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Mise en Place Department - (dialogue with Philip Horst): IRRTUM Session, GfKFB berlin

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1 von 4 22.2.2009 1:07 Uhr


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17.9.2007 by admin.

Philip Ursprung : Florian Dombois : Welche Kriterien muss Kunst erfüllen, damit sie als
Forschung
deklariert werden kann? Oder sprechen wir besser von «künstlerischer Forschung»?

Die definitorischen Fragen sind jetzt besonders aktuell, da die staatliche Förderpolitik enger an
den Begriff Forschung geknüpft worden ist. Doch die Auffassungen davon, was Forschung in der
Kunst bedeutet, reichen weit auseinander. Das belegen die folgenden Statements von Florian
Dombois, Professor am Lehrstuhl Y für transdisziplinäre Kunst an der HKB Bern, und Philip
Ursprung, neu gewählter Professor für moderne und zeitgenössische Kunst an der Universität
Zürich. Differenzen gehören zur Dynamik der Forschung. Mit der Gegenüberstellung soll die
Diskussion zum Thema eröffnet, jedoch nicht abgeschlossen werden.

Lieber Philip Ursprung


In medias res, gleichwohl mit kleinem Präludium: An den Schweizer Kunsthochschulen wird
derzeit die Frage diskutiert, ob und wie KünstlerInnen forschen können. Auslöser dafür ist ein
Auftrag des BBT (Bundesamt für Berufsbildung und Technologie) an die Fachhochschulen, eine
eigenständige Forschung neben den Universitäten aufzubauen. Für manchen ist das eine politische
Fragestellung, aber mich interessiert die epistemologische Chance, die hier gegeben wird. Ich bin
davon überzeugt, dass man in den Künsten forschen kann, ja, es im Grunde in vielen Fällen schon
längst tut. Und ich bin mir sicher, dass damit - ich nenne es «Kunst als Forschung» - überdies eine
Alternative und Ergänzung zur wissenschaftlichen Erkenntnisproduktion gegeben wird. Dies aus
folgendem Grund: Die Wissenschaften formulieren ihre Ergebnisse in einer sehr kodifizierten
Sprache. Wenn man davon ausgeht, dass die Beschränkung der Form auch eine Beschränkung der
darstellbaren Inhalte nach sich zieht, so sollten umgekehrt die vielfältigen künstlerischen Formen
auch jene Dinge der Welt darstellen können, die sich im wissenschaftlichen Begriffsapparat nicht
adäquat beschreiben lassen. Ich bin der Meinung, dass beispielsweise die Naturwissenschaften
schon allein durch die Darstellungsform ihrer Naturerklärung immer nur einen beschränkten und
einseitigen Blick auf die Natur erreichen können und dass eine formale Öffnung im Sinne einer
«Kunst als Forschung» hier einen wichtigen Ausweg bietet. Damit dieses Projekt ins Rollen
kommt, braucht es sicher eine definitorische Grundlagenarbeit, aber gleichzeitig tun ein paar
Regeln des Handelns Not, mit denen die KünstlerInnen schon jetzt zu forschen beginnen können.
Ich habe dazu mal zehn erste Bedingungen formuliert, die ich erfüllt haben wollte, bevor
ich bei einem Kunstwerk von Forschung spreche.

2 von 4 22.2.2009 1:07 Uhr


Mise en Place Department » talking drama http://hotelgridiron.org/category/talking-drama/

§ 1 Eine «Kunst als Forschung» setzt ein Erkenntnisinteresse voraus.


§ 2 Das Erkenntnisinteresse wird offen gelegt.
§ 3 Das Wissen formuliert sich in den jeweiligen künstlerischen Darstellungsformen.
§ 4 Quer zur Organisation nach Darstellungsformen tritt die Gruppierung nach Themen.
§ 5 Forschung ist eine Unternehmung von vielen.
§ 6 Die Evaluation von Forschungsergebnissen geschieht durch Fachleute.
§ 7 Die Forschungsergebnisse werden der Allgemeinheit durch Veröffentlichung zugänglich
gemacht.
§ 8 Für die Verhandlung der Forschungsergebnisse besteht eine Einigung über die
Qualitätskriterien.
§ 9 Eine Kunst als Forschung berücksichtigt den «State of the Art».
§ 10 Eine Kunst als Forschung spielt der wissenschaftlichen Forschung ihre Antworten als Fragen
zurück.

Was halten Sie davon? Sollte man schieben? Sollte man ergänzen, sollte man streichen?
Ihr Florian Dombois

