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1. Der Rahmen
1.1. Wo stehen wir?
Bei der Kommunalwahl 2004 hatten die nordrhein-westfälischen Grünen ihr bestes
kommunales Ergebnis überhaupt und stabilisierten sich als drittstärkste Kraft in den
Räten. Landesweit erreichten sie 10,3 Prozent der Stimmen – nach 7,3 Prozent bei
der Wahl 1999 und 10,2 Prozent bei der Wahl 1994. In ihren Hochburgen wie
Münster (19,4 Prozent), Aachen (17,6 Prozent), Köln (16,6 Prozent) oder Bonn (16,2
Prozent) rückten die Grünen dicht an das Wahlergebnis der SPD heran. In einigen
Städten errangen grüne Kandidatinnen und Kandidaten erstmals Direktmandate in
den Wahlkreisen.
Mittlerweile hat sich die Situation verändert. Weder im Bund, noch in Nordrhein-
Westfalen sind die Grünen in der Regierung. Insofern befinden wir uns nicht länger in
der komfortablen Lage, im Wahlkampf darauf verweisen zu können, dass Grüne im
Bund und im Land Etliches auf den Weg gebracht hätten. Wir stellen weder auf
Bundes- noch auf Landesebene Ministerinnen oder Minister, die im Wahlkampf als
Personen immer besonders wahrnehmbar sind und auch als Person positiv mit
bestimmten Regierungsprojekten bzw. grünen Inhalten verbunden werden
(Paradebeispiel: Bärbel Höhn und der Umwelt- und Verbraucherschutz). Das soll hier
nicht länger ausgeführt werden, kann aber in der kommunalpolitischen Erklärung der
Grünen NRW vom 14.12.2003 nachgelesen werden. Heute sieht man schwarz,
wohin man schaut: schwarz-rot im Bund, schwarz-gelb in NRW. Diese Situation
bedeutet für den Wahlkampf aber natürlich, dass wir das Handeln der Bundes- und
Landesregierung bewerten und an vielen Stellen kritisieren können und müssen.
Man sollte sich stets bewusst sein, dass Wählerinnen und Wähler nicht immer
zwischen den unterschiedlichen politischen Ebenen trennen. Die Ergebnisse der
vergangenen Kommunalwahlen zeigen sehr klar den Zusammenhang zu bundes-
bzw. landespolitischen Ereignissen. Deshalb ist es wichtig, sich zu
vergegenwärtigen, in welcher Rolle Grüne aktuell gesehen werden. Das Feld ist in
den letzten fünf Jahren neu bestellt worden. Einerseits haben Grüne mitregiert und
dabei den oder anderen Kompromiss machen müssen, für den nicht alle Verständnis
haben. Die Beteiligung der Grünen an den Hartz-Gesetzen oder die Zustimmung zu
Auslandseinsätzen der Bundeswehr wirken nach. Andererseits haben die Grünen auf
Landes- wie Bundesebene die Opposition für eine programmatische Erneuerung
genutzt und an einem eigenständigen grünen Profil gefeilt.
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Wichtig ist auch, dass die „klassische rot-grüne Koalition“ heute auch auf Bundes-
und Länderebene eine Option neben anderen ist – auf kommunaler Ebene ist sie das
ja bereits seit längerem. Man darf allerdings nicht davon ausgehen, dass das alle
potentiellen Wählerinnen und Wähler für unproblematisch halten. Eine schwarz-
grüne Koalition wie in Hamburg wird auch innerhalb der Grünen selbst sehr
unterschiedlich bewertet. Ohne Frage wirkt sich die Hamburger Koalition und die
Diskussionen um potentielle Koalitionen in anderen Ländern und im Bund positiv auf
die Medienpräsenz der Grünen aus – ein Faktor, der auch hinsichtlich der
Kommunalwahlen seine Relevanz hat.
Klar ist: Nur starke Grüne in den Räten können grüne Inhalte umsetzen. Nur starke
Grüne können eine ökologische, nachhaltige und soziale Politik vor Ort gestalten, die
immun ist gegen die auch von vermeintlich Linken aus SPD und PDL gern
mitgetragene Einschränkung der Nutzung des öffentlichen Raums. Links und frei –
ohne die libertäre Kraft der Grünen ist das vor Ort nicht realisierbar. Konsequenter
Einsatz gegen Freiflächenversiegelung, für den Ausbau der Kindertagesstätten und
der Ganztagsschulen, für unabhängige Jugend- und Kulturzentren ist nur von
Grünen zu erwarten. Ökologische Modernisierung bleibt für die anderen ein
„Modethema“, für uns ist sie Gründungsauftrag.
