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DAS M A G A Z I N FÜR G E S C H I C H T E

Masterpiece Squelette.
Lässt tief in ihr perfektes Inneres blicken.
Mehr dazu: www.mauricelacroix.de
E D I T O R I A L

D ies ist nach acht Jahren die zweite Ausgabe


von GEOEPOCHE über das alte Ägypten -
und schon die Vorankündigung dieses Themas
versetzte einige unserer Abonnenten in Unruhe,
denn sie befürchteten, das neue Heft könne nur eine
Kopie des alten werden (das im Übrigen mit einer
verkauften Auflage von 229 000 das bis heute
erfolgreichste unter den bislang 31 erschienenen
ist - und, da vergriffen, unter Sammlern auch zu
enormen Preisen gehandelt wird). Doch die Sorge,
wir könnten uns wiederholen, ist unberechtigt,
davon bin ich überzeugt. Wir haben vielmehr ver-
sucht, die neue Ausgabe komplementär zur alten
zu konzipieren und dennoch einen ausgewogenen
Überblick über drei Millennien ägyptischer Ge-
schichte zu geben - mit anderen Schwerpunkten
als vor acht Jahren, aber ganz sicher nicht weniger
systematisch. Dafür garantieren nicht zuletzt die
beiden Ägyptologinnen, die das Konzept dieses
Heftes erarbeitet haben: die GEO£POC7/£-Redak-
teurin Dr. Anja Herold und ihre wissenschaftliche
Beraterin Kristina Lahn Dumke. Wenn Sie meiner
Einschätzung zustimmen (oder auch nicht),
schreiben Sie uns. Sie erreichen die Redaktion
am besten unter: www.geo-epoche.de

Zwei Ägyptolo-
ginnen: Anja Herold
(links! steht hinter
Konzept und redak-
Zur Schrift tioneller Produktion
der Pharaonen dieser Ausgabe. Wis-
gehören unter
anderem mehr als senschaftlich beraten
20 Einkonsonan- wurde sie von ihrer
tenzeichen, die
nur einem Laut
Fachkollegin Kristina
entsprechen. Wie Lahn Dumke
Hieroglyphen im
Übrigen zu lesen
sind, erfahren
Sie auf Seite 49
dieses Heftes. Herzlich Ihr
V
\

BILDESSAY: M O N U M E N T E DER MACHT


Vier steinerne Abbildendes Pharao R a m s e s II. wachen am großen Felstempel von Abu Simbel. Mit kolossalen Statuen,
Heiligtümern und Grabmälern demonstrieren die Könige Ägyptens ihre Überlegenheit für alle Ewigkeit.
Seite 6 " '

DER G I G A N T VON G I S E H
Um 2600 v. Chr. unterwirft Pharao Cheops das ganze Land einem
Ziel: ihm eine perfekte Pyramide zu bauen. Und so errichten Tausende
Arbeiter innerhalb weniger Jahrzehnte ein Weltwunder.
Seite 28

E I N KÖNIG W I R D GOTT
Die Ägypter glauben an ein Weiterleben nach
iem Tod und statten die Gräber der Verstorbenen
prächtig aus. Tutanchamun nimmt 1323 v. Chr.
einen Schatz mit auf seine Jenseitsreise - und
jeder Teil davon besitzt magische Kraft.
Seite U
Monumente der Macht:
Wenn die Götter schlafen 6

Frühzeit:
D a s erste Reich der Geschichte 22
Vom Alten zum Neuen Reich:
Großmacht am Nil 26

Cheops-Pyramide:
Der Gigant von Giseh 28

Erste Zwischenzeit:
Der Herr der Beiden Länder 44

Hieroglyphen:
Es lebe der Schreiber! 46

Zweite Zwischenzeit:
Der Kampf um die Einheit 50

Thutmosis III.:
B E S U C H VOM H E R R N D E S H I M M E L S
Wie jedes Jahr feiern die Menschen in Theben auch 1395 v. Chr. ein glanzvolles Fest zu Aufstieg zurWeltmacht 52
Ehren von Amun, dem König der Götter- gemeinsam mit ihren toten Angehöngen. Totenkult: Ein König wird Gott 64
Seite 78
Götterfest: B e s u c h vom
DER V E R L O R E N E T E M P E L Herrn des H i m m e l s 78
Erdbeben, Steinräuber und Nilfluten Amenophis III.:
zerstörten den imposanten Königs- Der verlorene Tempel 96
tempel von Amenophis III. Archäologen
lassen das Heiligtum nach drei Jahr- Revolution in der Kunst:
tausenden wiedererstehen. Im Dienst des Sonnenlichtes 110
Seite 96
Krieg mit den Hethitern:
Tod eines Prinzen 116

R a m s e s IL:
Der erste Friedensvertrag 124

Grabraub:
Frevel an der Jenseitswelt 126
Alexander der Große:
Eroberer a u s dem Norden 142

Kleopatra:
Die letzte der Pharaonen 144

IM D I E N S T D E S S O N N E N L I C H T E S Zeitläufte: Die Geschichte


Der ..Ketzerpharao" Echnaton revolutio- des Pharaonenreichs, Glossar
niert ab 1351 v. Chr. Ägyptens Glauben und die und Herrscherliste 156
Kunst. Er fördert Bildhauer und M a l e r - w i e 166
Impressum
den genialen Schöpfer der Nofretete-Büste
Seite 110
Se/'fellO Bildvermerke 167

Vorschau: New York 168

DIE L E T Z T E D E R
PHARAONEN
Mit diplomatischer Buchtipps und Hintergrundberichte
Raffinesse führt z u d i e s e m Heft finden S i e i m I n t e r n e t
Kleopatra VII. Ägyp- unter www.geo-epoche.de.

ten noch einmal


zur Weltgeltung. R e d a k t i o n s s c h l u s s : 28. Juli 2008
Doch 30 v. Chr. ver-
TITELBILD: Der äußerste Sarg Tutanchamuns
liert sie Reich und 11323 v. Chr.); Foto: Sandro Vannini.
Leben im Kampf Alle FAKTEN, Daten und Karten in dieser Ausgabe
gegen eine stärkere sind vom GEOFPOCWf-Verifikationsteam auf ihre
Macht: das Impe- Richtigkeit überprüft worden.
rium Romanum. Kürzungen in ZITATEN sind nicht kenntlich gemacht.
Seite 144 Ägyptische Herrschernamen erscheinen meist in ihrer
üblichen griechischen Form. So schreibt GEOEPOCHE
Cheops statt Chufu und Amenophis für Amenhotep.
MONUMENTE DER MACHT

Um 2700 v. Chr. l a s s e n die P h a r a o n e n e r s t m a l s m o n u m e n t a l e

Die g e w a l t i g e n Stätten s i n d A u s d r u c k e i n e r k o s m i s c h e n O r d n u n g , die die K ö n i g e z u m W o h l aller be

A U F B E G E H R E N GEGEN DIE ZEIT Die Pyramiden von Giseh

Noch zu Lebzeiten lässt sich Pharao Chephren um 2560 v. Chr. ein fast
144 Meter hohes, pyramidenförmiges Grabmal errichten (Mitte) — so wie sein
Vater Cheops (rechts) und später sein Sohn Mykerinos. Form und Größe
der Ruhestätten sollen den Herrschern beim Aufstieg in den Himmel helfen
und deren im Jenseits fortdauernde Machtfülle symbolisieren
Der geschriebene Eigenname eines Pharao steht im alten Ägypten stets
in einem Namensring. Dessen geschlossene Form soll dem Namensträger, hier
etwa Chephren, magischen Schutz bescheren
Kultbauten errichten - zur Feier ihrer Macht und ihrer Göttlichkeit.

wahren m ü s s e n . Auch nachts, wenn die Menschen ruhen und sich im Dunkeln die Schöpfung erneuert
STEINERNE M A H N U N G Der große Felstempel von Abu Simbel

Vier mehr als 20 Meter hohe Statuen von Ramses H.ßankieren den Eingang des
Tempels von Abu Simbel im Süden des Nilreichs. Sie sollen den dort lebenden Nubiern
die Göttlichkeit des Herrschers verdeutlichen. Das tief in den Fels getriebene Heiligtum
ist unter anderem dem Sonnengott Ra-Harachtegeweiht,der—falkenkö'pfig und
mit einer Sonnenscheibe auf dem Haupt — direkt über dem Eingang wacht
(Xamensring von Ramses II.)
Z U EHREN DES NIL DerTempelvon Luxor

Jede Säule diesesTempels, um 1370 v. Chr von Amenophis III. in der Kapitale
Theben begonnen,gleicht einem Papyrusbündel. Gemeinsam bilden sie einen Hain, der
jenes urzeitliche Sumpfland versinnbildlicht, in dem der Mythologie nach einst
die Welt entstand. Jedes Jahrfeiern die Ägypter in diesem Tempel, dass der nahe Nil
über die Ufer tritt und das Land mit fruchtbarem Schlamm überzieht
(Samensring von Amenophis III.)
S T Ä R K U N G FÜR DEN P H A R A O Ver Tempel von Karnak

In die Wände des Amun-Tempels von Karnak im Norden Thebens haben


Steinmetze ein Relief geschlagen, das Remses IL verherrlicht. Der Herrscher
kniet nieder, um von zwei Göttergestalten neue Kraftfür sein Wirken auf
dem Thron zu empfangen. Darüber ist das rituelle Ereignis in Hieroglyphen
dokumentiert — der vielleicht ältesten Schriftsprache überhaupt
(Namensring von Ramses II.)
LOB DER G O T T E S M U T T E R Der Isis-Tempel von Philae

Viele der prächtigsten Kultbauten entstehen unter den griechischstämmigen Ptole-


mäern, die um 300 v. Chr. an die Macht gelangen. Den Torbau des auf einer Nilinsel gelegenen
Tempels von Philae zieren beidseits des Eingangs Darstellungen der Gottesmutter Isis,
der das Heiligtum gewidmet ist. Links unten hat sich Ptolemaios XII., derVollender des Baus,
verewigen lassen — als unerbittlicher Herrscher, der seine Feinde am Haarschopf packt
(Samensring von Ptolemaios XII.)
BILDER FÜR DIE EWIGKEIT Der Tempel von Luxor

Hinter einer Statue Ramses'II. erhebt sich diefast 20 Meter


hohe Kolonnade im Tempel von Luxor. Regelmäßig ziehen zur Pharao-
nenzeit Prozessionen durch den riesenhaften, überdachten
Säulengang. Alle Steinflächen sind mit Reliefs und Hieroglyphen
versehen — und in vielen leuchtenden Farben bemalt
(Namensring von Ramses II.)
HEIMSTATT DER G Ö T T E R Der Isis-Tempel von Philae

Durch mehrere Räumeführt im Tempel von Philae der Weg insAller-


heiligste. Dort, auf einem schlichten Steinpodest, ruht in einer hölzernen
Barke eine Statue der Isis. Tempel wie dieser stellen für die Ägypter
Abbilder des Kosmos und der Schöpfung dar. Doch nur der Pharao sowie
auserwählte Priester haben Zugang zum Inneren der Heiligtümer
(Namensring des Tempelgründers Ptoleniaios II.)
EIN L Ö W E M I T M E N S C H E N K O P F Der Sphinx von Giseh

Wie ein mächtiger Beschützer wacht der Sphinx vor dem Fels-
plateau der Cheops-Pyramide in Giseh. Kleinere Skulpturen dieser Art
säumen häufig die Eingänge von Tempeln und verkörpern Götter
oder bestimmte Herrscher. Doch ob dieser Sphinx die Züge von Cheops
trägt — also von ihm in Auftrag gegeben wurde — ist umstritten •
(Namensring von Cheops)

Texte: Jens-Rainer Berg


Um 5 0 0 0 - 2 7 0 7 v. Chr. FRÜHZEIT

DAS ERSTE R E I C H
DER GESCHICHTE
A l s in der S a h a r a um 5000 v. Chr. der R e g e n versiegt, ziehen die dort siedelnden M e n s c h e n

n d a s Niltal. In der neuen Heimat bauen sie Getreide an und halten Vieh, g r ü n d e n Städte, erfinden

die Hieroglyphen - und schaffen so die G r u n d l a g e n der ägyptischen Kultur

VON FRANK OTTO

m Anfang ist der Fluss - so scheint es zumin- Aus umherziehenden Hirten, Jägern und Sammlern wurden
dest. Ein Geschenk des Nil sei Ägypten, sesshafte Bauern; sie vollzogen damit den wichtigsten kultu-
schreibt um 430 v. Chr. der griechische rellen Umbruch in der Geschichte der Menschheit: die Neo-
Historiker Herodot. Wer sollte dieser lithische Revolution, die ihren Ursprung vor 11 000 Jahren in
Erkenntnis widersprechen? In einer der Mesopotamien hatte.
trockensten Regionen der Welt, in der nur wenige Millimeter Die Siedler bauten in der Sahara Emmer an, eine Weizen-
Regen im Jahr fallen, schafft der Strom eine mehr als 1000 art; sie lernten, aus Ton Gefäße zu formen und zu haltbarer
Kilometer lange, fruchtbare Oase. Spült Süßwasser in eine Keramik zu brennen; sie wussten, wie man tiefe Brunnen
Wüste, in der Leben sonst nicht möglich wäre. Und hinterlässt gräbt; und sie entwickelten einen Kalender, der es erlaubte,
durch die jährliche Überschwemmung des Niltals nährstoff- die jährliche Wiederkehr der Regenzeit exakt vorherzusagen.
reichen Schlamm, in dem Pflanzen bestens gedeihen. Das Niltal war zu dieser Zeit eine mit Papyrusstauden
Ebenso sehen es die Bewohner des Pharaonenreichs. Ihnen und Schilfwäldern dicht bewachsene Wildnis, das Delta ein
gilt der Fluss als Heilsbringer: sie preisen Hapi. die göttliche Sumpf; vor dem Sandstrand zum Meer erstreckten sich
Verkörperung des Nil. der alljährlich herbeieile, um ihre Marschen. Brackwassertümpel und morastige Haffseen mit
Heimat zu beleben: „Unbegreiflich in seinem Wesen, dunkel dichtem Riedgras. Im Fluss lebten Fische, Nilpferde und
am Tage. / Schlammflut aus Oberägypten, der das Land über- Krokodile, in den Auen Vögel und Büffel - aber wohl kaum
schwemmt, / geschaffen von Ra, um einen Dürstenden zu Menschen: Die jährliche Überschwemmung, die das Land
beleben. / Der die Gerste erschafft, der den Emmer entstehen für Monate vollständig unter Wasser setzte, machte eine
lässt / und die Tempel der Städte festlich macht." Besiedlung so gut wie unmöglich.
Doch Herodot irrt, und der Hymnus richtet sich an den Es dauerte Jahrhunderte, bis sich die Sedimente der Nil-
Falschen. Denn nicht allein der Leben spendende Nil hat flut zu meterhohen Dünen anhäuften, die selbst bei Hoch-
Ägypten geschaffen. In Wahrheit ist Ägypten auch ein Ge- wasser über dem Fluss aufragten - und deshalb zu Rückzugs-
schenk der todbringenden Wüste. räumen für Siedler wurden, die sich nach und nach am Strom
niederließen.
DIE SAHARA, DIESES GEWALTIGE TRAPEZ von neun Millio- Denn um 5000 v. Chr. begann der Regen zu versiegen. Die
nen Quadratkilometer Fläche, ist nicht immer eine ausge- Sahara wurde zur Wüste. Und je mehr das Umland austrock-
trocknete Einöde aus Sand, Stein und Geröll gewesen. Noch nete, desto näher drängten die Menschen an den Nil heran,
vor rund 8000 Jahren waren weite Teile des Gebiets gras- der schon bald - bis auf wenige, weit verstreute Oasen - zur
bewachsene Savanne. einzigen Wasserquelle der Region wurde.
An einigen Stellen fiel so viel Regen, dass sich Seen bilde- Das allmähliche, aber unaufhaltsame Vordringen der Wüste
ten und dort Nomaden mit ihren Rinderherden leben konnten. ließ den aus der Sahara vertriebenen Menschen keine Wahl,
als dorthin zu ziehen, wo wilde Büffel, Löwen und Paviane Saatkorn keimt dort schnell und braucht zum Wachsen kei-
mit ihnen um den Lebensraum konkurrierten. Sie mussten nen weiteren Dünger.
zudem die Nil-Wildnis urbar machen, Buschdickichte roden,
Moraste für Getreidefelder trockenlegen. Und lernen, die bis DIE FLÜCHTLINGE AUS DER WÜSTE schufen sich um 5000
dahin verderbliche Überflutung zu nutzen, die der Nil alljähr- v. Chr. unter anderem am Rande des Nildeltas eine neue
lich über das Land bringt. Heimat: in Unterägypten. Etwa 700 Jahre später erblühte
Jene Schlammwelle, die sich stets im Spätsommer vom flussaufwärts in Oberägypten eine kriegerische Zivilisation,
Dach Afrikas ergießt. deren Grundlagen die Menschen aus der Sahara mitgebracht
Von Juni bis Oktober gehen im abessinischen Hochland hatten: die Naqada-Kultur, benannt nach einem Gräberfeld in
schwere Monsunregengüsse nieder. Die zu Tal stürzenden der Nähe des heutigen Luxor, auf dem viele Keramiken sowie
Wasser reißen lockeres Gestein und Geröll aus den vulkani- Figuren aus Stein und Elfenbein gefunden wurden.
schen Ablagerungen in den Bergen mit in das Bett des Blauen 80 Kilometer südlich des modernen Luxor entstand auf
Nil, eines der Zuflüsse des Stroms. Der stark anschwellende, einer Anhöhe im Niltal Ägyptens wohl erste Stadt. Anfangs
reißende Fluss zerkleinert das Gestein zu mineralhaltigem war Hierakonpolis (griech. = „Falkenstadt") noch kein zusam-
Schlick und trägt ihn nach Norden. menhängender Ort; doch bis 3500 v. Chr. wuchsen mehrere
Im Juli erreicht die Flut bei Assuan Oberägypten. In weni- Dörfer und Gehöfte zur Residenz eines oberägyptischen
gen Tagen verwandelt das Hochwasser das Niltal in einen Häuptlings zusammen. Später bauten Arbeiter einen Palast,
weiten See, und wenn das Wasser im Oktober abfließt, bleibt den wohl ein Wall aus Lehmziegeln umgab, und zogen eine
ein feuchter, schlammbesetzter, schwarzer Boden zurück, der Mauer mit Bastion um die ganze Stadt.
nach Moschus riecht - höchst fruchtbares Ackerland: Ein Wie viele Menschen in der Gemeinde lebten, ist nicht be-
kannt - wohl aber sind es die Berufe der
Bewohner: Es waren Bauern, Beam-
te des Machthabers und speziali-
sierte Handwerker. Ebenfalls über-
liefert ist, dass viele Einwohner der
Falkenstadt in rechteckigen Hütten
lebten, deren Wände aus Schilf
waren und mit Lehm verputzt.
Von einem Haus haben sich Reste
erhalten: Es maß rund zwölf Qua-
dratmeter und lag zum Teil unter
der Erde. Der überirdische Bereich
war 1,45 Meter hoch.
Auf der Nordseite von Hiera-
konpolis erstreckte sich ein großes
Handwerkerviertel, wo Brauer aus
Weizen ein nahrhaftes, schwach
alkoholisches Bier herstellten, ein
Grundnahrungsmittel der Ägypter.
Die Bewohner von Hierakonpolis
errichteten auch den wahrscheinlich
ersten Göttertempel des Nillandes; bis
Pharao Narmer, der dahin hatten sie die überirdischen Wesen
die Krone Oberägyptens wohl an besonders eindrucksvollen Stel-
trägt, erschlägt einen len in der Natur verehrt. Nun bauten sie
gefangenen Feind. Dieses dem falkengesichtigen Himmelsgott Horas
Relief auf einer um 3050 ein Haus der Anbetung inmitten ihrer Stadt.
v. Chr. gefertigten Schmink- In dem großen, ovalen Hof des Heiligtums
palette zeigt ein immer stand ein einzelner Mast mit dem Bild des
wiederkehrendes Motiv Gottes, an dessen Basis der Herrscher, der auch
der ägyptischen Kunst. Hohepriester war, Tiere opferte.
Narmer ist einer der
ersten Herrscher über
ganz Ägypten
Ein h a l b e s J a h r -
tausend lang kämpfen
die K ö n i g e O b e r ä g y p -
t e n s u m die H e r r s c h a f t in Sichtweite. Descheret nannten es die Anwohner, das „Rote
über d a s Nildelta. Erst Land": das Gebiet des Todes und des Bösen. L a g es an diesem
K ö n i g C h a s e c h e m u i (hier furchterregenden Ausblick, dass die Bewohner Oberägyptens
eine 62 Zentimeter hohe schon in frühester Zeit von der Idee besessen waren, dass der
Statue a u s Kalkstein) körperliche Tod eines Menschen nicht dessen Ende ist, son-
b e s i e g t u m 2 7 2 0 v . Chr. d i e dern der Übergang in eine weniger sorgenvolle Existenz?
G e g n e r im Gebiet der
Vielleicht trieb sie die Härte ihrer Umwelt dazu, den Ver-
Flussmündung endgül-
storbenen (deren Körper zu jener Zeit noch nicht mumifiziert
tig. 4 7 2 0 9 R e b e l l e n
wurden) Lebensmittel wie etwa gekochten Fisch. Schälripp-
fallen in den S c h l a c h -
chen vom Schwein, geschmortes Rindfleisch. Feigenkompott,
ten d e s P h a r a o
Kuchen und Käse mitzugeben. Ihnen Steinkeulen, elfenbei-
nerne Amulette. Schmuckkämme und Halsketten mit Perlen
aus Türkis für ihre Reise ins Jenseits zur Seite zu legen.
Um die Grabstätten der Mächtigen auszustatten, schien
jenen frühen Ägyptern nichts zu wertvoll, offenbar nicht
einmal menschliches Leben. Denn in Abydos. einem ober-
ägyptischen Ort, an dem die Bewohner des Nillandes den
Eingang zur Unterwelt vermuteten, fanden Forscher in
aufwendigen Herrschergräbern die Gebeine junger und
kräftiger Menschen - vermutlich geopfert, um ihrem
Fürsten im Totenieich zu dienen.
Im Delta hingegen, wo der fruchtbare Nilglirtel bis
zu 250 Kilometer breit war - und die feindliche Wüste
weit entfernt -, waren die Menschen mehr dem Dies-
seits zugewandt. Hier fanden Archäologen kaum
Grabbeigaben.
D o c h war diese unterägyptische
Kultur nicht von Dauer. Denn in dem
vom Tod faszinierten Süden wuchs ab
etwa 3500 v. Chr. eine überlegene
kriegerische Macht heran.

In nahe liegenden Werkstätten stellten Kunsthandwerker IRGENDWANN UM 3400 V. CHR. gelang es einem Herrn von
Luxusgütcr für Horus und den Monarchen her: Elfenbeinkäst- Hierakonpolis, die anderen Häuptlinge Oberägyptens zu unter-
chen, polierte Steinkrüge. Schmuck und rituelle Waffen. Der werfen und einen Territorialstaat zu begründen, der bald von
Mittelpunkt des Heiligtums war ein Schrein aus drei Räumen. Elephantine im Süden bis zum Beginn des Deltas im Norden
Dessen Fassade schmückten bunt gewebte Matten und vier reichte. Er war der erste K ö n i g in Ägypten.
große Holzsäulen, die mindestens zwölf Meter emporragten; Der erste Pharao.
möglicherweise bestanden sie aus phönizischem Zedernholz. Sein Name ist nicht überliefert, doch etliche seiner Nach-
Dieses Baumaterial war nicht das einzige Gut. das Händler folger sind bekannt. Sie trugen Tiernamen wie Löwe, Kobra
aus der Ferne nach Hierakonpolis brachten: Die Stadt war oder Skorpion, immer verbunden mit dem Königstitel Horus -
wohlhabend und hatte weit gespannte Handelsbeziehungen. dem Namen des falkengesichtigen Gottes, dessen Tempel die
A u s dem Süden - aus Nubien und Zentralafrika - kamen Falkenstadt Hierakonpolis überragte.
Gold. Edelsteine und Felle: Kupfer für metallene Angel- Die Tiernamen der Pharaonen in dieser Epoche symboli-
haken und Beile brachten Händler aus Palästina mit. Obsidian sierten Stärke, Kampfkraft und Aggressivität. Sie waren A u s -
aus Äthiopien wurde zu Perlen verarbeitet und Schmuck aus druck des außenpolitischen Programms ihrer Träger - die um
afghanischem Lapislazuli als kostbare Grabbeigabe verwen- 3300 v. Chr. ihre nördlichen Nachbarn unterwarfen. D o c h es
det. Denn die Oberägypter glaubten fest an ein Weiterleben dauerte noch fast 600 Jahre, ehe sie ihre Herrschaft endgültig
nach dem Tod. gegen den Widerstand lokaler Fürsten sichern konnten.
Das Fruchtland des Niltals war schmal; stets waren die Wie verlief dieser Kampf, vermutlich der längste in der
schroffen Berge der Oslwüste oder das Sandmeer im Westen Geschichte der Menschheit? Welche Waffen verwendeten
die Kontrahenten, wie groß waren die Armeen, wie organi- Da es beinahe unmöglich war, sich für jedes Gut ein
sierten die Deltabewohner ihre Verteidigung, gab es offene eigenes Zeichen zu merken, wie damals üblich, mussten
Feldschlachten, Belagerungen, Gefechte auf dem Fluss von die Schreiber des Königs einen neuen Weg finden, wie sich
Booten aus? die damals verwendeten Piktogramme universeller einsetzen
Niemand weißes. ließen. Ihre geniale Idee: Wenn sich mehrere Symbole sowie
Zwar gibt es einige Bilder aus jener Zeit - etwa auf die Laute, für die sie standen, zu neuen Bedeutungen verknüp-
der prunkvollen Schminkpalette des Pharao Narmer, einer fen ließen, ergäbe das eine viel größere Zahl von möglichen
63 Zentimeter hohen Tafel aus grünem Schiefer, auf der Wörtern (siehe Kasten Seite 49).
Augenschminke angerührt wurde. Sie zeigt den Herrscher, Jene Elfenbeintäfelchen, in die der königliche Buchhalter
der um 3050 v. Chr. den Thron bestieg, wie er mit der Keule diese neuen Zeichenfolgen, später Hieroglyphen genannt, ritz-
einen Feind erschlägt, sowie einen Stier, der eine Stadtmauer te, gehören zu den ältesten heute bekannten Zeugnissen einer
berennt. Doch waren dies Symbole für den Krieg - wohl keine revolutionären Schöpfung: der phonetisch lesbaren Schrift.
Darstellungen konkreter Ereignisse. Sie setzte die Menschen schon bald in die Lage, nicht bloß
Immerhin: Objekte, die Narmers Namen tragen, finden Inventare zu notieren, sondern auch ihren Glauben, ihre Träu-
sich in allen Teilen Ägyptens - vermutlich war also er einer me und die eigene Geschichte zu dokumentieren (manche
der ersten Herrscher der „Beiden Länder", des Niltals und Forscher gehen allerdings davon aus, dass die erste Schrift in
des Deltas. Doch erst gut 300 Jahre später war der letzte Mesopotamien entstand; siehe Seite 46).
Widerstand in Unterägypten überwunden und das Reich end-
gültig vereint. UM 2734 v. CHR. BESTEIGT Pharao Chasechemui den Thron.
Die Pharaonen Oberägyptens, die nach und nach auch die Er regiert 27 Jahre lang und nimmt seine Residenz - die seine
Städte im Delta unterwarfen, schmiedeten den ersten Territo- Vorgänger nach Memphis an die Südspitze des Deltas verlegt
rialstaat in der Geschichte der Menschheit. Dieser war jedoch hatten - wieder in Hierakonpolis. Und er gewinnt den seit fast
nur die zweitwichtigste Erfindung der Ägypter. sechs Jahrhunderten schwelenden Kampf in Unterägypten
Die bedeutendste war: die Schrift. endgültig: 47209 Feinde seien in Chasechemuis Schlachten
gefallen, verkünden Inschriften auf Statuen des Herrschers.
DENN WÄHREND DER KAMPF um die Herrschaft über Unter- Fast ein Dreivierteljahrtausend hat die Staatswerdung
ägypten tobte, entwickelte wohl ein königlicher Beamter Ägyptens gedauert; nun, während der Regentschaft Chase-
um 3300 v. Chr. ein Zeichensystem, mit dem sich Steuer- chemuis (2734-2707 v. Chr.), sind die Grundlagen der pha-
zahlungen sowie Herkunft und Qualität von Produkten in raonischen Zivilisation etabliert: ein Gottkönig an der Spitze
den königlichen Speichern festhalten ließen: Zu kompli- des Territorialstaates, der von der Grenzstadt Elephantine im
ziert war die Verwaltung der Abgaben geworden, als dass Süden bis zum Mittelmeer reicht und den eine effiziente
sie noch mit dem üblichen System bezeichnet werden Beamtenschaft verwaltet; die Hieroglyphenschrift sowie eine
konnten, in dem ein Bild wie ein Piktogramm genau eine ertragreiche Landwirtschaft, die von der jährlichen Nilüber-
Bedeutung hatte. schwemmung profitiert: und ein aufwendiger Totenkult und
Vielleicht hatte der Pharao selbst dem Beamten befohlen, komplexer Götterglaube, der zum Bau Tausender Monumente
die Buchführung zu verbessern. Denn der König war sehr führt. Die gewaltigsten dieser Grabmäler sind die Pyramiden;
genau über Ägyptens Ökonomie informiert: Zum einen be- die erste gibt Pharao Djoser in Auftrag, der Nachfolger
suchte er von seiner Hauptstadt Hierakonpolis aus regelmäßig Chasechemuis.
die wahrscheinlich sieben Pfalzen im Land; zum anderen Fast drei Jahrtausende bleibt diese Zivilisation bestehen,
fuhr der Herrscher alle zwei Jahre mit seinen Ratgebern auf bis im Jahr 31 v. Chr. die letzte Königin Kleopatra den römi-
der prächtigen Staatsbarke den Nil entlang, um alle Herden schen Legionen unterliegt. Und immer wieder in dieser Zeit
und Felder zu inspizieren und so die zukünftigen Ernteerträge werden sich die Muster wiederholen: Auf eine Epoche der
zu ermitteln. Zersplitterung und Bürgerkriege folgt die Einigung der „Bei-
Dabei konnte er sicher verfolgen, wie die ägyptische Land- den Länder". Ober- und Unterägypten, folgen lange Perioden
wirtschaft immer raffinierter wurde: So bauten die Untertanen der kulturellen Blüte und Stärke des Reichs - bevor Ägypten
Skorpions I. neben mehreren Getreidesorten schon Flachs und abermals zerfällt.
Wein an, in ihren Gärten wuchsen Bohnen, Dattelpalmen Und jene Geschichte von vorn beginnt, die einst um 3400
und Melonen; neben Rindern hielten sie nun auch Schafe, v. Chr. ihren Ausgang nahm, als sich ein namenloser ober-
Schweine und Ziegen und mästeten Hyänen. ägyptischer Häuptling zum ersten Pharao erhob. •
Und von allem bekam der Pharao seinen Anteil. Darüber
Buch zu führen wurde immer komplizierter. PD Dr. Frank Otto, 40. ist Textredakteur im Team von GEOEPOCHE.
V O M A L T E N Z U M N E U E N R E I C H
GROSSMACHT
AM N I L
Lange Trockenphasen zwingen seit dem S.Jahrtausend v. Chr. die Bewohner der Grassavannen in der Sahara zur Abwanderung

an den Nil. Die Neusiedler lassen sich sowohl im Delta (Unterägypten) als auch im oberägyptischen Flusstal nieder, wo um

3400 v. Chr. ein Territorialstaat entsteht. Dessen Häuptling erhebt sich zum ersten Pharao; seine Nachfolger unterwerfen später

auch das Delta und herrschen schließlich von Elephantine bis zum Mittelmeer. Chasechemui, der um 2734 v. Chr. den Thron

besteigt, besiegt die letzten Gegner im Nildelta und einigt das Reich endgültig. Mit der Krönung seines Nachfolgers beginnt —

so haben es Altertumsforscher festgelegt — das ein halbes Jahrtausend existierende Alte Reich, dessen Herrscher zumeist in

Memphis residieren und von dort eine straffe Zentralregierungfuhren. Bis der Staat in der Ersten Zwischenzeit in einem

Bürgerkrieg untergeht. Um 2015 v. Chr. bezwingt Mentuhotep II., ein König aus Theben, alle Widersacher und vereint das Land

im Mittleren Reich. Doch dann zerfällt Ägypten um 1800 v. Chr. erneut:In der Zweiten Zwischenzeit, die sich bei-

nahe 250Jahre hinzieht, reißen schließlich die aus dem Nahen Osten stammenden „Hyksos" im Norden die Herrschaft an sich.

Erst Pharao Ahmose I. gelingt es, sie zu vertreiben und so das Neue Reich zu schaffen. In dieser Epoche, die bis 1070 v. Chr.

andauert, steht Ägypten im Zenit seiner Macht: Das Staatsgebiet erstreckt sich vom Oberlauf des Euphrat bis nach Nubien.

Unter Pharao Thutmosis III. (U79-1Ä25 v. Chr.) erobert Theben, die wichtigste Metropole Oberägyptens, ist das religiöse
Ägypten ein großes Kolonialreich in Vorderasien. Die Völker der Zentrum des Pharaonenreichs. Viele bedeutende Königsgräber,
Levante bis hinauf zum Euphrat müssen nun Tribute leisten Denkmäler und Tempel liegen in der Totenstadt am Westufer
Um 2575 v.Chr. CHEOPS-PYRAMIDE

D E R G I G A N T
Fast 4000 Jahre lang wird sie das höchste Gebäude der Welt sein: die Große Pyramide von Giseh,

ragt. Zehntausende Arbeiter verbauen Millionen tonnenschwere Steinquader für ein Bauwerk,
V O N G I S E H
die um 2575 v. Chr. den Leichnam des Pharao Cheops aufnimmt und 146 Meter in den Himmel

das perfekt ist - bis auf einen verborgenen Makel TEXT RALFBERHORST ILLUSTRATIONEN:TIM WEHRMANN
: ;

Die je 230 Meter langen Grundseiten


der Cheops-Pyramide weisen genau in die
vier Himmelsrichtungen. So leuchtet zu
Sonnenaufgang der glatte Kalkstein der Ost-
fassade blendend hell. Unmittelbar neben
dem Monument auf einem Felsplateau bei Giseh
stehen kleinere Pyramiden, in denen Mutter
und Gemahlinnen des Pharao liegen; die
flachen Bauten davor sind Prinzengräber.
Auf dem überdachten und mit Reliefs
geschmückten Weg im Vordergrund tragen
um 2575 v. Chr. Priester den Leichnam
des toten Königs in die Pyramide
zeugen, deren Metall so weich ist, dass
es stündlich herausgereicht und im Frei-
en auf Öfen neu gehärtet werden muss.

N
30 Meter tief haben diese Männer be- Zu den Eingeweihten, die um das Fi-
ie zuvor und
reits einen abfallenden Gang in den Fel- asko wissen, gehört Hemiunu, der Neffe
nirgendwo sonst
sen gehämmert, haben dann einen waa- des Pharao. Er ist der Leiter der könig-
haben Menschen
gerechten Stollen vorangetrieben. Nun lichen Verwaltung, der oberste Schreiber
je ein Monument
ringen sie dem Felsen, Schlag für Schlag, und Richter - sowie der „Vorsteher aller
errichtet wie die
die Grabkammer des Pharao ab.* königlichen Bauarbeiten".
nun für den Pha-
Denn Cheops soll dereinst nicht etwa In dieser Funktion leitet der massige
rao Cheops ge-
in seiner Pyramide liegen - sondern dar- Mann mit der Adlernase den Pyramiden-
plante Pyramide:
unter. Eine Kammer für die Mumie des bau (vielleicht, doch das ist nicht sicher,
Kein Bauwerk
Herrschers versuchen die Arbeiter aus schon von Anfang an). Hat er seine er-
wird so hoch in den Himmel ragen
dem Felsen zu zwingen, fast 120 Qua- stickenden Arbeiter wieder und immer
wie dieses Grabmal nach seiner Fertig-
dratmeter groß. wieder in den Felsen getrieben, bis er die
stellung, für keines werden so viele
Doch die Grabkammer ist zu einer Sinnlosigkeit ihres Tuns endlich einsah?
tonnenschwere Steine an einen Ort her-
tödlichen Falle geworden: Kein Sonnen- Oder ist er nicht sonderlich überrascht,
angeschafft werden, keines wird über
strahl dringt bis dort hinunter; Fackeln weil er schon seit Monaten ahnt, dass
Jahrzehnte so immense Schätze eines
und blakende Öllampen spenden fla- ihnen im Felsen die Luft ausgeht? Weil er
Großreiches fressen, so viel menschliche
ckerndes Licht - und verbrennen dabei sich schon lange vor jenem Augenblick
Kraft, so viel Schweiß und vielleicht
kostbare Atemluft. fürchtet, da es nicht mehr weitergeht?
auch Tränen. Wohl kaum ein Monument
Zudem schwebt Steinstaub in der ste- Wie auch immer: Hemiunu muss die
ist je zuvor so präzise geplant, seine Er-
henden Luft und legt sich immer las- Pläne am Monument des Pharao ändern.
richtung so gnadenlos streng überwacht
tender auf die Lungen der Arbeiter. In
worden.
ihrer Verzweiflung haben sie einen zwei- SEIT MINDESTENS 3100 v. CHR. lassen
Kein Bauwerk ist so perfekt wie die
ten, kaum mannsbreiten Schacht vom sich Ägyptens Könige in unterirdischen
Pyramide.
Stollen bis zur Oberfläche gegraben, Grabkammern im Wüstensand bestatten.
Und doch verbirgt sich tief in ihrem
doch auch durch diesen Schacht bekom- Anfangs überwölbt oft ein Sandhügel
Inneren ein unauslöschlicher Makel.
men sie nicht genügend Frischluft. die Gräber, eingefasst von einer Ziegel-
Seit dem Jahr 2604 v. Chr. schuften
Tausende Arbeiter auf dem steinigen Irgendwann, niemand kennt mehr das mauer. Der Sandhaufen ist ein Abbild
Plateau von Giseh, zerren mit bloßer genaue Datum, muss der letzte Arbei- des Urhügels: im ägyptischen Mythos
Muskelkraft mächtige Steinquader in ter hustend, keuchend, mit brennenden jener Ort, an dem sich am Anfang aller
die Höhe, die so schwer sind, dass sie Augen aufgegeben haben. Als er sich Zeiten das Land aus der Wasserflut erhob
in einem einzigen unachtsamen Augen- hinausschleppt, lässt er halb herausge- und die Welt entstand. Ein Sandhügel ist
blick Arme, Beine, menschliche Leiber hauenes Felsgestein und Staub zurück - deshalb ein Symbol der Auferstehung
zerquetschen können. und eine Grabkammer, die niemand je und des ewigen Lebens.
Doch wie viele von ihnen wissen, vollenden wird. Später lassen manche Herrscher ihre
dass die Pyramide nicht nur in die Höhe Und während oben Quader um Qua- unterirdischen Gräber mit einer Mas-
wächst - sondern auch in die Tiefe? der aufgeschichtet wird, wissen wohl taba überbauen, einem kastenförmigen
Denn während die Arbeiter täglich nur wenige, dass diese Arbeit eigentlich Gebäude aus Lehmziegeln. Auch hier
Material heranschaffen, auf dass ein sinnlos geworden ist: dass hier ein Grab- bestimmt eine religiöse Idee die Form:
künstlicher Berg über den Felsen von mal errichtet wird, das in dieser Form Das Monument soll der Seele des Ver-
Giseh emporstrebe, graben sich ein paar keinen Toten aufnehmen kann. storbenen als Haus dienen.
Steinhauer mitten im Lärm und Durch- Schließlich durchdringen sich beide
* In der Pyramidenforschung sind viele Fragen unge-
einander der Baustelle zugleich in eben- klärt, konkurrieren unterschiedliche Theorien mitein-
Mythen: Um 2700 v. Chr. gibt Pharao
jenen Felsen hinein. ander. So sind sich die Wissenschaftler nicht einig, ob Djoser als erster Herrscher den Befehl,
die in den Felsen geschlagene Kammer ursprünglich
Einen Stollen haben sie angelegt, so den Leichnam des Cheops aufnehmen sollte oder eine
mehrere kastenförmige Gebäude über-
eng, dass dort nur zwei Mann gebückt andere Funktion hatte. A u c h die Form der für den Bau einanderzutürmen: zu einer in sechs
notwendigen Rampen ist umstritten. In beiden Fällen
nebeneinander Platz finden. Mit Kupfer- hat sich die Redaktion nach Abwägung der Fakten für
Stufen ansteigenden und weithin sicht-
meißeln brechen sie den Fels auf - Werk- eine plausible Theorie entschieden. baren Pyramide.

