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Unter Krahnenbäumen 87
50668 Köln
Richard Brenner
Großfach Musik mit Schwerpunkt IP
Matr.-nr.: 106300
Hochschulsemester: 4
WS 2016/17
Gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass man anhand der Formelkomposition -
technik welche ja einen immensen werklichen Anteil des Schaffens Stockhausens
mitbestimmt- im Umkehrschluß einen guten Eindruck davon erhalten kann, welche
Persönlichkeit sich hinter einer solchen Arbeits- und Denkweise verbirgt.
Die einzig
1
Was ist Formelkomposition?
2
auf die - seiner Meinung nach unzulänglichen und instabilen- Interpretation der
intuitiven Musik seiner Mitmusiker zurückzuführen ist.
Von Stockhausen war dieser Wandel allerdings keineswegs als Rückbezug in rein
konstruktive und rational- bestimmte Arbeitsweisen intendiert. Vielmehr eiferte er
einer idealisierten Synthese aus Intuition und System nach. Dergestalt, dass schließlich
„auch ganze Systeme und System- Vorgänge...intuitiv gestaltet werden“ (S.91) (S.57)
(s.58)......
Wenn man sehr weit geht, könnte man auch einen Bezug zwischen der
Formelkomposition (in welcher sowohl zeitliche Aspekte als auch Klang bzw.
Klangfolgen unterschiedliche Manifestationen in verschiedenen Größenordnung der
selben Grundsubstanzs sind) und der von Stockhausen vielfach ausgeführten
Gedanken zur Einheit der musikalischen Zeit herstellen. Der Idee, dass Klang und
Rhythmus unterschiedliche Wahrnehmungen von Schwingungen sind, welche auf
verschiedenen Geschwindigkeiten basierenden.
MANTRA ist ein Stück für 2 Musiker, welche jeweils einen Flügel mit
angeschlossener und selbst zu bedienender Ringmodulation, einen mokusho
(traditionelles Perkussions- instrument aus dem Kulturkreis des Zen- buddhismus,
ähnlich dem woodblock) sowie ein Set von 12 auf einem Brett angebrachten und die
12 Töne der chromatischen Tonleiter abbildenden cymbales antiques bespielen.
Grundsätzlich kann aber das Klavier – in diesem Fall klanglich durch die
Ringmodulation erweitert- als Hauptinstrument angesehen werden.
Das gesamte Stück besteht aus 13 Zyklen und dauert etwas länger als eine Stunde.
Für einige Leute ist MANTRA ein Meisterwerk welches in seiner Qualität und
Integrität auf einer Ebene mit Stücken wie z.B. den Goldbergvariationen von Bach
einzugliedern ist.
Entstehung
Laut Aussage des Komponisten fiel ihm die Kernformel für MANTRA als auch die
Grundkonzeption des Stückes (und somit auch der Formelkomposition) bereits viele
Jahre vor der eigentlichen Komposition des Stückes im Jahre 1970 ein. Die spontane
Eingebung der MANTRA- Formel ereilte Stockhausen während einer Autofahrt in
Amerika woraufhin er sie nach einigen Durchgängen und Modifikationen im Kopf auf
einer Serviette notierte.
Die Gesamtgestalt stellte sich für ihn - einer Vision gleich- als ein „system of stars“
dar, in welcher jeder Planet/ Sonne als Formel (Basisgestalt) begriffen werden kann.
Um jede Sonne sind 12 weitere Planeten angeordnet um die ihrerseits wieder 12
weitere Sternenkörper angeordnet sind, usw. Dieses Verhältniss von 12+1 =13 findet
sich genau so in der formalen Struktur von MANTRA wieder. Noch bestimmender
allerdings ist die in dieser Vision enthaltene Idee der mannigfaltigen ( vielleicht ja
sogar unendlichen) Materialisierung einer Grundstruktur in allen denkbaren zeitlichen
sowie räumlichen Dimensionen.
Er griff die Beschäftigung mit dieser Idee (vorher noch als VISION betitelt) im Jahre
3
1970 wieder auf während er sich aufgrund der täglichen Aufführung seiner intuitiven
Musik auf der zu der Zeit stattfindenden Weltausstellung in Osaka, Japan aufhielt. Der
gesamte Formplan und das grobe Skelett entstanden zwischem dem 01.05.-
20.06.1970 noch in Osaka. Die Partitur folgte darauf in seinem Domizil in Kürten
zwischem dem 10.07. - 18.08.1970 bevor MANTRA schließlich am
am 18.10.1970 bei den Donaueschinger Musiktagen von den Brüdern Alfons und
Aloys Kontarsky uraufgeführt wurde.
