Sie sind auf Seite 1von 4

“Neue Rechte” “Neue Rechte”

Vom Antifaschistischen AutorInnenkollektiv Wir verstehen im weiteren unter der “Neuen Rechten”
eine Strömung in der extremen Rechten, die sich Ende der

Die “Neue Rechte” 1960er Jahre insbesondere in Abgrenzung zur NS-Orien-


tierung der NPD herausbildete. Ihr Ziel: Neue Wege des
politischen Einflusses bahnen, die jenseits der Orientie-
Modernisierer der extremen Rechten? rung auf einen unmittelbaren Wahlerfolg liegen, wie dies
bei der NPD zu jener Zeit der Fall war.

Die Wochenzeitung “Junge Freiheit” verteidigt sich Aus der Not eine Tugend machen –
gegen den Verfassungsschutz NRW, der sie als Teil einer Entstehungsbedingugen der “Neuen Rechten”
“Neuen Rechten” führt, mit der Behauptung, es gäbe gar
keine “Neue Rechte” in Deutschand. Richtig ist, dass Die extreme Rechte in Deutschland hatte Ende der
kaum eine Bezeichnung für einen Bereich der extremen 1960er Jahre drei Herausforderungen zu bewältigen:
Rechten so uneinheitlich und dennoch häufig benutzt
wird, wie jene der “Neuen Rechten”. Einige Autoren spre- 1. Die “extreme Rechte” musste 1969 nach dem knapp
chen von einer “Neuen Rechten”, wenn sie über die verfehlten Einzug der NPD in den Bundestag neue
gesamte extreme Rechte nach 1945 schreiben. Andere nur Strategien entwickeln, um gesellschaftlichen Einfluss
dann von einer “Neuen Rechten”, wenn sie sich jenem zu gewinnen.
Bereich zuwenden, in dem sich die extreme Rechte und 2. Die “extreme Rechte” musste eine Antwort auf die
Konservatismus überschneiden. Wieder andere bezeich- “Neue Linke” der außerparlamentarischen Oppositi-
nen jenen Teil der extremen Rechten, der sich von Hitler on und den von ihr getragenen neuen Politikformen
und dem NS distanziert als “Neue Rechte”. Letztlich spre- der so genannten Neuen Sozialen Bewegungen (bei-
chen einigen Autoren auch dann von einer “Neuen Rech- spielsweise: Frieden, Antiimperialismus, Feminis-
ten”, wenn Personen der extrem Rechten dazu in der Lage mus, Ökologie) finden, wollte sie sich nicht vollends
sind, ihren Rassismus, Nationalismus und elitären Dünkel ins gesellschaftliche Abseits drängen lassen.
intellektuell zu bemänteln, gleich, welche konkreten rech-
ten Inhalte sie propagieren.

60  Lotta Nr.20 | Sommer 2005 


“Neue Rechte” “Neue Rechte”

Henning Eichberg denkbar. Eine initiierende Rolle spiel-


te Arthur Ehrhardt. Als ehemaliger SS-Sturmbannführer
und seit 1951 Herausgeber der extrem rechten Zeitschrift
“Nation Europa” verfügte er über beste internationale
Kontakte. Ehrhardt schickte Eichberg 1966 auf ein Treffen
militanter Jungfaschisten in Frankreich, auf dem Eichberg,
Alain de Benoist und andere Aktivisten einer intellektuel-
len und gleichwohl militanten extremen Rechten in Frank-
reich kennenlernte. Armin Mohler, insbesondere aus sei-
ner Position als Geschäftsführer der “Carl-Friedrich Sie-
mens Stiftung” (1964-1985) gehörte zu den frühen Förde-
rern Benoist. Benoist selbst griff bei der Entwicklung sei-
ner Positionen stark auf eine extrem rechte Strömung in
der Weimarer Republik zurück, die Armin Mohler als
“Konservative Revolution” bezeichnete und die vielfach
nicht im Widerspruch, sondern in Konkurrenz zum NS-
Faschismus stand. Personen, wie Carl Schmitt, Arthur
Moeller van den Bruck und Oswald Spengler, die zu
den ideologischen Wegbereitern des Faschmismus in
Deutschland gehörten, wurden über die französische
“Nouvelle Droit / Nouvelle École” in die deutsche “Neue
Rechte” quasi reimportiert.