C H E O P S F O R D E R T D I E
Statuentransport auf einem Holzschlitten. Die Blöcke für die Pyramide werden auf gleiche Weise befördert: Arbeiter ziehen an den Seilen.
Vor die Kufen wird Wasser oder Nilschlamm gegossen, damit die Lasten besser gleiten (Rekonstruktion einer Grabmalerei)

Das Bauwerk ragt 60 Meter in den Sie senkt sich schon bald an einigen Hemiunu soll das Grabmal des neuen
Himmel empor - und in die Ewigkeit: Stellen ab, sodass Risse im Kammer- Gottkönigs errichten. Eine Pyramide,
Denn nach seinem Tod soll der König system entstehen. Um das Gewicht der wie sie die Welt noch nicht gesehen hat,
ins Jenseits aufsteigen. So wie der Son- Pyramide nicht so stark ansteigen zu gigantisch in den Dimensionen, voll-
nengott, nachdem er abends am Hori- lassen, verringern die Architekten den kommen in der Form.
zont versunken ist, jeden Morgen aufs Neigungswinkel - nun beschreibt der Ein Zeichen für die Allmacht des
Neue geboren wird und zum Firmament Bau auf fast halber Höhe einen Knick. Cheops als Herrscher der Beiden Länder,
emporstrebt. Die dritte, ebenfalls in Dahschur, wird als König Ober- und Unterägyptens, als
Snofru, der Vater des Cheops, ist der zwar wie geplant als echte Pyramide Garant für die Ordnung der Welt und das
erste Herrscher, der eine gestufte Pyrami- vollendet, doch sind ihre Seiten aus Wohl seiner Untertanen, im Leben und
de mit Steinen zu einer echten Pyramide Vorsicht relativ flach geneigt. weit darüber hinaus.
mit glatten Außenflächen verkleiden Als Snofru um 2604 v. Chr. stirbt, ha-
lässt. Vielleicht, weil sie so als ein Abbild ben ägyptische Architekten bereits seit NIEMAND KANN HEUTE SAGEN, ob es
der Strahlen erscheint, die die Sonne zur fast 100 Jahren Erfahrungen in der Kon- in den königlichen Archiven Papyri mit
Erde wirft. Vielleicht aber auch, weil sie struktion dieser Grabbauten gesammelt, Entwürfen der bereits vollendeten Pyra-
den gewachsenen Machtanspruch der haben immer neue Techniken erprobt. miden gibt. Ohnehin ist das Bauwerk,
Pharaonen vollendet verkörpert. Nun fordert Cheops von ihnen die dessen Errichtung Cheops befiehlt, ein-
Drei gewaltige Pyramiden entstehen perfekte Pyramide; nicht im Schatten der zigartig: Es wird an seinen Grundseiten
in Snofrus Auftrag. Die erste, in Mei- Grabstätten seines Vaters bei Dahschur, jeweils rund 230 Meter messen, und die
dum, wird noch als Stufenbau geplant sondern 20 Kilometer weiter nördlich, vier Seiten werden sich so neigen, dass
und erst später zur echten, geometrisch nahe dem heutigen Giseh. Dort ragt ein sie in gut 146 Meter Höhe in einer Spitze
exakten Pyramide erweitert. mächtiges Kalksteinplateau aus dem zusammenlaufen - knapp 40 Meter hö-
Die zweite, in Dahschur, lässt der Pha- Wüstensand - zugleich stabiler Bau- her, als Snofru gebaut hat. Und höher als
rao auf weichem Tonschiefer errichten. grund und unerschöpflicher Steinbruch. jedes andere Bauwerk auf der Erde.

P E R F E K T E P Y R A M I D E
Auf dem bereits
vollendeten Fundament,
das entlang einer exakt
in West-Ost-Richtung verlau-
fenden Richtschnur (links)
gebaut wurde, setzen Arbeiter
die erste Lage Steine. Während
Schlepptrupps Schlitten mit
weiteren Blöcken heranziehen,
kümmern sich Handwerker
(Vordergrund) bereits um die
Feinpositionierung der Quader:
Deren Seiten werden zurecht-
gesä'gt, ein Steinmetz prüft,
ob die Oberfläche genau waage-
recht ist, ein anderer kenn-
zeichnet den Neigungswinkel
der Außenwand von knapp
52 Grad. Auf der Oberseite des
Quaders kann er dann
markieren, wo die nächste
Steinlage enden soll
Wahrscheinlich lässt Hemiunu zuerst
für jede Bauphase Pläne auf Papyrus
zeichnen, vielleicht sogar Holzmodelle
anfertigen - doch nichts davon hat die ein Querholz miteinander verbunden
Zeiten überdauert. sind. Von der Spitze des Winkels hängt
Seine Konstrukteure errechnen, dass ein Senklot herab.
sie Steinblöcke mit einem Gesamtvolu- Nur wenn die Waage auf einer völlig
men von 2,4 Millionen Kubikmetern und ebenen Fläche steht, zeigt das Lot auf ei-
einem Gewicht von etwa sechs Millio- ne Markierung in der Mitte der Querleis-
nen Tonnen aufeinandertürmen müssen. te. Heben die Vermesser das Instrument
Gewiss wird Hemiunu einen Zeitplan auf lange Holzbretter, können sie damit
erstellen lassen, ist doch die Zeit sein auch größere Strecken kontrollieren.
großer Gegner: Jahrzehntelang wird er Nach ein paar Monaten wohl sind
bauen müssen. alle Pläne gezeichnet, ist das Areal ver-
messen und eingeebnet. Nun erst wird
IRGENDWANN UM 2604 V. CHR. betre- der karge Felsen am Rand der Wüste
ten Hemiunus Vermesser in sternenklarer zur Bühne imperialer Betriebsamkeit,
Nacht das Plateau von Giseh: Endlos weit zur bis dahin größten Baustelle in der
und dunkel erstreckt sich die steinige Geschichte der Menschheit.
Wüstenlandschaft an drei Seiten; nur im Mehrere Tausend Arbeiter strömen
Osten liegt fruchtbares Land und, einige fortan Tag für Tag bei Sonnenaufgang
wenige Kilometer entfernt, das silbern aus den umliegenden Dörfern herbei, sie
glänzende Band des Nil. kommen zu Fuß oder über Kanäle in
Die Vermesser blicken zum Firma- Booten. Im Süden, hinter einer großen
ment empor, suchen einen jener Sterne, Mauer, steigt Rauch von Bäckereien auf.
die niemals am Horizont versinken. Dort erstreckt sich eine Siedlung für
Dann verfolgen sie über Stunden dessen vielleicht 5000 Steinmetze, Zimmerer,
Laufbahn und ermitteln dabei dessen Schmiede und andere Handwerker, die
westlichsten und östlichsten Punkt. Ge- ständig für den Pharao arbeiten.
nau in der Mitte liegt Norden. Dort- Etwas südlich davon liegt ein Hütten-
hin soll eine der vier Pyramidenseiten dorf für die größte Gruppe unter den
weisen. Pyramidenbauern: die der einfachen
Exakt in Nord-Süd-Richtung schlagen Arbeiter. Tausende junge Männer aus
Arbeiter nun Löcher in den Fels, ram- allen Teilen Ober- und Unterägyptens
Die beiden Rampen- men Holzpfosten hinein und spannen sind zum Dienst an dem großen Werk
die linke führt zum Hafen, dazwischen ein Seil. Diese Linie wird verpflichtet worden. Sie sind keine Skla-
die rechte zum Steinbruch - den Konstrukteuren bei allen weiteren ven - es ist eine ehrenvolle Aufgabe, für
vereinen sich in etwa 30 Meter Vermessungen zur Kontrolle dienen. Pharaos Unsterblichkeit zu bauen.
Höhe. Über die aus Schutt In den Monaten darauf ebnen Stein- Unweit des Felsens entsteht zudem
und Sand geoauten, außen mit hauer den Felsen, lassen dabei aber in eine kleine Stadt für Priester und
Steinen befestigten Dämme
der Mitte eine mächtige Gesteinsmasse Beamte. Und wahrscheinlich lässt sich
ziehen Arbeiter auf Schlitten
stehen. Hemiunu will die Erhebung Cheops für seine häufigen Besuche an
die Steinblöcke in die Höhe.
überbauen und so die Arbeitszeit für die der Baustelle einen Palast errichten.
Mit der Pyramide wächst auch
Pyramide verkürzen. Jeden Tag arbeiten wohl mehr als
die Rampe, die schließlich
Der übrige Grund muss indes abso- 20000 Menschen auf dem Bauplatz,
fünf Kehren hat und das Monu-
lut plan sein. Vermesser prüfen immer im nahen Steinbruch und in den Sied-
ment vollständig verdeckt
wieder den Fortschritt der Arbeiten mit lungen. Unzählige Helfer schlachten für
hölzernen Setzwaagen. die Arbeiter Ziegen und junge Rinder,
Das sind zwei Leisten, geformt wie rösten Fleisch, pressen Brotteig in töner-
ein auf den Kopf gedrehtes V, die durch ne Backformen, brauen Bier, trocknen

D I E A R C H I T E K T E N A R B E I T E N
trollieren sie den Abstand zur parallel
verlaufenden Orientierungslinie - denn
die Wärme der Luft sowie unterschied-
Nilfische, schöpfen Trinkwasser aus den liche Spannungen können die Länge einanderliegenden Quaderseiten so lan-
Brunnen und Reservoiren und tragen es der Stricke verändern und zu fatalen ge mit Kupfersägen und Meißeln, bis sie
über die Baustelle. Fehlern führen. exakt zusammenpassen.
Täglich laufen Lastkähne in die zwei Dann legen sie zur Bestimmung eines Schließlich ritzen sie noch seitliche
Häfen östlich der Baustelle ein, Stich- Winkels von 90 Grad an der Nordostecke Markierungen in die Steine; die geben
kanäle verbinden sie mit dem Nil. An ein großes hölzernes Dreieck an, ziehen die Neigung der Pyramide an. Fünfein-
den Kaimauern sind zahlreiche Last- damit einen rechten Winkel und überprü- halb Handbreit Rücksprung (rund 41
kähne vertäut. Packer laden Getreide fen ihn, indem sie das Instrument auch Zentimeter) auf eine Elle Steigung (rund
und Datteln von den Decks, aber auch auf der Gegenseite anlegen. Sie messen 52 Zentimeter) ist das Maß - das ergibt
Geflügel, Schafe und Rinder, bestimmt die zweite Seitenkante, bestimmen in der einen Winkel von knapp 52 Grad. Die
für den Unterhalt der Bauarbeiter. nächsten Ecke einen weiteren rechten überstehenden Teile der Verkleidungs-
Für die Fundamentlage wollen He- Winkel und ritzen die westliche Pyrami- blöcke schlagen die Männer aber noch
miunus Architekten nicht den lokalen denseite auf das Fundament. nicht ab - erst am Ende wird die Pyra-
Kalkstein aus Giseh verwenden. Der Sie arbeiten mit ungeheurer Präzi- mide eine glatte Oberfläche erhalten.
Bauleiter hat daher längst veranlasst, sion. Der größte Fehler, der ihnen bei der Block an Block fügen die Arbeiter das
dass Arbeiter sich in das 15 Kilometer Winkelmessung (an der Nordostecke) Grundquadrat zusammen, setzen die Lü-
entfernte Tura einschiffen, um aus den unterläuft, macht 58 Bogensekunden cken zum Felskern mit Kalksteinen aus
dort steil zum Niltal abfallenden Ausläu- aus - nicht einmal den sechzigsten Teil Giseh zu. Es vergehen wohl Wochen, bis
fern des Mokkatam-Gebirges feinsten eines Grades. Auch die vier Seiten des die erste Steinlage der Pyramide kom-
Kalkstein zu brechen. Pyramidenquadrats am Boden weichen plett ist. Sie misst nicht mehr als andert-
Eine zweite Truppe reist noch vier vom Idealwert von 230,36 Metern nicht halb Meter in der Höhe - ein Hundertstel
Kilometer weiter flussaufwärts, um in mehr als 3,2 Zentimeter ab. auf dem Weg nach oben ist geschafft.
Maasara Steine zu gewinnen. Die Männer arbeiten von Sonnen-

H
Schiffer transportieren die Blöcke auf emiunu kann nun Befehl aufgang bis zur Dämmerung, zu jeder
großen Barken nach Giseh. Im Hafen geben, entlang der Mar- Jahreszeit. Ständig angetrieben von
wuchten Männer die Steine mit Hebe- kierung die erste Steinlage Hemiunus Aufsehern und Vorarbeitern,
vorrichtungen auf Holzschlitten. Schlep- der Pyramide zu verlegen. die den Wettstreit zwischen den Mann-
per ziehen sie auf einer Schleifbahn hoch Die Steinmetze beginnen schaften schüren.
zum Bauplatz. in einer Ecke mit einem mächtigen Qua- Abends kehren die Pyramidenbauer
Oben warten die Steinmetze schon der, behauen seine Seiten, bis sie völlig erschöpft in ihre Dörfer oder in die Sied-
auf die Fracht. Sie haben den Felsstumpf glatt sind. lungen zurück. Erfrischen sich mit Bier
bereits in Terrassen abgetragen. Jetzt Dann schieben Arbeiter den nächsten aus Tonkrügen. Nach einigen Stunden
behauen sie die Kalksteine so exakt, weißen Verkleidungsstein auf Holzrollen Schlaf beginnt die Knochenarbeit von
dass sie ohne Mörtel zusammenpassen, heran. Er hat unten an den Seitenflächen Neuem.
und legen das Fundament, dessen Fläche Vertiefungen, dort können die Arbeiter Gut 300 Meter südlich der Baustelle,
nur wenig größer ist als die der geplanten mit Hebelbalken ansetzen und ihn an im Steinbruch von Giseh. blitzen mehr
Pyramide. den Eckstein schieben. Das letzte Stück als 1000 Meißelklingen in der Morgen-
Auf diesen Untergrund ritzen die Ver- gleitet der Block auf einem Mörtel- sonne, hallen metallische Schläge durch
messer anschließend den Umriss der gemisch aus Gips. Sand und Kalkstein- die Luft, wirbeln Wolken von Stein-
ersten Steinlage: ein perfektes Quadrat, splittern, das Helfer zuvor auf das Fun- staub auf. Hier lösen Spezialisten grobe
präzise ausgerichtet nach den vier Him- dament gegossen haben. Blöcke aus den bis zu zehn Meter ho-
melsrichtungen, orientiert an der einst Die Verkleidungssteine aus den Brü- hen Kalksteinwänden, Material für den
bei Nacht angelegten Kontrolllinie. chen von Tura und Maasara müssen dicht Kern der Pyramide. Steinmetze formen
Dazu stecken die Spezialisten mit aneinanderstoßen, damit nicht später sie zu tonnenschweren Quadern. Auf-
langen Messlatten und Stricken die öst- Flugsand oder Regenwasser ins Mauer- seher registrieren jeden Stein, um später
liche Seitenkante ab und markieren sie werk der Pyramide eindringen können. die Tagesleistung der Mannschaften kon-
auf dem Fundament. Immer wieder kon- Daher bearbeiten Steinmetze die neben- trollieren zu können.

M I T G R O S S E R P R Ä Z I S I O N
In einer Höhe von etwa 60 Metern führt der Zuweg auf eine Bauplattform,
die den hellen Kalkstein der Pyramidenkonstruktion umschließt. Hunderttau-
sende Quader werden für das Grab des Cheops benötigt; Arbeiter schlagen
sie aus dem Steinbruch links und rechts des Rampenfußes. Weiteres Material wie
der Rosengranit für die Grabkammer, aber auch Nahrungsmittel werden per
Schiff transportiert und in einem der über einen Kanal mit dem Nil verbundenen
Häfen angelandet (oben Mitte). Rund 20 000 Menschen sind ständig für den
Bau tätig; wer nicht in einem nahen Dorf wohnt, kommt in einer von mehreren
Hüttensiedlungen unter, etwa entlang des Wasserweges oder südlich des
Steinbruchs (ganz rechts oben). Handwerker haben ihre eigene Kolonie, ebenso
Priester und Beamte, die den Fortschritt der Arbeiten kontrollieren
durch den Felsen und das bereits auf-
getürmte Gestein schlagen lassen? Um
dann nach weiteren Monaten der Pla-
Dann lassen sie den Quader auf einen ckerei festzustellen, dass auch der. wie Und vielleicht ist es gerade dieser
Holzschlitten wuchten und festschnüren. bereits der erste Schacht, zu wenig reine Gedanke, der Cheops bezaubert, der die
Etwa 20 Arbeiter stehen jedes Mal bereit, Luft in die Tiefe führt? Was würde der Pyramide rettet - und den Kopf ihres
sich vor den Schlitten zu spannen. Sie Pharao dazu sagen? Baumeisters.
schultern die Seile, die aus mehreren Keine Einzelheit aus jenen Tagen
Strängen von Papyrus- oder Palmfasern hat die Zeiten überdauert, doch ist es evor aber überhaupt mit
gewunden und besonders reißfest sind. undenkbar, dass er Cheops über das der Konstruktion der ersten,
Handlanger gießen aus Tonkrügen Problem nicht informiert. Und was auch gut 30 Quadratmeter großen
Wasser und Nilschlamm vor die Kufen, immer er seinem Herrscher mitgeteilt Kammer begonnen werden
damit das Gefährt besser über die harte hat: Hemiunu rettet seinen Kopf. Denn kann, müssen die Arbeiter
Schleifpiste gleitet. er bleibt in der Gunst des Pharao und 25 Steinlagen vollenden. Als es schließ-
Die Männer ziehen an, setzen den leitet weiterhin den Bau. lich so weit ist, führen sie die Kammer-
Schlitten in Bewegung. Eine Strecke von Während die Arbeiter unbeirrt Qua- wände in poliertem Tura-Kalkstein aus
etwa 20 Minuten liegt vor ihnen. Sie der auf Quader türmen, ändern Hemiunu und setzen von oben ein Giebeldach
führt über eine an den Seiten befes- und seine Baumeister den Plan: Nicht aus gewaltigen Steinbalken auf.
tigte Rampe aus Steinen. Schutt und länger unter der Pyramide soll die Die Grabkammer wollen die Bau-
Sand, denn die Baustelle liegt rund 15 Mumie dereinst ruhen - sondern mitten meister noch aufwendiger ausstatten.
Meter höher als der Steinbruch. in ihr. Die Grabkammer, deren Errich- Daher schickt Hemiunu Steinmetze auf
Dutzende weitere Zugmannschaften tung im Felsen gescheitert ist, soll nun eine weite Reise: Soldaten begleiten sie
sehen die Männer vor sich, während in das bereits teilweise fertiggestellte zum Schutz vor Beduinenüberfällen.
ihnen auf der Gegenseite leere Schlitten Monument hineingebaut werden. Wochenlang segelt die Kahn-Flotte
entgegenkommen. Alle paar Minuten Und so entwerfen sie zwei oberirdi- den Nil aufwärts, um die Steine für
muss sich im Steinbruch ein Gespann in sche Kammern, durch mehrere Korridore Cheops' Ruhestätte zu beschaffen - bis
Marsch setzen, damit auf dem Pyrami- untereinander und mit dem Eingang ver- in die 660 Kilometer entfernte Region
denstumpf der Nachschub nicht abreißt. bunden. Der Einstieg soll an der Nordseite des heutigen Assuan. Denn allein dort,
Es dauert einige Monate, bis die liegen, in rund 17 Meter Höhe. Von dort auf der östlichen Flussseite, lässt sich der
Männer dort die Oberkante der stehen soll ein Gang durch das Mauerwerk erst kostbare Rosengranit brechen. Der hell-
gelassenen Felsspitze in etwa acht Meter schräg abwärts führen, bis zu dem bereits rosarote Stein liegt in großen Blöcken
Höhe erreicht haben. Auch die Rampe gegrabenen Korridor im Felsen, dann am Ufer verstreut.
vom Steinbruch muss mit jeder neuen nach oben abknicken und wieder bis auf Es ist eine der härtesten Arbeiten des
Steinlage weiter emporgeführt werden. 22 Meter Pyramidenhöhe ansteigen. ganzen Pyramidenbaus: Nur mit beiden
Nur mitten auf der Baustelle wird eine An dieser Stelle soll sich die enge Händen können die Steinmetze die bir-
kleine Stelle nicht von Steinblöcken Passage weiten, zu einer schräg anstei- nenförmigen, bis zu sieben Kilogramm
bedeckt: Hier führt der Korridor schräg genden und fast neun Meter hohen Gale- schweren Hämmer aus dem harten Ba-
in den Felsen hinunter, tief in die ersti- rie. An deren Fuß wird ein waagerechter saltgestein Dolerit in die Höhe heben.
ckende Düsternis... Gang zur ersten der beiden oberirdischen Schlag um Schlag lassen die Männer
Kammern abzweigen. ihr steinernes Werkzeug direkt auf den
ETWA ZU DER ZEIT, da die Pyramide In dieser Kammer werden vielleicht Granit hinabsausen.
schon um acht Meter in die Höhe ge- später jene Dinge deponiert, die der Pha- Anschließend zerlegen sie die grob
wachsen ist. melden die Vorarbeiter der rao in seinem jenseitigen Leben benötigt. behauenen Blöcke mit Kupfersägen; da-
kleinen Gruppe in der unterirdischen Erst in 43 Meter Höhe über dem Boden bei streuen sie unter das Blatt ein Schleif-
Grabkammer Hemiunu, dass ihre Stein- soll der Zugang zur eigentlichen Grab- gemisch aus Wasser, Gips und Quarz-
hauer keine Luft und keine Kraft mehr kammer des Cheops liegen, dem neuen sand. Denn nur Quarz, das härteste jener
haben, um auch nur einen weiteren Allerheiligsten des gesamten Bauwerks. Mineralien, aus denen Granit besteht,
Schlag zu tun. Nicht mehr in der Erde, sondern im vermag den Stein überhaupt zu schnei-
Welche Wahl bleibt dem Bauleiter? Himmel wird der Pharao nun sein jen- den. Hunderte Granitblöcke bearbeiten
Soll er noch einen zweiten Luftschacht seitiges Leben beginnen. die Männer auf diese Weise.
Richtung des Hafens sowie vom Stein-
bruch zur Baustelle hinaufführen.
Hemiunu und die Konstrukteure wis-
Einen Monolithen aber höhlen sie sen, dass die Rampen niemals in direkter
mit Röhrenbohrern aus - kupfernen Linie bis zur Pyramidenspitze reichen
Hohlzylindern, die auf eine hölzerne können. Denn schon bald würde der
Triebstange gepfropft sind. Versetzt man Transportweg zu steil für die Zugmann-
die Stange in schnelle Umdrehungen schaften - ganz abgesehen davon, dass
und gibt dabei Quarzsand zu. lassen sich Hemiunu zur Errichtung derartiger Ram-
zylinderförmige Stücke aus dem Granit pen weitaus mehr Material benötigen
schneiden. würde als für die Pyramide selbst.
Ein ganzes Jahr benötigen die Männer Daher haben die Architekten von
wahrscheinlich, um eine mehr als zwei Beginn an beide Rampen auf die Süd-
Meter lange Wanne sowie einen Deckel westecke der Pyramide zugeführt; hier
aus dem hellrosaroten Block zu formen: wachsen sie bis auf 30 Meter mit dem
den Sarkophag des Cheops. Bauwerk in die Höhe. Von dieser Ecke
Dies ist nicht die einzige Expedition, aus soll dann ein einziger Weg. ange-
die im Auftrag des Pharao aufbricht, um lehnt an die Westflanke, kontinuierlich
dringend benötigte Materialien herbei- auf 62 Meter führen: eine schräg auf- Die Rampenkonstruktion an der Pyra-
zuschaffen. Ein Trupp reist 870 Kilo- steigende Rampe, die die Pyramide als mide aus der Vogelperspektive, daneben der
meter nach Süden, um aus einem Stein- Unterlage nutzt. südliche Steinbruch sowie zwei durch
bruch bei Abu Simbel den Schmuckstein Schon jetzt misst der Anstieg, den einen Kanal verbundene Häfen
Amethyst nach Giseh zu bringen. die Zugmannschaften die Rosengranit-
Andere Mannschaften besorgen Gips quader aus Assuan emporziehen müssen,
und Basalt aus dem Fajjum. Kupfer mehrere Hundert Meter. Vorsichtig be-
für die Meißel vom Sinai und für wegen sie ihren Holzschlitten über die KEINE QUELLE VERRÄT, wie viele
die Statuen das Hartgestein Diorit aus Rampe. Auch oben auf dem Stumpf ist Jahre es dauert, bis die Arbeiten an den
Nubien. es gefährlich, die bis zu 50 Tonnen Kammern und Gängen abgeschlossen
Zwei Regimenter mit 400 Soldaten schweren Quader zu bewegen. Helfer sind. Erst 85 der 210 Steinlagen der
marschieren mehr als 500 Kilometer in hieven sie mit Seilen und Hebegerüsten Pyramide haben die Arbeiter jetzt ver-
die westliche Wüste, um dort Buntsand- in Position. legt - aber immerhin schon 82 Prozent
steine und Tonerde zu Pigmenten zu zer- Aus rund 800 Tonnen Rosengranit der gesamten Steinmasse.
reiben und in Lederbeuteln nach Giseh formen die Männer Boden und Wände Viele wohl erleben diesen Augenblick
zu tragen - wohl niemals zuvor hat sich der rund 55 Quadratmeter großen Grab- nicht mehr. Die Arbeit ist zermürbend,
eine ägyptische Expedition so weit in kammer. Die Decke aus Monolithen strapaziert Glieder und Knochen. Immer
die lebensfeindliche Sandsee vorgewagt. überspannt sie in fast sechs Meter Höhe. wieder verletzen sich Arbeiter, stürzen
Auf der Pyramidenbaustelle werden die Keine Malerei, keine Inschrift ziert die auf den Rampen, brechen sich Arme
Farbstoffe für Zeichen und Markie- polierten Wände. oder Beine. In solchen Fällen umsorgen
rungen gebraucht. Der Sarkophag für die Mumie des sie medizinkundige Männer, schienen
Zudem lässt Hemiunu große Men- Cheops steht bereits in der Kammer - er Knochenbrüche mit Holz, operieren
gen Holz herbeischaffen - für Rollen, würde später nicht mehr durch die engen nicht nur bei Unfällen: Einem Arbeiter,
Hebelstangen. Hammerstiele, Transport- Gänge der Pyramide passen. so lässt dessen ausgegrabener Schädel
schlitten und Gerüste. Das einheimische Dann türmen die Arbeiter über dieser vermuten, entfernen die Chirurgen ein
Holz von Tamariske, Akazie oder Palme Kammer vier Lagen aus riesigen Granit- Krebsgeschwür aus dem Kopf.
ist für diese Zwecke ungeeignet; der balken auf, jeweils getrennt durch einen Jahr um Jahr schlagen die Untertanen
Bauleiter bestellt daher Tannen-, Zedern- schmalen Hohlraum, mit einem monu- des Cheops Blöcke aus den Wänden der
und Zypressenstämme aus der Levante. mentalen Giebeldach aus Kalkstein als Steinbrüche, pendeln auf Lastkähnen
Etwa 50 Steinlagen ragt der Pyrami- Abschluss. Die Konstruktion soll später zwischen Tura und Giseh, stemmen sich
denstumpf bereits empor. Mit ihm sind den Druck des Pyramidenmassivs von in die Seile der Holzschlitten und ziehen
die beiden Rampen gewachsen, die aus der Decke der Grabkammer nehmen. nach und nach mehrere Hunderttausend
Nach etwa 20 Jahren Bauzeit ist das Monument vollendet; auch die
Spitze - vermutlich eine um das Hundertfache verkleinerte, 6,5 Tonnen
schwere Kopie der Pyramide - haben Spezialisten auf ihren Platz
gehievt. Doch die Arbeit ist noch nicht getan: Die Rampen müssen abgebaut
werden. Und erst jetzt schlagen Steinmetze die überstehenden Teile
der Verkleidungsblöcke ab. Mit feinen Meißeln glätten sie die Oberfläche,
damit das Grabmal weithin sichtbar in der Wüstensonne leuchtet
Die in den Felsen unter
der Pyramide gehauene Grab-
kammer bleibt unvollendet;
Arbeiter stellen den Sarkophag
des Pharao stattdessen in
einem Raum auf, der in 43 Meter
Höhe fast genau im Zentrum
des Monuments liegt. Die
Funktion der Kammer schräg
darunter ist unklar

Quader in schwindelnde Höhen. Und kleinert: 2,3 Meter lang und 1,47 Meter unvollendete Grabkammer, liegt nun
doch wächst das Grabmal im Durch- hoch. Ihre Grundfläche misst etwas mehr verborgen unter Millionen Tonnen Stein.
schnitt nur um etwa einen halben Meter als fünf Quadratmeter. Doch noch immer gehen die Arbeiten
pro Monat empor. Nur wenig mehr an Fläche steht den weiter: An ihrer Basis frieden Hand-
Am ehesten ist der Fortschritt noch Arbeitern in 145 Meter Höhe zur Ver- werker die Pyramide mit einer acht Me-
an der Rampe zu erkennen. Inzwischen fügung, um den 6.5 Tonnen schweren ter hohen Umfassungsmauer ein. Nur
windet sie sich in drei weiteren Kehren Block in Position zu manövrieren. Es an der Ostseite lassen sie eine kleine
spiralförmig um die Pyramide nach braucht das gesamte Geschick der Er- Schneise in der Mauer - für Cheops' Be-
oben. Bis auf 133 Meter. bauer, die Pyramide zu vollenden. gräbniszug. Hier stößt ein Totentempel
Hier ziehen Helfer Mauern hoch und Und es gelingt. Indes: Fertig sind die an die Umfassung, mit einem Kolonna-
schütten Geröll auf für die letzte Win- Männer noch keineswegs. Hebekon- denhof und vermutlich einem Opferaltar
dung. Immer enger wird der Platz dort struktionen, Holzgerüste und Rampe in der Mitte.
oben und immer steiler der Schleifweg. müssen noch abgebaut werden. Und erst Von diesem Heiligtum fühlt ein
Vielleicht lässt Hemiunu daher die jetzt schlagen die Steinmetze die über- 700 Meter langer, überdachter und mit
letzten Höhenmeter mit kleinen Stufen- stehenden Teile der Verkleidungssteine Reliefs verzierter Weg hinab ins Tal. bis
rampen und Hebevorrichtungen über- ab, glätten den feinen Tura-Kalkstein mit zu einem weiteren Tempel unweit des
brücken: Holzgerüsten mit steinernen kleinen, acht Millimeter breiten Spezial- Hafens. Hier soll dereinst Pharaos Reise
Umlenkrollen an der Spitze, über die an meißeln. Monatelang hüllt das Kling- ins Jenseits beginnen.
Seilen Blöcke und andere Baumateria- klang der Werkzeuge die Pyramide ein, Tatsächlich sind diese Gebäude nur
lien hochgezogen werden können. prasseln Steinbrocken und -bröckchen ein Teil jener zahlreichen Bauten, die
Schließlich gelingt es den Schleppern, von dem Monument herab. in den letzten Jahren in Giseh entstan-
auch für die letzte der 210 Steinlagen Endlich sind alle Seiten der Pyra- den sind: Drei kleine Pyramiden östlich
genug Quader anzuliefern. mide freigelegt und geglättet, leuchtet von Cheops' Grabmal sind für Gemah-
Noch aber ist die Pyramide oben das jahrzehntelang von der Rampenkon- linnen des Pharao sowie für seine Mutter
stumpf. Die Spitze fehlt, vermutlich eine struktion verdeckte Bauwerk blendend bestimmt, eine weitere dient zu Kult-
besonders sorgsam aus Tura-Kalkstein hell im Wüstenlicht. zwecken. Wenige Meter östlich davon
gearbeitete Miniatur der gesamten Pyra- Hemiunu hat den Auftrag seines Kö- liegen die Mastabas der Prinzen und
mide - aber um das Hunderlfache ver- nigs erfüllt. Der Makel der Pyramide, die ihrer Gemahlinnen.
und schließen den Deckel. Dann lösen
sie, wohl unter Mithilfe von Arbeitern,
im Vorraum drei tonnenschwere Granit-
Westlich der Pyramide erstreckt sich blöcke, die an Seilen aufgehängt sind, Unterägyptens, mehrere Gauvorsteher
ein Friedhof, der hohen Beamten der aus ihren Halterungen. Wie Fallgitter schwingen sich auf zu Fürsten, einige
Bau- und Hofverwaltung vorbehalten ist. stürzen die Quader herab und blockieren gar zu Königen.
Die Elite des Staates darf an der Unsterb- den Zugang zur Grabkammer. Und bereits in dieser Zeit wohl plün-
lichkeit des Pharao teilhaben. In der Großen Galerie halten bislang dern Grabräuber den „Horizont des
hölzerne Querbalken drei Granit- und Cheops". Beschaffen sich vielleicht die
m 2575 v. Chr. kommt der etwa 20 Kalksteinblöcke im Mittelgang alten Baupläne, treiben einen Querstol-
Moment, dem rund zwei in Position. Vorsichtig lösen Arbeiter len in das Bauwerk und umgehen so
Jahrzehnte lang die An- nun die Sperren und lassen die Steine die drei Blockiersteine aus Granit im
strengungen von Zehntau- in den Korridor rutschen. aufsteigenden Gang. Zertrümmern mit
senden galten, dem wohl Nun ist nur noch ein einziger Weg Meißelhieben die sich daran anschlie-
mehr als eine Milliarde Arbeitsstunden nach draußen offen: der schmale Schacht, ßenden Kalksteinblöcke - und dringen
gewidmet wurden: Nach einer Regie- der einst die Steinmetze in der verhäng- in die Grabkammer ein. Hebeln den
rungszeit von vielleicht 30 Jahren stirbt nisvollen Felskammer mit Luft versor- Sarkophagdeckel auf, erbeuten Cheops'
Pharao Cheops. gen sollte. Ihn haben die Konstrukteure Mumie und alles, was sie an Schätzen
Niemand weiß heute, ob Balsamierer bis zur Galerie nach oben hin verlängert. begleitet haben mag. Spätere Genera-
seinen Leichnam wie die Körper späterer Die Arbeiter zwängen sich durch diesen tionen verschonen auch das Bauwerk
Könige für die Ewigkeit präparieren. engen Schacht nach unten und steigen selbst nicht und nutzen die Pyramide als
Doch ist es gut möglich, dass schon zu von dort durch den ältesten, einst für Steinbruch.
Cheops" Zeiten die Technik der Mumi- die Felskammer angelegten Korridor Im 9. Jahrhundert n. Chr. lässt Kalif
fizierung üblich ist. Dabei entnehmen wieder zum Eingang auf. Abdullah al-Mamun in der Hoffnung auf
Spezialisten alle inneren Organe bis auf Oben angekommen, lassen sie etwa unermessliche Reichtümer eine Bresche
das Herz. Stopfen in Bauch und Brust 100 Quader in den Gang hinabgleiten. in das Mauerwerk schlagen. Zwar stößt
Säckchen mit Natron, trocknen den Mit Verkleidungssteinen blockieren sie er auf den alten, mittlerweile wieder
Körper auch mit aufgeschichtetem Salz schließlich den Eingangsbereich. Nie- verschlossenen Grabräubergang, doch
aus - die Prozedur beansprucht mehrere mand soll den Zugang erahnen, niemand findet er, so heißt es in den legenden-
Wochen. Ölen die Haut, bevor sie den die Totenruhe des Pharao stören. haften Berichten seiner Tat, nur eine
Leichnam mit Leinentuch bandagieren „Horizont des Cheops" nennen die Schüssel voller Goldstücke, deren Wert
und die Mumie in einen Holzsarg betten. Priester den Bau. Der Name verweist auf gerade einmal seine Ausgaben für die
Wahrscheinlich tragen Priester den die Schwelle zum Jenseits, jene Region, Unternehmung deckt.
verstorbenen Cheops nach der Präpa- in der sich Himmel und Erde berüh- Lange vorher sind Grabräuber auch in
rierung über den Aufweg vom Tal- zum ren, der Sonnengott am Morgen aus der eine auffällig große Mastaba auf dem
Totentempel hinauf und durch die Unterwelt aufsteigt und am Abend in sie Beamten-Friedhof westlich der Pyrami-
schmale Pforte in den Pyramidenhof. hinabtaucht. de eingedrungen. Sie entdeckten eine
Geben ihm jetzt wohl auch an Gerät- Dorthin soll jetzt, so hat es den An- Statue aus Kalkstein, farbig bemalt, die
schaften mit auf den Weg, was im Jen- schein, Cheops' Seele reisen können, Hieroglyphenzeichen im Sockel dick mit
seits unentbehrlich ist. durch zwei kleine Schächte - obgleich Pigmenten eingelegt: Die Figur zeigt
Eine letzte Rampe führt zum Eingang sie von außen verschlossen sind, damit Hemiunu in sitzender Haltung.
der Pyramide in fast 17 Meter Höhe. Die nicht Flugsand und Regen eindringen. Der Pharao, so verrät eine Inschrift,
Sargprozession zieht durch die engen Um die Pyramide liegen zerlegte Bar- ernannte seinen Neffen sogar zum „leib-
Korridore und die Große Galerie bis in ken aus Zedernholz in Bootsgruben sym- lichen Königssohn". Und nur wenige
die Grabkammer aus Rosengranit. bolisch bereit zur Himmelsfahrt. In einer Beamte unter Cheops haben je ein so
Priester versenken den Holzsarg mit von ihnen soll der Pharao künftig an der prächtiges Grab erhalten, keiner eine
der Mumie des Cheops im Sarkophag Seite des Sonnengottes Tag und Nacht ausdrucksstärkere Statue. Beides wohl
durchqueren. Zeichen des Dankes.
Für jenen Mann, der ihm die größte
Literatur: Mark Lehner, ..Geheimnis
der Pyramiden". Bassermann; einer der FAST 400 JAHRE LANG opfern die Pries- aller Pyramiden errichtete. •
besten Kenner der Pyramiden beschreibt ter der Pyramidenstadt des Cheops
die Arbeitstechniken der Steinmetze und Dr. Ralf Berhorst, 4 1 , ist Journalist in Berlin
Konstrukteure von Giseh; reich illustriert. zu Ehren des toten Pharao, lobpreisen und schreibt regelmäßig für GEOEPOCHE. Die
Michael Haase, ..Das Vermächtnis des Illustrationen des Hamburger Grafikers Tim
Cheops". Herbig; erzählt sehr anschaulich
seinen Namen. Dann aber zerbricht die Wehrmann, 33. beruhen auf den Erkenntnissen
und klar vom Bau der Großen Pyramide. Einheit der Beiden Länder, Ober- und des Pyramidenforschers Mark Lehner.
DER HERR
DER BEIDEN LÄNDER
Nachdem es dem oberägyptischen Pharao Chasechemui um 2720 v. Chr. gelungen ist, Unterägypten zu erobern, leben die

Menschen am Nil ein halbes Jahrtausend lang in einem geeinten Land. Doch um 2200 v. Chr. zerfällt das Alte Reich. Uber

Jahrzehnte bekämpfen sich lokale Fürsten in der nunfolgenden Ersten Zwischenzeit. Bis Mentuhotep IL den Bürger-

kriegfür sich entscheidet, ganz Ägypten unter seine Herrschaft zwingt — und so das Mittlere Reich begründet

VON KAI M I C H E L

M
ächtig erhebt sich der Totentempel im Talkessel Nachkommen vererbten - aus den Gauvorstehern waren
von Deir el-Bahari auf der Westseite des Nil bei Provinzfürsten geworden.
Theben. Wer vom Fluss zu ihm hinaufsteigt, folgt Als Pharao Pepi II. im Jahr 2279 v. Chr. den Thron bestieg
einem langen Prozessionsweg, bevor er zu den und gut 50 Jahre lang amtierte, mehrten sich Misswirtschaft
Terrassen mit ihren Pfeilerumgängen und Hallen gelangt. und Unterschlagung. Etliche Gauvorsteher sorgten nicht
Bäume spenden Schatten. mehr ausreichend für die Pflege der B e w ä s s e r u n g s -
Es ist ein Bau, wie er einem Reichseiniger gebührt, systeme und versagten die Lieferungen an Getreide,
gewaltig und Demut gebietend. Denn er ehrt einen Früchten und Vieh, die dem König zustanden - und für
König, dem es um 2015 v. Chr. gelungen ist, nach a n - die Existenz des Landes unerlässlich waren.
derthalb Jahrhunderten der innerägyptischen Kriege Gegen Ende der Regierungszeit Pepis II. brach die
die weiße Krone des Südens mit der roten Krone des Versorgung des Landes zusammen. Viele Bewohner
Nordens wiederzuvereinen: Mentuhotep II. - den der so fruchtbaren Region litten Hunger. Einige der
Begründer des „Mittleren Reichs". neuen Herren in den Provinzen nutzten das Chaos
Um auch in Trockenzeiten die Versorgung ganz und überfielen Nachbargaue, um ihre Territorien
Ägyptens mit Getreide zu sichern, hatten die Pha- zu vergrößern.
raonen das Land vermutlich schon um 2700 v. Chr. Es kam zu Kriegen innerhalb Ägyptens.
in gut 40 Gaue eingeteilt, denen jeweils ein Am erfolgreichsten dabei war der Fürst
Staatsbediensteter vorstand. Anfangs gaben von Herakleopolis im Norden des Landes.
diese Beamten ihre Anweisungen von der Er kontrollierte mit Memphis Ägyptens alte
Hauptstadt Memphis aus, bald jedoch wurde Hauptstadt und ließ sich dort 2170 v. Chr.
es üblich, dass sie ihren A m t s - und W o h n - s o g a r z u m König krönen.
sitz vor Ort nahmen. Auch der Machthaber des weit entfernten
In ihren Gauen erhielten sie Landgüter, Theben im südlichen Oberägypten konnte
auf denen sie selbst für ihr A u s k o m m e n sich behaupten - und erhob sich ebenfalls
sorgen konnten, statt von Zuwendungen zum Pharao.
des Königshofs abhängig zu sein. Die hohen N u n standen sich auf ägyptischem Boden
Beamten wurden reicher und waren nach zwei Königtümer gegenüber, das von Theben
und nach immer weniger bereit, sich der und das von Herakleopolis.
Autorität des Pharao im fernen Memphis zu Zwar umkämpften die beiden Pharaonen
unterwerfen. immer wieder die Region zwischen ihren Rei-
Die steigende Bedeutung der Vorsteher
drückte sich in neuen, imposanten Titeln
wie ..Großes Gauoberhaupt" aus. Und bald Nach mehr als 150 Jahren Bürgerkrieg
wurde es selbstverständlich, dass diese i M herrscht ab 2015 v. Chr. wieder ein Pharao
hohen Beamten die Amtswürde an ihre über ganz Ägypten: Mentuhotep II.
chen, doch keiner suchte die Ent- Umgekehrt strahlen thebani-
scheidungsschlacht. sche Eigentümlichkeiten a u s in
Pharao Mentuhotep, der im Jahr das gesamte Reich. So haben die
2046 v. Chr. in Theben den Thron Thebaner zur Zeit der Spaltung
besteigt, respektiert zunächst den dem bis dahin wenig bedeutenden
Status quo: Großmütig benennt Gott A m u n Eigenschaften einer
er sich in seiner Titulatur als ..Der Sonnengottheit verliehen - viel-
das Herz der Beiden Länder leben leicht, weil das Heiligtum des tra-
lässt". Doch im 14. Jahr seiner Re- ditionellen Sonnengottes Ra weit
gierung nehmen die Herakleopoli- entfernt im gegnerischen König-
ten die Stadt Thinis an der Grenze reich lag. Dieser neue A m u n - R a
seines Machtbereichs ein, etwa 100 wird von seinem Heiligtum aus.
Kilometer nördlich von Theben. dem Karnak-Tempel bei Theben,
Nun m u s s Mentuhotep handeln. schon bald an die Spitze des P a n -
Zumal dem Gegner auch Abydos theons aufsteigen: als Reichsgott.
in die Hände fällt - jene heilige In Theben residiert nun sowohl
Stätte, an der Ägyptens erste Pha- die irdische als auch die göttliche
raonen beerdigt worden sind und Macht.
Pilger das Grab des Gottes Osiris Und wie in der Zeit der Pyrami-
verehren, des Herrschers über das denbauer von einst ziehen wieder
Totenreich. Expeditionen nach Punt - wahr-
Es gelingt dem thebanischen scheinlich an der Küste Eritreas
Heer. Thinis und Abydos zurückzu- oder Somalias gelegen -, um mit
erobern. Der Gegner kann fliehen, Weihrauch und Elfenbein, Myrrhe
Mentuhotep setzt ihm zunächst Seit e t w a 2 7 0 0 v. Chr. ist d a s L a n d in und Leopardenfellen zurückzu-
nicht nach - möglicherweise ist r u n d 4 0 G a u e aufgeteilt, die v o n V o r s t e h e r n kehren. Auf dem Sinai wird erneut
Theben für einen großen Krieg verwaltet werden. Diese s c h w i n g e n sich zu nach Türkisen gegraben.
noch nicht ausreichend gerüstet. F ü r s t e n auf u n d r i n g e n seit etwa 2 2 0 0 v. Chr. Schließlich ändert Mentuho-
Erst in den Jahren darauf kämp- tep, der sich nun ..Einiger der
um die V o r h e r r s c h a f t . 2 1 7 0 v. Chr. e r k l ä r t s i c h

fen sich seine Soldaten langsam der Fürst von Herakleopolis gar z u m König, Beiden Länder" nennen lässt, die
nach Norden vor. Zwar m ü s s e n sie w e n i g s p ä t e r gibt e s i n T h e b e n , d e m a n d e r e n bis dahin gültigen Pläne zu sei-
immer wieder Aufstände in längst Machtzentrum, ebenfalls einen Pharao nem Grabmal. Im Talkessel von
eroberten Gebieten niederschla- Deir el-Bahari auf der Wesfseite
gen. Doch durch seine Kontakte in des Nil bei Theben - dort, wo die
die Regionen südlich des ersten Kataraktes hat Mentuhotep Totengöttin Hathor die Verstorbenen in Empfang nimmt und
einen entscheidenden Vorteil: Er kann auf kampfstarke nubi- sicher in ihr jenseitiges Dasein geleitet - soll ja nicht mehr der
sche Söldnertruppen zurückgreifen. König eines Teilreichs begraben werden, sondern der Pharao
des wiedervereinten Ägypten (siehe auch Seite 92).