Folgende Ausschnitte aus der von Stockhausen selbst entworfenen Programmbeilage
zur Uraufführung geben einen Eindruck in welchem gedanklichen, philosophischen
und spirituellen Ideenkontext Stockhausen MANTRA komponierte. Der Text besteht
im wesentlichen aus Stockhausens Übersetzungen aus dem Buch 'Sri Aurobindo or the
adventure of consciousness' (Satprem) :
„Es gibt in Indien ein geheimes Wissen, das auf dem Studium der Töne und der
unterschiedlichen Schwingungsformen beruht und sie in Entsprechung zu den
Bewußtseinsebenen setzt.... Da jedes unserer Bewußtseinszentren in direkter
Verbindung zu einer solchen Ebende steht, kann man also durch die Wiederholung
bestimmter Töne Zugang zu der entsprechenden Bewußtseinsebene finden …..die
grundlegenden oder wesentlichen Tonformeln, die eine solche Verbindung herzustellen
vermögen, heißen MANTRA. …..In diesem Licht können Poesie und Musik, die eine
unbewusste Handhabung geheimer Schwingungen sind, als starke Mittel zur
Erschließung des Bewußtseins angesehen werden.... Mantras, oder große Poesie,
große Musik, das heilige Wort- sie alle kommen aus dem Überbewußten..“
Zu MANTRA selbst erklärt er in seinen TEXTEN:
„ Es gibt nichts anderes als ständige Reihungen dieses 'Mantra' und Überlagerungen
mit sich selbst....Das 'Mantra' wird nicht variiert; es wird nicht ein einziger Ton
hinzugefügt, es wird nichts 'begleitet', ausgeschmückt usw. Das 'Mantra' bleibt immer
es selbst und zeigt sich in seiner Zwölffaltigkeit mit seinen 13 Charakteren.“
Und desweiteren:
„Die einheitliche Konstruktion von MANTRA ist eine musikalische Miniatur der
einheitlichen Makro- Struktur des Kosmos, und sie ist ebenso eine Vergrößerung ins
akustische Zeitfeld der einheitlichen Mikro- Struktur der harmonischen Schwingungen
im Ton selber.“
Ein weiterer Hinweis auf eine Verbindung der Formelkomposition mit der Idee des
'omnia ex uno'; bzw. in seiner speziellen Betrachtung der 'Einheit der musikalischen
Zeit'.
die Formel
4
Möglicherweise ist dieses Merkmal auch auf die Verknüpfung mit dem Beginn der
Formelkomposition in MANTRA zu erklären. Einerseits besteht ein Mantra im
traditionell- kulturellen Sinne aus einer Laut- und Ton- folge welche zum Zwecke der
Meditation im eigenen Geist oder eben auch oral wiedergegeben wird, der also auch
natürlicherweise eine grundsätzliche Sanglichkeit innewohnt.
Andererseits wäre ein als 'unmelodisch' empfundenes Segment auch nicht dafür
geeignet dessen vielfältige Mutationen innerhalb der Gesamtkomposition
nachzuvollziehen. Es braucht eben diese kurzen melodischen Charakteristika, damit
der Hörer diese in bewegten und möglicherweise vielstimmigen Passagen der
Komposition wiederentdecken kann und somit gleichsam eine Chance hat dem
formalen Ablauf des Stückes zu folgen. (siehe Conen S.58)
Bei Stockhausen wird die Formel selbst durch Pausen in eine kleine Anzahl von
Gliedern (bzw. Phrasen) unterteilt. Hierbei wird die Anzahl von 5 Formel- gliedern nur
einmal über- (HARLEKIN) und einmal unterschritt (MANTRA).
Die Formel ist vielschichtiger Merkmalsträger, ein multi- parametrisches
Proportionsgefüge, welches eine flexible Anzahl von musikalischen Parameter
vorordnet. Obligat sind bei Stockhausen hierbei allerdings Tonhöhe, Dynamik und
Artikulation.
Vergleicht man dies mit den Parametern welche im klassischen Sinne dem Serialismus
zugrundeliegen (Tönhöhen, Rhythmen, siehe: Messiaen: ….), zu welchem
Stockhausen ja durch seine Unterrichtsjahre bei Messiaen bezug hatte, erkennt man,
dass er den Grundgedanken auf weitere Parameter erweitert.