Strategien beim Kampf um die Köpfe

Wesentlicher Ansatzpunkt “Neurechter” Ideologiever-


mittlung ist der Versuch, das Alltagsdenken, die gewöhn-
lichen und damit zumeist unreflektierten Denkweisen von
Menschen in ihrem Sinne zu bestimmen. Theorien des von
den Faschisten ermordeten, italienischen Marxisten Anto-
nio Gramsci dienen der “Neuen Rechten” dabei perver-
3. Die “extreme Rechte” musste ihre Politikinhalte in serweise als Vorbild. Gramsci empfahl der Linken, ange-
einer Form präsentieren lernen, mit der sie propa- sichts der Niederlage gegen den italienischen Faschismus
gandistisch aus dem Schatten des Nationalsozialis- im vorpolitischen Raum zu agieren, um eine Grundlage
mus treten konnte. für emanzipatorisches Denken zu initieren. Er nannte die-
se Strategie “Metapolitik”. Eben diese Metapolitik propa-
Diese Bedingungen waren der Geburtshelfer der “Neu- giert und nutzt Benoist und mit ihm die deutsche “Neue
en Rechten”. Auf diese Herausforderungen versuchten Rechte”, um das Bewusstsein von Menschen nach rechts
Netzwerke von Basisgruppen aus NPD-, JN-, burschen- zu drängen.
schaftlichem oder sonstigen Hochschulgruppen der extre- Eine weitere Strategie bestand darin, in die “Neuen
men Rechten (bspw. “Nationaldemokratischer Hochschul- Sozialen Bewegungen” zugehen, um in diesen Bewegun-
bund”) eine Antwort zu geben. gen - also nicht von außen - neurechte Ideologien zu ver-
Mit der “Aktion Neue Rechte” (ANR) firmierte 1972 breiten.
erstmals ein Netzwerk von Aktivisten der “Neuen Rech-
ten” als “Neue Rechte”. Der Begriff “Neue Rechte” stellt Die “Neue Rechte” –
also eine Eigenbezeichnung dar, mit der signalisiert wer- Eine Szene uneinheitlicher Ideologie-
den sollte, dass man sich von einer alten, auf den NS bezo- schmieden in der extremen Rechten
genen Rechten abgrenzt, gleichwohl man im wesentlichen
nur alten Wein in neuen Schläuchen präsentierte. Um die- Von Beginn an zeigten sich innerhalb der “Neuen Rech-
ses propagandistische Ziel sollten Antifaschisten wissen, ten” verschiedene Teilströmungen. Die Bedeutung dieser
wenn sie den Begriff “Neue Rechte” benutzen. Teilströmungen verschob sich im Laufe der Geschichte
der “Neuen Rechten”. Idealtypisch lassen sich folgende
Die “Neue Rechte” – Teilströmungen unterscheiden:
Ein französisch-deutsches Joint Venture
1. Die nationalrevolutionäre Teilströmung
Die “Neue Rechte” in Deutschland ist nicht ohne das Den Entkolonialisierungsprozess im Trikont versuchte
Zusammenspiel der französischen “Nouvelle Droit / Nou- diese Strömung auf Deutschland und Europa zu übertra-
velle École” um Alain de Benoist und deutscher Aktivi- gen, denn selbige seien von den USA und - als diese noch
sten einer rechten Erneuerung wie Armin Mohler und bestand - auch von der Sowjetunion im Zuge des zweiten

 Lotta Nr.20 | Sommer 2005  61


“Neue Rechte” “Neue Rechte”

Extrem rechte Wochenzeitung “Junge Freiheit”