U
m 2015 v. Chr. schließlich triumphiert Mentuhotep: In die ursprüngliche Grabkammer wird ein leerer Holzsarg
Das Nordreich von Herakleopolis ist niedergerungen gestellt sowie eine schwarz bemalte Statue, die Mentuhotep
und Ägypten nach 150 Jahren der Spaltung wieder mit geflochtenem Götterbart und der roten Krone Unter-
unter der Doppelkrone geeint. Und der neue Herr der Beiden ägyptens zeigt. Dann wird die K a m m e r verschlossen.
Länder setzt sein Werk fort. Er vertreibt die Beduinen aus Das neue Grab hauen die Arbeiter hinter dem m o n u m e n -
dem Delta, schlägt Aufstände in Nubien nieder und setzt talen Terrassentempel 150 Meter tief in den Berg hinein:
Gauvorsteher nur noch zeitlich befristet ein, um so zu ver- Dort, in einer Granitkammer, steht ein kostbarer Alabaster-
hindern, dass sie allzu mächtig werden. schrein bereit, den sorgsam mumifizierten Körper des Königs
Aber der Pharao zeigt sich auch versöhnlich: Fähige aufzunehmen.
Beamte aus Herakleopolis lässt er in Amt und Würden. A u s Noch Jahrhunderte später werden die Menschen nach Deir
Memphis holt er Baumeister und Steinmetze. Maler und el-Bahari pilgern, um Pharao Mentuhotep II. als Reichseiniger
Handwerker nach Theben; deren Kunstfertigkeit soll ihm zu verehren. Denn der Begründer des „Mittleren Reichs", wie
helfen, die frühere Provinzhauptstadt zu einer glanzvollen die mit seinem Sieg anbrechende Epoche später genannt
Kapitale auszubauen, die an die Traditionen des ..Alten wird, hat Ägyptens Größe gerettet. •
Reichs" anknüpft, von denen das südliche Oberägypten so
lange abgeschnitten war. Der Historiker Kai Michel. 40. ist Journalist in Zürich.
HIEROGLYPHEN

INTERVIEW:

Es LEBE DER S C H R E I B E R !
K a u m eine frühe Hochkultur hat so viele Schriftzeugnisse hinterlassen wie die der Pharaonen.

D e r Ä g y p t o l o g e Günter B u r k a r d über den unbekannten Erfinder der Hieroglyphen, den elitären

Beruf des S c h r e i b e r s - und das bis heute wirkende literarische Erbe des L a n d e s am Nil

H
err Prof. Dr. Burkard, welcher Ägypter hat Der berüchtigte „Fluch der Pharaonen "?
als Erster Hieroglyphen geschrieben? Ich bevorzuge den Begriff „Drohformeln". Im Alten Reich
(lacht) Das wüsste ich auch gem. Ich ließen hohe Beamte Sprüche an ihren Gräbern anbringen wie:
denke, die Hieroglyphen sind nicht von „Jeder Mensch, der dieses Grab unrein betritt, dem werde ich
Dichtern oder Priestern erfunden wor- den Hals abreißen wie einer Gans."
den, sondern von einem (oder mehreren)
einfachen Beamten, wahrscheinlich in der Umgebung des Hieroglyphen und die aus ihnen entwickelten hieratischen Zeichen
Königs - der damals keine feste Residenz hatte, sondern mit - eine Art Schreibschrift der Ägypter für literarische Werke, Briefe
seinem Gefolge durch das Land reiste -. irgendwann im und alltägliche Dokumente wie Rechnungen - haben sich zu Tau-
vierten vorchristlichen Jahrtausend. Er sollte wohl Liefe- senden erhalten: eingemeißelt in Stein, mit Tinte oder Farbpaste
rungen für den Pharao registrieren: Rinder. Getreide, Wein. geschrieben auf Papyrus oder Tonscherben. Was wissen wir heute
Öl. Und er musste genau aufzeichnen, wann was geliefert von den Autoren und Schreibern dieses literarischen Schatzes?
worden ist. Dafür erfand er Bild-Zeichen: die Hieroglyphen. Von den Autoren: fast nichts. Von den Schreibern: weniges.
Aus dem Neuen Reich ist beispielsweise die „Lehre des Cheti"
Und damit wurde jener namenlose Beamte Erfinder der ältesten überliefert. Das ist eine Huldigung an den Beruf des Schrei-
Schrift der Menschheit. bers. Ein Papyrus aus der gleichen Epoche schreibt jenem
Darüber streiten sich die Forscher: Die Keilschrift wurde Cheti gar noch zwei weitere Werke zu. Nur: Wir wissen sonst
ungefähr zur gleichen Zeit in Mesopotamien entwickelt. nichts über einen Cheti. Vielleicht ist er ein Autor gewesen,
Funde belegen, wie sie sich über Jahrhunderte vom Bild zum der diese Texte im Auftrag eines Pharao geschrieben hat. Viel-
Zeichen entwickelte. Das System der Hieroglyphen hingegen leicht ist er aber auch eine erfundene Gestalt. In den Lebens-
scheint von Anfang an mehr „fertig" gewesen zu sein. Gewiss lehren werden als Verfasser oft berühmte Persönlichkeiten der
gab es noch Ergänzungen und Veränderungen, doch mehr Vergangenheit genannt. Diese sind in dieser Funktion aber
nicht. Das zeigen gerade auch die Funde, die mein Kollege grundsätzlich fiktiv, sie sollten der Lehre ein hohes Alter und
Günter Dreyer in Abydos gemacht hat. Dreyer ist der Über- damit mehr Gewicht geben.
zeugung, dass die Hieroglyphen das älteste Schriftsystem
sind. Aber es gibt auch die andere Hypothese, dass die Ägyp- Das heißt, aus drei Jahrtausenden ägyptischer Geschichte ist uns
ter, womöglich als Händler, die Keilschrift im Zweistromland kein einziger Autor bekannt?
kennengelernt haben und sich davon für ihr eigenes System Das ist beinahe richtig. Natürlich gibt es Ausnahmen. Mehr
anregen ließen. Im Übrigen ist es so, dass jeder neue Fund in wissen wir immerhin über die Schreiber - also jene Spezialis-
Ägypten oder in Mesopotamien das Bild wieder ändern kann. ten, die Werke kopiert, die aber auch neue, kürzere Dokumente
verfasst haben, etwa Briefe. Von einigen dieser Schreiber des
Wie wurde die Verwaltungsschrift zur Literatur? Wann wurde zum Neuen Reichs sind auch kleinere Lehrtexte erhalten, die sie
ersten Mal ein Gebet aufgezeichnet oder ein Gedicht geschrieben? wohl tatsächlich selbst verfasst haben.
Die ersten langen Texte sind die Pyramidentexte am Ende Die zukünftigen Schreiber wurden als junge Männer in das
der 5. Dynastie. Religiöse Sprüche, die die Existenz des „Haus der Lehre" gegeben, eine Schule. Dort lernten sie die
Königs im Jenseits garantieren sollten - wie Beschwörungen Zeichen, lernten auch, in Briefen Beamte korrekt anzusprechen,
gegen Schlangen, die dem König gefährlich werden konnten. ja lernten ganze Musterbriefe auswendig. Nach ihrer Ausbil-
dung arbeiteten sie dann in der Verwaltung des Staates - und Und wer Texten nicht nur lauschen, sondern sie selbst lesen wollte,
konnten dort Karriere machen, bis in höchste Positionen. der richtete sich eine Bibliothek ein? Einen Raum, vollgestellt mit
Bücherrollen?
Sind viele Ägypter zu Schreibern ausgebildet worden, konnten viele Es gab sicherlich Bibliotheken, aber von Privatbibliotheken
Menschen lesen? wissen wir nichts: Bis heute haben wir Derartiges noch nie-
Heutige Schätzungen gehen nie über ein Prozent der Be- mals ausgegraben, sieht man einmal von kleineren Sammlun-
völkerung hinaus. Die einzige Ausnahme ist Deir el-Medineh, gen wie der eben erwähnten aus Deir el-Medineh ab. Man darf
jene Siedlung der Arbeiter, die im Tal der Könige die Gräber sich das, genau wie im antiken Griechenland oder in Rom, im
ausschachteten und dekorierten. Viele dieser Spezialisten Übrigen nicht so vorstellen, dass man im stillen Kämmerlein
mussten schreiben und lesen können. Ansonsten müssen Sie im Schein einer Öllampe etwas gelesen hat. Sondern es wurde,
sich, ich übertreibe nur wenig, Ägypten als ein Land vorstel- das legen erhaltene Texte nahe, laut gelesen, in aller Regel
len, in dem vor allem die Wände der Tempelgebäude über und auch nicht allein, sondern mit mehreren.
über mit Hieroglyphen bedeckt waren - und fast niemand Die Texte wurden wohl im „Lebenshaus" aufbewahrt und
konnte es lesen. tradiert, dass heißt in einer Art Universität einschließlich
einer Bibliothek, die zu einem Tempel gehörte. Das Problem:
Gehörten auch Frauen zu jener winzigen Minderheit der Literati? Auch diese Institution kennen wir meist nur aus Texten oder
Ja, wir haben in Deir el-Medineh Briefe von Frauen gefun- Ansammlungen von Papyrusfragmenten; allein in Amarna
den - sowie Briefe, die Frauen bei professionellen Schreibern konnte bisher ein derartiges Gebäude sicher identifiziert
in Auftrag gegeben haben. Diese Lohnschreiber haben dann werden. Allerdings haben sich ausgerechnet dort keine Texte
zwar den Namen der Frau eingesetzt und in der Ich-Form erhalten.
geschrieben, sich jedoch, wohl aus Unachtsamkeit, gelegent-
lich verschrieben. Es ist nämlich so: Hinter Namen steht Nur wenige Leser und Schreiber, kaum Bibliotheken - konnte sich
eine Hieroglyphe in Form eines Mannes, wenn es sich um unter diesen Bedingungen überhaupt „Literatur" im landläufigen
einen männlichen Namen handelt, und ein Zeichen einer Sinn entwickeln? Gab es beispielsweise Romane?
Frau bei einem weiblichen Namen. Das Gleiche gilt für die Das ist ein komplexes Thema. Romane, lyrische Literatur,
Schreibung der ersten Person. Lohnschreiber nun schrieben wie auch immer, die gab es zunächst nicht. Allerdings ent-
nicht selten im Namen einer Frau - setzten als das „ich" aber standen in den beiden Jahrhunderten des Mittleren Reichs
zuweilen trotzdem das Zeichen eines Mannes. Dann ist uns viele Texte, etwa die heute „Weisheits-" oder „Lebenslehren"
Forschern heute klar, dass in so einem Fall die Frau nicht genannten Werke, die schon den Nachgeborenen als Klassiker
eigenhändig den Text geschrieben, sondern ihn einem galten. Und zu jener Zeit werden von unbekannten Ver-
Schreiber diktiert hat. fassern auch Bücher, also Papyrusrollen, geschrieben,
die zwar noch nicht Romane im modernen Sinn sind,
Wenn nur so wenige Menschen lesen konnten -gab es dann doch mit Handlungen rund um Hauptpersonen gewis-
überhaupt Bibliotheken, gar „Buchhändler"? se romanhafte Elemente enthalten - die Geschichte von
Buchhändler ganz sicher nicht. Wer sich für ein Sinuhe, dem Ägypter etwa.
Werk interessierte, der hat es wohl eigenhändig auf
eine Papyrusrolle abgeschrieben. In Theben Worum geht es da?
enthielt ein Grab aus dem Mittleren Reich Amenemhet I., der erste König der
Dutzende Papyri. Vielleicht, aber das ist 12. Dynastie im Mittleren Reich, der wohl
nur eine Hypothese, lag hier ein Wander- als Usurpator an die Macht gekommen war,
erzähler begraben. Der ist durchs Land ge- stirbt unter ungeklärten Umständen, ver-
zogen und hat Geschichten vorgetragen - mutlich aber in Folge einer Harems-
wahrscheinlich nicht direkt aus den Texten verschwörung. Sein Sohn Sesostris I., auf
vorgelesen, er hatte sie wohl eher als eine dem Heimweg von einem Feldzug, erfährt
Art Gedächtnisstütze dabei. Wiederum aus es durch Boten und eilt den Truppen
Deir el-Medineh kennen wir eine ganze voraus. Sinuhe, ein Haremsbeamter, der
Dynastie von Schreibern, die lite- zufällig mit Sesostris reist, hört ebenfalls
rarische Texte kopierten und vom Tod des Herrschers.
aufbewahrten. Ein Großteil
dieser Texte ist glücklicher-
weise erhalten geblieben. Statue eines altägyptischen
Schreibers. Das Hieroglyphenzeichen
ganz oben stellt Thot dar, den Gott
der Weisheit und Rechenkunst. Das
Udjat-Auge links steht für Heil
Da packt ihn ein fürchterlicher Schrecken, er flieht ins Aus- lehnt das erzürnt ab-denken Sie an den biblischen Joseph und
land. Er sagt nicht genau, warum. Er zieht in Palästina umher, die Frau des Potiphar! -, und es folgen Jahre blutiger Ver-
wo ihn ein Scheich aufnimmt und ihm seine älteste Tochter wicklungen in Ägypten und dem Gebiet des heutigen Liba-
zur Frau gibt. Übrigens ist der sprachliche Ausdruck da inter- non. Diese Geschichten sind unterhaltsam - und sie erweitern
essant: Es heißt nicht, „er gab mir seine älteste Tochter zur den Horizont, sie haben alle mit Vorderasien, Mesopotamien.
Frau", sondern „er pflockte mich an seine älteste Tochter an". Palästina zu tun. Es entstehen damals zudem Liebeslieder
Es ist wohl eine erzwungene, eine „politische" Heirat. Sinuhe oder mythologische Texte.
kommt zu Wohlstand, hat auch Kinder. Nach vielen Verwick-
lungen erhält er einen Brief von König Sesostris I., der ihm Und wie klingt die Schriftkultur aus?
verzeiht und ihn auffordert zurückzukehren. Sinuhe geht nach Mit dem Christentum, das in der Antike nach Ägypten
Ägypten, wird in allen Ehren in seine Ämter eingesetzt. Er dringt. Man schreibt nicht mehr „heidnische" Hieroglyphen,
darf sich ein Grab bauen - und damit endet die Geschichte. sondern das aus dem Griechischen entwickelte Koptisch. Es
Aber was ist nun wahr, was romanhaft? Aus anderen Quel- gibt aber noch „Heiden", die aus den Hieroglyphen eine Art
len wissen wir, dass Amenemhet I. tatsächlich Pharao gewe- Geheimschrift entwickeln, um sich von den Christen und der
sen ist, dass Sesostris I. sein Nachfolger wurde. Viele Indizien profanen Welt abzugrenzen. Im Mittelägyptischen gab es etwa
sprechen zudem dafür, dass der alte Herrscher einem Atten- 700 Zeichen - nun sind es zehnmal so viele. Und jede Hiero-
tat in seinem Harem zum Opfer fiel. Aber gab es dabei einen glyphe kann mehrere Bedeutungen haben. Das ist ein Code
Beamten namens Sinuhe? der Priester - oft von Tempel zu Tempel unterschiedlich.

Also haben wir hier einen 4000 Jahre alten Doku-Roman, eine Bis zur Spätantike?
erfundene Handlung rund um reale Ereignisse und Personen? Im Jahr 394 n. Chr. wird die letzte bekannte Inschrift in Hie-
Das ist umstritten. Ein englischer Kollege beispielsweise roglyphen in eine Tempelwand geritzt. Danach kann niemand
sieht diesen Text als Autobiografie: Sinuhe ist echt, es ist seine mehr die Zeichen lesen, für fast anderthalb Jahrtausende.
Lebensgeschichte. Ich glaube das nicht; ebenso wenig mag
ich jenem Forscher folgen, der in dem Werk „die Stimme der Und Ägyptens Literatur ist genauso lange vergessen...
Opposition bei Hofe" gesehen hat, also eine Art verschleierte Nicht ganz. Bestimmte Texte werden nämlich noch im
Kritik an Amenemhet I. oder Sesostris I. Das gab es in dieser Altertum von anderen Kulturen übernommen. In die Bibel
Zeit nicht. Nicht in der 12. Dynastie, da waren Herrscher so zum Beispiel. So wurde im Neuen Reich die ..Lehre des
mächtig, dass sie nie oppositionelle Texte geduldet hätten. Amenemope" verfasst, und die muss irgendwann ein jüdi-
Vielleicht, dies hat ein Heidelberger Ägyptologe vor Jahr- scher Schreiber in Teilen übernommen haben - und hat sie in
zehnten vermutet, ist die Geschichte des Sinuhe weder auto- das Buch der Sprichwörter König Salomos eingefügt. So ist
biografisch. noch politisch, noch unterhaltsam gemeint-son- Amenemope in das Alte Testament gekommen, wenn auch
dern als eine Art philosophischer Lehrtext. Als Anleitung und sein Name dort selbstverständlich nirgendwo auftaucht.
Ermunterung dazu, dass sich Treue und ein
gutes Leben am Ende immer auszahlen. Ist es Wissenschaftlern inzwischen gelungen,
die Geheimnisse aller Texte zu entschlüsseln?
Also haben die Ägypter niemals zur Unter- Nein, ganz im Gegenteil: Wir stoßen
haltunggelesen? immer mal wieder auf Worte, deren Bedeu-
0 doch, im Neuen Reich, also ab etwa tung wir nicht kennen - vor allem in Texten,
1550 v. Chr. Da entstanden Erzählungen, die nur auf einem einzigen Papyrus erhal-
das „Zwei-Brüder-Märchen" etwa, übri- ten sind. Wenn man Glück hat, stammt der
gens ein weltweit verbreitetes literarisches rätselhafte Text aus dem Neuen Reich. In
Motiv: Zwei Brüder leben zusammen; der dieser Epoche sind mehr und mehr Begriffe
ältere ist verheiratet, der jüngere nicht. aus Nachbarländern übernommen worden.
Eines Tages schickt der ältere Bruder den Dann suchen wir etwa in den Texten Meso-
jüngeren von der Feldarbeit nach Hause, er potamiens oder Israels nach Parallelen.
soll Saatgetreide holen. Dort sitzt die Frau Aber oft hat man Pech. Dann steht da heute
des Älteren, kämmt sich gerade die Haare noch im Wörterbuch ein Fragezeichen oder
und sagt: „Du bist so stark. Komm lass uns ein Stern - Symbole für ein Wort unbe-
eine Stunde zusammen haben, dass wir kannter oder unsicherer Bedeutung. •
miteinander schlafen." Der jüngere Bruder
Prof. Dr. Günter Burkard ist Ordinarius für Ägyptologie
an der Ludwig-Maximilians-Universität München
und Verfasser der ..Einführung in die altägyptische
Ägyptische Paletten zum Schrei- Literaturgeschichte" [2 Bände, gemeinsam mit Heinz J.
Thissen). Das Interview führten Cay Rademacher
ben (Links) und zum Malen (rechts). und Kristina Lahn Dumke.

Die Hieroglyphe dazwischen zeigt


das Handwerkszeug derSchreiber:
Palette, Farbbeutel und Binse
HEILIGE ZEICHEN
Die alten Ägypter nannten die Hieroglyphen »Gottesworte«. So sind sie zu lesen

f or etwa 5300 Jahren revolutionierte eine Erfindung oder zwei Konsonanten wieder, manchmal aber auch
die Verwaltung Ägyptens: das womöglich erste drei oder gar vier. Da die Hieroglyphenschrift keine Vokale
Schriftsystem der Menschheit. Ein Beamter erhielt in unserem Sinn kennt, fügen Ägyptotogen zwischen den
eines Tages vermutlich die Aufgabe, Warenlieferungen Konsonanten zumeist den Vokal „e" als Aussprachehilfe ein
zu protokollieren. Bis dahin hatten die Verwalter, um die und lesen Konsonanten wie „j" und ..w" als „i" oder „u".
Mengen festzuhalten, schlichte Symbole aus Dreiecken und Die ersten drei Symbole des ersten Wortes ( ) im gezeig-
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Linien auf Gefäße geritzt. Nun sollte auch der Herkunftsort ten Beispielsatz sind Einkonsonantenzeichen. Sie stehen für
einer Lieferung notiert werden - etwa die Stadt Bast (heute ..Wachtelküken". „Bein" und ..Wasserlinie" und bedeuten
Teil Basta) im Nildelta. Für deren von links nach rechts gelesen ,.w",
Namen jedoch gab es noch kein „b" und ..n" - ausgesprochen also:
Zeichen - sicherlich aber für Tiere ..üben". Die vierte Hieroglyphe in
oder Alltagsgegenstände wie etwa diesem Wort ist ein Deutzeichen
einen Esel oder einen Korb. und dient allein dazu, seine nähere
Der Schreiber kam auf eine Bedeutung anzugeben. Hier zeigt
geniale Lösung: Er kombinierte es die strahlende Sonne und kenn-
zwei Bilder und deren Laute mit- zeichnet den Begriff „üben" damit
einander- nämlich die Zeichen als die Vokabel für „scheinen".
für Storch (ausgesprochen: „ba") (Deutzeichen geben identischen
und Sitz (..st") - und konnte nun Zeichenfolgen unterschiedliche
einen Namen in einer Schrift wie- Bedeutungen. So steht die K o m -
dergeben, deren einzelne Laute bination ^H» mit zwei gehen-
beim Lesen ein Wort ergaben. den Beinen am Ende für „eilen"
Elfenbeintäfelchen dokumentie- üüfc-A Mit der Strahlensonne
ren diesen elementaren Schritt. Die Menschen und Tiere schauen stets als Deutzeichen |H» fü kann sie
In den folgenden Jahrhunderten in Richtung Textanfang: Die rechte, erste Spalte dagegen „Licht" heißen).
entstanden nach und nach rund 700 lautet: »Osiris, Große Königliche Gemahlin«, Das zweite Wort ( ) in dem
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Bildzeichen, die sich wie die Buch- die zweite: »Herrin der Beiden Länder, Nefertari- Beispielsatz besteht nur aus
staben unseres Alphabets beliebig geliebt-von-Mut« und die dritte: »gerecht- einem Symbol, der Sonnenscheibe.
miteinander kombinieren ließen. fertigt an Stimme durch Osiris« Als Wortzeichen benennt diese
Medu netscher, ..Gottesworte". Hieroglyphe exakt das, was sie
nannten die Ägypter diese Schriftsymbole. Die Griechen, die darstellt, die Sonne, und hat den Lautwert „ra". Um Wort-
Ägypten in der Antike bereisten, gaben ihnen den Namen und Lautzeichen voneinander zu unterscheiden, wird dem
hieroglyphikos grammata, ..heilige Zeichen". Das Besondere Wortzeichen ein kleiner senkrechter Strich beigestellt.
an den Hieroglyphen: Man konnte viele von ihnen auf dreier- Die Eule (*) wird wiederum als Lautzeichen gelesen; ihr
lei Weise lesen - als Laut-, Deut- und Wortzeichen (was ihre Symbol steht für den Konsonanten „m" und gibt hier die
Einsatzmöglichkeiten vervielfältigte]. Präposition „am" wieder.
Dies mag der folgende, aus vier Wörtern bestehende Das letzte Wort ( ) beginnt in der oberen Hälfte des Zei-
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Beispielsatz verdeutlichen: chenquadrats mit den beiden Lautzeichen „p" und „t". Dar-
unter steht das Deutzeichen zur näheren Bestimmung des
Begriffes „pet". Da es das Himmelsgewölbe darstellt, hat
dieses Wort die Bedeutung „Himmel".
Zusammengenommen ergeben sich also die
Worte „SCHEINEN-SONNE-AM-HIMMEL" oder der Satz:
„Die Sonne scheint am Himmel."
Hieroglyphen können von links wie von rechts gelesen
Am häufigsten werden Hieroglyphen als Lautzeichen werden. Die abgebildeten Menschen und Tiere blicken stets
gebraucht. Dabei gibt ein Symbol in der Regel jeweils einen zum Anfang des Textes. Bastian Schmidt
1550 v.Chr. ZWEITE ZWISCHENZEIT

DER KAMPF UM
DIE E I N H E I T
Gut 200Jahre blüht das Mittlere Reich unter Mentuhotep II. und dessen Nachfolgern: eine Zeit der Stabilität und kulturellen

Vielfalt. Doch um 1800 v. Chr. verliert die Pharaonen-Dynastie in Palastintrigen nach und nach an Einßuss, in Unterägypten

ergreifen schließlich die Nachfahren von Einwanderern aus dem Nahen Osten die Macht. Mehr als 100 Jahre lang ist Ägypten

während dieser Zweiten Zwischenzeit geteilt. Bis das Land unter Pharao Ahmose I. im Neuen Reich wieder vereint wird

VON JULIA NOLTE

D
unkle Gewitterwolken türmen sich am Festtag re Familien um den Thron. In den darauffolgenden 150 Jahren
des Wettergottes Seth-Baal über dem östlichen regierten mehr als 4-0 Könige Ägypten. Das von Mentuhotep II.
Nildelta. Mit Sorge beobachtet ein Chronist in (siehe Seite 44) begründete Reich zerfiel.
Auaris, der Hauptstadt Unterägyptens, an diesem Im Ostdelta rund um Auaris ergriffen Mitte des 17. Jahr-
Tag den Himmel. Es donnert. Der Mann notiert auf einem hunderts v. Chr. die Nachkommen der Einwanderer aus Vor-
Papyrus über das Grollen des Wettergottes: „Seine M a - derasien die Macht.
jestät ließ seine Stimme vernehmen." Kein gutes Sie waren durch Handel reich geworden, und
Omen für die drohende Schlacht gegen die Angrei- einige von ihnen setzten diesen Wohlstand mehr
fer aus dem Süden. und mehr in militärische Stärke um. Schließlich
In Auaris residiert der Pharao Chalmudi. verfügten sie über eine moderne Flotte und gut
dessen Vorfahren im Verlauf der vergangenen ausgerüstete Soldaten. Mit ihren überlegenen
drei Jahrhunderte a u s Syrien und Palästina Truppen erweiterten die Hyksos ihren Macht-
nach Ägypten eingewandert sind - und der bereich auch nach Süden - und kontrollier-
nun. um 1540 v. Chr., über den Norden des ten bald sogar die alte Reichshauptstadt
Nillandes herrscht. Die griechischen Histori- Memphis.
ker der Antike werden ihn und seine Vorgän- Gegen 1648 v. Chr. schließlich ließ sich ein
ger später die „Hyksos" nennen, abgeleitet Mann namens Salitis zum Pharao krönen:
vom ägyptischen heqa-chasut, „Herrscher Zum ersten Mal in der Geschichte Ägyptens
der Fremdländer". herrschte ein Fremder über Unterägypten.
Seit mehr als 100 Jahren regieren die M ä n - Machtlos zog sich die einheimische Dynastie
ner aus dem Nahen Osten Unterägypten. Da- bis nach Theben zurück.
bei sind ihre Ahnen einst nicht als Feldherren Nun hatte Ägypten zwei Pharaonen, die sich
gekommen, sondern als friedliche Einwande- als rechtmäßige Herrscher des ganzen Landes
rer. Es waren fähige Soldaten. Seeleute. Hand- betrachteten: den Hyksos im Norden und den
werker und Weber aus Syrien und Palästina, Thebaner im Süden.
die sich im Nildelta ansiedelten, wo ihre Fach- Dennoch herrschte Frieden. Oberägypter be-
kenntnisse benötigt wurden. zogen Getreide aus dem Delta und durften ihre
Auch asiatische Händler, die Waren der Le- Viehherden dort weiden lassen. Im Gegenzug
vanteküste ins Land schafften, ließen sich in brachen die Hyksos ungehindert Steine aus den
Nordägypten nieder. Insbesondere in der Region Felsen des oberägyptischen Niltals.
um Auaris. dessen Hafen ein schiffbarer Nilarm
Richtung Mittelmeer durchfließt, gelangten viele
Einwandererfamilien zu Wohlstand. Der Holzsarg Ahmoses I. Durch den Sieg über
Gleichzeitig sank der Einfluss des ägyptischen einen konkurrierenden Pharao in Unterägypten
Hofes, denn ab etwa 1800 v. Chr. kämpften mehre- begründet dieser das »Neue Reich«
Doch dann, gut 100 Jahre spä- Oberägypter mit ihren Streitwagen
ter, bestieg im Süden Ägyptens ein heran, Bodentruppen mit Sichel-
König den Thron, der die Vorherr- schwertern und Kriegsbeilen stür-
schaft der Hyksos nicht länger hin- men die Bastionen und Befesti-
nehmen wollte. Um 1556 v. Chr. zog gungsmauern der Hauptstadt der
Seqenenra Tao, „der Tapfere", mit Hyksos.
seinen Soldaten nilabwärts. Das Omen des Wettergottes
Aber die Truppen der Hyksos erfüllt sich: Auaris fällt. Die A n -
und ihrer mittelägyptischen Vasal- greifer brennen die Zitadelle von
len stoppten seinen Vormarsch. Chalmudi nieder, zerstören aber
Seqenenra fiel, von Axthieben töd- nicht die Stadt.
lich verwundet. Zum Lohn für den Sieg dürfen
Sein Nachfolger Kamose drang die oberägyptischen Soldaten ihre
weiter nach Norden vor. Rund Gefangenen behalten, werden mit
sechs Jahre später standen seine Gold beschenkt. Ein ägyptischer
Truppen vor Auaris, doch gelang Schiffsoffizier berichtet später, er
es ihnen nicht, die Stadt einzu- habe aus Auaris Beute mitge-
nehmen. Um Angriffe von Vasallen bracht: ..Einen Mann und drei
der Hyksos abzuwehren, musste Frauen, zusammen vier Köpfe."
Kamose abziehen. 1550 v. Chr. Doch vielen Einwohnern gelingt
starb auch er, möglicherweise an offenbar die Flucht. Sie ziehen
einer Kriegsverletzung. sich mit den überlebenden S o l -
Ein Kind trug nun die Krone daten nach Scharuhen zurück,
Oberägyptens. A h m o s e I., der Sohn der letzten Hochburg der Hyksos
von Seqenenra, war beim Tod In der »Zweiten Zwischenzeit« in Südpalästina.
K a m o s e s wohl erst zehn Jahre hat Ägypten zwei Machtzentren: Im Norden A h m o s e I. setzt ihnen nach. Er
alt. Und so führte zunächst seine regieren die »Hyksos«, Nachfahren von will verhindern, dass sie in der
Mutter die Regierung. Über die Einwanderern aus dem Nahen Osten, im Süden Festung Kräfte s a m m e l n und von
folgenden Jahre ist kaum etwas oberägyptische Pharaonen. Fast 1 0 0 Jahre dort aus das Delta zurückerobern.
bekannt. Sehr wahrscheinlich aber herrscht zwischen ihnen Frieden Drei Jahre lang belagert er die
nutzte die Königin die Zeit, bis ihr Stadt. Dann fällt auch sie. Das
Sohn alt genug für den Kampf ge- Schicksal Chalmudis, des letzten
gen die Hyksos war. um ihr Land auf den Krieg vorzubereiten. Königs der Hyksos, bleibt ungewiss.
Die Oberägypter rüsteten sich, stellten eine Flotte von Nun ist Ahmose I. der König von ganz Ägypten. Er hat jenen
Kriegsschiffen auf und bildeten ihre Soldaten an jenen neuen Kampf beendet, den sein Vater Seqenenra knapp zwei Jahr-
Waffen aus. die sie von den Hyksos übernommen hatten: an zehnte zuvor begonnen hat.
Kriegsbeilen, Sichelschwertern und neuartigen Bögen, mit Nach einem weiteren erfolgreichen Feldzug, gegen Nubien
denen ein Kämpfer bis zu 170 Meter weit schießen konnte - im Süden, beendet der Pharao seine Kriege. Anschließend
gut doppelt so weit wie zuvor. festigt er seine Regierung, indem er die Bürokratie verein-
Vor allem verfügten die Ägypter mittlerweile über zwei- facht und seine Dynastie legitimiert: Der Reichsgott A m u n
rädrige Streitwagen: Von zwei Hengsten gezogen, mit einem selbst habe ihn gebeten, in Theben zu residieren, lässt er ver-
Wagenlenker und einem Bogenschützen besetzt, waren die künden. Dort ernennt der Pharao seine Frau Ahmes-Nefertari
rund 30 Kilogramm leichten Gefährte bis zu 40 km/h schnell. zur ..Gottesgemahlin des A m u n " . Nur Söhne von Frauen, die
Dann suchte der inzwischen erwachsene Ahmose I. die diesen Titel tragen, sollen fortan das Pharaonenamt erben.
Entscheidung: Vermutlich 1540 v. Chr., in seinem 11. Regie- Damit sichert er seinem Sohn den Thron.
rungsjahr, griff er an. Er eroberte Memphis. Dann Heliopolis, Als Ahmose I. nach 25 Regierungsjahren im Alter von
auf dem Gebiet des heutigen Kairo. Schließlich Sile, die wich- 35 Jahren stirbt, ist Ägypten geeint und die Verwaltung neu
tigste Grenzfestung der Hyksos am Ostrand des Nildeltas. geordnet (Historiker werden die nun anbrechende Epoche
das „Neue Reich" nennen). Zudem besitzt das Land am Nil

N
un steht Ahmose I. vor der Kapitale Unterägyptens: modernere und schlagkräftigere Waffen als je zuvor.
Auaris. Fiele auch diese Stadt, wäre die Herrschaft der A h m o s e s Nachfolger werden Ägypten zu einer Großmacht
Hyksos beendet. Es kommt zur Schlacht. schmieden. •
Auf dem Nilarm vor Auaris trifft die Flotte des Angreifers
auf die Schiffe des Pharao Chalmudi. An Land preschen die Die Kutturwissenschaftterin Dr. Julia Nolte, 30, ist Journalistin in Hamburg.
Er ist der mächtigste Pharao in

der (Beschichte Ägyptens, u m f a s -

send gebildet und ein brillanter

Feldherr: Thutmosis Iii. unterwirft

um 1440 v. Chr. Gebiete, die vom

südlichen Nubien bis zum Euphrat

in Vorderasien reichen. Doch zu-

vor musste er Jahrzehnte warten,

um regieren zu können. Denn s e i -

ne Stiefmutter Hatschepsut hält

ihn lange fern von der Macht

VON WALTER S A L L E R

AUFSTIEG ZUR WELTMACHT


vollzieht? In Ritualen, gewebt aus tau- seinen Nachfolger bestimmen. Für die
sendjährigen Traditionen. Erbfolge zählen zuerst die Söhne der
Kindheit und Jugend Thutmosis* III. Großen Königlichen Gemahlin. Doch
liegen weitgehend im Dunkeln. Er wird mit Hatschepsut hat Thutmosis II. nur
wohl um 1485 v. Chr. in Theben geboren. eine Tochter - Neferura. Sein einziger
Als Sohn von Pharao Thutmosis II. und Sohn ist das Kind einer Nebenfrau.
dessen Nebenfrau Isis. Die Ehe des Sohnes mit seiner Halb-
Thutmosis II. residiert gemeinsam mit schwester Neferura und dann seine Er-
Hatschepsut, seiner Halbschwester und nennung zum Thronerben - das wäre die
er Pharao ist der Sohn „Großen Königlichen Gemahlin" im einfachste Lösung. So gelangte schon
der Sonne. Er spricht mit den Göttern Königspalast. Diese Ehe hat dem Pha- der Vater an die Macht.
und bezwingt das Chaos, das die Schöp- rao, selbst Sohn einer Nebenfrau, den Doch es kommt nicht zur Hochzeit
fung bedroht. Denn der Pharao verkör- Thron verschafft. Der kleine Prinz dage- der beiden Halbgeschwister. Obwohl sie
pert maat, die göttliche Ordnung aller gen lebt mit seiner Mutter Isis im Frau- so nahe liegt. Und der Pharao gewiss
Dinge. Er ist das Wesen, aus dem die enhaus des Palastes. Hier sind die weni- den einzigen Sohn auf dem Thron sehen
Kräfte strömen, die den Nil über die ger bedeutenden weiblichen Mitglieder will: als Thutmosis III.
Ufer treten lassen und der Erde Frucht- der Herrscherfamilie untergebracht. Weshalb unterbleibt diese Ehe dann?
barkeit verleihen. Isis trägt keinen königlichen Titel. Wer verhindert sie? Wem nützt dies?
Und der mächtigste der ägyptischen Vermutlich stammt sie aus einer Familie Am Hof zu Theben, so muss man an-
Gottkönige ist Thutmosis III. Unter ihm hochrangiger Beamter oder Militärs. nehmen, gibt es eine starke Partei, die
steigt Ägypten im 15. Jahrhundert v. Chr. Aber im Haus der Frauen nimmt sie andere Pläne verfolgt als der Pharao.
zur Großmacht auf. Kein Pharao erobert dennoch eine besondere Stellung ein: Und die einen anderen Nachfolger will:
so viele Gebiete und fügt sie dauerhaft weil sie dem Pharao einen Sohn gebo- Hatschepsut. Denn die Große König-
zu einem Weltreich zusammen. ren hat. Gestillt und versorgt wird der liche Gemahlin und ihre Anhänger
Aber ausgerechnet dieser Thutmo- Säugling von einer Amme. So ist es der glauben, dass sie mehr Recht auf den
sis ist jahrzehntelang nur der zweit- Brauch bei königlichen Kindern. Thron habe als der Sohn eines nur durch
rangige Mitregent seiner Stiefmutter Einige Jahre nach der Geburt des die Hochzeit mit ihr selbst legitimierten
Hatschepsut. Weil die sich zum Pharao Sohnes erkrankt Thutmosis II. Die letz- Pharao und dessen Nebenfrau. Vielleicht
erklärt hat. ten beiden Herrschaftsjahre sind über- um ihren Anspruch zu stärken, werden
Eine Frau macht sich zum Pharao - schattet von einem schweren Leiden. die Kinder nicht miteinander verheiratet.
ein unglaublicher Vorgang. So beginnt Vielleicht führt Hatschepsut schon die Hatschepsut als Pharao? Ist nicht
die Geschichte des mächtigsten unter Regierungsgeschäfte für ihren Gatten. schon allein die Vorstellung einer Frau
den Pharaonen mit einer ungewöhn- Der Pharao, der den nahenden Tod auf dem Thron ein unerhörter Angriff
lichen Frau, die um der Macht willen wohl ahnt, will indes noch zu Lebzeiten auf Maat, die göttliche Ordnung? Denn
sogar ihr Geschlecht symbolisch seit es Gottkönige gibt am Nil. geht
wechselt. die Macht gewöhnlich vom Mann
Mehr als 20 Jahre muss Thutmo- auf den Mann über. Und würden
sis III. auf seine Herrschaft warten. die Priester, die Wächter der Tradi-
Dann aber dehnt er als Kriegerkönig tion, eine Frau als Pharao überhaupt
sein Reich aus wie kein anderer anerkennen?
Pharao vor ihm - vom vierten Kata- Um die Thronfolge abzusichern,
rakt des Nil im Süden bis an den erbittet Thutmosis II. ein Gottes-
Euphrat im Nordosten. Aus Klein- orakel - die traditionelle Befragung
asien und Mesopotamien, von den der Götter. Er rechnet gewiss mit
Häfen der Levante und den Küsten einer Entscheidung in seinem Sinn.
Libyens bringen die Fürsten dem Der König begibt sich mit seinem
Pharao nun Geschenke dar. Sohn und dem Hofstaat an einem
Wer aber ist dieser ägyptische Festtag in Theben in den Tempel des
König, der so lange im Schatten Amun von Karnak im Norden der
seiner Stiefmutter lebt? Und der Stadt. Hier, im gewaltigsten Hei-
plötzlich mit solcher Kraft und sol- ligtum Ägyptens, verlässt Amun,
cher Weitsicht handelt? Welcher der in einem Schrein im Herzen
Mensch verbirgt sich hinter dem des Tempels wohnt, sein Sanktuar.
Ideal des Gottkönigs, in dessen Im Papyrussäulensaal öffnen sich
Die T e c h n i k z u r F e r t i g u n g
Glanz Ägypten lebt und dessen die vergoldeten Flügeltüren und die
stabilerer Dolche ü b e r n e h m e n
Wirklichkeit sich in Zeremonien Gottheit erscheint in einer Barke auf
d i e Ä g y p t e r i m 17. J a h r h u n -
dert v. Chr. v o n ihren v o r d e r -
asiatischen Gegnern
Die leichten und wendigen Streitwagen bilden die Elite-Einheiten der ägyptischen Armee und können eine Schlacht entscheiden.
Im Gefecht sind die Gespanne mit zwei Soldaten bemannt: W a g e n l e n k e r u n d Bogenschütze (bemalte Truhe, 1.4. Jb. v. Chr.)

den Schultern der Priester. Der Pharao Als der Prinz sechs oder sieben Jahre name „Thutmosis" sowie seine vier
opfert Weihrauch. Dann offenbart sich alt ist, stirbt sein Vater. Wohl noch nicht Titel, verliehen vom Sonnengott Ra und
der Gott auf seine Weise: Die Barke mit einmal 30-jährig tritt Thutmosis II. seine verkündet durch den Mund der Priester.
seiner Statue hält inne vor dem Sohn des Jenseitsreise an. Einer von ihnen, „Mencheperra". sein
Pharao. Dem Kind der Nebenfrau. Und so wird im Frühjahr des Jahres Thronname, bedeutet: „Von bleibender
42 Jahre nach seiner Inthronisation 1479 v. Chr. einem Kind die Doppel- Gestalt, ein Ra". Die übrigen Namen
wird Thutmosis III. das Gottesurteil in krone Ägyptens aufgesetzt. Den Bericht lauten: „Starker Stier, der in Theben er-
die Wände des Tempels meißeln lassen. auch über dieses Ereignis lässt Thut- scheint". „Mit gesegnetem Königtum".
„Amun, mein Vater ist er, ich bin sein mosis III. in die Wände des Tempels „Mit heiligen Erscheinungen".
Sohn. Er befahl mir, dass ich auf seinem schlagen: „Amun tat mir auf die Pforten Die Namen, die jeder Pharao bei der
Throne sei. Er hatte mich erkannt, als er des Himmels, er öffnete mir die Tore Krönung erhält, gelten als Vorzeichen für
verweilte. Da warf ich mich auf meinen seines Horizontes. Ra selbst setzte mich die Regierung des neuen Königs. Und
Bauch vor ihn, erhob mich wieder vom ein. Ich wurde geschmückt mit seinen im Fall von Thutmosis III. verheißen
Boden, verbeugte mich vor ihm, und er Kronen, die auf seinem Haupte waren. sie einen kämpferischen Pharao. Einen
stellte mich vor Seine Majestät. Ich wur- Ich wurde versehen mit den Würden des dauerhaften. Einen machtvollen.
de hingestellt an den Platz des Herrn." Gottes. Er setzte mir meine Kronen auf Anfangs aber ist der Gottkönig nur
Amun selbst hat den Nachfolger des und setzte mir selbst die Titulatur fest." ein Schuljunge, der sicherlich das „Haus
Königs bestimmt. Daran ist nicht mehr Sodann folgen die fünf „Großen Na- der Lehre" im Amun-Tempel besucht. In
zu rütteln. men" des neuen Pharao - sein Geburts- dieser Eliteschule erteilen Priester den
Unterricht. Hier erlernt Thutmosis III. hin, dass sie versucht, sich ein eigenes So erlangt Senenmut Einfluss im
die Hieroglyphenschrift. Errechnet, liest Machtzentrum zu schaffen. Dass sie Tempel des Amun, wo auch Hatschepsut
und ertüchtigt seinen Körper. Wahr- eine andere Rolle anstrebt als die der ein wichtiges Priesteramt bekleidet.
scheinlich unterweist man ihn auch in Stellvertreterin. Denn als Gattin eines Pharao ist sie zu-
der Staatskunde. Und zugleich wird er in Und doch denkt Hatschepsut, die über gleich die „Gottesgemahlin des Amun"
die geistige Welt Ägyptens eingeführt. Scharfsinn, eine starke Persönlichkeit und in engem Kontakt mit den Priestern,
Mit der Krönung des Kindes zum und Willenskraft verfügen muss, wohl die sie für sich gewinnen muss.
Pharao geht die Macht zunächst in die schon sehr früh darüber nach, selbst Pha- Auch Thutmosis III. wird im Amun-
Hände der Großen Königlichen Gemah- rao zu werden. Befeuert vielleicht nicht Tempel ausgebildet: zu einem Priester
lin über - weil sie am Königshof die so sehr von Ehrgeiz oder vom Hunger des Gottes Iunmutef, der als ältester Sohn
Ranghöchste ist. Hatschepsut. vielleicht nach Macht. Sondern von der Gewiss- für die Versorgung seiner göttlichen
20 Jahre älter als ihr Stiefsohn, führt nun heit, die Doppelkrone Ägyptens mit grö- Eltern mit Opfergaben in der jenseitigen
mit den Staatsbeamten das Reich. Doch ßerer Legitimität beanspruchen zu kön- Welt zu sorgen hat. Als Zeichen seiner
auch der kleine König erscheint wohl nen als das Kind aus dem Frauenhaus. hohen Würde trägt der Iunmutef-Priester
bereits bei Zeremonien. Sie geht behutsam vor, fast schlei- das Fell eines Leoparden. Dieses Amt
Weibliche Regenten, die einen Kind- chend. Protegiert führende Beamte und üben oft die Königssöhne aus.
könig vertreten, hat es bereits früher hohe Priester. Vor allem fördert sie ihren Die Priester führen den Kindkönig in
gegeben. Stets traten sie ab, wenn der engsten Vertrauten Senenmut, der obers- die ägyptische Religion ein, in ihre Mys-
Thronfolger das Jünglingsalter erreichte. ter Baumeister wird. Sie beauftragt ihn terien, in die Riten. Denn der Vollzug des
Auch Hatschepsut handelt anfangs mit der Erziehung ihrer Tochter Neferura Kultes gehört zu den wichtigsten Auf-
im Auftrag Thutmosis' III. So lässt sie und verschafft ihm zudem eine religiöse gaben des Pharao. All die komplizierten
in seinem Namen Tempelbauarbeiten und politische Schlüsselstellung: Er wird Zeremonien sollen nichts weniger als die
beginnen. Nichts deutet zunächst darauf der „Verwalter des Hauses Armins". Ordnung der Welt garantieren.

