aurelius II, 30, in: Kleiner Pauly 1 (1964), Sp. 769f.
Ders., Art. Hadrianus 1., in: Kleiner Pauly 2 (1967), Sp. 907–911.
Heinrich, Dieter, Die Handfeuerwaffen von ihrem ersten Aufkommen bis zu den
Repetierwaffen (= Die technische Entwicklung der Handfeuerwaffen 1 / = Die
Ausstellungen der Wehrtechnischen Studiensammlung des Bundesamtes für
Wehrtechnik und Beschaffung 1), Osnabrück 1985.
Hirsch, August, Art. Alberti, Salomon, in: ADB 1 (1875), S. 215.
Historisches Ärztelexikon für Schlesien. Biographisch-bibliographisches Lexikon schle-
sischer Ärzte und Wundärzte (Chirurgen), bearb. von Michael Sachs, bisher 3
Bde., Wunstorf 1997ff.
Jöcher, Christian Gottlieb, Allgemeines Gelehrten=LEXICON, 4 Bde., Leipzig 1750f
(Reprint Hildesheim 1960f ).
Ders., Fortsetzung und Ergänzungen zu Christian Gottlieb Jöchers allgemeinem
Gelehrten=Lexico, worin die Schriftsteller aller Stände nach ihren vornehmsten
Lebensumständen und Schriften beschrieben werden, von Johann Christoph
336 quellen- und literaturverzeichnis zum editionsteil
Ders. und Ulrike Bofinger, Apotheker, Arzt und Fachschriftsteller. Jakob Theodor,
genannt Tabernaemontanus (1522–1590) aus Bergzabern, in: Christoph Friedrich
und Sabine Bernschneider-Reif (Hgg.), Rosarium Litterarum. Beiträge zur Pharmazie-
und Wissenschaftsgeschichte. Festschrift für Peter Dilg zum 65. Geburtstag,
Eschborn 2003, S. 219–249.
Nutton, Vivian, Art. Galenos aus Pergamon, in: Der Neue Pauly 4 (1998), Sp.
748–756.
Ortenburg, Gerhard, Waffe und Waffengebrauch im Zeitalter der Landsknechte
(= Heerwesen der Neuzeit, Abt. 1, Bd. 1), Koblenz 1984.
Pauly, Der kleine. Lexikon der Antike. Auf der Grundlage von Pauly’s Realencyclopädie
der classischen Altertumswissenschaft unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter
bearb. und hg. von Konrat Ziegler und Walther Sontheimer, 5 Bde., Stuttgart
1964–1975.
Pauly, Der Neue. Enzyklopädie der Antike, 16 Bde., Stuttgart u.a. 1996–2003.
Pelling, C.B.R. u.a., Art. Plutarchos [2], in: Der Neue Pauly 9 (2000), Sp. 1159–1176.
Petry, Ludwig, Art. Georg Rudolf, Herzog von Liegnitz, in: NDB 6 (1964), S. 218f.
Plathow, Michael, ‚Der geköderte Leviathan‘. Martin Luthers kreuzestheologische
Metapher in der römisch-katholischen Theologie und ihre konfessionskundlich-
ökumenische Bedeutung, in: LuJ 70 (2003), S. 127–147.
Polski S∑ownik Biograficzny, Bd. 37, Krakau 1996f.
Potter, Paul und Beate Gundert, Art. Hippokrates [6], in: Der Neue Pauly 5 (1998),
Sp. 590–599.
Premuda, L., Art. Augenio, Orazio, in: Dizionario Biografico degli Italiani 4 (1962),
S. 577f.
Preti, G., Art. Imperato, Ferdinando, anche: Ferrante, in: Dizionario Biografico
degli Italiani 62 (2004), S. 286–290.
Proverbia sententiaeque latinitatis medii [ab Bd. 7: ac recentioris] aevi. Lateinische
Sprichwörter und Sentenzen des Mittelalters in alphabetischer Anordnung, gesam-
melt und hg. von Hans Walther [ab Bd. 7: aus dem Nachlaß von Hans Walther
hg. von Paul Gerhard Schmidt], 9 Bde., Göttingen 1963–1986.
Röhrich, Lutz, Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, 5 Bde., Freiburg i.B. u.a.
4
1999.
Rudolph, Ulrich, Art. Avicenna, in: RGG4 1 (1998), Sp. 1026f.
Sallmann, Klaus, Art. Plinius [1], in: Der Neue Pauly 9 (2000), Sp. 1135–1141.
Schimmelpfennig, Adolf, Art. Monau, in: ADB 22 (1885), Sp. 162f.
Schindler, Alfred, Art. Augustin/Augustinismus I., in: TRE 4 (1979), S. 646–698.
Schipperges, Heinrich, Zum Topos von ‚ratio et experimentum‘ in der älteren
Wissenschaftsgeschichte, in: Fachprosa-Studien, hg. von Gundolf Keil, Berlin 1982,
S. 25–36.
Schlesische Lebensbilder, hg. von der Historischen Kommission für Schlesien, Bd.
4: Schlesier des 16. bis 19. Jahrhunderts, hg. von Friedrich Andreae u.a., Sig-
maringen 21985 (Breslau 11931).
Schmid, Magnus, Art. Alberti, Salomon, in: NDB 1 (1953), S. 141f.
Schott, Christian-Erdmann, Art. Herberger, Valerius, in: RGG4 3 (2000), Sp.
1640.
Siegel, Karl A., Art. Johann Crato von Kraftheim, in: Schlesische Lebensbilder, hg.
von der Historischen Kommission für Schlesien, Bd. 4: Schlesier des 16. bis 19.
Jahrhunderts, hg. von Friedrich Andreae u.a., Sigmaringen 21985, Bd. 4, S.
124–133.
Stabile, G., Art. Cagnati, Marsilio, in: Dizionario Biografico degli Italiani 16 (1973),
S. 301–303.
Stauch, Liselotte, Art. Angel, Angler, in: RDK 1 (1937), Sp. 694–698.
Steger, Florian, Asklepiosmedizin. Medizinischer Alltag in der römischen Kaiserzeit
(= Medizin, Gesellschaft und Geschichte, Beiheft 22), Stuttgart 2004.
338 quellen- und literaturverzeichnis zum editionsteil
Steiger, J.A., Nachwort, in: Johann Gerhard, Meditationes Sacrae (1606/7), latei-
nisch-deutsch, hg. und kommentiert von J.A. Steiger, 2 Bde. (= DeP I, 3), Stuttgart-
Bad Cannstatt 2000, S. 625–748, hier: S. 627–630.
Szczucki, Lech, Art. Dudith-Sbardellati, Andreas, in: TRE 9 (1982), S. 204–206.
Telle, Joachim, Art. Bock, Hieronymus, in: Walther Killy (Hg.), Literaturlexikon.
Autoren und Werke deutscher Sprache, 15 Bde., Gütersloh/München 1988–1993,
Bd. 2, S. 38f.