Weltkrieges kolonialisiert worden. Ein “nationaler Sozia- nomie. Ebenso lehnt sie, wie die übrige Extreme Rechte,
lismus”, ein Naturschutz, der den Heimatschutzgedanken individualistisch-libertäre Grundsätze ab. Menschen sind
zur Grundlage hat und ein “organisch”-hierachischer der “Neuen Rechten”, wieder wie der übrigen extremen
Gesellschaftsaufbau sind weitere Ideologieelemente dieser Rechten, grundsätzlich nicht ihren individuellen oder frei
Teilströmung. gewählten kollektiven Interessen verpflichtet, sondern
jenen ihres Volkes, das die “Neue Rechte” als biologisch-
2. Die etatistische Teilströmung kulturell vorgegebene (Zwangs-)Gemeinschaft versteht.
Dreh- und Angelpunkt der Bestrebungen dieser Teilströ- Zwischen diesen völkischen (Zwangs-)Gemeinschaften
mung ist ein starker Staat, dem sich auch die Ökonomie aber auch innerhalb von ihnen propagiert man eine Ideo-
unterzuordnen hat. Die Vertreter dieser Teilströmung logie der Ungleichheit. So wie innerhalb dieser (Zwangs-
kämpfen für eine Ordnung, die es in ihren Augen lohnt )Gemeinschaften Wirtschafts-, Kultur-, Militär- oder Poli-
konserviert zu werden. Ihr projektierter starker, autoritärer tikeliten Entscheidungen treffen, bestimmen Hegemonial-
Staat wird von einer entscheidungsfähigen Funktionselite mächte (bspw. Deutschland ggf. in Kooperation mit
geführt und ist an tradierte Werten gebunden, die eine rigi- Frankreich in Europa) ihren Umraum.
de Ordnung aller menschlichen Beziehungen vorgeben. Als “Neue Rechte” eint diese drei Teilströmungen ihre
Die gegenwärtigen Eigentumsverhältnisse an den Produk- taktische Ausrichtung auf Agitation im vorpolitischen
tionsmitteln spiegeln nach der Ideologie dieser Teilströ- Raum, statt der Orientierung auf die nächste Wahl.
mung diese Ordnung in der Ökonomie wider. Gemeinsam ist ihnen auch das Mittel der politischen
Mimikri. Mimikri bedeutet in diesem Zusammenhang
3. Die nationalliberale Teilströmung zweierlei: Zum einen passt sich die “Neue Rechte” in
Nur zum Teil zur “Neuen Rechten” im o.g. Sinne ist die- ihrem Erscheinungsbild jenen gesellschaftlichen Gruppen
se Teilströmung zu rechnen. Ihr geht es ebenfalls um einen an, die jeweils agitiert werden sollen. Revolutionär und
innen- und außenpolitisch starken Staat, der sich aber jeg- widerständlerisch gab man sich, als man innerhalb der
licher Eingriffe in die Sphäre der Ökonomie enthält. Die “Neuen Sozialen Bewegungen” agitierte. Wissenschaft-
Aufgabe des starken Staates sei es, außenpolitisch – auch lich und staatstragend gibt man sich, wenn man die Nähe
militärisch – und innenpolitisch durch Entkernung des zu den Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik
Sozialstaates sowie ausgeweiteter Sicherheitspolitik die sucht. Diese Mimikri setzt sich in der Präsentation der
Interessen des (nationalen oder europäischen) Kapitals Inhalte fort. Einen offenen Rückgriff auf den Nationalso-
durchzusetzen und zu sichern. zialismus wird man bei ihren offiziellen Verlautbarungen
vergeblich suchen.
Die Teilströmungen der “Neuen Rechten” eint, dass sie
Teil der extremen Rechten sind. Wie alle anderen Organi-
sationen der extremen Rechten sieht sich auch die “Neue
Rechte” in einer Frontstellung gegen jedwede universali-
stische Denkansätze in Religion, Politik, Kultur und Öko-

62  Lotta Nr.20 | Sommer 2005 


“Neue Rechte” “Neue Rechte”

Zeitgeister - auch in NRW die Leserschaft dieser Wochenzeitung.