Bewaffnet mit Speeren, Bögen und Kriegsbeilen sowie mit lederbespannten Schilden, folgt die Leibgarde dem Pharao. Die B o g e n -
schützen sind häufig dunkelhäutige Söldner aus Nubien, weqen ihrer Treffsicherheit weit über die Grenzen aefürchtet
Auch die u r s p r ü n g -
Hatschepsut will den Stiefsohn ver- Weil Memphis strategisch günstiger lich a u s M e s o p o -
mutlich keineswegs für immer vom liegt als Theben, näher an den Häfen tamien stammenden
Thron verbannen. Schließlich ist er der des Mittelmeers und den Grenzen Sichelschwerter
von Amun Erwählte. zu Asien. machen die A r m e e
Aber warten soll er. Weil sie vor In Memphis erfolgt die Militär- Thutmosis' III.
ihm herrschen will. Nicht nur als seine ausbildung des jungen Pharao. schlagkräftig
Regentin. Sondern mit der doppelten Während Hatschepsut in Theben
Krone auf dem Haupt und in den Händen das Reich führt, verbringt Thut-
die königlichen Insignien Krummstab mosis III. mehrere Jahre in der
und Geißel. Soldatenstadt.
Hatschepsut will mit eigener Titulatur Irgendwann zwischen dem zwei-
regieren. Als Pharao. Und dieses Ziel ten und dem siebten Jahr der
verfolgt sie beharrlich. Regentschaft von Hatschepsut, um

W
1475 v. Chr., ereignet sich jedoch
ahrscheinlich interes- Ungeheuerliches: Die Frau, die nur
siert sich schon der im Namen ihres Stiefsohns die Re-
heranwachsende Thut- gierung führt, setzt sich selbst die
mosis III. für das Hand- Doppelkrone Ägyptens auf, erklärt
werk der Soldaten. Für sich zum Pharao und nimmt den
Waffen, für Kriegstechnik. Das militä- Thronnamen „Maatkara" an.
rische Zentrum Ägyptens ist Memphis. „Gerechtigkeit und Lebens-
Hier, in der alten Hauptstadt im Norden kraft, ein Ra" bedeutet er.
des Landes, sind die Truppen stationiert. Sorgfältig hat Hatschepsut
den Schritt vorbereitet. Die Tempelreliefs verkünden ihre zentrale
Beamten, die Priester stehen auf ihrer Botschaft: Amun hat mich gezeugt. Als
Seite. Auch nach der Selbstkrönung ist Jungen. Ich bin der rechtmäßige Pharao.
sie unablässig um Legitimation bemüht. Tatsächlich zeigen die Bilder, wie sich
Sie lässt Thutmosis III. als Mitregenten Amun in der Gestalt ihres Vaters Thut-
aufführen. Denn sie weiß: Maat fordert mosis I. ihrer Mutter nähert.
einen Mann als Pharao. Das macht Hat- Dann ist Hatschepsut selbst zu sehen.
schepsut angreifbar für ihre Gegner. Als nackter Knabe.
Doch was kann sie schon tun dagegen, Es ist nicht bekannt, wie Thutmo-
da sie nun einmal eine Frau ist? sis III., ein Junge von acht bis 13 Jahren,
Hatschepsut findet eine Lösung: Sie die Selbstkrönung seiner Stiefmutter
verwandelt sich in einen Mann. Sym- erlebt. Und ob er die ganze Bedeutung
bolisch. Nach und nach. Ihre Bildnisse des Geschehens überhaupt erfasst. Denn
spiegeln diesen einmaligen Vorgang. das private Leben des Pharao ist weit-
Erst stellen ihre Statuen sie noch als gehend stumm und undurchdringlich.
weiblichen Pharao dar. Aber bald ändert Gewiss verfügt Thutmosis III. über einen
sich das Bild: Ihre Brüste schrumpfen, vielseitig geschärften Verstand. Und er
die Gesichtszüge werden härter, die scheint gesund und kräftig zu sein und
Schultern breiter. Bis sie auch den fal- an keiner der großen Plagen Ägyptens
schen Bart der Pharaonen trägt. zu leiden. Dem Sumpffieber oder den
Und im Jahr 1472 v. Chr. lässt Hat- Parasiten aus dem Fluss.
schepsut mit der Arbeit an ihrem eige- Mit etwa 15 Jahren, wohl um das
nen, gigantischen Königstempel begin- Jahr 1470 v. Chr., verfügt Thutmosis III.
nen, einem Sakralbau, in dem ihr als über einen eigenen Hofstaat in Theben.
Pharaonin gehuldigt werden soll. Über Und spätestens jetzt erkennt er, dass
zwei Terrassen wird er nach nur 15 Jah- auch in Zukunft nicht er, sondern Maat-
ren Bauzeit ansteigen. Genau an jener kara regieren wird, seine Stiefmutter.
Felswand, hinter der das „Tal der Köni- Zwar ist auch Thutmosis III. bei gro-
ge" liegt. Der Friedhof der Pharaonen. ßen Anlässen anwesend, und so treten im
Diesen Ort wählt sie, um sich hier, Grunde zwei Könige zugleich auf. Doch
an der Schwelle zwischen Diesseits und er steht hinter Hatschepsut. Sie verrichtet
Jenseits, zum leiblichen Sohn Amuns zu als amtierender Pharao die Kulthand-
erklären. lungen. So zeigen es die Reliefs der Zeit:
Oft ist er hinter ihr abgebildet. Der Mit- dass Thutmosis III. aufsteigen wird zum ermordet worden ist. Vermutlich stirbt
regent. Der Zweitrangige. mächtigsten aller Könige am Nil. sie eines natürlichen Todes. In einer Zeit,
Aber begehrt er auf gegen Hat- Auch eine Ehe geht er wahrschein- in der jeder vereiterte Zahn das Ende
schepsut? lich noch in der Zeit der Mitregentschaft bringen kann.
Offenbar nicht. Auch von einer Feind- ein. Er heiratet Satjah, die Tochter seiner Nun nimmt Thutmosis III. Platz auf
schaft zwischen Stiefsohn und Stief- Amme. Nicht selten nimmt ein Prinz dem Thron. Fast 22 Jahre nach seiner
mutter ist nichts bekannt. Er scheint ihre eine solche Milchschwester zur Frau, Krönung zum Pharao Mencheperra.
Herrschaft zu akzeptieren. Ebenso wie mit der er gemeinsam erzogen wurde. Er ist mindestens 27 Jahre alt. Und
die Priester und das Volk. Denn das Seine Gemahlin schenkt ihm drei Kin- muss sich sogleich beweisen als König
Reich ist wohlhabend. Jeder kann sehen: der. Eine Tochter und zwei Söhne. und Kriegsherr. Denn unter der Führung
Der Segen der Götter ruht auf dem So vergehen die Jahre. Im Rhythmus des Fürsten von Qadesch haben sich
Ägypten, das Pharao Maatkara führt. des Nil und der drei Jahreszeiten, die in Syrien und in Palästina zahlreiche
Im Jahr 1470 v. Chr. sendet Hatsche- in Ägypten „Überschwemmung"'. „Aus- Stadtstaaten erhoben und zur Koalition
psut fünf Schiffe aus in das ferne Land saat" und „Ernte" heißen und jeweils vereint. Gegen Ägypten, gegen die Ober-
Punt (vermutlich an der Küste des heu- vier Monate dauern. herrschaft des Pharao in der Region.
tigen Eritrea oder Somalia gelegen). Im Rhythmus auch der zahlreichen Die Großmacht Mitanni unterstützt
Schwer beladen mit Weihrauch, Gold, religiösen Feste: der Prozessionen zu den die Aufständischen und schmiedet Bünd-
Elfenbein und Ebenholz kehrt die Flotte Heiligtümern und Schreinen; der Um- nisse mit ihnen. Um so den eigenen
zurück. Der Erfolg der Mission ist ein züge an den Königstempeln verstorbener Einfluss bis an den Rand Ägyptens aus-
gewaltiger Triumph für Hatschepsut. Pharaonen am Fuß des thebanischen zudehnen. Das Koalitionsheer scheint
Doch wenige Jahre später muss sie Westgebirges; der Ausfahrten der Götter gegen Ägypten zu ziehen.
einen schweren Schlag hinnehmen. Den in Barken auf den Nil. Oft erscheint das Thutmosis III., inzwischen erfahren
Tod der Tochter Neferura. Leben am Nil wie eine einzige Zeremo- im Handwerk der Krieger, handelt sofort.
Außenpolitisch verläuft ihre Regie- nie zur Aufrechterhaltung von Maat. Seit Jahren hält er den Oberbefehl über

U
rungszeit weitgehend friedlich, und die die Armee. Führte bereits einen Feldzug
Grenzen sind sicher. Allerdings nimmt m 1458 v. Chr. aber ver- in Palästina. Er weiß um die Gefahr, die
stetig die Macht von Mitanni zu, einem schwindet der Pharao Maat- Ägypten ohne sein strategisches Vorfeld
Reich am Oberlauf des Euphrat. Vor kara plötzlich. Nach diesem in der Levante droht. Denn die Erinne-
allem in Syrien, aber wahrscheinlich Jahr erwähnt ihn keine In- rung an die Kämpfe gegen die „Hyksos"
auch in Palästina dehnt Mitanni seinen schrift mehr. Wahrscheinlich ist noch frisch: an die dunkle Zeit, als
Einfluss aus. ist, dass Hatschepsut zu dieser Zeit stirbt. diese Nachfahren von Einwanderern aus
In Theben vergrößert Thutmosis III. Wohl mit mindestens 45 Jahren. Die dem Nahen Osten Unterägypten kontrol-
wohl seinen Hofstaat. Vielleicht baut er Todesumstände sind unbekannt. Nichts lierten. Gerade drei Generationen ist es
sich einen Stab von Beratern auf. Eine indes legt den Schluss nahe, dass sie her, dass Pharao Ahmose I. sie besiegt
Art von Kabinett für die Zeit, in der und vertrieben hat (siehe Seite 50).
er herrschen wird. Die Einberufung der Soldaten,
Er ist nun ein junger Mann, aus- die Wartung der Waffen, die Instand-
gebildet im großen Tempel des setzung der Streitwagen, die strate-
Amun und im Hauptquartier | gischen Planungen, die Lösung der
der Armee. Und er studiert Fragen von Transport und Nach-
weiter, vertieft sein Wissen über schub - all das braucht sehr viel
Verwaltung, Landwirtschaft und Zeit. Denn der Aufwand ist gewal-
Kriegswesen. Über die Lage an tig, um eine Armee in Bewegung zu
den Grenzen und über die diplo- setzen und im Fluss zu halten. Doch
matischen Beziehungen. Auch mit Thutmosis III. trifft die neue Bedro-
der Welt der Tiere und Pflanzen be- hung nicht unvorbereitet.
fasst er sich, zudem mit den Ideen Und so bricht er im Frühling
Kriegsbeile -
der Kunst. hier eine Kultwaffe 1458 v. Chr. von Memphis mit einem
Die Jahre im Schatten der Stief- A h m o s e s I. - sind Heer von bis zu 15 000 Soldaten auf.
mutter, in der er kaum Spuren neben Dolchen nur gut zwei Monate nach dem
hinterlässt, sind nicht verloren. Im lange die wichtigste Antritt seiner Herrschaft.
Gegenteil. Sie sind der Freiraum, in Nahkampfwaffe Von Memphis ziehen die Truppen
dem er die Grundlage für die viel- der ägyptischen zur Grenzfestung Sile im Nordosten
leicht umfassendste Bildung legt, Armee des Nildeltas. Hier beginnt der 250
die ein Pharao jemals erwirbt. Und Kilometer lange Marsch zur Fes-
die wohl entscheidend dazu beiträgt. tung Scharuhen bei Gaza im Süden
E i n h ä u f i g e s M o t i v i n d e r K u n s t ist d e r T r i u m p h d e s P h a r a o ü b e r d a s C h a o s . D i e S c h l a c h t r e i h e n s e i n e r G e g n e r - e t w a d e r
S y r e r - sind aufgelöst, z e r b r o c h e n e Streitwagen, verletzte Pferde und a b g e s c h l a g e n e Köpfe liegen d u r c h e i n a n d e r

Palästinas - dem letzten Brückenkopf, Keulen oder Kriegsbeilen bewaffnet sind der Jahreszeit Aussaat im 22. Regie-
den Ägypten im Nahen Osten noch hält. und sich mit Schilden aus Holz und rungsjahr Thutmosis' III. (von der offi-
Der Weg nach Gaza führt durch Wüs- Leder schützen. ziellen Inthronisierung des kindlichen
te und nacktes Bergland: Sand, Geröll. Die Elite des Pharao aber sind die Pharao an gerechnet) die Grenzfestung
Hitze und so gut wie keine Wasser- Kämpfer auf den Streitwagen. Deren Sile in Richtung Gaza.
quellen. Den Soldaten folgt ein schwer- kostbare Gefährte sind leicht und wen- Etwa 23 Kilometer legt der Heeres-
fälliger Tross aus Packtieren und Trei- dig, gefertigt aus Holz, Leder und Bron- zug Tag für Tag zurück. Die Soldaten
bern. Die Esel tragen Ausrüstung und ze, manche tragen sogar Verzierungen in marschieren durch die Wüste, die Ägyp-
Proviant. Wasser vor allem. Schon ein Gold. Je ein Pferdepaar zieht einen Wa- ten von Asien trennt. Nach elf Tagen
kleiner Fehler bei der Berechnung der gen mit zwei Mann Besatzung: Wagen- erreichen sie Gaza.
Wassermenge, ein langsameres Tempo lenker und Bogenschütze. „Erster Monat der Jahreszeit Ernte.
oder ein ungeplant längerer Aufenthalt Der militärische Wert dieser Kriegs- Tag vier" notiert der Heeresschreiber
in der Wüste, etwa wegen eines Sturmes, wagen ist hoch. Weil die Einheiten und für die Ankunft in der Stadt. (Seine
könnten den Feldzug gefährden, ja sogar damit die Bogenschützen schnell neu Aufzeichnungen werden später in Stein
das Überleben der ganzen Armee. formiert werden können. Oft entscheidet geschlagen.) An diesem Tag jährt sich
Den Großteil der Truppen bildet das ihr taktisch kluger Einsatz den Ausgang die Krönung des Pharao. Sein 23. Regie-
Fußvolk. Die Bogenschützen - zumeist einer Schlacht. rungsjahr bricht an.
dunkelhäutige Söldner aus Nubien - so- Nach ägyptischem Kalender verlässt In Gaza bleibt das Heer nur einen
wie die Infanteristen, die mit Speeren. die Armee am Tag 25 des vierten Monats Tag. Wohl zur Verproviantierung. Aber
welchen Plan verfolgt der seinem Auftrag im großen Tempel
Pharao? Und wo erwartet des Amun in Theben errichten
er den Feind? werden. Die Annalen berichten
Er führt die Truppen in von Thutmosis' Feldzügen und
Richtung der Stadt Jehem, Ereignissen bis zu seinem 42.
150 Kilometer nördlich Regierungsjahr. Zeitlich geord-
von Gaza. Die Ägypter zie- net, fortwährend. Der Gedanke
hen entlang der Küste. Und einer chronologischen Auf-
während des Marsches am zeichnung der Geschichte ist
Meer denkt der Pharao viel- neu in Ägypten.
leicht erstmals daran, dass er mit Im Kriegsrat schlägt der Pha-
einer Kriegsflotte seine Armee rao den Bergpfad vor für den Zug
von Memphis aus durch das Delta nach Megiddo. Seine Offiziere war-
des Nil und über das Mittelmeer nen. Wegen der Gefahr des Hinter-
rasch an jeden Küstenort Palästinas halts, der Falle. Doch Thutmosis III.
verschiffen könnte. weicht nicht ab von seiner Idee. „Ich
Gut drei Wochen nach ihrem Auf- schwöre, so wahr Ra mich liebt und mein
bruch an der ägyptischen Grenze errei- Vater Amun mich lobt, Meine Majestät
chen die Truppen Jehem. Rund 400 wird auf diesem Wege vorrücken."
Kilometer haben sie zurückgelegt. Die Es ist entschieden. Thutmosis III.
meisten der Soldaten zu Fuß. Bei Jehem schätzt kühne Strategien. Und er schreckt
lässt der Pharao ein Lager aus Zelten vor einem Risiko nicht zurück. Denn er
aufschlagen. Damit sich seine Männer baut ganz darauf, dass der Feind genau-
einige Zeit von dem Marsch erholen. so denkt wie seine Truppenführer: dass
In den Tagen darauf sendet Thut- Hatschepsut, die Stiefmutter nämlich niemand bei gesundem Verstand
mosis III. Späher aus. Sie berichten, dass Thutmosis' III., regiert bis zu ihrem Tod diesen Weg wählen würde.
sich die Streitmacht des Fürsten von um 1458 v.Chr. mehr als 20 Jahre Nach der Beratung befiehlt der Pha-
Qadesch und seiner Verbündeten nicht an seiner statt. Der Statuenkopf zeigt rao den Aufbruch. „Jedem Mann", so
weit entfernt gesammelt habe. Bei und sie als Totengott Osiris berichten die Annalen, „wurde bekannt
in der Festungsstadt Megiddo. gegeben, wo er zu marschieren hatte,
Die liegt auf einem Hügel in Zentral- Pferd folgte hinter Pferd, während seine
palästina. Dort, wo sich der Handelsweg ist beschwerlich und vom Pass an so Majestät an der Spitze seiner Truppen
von Ägypten nach Mesopotamien und schmal, dass dort nur Mann hinter Mann war." Drei Tage später erreicht das Heer
die Straße zwischen der phönizischen gehen kann. Hier rechnet der Feind wohl auf dem Passweg den Ort Aruna. Dort
Küstenebene und Jerusalem kreuzen. kaum mit einem Anmarsch. Doch falls lagert es für eine Nacht. Nur noch etwa
Die Stadt ist reich vom Handel, und ein sich dennoch bereits syrische und paläs- zwölf Kilometer entfernt von Megiddo.
gewaltiger Wall aus Lehmziegeln schützt tinensische Soldaten auf den Höhen ent- Am nächsten Morgen ziehen sie wei-
sie. Zehn Meter hoch, sechs Meter dick, lang des Saumpfades platziert haben - ter. Eine leicht anzugreifende, mehrere
mit Schießscharten. Im Sturm ist Megid- dann sitzt jeder, der diesen Weg wählt, Kilometer lange Karawane, die sich
do kaum zu nehmen. in der Falle. durch die Berge windet - alles hängt da-
Zwischen Jehem und Megiddo liegt „Jahr 23, erster Monat der Jahreszeit von ab, dass sich Thutmosis III. nicht
das Karmelgebirge. Und um Megiddo zu Ernte. Tag 16. In der Stadt von Jehem. geirrt hat.
erreichen, hat der Pharao drei Möglich- Seine Majestät ordnete eine Beratung Nach wenigen Stunden erreicht die
keiten. Eine Straße führt von Norden her mit seiner siegreichen Armee an, indem Spitzengruppe der Karawane den Aus-
zu der Festung. Dieser Weg ist vom er sagte: Der elende Feind von Qadesch gang des Passes und blickt auf die Ebene
Feind gut einzusehen, und er kann sich ist gekommen und ist in Megiddo einge- vor Megiddo. Ihr Ende aber hat Aruna
auf einen Angriff aus dieser Richtung zogen. Dort ist er in diesem Augenblick. noch nicht einmal verlassen. Derart aus-
lange vorbereiten. Die zweite Möglich- Denn er hat die Häuptlinge aller Länder, einandergezogen ist die Armee. Nirgend-
keit ist, von Osten her nach Megiddo zu die Ägypten tributpflichtig waren, um wo in den Bergen war ein Feind zu sehen.
ziehen. Aber auf dieser Straße lagern sich gesammelt und er sagte: ,Ich bin Das Gros der Syrer und Palästinenser
bereits feindliche Truppen - das haben bereit, gegen den König von Ägypten in steht vor Megiddo, und die übrigen Ein-
Kundschafter dem Pharao berichtet. Megiddo zu kämpfen'." heiten bewachen die anderen Wege. Das
Der dritte Weg ist der kürzeste. Und So lässt der Pharao den Bericht über Kalkül des Pharao ist aufgegangen.
kaum mehr als eine Spur, die sich durch seinen Kriegsrat vor der Schlacht von Am Abend lagern die Ägypter in der
die Berge zieht und über den Pass von Megiddo später in Stein meißeln. In die Ebene vor Megiddo. Ohne Verluste. Die
Aruna nach Megiddo führt. Der Pfad Wände des Annalensaals, den Arbeiter in verblüfften Gegner aber müssen ihre
falsch postierten Einheiten zurückzie- müssen einen Lehnseid schwören, jähr- mit deren Zedernwäldern. Denn zur dau-
hen, sich neu formieren. liche Tribute zahlen und zudem jeweils erhaften Befriedung der Levante braucht
Später gibt der Pharao Anweisungen ihren männlichen Erben an den Hof von der Pharao eine Flotte. Um Truppen
für die Nacht. Und früh am Morgen be- Theben schicken. Als Geisel. Waffen und rasch von Ägypten in den Nahen Osten
richten ihm die Offiziere: „Die Wüste ist Schätze müssen sie abgeben. Die Beute verlegen zu können. Und für die Kriegs-
in Ordnung. Und auch die nördliche und des Feldzugs, aufgelistet in den Annalen, schiffe wiederum benötigt er große Men-
südliche Besatzung." Das heißt: Gemäß besteht aus vielen Pferden, Streitwagen gen an hochwertigem Holz. Nun ist der
seinen Befehlen hat ein Teil der Armee und Waffen. Und 340 Gefangenen. Da- Aufbau der Marine gesichert.
unbemerkt eine Position nordwestlich neben die 36 Söhne der Fürsten. 1449 v. Chr., in seinem 31. Regie-
von Megiddo eingenommen, und andere Keine verbrannte Erde, sondern Ver- rungsjahr, nimmt sich Thutmosis III. vor,
Kräfte haben eine Stellung südlich der träge: Das ist fortan das Muster der von Phönizien aus Richtung Osten bis
Stadt bezogen. So können die Ägypter ägyptischen Eroberungspolitik. So bin- ins Reich des Königs von Mitanni im
das Heerlager der feindlichen Kämpfer, det Thutmosis die Besiegten an das Zweistromland vorzudringen. Doch um
die sich vor Megiddo niedergelassen ha- Reich der Pharaonen und legt den den Euphrat zu überqueren, braucht er
ben, von zwei Seiten attackieren. Grundstein für sein Weltreich. Boote.
Doch Diplomatie allein erschafft kein Aber wo soll er die hernehmen, wenn
ei Sonnenaufgang greifen Imperium: Zur Festigung der ägypti- seine Truppen am Euphrat stehen?
die Ägypter die Syrer und schen Ansprüche im Nahen Osten führt Thutmosis löst das Problem auf seine
Palästinenser an. Die Stan- Thutmosis III. in den folgenden acht Weise: In Byblos an der phönizischen
darten der Götter flattern vor Jahren mindestens fünf weitere Feld- Küste lässt er von Spezialisten ganz be-
ihren Abteilungen, und der züge in die syrisch-palästinensische Re- sondere Boote anfertigen. Transportable,
Pharao selbst führt seine Truppen an. gion an - und erobert nach und nach die zerlegbare. Später werden die Einzelteile
Im vergoldeten Streitwagen. Trompeten- wichtigen phönizischen Seestädte an der auf Ochsenkarren über 500 Kilometer an
stöße, Kriegsgeschrei, Pferdewiehern, Mittelmeerküste. den Euphrat geschafft. Und nicht nur die
die Schläge der Bronzeschwerter, das Mit den Häfen sichert er sich nicht nur Idee, solche Schiffe zu bauen und über
Schwirren der Pfeile. Bereits nach eini- reiche Handelsplätze, sondern auch den Land an ihren Einsatzort zu befördern,
gen Stunden ist die syrisch-palästinen- Zugang zu den nahe gelegenen Bergen ist neu in der Geschichte der Kriegsfüh-
sische Allianz besiegt. Und ihre Führer, rung. Zum ersten Mal berichten ägypti-
darunter der Fürst von Qadesch, fliehen sche Quellen auch von einem Transport
in die Festung. auf Rädern. Denn Lasten haben die
„Sie liefen Hals über Kopf nach Me- Ägypter bislang wohl ausschließlich auf
giddo, mit Entsetzen im Gesicht. Sie lie- Schlitten bewegt.
ßen ihre Pferde und ihre Wagen von Gold Dank der neuen Kriegsflotte und
und Silber zurück." So steht es auf einer der zerlegbaren Boote gelingt es Thut-
Wand des Annalensaales. mosis III. im 33. Regierungsjahr, seine
Die Ägypter machen reiche Beute. Macht gegenüber den Mitanni zu de-
Dann lässt der Pharao Megiddo mit Wäl- monstrieren. Bei Karkemisch überquert
len aus Erde und Sand umgeben. „Men- er den Euphrat. Die Ägypter treiben
cheperra schließt die Asiaten ein" nennt feindliche Truppen vor sich her, zerstö-
er das Bollwerk. Er will die Stadt aus- ren Städte und Dörfer und erringen viele
hungern. So belagert ein Teil der ägyp- kleine Siege. Doch zur Entscheidungs-
tischen Truppen Megiddo. Und der Rest schlacht mit dem König von Mitanni
der Armee unternimmt zwei Vorstöße in kommt es nicht. Denn Thutmosis will
Richtung Nordosten bis zum Gebiet von das Reich Mitanni nicht erobern.
Qadesch. Um die dortigen Besitztümer Die Siege des Pharao wirken sich
des Fürsten von Qadesch zu plündern. auch auf das Alltagsleben am Nil aus.
Dem Anführer der Aufständischen. Mit den Geiseln, den Kriegsgefangenen,
Mehrere Monate trotzt Megiddo der den Sklaven und den fremden Händ-
Blockade. Dann geben die Belagerten lern kommen asiatische Götter, Mythen,
auf. Und Thutmosis III. handelt strate-
gisch weise: Er lässt die Stadt nicht
plündern, tötet die syrischen und paläs- Das ägyptische Imperium reicht
tinensischen Fürsten nicht, nimmt sie unter Thutmosis III. weit über den Nil hin-
nicht gefangen. Sondern er bestätigt sie aus. Mit der Eroberung Palästinas
als Oberhäupter ihrer Stadtstaaten und und Syriens schafft er eine Pufferzone
schließt einen Vertrag mit ihnen. Sie gegen Angriffe der Mitanni
Bräuche und Kunstvorstellungen in das sis III. noch weitere zwölf Jahre. Dem systematisch und mit solcher Sorgfalt
Land. Neue Handelsflotten befahren das König zur Seite steht seit dem zehnten entfernt? Will Thutmosis vergessen
„Große Grüne", wie die Ägypter das Jahr seiner Alleinregierung der Wesir machen, dass er, der große Pharao und
Mittelmeer nennen, und bringen ägyp- Rechmira. Auf ihn, den mächtigsten Kriegsherr, der ein Weltreich geschaffen
tische Luxuswaren auch nach Zypern Beamten in Oberägypten, kann er sich hat, so lange von einer Frau übergangen
und Kreta. wohl bedingungslos verlassen. Und worden ist? Von einer Usurpatorin, die
Die eroberten Gebiete von Meggido wenn Thutmosis in Theben weilt, lässt er ihm erst den Thron geraubt und ihn dann
in Palästina über die phönizischen Ha- sich fast täglich in seinem königlichen zur Untätigkeit verurteilt hat?
fenstädte bis nach Karkemisch in Nord- Palast von Rechmira persönlich Bericht Doch weshalb belässt Thutmosis III.
syrien teilt der Pharao in Bezirke ein und erstatten. auch nach der Übernahme der Regie-
unterstellt sie der ägyptischen Verwal- Einmal wendet sich der Pharao noch rungsgewalt die früheren Günstlinge
tung. Die Fürsten Palästinas und Syriens Nubien zu. Bis zum 47. Jahr seiner Herr- seiner Stiefmutter in Amt und Würden
erkennen bald die Vorteile der Besat- schaft schiebt er die Grenze im Süden und ersetzt sie nicht durch Beamte, die
zung. Denn die Zeit der Kleinkriege des Reiches bis zum vierten Katarakt nur ihm loyal ergeben sind? Und wenn
zwischen den Stadtstaaten ist vorüber. des Nil vor. er wirklich Hass auf Hatschepsut emp-
Und die ägyptischen Garnisonen bieten Thutmosis III. ist nun ein Mann von finden sollte, warum wartete er dann
guten Schutz vor dem Reich der Mitanni über 50 Jahren. Immer noch unternimmt jahrzehntelang, um ihm freien Lauf zu
im Nordosten. er Inspektionsreisen durch sein Reich. Er lassen?
In den folgenden Jahren führt der überprüft die Sicherheit der Grenzfes- Man kennt den Grund für die so späte
Pharao noch weitere Feldzüge und In- tungen, inspiziert seine Werft bei Mem- Verfemung Hatschepsuts nicht. Vermut-
spektionen in diese Region an, die er phis und kontrolliert die Berichte seiner lich aber ist es die Priesterschaft, die
erfolgreich auf Dauer dem ägyptischen Verwaltungsbeamten und Statthalter. nun gegen einen weiblichen Pharao in
Einfluss unterstellen kann. Damit die Beamten nicht schlafen und der Reihe der Könige vorgeht. Und viel-
Spätestens mit dem 17. Feldzug im ihre Pflichten vernachlässigen und die leicht gilt den Priestern schon die bloße
42. Regierungsjahr Thutmosis' III., in Ortsvorsteher die Bauern nicht ausplün- Erinnerung an Hatschepsuts Existenz
dessen Verlauf der König Tunip am obe- dern. Bei den großen Festen zu Ehren als Angriff auf die Maat, die göttliche
ren Orontes einnimmt, steigt Ägypten der Götter aber erscheint der Pharao als Ordnung.
endgültig zur Großmacht auf. Hethiter, oberster Priester und Führer des Kults. Denn für die Menschen im alten
Babylonier und Assyrer senden Ge- Die heißen Tage des Hochsommers Ägypten besitzt die bildliche Darstellung
schenke an den Pharao. Und das bedeu- verbringt der Pharao wohl oft in seinem eine magische Bedeutung. Wird das Bild
tet: Sie erkennen die Vormachtstellung Palast in Memphis. Manchmal bricht er eines Toten beschädigt und tilgt man
des Pharao in Vorderasien an. Thutmo- zur Nilpferdjagd im Delta auf. Oder er seinen Namen aus, ist damit auch der
sis III. hat das erste Weltreich geschaf- wandelt durch seinen „botanischen Gar- Tote im Jenseits verloren.
fen. Er herrscht über das östliche Mittel- ten", einen Raum im Karnak-Tempel in Die letzten beiden seiner Regierungs-
meer, über Syrien, Phönizien, Palästina, Theben, an dessen Wänden er die Flora jahre teilt sich der Pharao mit seinem
über Unter- und Oberägypten bis nach und Fauna seines Weltreiches darstellen Sohn Amenophis. Im Winter des Jahres
Nubien hinein. Die Ägypter dominieren lässt. Gelegentlich entwirft er neue For- 1425 v. Chr. nimmt er gemeinsam mit
den Welthandel jener Zeit. men für Schmuck und Kultgerät. ihm eine Truppenparade ab. Zwei Tage

U
Nach dem Tod seiner Hauptgemahlin danach stirbt der Pharao. In seinem
Satjah und seiner beiden Söhne heiratet nd dann, irgendwann in den Palast in Theben.
Thutmosis eine Frau wohl aus einer späten Jahren seiner Regie- Und so endet die Geschichte von
Nebenlinie der königlichen Familie - rung, fegt ein Bildersturm Thutmosis III.
Meritra Hatschepsut. Sie bringt einen durch Ägypten, der das 53 Jahre, zehn Monate und 26 Tage
Thronerben zur Welt: Amenophis. Er Andenken von Hatschepsut hat er die Doppelkrone Ägyptens getra-
erhält eine militärische Ausbildung und auslöschen soll. Wochenlang wüten die gen. Und fast 32 Jahre davon hat er allein
wird zum Oberpriester des Schöpfer- Steinmetze mit Meißeln aus Bronze, um regiert. Als Gottkönig. Und als Feldherr,
gottes Ptah ernannt. möglichst alle Kartuschen, Hierogly- der die Vorherrschaft in Vorderasien
Nach dem 42. Regierungsjahr, mit phen, Statuen und Bilder zu vernichten, errang. Dem es gelang, ein ägyptisches
dem die Aufzeichnungen im Annalensaal die den weiblichen Pharao zeigen. In Großreich zu begründen. Nie zuvor hat
von Theben enden, herrscht Thutmo- ihrem Königstempel wird fast jede Wie- ein Pharao so lange über ein so großes
dergabe ihres Namens zerstört. In die Land und so viele Untertanen geherrscht
Literatur: Angelika Tulhoff, „Thutmosis III.",
Callwey; die leicht verständliche Biogralie
Leerstellen werden die Namen anderer wie Thutmosis III. Und niemals wieder
arbeitet klug die vielschichtige Persönlichkeit Pharaonen geschlagen. wird ihm jemand gleichkommen. •
des Herrschers heraus. Wolfgang Helck.
..Die Beziehungen Ägyptens zu Vorderasien". Aber warum wird Hatschepsut plötz-
Harrassowitz; der wissenschaftliche
lich und nach so vielen Jahren verfemt? Walter Salier, 51, hat die Pharaonin Hatschepsut
Klassiker zum Verhältnis Ägyptens zu
für GEO porträtiert. N u n reizte es ihn, aus der Sicht
seinen nordöstlichen Nachbarn. Und weshalb werden ihre Bildnisse so ihres Stiefsohns auf jene Zeit zu blicken.
Geschichte erleben mit GEO EPOCHE.
T u t a n c h a m u n s R e i s e i n die E w i g k e i t

Jeder Ägypter will im Jenseits fortbestehen. Und seine

A n g e h ö r i g e n tun alles, damit sich dieser W u n s c h erfüllt. B e s o n d e r s

sorgfältig stattet die Königsfamilie ihre Toten aus. Ein Pharao

nimmt vergoldete Statuen, kostbare S c h m u c k s t ü c k e und prächtig

verzierte Gegenstände des täglichen L e b e n s mit ins Grab.