Ders., Art. Theodor, Jakob, gen. Tabernaemontanus, in: Walther Killy (Hg.),
Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache, 15 Bde., Gütersloh/
München 1988–1993, Bd. 11, S. 328f.
Touwaide, Alain, Art. Herophilos, in: Der Neue Pauly 5 (1998), Sp. 484–486.
Vedova, Giuseppe, Biografia degli scrittori padovani, Bd. 1, Padua 1836.
Volkmann, Hans, Art. Pyrrhos 1. in: Kleiner Pauly 4 (1972), Sp. 1262–1264.
Wagenmann, Julius August, Art. Herberger, Valerius, in: ADB 12 (1880), S. 28f.
Wander, Karl Friedrich Wilhelm, Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Ein Hausschatz
für das deutsche Volk, 5 Bde., Neudruck der Ausgabe Leipzig 1867, Aalen 1963.
Wegenast, Klaus, Art. Titus 2., in: Kleiner Pauly 5 (1975), Sp. 874–876.
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS ZU
TEIL I UND II
Quellen
Bischoff, Melchior, PASSIONALE ESAIAE. Das ist: VBer das drey vnd funfftzigste
Capitel deß heiligen Propheten Esaiae / Darinnen Er von dem vnschuldigen
Leiden vnnd Sterben / auch von der frölichen Aufferstehung vnd ewigem Reich
vnsers HErrn IESU CHRISTI, auffs herrlichste Weissagt [. . .], Coburg 1605
(HAB Wolfenbüttel QuN 289).
Bock, Hieronymus, New Kreütter Buch von underscheydt, würckung und namen
der Kreütter so in Teutschen Landen wachsen [. . .], Straßburg 1539 (ULB Jena
2 Bot. II,6 [2]).
Brunschwig, Hieronymus, Hauß apoteck. Zu yeden leibs gebresten / für den gemai-
nen mann / vnd das arm Landtuolck [. . .], Augsburg 1538 (HAB Wolfenbüttel
T 644 Helmst. 4° [12]).
Calov, Abraham, BIBLIA TESTAM. VETERIS ILLUSTRATA [. . .], Dresden/
Leipzig 21719 (Privatbesitz).
Cato, Disticha, rec. Marcus Boas, Amsterdam 1952.
Chemnitz, Christian, Jenisches Handbuch / Darinnen enthalten I. Morgen= und
Abendsegen auf alle Tage in der Wochen / wie auch Beicht= Buß= Communion=
und andere Gebetlein / nach eines ieden Noth und Anliegen. II. Köstliche
Trostsprüche in aller Noth und Anfechtung / von D. Johann Gerhard seeliger
zusammen getragen. III. Catechismus D. Lutheri. IV. Ein Gesangbuch / wel-
ches in neuen Geistlichen Liedern bestehet, [ Jena] 131688 (Privatbesitz).
Chemnitz, Martin, HISTORIA Der Passion vnsers lieben HERRN vnd Heilands
Jesu Christi / Wie dieselbe von den Vier Euangelisten einhellig beschrieben ist.
Aus den Predigten des weilandt Ehrwirdigen / Achtbarn vnd Hochgelarten Herrn
Doctoris MARTINI CHEMNITII [. . .] zusammen gezogen / Durch Melchiorem
Newkirchen / Pastorn zu S. Peter binnen Braunschweig, Wolfenbüttel 1590 (HAB
Wolfenbüttel 709. Theol. [1]).
Ders. und Polycarp Leyser d.Ä., HARMONIA QVATUOR EVANGELISTARVM,
A THEOLOGIS CELEBERRIMIS, D. MARTINO CHEMNITIO PRIMUM
INCHOATA: D. POLYCARPO LYSERO POST CONTINUATA: ATQVE D.
JOHANNE GERHARDO tandem felicissimè absoluta. QVAE NVNC PERFECTA,
IVSTO COMMENTARIO illustrata, duobus Tomis comprehensa, multùm auc-
tior, juxtà & Indicibus variis ac necessariis ornata prodit. Et hîc ejus TOMUS
PRIMUS. QVI EST CHEMNITII ET LYSERI, Frankfurt a.M./Hamburg 1652
(Privatbesitz).
Corpus Paracelsisticum. Dokumente frühneuzeitlicher Naturphilosophie in Deutschland.
Der Frühparacelsismus, bislang 2 Teile, hg. und erläutert von Wilhelm Kühlmann
und Joachim Telle (= Frühe Neuzeit 59 und 89), Tübingen 2001/2004.
Crollius, Oswaldus, De signaturis internis rerum. Die lateinische Editio princeps
(1609) und die deutsche Erstübersetzung (1623), hg. und eingeleitet von Wilhelm
Kühlmann und Joachim Telle (= Heidelberger Studien zur Naturkunde der frü-
hen Neuzeit 5), Stuttgart 1996.
Dach, Simon, Gedichte, hg. von Walther Ziesemer. 4 Bde., Halle/S. 1936–1938
(= Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft 4–7).
Dannhauer, Johann Conrad, CATECHJSMVS MJLCH Oder der Erklärung deß
Christlichen Catechismi Achter Theil [. . .], Straßburg 1666 (HAB Wolfenbüttel
Th 511).
Die apostolischen Väter. Neubearbeitung der Funkschen Ausgabe von Karl Bihlmeyer.
Zweite Auflage mit einem Nachtrag von Wilhelm Schneemelcher, Teil 1 (= SQS
2. Reihe, 1. Heft, 1. Teil), Tübingen 21956.
Dieterich, Conrad, Das Buch der Weißheit Salomons In vnterschiedenen Predigen
erkläret und außgelegt / darinn so wol allerhand gemeine Lehren / als auch man-
cherley sonderbare Theologische / Ethische / Politische / Physische / Elemen-
tarische Materien / so sonst in popularn Predigen nicht vorfallen / begriffen
werden. Gehalten zu Vlm im Münster / und auff einständiges Begehren in offenen
quellen- und literaturverzeichnis zum ersten teil 341
Ders., LOCI THEOLOGICI, ed. Eduard Preuß, 9 Bde. und Registerband, Berlin
bzw. Leipzig 1863–1885.
Ders., Meditationes Sacrae (1606/7). Lateinisch-deutsch, kritisch hg., kommentiert
und mit einem Nachwort versehen von J.A. Steiger, 2 Bde. (= DeP I, 3), Stuttgart-
Bad Cannstatt 2000.
Ders., Postilla: Das ist / Erklärung der Sontäglichen vnd fürnehmesten Fest=
Euangelien / vber das gantze Jahr [. . .], Jena 1613, 3 Teile und Appendix (HAB
Wolfenbüttel 419–420 Theol.).
Ders., Sämtliche Leichenpredigten nebst Johann Majors Leichenrede auf Gerhard,
kritisch hg. und kommentiert von J.A. Steiger (= DeP I, 10), Stuttgart-Bad
Cannstatt 2001.