Zahlenverhältnisse und/oder Proportionen werden zum Beispiel aus den
unterschiedlichen Tonhöhen, Anzahl von Tönen, Pausenlängen, Rhythmen oder der
Dynamik abgelesen und für die formale Strukturierung verwendet. Die Proportionen
der Formel selbst sind häufig bereits durch die ersten Zahlen der arithmetischen Reihe
oder der Fibonacci- Reihe organisiert.
Bei MANTRA beispielsweise erklärt Stockhausen, habe er die Formel solange im
Kopf modifiziert bis er alle 12 Tonstufen des temperierten Systems verwendet hatte.
Also bereits bei
Essentiell für das Verständniß von Formelkomposition ist, dass die Formel die
Tatsache in sich vereint materieller Grundbaustein,Träger der zu realisierenden
Potenzen seiner Transformation sowie gleichzeitig dessen Verarbeitung zu
konstituieren.
Ähnlich wie das menschliche Genom selbst Teil des menschlichen Organismus als
auch Träger dessen Bauplan ist, stellt die Formel sich als Ursprung und Keimzelle der
Formelkomposition dar.
MANTRA- Formel
Die Kernformel von MANTRA besteht aus 13 Tönen. Wie bereits angedeutet
erklingen alle 12 chromatische Töne nach welchen die Wiederholung des ersten Tons
(a) die Formel beschließt.
Der Ambitus der Kernformel vom 'originalen Grundton a erstreckt sich vom 'kleinen
ges' bis hin zum 'eingestrichenen gis' und ergibt somit eine große None (übermäßige
Prim).
Die Formel ist in 4 durch Pausen getrennte Glieder unterteilt. „Von den 13 Tönen hat
jeder eine verschieden Charakteristik, die je für einen großen Zyklus des Werkes
maßgebend wird: 1.regelmäßige Repetition; 2. Ausschwingakzent; 3. 'normaler Ton' ;
4. schnelle Vorschlagsgruppe; 5. Tremolo; 6. Akkord; 7. Einschwingakzent; 8.
'chromatische' Verbindung; 9. Staccato; 10. unregelmäßige Repetition; 11. Triller; 12.
5
Sforzato- Einschwing- vorgang; 13. Arpeggio- Verbindung. Zum 'Mantra' in der
Oberstimme wird gleichzeitig seine Spiegelung in der Unterstimme gespielt; dabei
sind die vier Glieder vertauscht“ (Texte S.154)
Desweiteren sind den 13 Tönen spezifische Dynamiken von pianissimo bis fortissimo
zugeordnet. Betrachtet man dies in Kombination mit der Anordnung der einzelnen
Tondauern stellt man fest, dass hier ein weiteres serielles Reihungsprinzip greift.
Tondauern kommen in Ausprägungen von einer 64tel- Note bis hin zu einer
'punktierten Ganzen'.
Dauern und Lautstärke sind gegenläufig miteinander verknüpft: Umso kürzer ein Ton,
umso lauter erklingt er. Dementsprechend ist ein Ton umso leiser, umso länger er ist.
Eine weitere proportionale Verknüpfung zwischenn den Längen der Pausen mit den
Längen der einzelnen Glieder sei von mir an dieser Stelle nur erwähnt.
Die seriellen Abstufungen und Reihungen welche sich auf den 13 Tönen des 'Mantra'
anordnen verursachen eine maximale Vielfältigkeit. Ein Vielfältigkeit dergestalt, dass
keine Stelle des 'Mantra' einer Anderen gleicht. ( Sowie es auch in der gesamten
Komposition nie ein zweites Mal in der gleichen Gestalt erscheint)
Dies steigert den Wiedererkennungswert eines spezifischen Formel- abschnitts
erheblich. Hier sticht beispielsweise das erste Glied mit seinem zentralen und
markanten großen Intervallsprung nach oben – in der Formel von 'klein h' bis zum
'eingestrichenen gis' - besonders hervor, was dem Hörer ermöglicht die Einsätze der
Formel nachzuvollziehen.
Diese Varietät der Keimzelle stellt laut Stockhausens eigener Aussage eine
grundsätzliche Notwendigkeit dafür dar, damit eine große, vollkommen daraus-
resultierende Komposition abwechslungsreich genug würde. Die gewünschte
Vielfältigkeit von MANTRA wurde von Stockhausen also bereits als Umkehrschluß
einer von seiner langjähriger Kompositionspraxis getragenen Erfahrung als Notwendig
erkannt und in der Ausgangsgestalt angelegt.
Transformation
Transformation (lat. transformatio, von transformare für umformen) ist ein Begriff,
welcher im Verbund mit dem Begriff Projektion von Stockhausen für spezifische
kompositorische Prozeße innerhalb der Formelkompositionstechnik verwendet
wurden.