Unschätzbare Reichtümer, die vor allem einen Zweck haben: das

Weiterleben des K ö n i g s im Totenreich zu sichern. Etwa

eines jungen Pharao n a m e n s T u t a n c h a m u n

Tutanchamun (ganz oben


eine symbolische Darstellung
seines Thronnamens) selbst
bewacht sein Grab. Die lebensgroße
Statue mit seinem Gesicht stellt
den ka des Pharao dar - einen Teil
seines Ichs, der den Tod überdauert.
Der Körper der Statue aber ist
schwarz wie der Nilschlamm': die
Farbe der Fruchtbarkeit
Ein T h r o n für d i e E w i g k e i t
Wohl nur zehn Jahre hat Tutanchamun auf Ägyptens Thron gesessen, doch Pharao bleibt er auch
im Totenreich. Insignien seiner Macht und Szenen seiner Herrschaft begleiten ihn in das Jenseits.
Dort genießt er göttliche Protektion - und nimmt seinerseits teil am Wirken der Götter

»Nebcheperura, geliebtvon
S o p d u « , steht auf dem Sockel der
Statue dieses falkengestaltigen
Gottes. Die Inschrift bezeichnet Tut-
anchamun mit dem Thronnamen,
den er bei seinem R e g i e r u n g s -
antritt a n g e n o m m e n hat

Die Rückenlehne dieses


Throns zeigt Tutanchamun und
seine Gemahlin Anchesenamun.
Die in Hände auslaufenden Strahlen
der Sonne berühren beide und
bieten ihnen das ewige Leben dar -
in F o r m der gleichbedeutenden
Hieroglyphe » A n c h « , eines st i Ii -
• sierten Sandalenriemens
Die löwenköpfige
Sachmet, Tochter des
Sonnengottes Ra,
verkörpert die E i g e n -
schaften ihres S y m -
boltiers: gefährliche
Macht und starke
Muttergefühle
Von M e n s c h e n b e s t a t t e t , v o n G ö t t e r n b e h ü t e t
Tutanchamun teilt sein Grab mit 28 Götterfiguren. Einige bieten ihm allgemeinen Schutz,
andere haben ganz spezifische Aufgaben. Wahrscheinlich sind sie nicht eigens für den Pharao
gefertigt, sondern nach seinem Tod hastig zusammengestellt worden

Drei Figurinen mit


wichtigen Aufgaben:
Horus (oben links)
besiegt das Chaos,
D u a m u t e f - e i n m a l in
Menschengestalt,
einmal mit S c h a k a l -
k o p f - bewacht unter
anderem den Magen
des toten Pharao
Die beiden ä u ß e r e n
Särge sind aus vergolde-
tem Holz, der innerste
aus m a s s i v e m Gold. Alle
drei z e i g e n d e n P h a r a o
a l s Gott O s i r i s mit d e n
königlichen Insignien in
den Händen: Geißel
und K r u m m s t a b
M e h r f a c h u m h ü l l t ins Reich d e r Toten
Drei ineinander verschachtelte Särge nehmen in der Grabkammer die Mumie des Pharao
auf. Sie sind so präzise gefertigt, dass kein Finger zwischen die Wände passt. Priester haben die
Deckel mit silbernen Nägeln und Zapfen verschlossen, die Tutanchamuns Namen tragen

Den Körper des


äußeren S a r g e s be-
decken stilisierte
Federn: Die Göttinnen
Isis und Nephthys
halten den Pharao
in ihren geflügel-
ten A r m e n
Ewiges Gold, unsterblicher Pharao
»Fleisch der Götter« nennen die Ägypter das Gold. Sein unvergänglicher
Glanz gilt als Sinnbild der Ewigkeit. Der verschwenderische Umgang mit dem
Edelmetall aber versetzt den Betrachter bis heute in Erstaunen

Die zwei v e r g o l d e t e n
Statuen zeigen den König
als H e r r s c h e r beider
Reichsteile: Die linke Figur
trägt die k e g e l f ö r m i g e
K r o n e O b e r - , die rechte die
Krone Unterägyptens
Goldene Schön-
heit m i t s c h w a r z
geschminkten Augen:
Selket, Schutzpatronin
d e r K ö n i g e . Mit drei
weiteren Göttinnen
bewacht sie Tutanch-
a m u n s Organe
Der Deckel der
Truhe hat die Form
einer Kartusche,
jenes ovalen R a h -
mens, der etwa den
Eigennamen des
Königs in Inschriften
umgibt. Diese Hiero-
glyphen bewahren
die Erinnerung an
den toten Herrscher:
Tutanchamun
Wenn alles vergeht, bleibt ein Name
Sorgfältig konservieren die Ägypter die Leiche eines Verstorbenen. Sie belegen die Mumie mit
Zaubersprüchen und stellen mit Ritualen die Körperfunktionen im Jenseits sicher. Sollte der Körper
dennoch zerstört werden, garantiert noch immer der Name das Weiterleben im Totenreich •

Texte: Gesa Gottschalk

Eine kunstvolle
Totenmaske bedeckt
das Gesicht Tutanch-
a m u n s . S i e ist a u s G o l d
g e t r i e b e n u n d mit E i n -
lagen aus Glaspaste sowie
Lapislazuli und anderen
Halbedelsteinen versehen.
F ü r die A u g e n h a b e n die
Goldschmiede Quarz und
Obsidian verwendet. So
entsteht das lebensecht
e r s c h e i n e n d e Antlitz
des Verstorbenen
Um 1395 v . C h r . GÖTTERFEST

Besuch vom Herrn


des Himmels
Einmal im Jahr macht sich in Theben, dem religiösen Zentrum

Ägyptens, der Reichsgott A m u n auf, die Tempel der verstorbenen

Pharaonen zu besuchen. Auch die Menschen feiern an diesem

Tag - gemeinsam mit ihren toten Angehörigen

TEXT: I N S A HOLST, I L L U S T R A T I O N E N : J O C H E N S T U H R M A N N
Am Morgen des
Festtages tragen
Priester die in einem
Schrein verborgene
Statue des Amun auf
einer vergoldeten
Barke aus seinem Hei-
ligtum. Ihr Ziel: die
Königstempel auf der
anderen Nilseite. Die
Illustrationen geben
eine Feierum 1210 v. Chr.
wieder, gut 180 Jahre
nach den im Text ab
Seite 82 geschilderten
Ereignissen-aber
nur wenige Jahre,
nachdem Ramsesll.
Theben prächtig
ausbauen ließ
Auf dem Weg in^Freie
durchschreitetdie Prozes-
sioneinen steinernenWald
aus 134 Säulen, diebisx
zu 21 Meter hoch aufragen.
Durch^enster flutet Licht
in die unter Rames II. voll-
endete Halle - dem mit mehr
als 5000 Quadratmeter
Fläche größten Säulensaal
Ägyptens. Überall im Raum
stehen Statuen von Köni-
gen und Göttern; die Reliefs
auf den Säulen geben
Opferszenen wieder
Abend wieder verschluckt, werden sich
die Gräber im Westen Thebens öffnen.
Werden Gelächter und Gesang, der Ge-
ruch feiner Speisen sowie unzähliger den Sonne, beginnt das Reich der Toten:
Liter Wein aus den Häusern der Toten Jenseits der Ebene des Niltals liegen die
aufsteigen. Wird im religiösen Zentrum Tempel verstorbener Pharaonen sowie
Ägyptens das Diesseits scheinbar mit zahllose Gräber.
dem Jenseits verschmelzen. Wer sich dieser Totenstadt nähert, der
Theben zählt zu den reichsten Metro- durchquert auf Dämmen und Kanälen
schaft an den Ausläufern des Gebirges polen der antiken Welt und ist die glanz- zunächst fruchtbares Ackerland; der
westlich dereinstigen „Göttermetropole" volle Kapitale der Götter. Der Lokal- passiert Palmenhaine und vereinzelte
Theben durchstreift, stößt in der Ödnis gott Amun ist zu einer der wichtigsten Flecken, auf denen Bauern ihre Hütten
auf säuberlich in den Fels geschlagene Gottheiten des Reiches aufgestiegen und Häuser errichtet haben.
Löcher, hinter denen dunkle Gänge zu (siehe Seite 44) und genießt seither im Drei Kilometer westlich des Nil steigt
erkennen sind, auf Gesteinstrümmer, ganzen Land Verehrung als Schöpfer und der Boden dann allmählich an. Hier, vor
Mauerreste. Hier, nur wenige Kilometer Weltenerneuerer. den Kalksteinbergen am Rand der Wüste,
vom Nil entfernt, wo kein Strauch, keine Obwohl die Stadt des Amun inzwi- erheben sich die Tempel der Könige.
Palme Schutz gewährt vor der sengen- schen nicht mehr das Zentrum weltlicher In diesen „Millionenjahrhäusern" hul-
den Sonne, ließen sich einst angesehene Macht ist - der regierende Pharao Thut- digen die Pharaonen sich selbst und
Bewohner Thebens bestatten. mosis IV. hält sich meist im rund 500 den Göttern, auf dass sie ihnen ewiges
Ihre Gräber waren weniger spektaku- Kilometer nördlich gelegenen Memphis Leben schenken mögen. Nach ihrem Tod
lär als die reich ausgestatteten Felskam- auf -, bleibt Theben als Amtssitz des werden die Herrscher dann selbst zu
mern, in denen Pharaonen ihre Reise ins Wesirs für Oberägypten politisch bedeu- Gottheiten und fortan in den Tempeln
Jenseits antraten. Doch auch im Inneren tend: Der königliche Statthalter gebietet von Priestern mit Opfergaben versorgt.
dieser Begräbnisstätten von Priestern über die Kornspeicher und Schatzhäu- Der imposanteste Bau, die terrassen-
oder Beamten taten sich Räume auf, be- ser des südlichen Reichsgebietes, treibt förmige Anlage der Pharaonin Hat-
deckt mit Malereien, die in prächtigen Steuern und Abgaben ein. schepsut (siehe Seite 92), liegt etwas
Farben schildern, wie die Menschen am Die Stadt liegt in einer fruchtbaren zurückgesetzt in einem Talkessel des
Nil einst gearbeitet, wie sie sich geklei- Ebene am Nil, zu beiden Seiten von Wüs- Randgebirges. Djeseret, „Heiliger Ort",
det, wie sie ihren Glauben gelebt haben. tengebirgen flankiert. Am Ostufer des nennen die Thebaner das Tal. Es gilt ih-
Eines der Gräber ließ vor rund 3400 Stroms dehnen sich die Wohnviertel der nen als Schwelle zwischen Diesseits und
Jahren ein Mann namens Nacht für sich Stadt aus: Gassen mit schlichten Lehm- Jenseits. Hier verehren sie Hathor, die
und seine Frau erbauen. Die Bildnisse der ziegelhäusern, daneben weitläufige Be- kuhköpfige Göttin der Toten, der Liebe -
kleinen Anlage geben die prachtvollste
Feier wieder, die alljährlich zu Ehren der
Toten ausgerichtet wurde: das „Schöne
Fest vom Wüstental".
Theben, an einem Sommermorgen
Nicht Me tischen, sondern
nach Neumond um 1395 v. Chr. Die
große Hitze neigt sich dem Ende zu,
die Ernte ist eingefahren. An diesem zirke mit Villen, deren Wände nur von und der Trunkenheit. Hier hat sich schon
Tag wollen sich die Lebenden mit kleinen Fenstern durchbrochen sind, um der große Reichseiniger Mentuhotep II.
den Verstorbenen vereinigen. Wird sich die Hitze fernzuhalten. Hier residieren um 2020 v. Chr. seinen Tempel errichten
Ägyptens bedeutendster Tempel öffnen die hohen Beamten und Priester. Gärten lassen (siehe Seite 44).
und die Akteure eines pompösen Fest- umgeben ihre Häuser, mit Teichen, in Die Gebeine vieler anderer Gott-
zugs entlassen: einer Inszenierung des denen Lotospflanzen wachsen. könige aber ruhen in einer versteckten
Glaubens, in der die Toten die Haupt- Zehntausende Menschen leben in Senke. Thutmosis I. hat um 1500 v. Chr.
rolle spielen und die doch erfüllt ist von Theben, und viele stehen in Diensten der aus Angst vor Räubern seine Grabstätte
fröhlicher Pracht. Götter. Deren Tempel erheben sich vor in den Felsen dieser leicht zu bewachen-
Im Laufe dieses Tages wird Amun, allem im nördlichen Teil der Stadt. Ge- den Schlucht schlagen lassen. Seither
der König der Götter und Gott der Kö- waltige Toranlagen und Obelisken über- werden alle Pharaonengräber im „Tal der
nige, mit großem Gefolge in die Stadt ragen den Bezirk des Amun und seiner Könige" angelegt.
der Toten übersetzen. Und noch bevor Gemahlin Mut. Gerade Prozessionsstra- Thebens Beamte nutzen die Hänge
die Himmelsgöttin Nut die Sonne am ßen verbinden das Heiligtum des Reichs- zwischen diesen Ruhestätten und den
gottes mit den anderen Kultstätten.
Und mit dem Nil. Denn auf der ande-
ren Flussseite, im Land der untergehen-
wäre der tägliche Gang zu den Gräbern.
Einmal im Jahr aber begeben sie sich in
die Totenstadt: am ersten Tag des zwei-
Königstempeln als Friedhof: Vor allem ten Monats der Jahreszeit „Ernte". Leben preis: Seine Frau Taui erscheint
hohe Staatsdiener wählen Lagen mit An diesem Tag zieht Amun mit sei- als „Sängerin des Amun", er selbst als
Blick auf die Millionenjahrhäuser und nem Gefolge aus, um die verstorbenen Schreiber und „Stundenbeobachter des
den heiligen Bezirk des Reichsgottes auf Pharaonen zu besuchen und ihnen durch Amun".
der anderen Flussseite. seine Gegenwart neue Kraft für das jen- Stundenbeobachter wie er stellen
Auch das Grab des Nacht befindet seitige Leben zu spenden. Und während sicher, dass die täglichen Rituale im
sich hier - ungewöhnlich für einen die Reise des Reichsgottes für das Volk Amun-Tempel stets zur rechten Zeit be-
Mann, den die Inschriften nur als Schrei- wohl nur ein großes Spektakel ist, feiern ginnen. Tagsüber benutzen sie Sonnen-
ber und Stundenbeobachter benennen. die Angehörigen eines Verstorbenen, und Wasseruhren, nachts starren sie vom
Vielleicht verfügt er über gute Bezie- der es sich leisten konnte, im Westen Dach des Tempels in den Himmel, beob-
hungen zu allerhöchsten Kreisen; denk- begraben zu sein, mit ihrem Toten das achten die Gestirne und vergleichen de-
bar ist auch, dass die Grabinschriften Schöne Fest vom Wüstental. ren Erscheinen und Verschwinden mit

r
seinen wahren Rang aus unbekannten Tabellen.
Gründen verschweigen. Beamte in nie- agelang bereiten sich die Men- In denen ist unter anderem verzeich-
deren Positionen müssen sich jedenfalls schen in den besseren Vierteln net, wann die „Dekansterne" am Nacht-
zumeist mit einer Totenstätte am Fuß Thebens auf die Feier vor. Tän- himmel auftauchen: 36 Himmelskörper,
eines Gräberberges begnügen. zerinnen werden verpflichtet, die das Jahr in Abschnitte von jeweils
Von außen sind von diesen Ruhestät- Matten, Schemel, Stühle und Tische in zehn Tagen gliedern. Mit ihrer Hilfe kön-
ten nur ummauerte Höfe sowie Fassaden die Totenstadt geschafft, die Gräber mit nen die Astronomen auch die Nacht in
zu sehen; die eigentlichen Grabräume Blumen und Fackeln bestückt und große zwölf Stunden teilen.
sind im Felsen verborgen. Mengen Essen zubereitet. Die Sternkundigen bestimmen zudem,
Je nach Rang eines Beamten zu Leb- Diener füllen Korb um Korb mit wann die Zeit für ein Fest gekommen ist:
zeiten besteht eine solche Totenstätte aus Früchten und honigsüßem Kuchen aus In die Tempelwände sind Kalender ein-
einer kleinen Kammer für die Besucher Erdmandeln, schlachten Enten, Gänse, gemeißelt, in denen die Feiern zu Ehren
sowie einem Schacht, der hinab zum Wachteln, Tauben, Schafe, Schweine der Götter verzeichnet sind. Um die Tage
Sargraum führt - oder gleicht einem und Rinder, schleppen Brennholz von festzulegen, müssen die Astronomen
unterirdischen Palast, mit Säulenhallen Vorratslagern auf den Dächern hinunter mehrere Kalendersysteme mit dem Lauf
und Kapellen. in die offenen Küchen und Innenhöfe. der Gestirne in Einklang bringen.
Der Tod ist im Alltag stets gegenwär- Dort bereiten Köche über dem Feuer Ein Mann wie Nacht bestimmt also
tig. Zu sterben bedeutet nur, in eine an- Fisch, Fleisch und Gemüse zu. Der Ge- mit, wann die Zeit für das Schöne Fest

Götter prägen die Metropole am Nil

dere Existenz überzugehen. So bereiten ruch von Erbsen, Linsen, Zwiebeln, vom Wüstental gekommen ist. Wann
sich nicht nur die Pharaonen, sondern Knoblauch und Kräutern zieht durch die Amun sein Haus verlässt, um die verstor-
auch die Beamten und Priester auf jenen Häuser, es duftet nach frischem Brot. benen Pharaonen zu besuchen. Und es ist
Tag vor, „an dem sie landen". Und pla- Brauer liefern den Hausherren Bier, gut möglich, dass er sich jener pracht-
nen so früh wie möglich ihre Wohnun- hergestellt aus mit Datteln und Wasser vollen Prozession anschließt, die sich in
gen für die Ewigkeit. vergorenen Braubroten. der Tempel Stadt formiert.
Die Gräber sind mit allem ausgestat- Diener schaffen aus den Kellern Wein Theben, am frühen Morgen nach
tet, was ein Mensch auch im Diesseits herbei, den die Menschen bei Festen in Neumond.
zum Leben benötigt: Möbel, Kleider, großen Mengen trinken und den Göttern Fahnen wehen über dem großen Tor
Gefäße mit Parfüm. Verwandte bringen opfern; der aber auch als Heilmittel gilt im Westen des Amun-Tempels; davor
ihren Verstorbenen regelmäßig Speisen und bei allerlei körperlichen Gebrechen blitzen, den Sonnenstrahlen nachemp-
und Getränke - meist symbolisch, indem geschluckt wird. Auf vielen Krügen ist funden, golden die Spitzen von monu-
sie etwa daheim auf kleinen Haus- verzeichnet, wann und auf welchem Gut mentalen Obelisken auf. Von überall her
altären Opfergaben ablegen; zu mühsam der Wein gekeltert und abgefüllt wurde. strömen Menschen herbei.
Auch Nacht plant eine Feier mit
seinen toten Angehörigen, davon zeu-
gen die Malereien in seinem Grab. Wenig
nur geben die Inschriften darin über sein
Nur an hohen Festtagen kann das Volk seinen Göttern begegnen. An diesem Morgen
drängen die Menschen zum Anleger des Amun-Tempels (oben): Dort wartet das Schiff, in dem
der Reichsgott über den Nil setzen wird, denn jenseits des Flusses, am Fuße des West-
gebirges, liegen die Tempel der verstorbenen Pharaonen. An anderen Feiertagen hingegen
zieht Amun durch vier gewaltige Torbauten in Richtung Süden (links), wo der heilige
Bezirk seiner Gemahlin Mut liegt. Die Tore sind von verschiedenen Pharaonen erbaut worden,
ihre (ursprünglich bunten) Reliefs stellen die Könige als Kriegsherren dar
und die Fugen der Steinblöcke zu verde-
cken. Zum Schluss setzen die Maler ihre
Pinsel an: Sie tauchen die Szenen in bun-
Der heilige Bezirk des Amun ist te Farben und fügen ihnen Details wie die Vorlesepriester, die während der Ze-
etwa zehn Hektar groß, es ist der impo- Gewänderfalten und Schmuck hinzu. remonien die heiligen Texte rezitieren.
santeste in Theben. In seinem Zentrum Andere Männer stehen allein den Die einfachen Priester sind in vier
liegt das 180 Meter lange und 100 Meter Göttern zu Diensten. Es sind gut aus- Gruppen aufgeteilt, die jeweils einen
breite Tempelhaus, daneben ein fast gebildete Priester, die ihr Amt meist vom Monat lang dem Gott zu Diensten stehen.
ebenso großer See. Rundherum stehen Vater geerbt haben. Sie haben zunächst In der übrigen Zeit leben sie bei ihren
die Wohnbauten der Priester sowie Vor- eine öffentliche Schule besucht, in der Familien und widmen sich zumeist in der
ratsspeicher, Schreibstuben, Webereien, sechs- bis zehnjährige Jungen Schrei- Tempelverwaltung anderen Aufgaben.
Werkstätten, Schlachthäuser, Schatz- ben, Lesen und Rechnen lernen, und an- Die Menschen nennen diese Priester
kammern. schließend an der Tempelschule studiert. die „Reinen", denn sie alle müssen sich
Der Tempel ist der größte Wirtschafts- Neben Sternenkunde zählen dort Geo- einem strengen Prozedere gemäß reini-
betrieb des Landes mit Besitzungen graphie, Geometrie, Mechanik, Medizin gen, ehe sie den Tempel betreten: Die
überall im Reich. Pharaonen und wohl- und Fremdsprachen wie Babylonisch Gottesdiener waschen sich mehrmals am
habende Untertanen haben sie im Laufe und Assyrisch zu den Fächern. Tag mit Wasser aus dem neben dem
der Jahrhunderte Amun gespendet: Ein zentraler Ort der höheren Bil- Tempel gelegenen See, reiben ihren Kör-
Weingärten, Geflügelhöfe, Viehherden, dung ist das „Lebenshaus" des heiligen per mit Öl ein, kauen zur Säuberung von
Ackerflächen, Erzgruben, Steinbrüche. Bezirks: Hier werden die wichtigsten Zähnen und Mund Natron und rasie-
Deren Erträge werden als Opfergaben theologischen und wissenschaftlichen ren sich regelmäßig alle Haare samt der
und als Löhne für das Personal benötigt. Schriften gesammelt, kopiert oder neu Augenbrauen ab.
Hunderte von Beamten arbeiten in der verfasst, darunter geheime Göttermythen Auch sonst gelten im Haus des Amun
Verwaltung des Tempels: als Vorsteher und Ritualtexte. Auch Traumdeuter und strikte Regeln: Alle Priester haben San-
von Getreidespeichern und Schatzhäu- Komponisten arbeiten hier. dalen zu tragen; als Kleidung sind nur
sern, als Schreiber und Buchhalter, als Und die hoch angesehenen Schreiber: leinene Gewänder zugelassen. Schon an
Oberwinzer, Polizisten, Rinderzähler Mit angespitzten Binsenstängeln und den Tagen vor Dienstbeginn ist ihnen
und Kornmesser. einer Tusche aus Ocker oder Ruß fül- Geschlechtsverkehr verboten.
Auch Handwerker arbeiten im Amun- len sie ihre Papyrusrollen mit Zeichen, Ob sich Männer wie Nacht als Stun-
Tempel. Jeder Pharao sieht es als seine zumeist einer Schreibschriftform der denbeobachter des Amun ebenfalls sol-
heilige Pflicht an, die Wohnstatt des Hieroglyphen. Sie vervielfältigen wis- chen Auflagen unterwerfen müssen, ist
Reichsgottes zu verschönern, ihr immer senschaftliche Manuskripte, übersetzen nicht überliefert. Vermutlich aber übt
neue Tore, Hallen, Kapellen, Säulen und fremdsprachige Texte und füllen meter- auch er sein Amt immer nur zeitweise

Astronomen bestimmen, wann die Zeit für das

Statuen hinzuzufügen. Nun sind die lange, aus vielen Papyrusbögen zu Rol- aus und arbeitet sonst als Beamter in der
Handwerker gerade hinter dem Westtor len zusammengefügte „Totenbücher" Tempelverwaltung.
beschäftigt: Thutmosis IV. lässt die Wän- mit Anweisungen für die Reise in die Der Dienst der Priester beginnt im
de eines rund 100 Jahre alten Festhofs jenseitige Welt und das Leben darin. . Morgengrauen. Der Weg zur Wohnung
mit Reliefs dekorieren. des Amun führt durch reich verzierte

O
Meist erdenken Priester dafür Muster berster Herr des Kultes ist Höfe und Säulenhallen voller Statuen in
und religiöse Szenen und zeichnen sie in der König - alle anderen immer größere Dunkelheit. Nachdem die
ein Netz aus Quadraten auf Papyrus ein. Gottesdiener handeln nur im Opfertischsaal angerichteten Speisen
Bildhauer übertragen diese Hilfslinien als seine Stellvertreter. Den geweiht sind, betreten die Gottesdiener
auf die Wände und setzen den Entwurf höchsten Rang unter ihnen nimmt an schließlich das Allerheiligste tief im In-
maßstabsgetreu um. jedem Tempel der Hohepriester ein. neren des Tempels.
Ist das Relief fertig modelliert, ver- „Türöffner des Himmels" wird in The- „Es ist unzugänglicher, als was im
putzen Maurer die Wand mit einer dün- ben der Hohepriester des Amun genannt; Himmel ist, verhüllter als die Dinge der
nen Gipsschicht, um fehlerhafte Stellen er genießt höchstes religiöses Ansehen Unterwelt, verborgener als die Bewoh-
und trägt als Zeichen seiner Würde bei
besonderen Gelegenheiten ein Leopar-
denfell. Große Bedeutung haben auch
ter der Barke schreitet der irdische Sohn
des Reichsgottes: Pharao Thutmosis IV.,
der zu dem Totenfest eigens aus Mem-
ner des Urwassers", heißt es in einem phis angereist ist. Wedelträger begleiten In den Villen gibt es Badezimmer mit
altägyptischen Text über das Sanktuar, den König und fächeln ihm mit Straußen- Duschen und Toiletten. Die meisten
in dem - in einem Schrein verborgen - federn an langen Stangen kühle Luft zu. Bauern, Arbeiter und Handwerker hin-
das Bildnis des Gottes steht. Die Priesterschaft des Amun sowie gegen haben vor dem Fest vermutlich
Im Fackelschein brechen die Männer Abgeordnete anderer Tempel schließen lediglich ein Bad im Nil oder in einem
das Siegel an den Türriegeln, öffnen den sich dem Zug an. Langsam bewegt er der Teiche und Kanäle genommen.
Schrein und wecken Amun, indem sie sich vom Tempeltor in Richtung Nilufer. Überall am Rand der Prozessions-
das von einer Federkrone gezierte Göt- Unzählige Menschen säumen den Weg. straße ertönt das Lachen von Kindern.
terbild enthüllen: eine mit Edelsteinen Ziel der meisten Paare ist es, möglichst
besetzte Statuette in Menschengestalt, ie an Feiertagen üblich, viele Sprösslinge zu zeugen - vor allem
geschaffen aus massivem Gold, dem haben Beamte, Handwer- Söhne: Denn die werden später die
„Fleisch der Götter". ker und Arbeiter Urlaub, Totenrituale vollziehen und so das Fort-
Die Priester entzünden Weihrauch, es es gab zuvor Sonderratio- leben ihrer Eltern im Jenseits sichern.
erklingen hymnische Lieder. Denn nur nen Lebensmittel, darunter Wein und So bringen die Ehefrauen häufig fünf
in gesungener Form richten sie das Süßigkeiten. Vor allem jedoch wollen die bis zehn Jungen und Mädchen zur Welt;
Wort an den Gott. Sie waschen, kleiden Menschen Amun sehen, denn Prozessio- doch nahezu jedes zweite Kind stirbt in
und schminken ihn, salben ihn in einer nen sind für das Volk die einzige Gelegen- den ersten Jahren nach der Geburt.
festgelegten Reihenfolge mit kostbaren heit, den Göttern leibhaftig zu begegnen. Kinderlosigkeit gilt als großes Un-
Ölen, reichen ihm Opfergaben als Spei- Das unter einem Baldachin ruhende glück: „Erhebe dich nicht über den, der
se. Die Früchte, Brote und Fleischstücke Kultbild bleibt in seinem Schrein ver- keine Kinder hat", mahnt eine Samm-
werden sie später selbst verzehren. borgen: einer von Tüchern umhüllten lung von Lebensweisheiten. An gleicher
Am Ende ihres Dienstes erneuern die und mit Königs- und Götterfiguren ver- Stelle findet sich die Aufforderung an die
Priester das Siegel an den Türen des zierten Truhe. Männer: „Liebe deine Frau mit Inbrunst,
Schreins, beseitigen rückwärtsgehend Die Angehörigen der Oberschicht ha- fülle ihren Magen, kleide ihren Rücken
mit einem Pflanzenbüschel ihre Fuß- ben sich für diesen Tag fein gemacht, die und versorge sie mit Salbe, die ein Heil-
spuren auf dem Sandboden und lassen Frauen schwarze, in dicken Strähnen mittel für den Körper ist. Erfreue ihr
den Gott in völliger Dunkelheit zurück. oder feinen Zöpfen über die Schultern Herz in der Zeit, in der du lebst. Sie ist
Doch wenn Amun den Tempel ver- fallende Perücken aufgesetzt. Die Män- ein nützliches Feld für ihren Herrn."
lässt, um sich - wie am Schönen Fest ner, sonst nur angetan mit einem Schurz, Die Frauen haben vor dem Gesetz die
vom Wüstental - dem Volk zu zeigen, tragen durchsichtige Tuniken, die Frauen gleichen Rechte wie Männer - gleich-

chön e Fest vom Wüsten tal gekommen ist

schließen die Priester die Statue nach weiße, bis zum Boden reichende Wickel- gültig, ob sie verheiratet, geschieden oder
dem Opferdienst nicht weg, sondern oder fein plissierte Faltenkleider. Gold- ledig sind. Sie dürfen Verträge abschlie-
setzen sie in den Schrein einer Barke reifen, Ringe und Ketten zieren Arme, ßen, als Zeugen vor Gericht auftreten und
aus vergoldetem Holz: der Nachbildung Hälse und Ohren, bronzene Nadeln blin- über Besitz verfügen. Manche arbeiten
eines Nilbootes, an deren Bug und Heck ken im Haar, und über den schwarz um- als Handwerkerinnen oder Friseurinnen
gehörnte Widderköpfe prunken, Emble- randeten Augen und Brauen so mancher oder kümmern sich als Ammen und Zieh-
me des Amun. Dame prunkt ein Stirnband mit Lotos- mütter um Kinder vornehmer Familien.
Dann schultern 20 kahl geschorene, blüten, Symbol der Wiedergeburt und Auch Fremde haben sich wohl unter
in weiße Gewänder gehüllte Männer Wappenpflanze Oberägyptens. die Menge gemischt, um das Spektakel
die Götterbarke, und es formiert sich, Mit Alaun dämpfen die Wohlhaben- mitzuerleben. Viele Ausländer verdingen
wie an diesem Morgen nach Neumond, den ihren Schweißgeruch, es duftet nach sich als Soldaten in Ägypten, darunter
im Tempel ein prächtiger Festzug. aromatisierten Ölen, nach Elixieren aus Libyer, die durch ihre Tätowierungen
Jubel brandet auf, als die Prozession Weihrauch oder Myrrhe. Nichts ist für auffallen. Die meisten aber sind unfrei-
im geöffneten Tempeltor erscheint. Hin- das gesellschaftliche Ansehen wichtiger willig in Theben: als Sklaven. Zahllose
als ein frisches, strahlendes Auftreten.
Nur wenige aber können sich Festge-
wänder, Schmuck und Parfüme leisten.
Seit Theben um 2000 v. Chr. erstmals zum kultischen Zentrum des Reichs erhoben worden ist, haben •
die Pharaonen vier mächtige, von hohen Mauern umgebene Tempelbezirke errichtet, darunter einen für „
die Göttin Mut (links) und einen für den Kriegsgott Month (unten). Der größte ist dem Reichsgott Amun
gewidmet. Nachdem die Priester seinen Schrein an diesem Tag aus dem Innersten des Tempels (rechts neben
dem heiligen See durch die hoch aufragende Säulenhalle zum Anleger getragen haben, setzt er nun an
Bord eines Schiffes über den Nil und gelangt durch einen Kanal zum Tempelbereich der Hatschepsut. Eine
Sphingenallee verbindet den heiligen Bezirk Amuns mit seinem Haus jm Süden der Stadt, dem heutigen
Luxor: Hierhin reist der Reichsgott einmaLim Jahr, unrein mehrwöchiges Fest zu feiern
gefolgt von unzähligen kleinen Booten
und Kähnen.
Der Fluss führt nun. rund sechs Wo-
Kriegsgefangene aus Asien und Nubien chen bevor die Nilschwemme Oberägyp- schneiden die Bauern das Getreide und
leisten in den Tempeln und Handwerks- ten erreicht, nur wenig Wasser. Stetig transportieren die Ähren zu den Tennen
betrieben der Stadt und auf den Feldern kontrollieren Inspektoren seinen Pegel, am Rande der Dörfer, um sie dort zu
Zwangsarbeit. Offiziell gehören sie alle denn der Strom ist nicht nur der wich- dreschen oder von Ochsen ausstampfen
dem König, er kann sie jedoch verschen- tigste Verkehrsweg des Wüstenlandes, zu lassen und schließlich mithilfe flacher
ken. Dann darf sie der Empfänger ver- sondern seine Lebensader, Quelle seines Holzschalen zu worfeln.
kaufen; man kann sie erwerben und im Reichtums und seiner Macht. Auf Eseln und Karren schaffen die
Haushalt als Diener einsetzen - oder ihre Das Volk verehrt den Nilgott Hapi als Familien das von der Spreu gereinigte
Arbeitsleistung tageweise vermieten. den, der „den Durst der Wüste löscht, die Korn schließlich zum nächstgelegenen
Wer als Sklave auf der Flucht gefasst fern vom Wasser ist: Sein Tau ist es, der Vorratsspeicher - oder beladen die am
wird, den verurteilt der Staat zum Tode. vom Himmel herabsteigt. Er ist es, der Ufer liegenden Getreideschiffe des
Aus dem unfreien Dasein gibt es kaum Überfluss gibt an allen guten Dingen: Königs.
ein Entrinnen; auch wer als Kind von Wer traurig war, wird froh. Und alle sind Wie über alles Wirtschaften im Land
Sklaven geboren wird, bleibt sein Leben fröhlich". wachen die Beamten des Pharao auch
lang gebunden - es sei denn, ein gnädi- Jedes Jahr im Juli, wenn der einige über die Arbeit auf den Feldern. Die
ger Herr entlässt ihn in die Freiheit. Wochen zuvor im äthiopischen Hoch- meisten Bauern dienen auf Königs- und
Selbst im Jenseits lassen die Wohlha- land einsetzende Monsunregen schwar- Tempeldomänen oder einem jener Güter,
benden andere für sich schuften: Dienst- ze, fruchtbare Erde in die Zuflüsse spült, mit denen der Herrscher verdiente Be-
bare Geister sind in den Gräbern als Fi- schwillt der Nil zu einem mächtigen amte belohnt.
guren aus Holz oder Ton gegenwärtig. Strom an, tritt über die Ufer und bedeckt Die Bauern dürfen ihre Felder nicht
das Land zu seinen Seiten mit nähr- ohne die Erlaubnis ihrer Herren verlas-

L
angsam legt der Festzug den stoffreichem Schlamm. Seine Fluten sen und müssen den Ertrag ihrer Arbeit
wenige Hundert Meter langen werden in natürlichen Senken und zwi- an die zuständige Gutsverwaltung ablie-
Weg bis zum Flussufer zurück, schen Erdwällen gestaut. fern; die zur Ernährung benötigten Le-
entlang einer eigens für diesen Wenn sich der Fluss dann im Oktober bensmittel erhalten die Bauern wie alle
Zweck angelegten Prozessionsstraße, in sein normales Bett zurückzieht und anderen Arbeiter als Lohn vom Staat oder
die das Haus des Gottes mit dem Anleger der Boden wieder trocken wird, öffnen von dem Tempel, dem sie unterstehen.
des Tempels verbindet. die Bauern diese Bassins nach und nach Um die Menge an abzugebendem
Männer und Frauen drängen zur Bar- und leiten das Wasser über ein ver- Getreide festzulegen, vermessen Inspek-
ke des Amun; sie haben mit Gebeten zweigtes Kanalsystem in ihre Felder. toren jedes Jahr kurz vor der Ernte die

Das Volk von Theben nutzt den Festtag,

beschriebene Tonscherben dabei, die sie Ochsen ziehen Pflüge durch den dun- Felder - denn deren Größe und Ertrag
dem vorbeiziehenden Gott in den Weg klen Schlamm, den die Flut zurückgelas- hängt ab von der jeweils vorangegange-
legen, als Ausdruck tiefster Frömmig- sen hat; auf manchen Feldern bereiten nen Nilschwemme.
keit. „Ich habe dich in mein Herz gege- Frauen die Erde mit Hacken für die Aus- Die Abgabenkontrollen sind streng,
ben, weil du stark bist. Siehe: Ich habe saat vor. Das Saatgut, meist Emmer (eine die Eintreiber gefürchtet: Wer sein Soll
keine Angst mehr", lautet ein Anruf Weizenart), Flachs und Gerste, wird von nicht erfüllt oder mit den Lieferungen in
an den Gott, den Archäologen später Ziegen. Schafen oder Schweinen einge- Verzug gerät, den verprügeln sie oder
in Theben finden werden. treten: die Bauern treiben zu diesem lassen ihn an einen Schandpfahl fesseln
Am Flussufer angekommen, laden Zweck Herden über die Äcker. und öffentlich auspeitschen.
Priester das vergoldete Götterschiff auf In den folgenden Monaten müssen Neben der Arbeit in der Landwirt-
eine größere Barke - auf ein echtes Wachen die Felder schützen: Mit Ge- schaft müssen die Bauern im Deich-,
Boot aus Zedernholz. Dann setzt der schrei und Stöcken vertreiben sie gefrä- Kanal- und Schleusenbau aushelfen; sie
Gott seine Reise auf dem Nil fort: im ßige Vogelschwärme und womöglich müssen, je nach Bedarf, ihre Dörfer ver-
Schlepptau des königlichen Schiffes und auch einmal ein Nilpferd, das sich in das lassen und in Steinbrüchen und Minen
Fruchtland verirrt hat.
Im Februar, wenn die ersten Feld-
früchte reif sind, beginnt die arbeits-
reichste Zeit des Jahres: Per Hand
lien und der Dienerschaft auf Booten
durch das Dickicht und vertreiben sich
die Zeit beim Fisch- und Vogelfang.
schuften. Nur wer einem bedeutenden Zwischen Papyrusstauden nisten Menschen hoffen, dass es ihre verstor-
Tempel dient, ist durch einen könig- Gänse und Enten; Buntbarsche, Meer- benen Könige stärken und auch ihnen
lichen Schutzbrief von solchen Aufgaben äschen, Nilhechte und Welse bevölkern selbst Heil bringen möge.
befreit. das Wasser. Die Träger haben den Reichsgott in
Auch so ist das Leben am Rande des Die Ausflügler stellen auffliegenden eine Kapelle tief im Inneren des Felsens
Fruchtlandes hart und gefährlich. In den Wasservögeln mit Wurfhölzern und gebracht. Auf einem Altar im Opferhof
Kanälen und Bewässerungsbecken leben Fischen mit Speeren nach - worüber entzündet Pharao Thutmosis IV. das
Larven eines Wurmparasiten, der sich in Bauern und Fischer, die im großen Stil Fleisch frisch geschlachteter Mastoch-
der Haut festsetzen und Geschwüre her- mit Wurf- und Schleppnetzen jagen, sen und Gänse.
vorrufen kann. vermutlich spotten. Priester reichen ihm Schalen mit den
Viele Menschen haben, dem Wüsten- An Tagen des Schönen Festes vom besten Stücken, schütten Myrrhe und
wind ständig ausgesetzt, eitrig entzünde- Wüstental aber stehen Reiche und Arme, Weihrauch in das Feuer. Andere rezitie-
te Augen, andere leiden an der Amöben- Bauern und Beamte Seite an Seite und ren heilige Sprüche - auf dass das Leben
ruhr. Die Dorfgassen sind voller Fäkalien jubeln gemeinsam ihrem Gott zu. der gottgewordenen Hatschepsut im Jen-
und Viehmist; den Dung von Rindern seits ewig fortdauern möge.

D
und Schafen sammeln Kinder ein, um ie von Thutmosis TV. in Doch irgendwann verlöschen die letz-
ihn zu Brennmaterial zu trocknen. Bei seinem Schiff auf dem Nil ten Flammen des Brandopfers, sind die
den Alten sind die Zähne bis zum Zahn- angeführte Bootsprozes- Kulthandlungen im Tempel für diesen
fleisch abgeschliffen, durch das Kauen sion hat die andere Fluss- Abend beendet. Nun beginnt für Män-
des mit Sand und Steinpartikeln durch- seite erreicht und biegt in einen Kanal ner wie Nacht der schönste Teil des
setzten groben Brotes - zumeist die ein- ein, der durch das abgeerntete Frucht- Festes: die Feier in den Gräbern ihrer
zige feste Nahrung der Bauern. land in Richtung der königlichen Mil- Angehörigen.
Wohl gäbe es für viele Kranke Hilfe: lionenjahrhäuser führt - hinein in die Priester und Beamte machen sich auf
von Ärzten, die sich auf die Behandlung Totenstadt. in Richtung der Gräberhügel. Sie tragen
von Augen, Zähnen, Kopf oder Magen Die Barke des Amun nähert sich lang- mit Blütengirlanden umwickelte Buketts
spezialisiert haben und ihre Patienten sam dem Bassin vor dem Tempel der aus Papyrusstauden: ein Tribut an die
mit Salben, Arzneien und Bandagen ver- Hatschepsut. Der Bau jener Königin, die Verstorbenen, ein Zeichen des Lebens in
sorgen und sogar am offenen Schädel als Stiefmutter eines Pharao die Macht der Gräberstadt, die sich mit Sänge-
operieren. Doch die Künste dieser Heiler an sich riss (siehe Seite 52), erhebt sich rinnen und immer mehr festlich geklei-
kommen nur der Oberschicht zugute. in zwei durch Rampen zugänglichen deten Menschen füllt.

um dem Gott nahe zu sein

Noch härter ist das Dasein jener Men- Terrassen und ist der größte Bau im heili- Wohl im Hof des Grabes empfängt
schen, die am Rande der Nilsümpfe Vieh gen Wüstental. Dort wird Amun das erste der Sohn eines Verstorbenen Verwandte
hüten - dort wo der Boden nicht bestellt Mal einkehren auf seiner alljährlichen und Freunde. Diener eilen umher,
werden kann. Denn ein Hirte muss im- Reise zu den Tempeln der vergöttlichten schmücken Neuankömmlinge mit Stirn-
merzu wachsam sein: Für jedes totgebo- Pharaonen. bändern und Blütenkränzen und legen
rene Kalb, jede gestohlene Kuh macht Priester schultern die Barke mit der Salbkegel auf die Häupter der Gäste -
ihn der Staat persönlich verantwortlich im Schrein verborgenen Statue des aus Myrrhe, Öl und Talg geformt,
und bestraft Verluste hart. Zudem lauern Reichsgottes: Das letzte Stück von schmelzen die Kegel bald in der Wärme
im seichten Wasser Krokodile. Amuns Weg führt über eine 37 Meter und verbreiten einen betörenden Duft.
Für andere sind Sümpfe indes Orte breite, von mächtigen Sphingen gesäum- Am Opfertisch in der Eingangshalle
der Muße, ein abgeschiedener Treff- te Prachtstraße. Dann geht es die erste ruft der Gastgeber die Götter an und
punkt für Liebespaare und ein Erho- Rampe hinauf. übergibt die Sträuße sowie Brot. Rinder-
lungsgebiet für Stadtbewohner. Beamte Die Gläubigen müssen hier zurück- rippen, Weintrauben und weitere Köst-
fahren an freien Tagen mit ihren Fami- bleiben. Nach einiger Zeit sehen sie. wie lichkeiten der Tafel symbolisch dem im
von der obersten Terrasse dichter Rauch
aufsteigt: Das Brandopfer für Amun hat
begonnen - jenes Opfer, von dem die
Am Westufer des Nil
angekommen, zieht die Pro-
zession zuerst zum Tempel
der Hatschepsut: Die terrassen-
förmige Anlage (links der
Bau des legendären Reichs-
einigers Mentuhotep II.) ist die
größte im heiligen Wüstental,
das den Menschen als Schwelle
zum Jenseits gilt. Im säulen-
umstandenen Hof der obersten
Terrasse entzündet der am-
tierende Pharao - der die
Priester auf ihrem Weg über
den Nil begleitet hat - ein
Brandopfer für Amun
Eine Nacht lang weilt
Amun in einer Kapelle im
Inneren des Hatschepsut-
Jenseits weiterlebenden Grab- Tempels, dann setzt er
herrn. Die Gäste sitzen auf den seine Reise durch die Toten-
zuvor in das Grab gebrachten stadt fort. Der Besuch
Matten und Stühlen. des Reichsgottes soll den
Auch die Toten sind nun vergöttlichten Königen
anwesend: Denn der ka, die neue Kraft verleihen
unsterbliche Lebenskraft eines
jeden Menschen oder Ver-
storbenen, verlässt nach dem
Glauben der Feiernden den zurückkehren in die Metro-
einbalsamierten Körper in der pole am Nil.
unterirdischen, mit Geröll und
Sand verschlossenen Sarg-
kammer, um die Gaben ent- Gut 3280 Jahre später, 1889
gegenzunehmen. n. Chr., verschließen Beamte
Ausrichter und Gäste erhe- des Antikendienstes, die die
ben ihre Schalen und Becher Altertümer Ägyptens vor
mit Wein. „Für deinen Ka. Schatzjägern schützen sollen,
Trinke den schönen Rausch- das Grab des Nacht mit einer
trunk! Feiere den schönen Tag!", prosten Wer sich abwendet, wird zum Wei- hölzernen Tür.
die Anwesenden dem Verstorbenen zu. tertrinken genötigt: Die Wirkung des Doch sie kommen zu spät: Die im
Musik erklingt während des Banketts, Weins gilt als göttliches Geschenk. Denn Fels verborgenen Räume sind bis auf
ein Harfenspieler trägt Lieder vor, Tän- im Rausch, glauben die Menschen, wenige Gegenstände geplündert; von
zerinnen wiegen sich zu den Klängen falle die Grenze zwischen Diesseits und wem, weiß bis heute niemand.
von Lauten und Oboen. Jenseits. Sicher ist nur, dass Einheimische
Auch der Stundenbeobachter Nacht Vereint mit ihren Verstorbenen, stim- die Anlage zuvor entdeckt und betreten
wird eine Feier am Grab seines Vaters men sie in der von Fackeln erleuchteten haben - und dass zahllose Totenstätten
oder eines anderen nahen Verwandten Totenstadt fröhliche Loblieder auf den im Westen Thebens in den vorangegan-
ausrichten. Jedenfalls künden die Male- Reichsgott Amun an und auf Hathor, die genen Jahrhunderten von Dieben heim-
reien in Nachts eigener Totenstätte von Herrin der Trunkenheit. gesucht worden sind (siehe Seite 126).