Gernhard, Bartholomäus, LehreBuch / Himlischer Weisheit / fur allerley Stende /
aus den vier Edlen Büchern Salomonis / vnd Jhesu Syrachs. Jn gantz richtige
Ordenung gebracht / vnd auff die zehen Gebot Gottes / in allerley derselben
Tugende oder gute Wercke / hiergegen auch Sünde vnd Laster gerichtet, Eisleben
[1575] (HAB Wolfenbüttel Yv 634 Helmst. 8°).
Glassius, Salomo, Prophetischer Spruch=Postill Erster Theil / Darinnen auff alle
vnd iede Fest= vnd Feyr=Tage durchs gantze Jahr / zweene Prophetische Sprüche /
Einer aus dem Esaia / der ander aus der folgenden Propheten einem / erklä-
ret / mit dem gewöhnlichen Evangelio verglichen / vnd zu Christlichem
Nutzen / im Glauben vnd Leben / angeführet werden [. . .], Jena/Nürnberg 1642
(Bibliothek des Fachbereichs Evangelische Theologie der Universität Hamburg G
VI v 331).
Gregor d. Gr., Homiliae in Evangelia. Evangelienhomilien, Teilbd. 2, übers. und
eingeleitet von Michael Fiedrowicz (= FC 28/2), Freiburg i.B. u.a. 1998.
Gregor von Nazianz, Opera quae exstant omnia (= MPG 35), Turnhout o.J.
Hafenreffer, Matthias, Loci Theologici, CERTA METHODO AC RAtione, in Tres
Libros tributi. QVI THEOLOGICARVM RERVM SVMMAS, SVIS VBIQVE
DILVCIDIS SCRIPTVRAE TESTImonijs confirmatas, breuiter continent: earun-
dem Christianam Praxin, paucis commonstrant: ac nostri denique Seculi, prae-
cipuas ÑEterodidaskal¤aw fideliter exponunt [. . .], TERTIA CVRA Ab Auctore
Recogniti, & Prioribus auctiores [. . .], Tübingen 1603 (Bibliothek des Fachbereichs
Evangelische Theologie der Universität Hamburg G VI v 581).
Heerbrand, Jacob, Compendium THEOLOGIAE Methodi quaestionibus tractatum
[. . .] Jdem à MARTINO CRVSIO, VTRIVSQVE LINGVAE IN EADEM
Academia Professore, Graecè versum, Wittenberg 1582 (Bibliothek des Fachbereichs
Evangelische Theologie der Universität Hamburg G VI v 465).
Herberger, Valerius, APOTHECA MORIENTIUM, UEL PANACEA AGONI-
SANTIUM. Der Sterbenden Christen Apotheken / Oder Ein Kräutlein aus des
HErrn JEsu Garten / welches wider den schwartzen Sontag des Todes kan arten.
Gepflückt aus einem Sprüchlin JESV Iohan. 8. Warlich warlich etc. vnd gepre-
diget Anno 1601. am schwartzen Sontag / IUDICA. Bey dem schönen Begräbnis
der tugentsamen Frawen Evae / des weisen Herrn Christophori Nesselhauffens /
Rathsfreundes vnd Apothekers ersten Haußwirtin, in: Ders., Der Ander Theil
Der Geistlichen Trawrbinden [. . .] Gewircket von lauter safftigen / schmackhaffti-
gen / nützlichen vnd tröstlichen Leichpredigten / derer zahl bald nach der
Vorrede zu finden. Zu ehren etlichen frommen / Christlichen / jetzo in Gott
ruhenden Hertzen, Leipzig 1605 (HAB Wolfenbüttel 468 Th. [2]), S. 150–172.
Ders., JESUS OMNIUM MEDICORUM PRINCEPS ET DOMINUS. SANA-
TOR Fidelium aegrorum & aegrotorum, ipsorum quoque Medicinae Doctorum.
JESVS Der HERR mein Artzt / der fürnemeste / klügeste vnd allerglückselig-
ste Doctor, welchem keiner vnter seinen Patienten ist gestorben. Beschawet aus
der letzten Zeil / Exod. 15. Jch bin der HERR dein Artzt. I. Zu Ehren / sei-
ner grossen Trew / II. Zu gefallen / allen Doctoribus Medicinae, III. Zum
quellen- und literaturverzeichnis zum ersten teil 343
Das ist / Trewer Lehrer vnd Prediger / So wohl Christlicher Patienten vnd
Pfarrkinder / Als [. . .] Herr / Magister Johan Langer [. . .] zu einen Seelen
Artzt / vorgestellet / vnnd [. . .] investirt worden [. . .] Auß dem Evangelio Matth:
8. vom Aussetzigen Patienten, Coburg 1624 (FB Gotha Theol. 4° 118/1 [9]).
Lauterbach, Georg, Jesus Syrach zu Wittenberg verdeutscht. Jn eine newe vnd
richtige ordnung gebracht, Nürnberg 1555 (HAB Wolfenbüttel A 142.8° Helmst.
[unvollständig]).
Lehen, Melchior, SANGVINES PECCATORVM. Der Sünder Blutschulden / Das
ist: Eine Christliche Predigt / vom schönen Spruch des 51. Psalms: Errette mich
von den Blutschulden / Gott etc. Beym volckreichen Leichbegängnüß / Des
Ehrnvesten / Achtbarn vnd Wolgelarten Herrn M. JOHANNIS-PHILIPPI BREN-
DELII, weiland wolverordneten Hoff=vnd Stad Medici zu Schlaitz in Reusischer
Herrschafft / Welcher zur Newstadt an der Orla / dahin er von etlichen Adels-
personen vnd inwonenden Bürgern zur Praxis Medica erfordert worden / den
17. Novemb. im Jahr 1615. selig in Gott verschieden / vnd des drauff folgen-
den 19. Novemb. am XXIV. Sontag nach Trinitatis Christlich zur Erden bestat-
tet worden, Jena 1616 (HAB Wolfenbüttel LP 5044 [Slg. Stolberg]).
Lipenius, Martin, BIBLIOTHECA REALIS THEOLOGICA OMNIVM MATE-
RIARVM, RERUM ET TITULORUM [. . .], 2 Bde., Frankfurt a.M. 1685
(Reprint Hildesheim/New York 1973).
Lonitzer, Adam, Kreuterbuch, new zugericht [. . .], Frankfurt a.M. 1557 (HAB
Wolfenbüttel 38.1 Med. 2°).
Luther, Martin, Werke, Weimar 1883ff.
Ders., Studienausgabe, hg. von Hans-Ulrich Delius, 6 Bde., Berlin 1979–1999.
Ders., Werke in Auswahl, hg. von Otto Clemen, 8 Bde., Berlin 1950.