die “Neuen Rechten” im Wandel Publizistisch steht die “Junge Freiheit” mit einer
wöchentlichen Auflage von ca. 11.000 bis 12.000 Exem-
Waren in den 70er Jahren, also in den frühen Jahren der plaren an der Spitze der “Neuen Rechten”. Die JF war in
“Neuen Rechten” die “Neuen Sozialen Bewegungen” das den 1990er Jahren durch Leserkreise in der Region veran-
dynamische gesellschaftliche Element, so haben in Zeiten kert, so beispielsweise im Münster- und Rheinland. Diese
des Neoliberalismus die Verbände und Organisationen des trugen damit auch zur organisatorischen Formierung der
Kapitals diese Rolle übernommen. Diese Entwicklung “Neuen Rechten” bei. Die zu offensichtliche Überschnei-
schlug und schlägt sich in der “Neuen Rechten” nieder. dung dieser Leserkreise mit Personal des offen neonazisti-
Nach dem Niedergang der “Neuen Sozialen Bewegungen” schen Spektrums führte dazu, dass sich die JF von ihnen
wird von der “Neuen Rechten” nur noch sehr vereinzelt distanzierte und die Leserkreise ihre Aktivitäten einstell-
versucht, sich in diesem Bereich zu verankern. “Think ten. Besondere Bedeutung hat NRW für die JF allein des-
Tanks”, Ideologieschmieden, die publizistisch oder via halb, weil hier unter der rot-grünen Regierung der Verfas-
Politikberatung versuchen ihre Inhalte in Parteien, Ver- sungsschutz NRW sie in seinen Berichten erwähnte und
bänden und in einer breiteren Öffentlichkeit zu verankern, die JF seit Jahren dagegen prozessiert.
sind nun die wesentlichen Ansatzpunkte zur Entwicklung Durch Seminare in der extrem rechten Tagungsstätte
und Umsetzung “neurechter” Ideologie. Entsprechend hat “Collegium Humanum” hat NRW für zwei weitere Orga-
sich die Gewichtung der Teilströmungen der “Neuen nisationen der “Neuen Rechten” eine gewisse Bedeutung.
Rechten” verschoben. Nationalrevolutionäre Ansätze sind Mehrfach traf sich hier die deutsche Sektion der “Syner-
gegenüber etatistischen und nationalliberalen in den Hin- gies Europeenne” (SE) “Synergon Deutschland”. Im
tergrund der “neurechten” Ideologieproduktion getreten. August 2001 richtete man hier gar die europaweite Som-
An der Entwicklung des publizistischen Flaggschiffes der merakademie des SE aus. Die SE stellt eine Abspaltung
“Neuen Rechten”, der “Jungen Freiheit” (JF), ist dies klar von der “neurechten” Strömung um Alain de Benoist dar
zu erkennen. 1993 grenzte sich der herausragende Vertre- und wird vom Belgier Robert Steuckers geführt. Dissenz
ter der nationalrevolutionären Teilströmung, Henning zwischen SE und Benoist besteht vor allem darin, dass der
Eichberg, in einem offenen Brief von der JF ab. Nicht das SE die metapolitische Ausrichtung Benoists missfiel. Sie
Volk, sondern der Staat stünde für die JF im Mittelpunkt setzen auf eine stärkere realpolitische Ausrichtung und
des Politischen. Unter anderem wegen dieser Fixierung agieren europaweit.
auf einen starken Staat, dem nach Carl Schmitt die Ent- Die zweite Organisation, die das “Collegium Huma-
scheidungsgewalt im Ausnahmezustand zufalle, bei dem num” mehrfach als Tagungsstätte nutze, ist die “Deutsch-
also die letztendliche Macht liegt, distanziert sich Eich- Europäische Studiengesellschaft” (DESG). 1972 gegrün-
berg von der JF. Für Eichberg stellen die Macher der JF det ist diese in Straehlen ansässige Orga-
eine “junge alte Rechte” dar und keine “Neue Rechte”. nisation eine der ältesten “neurechten”
Tatsächlich war, spätestens seit 1989, für die nationalrevo- Organisationen in Deutschland. Die
lutionäre Teilströmung der “Neuen Rechten” die Zeit DESG zeichnet aus, dass sie mit ihrer
abgelaufen und die Ausrichtung der JF auf die etatistische ehemaligen Publikation “Junges Forum”
Teilströmung nur eine notwendige Folge, wollte man sich “neurechte” Ansätze einem breiten
nicht ins gesellschaftliche Abseits begeben. Einher ging Publikum der extremen Rechten zugäng-
diese Ausrichtung mit einer Umorientierung, weg von der lich machten.
nationalrevolutionären “Sache des Volkes” hin zu einer Ehemals von großer, heute aber eher
Legitmation des starken Staates, Elitekonzepten sowie von von geringerer Bedeutung, ist das “Thu-
nationalen Kapitalinteressen. le-Seminar”, dass die Zeitschrift “Ele-
mente” herausgab. Burghard Weecke
Aktuelle Organe und Organisationen aus Horn-Bad Meinberg bei Detmold “Sezession”: Organ des
“Instituts für Staatspolitik”
der “Neuen Rechten” war Chefredakteur der Zeitschrift des
“Thule-Seminars”, die nach mehrfachen
Die momentan bedeutenste Organisation der “Neuen Versuchen eine neue Ausgaben zu produ- “Der Taschenplaner der Avant-
garde” des “Thule-Seminars”
Rechten” ist das “Institut für Staatspolitik” (IfS) aus zieren, wahrscheinlich entgültig einge-
Albersroda in Sachsen Anhalt, das im Mai 2000 gegründet stellt wurde. Die publizistischen Akti-
wurde. “Beherrsche geistig die Herrschenden”, so vitäten des “Thule-Seminars” beschrän-
beschrieb die JF im Rekurs auf Gramsci die Zielsetzung ken sich heute darauf, einen germanentü-
des IfS. melnden Kalender herauszugeben.
Bereits sein Name verdeutlicht die Ausrichtung des IfS.
Der starke Staat ist Dreh- und Angelpunkt aller Agitation.
Entsprechend stehen die Theorien Carl Schmitts im Mit-
telpunkt der Inhalte der vom IfS herausgegebenen Zeit-
schrift “Sezession”. Als “Think Tank” im Umfeld der
“Jungen Freiheit” beeinflußt das IfS selbstverständlich

 Lotta Nr.20 | Sommer 2005  63

Das könnte Ihnen auch gefallen