Lieber Florian Dombois


Vielen Dank für Ihre zehn Thesen zum Thema «Kunst als Forschung». Ich habe Mühe mit
abstrakten Definitionen und möchte Ihnen deshalb mit ein paar konkreteren Beschreibungen
antworten. Die Formulierung «Kunst als Forschung» führt meiner Ansicht nach in die Irre. Ich
ziehe «künstlerische Forschung» vor. «Kunst als Forschung» setzt nämlich voraus, dass wir
wissen, was Kunst und was Forschung sind, und impliziert, dass es Instanzen gibt, die qua ihres
Amts darüber entscheiden können - vielleicht die von Ihnen erwähnten «Fachleute» von Paragraph
sechs. «Kunst als Forschung» setzt ausserdem voraus, dass Kunst verschiedene Gesichter oder
Funktionen annehmen kann, wie beispielsweise eine Schauspielerin
verschiedene Rollen spielen kann. Einmal tritt die Kunst auf als «Forschung», dann als
«Geschäft»,
schliesslich als «Heilsversprechen» etc. Niemand würde von «Physik als Forschung» oder
«Naturwissenschaft als Forschung» sprechen. Wir sprechen von «wissenschaftlicher Forschung»
oder «Forschung in der Physik». Kunst ist nicht Physik. Aber ich bin dagegen, sie als absolute
Kategorie von den anderen Bereichen der menschlichen Tätigkeiten abzugrenzen. Die
Formulierung «Kunst als Forschung» zeugt von der Idee, dass Kunst sich mit anderen Disziplinen
des Wissens nicht vergleichen lasse und ihre Praktiken deshalb a priori aussergewöhnlich seien.
An der deutschen Sprache klebt nach wie vor viel metaphysischer Ballast und das Wörtchen «als»
gehört zu den hartnäckigen Bindemitteln. Deshalb spreche ich von «künstlerischer
Forschung». Das Wichtigste am Prozess der Forschung ist, dass dieser Prozess nachvollziehbar ist.
Egal ob es sich um die Fragestellungen der Kunsthistoriker, die Experimente der Biologen oder
die Recherchen einer Gruppe von Architekten oder einzelner Künstler handelt. Wenn wir dieses
Vorgehen als Forschung bezeichnen wollen, so ist es unerlässlich, dass auch andere die einzelnen
Schritte der Forschung nachvollziehen, überprüfen, ja wiederholen können. Deshalb braucht es in
einem wissenschaftlichen Text Fussnoten, die auf die Forschungen von anderen verweisen.
Deshalb braucht es Messergebnisse im Rahmen eines Experiments. Deshalb müssen die einzelnen
Etappen innerhalb eines städtebaulichen Entwurfs oder einer Videoinstallation dokumentiert sein -
auch die Skizzen, die verworfen wurden. Um diese Prozesse nachvollziehbar zu machen, bedarf es
der Sprache. Ohne Sprache, und seien es ganz kurze Erläuterungen, bleibt der Prozess, gerade
auch wenn es sich um eine künstlerische Recherche handelt, undeutlich kommunizierbar. Ihre
Forderung in Paragraph drei, dass das Wissen sich «in den jeweiligen künstlerischen
Darstellungsformen formuliert», greift deshalb zu kurz. Ein Medienwechsel hin zur Sprache ist

3 von 4 22.2.2009 1:07 Uhr


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nötig - das gilt ja auch für Biologen oder Neurologen, die ihre Ergebnisse nicht nur in Tabellen
und Bildern, sondern auch mittels der Sprache veröffentlichen. Ein weisses Pünktchen auf
schwarzem Grund mag der´Beweis sein, dass ein neuer Planet enteckt wurde. Ohne Kommentar
versteht dies kein Mensch. Erst dann, erst wenn Sprache ins Spiel kommt, wird daraus eine
«Unternehmung von vielen», wie Sie in Paragraph fünf schreiben. Zu der Überprüfbarkeit von
Forschung gehört natürlich auch die Bewertung. Ich gehe mit Ihnen einig, dass die Qualität eine
zentrale Frage ist. Nur klingt die «Einigung über die Qualitätskriterien», die Sie in Paragraph acht
beschreiben, wie etwas Statisches und nicht wie ein dynamischer Prozess. Die Kriterien für
Qualität sind
zeitabhängig, das sollte man vielleicht noch betonen. Ich bin ganz einverstanden, dass der «State
of the Art» berücksichtigt sein soll, wie sie in Paragraph neun schreiben. Das Rad der Zeit können
auch Künstler nicht zurückdrehen. In Paragraph zehn schreiben Sie: «Die Kunst als Forschung
spielt der wissenschaftlichen Forschung ihre Fragen als Antworten zurück.» Das halte ich für
Unsinn. Denn es setzt voraus, dass die Kunst ein Gegenspieler der Wissenschaft sei. Ich weiss
ebenso wenig, was «die» Wissenschaft ist wie was «die» Kunst ist. Und warum die Künstler sich
spiegelverkehrt mit den Fragen der Wissenschaftler auseinander setzen sollten, ist mir schleierhaft.
Ich kenne eine Handvoll Künstler, die sich ausdrücklich mit naturwissenschaftlichen Themen
auseinander setzen (der erfolgreichste ist zurzeit Olafur Eliasson). Und jeder weiss, dass Albert
Einstein ausgezeichnet Violine spielte. Aber die Vorstellung, dass überhaupt jemand
die Antworten auf die Fragen der Wissenschaft in der Hinterhand bereithalten sollte, ist meiner
Ansicht nach ebenso unhaltbar wie die Ansicht, dass nur Wissenschaft «exakt» vorgehe und klare
Fragen habe. Künstlerische, architektonische, biologische, physikalische oder kunsthistorische
Forschung kostet Zeit und Geld. Es geht darum, den Instanzen, welche dieses Geld verwalten, klar
zu machen, was wir herausfinden möchten, warum wir dies tun möchten und wie lange wir dafür
benötigen. Forschung kann darin bestehen, herauszufinden, wie Geldpolitik funktioniert, um
daraus ein Kunstwerk zu entwickeln, das Funktionieren von Vororten zu verstehen, um daraus
einen Masterplan zu entwickeln, eine seltene Käferart zu suchen, ein
Elementarteilchen zu finden oder den intellektuellen Kontext einer Künstlergruppe zu ergründen.
Von einem gewöhnlichen Auftrag unterscheidet sich dieses Prozedere vor allem dadurch, dass die
Auftraggeber ein höheres Risiko eingehen. Sie wissen nicht, welches Produkt sie erhalten werden.
Aber im Gegenzug haben sie die Chance, dass das Ergebnis unser Bild von der Welt und damit
unsere Wertskala verändern wird.
Ihr Philip Ursprung

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4 von 4 22.2.2009 1:07 Uhr

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