Ders., Der Erste Theil Der Bücher / Schrifften / vnd Predigten des Ehrwirdigen
Herrn / D. Martin Luthers deren viel weder in den Wittenbergischen noch
Jhenischen Tomis zufinden / vnd doch von dem Tewern Man Gottes / zum teil
im Druck ausgangen / vnd sonst geschrieben vnd geprediget worden sind / jtzt
nach ordenung der Jarzal / als vom M.D.XVI. bis in das M.D.XXIX. jar /
dem Christlichen Leser zu allerley Lere vnd Trost / mit vleis zusamen getragen,
Eisleben 1564 (HAB Wolfenbüttel Yv 13.4° Helmst. [1]).
Mack, Andreas, ANTIDOTARIUM PRIVATUM, Das ist Wohlbestalte Hauß=
Rhäiß= vnd Feld=Apothecken; Worinnen zubefinden allerhand nützliche vnd
kräfftige Artzeney=Mittel / deren man / für sich / zu Hauß / vff Rhäisen /
auch im Feldzug / als welche mehrentheils wohl fort zu bringen vnd ein lange
Zeit kräfftig bleiben / wider allerhand Leibsbeschwerungen / vnd sonderlich
ansteckende vnd offt geschwind an= vnd zustossende Kranckheiten / So woln in
verhüt= als heilung derselben / sich bedienen / vnd nechst göttlicher Gnad /
wohl sicher gebrauchen kan; Nechst diesem ist auch beyfälliger Nachricht / das
Malum Hypochondriacum, wie auch der Schorbock / als jetziger Zeit hochbe-
schwerte / vnd manchen als frembte / den Medicis aber / leyder / gemein vnd
öffters vorkommende Kranckheiten / etwas zu erkennen / vnd wie etwa solche
zuverhüten vnd auch zu benehmen, Coburg 1647 (FB Gotha Med. 8° 165/4 [1]).
Makarios, Die 50 Geistlichen Homilien des Makarios, hg. und erläutert von Hermann
Dörries, Erich Klostermann, Matthias Kroeger (= PTS 4), Berlin 1964.
Mathesius, Johannes, Sÿrach Mathesij Das ist / Christliche, Lehrhaffte / Trostreiche
vnd lustige Erklerung vnd Außlegung des schönen Haußbuchs / so der weyse
Mann Syrach zusammen gebracht vnd geschrieben [. . .], 3 Teile, Leipzig 1586
(HAB Wolfenbüttel C 194. 2° Helmst.).
Melanchthon, Philipp, Werke in Auswahl, hg. von Robert Stupperich, Bd. II/1, hg.
von Hans Engelland, Gütersloh 1952.
Ders., Opera quae supersunt omnia, hg. von Karl Gottlieb Bretschneider, vol. 15
(= CR 15), Halle/S. 1848.
quellen- und literaturverzeichnis zum ersten teil 345
am Berg Sina das Gesetz gegeben / etc. ördentlich beschrieben werden, Leipzig
1614 (HAB Wolfenbüttel 400.4 Theol).
Selnecker, Nikolaus, Der herrliche Prophet Ezechiel / frommen Christen zum
Vnterricht vnd trost / zu diesen schweren vnd gantz gefehrlichen zeiten / Ausgelegt,
Leipzig 1567 (HAB Wolfenbüttel Tc 317).
Ders., Tröstliche schöne Sprüche für die engstigen Gewissen, Leipzig o.J. [ca. 1570]
(HAB Wolfenbüttel Yv 1516 Helmst. 8° [2]).
Seneca, L. Annaeus, Philosophische Schriften. Lateinisch und deutsch. Sonderausgabe
Bd. 5, hg. von Manfred Rosenbach, Darmstadt 1999.
Söffing, Justus, Der auf Erden und im Himmel Geehrte Artzt / Aus dem Spruch
1. Joh. III. v. 1 / 2. Sehet / welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget / etc.
Als Der Wohl=Edle / Groß=Achtbare und Hoch=Gelahrte Herr Andreas Mack
/ Der Artzeney Hoch=Erfahrner DOCTOR, Hoch=Gräfl. Schwartzburgischer
Hochverdienter Leib= und Hof=MEDICUS zu Rudolstadt und weitberühmter
PRACTICUS, Jm Jahr Christi MDCLXXXIII. den 21. Martii, Seinem sehnli-
chen Begehren nach / selig aufgelöset / und die Seel zu CHRJSTO erhaben /
Der Leichnam aber in die neu=erbauete GOttes=Acker=Kirche und darinn berei-
tete Begräbniß=Stätte Bey Hochansehnlicher / vornehmer und sehr Volckreicher
Versammlung / gebracht und beerdiget ward / Beschrieben und auf Begehren zum
Druck übergeben, Rudolstadt [1683] (HAB Wolfenbüttel LP 16129 [Slg. Stolberg]).
Spengler, Lazarus, Schriften, Bd. 1: Schriften der Jahre 1509 bis Juni 1525, hg. und
bearb. von Berndt Hamm und Wolfgang Huber (= QFRG 61), Gütersloh 1995.
Strigel, Victorin, SIRACH SAPIENTIA, Leipzig o.J. (Vorrede: Heidelberg 1569)
(HAB Wolfenbüttel 697.59 Theol. 8° [1]).
Vietor, Johannes, Panacea Biblica: Das ist / EJn Christlicher Sermon / von der
alleredlesten vnd gewissesten Artzney / mit welcher der beste Leibs vnd Seelen
Medicus, CHRISTUS IESUS, allen glaubigen Patienten am sichersten zuhelffen
pfleget / auß dem XVI. Cap. deß Büchleins der Weißheit / Gehalten Zu
Darmbstatt bey Begräbnuß der Ehrn vnd Tugendsamen Frauwen ANNAE /
Fürstlicher HofApoteckerin / weyland deß Ehrnhafften vnd Vornehmen Caspar
Pfaffen / seligen / gewesenen Kellners zu Senßfeld / hinderlassener Wittiben /
welche den 10 Augusti seliglich in Christo verschieden vnd folgenden 13. Tag
gemeldtes Mondes ehrlich zur Erden bestattet worden, Darmstadt [1616] (HAB
Wolfenbüttel 253.5 Theol. [5]).
Wagner, Johannes IERODIDASKALIA De licito & salutari medicorum & medicamen-
torum usu. Das ist: Eine Christliche Lehr vnnd Vnterricht / wie man der Arzte
vnd der Artzney / heilsam vnd nützlich gebrauchen möge. BEY der Leichbegengnüß
des Erbarn vnd Wolgelarten Herrn M. Justini Vvilhelmi, der Stadt Braunschweig
gewesenen Physici vnnd Medici, so neben seiner lieben Haußfrawen den 1. Maij
dieses 1609. Jarß selig im HErrn Christo entschlaffen [. . .], Braunschweig 1609
(HAB Wolfenbüttel J 73.4 Helmst. [2]).
Weller, Hieronymus, ANTIDOTVM ADVERSVS TENTATIONES OMNIS GENE-
RIS. QVIBVS piae mentes exerceri solent, o.O. o.J. [ca. 1553] (HAB Wolfenbüttel
Yv 1210 Helmst. 8° [1]).