Der Gesang soll auch die Toten erfreuen

seinem Wunsch, seiner Hoffnung, Ver- Vermutlich erst im Morgengrauen So überdauern allein die Malereien
wandte und Freunde würden dereinst verabschieden sich die Hinterbliebenen an den Wänden im Grab des Nacht die
für ihn ein solches Fest feiern. von den Toten und kehren heim. Zeiten (siehe Seite 136 und 140). Sie
Im Laufe des Abends schenken die Das Schöne Fest vom Wüstental indes zeugen von der unbändigen Lebensfreu-
Diener immer wieder aus Krügen Wein geht noch tagelang weiter: Sobald am de, die beim Schönen Fest vom Wüsten-
nach, immer lauter werden Gelächter Morgen die Nachtwachen im Millionen- tal die Häuser der Toten füllte.
und Gesang. jahrhaus der Hatschepsut ihre Fackeln Und von der Hoffnung eines Mannes
gelöscht haben, setzt der Reichsgott sei- wie Nacht, im Jenseits ewig fortzuleben
Literatur: Abdel Ghaffar Shedid/'Matthias ne Reise durch die Totenstadt fort. - und einmal im Jahr am großen Fest der
Seidel, „Das Grab des Nacht". Vertag Philipp
von labern-, kleiner Band mit wunder- Nun besucht er einen Königstempel im Diesseits Lebenden teilzuhaben. •
schönen Malereien. Dieter Arnold. ..Die Tempel
Ägyptens". Bechtermünz Verlag; Details
nach dem anderen, bis er bei dem des
zur religiösen Architektur am Nil. Emma. noch lebenden Herrschers Thutmosis IV. Die Historikerin Insa Holst, 31, ist Textredakteurin im
Brunner-Traut, ..Alltag unter Pharaonen".
angekommen ist. Team von GEOEPOCHE. Der Hamburger Illustrator
Herder Verlag; facettenreiches Porträt
Jochen S t u h r m a n n , 32. wollte sich schon immer
der altägyptischen Gesellschaft.
Erst danach wird Amun wieder einmal einen altägyptischen Tempel bauen.
den Nil queren und in der Dunkelheit
seines großen Heiligtums auf dem
Ostufer verschwinden. Wird der Alltag
Schön einsam. Vor allem einsame
Klasse: Kanada.
1388-1351 v.Chr. AMENOPHIS III.

Die Memnons-Kolosse sin


die letzten weithin sichtbaren Zeug-
nisse des Königstempels von
Amenophis III. Ihren Namen haben-
'sie in der Antike erhalten, von
griechischen Reisenden -
D E R V E R L O R E N E

TEMPEL
A l s Amenophis III. 1351 v. Chr. stirbt, ist

sein Königstempel mit den sitzenden Kolossen

das prächtigste Heiligtum in der thebanischen

Totenstadt am Nil. Doch w a s a l s grandiose

Festung für die Ewigkeit erbaut worden ist,

fällt durch Erdbeben, Steinraub und Nilfluten

dem Vergessen anheim. Bis Archäologen

erstaunliche Funde machen


VON A N J A H E R O L D

D
ie Memnons-Kolosse Amun beginnen, „aus Sandstein, gänz- Aber der Tempel von Amenophis III.
haben Erdbeben über- lich verkleidet mit Gold, die Fußböden war keine Festung für die Unendlich-
standen. Nilfluten und aus Silber, reich ausgestattet mit Sta- keit. Nicht viel kündet heute noch von
Sandstürme. Sonnen- tuen", wie es auf einem Denkstein diesem Monument der Macht und des
glut und Frostnächte, aus jener Zeit eingemeißelt steht. Mit Glaubens. Einsam stehen die beiden
Vandalismus und Plün- Pylonen - mächtigen Tortürmen - und kolossalen Bildnisse des Pharao auf der
derung. Seit mehr als 33 Jahrhunderten hochragenden Fahnenmasten davor. Mit Spitze eines etwa 700 Meter langen und
thronen die beiden steinernen Statuen einem fischreichen See, das Ufer be- 150 Meter breiten Ausläufers des theba-
auf dem Westufer des Nil bei Luxor: wachsen mit Blumen. „Mit einem Ar- nischen Westgebirges. Deutlich hebt sich
sitzende Giganten aus rotem Quarzit. beitshaus voller Sklaven und Sklavinnen, der sandige Geländestreifen als graues
rund 18 Meter hoch, die zerborstenen der Beute seiner Majestät" aus fernen Rechteck von der fruchtbaren Ebene ab.
Gesichter nach Osten gewandt, die Hän- Ländern. Mit Magazinen, gefüllt mit den Im Norden trennt ihn ein Bewässe-
de flach auf die Knie gelegt, die Beine Schätzen des Nahen Ostens. rungsgraben von den umliegenden Fel-
nah beieinander gestellt, die Spitze eines dern. Im Osten liegt wenige Meter vor
kleinen Fingers so groß wie der Kopf den Giganten ein Parkplatz für Touristen-
eines erwachsenen Menschen. busse. Im Süden begrenzt das Gelände
Einst erhob sich hinter ihnen das eine Straße, die vom Nil hinaufführt. Jen-
monumentalste Heiligtum, das je ein DIESERTEMPEI seits des Straßendamms ackern Bauern.
Pharao zu seinem eigenen Gedenken Auch auf dem staubigen, mit wenigen
errichtet hat: der Königstempel Ameno-
IST EIN ARCHÄOLO-
Bäumen bestandenen Streifen westlich
phis" III., in dem der Herrscher schon zu GISCHES PUZZLE, der Memnons-Kolosse schuften in der
Lebzeiten symbolisch als Gott verehrt Hitze Menschen - doch nicht, um den
wurde und Priester ihm Opfergaben für WIE ES DERZEIT, Boden urbar zu machen, sondern um
sein Fortleben im Jenseits darbrachten. ihm Geheimnisse zu entlocken. Es sind
KEIN ZWEITES GIBT
Um das Jahr 1385 v. Chr. ließ Ameno- Archäologen, die inmitten von Säulen-
phis III. mit dem Bau dieser „Festung IM LAND AM NIL stümpfen, zerschlagenen Statuen und
für die Ewigkeit bis zur Unendlichkeit" Denksteinen ihre Zelte, Tische und
für sich und seinen göttlichen Vater Sonnenschirme aufgestellt haben.
Seit zehn Jahren arbeiten sich die
Forscher hier in der jeweils etwa zwei-
einhalbmonatigen Grabungssaison zwi-
schen Mitte Januar und Anfang April
immer tiefer in die Vergangenheit vor.
In Planquadraten von zehn mal zehn
Meter Seitenlänge tragen sie den Boden
bis auf eine Tiefe von bis zu vier Metern
ab. Ein aufwendiges Pumpsystem senkt
dafür den Grundwasserspiegel.
Die Archäologen setzen derzeit ein
Puzzle zusammen, das so zersplittert ist
wie kein zweites in Ägypten und dessen
mehrere Zehntausend Einzelteile - man-
che von ihnen 450 Tonnen schwer - nicht
nur bei Luxor liegen, sondern in etlichen
Museen weltweit.

Unter der Leitung der armenisch-


deutschen Ägyptologin Hourig Sourouzian
ersteht das Heiligtum Amenophis' III.
auf aus den Ruinen
Mit mehr als 500 Meter Länge übertrifft der Königstempel
Amenophis' III. alle »Millionenjahrhäuser«, die sich Pharaonen
einst auf der Westseite des Nil bei Theben zu Ehren der
Götter und ihrer Selbst errichten ließen. Die Illustration (oben)
zeigt, wie der Bau wohl einst ausgesehen hat. Das Luftbild
^demonstriert, was heute noch zu sehen ist, neben den
mejnnons-Kotossen am linken Bildrand etwa die Säulen-
stumpfe des Kolonnadenhofes ganz rechts
Ägyptische Spezialisten setzen eine weitere der etwa 40 Kolossalfiguren Amenophis' III. zusammen, die einst zwischen den Säulen des Kolon-
nadenhofes aufragten O. Von Schirmen geschützt, reinigen Restauratoren im Frühjahr 2008 im Osten dieses Hofes entdeckte Sphingen ©

30 Wissenschaftler, Zeichner und schenzuges eine kurz zuvor freigelegte „Irfa! Irfa! Hat el-arabijja!": „Hoch!
Restauratoren aus zwölf Nationen sowie granitene Göttin. Es ist die löwenköpfige Hoch! Hol den Karren!"
250 einheimische Kräfte arbeiten daran, Sachmet. die unter den Pharaonen als Behutsam senkt sich die Göttin auf
die Ruinen des Königstempels von Rächerin des Sonnengottes und Beschüt- den niedrigen Wagen. Zwölf Mann legen
Amenophis III. so weit wie möglich zu zerin des Königs galt. sich davor in die Seile, Lopez Marcos
rekonstruieren und aus ihnen herauszu- Langsam ziehen ägyptische Arbeiter und vier andere stemmen sich von hinten
lesen, wie den Göttern und dem Pharao die etwa 1,80 Meter große Statue an an den schlammverschmierten Fund. Ein
gehuldigt wurde zu einer Zeit, als Ägyp- einer Kette in die Höhe. Sie raunen sich Ruck - und der Karren kommt in Fahrt.
ten so einflussreich und wohlhabend war kurze Kommandos zu. Vorsichtig transportieren die Männer
wie nie zuvor in seiner Geschichte. „Iftah aleiki": „Zieh zu dir rüber." die Statue der menschengestaltigen
19. März 2008. sechs Uhr morgens. „Ahsan geda": „So ist es besser." Göttin mit der Sonnenscheibe auf dem
Die aufgehende Sonne lässt die Mem- Erst als die Statue nach einer halben Löwenkopf in den Hof der etwa 50 Me-
nons-Kolosse lange Schatten werfen, Stunde frei unter dem Dreibein des Fla- ter entfernten Restaurierungswerkstatt,
taucht die weißen Arbeitszelte der Ar- schenzuges hängt, wird es etwas lauter. dem einzigen festen Gebäude am Rande
chäologen in mildes Zwielicht. Dunst der Grabung. Noch am selben Vormittag
steigt auf aus den nahen Zuckerrohr- wird eine Spezialistin für die Konservie-
feldern. Noch ist es angenehm kühl, etwa rung schwarzen Granits die Löwengöttin
15 Grad Celsius, noch liegt kein Staub in von Lehm- und Kalkresten reinigen.
der Luft. Allein das Fauchen der Gas- M E H R ALS I O O O Mehr als 80 Skulpturen und große
brenner in den Fesselballons, mit denen Statuenfragmente von Sachmet haben
STATUEN AUS DEN
Touristen in den Himmel über den Rui- die Archäologen bei dieser Grabung bis-
nen der thebanischen Totenstadt starten, S T E I N B R Ü C H E N DES her gefunden. Und keine gleicht exakt
ist über der Ausgrabungsfläche im Rü- der anderen. Die meisten zeigen sie sit-
cken der steinernen Giganten zu hören. G A N Z E N LANDES zend, andere stehend. Feine Unterschie-
Schon bald aber ertönen andere Ge- de offenbaren sich erst bei genauerem
S C H M Ü C K T E N EINST
räusche. In das helle Zwitschern einer Hinsehen, etwa mit welchen Verzierun-
Finkenkolonie mischt sich das gleich- DAS H E I L I G T U M gen die Bildhauer das Gewand der Göttin
mäßige Klirren von Kettengliedern in in den Stein geschlagen haben.
den Umlenkrollen eines Flaschenzugs. Möglicherweise standen in dem
Miguel Lopez Marcos hockt auf Heiligtum des Amenophis
einem Holzgerüst über einer breiten, einst rund 40 gut acht
gut dreieinhalb Meter tiefen Meter hohe Kolosse des
Grube. Der spanische Re- Königs; dazu mehr als 1000
staurator ist in dem Team tier- oder menschengestaltige Göt-
seit Jahren für die Schwer- terfiguren, darunter ein fast lebensgro-
lasten zuständig. Unter ihm ßes Nilpferd aus weißem Alabaster und
hängt in den Gurten des Fla- ein ebenfalls aus Alabaster gefertigter
Krokodilsphinx, halb Löwe, halb Rep- Fünf Jahre hat es gedauert, diesen Koloss
til - beides Kunstwerke, wie sie noch Amenophis' III. wiederzuerrichten 0. Der Kopf ist
nirgendwo sonst gefunden worden sind. ein Abguss. Das Original hatten Statuensucher
vor fast 200 Jahren nach Europa verschifft

D
as Land am Nil erlebt im 14.
| Jahrhundert v. Chr. ein golde-
f nes Zeitalter. Seit den Tagen In ihren Briefen reden die orientali-
Thutmosis' III. ist das Pharao- schen Großkönige Amenophis III. mit
nenreich führende Macht im östlichen „mein Bruder" an. Vasallen indes zollen
Mittelmeerraum (siehe Seite 52). Als ihren Respekt durch die Anrede „meine
Amenophis III., der Urenkel des Krieger- Sonne, mein Herr". Immer wieder geht
königs, 1388 v. Chr. den Thron besteigt, es in den Briefen um diplomatische
erbt er ein Imperium, das von Nordsyrien Hochzeiten, mit denen Amenophis III.
bis zum vierten Katarakt reicht. freundschaftliche Bande stärkt und zu-
Die Nilschwemme ist stabil und gleich die Vormachtstellung Ägyptens
bringt dem Land reiche Ernten. Handels- unterstreicht.
schiffe segeln zu den Häfen des östlichen Bei jeder Eheschließung wechseln
Mittelmeerraums. Fayenceplaketten mit zu den orientalischen Großreichen und kostbare Geschenke den Besitzer, Edel-
dem Namen Amenophis' III., vermutlich den Stadtfürsten Syriens und Palästinas metalle, Pferde, Lapislazuli, duftende
Anhänger von Geschenklieferungen, durch Bündnisse ab - Teile der Korre- Salben: Allein für eine Braut aus dem
finden sich in vielen Orten der Ägäis. spondenz darüber sind auf tönernen Königshaus von Babylon schickt Ame-
Klug sichert der Pharao die Beziehungen Keilschrifttafeln erhalten. nophis III. eine Morgengabe von einer

In Kartuschen geschriebene Namen Amenophis' III. zieren den Gürtel einer Standfigur aus dem roten Quarzit des Gebel el-Ahmar unweit
von Kairo ©• Die Statue stand einst in der Nordhälfte des Kolonnadenhofes, die Kolosse im Südteil sind allesamt aus Granit gefertigt
Bis auf die Fundamente bauten Steinräuber den Tempel Amenophis' III. im Altertum ab (in der Tiefe ein verbliebener Block von der Fassade des
Kolonnadenhofes O l - In den entstandenen Gräben ließen sie zurück, was nicht verwendbar war, etwa Statuen der Löwengöttin Sachmet Q

halben Tonne Gold. So zahlt sich der Landes und den Wohlstand seiner Unter- feinen Kalkstein schlagen lässt - als
Pakt für alle Beteiligten aus. Als aber tanen. Und schließlich beginnt er sich Baumaterial seiner Festung für die
der König von Babylon um die Hand sogar mit dem Sonnengott zu identifizie- Ewigkeit.
einer ägyptischen Prinzessin anhält, ist ren, nennt sich „Glänzende Sonnen- Erstmals fertiggestellt wird das Hei-
die Antwort eindeutig: „Seit uralten scheibe aller Länder". ligtum nach fast 30 Jahren Bauzeit 1358
Zeiten wurde noch nie die Tochter eines Immer neue Tempel gibt der König in v. Chr. In jenem Jahr nutzt Amenophis
Königs von Ägypten an irgendjemanden Auftrag, bestehende lässt er erweitern. den Königstempel als Kulisse zu seinem
verheiratet!" „Es war aber das Herz Seiner Majes- ersten Sed-Fest-jenem geheimnisvollen
Im Harem Amenophis' III. dagegen tät zufrieden beim Errichten von sehr Ritual, das die Pharaonen traditionell in
leben neben der Königstochter vom großen Denkmälern", verkündet er auf ihrem 30. Regierungsjahr feiern (und
babylonischen Hof auch Prinzessinnen einem Denkstein. dann je nach Bedarf immer wieder) und
aus dem kleinasiatischen Arzawa und Kein Heiligtum symbolisiert dieses das nur einem Zweck dient: der magi-
aus dem Reich von Mitanni am oberen Streben nach Beistand der Götter mehr schen Erneuerung königlicher Kraft und
Euphrat. als der Königstempel des Amenophis Machtfülle durch die Götter.
Zur „Großen Königlichen Gemahlin" am westlichen Nilufer bei Luxor. Fels- Während des Tempelbaus weilt Ame-
jedoch erwählt der Pharao Teje, die inschriften in Steinbrüchen unweit von nophis immer öfter in Theben, wo ihm
Tochter eines Beamten. Und noch be- Kairo beweisen, das der Pharao dort unweit der Baustelle seines Königs-
merkenswerter als ihre Herkunft ist, was bereits in seinem ersten Regierungsjahr tempels ein weitläufiger Palast errichtet
aus ihr wird: Nie zuvor hat die Hauptfrau
eines Pharao solchen Einfluss besessen.
Amenophis III. weiht ihr einen eigenen
Tempel, macht ihre nichtkönigliche Ab-
stammung auf beschrifteten Gedächtnis-
Skarabäen weit über das Niltal hinaus
bekannt, gewährt ihren Eltern die seltene
Ehre eines Grabes im „Tal der Könige".
Gemeinsam mit Teje - die auf Dar-
stellungen ihres Mannes häufig an
dessen Seite erscheint - sieht sich Ame-
nophis III. als Schutzherr Ägyptens, ver-
antwortlich für die Fruchtbarkeit des

In der Restaurierungswerkstatt
der Grabung suchen Spezialisten
passende Steinsplitter für einen
königlichen Granitkopf 0
84 Sachmet-Statuen, teils gut
erhalten, teils in Fragmenten, hat das
Archäologen-Team bisher am Rand
des Kolonnadenhofes freigelegt ©

wird. Davor graben Arbeiter einen künst-


lichen See, einen Kilometer breit und
zwei Kilometer lang und über einen
Kanal mit dem Nil verbunden.
Im Tempel werden Götterstatuen so-
wie Kolossalfiguren des Königs aus allen
Steinbrüchen des Landes aufgestellt.
Manche der Giganten sind aus dem
roten Quarzit des Gebel el-Ahmar
(östlich des heutigen Kairo), andere aus
dem weißen Alabaster des mittelägyp-
tischen Hatnub oder dem Rosengranit
von Assuan.
ter. Doch der Pharao hat den Bau unter Aber diese Festung für die Ewigkeit
1s Amenophis 1351 v. Chr. mit ein ganz besonderes Thema gestellt: sein ist mehr als eine kultische Bühne - sie
etwa 50 Jahren stirbt, nach Sed-Fest, das er im Beisein der Gott- ist ein in Stein gehauener Spiegel Ägyp-
langem Siechtum und - so heiten Ägyptens insgesamt dreimal in tens und seines Großmachtanspruchs:
.beweist es seine Mumie - mit dem Tempel feiern und für das er den Die Standfiguren in der Nordhälfte des
fauligen Zähnen, erstreckt sich der Tem- Komplex bei jeder Neuauflage erweitern Heiligtums zeigen den König mit der
pel auf einer Länge von mehr als einem lassen wird. Als seine persönliche unterägyptischen Krone, in der Südhälfte
halben Kilometer von Ost nach West. Schutzgöttin wacht Sachmet in vielen trägt Amenophis III. die Krone Ober-
Flaggenmasten überragen das mäch- Statuen über den Ablauf des Rituals. ägyptens - und auf den Sockeln haben
tige Eingangstor mit den Memnons- die Bildhauer die Namen Dutzender
Kolossen. Der Hof dahinter führt zum fremder Völker und Orte eingemeißelt,
zweiten, mit weißem Kalk verputzten im Süden die der schwarzafrikanischen
Lehmziegel-Pylon. Davor stehen vier Nachbarn, im Norden die der Völker des
goldbeschlagene Fahnenmasten aus Ze- Nach fast Mittelmeerraumes.
dernholz - Spuren der Vergoldung wer- Dabei ist jeder Name in ein Oval
30 Jahren Bauzeit
den Archäologen später finden - sowie eingeschrieben, das eine Stadtmauer
zwei sitzende Giganten des Pharao von wird der Tempel darstellt. Oben ragt aus dem Ring ein
gut 15 Meter Höhe aus Quarzit. Kopf, der die charakteristischen Züge
Vor einem dritten Tor thront auf
z u r BÜHNE eines des jeweiligen Volkes trägt. Um den Hals
schwarzen Granitsockeln ein weiteres prachtvollen einer jeden Völkerfigur geschlungene
Paar Kolosse - diesmal aus Alabaster. Stricke enden in den Wappenpflanzen
Erst wer diesen Pylon durchschreitet, Rituals Ägyptens: Papyrusdolden für die Nord-,
gelangt schließlich in das Innere des Lotosblumen für die Südvölker. Auch
eigentlichen Tempels. Kolonnaden, mehr die Arme, die hinten aus den Ova-
als 15 Meter hoch, säumen den mit len reichen, sind gebunden.
Sandsteinplatten gepflasterten Hof, von Alle Völker gelten somit
dem aus die Priester über eine symbolisch als Gefangene
geschlossene Halle in das des Pharao.
Allerheil igste gelangten. Die Namenslisten zeigen, wie
Wie jedes ägyptische groß um 1350 v. Chr. die Kenntnis der
Heiligtum ist auch der Tempel Ägypter von der Welt gewesen ist und
des Amenophis ein Ort der Göt- wie gewaltig ihr Selbstbewusstsein.
Den größten Grabungsabschnitt haben die Archäologen am zweiten Pylon eröffnet. Die monumentale Hand im Vordergrund gehört zum
südlichen der beiden Kolosse Amenophis' III. O, die hier das Tor flankierten - bis ein Erdbeben um 1210 v. Chr. die Statuen zu Fall brachte

Alle Großreiche des Südens stehen Auch das Hethiterreich in Anatolien nenreich mit den Hethitern erwächst.
auf den Listen, etwa Kusch und Jam am steht in keinerlei Abhängigkeit vom Offenbar, das legt die erhaltene Keil-
Oberlauf des Nil sowie das wohl an der Land am Nil. Aber Amenophis III. sieht schriftkorrespondenz nahe, wechseln die
Küste Eritreas oder Somalias gelegene sehr wohl, welch Gegner dem Pharao- Herrscher höfliche, aber nicht immer
Punt. Unter den Nordvölkern findet sich freundschaftliche Briefe.
erstmals in Ägypten das charakteristi- Noch herrscht Frieden. Noch werden
sche Bildnis eines Hethiterfürsten; ein die Grenzen respektiert, hat Ägypten
Hinweis auf das in Anatolien erstarkende Mitanni und Babylon an der Seite, ist es
Reich - schon bald ein erbitterter Kon- DIEVERWÜSTUNG wirtschaftlich mit der Ägäis verbunden -
kurrent der Pharaonen (siehe Seite 116). und schickt es nur selten Soldaten.
DER FESTUNG
Besonders interessant ist die ägäische Doch Echnaton, der Sohn und Nach-
Liste: Im Königstempel Amenophis* III. F Ü R DIE EWIGKEIT folger Amenophis* III., verfügt nicht
finden sich die ältesten Erwähnungen über das diplomatische Geschick seines
von Orten der griechischen Frühzeit BEGANN W E N I G E Vaters. Ein ausländischer Fürst wendet
in Hieroglyphenschrift, darunter Troja. sich mit seinem Anliegen nach dem Tod
JAHRE NACH DEM
Knossos und Mykene. Neu ist der Name der „Glänzenden Sonnenscheibe aller
Groß-Ionien. Es ist die älteste Nennung TOD DES PHARAO Länder" nun sogar an die Königswitwe
der in Kleinasien ansässigen Ionier Teje, die Amenophis III. um mindestens
überhaupt. Auch die Danäer treten hier zehn Jahre überlebt.
erstmals in die Geschichte. Die Beziehungen in die
Dabei hat die Ägäis nie unter ägypti- Ägäis brechen ab. Die
scher Kontrolle gestanden. Die Hethiter zweifeln die Be-
Gesandtschaften des Pha- fehlshoheit Ägyptens über
rao knüpfen dort Handels- Syrien an. Das Gleichgewicht der
bande, mit den Minoern Mächte gerät aus der Balance.
auf Kreta und den Mykenern Und auch die Festung für die Ewig-
auf dem griechischen Festland. keit von Amenophis III., dieses Bollwerk
In Tausende Teile schlugen Steinräuber die umgestürzten Kolosse des Königs am zweiten Pylon O- Nur wenige Fragmente sind
so gut erhalten wie dieser tonnenschwere Kopf, den ein Arbeiter mit Spezialgerät von Kalkverkrustungen säubert 0

gegen das Vergessen des meisterhaften Inschriften Amuns Namen und besuchen und zerspringen unter der Wucht ihres
Diplomaten und lebendigen Gottes, ist den Königstempel Amenophis' III. fort- eigenen Gewichts. Der Tempel wird zum
schon bald dem Untergang geweiht. an wieder, etwa während des „Schönen Steinbruch. Bereits Merenptah nutzt die
Fests vom Wüstental" (siehe Seite 78). Blöcke aus dem Heiligtum nun für

B
ereits wenige Jahre nach dem Doch irgendwann während der Regie- seinen eigenen Königstempel. Nachfol-
Tod des Königs machen sich rung Pharao Merenptahs um 1210 v. Chr. gende Pharaonen tun es ihm gleich.
die Bilderstürmer Echnatons wird der Tempel von einem Erdbeben er- Ein weiteres Erdbeben beschädigt im
daran, den Tempel zu verwüs- schüttert. Geologen haben die typischen 1. Jahrhundert v. Chr. den nördlichen der
ten. Denn der Sohn verehrt im Gegensatz Anzeichen dafür 2006 entdeckt. Kurz- beiden Memnons-Kolosse. Erst jetzt er-
zu allen Pharaonen vor ihm nur noch fristig haben sich Erdschichten unter halten die Giganten jenen Namen, unter
einen einzigen Gott: die Sonnenscheibe dem Heiligtum regelrecht verflüssigt. dem sie jeder Ägyptenreisende kennt.
Aton (siehe Seite 110). Die Festung für die Ewigkeit kolla- Denn griechische Besucher sehen in
Echnatons Schergen hacken aus den biert, gemeinsam mit dem Kolonnaden- dem lädierten Koloss eine Sagengestalt:
Bildnissen des von Amenophis III. ver- hof zerbersten rund 40 monumentale Memnon, den Sohn der Göttin der Mor-
ehrten Gottes Amun dessen Namen aus. Bildnisse des Königs sowie zwei mäch- genröte, der im Kampf um Troja gefallen
Zwar währt der Spuk nur kurz - nach- tige Denksteine in unzählige Stücke. Die ist. Und da der Koloss bei Sonnenauf-
folgende Herrscher setzen die alten Kolosse vor dem zweiten und dritten gang seltsame Geräusche von sich gibt
Götter wieder ein, restaurieren in den Pylon stürzen von ihren Sockeln herab (verursacht durch die Ausdehnung sich
Jedes Jahr behandeln Restauratoren die
Memnons-Kolosse neu: Vogelkot setzt der
Bemalung zu, Vibrationen durch dicht daneben
parkende Busse zermürben das Gestein

Statuenzoo überhaupt anzufangen sei;


die Museen von Kairo, Turin, Paris und
London sind mit ihren vielen Sachmet-
Statuen schon belastet genug."
Hourig Sourouzian aber, die jetzige
Grabungsleiterin, strebt an, alle Teile
des Heiligtums an ihrem ursprüngli-
chen Platz zu erhalten. Für sie bilden
Inschriften, Statuen und Tempel eine
unzertrennliche Einheit.
Das Team der armenisch-deutschen
erwärmender Luft in der von Rissen Ägyptologin hat in den vergangenen
durchzogenen Statue), deuten sie die sir- Jahren alle Reste des Heiligtums karto-
renden Töne als Klagegesang Memnons AN D E N PODESTEN ' graphisch erfasst. Ihr Projekt ist die erste
für seine Mutter Eos. systematische Ausgrabung im Tempel
Griechische und lateinische Inschrif- DER KOLOSSE HAT Amenophis' III.
ten auf den Kolossen, frühe Graffiti,
SICH DER NIL

M
künden von der Anziehungskraft des ittlerweile ist es heiß ge-
singenden Giganten auf die Menschen SELBST V E R E W I G T : worden auf dem Kom el-
der Antike. Erst als wohl der römische Hettan, zu heiß für einen
Kaiser Septimius Severus um 200 n. Chr. MIT DUTZENDEN Tag Mitte März. Die Luft
den Koloss restaurieren lässt. endet das flimmert über den Tausenden von Sta-
FLUTMARKEN
akustische Schauspiel. Die Touristen- tuenfragmenten des Tempels, die nach
attraktion verliert ihren Reiz. Material und Form getrennt auf dem
Im 19. Jahrhundert schließlich trans- Grabungsgelände ausgelegt und jeweils
portieren Statuensucher im Auftrag euro- mit handschriftlicher Kennung zu Fund-
päischer Sammler aus den Tempelruinen Einheimische nennen das Areal Kom position und Funddatum versehen sind.
ab, was ihnen tauglich erscheint: Zwei el-Hettan, „Hügel der Sandsteine". An Mehrere Teams von europäischen und
Köpfe kolossaler Standfiguren aus dem der Oberfläche ist nicht mehr viel vom ägyptischen Restauratoren kümmern
Kolonnadenhof gelangen nach London, Tempel zu sehen. Und was erkennbar sich um die zerschlagenen Quarzit-Ko-
zwei Sphingen zieren fortan das Ufer der bleibt, macht aufgrund seines schlech- losse am zweiten Pylon, um die könig-
Newa in St. Petersburg, und fast jedes ten Zustands wenig Hoffnung. Die meis- lichen Standfiguren aus Rosengranit im
völkerkundliche Museum der Welt beher- ten Wissenschaftler lassen den Tempel Kolonnadenhof, um die Konservierung
bergt heute eine jener Sachmet-Statuen, links liegen. der Säulenstümpfe dort, um die Sach-
die Amenophis III. einst zu Hunderten In den 1960er Jahren untersuchen met-Statuen.
hat anfertigen lassen. Forscher des Schweizerischen Instituts Studenten erfassen die Relikte in Auf-
Vor dem Bau des zweiten Staudamm- für ägyptische Bauforschung die Ruinen nahmeblättern, vergeben Inventarnum-
mes in Assuan 1971 überflutet der Nil des Heiligtums und konstatieren in ihrem mern, nehmen mit Folie und Stift In-
Jahr für Jahr das Tempelgelände. Immer Abschlussbericht nüchtern: „Ohne Zwei- schriften ab. Spezialisten für Lehmziegel
mehr Schlamm lagert sich zu Füßen fel wären hier noch ,Funde' zu erwar- erkunden am Rand eines etwa basket-
der Memnons-Kolosse ab, zwei bis ten, wenn man, mit den nötigen Mitteln ballfeldgroßen und dreieinhalb Meter
drei Meter dick. Schilf und Haifagras ausgerüstet. Pumpen, Spundwände und tiefen Grabungsschnitts am zweiten
überwuchern das Gelände. Kameldorn Krane einsetzen könnte. Man stünde Pylon den einstigen Tordurchgang. Die
durchbricht mit seinen Wurzeln die in dann vor der unbequemen Frage, was mit Aufgabe ist nicht leicht, müssen sie doch
der Erde verborgenen Ruinen. den Bruchstücken von Amenophis" III. die ungebrannten Lehmziegel des Tores
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von dem sie umgebenden Lehmboden Standfigur des Königs im Kolonnaden-
unterscheiden. hof. Nur der gut 1,30 Meter große Kopf
Ohne die Pumpen wären Arbeiten in Bald w e r d e n ' mit der roten Krone besteht nicht aus
dieser Tiefe gar nicht möglich. Fielen sie Quarzit. Er ist eine Kopie aus gefärb-
aus, stünde die Grabung innerhalb weni- vier steinerne tem Kunststoff, hohl und von innen mit
ger Stunden unter Wasser - und damit Fiberglas verstärkt. Das Original befin-
Giganten
auch die eben erst freigelegten Relikte det sich seit fast 200 Jahren im British
und Fundamente der beiden Quarzit- die Besucher Museum in London.
Kolosse am zweiten Pylon. So entsteht der Tempel Stück für
Anderthalb Monate haben Lopez Mar- derTotenstadt Stück wieder aus seinen Ruinen.
cos und sein Team gebraucht, um allein In zehn bis zwölf Jahren will Hourig
GRÜSSEN
das 450 Tonnen schwere Unterteil eines Sourouzian das in großen Teilen res-
der beiden Giganten mittels Pressluftkis- taurierte Heiligtum der Öffentlichkeit
sen, Motorwinde und geölter Schienen präsentieren - wenn sie weiterhin die
Zentimeter für Zentimeter aus der Grube nötigen Gelder aufbringen kann: Denn
zu heben und zwölf Meter zur Seite zu heimischen Kräfte. Am Nachmittag wer- ihr Projekt ist eine der wenigen archäo-
bewegen. Das Gegenstück des südlichen den die Wissenschaftler die Werte des logischen Unternehmungen in Ägypten,
Giganten liegt noch in der Grube. Vermessungsgerätes in ihre Computer die sich allein durch Spenden und Stif-
Etwa 300 Meter westlich versucht übertragen, ihre Funddatenbanken pfle- tungen finanzieren.
Hourig Sourouzian, den Grundriss des gen, die Objekte zeichnen und fotogra- Um das Jahr 2020 sollen die beschä-
Kolonnadenhofs vor dem einstigen Al- fieren. Sechs Tage die Woche, von Sonn- digten Säulenstümpfe des Kolonnaden-
lerheiligsten zu rekonstruieren. Stein- abend bis Donnerstag. Bis Anfang April, hofes konserviert und alle geborgenen
räuber hatten dessen Mauern bereits in danach wird die Hitze unerträglich. Statuen und Denksteine aufgestellt sein.
der Antike bis auf die Fundamente abge- Lage und Dimensionen der mächtigen

E
tragen, auch die meisten Säulen. Dort in paar Tage zuvor erst hat das Tore wollen die Wissenschaftler mit
wo sich früher Wände erhoben, reichen Team um Lopez Marcos einen modernen Lehmziegeln im Gelände
nun mit Erdreich gefüllte Gräben in vollständigen Koloss Ameno- andeuten.
die Tiefe. Und darin finden die Archäo- phis' III. aufgestellt. Nach 3200 Die Sonne versinkt hinter dem the-
logen all das, was im Altertum entweder Jahren erhebt sich erstmals wieder eine banischen Westgebirge. Hourig Sourou-
als nutzlos galt - oder als zu heilig, um zian sitzt auf der oberen Veranda des
es als Baumaterial wiederzuverwenden, „Hotel Marsam". Die einfache Herber-
etwa die Statuen der Sachmet. ge am Rand des Kom el-Hettan dient
„Es ist wie eine verkehrte Welt", sagt vielen Ausgräbern als Unterkunft und
Hourig Sourouzian. „Während in ande- Arbeitsstätte. In der Ferne strahlen
ren Monumenten Wände und manchmal die Memnons-Kolosse im Licht der
sogar die Decken erhalten sind, aber kei- Scheinwerfer.
ne Spur der Tempelausstattung - keine Doch schon im nächsten Frühjahr
Statuen. Denksteine, Altäre - finden wir wird sich der Anblick radikal verändern.
auf dem Kom el-Hettan das Gegenteil. Dann will das internationale Team 100
Hier verraten uns allein die Funde und Meter westlich der Memnons-Kolosse
deren Position, wo früher einmal Pylone ein weiteres Paar steinerner Giganten
und Wände gestanden haben." wiedererrichten. Dann werden vier thro-
Um 13.30 Uhr beendet der ägyptische nende Riesen die Besucher der theba-
Vorarbeiter nach sieben Stunden mit sei- nischen Totenstadt grüßen, als weithin
ner Trillerpfeife den Arbeitstag der ein- sichtbare Zeugen eines einzigartigen
Monuments tiefsten Glaubens und größ-
ter Macht. •
Der neueste Fund: Am zweiten Pylon
Die Ägyptologin Dr. Anja Herold, 4 1 . ist GE0EPOCHE-
entdecken die Archäologen an der Vorderseite Redakteurin. Zuvor hat sie zehn Jahre selbst als
des südlichen Giganten das unversehrte Bildnis der Archäologin am Nil geforscht. Das Projekt von Hourig
Sourouzian ist für jede Spende dankbar. Details
Königin Teje, der Hauptgemahlin des Amenophis dazu unter: www.geo-epoche.de/Memnon
1345 v . C h r . REVOLUTION IN DER KUNST

IM D I E N S T

DES

S O N N E N L I C H T E S

VON ULRIKE MOSER UND FRANK OTTO

Kein Pharao verändert Ägypten so wie Echnaton, der 1351 v. Chr. den Thron besteigt:

Er erhebt den Sonnengott Aton zur höchsten Gottheit, baut eine neue Hauptstadt

und revolutioniert die seit mehr als 1000 Jahren geltenden Regeln der Kunst.