Wichtig ist aber auch: Die Kommunalwahl im Juni 2009 ist kein singuläres politisches
Ereignis, das mit Politik auf anderen Ebenen nichts zu tun hat. Vielmehr steht sie in
doppelter Hinsicht in Abhängigkeit zu anderen Wahlen. Erstens hat die schwarz-
gelbe Landesregierung aus taktischem Kalkül Europawahl und Kommunalwahl
zusammengelegt und erhofft sich dadurch eine bessere Mobilisierung ihrer Klientel
und damit bessere Ergebnisse für CDU und FDP. Zweitens zeigt die Vergangenheit,
dass „ein guter Lauf“ zu Beginn eines Wahlkampfmarathons erhebliche Vorteile für
die noch zu bestreitenden Wahlkämpfe mit sich bringt. Ein beachtliches Ergebnis wie
z.B. bei der Europawahl 2004 wird beachtet und bringt gerade für die mediale
Wahrnehmung Vorteile. Immer noch gilt die alte Weisheit: „Nichts ist erfolgreicher als
der Erfolg“.
Allein die zeitliche Lage der Kommunalwahl zu Beginn eines Wahlmarathons ist
möglicherweise hinreichend für die besondere Beachtung, die Grüne guten
Ergebnissen schenken müssen. Für eine ganzheitliche Argumentation ist das aber
zu kurz gesprungen. Die Grünen leben geradezu von ihrer kommunalen
Verankerung. Starke Fraktionen sowie Parteigliederungen vor Ort waren und sind ihr
Rückgrat und steter Quell der programmatischen und personellen Erneuerung. Die
sprichwörtliche „Nähe zur Basis“ sichert die Rückkopplung der Landes- und
Bundesebene und die Rücksichtnahme auf regional unterschiedliche Bedürfnisse
auch und besonders grüner Politik.
1.3.Schleichende Veränderungen
Vor Ort spielt sich ab, was sich im Bund nun langsam andeutet. Die Zersplitterung
des Parteiensystems hat hier schon mit der Beseitigung der 5%-Hürde durch den
Verfassungsgerichtshof für die Kommunalwahlen begonnen. Heute gibt es Räte mit
acht Fraktionen und Einzelbewerberinnen und -bewerbern, was nicht heißt, dass dies
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die Regel ist. Dabei betrifft die Zersplitterung sowohl das linke als auch das rechte
Spektrum. Wählergemeinschaften wildern im bürgerlichen Lager, unterschiedliche
linke Gruppen vornehmlich im SPD-Reservoir, aber auch durchaus bei Grünen. Dies
insbesondere im Ruhrgebiet, in den Großstädten der Rheinschiene und den
Universitätsstädten.
Neu für 2009 ist also keineswegs die Zersplitterung im System, sondern ein anderer
Faktor. Die PDL hat es geschafft, sich vom Stigma der Ostpartei zu befreien und in
den Orten, in denen sie stark werden will, ein buntes Spektrum unter dem
Markendach „Die Linke“ zu vereinigen. Neben einigen Sektierern und Ex-Grünen
werden die örtlichen Gliederungen der PDL von organisationserfahrenen
Gewerkschaftern geführt, die häufig schon lange für die SPD Politik gestaltet haben
und in ihrem sozialen Umfeld Anerkennung genießen. Dass eine mit dem
Markennamen „Die Linke“ gelabelte organisationserfahrene PDL chancenreicher
sein wird, als ein wilder Strauß von unbekannten oder alt-bekannten K-Gruppen mit
schwächlicher Basis, dürfte einleuchten, denn hinzu kommt die Schützenhilfe von
den Profis Lafontaine und Gysi aus Berlin und das dichte Netz von Büros örtlicher
Bundestagsabgeordneter der PDL. Festzuhalten bleibt, dass die PDL zumindest in
größeren Städten ein Faktor sein wird, der in die Wahlkampfplanungen einfließen
muss.
Auf die Einzelheiten soll hier nicht eingegangen werden, zumal die Situation in den
einzelnen Kommunen aufgrund unterschiedlicher Koalitionen, einer
unterschiedlichen Kandidatinnen- bzw. Kandidatenlage etc. sehr unterschiedlich ist.
Nur so viel in Stichworten:
Gegen eine eigene Kandidatur spricht, dass eine ungewünschte Kandidatin bzw. ein
ungewünschter Kandidat sich schon mit relativ niedrigem Zustimmungswert
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durchsetzen kann. Das ist kein symbolischer Sieg. Die gewählte Kandidatin bzw. der
gewählte Kandidat macht konkret Politik, sowohl inhaltlich als auch personell.