Wolder, David, Seelen Paradyß. Edder Lustgarden, vull beeffliker und heilsamer
Planten unde wolrükenden Blömeken des christliken Gebedes in allerley Nodt
und thostande [. . .], Hamburg 1602 (HAB Wolfenbüttel Th 2849).
Ziegenhorn, Michael, APOTHECA SPIRITUALIS, Hoc est: LIBELLUS ORATO-
RIUS, PRECATIONES INSIGNIORES, SELECTISSIMAEQUE SACROSANC-
TAE SCRIpturae ac D. Patrum, ut Augustini, Bernhardi, Hieronymi, Ambrosii,
Gregorii, Athanasii, Basilii, Chrysostomi, Cyrilli, Cypriani, Isidori, Origenis,
Anshelmi, Theodoreti, Bedae & Clementis Alexandrini, complectens dicta, inpri-
misque annuae Festorum celebrationi [. . .], Halle/S. 1613 (HAB Wolfenbüttel
Yv 317.8° Helmst. [2]).
348 quellen- und literaturverzeichnis zum ersten teil
Sekundärliteratur
Allgemeine Deutsche Biographie, hg. durch die Historische Commission bei der
Königlichen Akademie der Wissenschaften, 56 Bde., Leipzig 1875–1912.
Arbesmann, Rudolph, The Concept of ‚Christus Medicus‘ in St. Augustine, in: Tr.
10 (1954), S. 1–28.
Asheim, Ivar, Glaube und Erziehung bei Luther. Ein Beitrag zur Geschichte des
Verhältnisses von Theologie und Pädagogik, Heidelberg 1961.
Baumann, Brigitte / Helmut Baumann / Susanna Baumann-Schleihauf (Hgg.), Die
Kräuterbuchhandschrift des Leonhart Fuchs, Stuttgart 2001.
Baumann, Susanne, Pflanzenabbildungen in alten Kräuterbüchern. Die Umbelliferen
in der Herbarien- und Kräuterbuchliteratur der frühen Neuzeit (= Heidelberger
Schriften zur Pharmazie- und Naturwissenschaftsgeschichte 15), Stuttgart 1998.
Baumann-Koch, Angela, Frühe lutherische Gebetsliteratur bei Andreas Musculus
und Daniel Cramer (= EHS.T 725), Frankfurt a.M. u.a. 2001.
Baur, Jörg, Art. Ubiquität, in: TRE 34 (2002), S. 224–241.
Bayer, Oswald, Promissio. Geschichte der reformatorischen Wende in Luthers
Theologie, Darmstadt 1989 (Göttingen 11971).
Beintker, Horst, Die Bedeutung des Gebetes für Theologie und Frömmigkeit unter
Berücksichtigung von Luthers Gebetsverständnis, in: NZSTh 6 (1964), S. 126–153.
Ders., Zu Luthers Verständnis vom geistlichen Leben des Christen im Gebet, in:
LuJ 31 (1964), S. 47–68.
Benzing, Josef, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen
Sprachgebiet (= BBBW 12), Wiesbaden 21982.
Bibliographia Gerhardina (1601–2002). Verzeichnis der Druckschriften Johann
Gerhards (1582–1637) sowie ihrer Neuausgaben, Bearbeitungen und Überset-
zungen, bearb. von J.A. Steiger unter Mitwirkung von Peter Fiers (= DeP I,11),
Stuttgart-Bad Cannstatt 2003.
Bitzel, Alexander, Anfechtung und Trost bei Sigismund Scherertz. Ein lutherischer
Theologe im Dreißigjährigen Krieg (= SKGNS 38), Göttingen 2002.
Collins, Minta, Medieval Herbals. The Illustrative Traditions (= The British Library
Studies in Medieval Culture o.Nr.), London 2000.
Deutsches Biographisches Archiv, hg. von Bernhard Fabian, München 1982–1998.
Diestelmann, Jürgen, Joachim Mörlin. Luthers Kaplan — ‚Papst der Lutheraner‘.
Ein Zeit- und Lebensbild aus dem 16. Jahrhundert, Neuendettelsau 2003.
Dobras, Werner (Bearb.), Botanik, Kräuter und Arzneien in alten Büchern. Kost-
barkeiten aus 5 Jahrhunderten im Besitz der ehemals Reichsstädtischen Bibliothek
Lindau [Ausstellungskatalog], Lindau 1987.
Ebeling, Gerhard, Beten als Wahrnehmen der Wirklichkeit des Menschen, wie
Luther es lehrte und lebte, in: LuJ 66 (1999), S. 151–166.
Ders., Luther. Einführung in sein Denken, Tübingen 1964.
Ders., Lutherstudien Bd. 2: Disputatio de homine. 3. Teil: Die theologische Definition
des Menschen, Kommentar zu These 20–40, Tübingen 1989.
Eijkenboom, Petrus Cornelis Josephus, Het Christus-Medicusmotief in de preken
van Sint Augustinus, Assen 1960.
Elkeles, Barbara, Arzt und Patient in der medizinischen Standesliteratur der Frühen
Neuzeit, in: Udo Benzenhöfer und Wilhelm Kühlmann (Hgg.), Heilkunde und
Krankheitserfahrung in der frühen Neuzeit. Studien am Grenzrain von
Literaturgeschichte und Medizingeschichte (= Frühe Neuzeit 10), Tübingen 1992,
S. 131–143.
Dies., Das Ende eines Mythos? Die Frage der unentgeltlichen Behandlung armer
Kranker in deontologischen Texten vornehmlich des 17. Jahrhunderts, in: SAGM
74 (1990), S. 130–147.
Feldmann, Reinhard, Blüten und Blätter. Illustrierte Kräuter- und Pflanzenbücher
quellen- und literaturverzeichnis zum ersten teil 349
Jordahn, Bruno, Luther und das gottesdienstliche Gebet, in: Lu 33 (1962), S. 116–127.
Knipp, David, ‚Christus medicus‘ in der frühchristlichen Sarkophagskulptur.
Ikonographische Studien der Sepulkralkunst des späten vierten Jahrhunderts
(= SVigChr 37), Leiden u.a. 1998.
Koch, Ernst, Die Bernhard-Rezeption im Luthertum des 16. und 17. Jahrhunderts,
in: Kaspar Elm (Hg.), Bernhard von Clairvaux. Rezeption und Wirkung im
Mittelalter und in der Neuzeit (= Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 6), Wiesbaden
1994, S. 333–351.
Ders., Die ‚Himlische Philosophia des heiligen Geistes‘. Zur Bedeutung alttestament-
licher Spruchweisheit im Luthertum des 16. und 17. Jahrhunderts, in: ThLZ 115
(1990), Sp. 706–720.