Grundsätzlich stellen die in der Formel abgebildeten Werte innerhalb ihrer eigenen
Verhältnisse eine Mittel- oder Ausgangslage dar. Man kann sie also als 0- Ebene
definieren. (S.55)
Diese wird durch die Transformation unter Wahrung ihrer Proportionen in das gesamte
Medium entfaltet. Im weitesten Zusammenhang kann unter Medium der gesamte
vielschichtige 'Raum' der Komposition angesehen werden. Also z.B. Tonraum,
Zeit/Rhythmus, Form, Schwingungen, Raum der Aufführung, etc.
Von dieser 0- Ebene ausgehend erfolgen die verschiedenen Transformationsprozesse.
Zum einen beinhaltet es die Transposition der Formel mithilfe einer aus ihr selbst
abgeleiteten Lagenform . Auf der anderen Seite wird mithilfe von Skalen wachsender
Schrittgröße die Formel in ihrem Ambitus gespreizt. Transformation kann auch
bedeuten, dass die Formel nicht nur im Sinne von Vergrößerung verzerrt, sondern auch
in sich verkleinert, gestaucht wird oder sogar Dekomposition mittels der
Neutralisierung einzelner oder mehrerer Parameter (zB. Tonhöhe) ist möglich. Für
beide Verfahren ist MANTRA ein exemplarisches Werk wie wir später noch sehen
werden.
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Die Transformation in MANTRA
die 12 Skalen
Die 12 Urformen
1) Progressive Spreizung der Intervalle durch Projektion (des 'Mantra') auf die
Skala
2) permutatorische Vertauschung der Rhyhthmus- glieder der Oberstimme
3) permutatorische Vertauschung von Tonhöhen- und Rhythmus- gliedern
4) permutatorische Vertauschung der 4 Pausendauern
Ringmodulation
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Eine etwas exotischere Form der Transformation findet sich in MANTRA im Einsatz
von sogenannten Ringmodulatoren wieder.
In MANTRA wird der Klang der Flügel mithilfe von Mikrophonen abgenommen und
direkt in den jeweiligen Ringmodulator zur Linken des Pianisten eingespeist. In
diesem wird der Klang mittels eines integrierten Sinusgenerators dergestalt moduliert,
dass aus dem Ausgang des Geräts ein Gemisch aus Summen- und Differenz-tönen
entnommen werden kann, welches wiederum über auf der Bühne positionierte
Lautsprecher wiedergegeben wird. Der der Modulation zugrundeliegende Sinuston
kann vom Pianisten am Gerät eingestellt werden. Im Zuschauerraum erklingt dann der
akustische Klavierklang (sollte etwas lauter sein) angereichert durch einen Anteil
ringmodulierten Eigenklangs.
Dies hat äußerst vielschichtige klangliche Auswirkungen und Verzerrungen zur Folge.
Dass der resultierende Klang im Allgemeinen als musikalisch angenehm und
interessant aufgefasst wird hat wohl mit der Tatsache zu tun, dass das gesamte
Obertonspektrum des Klaviertons mitmoduliert wird. Somit entsteht ein äußert stark
angefüllter oberer Frequenzbereich; ein Effekt der beispielsweise auch durch die -
eigentlich unwillentlich- hinzukommenden Frequenzen bei einer Röhrenverstärkung
zu preferierten akustischen Ergebnissen führt.
Conen erläutert die besondere klangliche Natur von MANTRA folgendermaßen:
„Ästhetisch eindrucksvoller macht sich jedoch im Hören der Umstand bemerkbar,
dass MANTRA...auf zwei verschiedenen Ebenen abläuft: zum anderen liefern die
durch Ringmodulatoren entstandenen Modulationsklänge, die keinem herkömmlichen
Tonsystem gehorchen.“
Man könnte also bei MANTRA möglicherweise besser statt von einem vollkommen
eigenständigen Tonsystem zu sprechen, es eher als eine Art Meta-system aufzufassen,
welches das Tonsystem durchgehen verändert und durch es wiederum selbst verändert
wird. Ein „neues System harmonischer Beziehungen“ in welchem der Sinuston als
Gravitätszentrum laut Conen gewissermaßen „tonalitätsstiften wirkt“
Stockhausen selbst charakterisiert dies folgendermaßen: (156)
„..je nach Intervallentfernung der … 'Mantra'- Töne von diesem 'Spielgelton' der
Ringmodulation klingt der modulierte Klang mehr oder weniger 'dissonant' und im
Spektrum klavierunähnlich (kleine Sekunden bzw. kleine Nonen und große Septimen
erzeugen die 'dissonantesten' Modulatorklänge, Oktave und Quinte die
'konsonantesten'). Dadurch spürt man ein ständiges harmonisches 'Atmen' von
konsonanten zu dissonanten zu konsonanten Modulatorklängen durch die genau
abgestimmten Verhältnisse zwischen den modulierenden Sinustönen und den
modulierten Klaviertöne.“
Der Einsatz der Ringmodulation in MANTRA bildet Transformation auf zwei
verschiedenen Ebenen ab:
Zum einen wird pro Zyklus der Ringmodulator jeweils auf einen der Töne in der
entsprechenden Reihenfolge des 'Mantra' eingestellt, wodurch sich der Durchgang im
13. Zyklus wieder mit dem Grundton beschließt. Pianist 1 orientiert sich hierbei an der
'Kernformel' und Pianist 2 verwendet hierfür die Töne der Unterstimme des 'Mantra'.