Niemals zuvor und niemals danach in der Geschichte des Nillandes sind Maler, Bild-

hauer und Steinmetze so innovativ wie unter der Herrschaft des »Ketzerkönigs«
Der Bildhauer
T h u t m o s i s schafft
um 1340 v.Chr. eines
der heute b e r ü h m -
testen K u n s t w e r k e
Ä g y p t e n s : die 4 8 Z e n -
timeter hohe Büste
der Königin Nofretete,
der Gemahlin Ech-
natons. Doch der
Kopf aus Kalkstein
und bunt b e m a l t e m
Gips w a r wohl nur
als M o d e l l für eine
Statue gedacht
Doch der Name des Bildhauers Thut-
mosis ist bekannt: Denn ein Elfenbein-
plättchen, Teil einer Scheuklappe für
ie Stadt soll leuch- ein Pferdegeschirr, trägt die Aufschrift Rangfolge der vielköpfigen Götterwelt
ten wie der Sonnen- „Gelobter des guten Gottes, Aufseher zu sein scheint, ist in Wirklichkeit der
gott, dem der Pharao der Arbeit, Bildhauer Thutmosis". Ar- erste Schritt zu einer Umwälzung der
sie geweiht hat. Soll chäologen haben das Bruchstück in der Religion.
leuchten wie Aton, für den der König die Abfallgrube eines großen Anwesens in Denn nach und nach unterdrückt Ech-
Anbetung anderer Götter verboten, für Achetaton gefunden. naton die Anbetung aller Götter außer
den er seinen Namen Amenophis abge- Thutmosis muss ein Künstler von be- Aton. Er befiehlt, die Hieroglyphen mit
legt und einen neuen angenommen hat: sonderem Rang gewesen sein; das zeigt den Namen des bisherigen Reichsgottes
Echnaton, „dem Aton wohlgefällig". Für sich in der Größe des Areals: Eine Mauer Amun und anderer Götter auszutilgen
den der Monarch Architekten, Steinmet- aus Lehmziegeln umfasste sein präch- und deren Tempel zu schließen. Und be-
ze, Ingenieure und Arbeiter in die Wüste tiges Wohngebäude, mehrere kleinere auftragt die Künstler Ägyptens, den Son-
befohlen hat, um eine neue Kapitale für Bauten für ihm unterstellte Bildhauer so- nengott in ihren Werken zu preisen. Vor
bis zu 50000 Einwohner zu errichten: wie einen großen Hof mit Brunnen und allem sollen sie die Schönheit der Natur
Achetaton, „Horizont des Aton". zahlreiche Werkstätten. An die schlössen rühmen, die Aton mit dem Sonnenauf-
Die Stadt soll strahlen durch ihre sich die Quartiere der einfachen Arbei- gang jeden Tag aufs Neue schaffe.
Tempel und Häuser, verziert mit Reliefs ter sowie weitere Häuser von Gehilfen Der Pharao braucht die Werke der
aus Kalkstein, mit Gold, Alabaster und und Aufsehern an - eine eigene kleine Künstler: In ihnen offenbart sich die
Granit. Siedlung. Rund 30 Männer lebten hier, neue Religion, die keine aus alter Zeit
Besonders aber Kunstwerke sollen viele von ihnen mit ihren Familien. überlieferten Riten und Feste kennt.
Achetaton zum Glänzen bringen - neue, Um 1345 v. Chr. bezog Thutmosis das Bildhauer und Maler, Graveure und
einprägsame, nie da gewesene Arbeiten, Grundstück in einem der besten Viertel Zeichner entwickeln einen neuen Stil,
die den einen Gott preisen. Geschaffen der Stadt. Dort sollte er als einer von der mit dem Gewohnten bricht - einen
von Künstlern wie dem Bildhauer Thut- vielen Künstlern der neuen Kapitale den Stil, den viele Menschen wohl als auf-
mosis, der um 1340 v. Chr. die wohl be- Glauben des Königs in Stein fassen: die wühlend und erschreckend empfinden.
rühmteste Büste der Geschichte gestal- theologische Revolution des Echnaton.
tet: ein Abbild der Gemahlin Echnatons. D I E ÄGYPTISCHE KUNST wurde ge-
Ein Abbild der Königin Nofretete. DER BESTEIGT im Jahr 1351 v. Chr. den schaffen, um zu bestehen. Während das
Meist sind die Künstler Ägyptens für Pharaonenthron. Massiv fördert er den Lebendige im Fluss, der Augenblick ver-
uns namenlose Handwerker: kaum je Kult des Sonnengottes Aton. Was zu- gänglich ist, strebte sie nach ewiger Dau-
signieren sie ihre Arbeiten. nächst noch eine Neuordnung in der er und Vollkommenheit. Fast 1400 Jahre

N I E Z U V O R H A B E N B I L D H A U E R S O LEBENS

Mehr als 20 Porträts aus Gips haben Archäologen in


den Ruinen der Werkstatt des Thutmosis gefunden. Sie
zeigen auch die Gesichter einfacher Bürger - und nicht
nur die Familie seines königlichen Auftraggebers
Die extreme Schädelform
dieser aus Sandstein herge-
stellten Skulptur einer Prinzessin
erinnert an ein Ei und symboli-
siert möglicherweise die Schöpfer-
kraft Atons: Wie dem Küken im
Ei, so gebe der Sonnengott der Welt
jeden Tag aufs Neue das Leben.
Köpfe wie dieser entstanden in der
Werkstatt des Bildhauers
Thutmosis als Teile von Statuen.
Den Rest des Körpers schu-
fen andere Künstler

NAHE G E S I C H T S Z Ü G E G E F E R T I G T

lang, .seit den Zeiten des Reichseinigers Bis zu Echnatons Thronbesteigung. zen Ägyptens Künstler ein Raster als
Chasechemui, hat sich das künstlerische Dieser Pharao bricht radikal mit der Ver- Hilfsmittel, um die idealen Köipermaße
Schaffen kaum verändert und folgte gangenheit und den Regeln der Kunst. Er wiederzugeben. Dieses unterteilt eine
einem zeit- und alterslosen Schönheits- verändert die Kunst, damit sie den Erfor- stehende Figur von der Sohle bis zum
ideal. Es besaß ein Repertoire an Posen, dernissen seiner neuen Religion genügt. Haaransatz in 18 Reihen von jeweils
Bewegungen und Gesten, für sämtliche Niemals zuvor waren Bilder so be- gleich großen Quadraten. Jeder Körper-
Motive gab es eine fest umgrenzte Zahl wegt und bewegend. Erstmals stellen teil hat seine festgelegte Position in den
von Darstellungsmöglichkeiten. Unge- Künstler den Wind dar: Reliefs zeigen Feldern des Rasters.
schriebene Regeln entstanden, ein Ka- den Pharao und seine Frau Nofretete mit Nun werden zwei weitere Quadrate
non, der keine Abweichungen zuließ. Kronenbändern, die im Luftzug flattern. eingefügt, die den Torso und den Hals
Der Pharao war der Garant der Dauer. Oder: Zwei Pferde vor einem Streit- strecken. Die Regeln für die Gestaltung
Seine erste Pflicht war die Verteidigung wagen galoppieren, nichts hält ihren werden freier: Die Künstler zeigen
der maat, der bewährten Ordnung, die Lauf auf, und dazu noch wendet eines Menschen nicht mehr nur gerade aufge-
strenge Beachtung der geheiligten Bräu- der Tiere seinen Kopf in kühner Drehung richtet, sondern in entspannter Haltung,
che und Riten. in eine ungewöhnliche Frontal an sieht. geneigt oder in leichter Drehung. Reali-
Alles ist Aktion, ist lebendig.
Der alte Proportionskanon gilt nicht
länger. Seit mehr als 1000 Jahren benut-
kurz: welche Ästhetik geeignet ist für
die Ausgestaltung seiner Lehre, die die
gesamte Natur- und Menschenwelt aus
tätsnähere Darstellungen sind zu erken- dem einen, einzigen Prinzip erklärt, das beit seiner Angestellten und führt
nen, aber es kommt auch zu neuen, selt- sich im Licht der Sonne manifestiert. letzte Korrekturen durch: So zeigt es
sam anmutenden Stilisierungen: Bäuche ein Grabrelief, das die Tätigkeiten eines
quellen über die Kleidung, und die AUCH THUTMOSIS ist ein höchst pro- Oberbildhauers exakt abbildet.
Häupter der Figuren erscheinen in die duktiver Künder von der Herrlichkeit In einem Raum jener Ruine, die einst
Länge gezogen, vom spitzen Kinn bis zu Atons, des Königs und dessen Gemahlin. das Wohnhaus des Thutmosis war, haben
den übertrieben ausgewölbten Hinter- In seinen Werkstätten stellt er gemeinsam Archäologen eine große Zahl von fertigen
köpfen. Die grotesk dünnen, viel zu lan- mit mehreren Gehilfen und Dutzenden sowie noch unvollendeten Steinstatuen,
gen Hälse einiger Darstellungen mögen Hilfsarbeitern große Mengen von Skulp- Büsten und mehr als 20 in Gips gegos-
auch darauf zurückzuführen sein, dass turen. Büsten und Köpfen mit dem Ab- sene Porträtköpfe und -gesichter gefun-
mancher Künstler Schwierigkeiten bei bild der königlichen Familie her: für die den - so wirklichkeitsgetreu modelliert
der Umsetzung des neuen Stils hat. Tempelanlagen und Paläste, aber wohl wie nie zuvor in Ägyptens Geschichte.
Der Pharao selbst sorgt dafür, dass auch für die privaten Altäre der Einwoh- Gesichter: männliche und weibliche,
die Kunst in Achetaton vor allem den ner Achetatons, von denen mehrere aus lebensgroße und kleine, schlichte und
Gott und den König feiert, aber auch die dem Wüstensand gegraben worden sind. meisterhafte, königliche und, das ist sehr
Schönheit, Buntheit und Fruchtbarkeit Die Arbeiten der Künstler in den ungewöhnlich, auch die normaler Men-
des diesseitigen Lebens. Die Künstler Werkstätten des Thutmosis lassen eine schen. Bei manchen Gipsstudien treten
halten Pflanzen. Früchte und blühende hohe Spezialisierung erkennen. Unter- unter der Haut kantige Schädelstrukturen
Blumen fest: Szenen am Ufer des Nil; schiedliche Materialien verlangen unter- hervor, sind die Spuren fortgeschrittenen
Menschen, die geschäftig hin und her schiedliche Werkzeuge und Bearbei- Alters präzise wiedergegeben: Falten,
eilen; Tiere, die sich scheinbar schwere- tungstechniken. Die Aufgaben werden Tränensäcke, eingefallene Wangen.
los bewegen. aufgeteilt: für die Zubereitung des Gip- Wahrscheinlich sind die Gesichter
Doch nur der helle Tag ist die Welt des ses, der für Modellabgüsse und als gut Abgüsse von Studien aus leicht zu
Sonnengottes Aton, die Nacht ist die zu bemalender Überzug für Kalkstein- modellierendem Ton, die ein Künstler
finstere, gottlose Zeit. Und so findet der büsten benötigt wird; für das Zeichnen aus der Werkstatt des Thutmosis nach
Tod. das Jenseits - nach traditioneller der Konturen, das Zerschneiden der Stei- lebenden Modellen gestaltet hat. Die
Auffassung die Nachtseite des Lebens - ne, die Ausarbeitung der Statuen. Gipsgesichter dienten dann wiederum
im Aton-Kult keine Darstellung. Niemals wird ein Werk von einem als Vorbild für das eigentliche Werk:
Echnaton persönlich entscheidet, wel- Künstler allein gefertigt; und der Meister eine aus wertvollem Stein geschlagene
che Motive. Formen und Techniken, Thutmosis überwacht wohl nur die Ar- Skulptur.

A L L E K U N S T SO L L D E N $ O N N E N G O T T A T O N

Echnaton ist
auch der oberste
Priester Atons.
Auf diesem Relief
bringt der zwei-
fach abgebildete
Pharao seinem
Gott, dargestellt
durch die Strah-
len der Sonne,
Opfer dar
Frühere Pha-
raonen ließen sich
stets mit idealisier-
ten Gesichtszügen
darstellen. Bildnisse Thutmosis selbst bewohnt ein präch-
Echnatonshingegen, tiges Gebäude mit mehr als 300 Quadrat-
wie dieses Bruchstück meter Fläche. Gegen die Wüstenhitze
einer Kolossalstatue, hilft ein Becken im zentral gelegenen
überzeichnen dessen Hauptraum, in dem Töpfe mit kaltem
Physiognomie - wohl Wasser stehen, sowie rund 50 Zentimeter
um den Bruch mit dicke Mauern. Er besitzt sogar Pferde
der Vergangenheit und einen Streitwagen, das Luxusfahr-
zu betonen zeug der ägyptischen Oberschicht.
Doch das üppige Leben im Zeichen
des Aton ist gefährdet, denn die neue
Religion hängt an der Person des Königs.
Als Echnaton 1334 v. Chr. stirbt, endet
auch seine theologische Revolution: Die
alten Götter herrschen wieder.
Einige Jahrzehnte nach Echnatons
Tod lassen seine Nachfolger das Anden-
ken des Herrschers auslöschen; sein Na-
me wird aus Inschriften herausgeschla-
gen (siehe Seite 116). Den Aton-Tempel
in Theben benutzen spätere Pharaonen
als Steinbruch für neue Bauten.
Achetaton wird schon kurz nach Ech-
natons Tod, unter der Herrschaft seines
Sohnes Tutanchamun, für immer verlas-
sen. Bald begräbt der Wüstensand die
Gebäude und mit ihnen all die Werke
der nunmehr verfemten Kunst, die sich
noch in ihnen befinden.
Die Schöpfer dieser Werke stellen
sich in den Dienst der neuen Herren.
Auch Thutmosis verlässt Achetaton, sei-
ne Spur verliert sich. Möglicherweise
V E R H E R R L I C H E N siedelt er nach Theben oder Memphis
über und schafft nun Arbeiten im Stil
der Vergangenheit, als einer unter den
Den gleichen Zweck - Modell für das Die Königin wirkt entrückt, ruhig namenlosen Künstlern Ägyptens.
endgültige Kunstwerk zu sein - hatte und majestätisch, sanftmütig und auch Doch sein Name entgeht dem Verges-
wohl auch jene Büste Nofretetes, die von ein wenig traurig. Ein leichtes Lächeln sen. Und eine seiner Kreationen über-
deutschen Forschern bei Ausgrabungen ist zu erahnen. Sie erscheint gleichzeitig dauert die Jahrtausende, konserviert von
1912 hier entdeckt wurde und die heute jung und doch als eine reife Frau. Feine der Trockenheit der Wüste. So bewundern
in Berlin ausgestellt ist. 48 Zentimeter Linien ziehen sich von den Nasenflü- mehr als 3300 Jahre später noch immer
ist die Skulptur hoch, ihr Äußeres bunt geln zum Mund, und leichte Schatten Betrachter die feinen Gesichtszüge der
bemalter Gips, der Kern Kalkstein. verdunkeln ihre Mundwinkel sowie die Gemahlin eines religiösen Revolutionärs
Anmutig und elegant ist das Gesicht Haut unter den Augen. auf dem Thron der Pharaonen.
der Königin. Ihre Züge mit den deut- Einer Frau, deren Schönheit der Bild-
lich hervortretenden Wangenknochen KUNSTWERKE WIE DIESES mehren den hauer Thutmosis mit seinen Gehilfen in
sind fein und zart. Frisch und lebendig Ruhm des Meisters Thutmosis. So gut ist Stein und Gips verewigte.
erscheint der Ton ihrer Haut. seine Auftragslage, dass er sein Anwesen Nofretete. •
immer wieder um weitere Werkstätten
Die Historikerin Ulrike Moser, 38. arbeitet als freie
Literatur: Christian Tietze [Hg.]. ..Amarna'. und Unterkünfte vergrößert. Überall in Journalistin in Berlin.
Arcus-Verlag; neueste S a m m l u n g von
Aufsätzen über Leben und Arbeiten in der ihren Ruinen finden die Archäologen
Stadt Echnatons. ..Pharaohs of the S u n " .
M u s e u m of Fine Arts, Boston; informativer,
später Bruchstücke von Statuen, Gips-
reich bebilderter Ausstellungskatalog. modelle, Steinsplitter.
Um 1330 v. Chr. KRIEG MIT DEN HETHITERN

Der alte Wesir wird im fahr 1323 v. Chr. Pharao. Lässt er den Hethiterprinzen umbringen?
In den Jahren nach d e m Tod des »Ketzerpharao« Echnaton k o m m t es am ägyptischen Hof zu

tödlichen Verwicklungen: In einem Brief fleht eine Pharaonenwitwe den H e r r s c h e r der klein-

asiatischen Hethiter an, ihr einen Sohn a l s G e m a h l zu schicken. W e r ist die Frau, welche Motive

treiben sie? Vor allem aber: Gibt jemand den Auftrag, den fremden Prinzen, der sich auf den

Weg macht, zu e r m o r d e n ? Die Geschichte einer Intrige, die zu einem antiken Weltkrieg führt

VON CAY RADEMACHER

M
anches Verbrechen hat um 1330 v. Chr. (genauer: irgendwann tion. Er hat vermutlich um 1350 v. Chr.
seinen Ursprung im zwischen 1334 und 1323 v. Chr.; prä- seinen Bruder, den legitimen Thron-
Brief einer verzweifel- ziser lässt es sich nicht angeben) in folger, ermordet und die Macht an sich
ten Frau, und abgrün- seinem Feldlager von einem Boten gerissen. Seither führt er fast pausen-
dige Gewalt folgt auf überreicht. los Krieg - mal in den Bergen Klein-
ein paar hingeworfene Zeilen. Dies ist Die Hethiter haben um 1600 v. Chr. asiens, mal an der Mittelmeerküste.
die Geschichte eines solchen Briefes in Anatolien ein Reich begründet, des- Meist aber kämpft Schuppiluliuma
und eines Mordanschlags irgendwo sen Kapitale die Stadt Hattuscha ist. in Syrien: führt seine Truppen über das
im Nahen Osten. Eine Geschichte, die Der Monarch regiert das Imperium Taurusgebirge in den Süden, plündert
von Intrigen hinter Palastmauern am bereits seit vielen Jahren und ist der das Land, zwingt die Fürsten kleinerer
Nil handelt. Von einer Witwe, die sich berühmteste Feldherr seiner Genera- Reiche, seine Vasallen zu werden. Er
finsteren Kräften ausgeliefert zieht gegen Karkemisch, eine
sieht. Von einem Vater, dessen bedeutende Siedlung am oberen
große Hoffnungen in ohnmäch- Euphrat, als ihm das Schreiben
tiger Wut enden. Von skrupel- | überbracht wird. Es hat einen
losen Höflingen und Generälen, ungewöhnlichen Absender: die
die ihr Tun verschleiern. Vom Königin von Ägypten.
Pharaonenreich, dessen Regie- Was in dem Brief steht, hat
rung in einen Strudel aus Revo- ein Chronist des hethitischen
lution und Reaktion gerät. Vom Hofes Wort für Wort in seine
Reich der Hethiter, das über Sprache übersetzt: „Mein Ge-
Nachbarstaaten herfällt. Und mahl ist gestorben, und ich habe
davon, wie die beiden Imperien keinen Sohn. Die Leute sagen,
schließlich auf einen antiken dass du viele Söhne hast. Wenn
Weltkrieg zutreiben. du mir einen deiner Söhne sen-
Der Brief, mit dem all das
beginnt, wird dem hethitischen
Großkönig Schuppiluliuma I. I Krummstab und Geißel sind die
Insignien eines jeden Pharao. Sie sym-
bolisieren Macht und Herrschaft
M ER I T A T O N NOFRETETE A NCHESENA M U N

detest, könnte er mein Gatte werden. sie? Wovor hat sie Angst? Und wann ge- gendwo die Lösung für das Rätsel um
Niemals werde ich einen meiner Diener nau ist dieser Brief verfasst worden? den Brief versteckt sein muss.
zum Gatten nehmen. Ich habe Angst." Unzählige Dokumente - Inschriften,

E
Eine Pharaonenwitwe, die sich und Papyri, beschriebene Tontafeln und chnaton wird im Jahr 1351 v.
ihr Reich einem fremden König dar- Scherben - haben Forscher inzwischen Chr. Alleinherrscher am Nil
bietet? Ohne diplomatisches Geplänkel, in Ägypten geborgen. Doch nicht ein und stürzt innerhalb weniger
ohne Bedingung? Schuppiluliuma ist einziger erhaltener Text aus dem Pharao- Jahre die uralten Götter Ägyp-
misstrauisch. Ginge er darauf ein, könnte nenland erwähnt jenen Brief, gibt auch tens. Er verehrt Aton, die Sonnenschei-
er ohne eine einzige Schlacht seine größ- nur den kleinsten Hinweis auf seine be - und das so ausschließlich, dass er
te Beute machen: Ägypten unterstünde Verfasserin. Erhalten geblieben sind da- vielleicht der Stifter der ersten mono-
dann dem Einfluss seiner Dynastie. zu nur die Zeugnisse aus dem Hethiter- theistischen Religion genannt werden
Aber wenn der Brief eine Falle ist? reich - doch dessen Geschichte ist ins- kann. Denn fortan lässt er die Anbetung
Der Herrscher ruft seine Berater zu- gesamt weit weniger gut dokumentiert der anderen Götter rigoros verfolgen.
sammen. „Seit alters ist mir so etwas als die des Imperiums am Nil. Vor allem den Namen des bis dahin
niemals vorgekommen!", verkündet er. Einigermaßen sicher ist, dass Schup- hochverehrten Reichsgottes Amun lässt
Und sagt seinem Geheimsekretär: „Sie piluliuma nach seiner blutigen Macht- Echnaton aus Inschriften herausmeißeln,
könnten versuchen, mich zu täuschen. ergreifung um 1350 v. Chr. wohl 25, schließt dessen bedeutendsten Tempel in
Ob sie vielleicht doch einen Prinzen möglicherweise gar mehr als 30 Jahre Karnak, entmachtet die einst einfluss-
haben, darüber bringe mir verlässliche herrscht. Damit fällt der ominöse Brief in reiche Priesterschaft.
Kunde!" die wohl turbulenteste und dramatischste Der junge Pharao zieht aus der Resi-
Schuppiluliuma schickt seinen Kund- Phase der ägyptischen Geschichte: die denz Theben fort, gründet 300 Kilometer
schafter an den Nil. Und damit beginnen Amarnazeit - die Epoche des „Ketzer- nördlich in Mittelägypten auf zuvor
Ereignisse, die in Tod und Verderben pharao" Echnaton, der geheimnisvollen jungfräulichem Boden am Nilufer eine
enden werden. Und in Rätseln, die bis Schönheit Nofretete, des Kindkönigs neue Hauptstadt: Achetaton („Horizont
heute nicht aufgeklärt sind. Tutanchamun. des Aton"), später bekannt unter dem
Denn wer ist diese Pharaonenwitwe, Es sind Jahre der größten künstleri- arabischen Namen Teil el-Amarna.
die ein Eheversprechen unterbreitet, wie schen und spirituellen Revolution, die Künstler schmücken die Residenz mit
es wohl nie zuvor eine Frau aus könig- das antike Nilland je erlebt hat. Und Naturdarstellungen - Skulpturen, Re-
licher Familie einem fremden Potentaten Jahre großer Wirrnis, verborgen hinter liefs, Bildern - von außergewöhnlicher
gegeben hat? Welche Motive bewegen manipulierten Chroniken und ausge- Finesse; zugleich aber fertigen sie auch
löschten Inschriften.
Eine verschlungene Zeit also - doch
eine, in deren kompliziertem Gefüge ir-
Welt - so viele zumindest werden in In- Nach einigen Monaten jedenfalls ver-
KÖNIGSWITWEN schriften und Bildern verherrlicht. Doch schwindet auch er im Dunkel der Ge-
nirgendwo wird ein Sohn genannt. schichte. Und nun endlich besteigt der
Wer hat den Brief an den Den ersehnten Thronfolger schenkt Sohn Echnatons, inzwischen ein Junge
dem Pharao schließlich wohl die Neben- von acht oder neun Jahren, den Thron.
Hethiterkö'nig geschrieben? frau Kija aus seinem Harem. Und so lau- Es ist der Herrscher, der sich später
tet eine Spekulation unter Historikern, Tutanchamun nennen wird.
Meritaton und Nofretete wenn auch durch kein Zeugnis belegt: Tutanchamun heiratet Anchesen-
Hat sich nun diese Haremsdame Hoff- amun, ebenfalls eine Tochter Nofretetes.
waren beide mit dem im Jahr nungen auf allerhöchste Gunst gemacht, Die Prinzessin ist mithin seine Halb-
sah sie sich als wichtigste Frau am Nil? schwester und nur ein oder zwei Jahre
1334 v- Chr.gestorbenen Und wird Nofretete diese Rivalin nicht älter als er.
mit Neid, Angst, Hass verfolgt haben? Die Politik dieser Kinderherrscher
Echnaton vermählt;Anchesen- Die erhaltenen Quellen werden rund bestimmen andere: Höflinge im Hinter-
zehn Jahre nach Beginn der Regentschaft grund, Beamte, Generäle. Männer, die
amun ist die Witwe des Echnatons immer verworrener. Plötzlich sehen, dass Echnatons Aton-Kult im
wird die Nebenfrau nicht mehr genannt, Volk unpopulär geblieben ist, die zum
1323 v. Chr. verblichenen auf keiner Inschrift, keinem Siegelring, Teil selbst heimlich stets den alten Göt-
nirgends. Ist sie im Kindbett oder gar tern gehuldigt haben.
Tutanchamun eines unnatürlichen Todes gestorben? Zwei Männer vor allem dominieren
Und hatte dabei womöglich Nofretete den Palast: der Wesir Eje und der oberste
ihre Finger im Spiel? General Haremhab.
Doch auch die Königin wird nun

D
zum Phantom. Ab etwa 1337 v. Chr. er etwa 50-jährige Eje war
Königsporträts in wunderlich anmuten- zeigt kein ägyptisches Werk mehr bereits unter Echnaton Wesir,
der Missachtung natürlicher Proportio- ihr Bildnis oder nennt ihren Namen. also der höchste Beamte im
nen. Es sind Kunstwerke, wie sie kein Niemand hat andererseits je ihr Grab Staat. Nun trägt er die Titel
Ägypter, kein antiker Mensch je zuvor gefunden; kein Klagelied, kein Trauer- „Vertrauter des Königs im ganzen Lan-
gesehen hat (siehe Seite 110). gesang, keine Inschrift dokumentiert ihr de" und „Gottesvater" und wird zum
Echnaton umgibt sich mit Aufstei- Dahinscheiden. Erzieher des Kindkönigs. Er war ein
gern, die allein seiner Protektion ihre Überliefert ist jedoch, dass Echnaton Höfling, der die Aton-Begeisterung Ech-
Karriere verdanken. Niemand aber ist etwa zu dieser Zeit Meritaton, die älteste natons teilte wie kaum ein zweiter Mann
dem Pharao so wichtig wie seine Ge- seiner Töchter mit Nofretete, zur „Gro- von Macht, das legen Inschriften auf je-
mahlin: die schöne, kluge Nofretete. ßen Königlichen Gemahlin" ernennt. den Fall nahe.
Die Königin, deren Herkunft im Dun- Kurz darauf, 1334 v. Chr., stirbt Ech- Ganz anders dagegen der oberste Ge-
keln liegt, wird mit Ehrungen überhäuft naton nach 17 Jahren auf dem Thron - neral Haremhab. Der Offizier, der sich in
und auf den Kunstwerken der Epoche wahrscheinlich eines natürlichen Todes, der Armee hochgedient hat, ist jünger als
als dem Pharao nahezu ebenbürtig ab- wenngleich auch das nicht sicher ist. Wer Eje, stammt aus einer einfachen Familie
gebildet: Die Künstler stellen sie häufig wird sein Nachfolger? Sein Sohn? in der Provinz - und ist ein Anhänger der
annähernd so groß dar wie den Pharao, Offenbar nicht. Noch nicht. Denn wie
beim Vollzug der gleichen religiösen eine Inschrift gedeutet werden kann, hat
Rituale, oft an der Seite ihres Gatten. Nie Echnaton in seinen letzten Jahren einen
zuvor ist eine ägyptische Herrscherge- weiteren Namen als Herrscher neben den
mahlin derart auffallend geehrt worden. seinen setzen lassen: den des Semench-
Möglich gar, dass Echnaton zwar der kara, möglicherweise ein Verwandter.
religiöse Visionär ist - dass aber Nofre- Und ebendieser Mann beerbt den
tete jene intelligente, energische, prag- Töten: Ein Jahr lang, bis 1333 v. Chr.,
matische und vielleicht auch skrupellose scheint Semenchkara allein weiterzu-
Persönlichkeit hat, die man braucht, um herrschen. Möglich, zumindest legt dies
revolutionäre Visionen durchzusetzen. ebenfalls eine einzige erhaltene Inschrift
Eines aber kann selbst Nofretete nicht nahe, dass er auch Echnatons Tochter-
durch kluge Planung erzwingen: dass sie Witwe Meritaton heiratet.
dem Pharao einen männlichen Nachfol- Wer aber ist dieser Semenchkara? Wo
ger schenkt. Sechs.Töchter bringt sie zur kommt er her? Niemand weiß es heute.

Gefunden im Grab des Tutanchamun: ein königliches


Diadem mit Uräusschlange und Geierkopf, den Symbolen
der Schutzgöttinnen von Unter- und Oberägypten
Dieser menschen-
köpfige Vogel (hier als
Brustschmuck) stellt
den ba eines jeden Men-
schen dar: jenenTeil
der Seele, der mit dem
letzten Atemzug aus dem
Körper entweicht

unter dem Ketzerpharao verbannten al- Dann - 1323 v. Chr. - stirbt Tutanch- streichen. Es soll aussehen, als hätte es
ten Götter. Er verachtet den Aton-Kult. amun plötzlich. Ist es ein Unfall, etwa sie nie gegeben.
Arbeiten die beiden zusammen oder bei der Jagd? Eine Krankheit? Vielleicht Dies ist das endgültige Ende des Ket-
gegeneinander? Offenbar erkennt der sogar Mord? zerpharao und seiner Erben.
opportunistische, intrigante, kluge Eje Unter all seinen goldenen Särgen, die

T
schnell, dass der Aton-Kult nach wie vor ab 1922 von dem Archäologen Howard urbulente Jahre, Thronwech-
von großen Teilen der Ägypter abgelehnt Carter und seinem Team aus dem be- sel, schattenhafte Herrscher,
wird, sogar mächtige Feinde hat: Die alte rühmten Grab geborgen werden (siehe Haupt- und Nebenfrauen,
Priesterschaft ist ja noch da, wenn auch Seite 64), steckt zwar tatsächlich die Töchter, die ihre Väter oder
zurückgedrängt. Und die Armee, das Mumie des jugendlichen Herrschers, Halbbrüder heiraten - wie soll man da
wird ihm Haremhab klarmachen, ist erst doch ist sie schlecht erhalten. Nach in- die namenlose Verfasserin des Briefes an
recht konservativ geblieben. Denn mili- tensiven modernen Untersuchungen ge- Schuppiluliuma identifizieren?
tärische Misserfolge in Syrien werden lingt es Medizinern, anhand bestimmter Der Schreiber des Hethiterkönigs
mit der Missachtung der alten Götter in Merkmale der Knochen festzustellen, überliefert zumindest einige Spuren. Er
Verbindung gebracht. dass Tutanchamun etwa 19 Jahre alt ge- hat den Brief übersetzt und den Text
Deshalb wahrscheinlich drängen die worden ist. Doch seine Todesursache ist dann mit einem Griffel in eine Tontafel
beiden Hofbeamten den jungen Pharao bis heute ungeklärt. eingedrückt. Die Fragmente dieser Tafel
Tutanchamun dazu, mit der Politik und Eje, der alternde Höfling und Intri- werden von Archäologen ab 1906 in den
der Religion seines Vaters zu brechen. gant, folgt dem kinderlosen Tutanch- Ruinen der Hethiter-Hauptstadt Hattu-
Und der Junge folgt seinen Beratern. amun auf den Thron. Bis zu seinem Tod scha in Anatolien gefunden.
Um 1331 v. Chr. wird die neue Hauptstadt drei Jahre darauf genießt er die Macht. In seinen Notizen über den mysteriö-
Achetaton aufgegeben und für immer Dann folgt General Haremhab. sen Brief aus Ägypten hält der Schreiber
verlassen. Tutanchamun verlegt die Resi- Und der greift, kaum auf dem Thron, den Namen des verstorbenen Pharao in
denz in die uralte Kapitale Memphis, för- die Vergangenheit an. Nichts soll mehr hethitischer Keilschrift fest: „Nipchuru-
dert aber auch die Tempel von Karnak. an die verhasste Aton-Ketzerei erinnern. ria". Und dessen Witwe, die Verfasserin
Fortan werden wieder die alten Götter In offiziellen Inschriften lässt sich des Briefes, sei „Tahamunzu". Auf den
verehrt, ihre Heiligtümer restauriert, ihre Haremhab als direkter Nachfolger von ersten Blick haben diese also nichts mit
Bildnisse aufgestellt, ihre Priester in Echnatons Vater darstellen. Lässt die den Hauptpersonen des Dramas um Ech-
Dienst genommen. Namen der Herrscher in den 31 Jahren naton und Tutanchamun zu tun.
dazwischen - Echnaton, Semenchkara,
Tutanchamun, Eje - aus Steinen schla-
gen, von Wänden tilgen, aus Annalen
Doch jeder Pharao nimmt beiden sucht in der Fremde nicht nur remhab politische Entscheidungen für
bei seinem Herrschaftsantritt einen Mann, sondern auch einen mäch- sie getroffen. Sie wäre deshalb jung und
einen Thronnamen an. Dieser tigen Verbündeten. naiv genug für ein derartiges Schrei-
Name ist eine Art Regie- Gegen diese These sprechen aller- ben - und ihre Not wäre groß.
rungspfogramm, ein Zeugnis dings zwei gewichtige Indizien. Denn eine Ehe mit ihr würde in der
dafür, was der König wünscht Zum einen: Echnaton hat einen Sohn Tat auf den Thron Ägyptens führen: Sie
oder welchem Gott er sich be- und Erben - Tutanchamun. ist, da inzwischen niemand sonst mehr
sonders verbunden fühlt. Und Das mag seinen beiden Witwen zwar auf Inschriften oder anderen Dokumen-
unter den Pharaonen jener Zeit missfallen, doch es ändert nichts daran, ten erwähnt wird, wahrscheinlich die
gibt es tatsächlich zwei, deren Thron- dass ein legitimer Thronfolger bereit- letzte noch lebende Angehörige der
namen an die hethitische Umschreibung steht. Welchen Herrschaftsanspruch hät- Königsfamilie.
„Nipchururia"erinnern: Echnaton (ägyp- te also eine mit dem Jungen nicht bluts- Tatsächlich haben Ägyptologen einen
tischer Thronname: Nefercheperura) und verwandte Witwe Nofretete - zumal Ring entdeckt, der den Namen Ejes - des
Tutanchamun (Nebcheperura). dann, wenn sie ausgerechnet einen Nachfolgers Tutanchamuns - zusammen
Bei der Witwe des Pharao unterläuft Fremden heiraten würde? mit dem von Anchesenamun zeigt.
dem Schreiber offenbar ein Überset- Und wie sollte sich gar Meritatons Das Schmuckstück mag zum Geden-
zungsfehler. Was er für ihren Namen Status durch einen auswärtigen Gemahl ken an eine Hochzeit gefertigt worden
hält - Tahamunzu - ist wohl eher ihr verbessern? Ist sie doch dank der kom- sein und wäre somit ein Indiz dafür, dass
Titel: Tahemetnesut. So wird von den plizierten dynastischen Politik der der alte Höfling sie geheiratet hat. Und
Ägyptern die „Königliche Gemahlin" Herrscherfamilie bereits Stiefmutter, falls es so ist: Hat Anchesenamun genau
des Pharao genannt. Halbschwester und Schwägerin Tut- dies gefürchtet? „Niemals werde ich ei-
Vorausgesetzt, diese beiden zwar un- anchamuns. nen meiner Diener zum Gatten nehmen",
beweisbaren, doch plausiblen Schluss- Zum anderen bezeugt dieser Brief schreibt die Unbekannte in ihrem Brief
folgerungen sind korrekt, kommen nur nicht nur Verzweiflung und Bedrängnis, an den Hethiterkönig.
drei Frauen als Absenderinnen infrage: sondern auch ein gewisses Maß an po- Anchesenamun ist Tochter und ehe-
• Meritaton, die älteste Tochter und litischer Naivität: Denn ohne irgendeine malige Gattin eines Pharao - stolz genug
spätere Hauptfrau Echnatons, die nach Garantie oder eine Forderung nach könnte sie sein, um selbst in dem mäch-
dem Tod des Vater-Gatten (oder, falls Gegenleistung wird dem Sprössling tigen Wesir Eje bloß einen niedrig gebo-
sie auch mit Semenchkara verheiratet eines mächtigen Nachbarreiches der renen „Diener" zu sehen.
gewesen ist, nach dessen Tod) 1334 Thron Ägyptens angeboten. Für naiv Als Tutanchamuns Mumie in das
(bzw. 1333) v. Chr. den Hethiterkönig aber halten Historiker die jahrelang an Grab gelegt wird, ist Eje bereits der neue
um einen Sohn bittet. Echnatons Seite mitregierende Nofre- Pharao - das belegt ein Bild in eben-
• Nofretete, deren Name zwar ab ca. tete nicht. jenem Grab im Tal der Könige: Eje ist
1337 v. Chr. aus den Dokumenten ver- Ist also Anchesenamun, die Witwe dort als neuer Herrscher abgebildet, der
schwindet, die aber möglicherweise Tutanchamuns, die Absenderin? Ist der an der Mumie seines Vorgängers das
noch lebt und 1334 v. Chr. im Kampf um Brief dementsprechend erst rund ein „Mundöffnungsritual" zelebriert, eine
die Macht an Schuppiluliuma schreibt. Jahrzehnt später verfasst worden? magische Handlung, die dem Toten im
• Oder Anchesenamun, die junge Witwe Tutanchamun und seine Gattin haben Jenseits Atem und Leben geben soll (sie-
Tutanchamuns, die nach dessen Tod keinen Sohn. Anchesenamun wird mit he Seite 129).
1323 v. Chr. in der Ferne einen neuen etwa 20 Jahren Witwe, ihr ganzes Leben Tutanchamun muss irgendwann zwi-
Gemahl sucht. lang haben Männer wie Eje und Ha- schen Mitte März und Ende April 1323

E
in Indiz, das für Meritaton oder
Nofretete sprechen könnte, ist
die lange Zeitspanne zwischen
Echnatons Tod und Tutanch-
amuns Inthronisation - jenes knappe Hethitische
Jahr, in dem der rätselhafte Semench- Chronisten haben
kara regiert. in Keilschrift einen
Ist dies möglicherweise eine Phase Bericht über den
monatelanger Wirren und Machtkämp- mysteriösen Brief
fe? Einer Pharaonenwitwe bliebe dann der Pharaonen-
allemal genügend Zeit, um einen Boten witwe in Tontafeln
in das ferne Hethiterreich zu entsenden. gedrückt-doch
Vielleicht tobt gar ein Machtkampf von dem Text sind
zwischen Mutter und Tochter, zwischen nur Fragmente
Nofretete und Meritaton - und eine der erhalten
v. Chr. bestattet worden sein, denn in versuchen, mich zu täuschen'? Wenn ich
seinem Grab finden sich Blüten von einen Sohn hätte - würde ich dann zu K O N IGE

Kornblumen und anderen Pflanzen, die einem fremden Land in dieser Weise
nur in jenen sechs Wochen blühen. schreiben, die für mich und mein Land Nach Echnatons Tod 1334
Die Mumifizierung selbst dauert 70 erniedrigend ist? Du traust mir nicht und
Tage. Ist Tutanchamuns Bestattung im sagst mir so etwas! Er, der mein Mann v. Chr. kommt es am ägypti-
üblichen Zeitrahmen abgelaufen, muss war, starb, und ich habe keine Söhne.
er also Anfang Januar 1323 v. Chr. oder Soll ich vielleicht einen meiner Diener schen Hof zu Wirren, in die
etwas später gestorben sein. zum Mann nehmen? Ich habe keinem
Etwas über zwei Monate: Das wäre anderen Land geschrieben, ich habe nur auch sein Sohn Tutanchamun
gerade genug Zeit, um einen Boten vom dir geschrieben. Die Leute sagen, dass
Nil zum Großkönig der Hethiter zu schi- du viele Söhne hast. Gib mir einen deiner gerät. Elf fahre später
cken und ihn zurückkommen zu lassen. Söhne, und er wird mein Gemahl und
König von Ägypten." stirbt dieser unter ungeklär-

D
ieses Szenario also ist das Dieses Mal - und nach Befragung des
wahrscheinlichste: Zu Beginn ägyptischen Boten, der die Worte der ten Ums tän den. Sieaer im
des Jahres 1323 v. Chr. stirbt Witwe bestätigt - zögert der hethitische
Tutanchamun überraschend. Großkönig nicht: Schuppiluliuma schickt Machtkampf ist schließlich
Seine Witwe Anchesenamun - nun zur seinen Sohn Zananza gemeinsam mit
Ehe gedrängt von Eje, der Pharao wer- dem Ägypter und sicherlich einer Es- General Haremhab
den will - schreibt in ihrer Verzweiflung korte auf die lange Reise zum Nil.
einen Brief an den Hethiterkönig und Dort aber wird der Prinz niemals an-
bittet um einen seiner Söhne als Gatten. kommen.
Manche Ägyptologen glauben, dass Über Zananza ist kaum etwas be-
sie jene Zeilen mit eigener Hand ver- kannt, weder über sein Alter oder sein Irgendwann - die teilweise zerstörten
fasst und einem Vertrauten als Boten Aussehen, noch darüber, was er bereits Quellen lassen keinen Rückschluss zu,
übergeben haben muss. Denn hätte sie in Diensten seines Vaters geleistet hat. wann genau - erreichen offenbar Boten
einen Schreiber des Hofes und einen Doch vermutlich schickt Schuppiluliu- Schuppiluliuma. „Sie brachten Nach-
offiziellen Gesandten mit der Mission ma einen erfahrenen Mann auf diese richt, der Herr Zananza sei tot", und der
betraut, hätte Eje dies auf jeden Fall Misson - die, wie er ja hofft, auf dem König „begann um den Herrn Zananza
erfahren - und dann dafür gesorgt, dass Pharaonenthron enden wird. zu weinen". So lassen sich einige Frag-
jener Brief erst gar nicht abgesandt wor- Auch über das, was nun geschieht, mente der Chronik rekonstruieren.
den wäre. schweigen ägyptische Quellen. Wieder Der Brief, ebenfalls in schlechtem
Der geheime Bote reist schon sehr bleiben den Forschern nur hethitische Zustand, ist wohl der Entwurf einer
kurz nach Tutanchamuns Tod in aller Dokumente: eine Chronik und ein Brief. Antwort Schuppiluliumas an einen
Eile zu Schuppiluliuma. Der Monarch Doch unglücklicherweise sind von Pharao - dessen Name nicht erhalten
jedoch, vorsichtig, schickt zunächst sei- den Tontafeln der Chronik nur Frag- ist, der dem Hethiterkönig aber offen-
nen Geheimsekretär nach Ägypten, um mente erhalten, Wortfetzen, Halbsätze, bar zuvor eine Nachricht übermittelt
die Lage auszukundschaften. verstümmelte Passagen. hat, denn der Ägypter wird in dem
Nach einigen Wochen Brief Schuppiluliumas
kehrt der Sekretär zurück, mehrfach zitiert. So hatte
begleitet von einem Ägyp- der Pharao dem Hethiter
ter, der ein zweites Schrei- unter anderem wohl ge-
ben der Pharaonenwitwe schrieben: „Dein Sohn ist
an Schuppiluliuma mit- tot, aber ich habe ihm
bringt. kein Leid angetan."
Auch dieser Brief ist Das jedoch glaubt
von einem Schreiber ko- Schuppiluliuma nicht: Er
piert worden: „Warum habe auf Bitten der Pha-
sasst du: .Sie möchten raonenwitwe seinen Sohn
entsandt und nicht geahnt,
dass bereits jemand an-
Dieser Brustschmuck Tutanchamuns derer am Nil auf dem
zeigt den Pharao in Gesellschaft zweier Thron saß.
Gottheiten. Der Schöpfergott Ptah
und dessen Gattin Sachmet schenken
ihm symbolisch Leben, Gesundheit und
eine ewig währende Herrschaft
ECHNATON T U TA N C H A M U N H A R E M H A B

„Du hättest meinen Sohn nach Hause nicht freiwillig. Der alte Höfling wird ner Region, die Zananza auf seinem Weg
zurückschicken müssen", schreibt er. jedenfalls Pharao. nach Ägypten passieren muss. Mag sein,
„Was habt ihr mit meinem Sohn ge- Der hethitische Geheimsekretär er- dass ihm dort Haremhab mit Soldaten
macht?" fährt davon jedoch nichts. Er trägt aufgelauert hat.
Schuppiluliuma seine Beobachtungen Alles passt - und bleibt doch bis