Ders., Die höchste Gabe in der Christenheit. Der Umgang mit Schwermut in der
geistlich-seelsorgerlichen Literatur des Luthertums im 16. und 17. Jahrhundert,
in: Monika Hagenmaier und Sabine Holtz (Hgg.), Krisenbewußtsein und Krisen-
bewältigung in der Frühen Neuzeit — Crisis in Early Modern Europe, Festschrift
für Hans-Christoph Rublack, Frankfurt a.M. u.a. 1993, S. 231–242.
Koch, Traugott, Johann Habermanns ‚Betbüchlein‘ im Zusammenhang seiner
Theologie. Eine Studie zur Gebetsliteratur und zur Theologie des Luthertums im
16. Jahrhundert (= BHTh 117), Tübingen 2001.
Krafft, Fritz, Art. Fuchs, in: Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians-
Universität München, Bd. 1, Berlin 1998, S. 135–142.
Ders., Arzneien ‚umb sonst und on gelt‘ aus Christi Himmelsapotheke, in: Pharma-
zeutische Zeitung 146 (2001), S. 10–17.
Ders., Christus als Apotheker. Ursprung, Aussage und Geschichte eines christlichen
Sinnbildes (= Schriften der Universitätsbibliothek Marburg 104), Marburg 2001.
Ders., Christus in der Himmelsapotheke mit reumütigem/r Sünder/in. Die pietisti-
sche Erweiterung eines protestantischen Andachtsbildmotivs, in: Rosarium litte-
rarum. Beiträge zur Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte. Festschrift zum 65.
Geburtstag von Peter Dilg, hg. von Christoph Friedrich und Sabine Bernschneider-
Reif, Frankfurt a.M. 2003, S. 161–182.
Ders., Christus ruft in die Himmelsapotheke. Die Verbildlichung des Heilandsrufs
durch Christus als Apotheker. Begleitbuch und Katalog zur Ausstellung im Museum
Altomünster (29. November 2002 bis 26. Januar 2003) (= Quellen und Studien
zur Geschichte der Pharmazie 81), Stuttgart 2002.
Ders., ‚Die Arznei kommt vom Herrn, und der Apotheker bereitet sie‘. Biblische
Rechtfertigung der Apothekerkunst im Protestantismus. Apotheken-Auslucht in
Lemgo und Pharmako-Theologie (= Quellen und Studien zur Geschichte der
Pharmazie 76), Stuttgart 1999.
Ders., Die Pharmazie im Dienste der Propagierung lutherischer Rechtfertigungslehre.
Zur Bildaussage eines weitverbreiteten protestantischen Sinnbildmotivs, in: Berichte
zur Wissenschaftsgeschichte 26 (2003), S. 157–182.
Krause, Art. Brucaeus, Henricus, in: ADB 3 (1876), S. 374f.
Link, Christoph, Art. Bann V., in: TRE 5 (1980), S. 182–190.
Mannack, Eberhard, Johann Rist. Gelehrter, Organisator und Poet des Barock.
Festvortrag zur 89. Jahresversammlung der Gesellschaft der Bibliophilen e.V. am
5. Juni 1988 in Kiel, München 1988.
Mehlhausen, Joachim, Art. Krankheit VI, in: TRE 19 (1990), S. 694–697.
Meinhold, Peter, Zur Theologie der Krankheit bei Martin Luther, in: Saec. 23
(1972), S. 15–29.
Michael Herr 1591–1661. Ein Künstler zwischen Manierismus und Barock. Katalog
der ausgestellten Werke. Ausstellung anläßlich seines 400. Geburtstages im Rathaus
der Stadt Metzingen vom 15. November bis 4. Dezember 1991, hg. von der
Stadt Metzingen. Mit Beiträgen von Silke Gatenbröcker u.a., Metzingen 1991.
quellen- und literaturverzeichnis zum ersten teil 351
Müller, Gerhard, Arzt, Kranker und Krankheit bei Ambrosius von Mailand (334–397),
in: SAGM 51 (1967), S. 193–216.
Müller-Jahncke, Wolf-Dieter, Art. Lonitzer, Adam, in: Walther Killy (Hg.), Literatur-
lexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache, 15 Bde., Gütersloh/München
1988–1993, Bd. 7, S. 341.
Neumann, Josef N., Art. Medizin 5. Christentum, in: RGG4 5 (2002), Sp. 983–985.
Nutton, Vivian, Art. Medizin, in: Der Neue Pauly 7 (1999), Sp. 1103–1117.
Olsson, Herbert, Grundproblemet i Luthers socialetik, Bd. 1, Lund 1934.
Ders., Schöpfung, Vernunft und Gesetz in Luthers Theologie (= AASU.SDCU 10),
Uppsala 1971.
Peters, Albrecht, Kommentar zu Luthers Katechismen, Bd. 1: Die Zehn Gebote,
hg. von Gottfried Seebaß, Göttingen 1990.
Plathow, Michael, Christus als Arzt. Zu Luthers integrierendem Verständnis von
Diakonie und Seelsorge, in: Ders., Freiheit und Verantwortung. Aufsätze zu Martin
Luther im heutigen Kontext, Erlangen 1996, S. 105–117.
Rengstorf, Karl Heinrich, Die Anfänge der Auseinandersetzung zwischen Christusglaube
und Asklepiosfrömmigkeit (= Schriften zur Förderung der Westfälischen Landes-
universität zu Münster 30), Münster 1953.
Sahmland, Irmtraut, Beschreibung und Bewertung von Krankheit in der Predigtliteratur
des 16. und 17. Jahrhunderts am Beispiel der Bergpredigten, in: Udo Benzenhöfer
und Wilhelm Kühlmann (Hgg.), Heilkunde und Krankheitserfahrung in der frü-
hen Neuzeit. Studien am Grenzrain von Literaturgeschichte und Medizingeschichte
(= Frühe Neuzeit 10), Tübingen 1992, S. 228–246.
Schadewaldt, Hans, Die Apologie der Heilkunst bei den Kirchenvätern, in: Die
Vorträge der Hauptversammlung der Internationalen Gesellschaft für Geschichte
der Pharmazie e.V. während des Internationalen Pharmaziegeschichtlichen
Kongresses in Rotterdam vom 17.–21. September 1963 (= Veröffentlichungen
der Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie 26), Stuttgart 1965,
S. 115–130.
Ders., Medizinisches in Luthers Tischgesprächen, in: Joachim Mehlhausen (Hg.),
Reformationsgedenken. Beiträge zum Lutherjahr 1983 aus der Evangelischen
Kirche im Rheinland (= SVRKG 81), Köln 1985, S. 47–54.
Scharbau, Friedrich-Otto (Hg.), Das Gebet (= VLAR 33), Erlangen 2002.
Schipperges, Heinrich, Art. Krankheit IV, in: TRE 19 (1990), S. 686–689.
Ders., Zum Topos von ‚ratio et experimentum‘ in der älteren Wissenschaftsgeschichte,
in: Fachprosa-Studien, hg. von Gundolf Keil, Berlin 1982, S. 25–36.