Man erhält also eine Transformation des 'Mantra', welche sich in der größten zeitlichen
Dimension darstellt ( auch Projektion genannt).
Zusätzlich lässt sich aus der Betrachtung der Frequenzkurven des Summen- und
Differenz- signals einer beliebigen Intervallfolge jeweils eine zusätzliche Stauchung
und Spreizung derer Ablesen.
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Transformation in die 7- Zeitoktaven
Ähnlich wie die Transformation mittels Skalen in MANTRA eine Entfaltung in das
Medium der Tonhöhen darstellt, erfolgt die Transformation in zeitlicher Dimension
mittels des Verhältnisses 2:1.
Auf diese Weise erhält Stockhausen durch die zeitliche Stauchung und Dehnung für
die Komposition von MANTRA insgesamt 7 Zeitoktaven. Ausgehend von der
ungefähren Dauer der Formel (53 Sekunden) erhält man somit folgende Zeiteinheiten
(von kurz nach lang in Sekunden):
3,5 / 7 / 14/ 27/ 53/ 106/ 212
Projektion
Omnia ex uno
MANTRA besteht aus 13 Zyklen. Jedem Zyklus liegt als 'Grundton' auf welchem alle
'Mantren' bzw. Urformen des Zyklus zentriert sind einer der 13 Haupttöne der
Kernformel zugrunde.
Natürlich auch in der entsprechenden Reihenfolge, d.h. der erste Zyklus steht auf
'kleinem a', der zweite auf dem 'kleinen h', usw.
Wie schon bereits bei der Ringmodulation angesprochen stellen in gleicher zeitlichen
Dimensionierung auch die von den Pianisten pro Zyklus eingestellten Sinustöne eine
Makro- projektion der 'Mantra' dar. Hier wird diese sogar in seiner Zweistimmigkeit
auf die Pianisten verteilt (s.o.).
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Ebenfalls die Kernformel und ihre zweite Stimme wird über das Spiel der cybales
antiques in MANTRA projeziert. Hierbei allerdings nicht gleichzeitig sodass sich
zuerst die Kernformel über die erste Hälfte von MANTRA erstreckt woraufhin die
Umkehrung in der zweiten Hälfte erklingt.
Die zweite Art der Projektion als Ableitung der 'Mantra'- Tonhöhen – welche zur
Konstruktion der sog. Dehnungsformen benutzt wird- ist die Übersetzung der
Intervallabfolge in eine Zahlenfolge (von 1-12) in welcher sich der Abstand zum
Grundton als Anzahl an chromatischen Tönen ablesen lässt. Die ersten Intervallschritt
des 'Mantra' ('klein a' zu 'klein h' zu 'eingestrichenem gis') lässt sich also auch als
Zahlenkombination 1, 3, 12 darstellen.
Diese Zahlenabfolge dient nun auf zweierlei Ebenen zur Konstruktion der
Dehnungsformen welche innerhalb der 13 Zyklen das formale Kompositons- skelett
bilden und in welche nun dementsprechend die 12 Urformen des 'Mantra' als
Grundbausteine eingefügt werden.
Schematisch können die Dehnungsformen folgendermaßen dargestellt werden:
Auf der größeren der beiden Ebenen wird der abgeleiteten Zahlenkombination
entsprechend nun pro Zyklus eine Urform und einer der Charaktere dominant.
Auf der kleineren Ebene in jedem der 13 Zyklen jetzt ein kompletter Satz an Urformen
und Charakteren nach der gleichen Zahlenkombination, also den Haupttönen des
'Mantra' geordnet.
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