Ders., Zur Tradition des ‚Christus Medicus‘ im frühen Christentum, in: ArztChr
11 (1965), S. 12–19.
Schmidt, Kurt Dietrich, Luther lehrt beten, in: Lu 34 (1963), S. 31–41.
Schneider, Hans, Johann Arndt als Paracelsist, in: Peter Dilg und Hartmut Rudolph
(Hgg.), Neue Beiträge zur Paracelsus-Forschung, Stuttgart 1995, S. 89–110.
Ders., Johann Arndts Studienzeit, in: JGNKG 89 (1991) (= FS Hans-Walter
Krumwiede), S. 133–175.
Schneider, Rudolf, Was hat uns Augustins ‚theologia medicinalis‘ heute zu sagen?,
in: KuD 3 (1957), S. 307–315.
Schreiber, Wilhelm Ludwig, Die Kräuterbücher des XV. und XVI. Jahrhunderts,
Stuttgart 1982 (München 11924).
Singer, Bruno, Art. Fürstenspiegel, in: TRE 11 (1983), S. 707–711.
Ders., Die Fürstenspiegel in Deutschland im Zeitalter des Humanismus und der
Reformation (= Humanistische Bibliothek I/34), München 1981.
Steiger, Johann Anselm, Art. Versuchung, in: TRE 35 (2003), S. 52–64.
Ders., Der Mensch in der Druckerei Gottes und die imago Dei. Zur Theologie des
Dichters Simon Dach (1605–1659), in: Daphnis 27 (1998), S. 263–290.
352 quellen- und literaturverzeichnis zum ersten teil
Ders., Fünf Zentralthemen der Theologie Luthers und seiner Erben. Communicatio —
Imago — Figura — Maria — Exempla. Mit Edition zweier christologischer
Frühschriften Johann Gerhards (= SHCT 104), Leiden u.a. 2002.
Ders., Johann Gerhard (1582–1637). Studien zu Theologie und Frömmigkeit des
Kirchenvaters der lutherischen Orthodoxie (= DeP I, 1), Stuttgart-Bad Cannstatt
1997.
Ders., Melancholie, Diätetik und Trost. Konzepte der Melancholie-Therapie im 16.
und 17. Jahrhundert, Heidelberg 1996.
Ders., Nachwort, in: Johann Gerhard, Sämtliche Leichenpredigten nebst Johann
Majors Leichenrede auf Gerhard, kritisch hg. und kommentiert von J.A. Steiger
(= DeP I, 10), Stuttgart-Bad Cannstatt 2001, S. 317–334.348–363.
Steiger, Renate, Dialogue Structures in J.S. Bach’s Cantatas. The Basic Form of
Worship and a Model for Artistic Shaping, in: Bach. Journal of the Riemenschneider
Bach Institute Baldwin-Wallace College 33 (2002), S. 35–70.
Telle, Joachim (Hg.), Pharmazie und der gemeine Mann. Hausarznei und Apotheke
in deutschen Schriften der frühen Neuzeit. Ausstellung der Herzog August Bibliothek
Wolfenbüttel in der Halle des Zeughauses vom 23. August 1982 bis März 1983,
Wolfenbüttel 21988 (11982).
Tillmann, Regine, Neue Erkenntnisse zur Kräuterbuchliteratur des 16. Jahrhunderts,
Marburg 1988.
Toellner, Richard, Art. Heilkunde/Medizin II, in: TRE 14 (1985), S. 743–752.
Ders., Heil und Heilung bei Martin Luther. Luthers Verhältnis zur Medizin als
Anfrage an die heutige Medizin, in: Hans-Jürgen Hoeppke u.a. (Hgg.), Glaubend
leben. Gerhard Ruhbach zum 60. Geburtstag, Wuppertal u.a. 1994, S. 140–152.
Trepp, Anne-Charlott, Zur Pluralisierung im Luthertum des 17. Jahrhunderts und
ihrer Bedeutung für die Deutungen der ‚Natur‘, in: Berichte zur Wissenschafts-
geschichte 26 (2003), S. 183–197.
Vajta, Vilmos, Luther als Beter, in: Helmar Junghans (Hg.), Leben und Werk Martin
Luthers von 1526 bis 1546. Festgabe zu seinem 500. Geburtstag, Göttingen 1983,
S. 279–295.806–811.
Von Dioskurides bis Mességué. Alte und neue Heilpflanzbücher [Ausstellungskatalog],
Darmstadt 1981.
Wallmann, Johannes, Art. Dannhauer, Johann Konrad, in: RGG4 2 (1999), Sp.
563f.
Ders., Die Eigenart der Straßburger lutherischen Orthodoxie im 17. Jahrhundert.
Apokalyptisches Endzeitbewußtsein und konfessionelle Polemik bei Johann Conrad
Dannhauer, in: Ders., Theologie und Frömmigkeit im Zeitalter des Barock.
Gesammelte Aufsätze, Tübingen 1995, S. 87–104.
Wingren, Gustaf, Art. Beruf II, in: TRE 4 (1980), S. 657–671.
Ders., Luthers Lehre vom Beruf (= FGLP 10/3), München 1952.
Wolf, Herbert, Art. Mathesius, Johannes, in: Walther Killy (Hg.), Literaturlexikon.
Autoren und Werke deutscher Sprache, 15 Bde., Gütersloh/München 1988–1993,
Bd. 8, S. 9f.
Zschoch, Hellmut, Art. Rhegius, Urbanus, in: BBKL 8 (1994), Sp. 122–134.
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Apg Apostelgeschichte
Apk Apokalypse
Bar Baruch
1Chr 1. Chronik
2Chr 2. Chronik
Dtn Deuteronomium
Eph Epheserbrief
Esr Esra
Ex Exodus
Ez Ezechiel
Gal Galater
GebMan Gebet Manasses
Gen Genesis
Hab Habakuk
Hag Haggai
Hebr Hebräerbrief
Hi Hiob
Hld Hoheslied
abkürzungsverzeichnis 355
Hos Hosea
Jak Jakobusbrief
Jer Jeremia
Jes Jesaja
Joh Johannes-Evangelium
1Joh 1. Johannesbrief
Jon Jona
Jud Judasbrief
1Kön 1. Könige
2Kön 2. Könige
Koh Kohelet
Kol Kolosserbrief
1Kor 1. Korintherbrief
2Kor 2. Korintherbrief
Lev Leviticus
Lk Lukas-Evangelium
1Makk 1. Makkabäer
Mal Maleachi
Mi Micha
Mk Markus-Evangelium
Mt Matthäus-Evangelium
Neh Nehemia
Num Numeri
Ob Obadja
1Petr 1. Petrus
2Petr 2. Petrus
Phil Philipperbrief
Prv Proverbien
Ps Psalmen
Röm Römerbrief
Sach Sacharja
1Sam 1. Samuel
2Sam 2. Samuel
Sap Sapientia Salomonis
Sir Jesus Sirach
1Thess 1. Thessalonicherbrief
Thren Threni
1Tim 1. Timotheusbrief
2Tim 2. Timotheusbrief
Tit Titusbrief
Tob Tobias
BIBELSTELLENREGISTER
Altes Testament
Ex 2Sam
4,25: 78 11,1–27: 169
15: 20, 52 12,13: 169
15,1: 199 15: 241
15,23–27: 19 17,23: 227
15,26: 19, 29, 63, 87, 91, 110, 24,10: 277
123, 128, 258, 263, 268,
278 1Kön
21,19: 291 1,39f: 196
4: 104
Lev 4,33: 123f, 266
25,23: 133, 294, 305 14,21ff: 228
Num 2Kön
6,24–26: 292 3,15: 235
19,2–9: 285
21,8f: 81 1Chr
29,15: 305
Dtn
6,16: 84 2Chr
28,34: 221 16,12f: 115, 288
28,47: 221 16,13: 288
358 bibelstellenregister
Neh 51,20: 75
8,10: 232 55,23: 230
58: 110
Hi 62,2: 222, 231
1,8–11: 182 65,2: 222
5,7: 89 68,19: 205f
7,15f: 227 69,5: 196
13,4: 287 73,5f: 251
19,25: 275 73,18f: 251
31,32: 134, 295 73,24f: 231
77: 253
Ps 77,3: 228
1: 52 77,4: 253
2,11: 218, 246 77,5: 228
2,12: 286 77,9–11: 253
3,6: 296 77,11: 240, 273
3,6f: 241 82,6: 159
5,5f: 246 90: 136
6,3: 291 91: 56
8,2f: 199 91,1: 203
9,19: 256 91,11–13: 243
10,14: 240 91,13: 203
13,6: 199 91,15: 176, 273
16,4: 287 94,8f: 247
16,11: 297 94,11: 247
18: 21 94,19: 241
19: 56 95,8: 293
19,1: 104 102: 110
21,4: 262 103: 132
22: 161 103,1–4: 291
22,7: 160 103,2–5: 245
23,5f: 241 103,3: 132
24,7: 272, 312 103,8–11: 245
26,12: 199 103,13: 240
30: 255 104,1f: 241
30,6: 229, 252 104,15: 234
33,18: 181 107,20: 285
34: 56 107,21: 110
34,8: 182 112,1f: 226
34,9: 241 116,10: 193
34,16: 181 116,13: 157, 296
36,8f: 240 118,12: 239
37,4f: 230 119: 294
38,7f: 221 119,19: 133, 294, 305
42,4: 242 119,28: 239
42,6: 242 119,92: 239
45,3: 270 119,165: 239
45,5: 273 121,3f: 273
46,11: 231 121,4: 181
47: 151, 190 121,6: 181
47,5: 203 124,8: 181
47,1–10: 186, 188 128,3: 89
51,9: 285 139,7–12: 247
51,16: 96 142: 21
bibelstellenregister 359
Jes Thren
1,6: 286 3,31–33: 252
1,18: 97, 172
3,7: 268 Ez
5,11f: 238 18,23: 169
5,14: 238 22,30: 176
7,14: 159, 169 33,11: 169, 244
9,5: 159 34: 25
14,12–15: 154 36,37: 290
14,27: 225 47,12: 55
26: 110
360 bibelstellenregister
Neues Testament
Mt 16,19: 175
2,13–15: 276 17,1ff: 198
2,19–23: 276 17,2: 277
3,17: 260 17,4: 198
4,1: 234 17,5: 276
4,6: 159 17,20: 73
4,9f: 154 18,18: 175
4,10: 12 22: 134
5,6: 62 22,11: 295, 305
5,16: 200, 291 23: 110
5,34: 143 23,37: 42
6,12f: 176 24,6–12: 214
6,13: 219 25: 13, 134
6,27: 223 25,9: 287
6,28: 73 25,14–30: 269
7,8: 176 25,21: 295
7,12: 141, 291 25,35: 295, 305
8: 129, 277 25,36: 13, 134
8,1–17: 269 25,41: 184
8,3: 91 25,43: 13
8,8: 56, 274 26,57ff: 276
8,14: 277 27,2ff: 276
9: 129 27,25: 80
9,1f: 277 27,31: 276
9,2: 16, 271 27,57–60: 276
9,12: 19, 61, 63, 128, 269 28,19: 163
9,18–26: 96 28,20: 273, 291
9,20–22: 262
9,24: 275 Mk
11,4f: 278 1,24: 161
11,11: 272 7,31–37: 270
11,25f: 270 7,32–37: 277
11,25–30: 62 7,35: 273
11,28: 19, 60–62, 269, 279 8,22: 277
11,29: 187, 272 9,44: 152
12,34: 193 9,46: 152
12,39f: 161 9,48: 152
12,42: 269 10,46: 277
13,31: 73 14,3: 296
15,22: 277 16,16: 285
16,18: 175
bibelstellenregister 361
Lk 4,50: 274
1,31: 276 5,5–9: 275
1,37: 278 6,35: 300
1,46–55: 200 6,37: 270
1,68–79: 200 6,54: 131
2,7: 276 6,68: 270
2,25–32: 197 7: 57
2,41–52: 276 7,37: 61
4,41: 161 8: 269
5,8: 286 8,44: 153, 169
7: 44 8,51: 19, 44, 63, 135
8,2: 244 11,4: 4
8,40: 91 11,11: 275
8,43: 288 11,11–13: 206
8,43–48: 275 11,25f: 275
10: 17, 24 14,6: 29
10,1: 165 14,18: 273
10,17f: 165 14,26: 219
10,23–37: 282 15,5: 279
10,33ff: 5, 128 15,14: 291
10,34: 17, 22, 269, 275, 282, 15,26: 219
285 16,7: 206, 219
11,22: 162 16,13: 206
12,7: 203, 243 17,1–26: 270
15,7: 244 17,3: 286
15,21: 296 19,34: 77, 79f
16,19–31: 217, 238 20,17: 205
16,25: 250 20,23: 175
17: 140
17,12: 277 Apg
17,17: 277 1,6: 190
17,26f: 214 3,7f: 196
18,35: 277 3,10: 197
19,9: 290 4: 128
21,26: 214 5,41: 200
21,28: 215 7,55–59: 200
22,39: 276 15,8: 200
22,51: 278 17,27f: 243
23,42f: 244 17,28: 300
24: 175, 208 20,28: 78
Joh Röm
1,1: 28 1: 56, 72
1,1ff: 23, 28 1,16: 209
1,3: 104 3,20: 21, 32
1,11: 43 3,25: 249
1,14: 158 4: 4
1,18: 276 4,7f: 4
1,29: 158 5,1f: 197
3,13: 160 5,10: 170
3,14f: 81 5,12: 79
3,16: 171 6,23: 16
4: 129 8,15f: 166
4,42: 5 8,17: 183
362 bibelstellenregister
Apokryphen