W
as habt ihr mit meinem vor - ohne zu ahnen, dass am Nil inzwi- heute Spekulation. Selbst in seiner zorn-
Sohn gemacht... Für den schen ein neuer Herrscher die Macht erfüllten Kriegserklärung scheint sich
mächtigen Hethiterkönig ergriffen hat. Also wird Prinz Zananza Schuppiluliuma seiner Anklagen nicht
scheint die Schuld der ausgeschickt. ganz sicher zu sein.
Ägypter festzustehen: „Ich werde meine Was kann Eje nun tun? (Wobei es Immerhin möglich, dass ein kriege-
Truppen und meine Streitwagen rufen, gleichgültig ist, ob er durch Spione, rischer Monarch wie er in der Levante
meine ganze Armee. Und sie werden Boten oder von Anchesenamun selbst so viele Feinde hat, dass einer der be-
kommen und der Sturmgott, mein Herr, erfahren hat, dass ein Hethiterprinz ein- drängten Fürsten die Gelegenheit genutzt
und die Sonnengöttin von Arinna, meine geladen worden ist.) hat, um sich durch den Mord an einem
Herrin, werden Gerechtigkeit üben!" Seine Frau hat ihn nicht freiwillig Hethiterprinzen am übermächtigen Im-
Der Brief ist ein Zeugnis der Trauer geheiratet, sondern im Gegenteil jenen perium zu rächen. Oder dass Beduinen
und der ohnmächtigen Wut eines Vaters, Königssohn gerufen, der nun auf dem den Prinzen erschlagen und ausgeraubt
dem der Sohn erschlagen worden ist - Weg zum Nil ist. Sollte Zananza den Hof haben. Oder dass Zananza auf seiner lan-
und eine Kriegserklärung. erreichen und seine Ansprüche anmelden gen Reise einer Krankheit erlegen, einem
So mag es gewesen sein: Der hethi- und sollte ihn Anchesenamun irgend- Unfall zum Opfer gefallen ist.
tische Geheimsekretär hat im Winter wie dabei unterstützen, müsste Eje um Vielleicht ließe sich die Lösung we-
1323 v. Chr. die Witwe Anchesen- die Herrscherwürde, vielleicht um sein nigstens dieses Rätsels auf einer noch
amun gesehen, hat in diesem Fall dann Leben fürchten. nicht entdeckten Tontafel finden. Mögli-
sicherlich auch mit ihr gesprochen Also lässt er Zananza noch an der cherweise weiß Schuppiluliuma zum
und den zweiten Brief in Empfang ge- ägyptischen Grenze beseitigen. Zeitpunkt seiner Kriegserklärung mehr
nommen. Möglicherweise hilft ihm Haremhab als wir heute, hat er Beweise oder Zeu-
Doch nachdem er abgereist ist, ändert dabei, der oberste General, der vermut- gen. Vielleicht aber auch ist er so blind
sich die Lage am ägyptischen Hof dra- lich darauf hofft, dass er bald selbst in seinem Zorn, dass er allein auf einen
matisch. Anchesenamun heiratet Eje - den Thron besteigen wird, denn Eje ist Verdacht hin einen gewaltigen Krieg
und glaubt man dem Brief: ganz sicher ja alt. Haremhab hat mindestens einen entfesselt.
Feldzug in Syrien geleitet - in jener Re-
gion, in der ägyptische und hethitische
Vasallenstaaten aneinandergrenzen. Je-
Denn die Hethiter rüsten tatsächlich Ramses I I .
gegen das Pharaonenland. Schuppilu-
liuma überfällt Fürstentümer in Syrien
und Palästina, die bislang Vasallen
Der erste Friedensvertrag
Ägyptens gewesen sind. Er attackiert Erst dem glanzvollsten aller Pharaonen gelingt es 1259 v. Chr.,
dort stationierte Garnisonen ägyptischer
Soldaten. Er tötet, nimmt Gefangene. E i n den jahrzehntelangen Krieg mit den Hethitern zu beenden
Krieg lodert auf zwischen den beiden
größten Mächten der Epoche, der zwei
Generationen lang wüten wird.
D o c h dabei holt sich der Hethiter-
könig das Verderben ins Reich. ohl nie zuvor haben zwei Thronbesteigung durch Ramses II. im
Denn ägyptische Gefangene, die er in Herrschereinen solchen Jahr 1279 v.Chr. hat dort mehrfach
seine Hauptstadt Hattuscha bringt, sind Vertrag g e s c h l o s s e n , in die Oberherrschaft zwischen den beiden
schwer krank: D i e Pest wird ins Hethiter- dem es weder Gewinner Mächten gewechselt.
reich eingeschleppt. A u c h Schuppilu- noch Verlierergibt. Im Jahr 1259 v. Chr. Ramses II. will das Gebiet nun wieder
liuma fällt der Epidemie zum Opfer. geloben Pharao Ramses II. und der unter ägyptische Aufsicht bringen. In
Sein S o h n Murschili II. wird der hethitische Großkönig Hattuschili III. seinem vierten Regierungsjahr zieht er
neue Großkönig. Da er in einer Chronik ..großen Frieden". Auf ewig. mit seinem Heer nach Syrien. Er trifft
eine Sonnenfinsternis in seinem zehnten ..Ramses soll niemals das Land Hatti kaum auf Widerstand. Amurru sagt sich
Regierungsjahr erwähnt, lässt sich diese angreifen", heißt es darin. ..Und Hattu- von Hatti los.
Epoche relativ genau datieren. Danach schili soll niemals das Land Ägypten an- Da versammelt der zu jener Zeit
hat Murschili II. um das Jahr 1322 v. Chr. greifen." Alle Flüchtlinge werden in ihre regierende hethitische Großkönig M u -
den Thron bestiegen. jeweilige Heimat zurückgebracht, ..ihre watalli II. alle verfügbaren Truppen, um
1322 v. Chr.: Die To- Zungen und Augen soll man ihnen nicht Amurru zurückzugewinnen. Er befeh-
Literatur: Bob Brier, ..Der desdaten von Tutanch- herausreißen, und ihre Ohren und Füße ligt, so die ägyptischen Quellen, 37 000
Mordfall Tutanchamun".
Piper: die Kernthese des amun und Schuppilu- soll man nicht abschneiden, und ihre Soldaten und 3500 Streitwagen.
Autors ist inzwischen wider-
legt, doch seine Schilde- liuma liegen also kurz Häuser mit ihren Frauen und Kindern Bei Qadesch am Fluss Orontes,
rung der Machtkämpfe hintereinander. E i n mög- soll man nicht vernichten".
bleibt aktuell. Engtische
östlich der Libanon-Berge, prallen die
Übersetzung wichtiger licher Hinweis darauf, Mehr noch: Die einstigen Feinde Heere im Mai des Jahres 1274 v.Chr.
he thitischer Keilschrifttexte
unter www.hittites.info/ dass der Hethiterkönig Ramses und Hattuschili betrachten ihre aufeinander. Hethitische Streitwagen
translations.aspx auf einem Rachefeldzug Territorien fortan als ..ein Land" und queren den Fluss, überraschen die
gegen Eje an der Pest schwören einander über ihren Tod hin- 2. Division der Ägypter von der Seite und
erkrankt sein könnte. E i n weiteres Indiz aus Waffenhilfe, gleich ob Untertanen reiben sie auf. Wer überlebt, rettet sich
dafür, dass die Witwe des jung verstor- rebellieren oder fremde Feinde an die in das bereits von der Vorhut errichtete
benen Gottkönigs Absenderin jenes un- jeweiligen Grenzen drängen. königliche Feldlager.
heilvollen Briefes gewesen ist. Nie zuvor haben Diplomaten zweier Doch die Hethiterstürmen das La-
Anchesenamun aber verblasst, wie Großmächte einen derart gerechten ger, Ramses und seine Leibgarde kön-
vor ihr schon ihre Mutter Nofretete und Friedensvertrag ausgehandelt - zumin- nen sich gerade noch den Weg frei-
ihre ältere Schwester Meritaton, z u m dest ist bis heute kein älteres Dokument kämpfen und entkommen. Dann eilen
Geist in der Geschichte. Der R i n g , der entdeckt worden. ihnen ägyptische Verstärkungen zu
ihren Namen zusammen mit dem von Hilfe. Sie zwingen die Hethiter an das
Eje zeigt, ist die letzte Spur, die sie hin- SEIT 70 JAHREN liegen die beiden Ostufer des Orontes zurück.
terlassen hat. Danach wird sie nicht mehr Völker im Streit. Zudem konkurrieren Auch wenn der Pharao die Schlacht
erwähnt, nirgendwo, von niemandem. sie um die Kontrolle der Levanteküste. später als einen großen Sieg für Ägypten
Wenn das flehentliche Schreiben an Dort liegen die bedeutendsten Häfen darstellen lässt: Sein Ziel, die Hethiter
den Hethiterkönig denn tatsächlich ihr der Region, treffen wichtige Schifffahrts- aus dem Norden Syriens zu vertreiben,
Brief war, dann war es ihr letzter Hilferuf. routen auf Handelswege zu Lande, die hat Ramses II. nicht erreicht.
U n d er war vergebens. • von Zentralasien über das Zweistrom-
land an die Mittelmeerküste führen. SO BLEIBT DIE LEVANTE weiterhin
Den Geschäftsführenden Redakteur von Der entscheidende Krieg zwischen umkämpft - bis den Hethitern mit dem
GEOEPOCHE. Cay Rademacher, 43. faszinieren
altägyptische Verbrechen. Er ist auch Autor eines Ägyptern und Hethitern entbrennt aufsteigenden Reich der Assyrer von
Krimis aus der Pharaonenzeit (..Mord im Tal
der Könige"). Die Zuordnung der Porträtköpfe
um die Region Amurru im Norden der Osten her ein mächtiger Konkurrent
ist nicht immer eindeutig möglich. Levante. In den Jahrzehnten vor der erwächst. Dessen Herrscher Salma-
nassar I, fordert den Großkönig bares Wunder", verkünden die
mit seinen Feldzügen heraus. offiziellen Inschriften zur Heirat.
Großkönig Hattuschili III., der Ramses II. lässt sich feiern als
einige Jahre nach der Schlacht von „starker Stier, reich an Jahren
Qadesch auf den hethitischen und Siegen, HerrscherderWüste,
Thron gelangt, erkennt, dass sein Retter seiner Truppen, Verteidiger
Reich gegen diese neue Bedro- seiner Wagenkämpfer, edel in
hung nurim Bund mitÄgypten seiner Haltung, schön mit der
bestehen kann. blauen Krone". Kein anderer Herr-
..Lass deine Feindschaft bei- scher Ägyptens umgibt sich mit
seite, lass ab von deinem Groll", größerem Glanz.
schreibt er an Ramses II. Derwill Ramses II. regiert gut 66 Jahre,
nun auch ein Bündnis. Emissäre längeralsjederandere Pharao.
der beiden Parteien reisen hin Er überlebt seine hethitische Ge-
und her. tauschen diplomatische mahlin sowie einige seiner ver-
Botschaften aus. mutlich 45 Söhne und 40 Töchter.
Und tatsächlich: 16 Jahre nach Als er 1213 v. Chr. im Alter von
der Schlacht von Qadesch schlie- über 80 Jahren stirbt, folgt ihm
ßen die Kontrahenten Frieden Ramses II. lässt sich, wie auf diesem sein 13. Sohn auf den Thron.
in Hattuscha, der Hauptstadt der Relief, als Beherrscher der Nachbarvölker Der Friedensvertrag beschert
Hethiter, und schicken eine Silber- darstellen - beendet aber die langjährige Ägypten, Kleinasien und der
tafel mit dem Vertragstext an den Fehde mit den Hethitern Levante fast ein halbes Jahrhun-
Nil. Dort verewigen Graveure dert Stabilität. Erst um das Jahr
die Vereinbarung auf einer zweiten lonnaden und mächtigen Torbauten, 1200 v. Chr. ist er nichts mehr wert -
Silberplatte, die an den Hethiter-hof mit Kolossalstatuen, Höfen und Hallen. weil das Imperium der Hethiter plötz-
geschickt wird. Und Ramses II. lässt Nicht weit davon entfernt, im Tal der lich kollabiert.
den historischen Pakt in Hieroglyphen- Könige, entsteht ein reich dekoriertes Wahrscheinlich fällt das durch
schrift in Tempelwände meißeln. Grab für den Herrscher. Hungersnöte bereits geschwächte
Vielleicht ist es diese Allianz, welche Und in Abu Simbel, nahe der Grenze Reich wiederholten Attacken der
die Assyrer von weiteren Eroberungs- zu Nubien, meißeln die Architekten ..Seevölker" - Angreifern aus dem
feldzügen Richtung Westen abhält. des Pharao die erhabensten FeLstempel Mittelmeerraum - sowie anderer
Ägyptens in einen Bergrücken. Sie Aggressoren aus dem Norden und
DEN R Ü C K E N FREI, kann sich R a m - sind den Reichsgöttern sowie dem ver- Westen zum Opfer.
ses II. nun auf sein Bauprogramm göttlichten Ramses und seiner Haupt- Der Gedanke jedoch, Konflikte
konzentrieren. Schon in den frühen frau Nefertari geweiht. Vier 22 Meter zwischen Staaten durch einen Pakt zu
Jahren seiner Regierungszeit hat hohe Kolossalstatuen des Königs regeln, in dem alle Parteien gleiche
er die ersten Monumente in Auftrag zieren allein die Fassade des großen Rechte haben, übersteht selbst diese
gegeben. Mit dem Gold aus den Minen Tempels (siehe Seite 8) - eine Demon- Katastrophe. Noch aber gibt es keine
Nubiens lässt der Pharao im östlichen stration der Macht Ägyptens über das weltliche Instanz, die so ein Vertrags-
Nildelta die Stadt Piramesse zu einer tributpflichtige Goldland im Süden. werk überwachen könnte.
Kapitale voller Pracht ausbauen. Und so haben Ramses II. und Hattu-
In deralten Königsstadt Memphis EINE DYNASTISCHE HOCHZEIT festigt schili III. beim Abschluss des Paktes
erweitert er den Tempel des Schöpfer- zudem die Freundschaft mit Hattuschi- ihre Götter als Zeugen angerufen:
gottes Ptah. Er ordnet zudem an, li III. Im 34. Regierungsjahr Ramses' II. Wer sich an die Vereinbarung halte,
in Theben, dem religiösen Zentrum schickt der hethitische Großkönig seine den sollten die Überirdischen „leben
des Reiches, den Amun-Tempelvon älteste Tochter als zukünftige Gemahlin und gesund sein lassen", so lautet die
Karnak neu zu gestalten und das des Pharao an den Nil und als Mitgift Schlussformel auf dem Dokument.
Amun-Heiligtum im Süden der Stadt einen Hofstaat von 500 Personen, Wer sie jedoch nicht respektiere,
zu vergrößern. dazu Pferde, Rinder. Stiere, Schafe dem sollten die Götter „sein Haus, sein
Am gegenüberliegenden Westufer ohne Zahl. Land und seine Dienervernichten". •
lässt der Pharao seinen Königstempel „Es war in der Tat ein großes
Hans-Joachim Löwer, 60, ist Journalist
errichten, fast 200 Meter lang, mit Ko- und wunderbares Ereignis, ein kost- in Hamburg.
1110 v. Chr. GRABRAUB

Theben, 1110 v. Chr.: Immer wieder plündern

Banden die Ruhestätten von wohlhabenden Bürgern und

s o g a r Königen. Konsequenzen m ü s s e n Männer wie

Amunpanefer bei ihren Beutezügen durch die Totenstadt

kaum fürchten. Doch dann gerät der Grabräuber in

das Ränkespiel zweier mächtiger Männer

VON R A L F B E R H O R S T ; FOTOS: S A N D R O V A N N I N I

Als ewige Ruhe-


stätten erbaut, wer-
den viele Gräber
noch in altägyptischer
Zeit geplündert und
verkommen zu Lagern
von Mumienteilen -
wie die Grabkammer
des Prinzen Chaem-
wese, eines Sohnes
Ramses' III.
Von den Dieben
unberührt bleiben oft
nur die prachtvollen
Wandbilder, die dem Ver-
storbenen - wie hier im
Grab Ramses'I.-als
Wegweiser durch die von
tierköpfigen Göttern
bevölkerte Unterwelt
dienen sollen
hat Amunpanefers Bande ein besonderes
Ziel. V o m Ufer eilen die acht Männer auf
D ä m m e n durch flache Felder, die das
N i l wasser mit einer bräunlich-sumpfigen blieben. D o c h Amunpanefer und die
Schicht bedeckt. Eine Stunde vielleicht anderen zögern nicht, die Sarkophage
stapfen sie durch die Finsternis, bis sie sowie die Särge darin mit ihren Kupfer-
am F u ß des Westgebirges eines der meißeln aufzustemmen.
eise gleitet das Schilf- Gräberfelder im Fels erreichen. Schließlich liegt die M u m i e des Gott-
boot durch die Nacht, in dem A m u n p a - In das „Tal der K ö n i g e " aber trauen königs vor ihnen; sie ist ganz mit Gold
nefer und seine Komplizen zum Westufer sie sich nicht. Der von Bergketten um- überzogen und schimmert im Lampen-
des N i l übersetzen. Tagsüber arbeiten schlossene Einschnitt mit den Gräbern licht. Eine vergoldete M a s k e bedeckt das
sie als Steinmetze, Schmuckhandwerker, von mehr als 20 Pharaonen liegt noch Gesicht. A u f der Brust prangt ein Sichel-
Zimmerleute, Feldarbeiter oder Wasser- einen Kilometer weiter westlich und schwert, um den Hals liegen Schmuck-
träger in den Tempeln von Theben, dem wird von den Dieben gemieden. Dort stücke und Horusaugen-Amulette, die
religiösen Zentrum Ägyptens - doch hallt jeder Meißelhieb so verräterisch den Toten schützen sollen. D o c h auch
wenn es dunkel wird, gehen sie als Grab- laut von den Gebirgswänden wider, dass sie können die Räuber nicht abhalten.
räuber auf Beutezug in der Totenstadt er die Wächter alarmieren könnte. Schnell raffen sie alle Kostbarkeiten
auf der anderen Seite des Flusses. an sich, darunter den Schmuck
D i e Männer wissen, dass es der Königin. Dann legen sie
ein Frevel ist, die Toten zu stö- Feuer an die inneren Särge aus
ren und den Verstorbenen jene Holz, um deren Verzierungen aus
Gaben zu stehlen, die ihnen Ver- Gold und Silber abzulösen; die
wandte für das Leben im Jenseits M u m i e n verbrennen dabei.
zugedacht haben. Der Pharao
W E R GEFASST
Gut 14,5 K i l o Gold erbringt
ahndet solche Verbrechen mit der der Raubzug dieser Nacht. Sie
Todesstrafe.
WIRD,KAUFT teilen die Beute unter sich auf,
A b e r zu verführerisch sind die steigen zum Fluss hinab und set-
Schätze, die drüben im Fels ver- SICH EINFACH zen wieder nach Theben über.
borgen liegen. U n d bereichern
sich nicht viele auf diese Weise? WIEDER FREI. DIESMAL ABER SPRICHT es
Sogar die Arbeiter, die die Grä- sich herum, dass die acht Männer
ber in die Felswände meißeln, so NORMALERWEISE nachts in der Totenstadt waren.
raunt man sich in Theben zu, Haben sie zu laut mit dem neuen
rauben sie später wieder aus. U n d Reichtum geprahlt, hat jemand
streichen nicht die Händler in der sie beobachtet? Amunpanefer je-
Stadt ihren Gewinn ein, wenn denfalls wird verhaftet und im
Amunpanefer und seine K u m - Amtssitz des Bürgermeisters von
pane gestohlenes Gold, Silber und K u p - Aber auch hier, unweit der Äcker, lie- Theben auf der Ostseite des Nil einge-
fer bei ihnen eintauschen? Lassen sich gen lohnende Ziele: D i e Bande schleicht sperrt. I h m droht der Tod durch Pfählen.
nicht immer wieder Schreiber in Justiz zum Grab des Pharao Sobekemsaf I I . , Dennoch ist der Steinmetz nicht allzu
und Verwaltung bestechen, um ergriffene der fast 500 Jahre zuvor Ägypten regiert besorgt. Er besticht einen einflussreichen
Räuber freizulassen? hat. Möglicherweise hat ein Schreiber Schreiber, sichert ihm seinen eigenen
W a s ist überhaupt noch heilig in einer aus der Verwaltung, der uralte Pläne ein- Anteil an der Beute zu - und kommt
Zeit, in der Priester im Tempel Blattgold sehen kann, den Grabräubern diesen tatsächlich frei. A u c h seine Komplizen
v o n Götterstatuen kratzen und vergolde- Tipp verkauft. Von dem Vorhof eines na- zeigen sich großzügig: Sie teilen die rest-
te R i n g e stehlen, silberne Amulette aus he gelegenen Beamtengrabes aus schla- liche Beute mit ihm. Amunpanefer plant
einem Schrein entwenden und zerschla- gen sie einen Gang in den Fels. sofort wieder einen Raubzug. Warum
gen, um sie unter sich aufzuteilen? U n d D i e Männer entzünden die Dochte in auch aufhören?
selbst die Wächter der Totenstadt neh- den mitgebrachten Öllampen und steigen Bald darauf jedoch ergreifen ihn
men es mit dem Schutz der Gräber nicht im Flackerlicht hinab. Unten räumen sie Wächter erneut. N u n aber im Auftrag des
allzu genau. D a s R i s i k o ist also gering. den Schutt zur Seite, der einen D u r c h - Wesirs: Der höchste Beamte Oberägyp-
In dieser Nacht, irgendwann zwischen gang versperrt. In der Grabkammer we- tens leitet persönlich die Untersuchung
den Jahren 13 und 16 ( 1 1 1 3 - 1 1 1 0 v. Chr.) nige Schritte dahinter steht der Sarko- gegen den Dieb. U n d diesmal hilft
der Herrschaft des Pharao Ramses I X . , phag des Pharao, daneben ist seine kein Flüstern, kein verstohlenes Winken,
Gemahlin aufgebahrt.
Seit Jahrhunderten ist die Begräbnis-
stätte des Herrscherpaares ungestört ge-
An dieser Wand im Grab von Tutanchamun öffnet dessen Nachfolger Eje dem verstorbenen Herrscher mit einem
Werkzeug den Mund. Ein Ritual, das dem Toten für das Jenseits neues Leben einhauchen soll. Das »Tal der Könige« mit den
Gräbern zahlreicher Pharaonen verspricht Räubern die größten Schätze - ist aber auch am besten bewacht

lässt sich kein Schreiber bestechen. Die Amunpanefer erwarten Verhöre unter unterschlagen und mit Gaunern zusam-
Sache ist zu ernst. Denn der Steinmetz Folter. Schreiber halten die Vernehmun- menarbeiten.
ist Opfer eines Ränkespiels zwischen gen und Protokolle der Untersuchungs- Vorbei die Zeiten Ramses' IL, der
zwei mächtigen Männern geworden: kommission auf Papyrusrollen fest - in während seiner gut 66 Jahre dauernden
zwischen Paser, dem Bürgermeister von Texten, die die Jahrtausende überdauern Regierung nur wenige Feldzüge führen
Theben, und Paweraa, dem Aufseher als dramatische Zeugnisse einer politi- musste und Ägypten mit Tempeln versah
über das Handwerkerdorf an der „Stätte schen und wirtschaftlichen Krisenzeit. wie kein Pharao vor ihm (siehe Seite
der Wahrheit", dem Tal der Könige. 124). Schon kurz nach seinem Tod im
Paweraa ist zugleich auch Vorsteher UM II IO v. C H R . sind Ägyptens Gren- Jahre 1213 v. Chr. berannten immer häu-
jener Schutztruppe, die über die Unver- zen längst nicht mehr sicher. Von Westen figer fremde Völker Ägyptens Grenzen,
sehrtheit der Gräber in der Totenstadt her dringen immer wieder libysche Ber- gelangte immer weniger Gold aus Nu-
wacht. Paser kommt der gefasste Dieb berstämme in das Gebiet um Theben ein. bien in die Schatzhäuser.
gerade recht, um Paweraas Versäumnisse Niemand kann diese Vorstöße verhin- Ramses III., der 30 Jahre darauf den
öffentlich zu machen. dern, auch nicht Pharao Ramses IX., der Thron bestieg, musste sich bereits mehr-
im fernen Nildelta residiert. Seine Macht
ist geschwächt, das Volk leidet unter
korrupten Beamten, die Nahrungsgüter
Ebenso wichtig wie wertvolle Beigaben sind für das Heil der Verstorbenen
Malereien, die das postume Geschehen in der Unterwelt vorzeichnen. Hier führen
drei Götter Ramses I. (1292-1290 v. Chr.; 3. v. r.) vor den weiß gewandeten
Osiris, den Herrscher des Totenreichs, der ihm seinen Schutz verspricht. Links
daneben opfert Ramses I. einem Sonnengott mit Skarabäus-Kopf
Sternenhimmel zieren die Decken vieler Königsgräber. Die Bemalung steht für das Universum des Sonnengottes, das
die diesseitige und jenseitige Welt umfasst. Besonders aufwendig ausgeführt ist das Firmament in der Kammer von Pharao
Sethos I. (1290-1279 v. Chr.): Elf Dekane, also Sternbilder, die durch ihr Auf- und Untergehen den Ablauf des ägyptischen
Jahres einteilen, schreiten als Gottheiten vorüber. Auch die übrigen Gestirne sind zu Sternzeichen zusammengefasst, einem
Löwen etwa oder einem Stier - sowie zu einer Göttin in Nilpferdgestalt, die ein Krokodil auf dem Rücken trägt
Auch später litten die Arbeiter häufig
Not, denn die Kornsäcke wurden nur un-
regelmäßig angeliefert, gleichzeitig stieg
fach gegen Libyer und aus dem Mittel- der Getreidepreis erheblich an. treffen. Es ist kein Geheimnis in Theben,
meerraum eindringende Völker verteidi- Jetzt, unter Ramses IX., bessern man- dass dessen Wächter es mit ihrer Pflicht
gen. Zwar konnte er sich durchsetzen, che Arbeiter ihre Einkünfte dadurch nicht sehr genau nehmen. Weshalb sonst
doch schwächten die Kriege sein Reich auf, dass sie die Gräber plündern. Sie hätten die Plünderer so leichtes Spiel?
wirtschaftlich und militärisch. vergreifen sich vor allem an den weniger Und was ist davon zu halten, dass sich
Nach ihm kamen fünf Pharaonen an gut geschützten Ruhestätten betuchter die beiden Informanten aus der Toten-
die Macht, die allesamt Ramses hießen, Bürger. stadt nicht an den zuständigen Beam-
aber kaum Spuren hinterließen. Um sich Niemand geht zunächst gegen diesen ten Paweraa wenden, sondern über den
die einflussreichen Priester des Reichs- Frevel vor. Denn allzu viele Staatsdiener Fluss kommen und den Bürgermeister
gottes gewogen zu halten, überschrie- in Theben sind korrupt. Selbst in der Be- informieren?
ben die Ramessiden dem Amun-Tempel hörde des Bürgermeisters Paser lassen Einer der gemeldeten Fälle ist beson-
nach und nach immer mehr Ländereien sich Beamte bestechen. ders skandalös: Diebe sollen das Grab
und Arbeiter. So erstarkten die Hohe- Ausgerechnet dieser Mann aber ist von Pharao Amenophis I. angetastet ha-
priester des Amun von Theben, wäh- nun plötzlich entschlossen, gegen die ben. Die Arbeiter der Totenstadt vereh-
rend die Besitztümer des Pharao ren ihn als einen Schutzheiligen.
schwanden. Es heißt, Amenophis I. habe ihre
Zudem hatte der Ausbau der Siedlung einst, vor fast 400 Jah-
Heiligtümer von Theben durch ren, gründen lassen. Sein Grab zu
Ramses II. und Ramses III. die plündern wäre ein äußerst frevel-
Staatskasse belastet. Und so haftes Verbrechen.
DIE OBERSTEN
zeugt die große Halle des Amun- Mit seiner Anzeige wendet
Tempels mit ihren 134 reich ver- sich Paser direkt an den Wesir,
zierten Säulen nun, gut 100 Jahre
BEAMTEN der in Theben residiert. Der
später, nur noch von einstiger mächtige Beamte nimmt sich der
Größe - wie auch die Totenstadt THEBENS SIND Sache an und fordert zunächst
auf der anderen Seite des Nil: Rechenschaft von Paweraa.
Dort im Westen lassen sich seit KORRUPT UND Der Aufseher des Hand werker-
Jahrhunderten Pharaonen und dorfs präsentiert rasch eine Liste
ihre Gemahlinnen sowie hohe INTRIGANT mit Verdächtigen. Und über die-
Beamte und Tempelbedienstete ses Verzeichnis gerät der Stein-
bestatten. metz Amunpanefer in das Räder-
Die Schätze vergangener Epo- werk der Intrige - obwohl er das
chen sind eine stete Versuchung Grab des Schutzheiligen Ameno-
für die Lebenden in Theben. Und phis' I. nie betreten hat. Sein Ver-
nicht immer nur aus Raffgier. Grabschänder vorzugehen - wahrschein- hängnis ist, dass sein Name den Behör-
Denn der Staat ist bereits unter lich nur, um der Karriere seines Konkur- den bekannt ist. Man weiß, dass er sich
Ramses III. jenen Arbeitern, die die renten Paweraa zu schaden, des Aufse- nachts oft an den Gräbern im Westen zu
königlichen Gräber in den Stein getrie- hers über das Dorf der Handwerker auf schaffen macht.
ben haben und unweit der „Stätte der der Westseite des Nil.
Wahrheit" in einer eigenen Siedlung Tatsächlich verraten die erhaltenen AM 6. AUGUST I I I O V. C H R . , kurz
wohnten, immer mal die Lohnlieferung Papyri nichts darüber, worin die Feind- nach der Verhaftung, holen Wächter den
in Getreide schuldig geblieben. schaft der beiden Männer wurzelt. Neid? Steinmetz aus seiner Zelle und führen
Missgunst? Hass? ihn vor das Gericht, das in einem der
Kaum zu glauben ist dagegen, dass Heiligtümer nördlich des Amun-Tem-
den Bürgermeister etwa moralische Em- pels tagt. Der Wesir persönlich leitet das
Drei Musikerinnen spielen mit pörung treibt - denn dann hätte er die dreitägige Verhör.
Oboe, Laute und Harfe auf zum jährli- lästerlichen Diebereien im Westen kaum Amunpanefer hat keine Chance, sich
chen Totenfest, das die Lebenden mit so lange dulden können. herauszureden. Die Männer des Wesirs
den Verstorbenen feiern (siehe Seite 78). schlagen ihn mit dem Stock, verdrehen
Doch die harmonische Szene aus D I E INTRIGE ENTWICKELT SICH, als ihm Hände und Füße. Unter Schmerzen
der Begräbnisstätte des Stundenbeob- der Bürgermeister Paser gleich fünf Fälle gesteht der Steinmetz: Er sei drei Jahre
achters Nacht trügt: Viele Thebaner von Grabraub anzeigt. Zwei Schreiber
bereichern sich an den Gräbern ihrer aus der Totenstadt haben sie ihm gemel-
Mitbürger und Vorfahren det. Die Anschuldigung soll Paweraa
tuschen - wahrscheinlich, um selbst
nicht belangt zu werden, denn natür-
lich müsste auch er sich verantworten,
zuvor auf die Idee gekommen, die Grä- wenn landesweit bekannt würde, dass in schlagen sein - oder sie lassen sich von
ber auszurauben - und seither immer Theben regelmäßig Grabräuber unter- den Dieben Geld zustecken.
wieder mit seinen Kumpanen ausgezo- wegs sind. Doch der Hauptanklagepunkt seines
gen, um Gold und Silber zu stehlen. Kurz: Die Inspektion ist eine Farce. Widersachers Paser ist in sich zusam-
Vorgegangen seien sie stets nach der Unübersehbar hingegen sind die Ver- mengefallen: Das Grab Amenophis' I.,
gleichen Methode: Sie setzten in einem wüstungen am Grab des Pharao Sobe- des Schutzheiligen der Totenstadt, fin-
Fischerboot über den Fluss und suchten kemsaf II. - hier war Amunpanefer ja mit den die Inspektoren völlig intakt.
im Schutz der Nacht ein Ziel aus. Einmal seinen Komplizen eingestiegen. Es ist Der Bürgermeister von Theben ist of-
seien sie auf das Grab eines Amun- das einzige Königsgrab, das die Inspek- fensichtlich falsch informiert worden.
Priesters gestoßen: „Wir öffneten es und toren als „übertreten vorgefunden" ver-
brachten seine Särge hinaus. Wir nahmen zeichnen. DENNOCH ERHEBT ER nur einen
seine Mumie und warfen sie in eine Ecke Eher nebensächlich scheint, dass auch Tag später einen neuen Vorwurf gegen
seines Grabes. Wir nahmen seine Särge die Gräber zweier Tempelsängerinnen Paweraa: Auch im „Tal der Königinnen",
und den Rest mit zu diesem Fischerboot, geplündert worden sind - sowie die in dem die Gemahlinnen der Pharaonen
fuhren zu der Insel von Amunipet beigesetzt sind, würden Gräber
und verbrannten sie in der Nacht. geplündert.
Wir schafften das Gold beiseite, Wieder präsentiert Paweraa
das wir an ihnen fanden." schnell eine Liste mit Verdächti-
So sehr macht die Tortur den gen, wieder lässt der Wesir die
Steinmetz gefügig, dass er auch Männer sofort verhaften. Ein
DIE MUMIEN
die Namen seiner Komplizen Kupferschmied gesteht unter den
verrät. Nur den Einbruch in das Stockhieben der Wächter, in das
Grab des Pharao Sobekemsaf II.
DER T O T E N : Grab der Königin Isis eingestie-
verschweigt er - und stammelt gen zu sein. Daraufhin beschließt
zu seiner Rechtfertigung noch, N I C H T S ALS der Wesir noch am selben Tag,
es gebe „eine Vielzahl von Men- das Tal - die „Stätte der Vollkom-
schen im Land, die in gleicher WERTLOSER menheit" - zu besuchen.
Weise" die Gräber ausraubten. Es ist eine merkwürdige Insze-
BALLAST nierung: Der Geständige sowie
TAGS DARAUF SCHICKT der Amunpanefer und dessen Bande
Wesir Inspektoren über den Fluss. begleiten den Wesir und sein Ge-
Die Gutachter sollen sich in der folge über den Fluss. Die Wäch-
Totenstadt am Rande des West- ter schlingen dem Kupferschmied
gebirges einen Eindruck vom Zu- eine Binde über die Augen und
stand der Gräber machen. Zehn ältere Begräbnisstätten mehrerer thebanischer stoßen ihn vor sich her.
Königsgräber schreitet die Kommission Bürger und Beamter: „Es wurde ent- Im Tal angekommen, nehmen sie ihm
ab, und schon beim ersten zeigt sich: deckt, dass die Diebe sie alle gefrevelt die Binde ab und befehlen ihm, den Weg
Räuber haben hier jene Ziegelpyramide hatten, sie haben ihre Besitzer in ihren zu allen Königinnengräbern zu zeigen,
abgetragen, die das Felsgrab bekrönt, Särgen und Sarkophagen zerstört, und die er entweiht habe. Doch der Mann
doch ist es ihnen offenbar nicht gelun- sie waren auf den Boden geworfen kennt sich in dem Tal gar nicht aus. Hilf-
gen, in das Innere einzudringen. worden, gestohlen waren ihre Dinge los deutet er auf ein ungenutztes Grab.
An einem zweiten Grab haben Diebe der Ausrüstung, die man ihnen gegeben Auch zeigt sich, dass die Siegel an sämt-
einen Tunnel ausgehoben, dann aber hatte, mit Gold, Silber und der Grab- lichen Gräbern hier unverletzt sind.
die Sargkammer verfehlt. Auch ein ausstattung, die in ihren Särgen war." Damit ist klar: Unter den Schlägen
daneben gelegenes Pharaonengrab zeigt Amunpanefer hat keineswegs über- der Gerichtsknechte hat der Kupfer-
unverkennbar Spuren einer versuchten trieben: Viele Einwohner Thebens ver- schmied eine Tat gestanden, die er über-
Plünderung. Doch die Kommission wer- greifen sich an den Gräbern ihrer Mit- haupt nicht begangen hat.
tet in ihrem Bericht alle drei Anlagen bürger und Vorfahren. Sein Geständnis Zum zweiten Mal ist eine Behauptung
als „unversehrt". belastet ihn nun schwer. Pasers widerlegt worden; der Bürger-
Vermutlich hat der Wesir die Weisung Zwar zeigt der Bericht der Inspekto- meister von Theben ist bloßgestellt - und
gegeben, so viel wie möglich zu ver- ren, dass Paweraa sein Amt nicht nach in eine Falle getappt. Offenbar hat sein
den Regeln der maat führt, der wahrhaf-
tigen Ordnung und Gerechtigkeit. Seine
Grabwächter müssen mit Blindheit ge-
Der ibisköpfige Thot, Gott der Schreiber und Hüter des Wissens, führt Nefertari, die Frau Ramses' IL, in die Geheimnisse der Unterwelt ein

Widersacher Paweraa gezielt einen Mann Einbruch. Als die acht Männer am Abend seien angetastet worden - und fanden sie
mit falschen Informationen zu ihm ge- in ihr Gefängnis zurückkehren, ahnen sie unversehrt vor. Fehler wurden gefunden
schickt. Was als Pasers Intrige begonnen wohl, dass ihr Leben verwirkt ist. in dem, was er gesagt hatte."
hat, kehrt sich nun gegen ihn. Alle Blicke richten sich auf Paser -
Doch für Amunpanefer und dessen ZWEI TAGE SPÄTER tagt das Gericht mit diesen Sätzen ist er der Lüge über-
Bande ist diese Wendung wenig hilfreich erneut in Theben. Diesmal wird der Fall führt. Sein Ansehen ist zerstört, der
- im Gegenteil: Der Wesir und Paweraa des geständigen Kupferschmieds ver- Machtkampf entschieden. Der Bürger-
brauchen noch ein paar Schuldige mehr. handelt - doch der Wesir wendet das meister von Theben hat seine Gegner
Die Wächter zerren die Männer um Verfahren zum Tribunal gegen Paser. sträflich unterschätzt. Das Gericht spricht
Amunpanefer zur Begräbnisstätte Sobe- „Dieser Bürgermeister von Theben den Kupferschmied frei.
kemsafs II., dem einzigen Pharaonen- hat Beschuldigungen erhoben", hebt er Ein Jahr später verliert Paser offenbar
grab, das die Inspektoren bei ihrer Unter- an. „Er machte eine Aussage über die seinen Posten, denn fortan taucht sein
suchung aufgebrochen fanden. Grabmäler, die sich an der , Stätte der Name in keinem amtlichen Schriftstück
Vermutlich gehen noch einmal Stock- Vollkommenheit' befinden. Nun, als ich mehr auf. Paweraa hingegen ist noch fast
hiebe auf den Steinmetz und die anderen dort war, als Wesir des Landes, gemein- 30 Jahre lang Vorsteher der Schutztruppe
nieder; dann gestehen sie auch diesen sam mit dem Aufwärter des Königs und in der Totenstadt.
Schreiber des Pharao, haben wir die
Orte untersucht, von denen der Bürger-
meister von Theben gesagt hatte, sie
Alltagsszenen an den Grab- Diebe sind Arbeiter aus der Totenstadt,
wänden - etwa die Jagd auf Vögel die tagsüber am Grab des regierenden
im Papyrusdickicht, das Keltern Pharao bauen.
von Wein, das Vorbereiten von Spei- In jenem Jahr erhalten sie wiederum Die Grabstätte Ramses' XI. im Tal der
sen - sollen dem Toten ermöglichen, nur einen Teil der Lohnlieferungen an Könige hingegen bleibt unvollendet: ein
dies auch im Jenseits zu erleben. Getreide. Viele Familien in der Siedlung Hinweis darauf, wie sehr die Macht der
Wird eine Grabstätte geschändet, ist hungern, schließlich bleiben die Ratio- Pharaonen bereits ausgezehrt ist.
die gesamte Existenz des Toten nen mehrere Monate lang ganz aus. Die Der einflussreichste Mann Oberägyp-
in der Unterwelt bedroht Arbeiter streiken und vergreifen sich tens ist nun der Hohepriester des Amun -
wohl aus purer Not an den Gräbern, die als irdischer Statthalter des Reichsgottes,
ihre Ahnen in den Fels gemeißelt haben. des eigentlichen Landesherrn.
Und Amunpanefer? Zwei Tage nach Unter Folter geben sie die Namen von Die Ruhestätten im Tal der Könige
dem Prozess gegen den Kupferschmied mehr als 100 Thebanern preis, die von bleiben bis etwa zu dieser Zeit fast un-
führt man ihn ein zweites Mal vor den ihnen Kupfer, Gold und andere Grab- berührt. Doch dann erteilt der höchste
Großen Gerichtshof. Er muss sein Ge- beigaben erhalten haben: Hirten, Bäcker, Tempeldiener den Auftrag, die Pharao-
ständnis wiederholen; auch seine sieben Weber, Brauer, Wasserträger, Wäscher, nengräber zu plündern.
Komplizen foltert und verhört das Ge- Wächter, Diener, Schiffsoberste, Schrei- Denn Ägypten hat den Zugriff auf
richt. Der Wesir lässt alles nieder- die Goldminen Nubiens verloren.
schreiben und als Depesche an Und so lässt der von Theben aus
den Pharao im Norden senden. herrschende Hohepriester des
Kein Papyrus ist erhalten, der Amun die wertvollen Beigaben
den Urteilsspruch Ramses' IX. für sein Schatzhaus sicherstellen.
festhält, aber zweifellos werden
AM ENDE Der ungewöhnliche Befehl
die Grabräuber zum Tod durch ergeht direkt an die Arbeiter
Pfählen verurteilt. der Totenstadt: Die Spezialisten
Wenig später wohl rammen
LASSEN SELBST sollen die Gräber finden, öffnen
ihnen Henkersknechte einen spit- und ausräumen. Anders als die
zen Holzpfahl in den Bauch und PRIESTER Räuber zuvor im Verborgenen,
richten den Pfosten auf: Durch schaben sie nun in offiziellem
ihr eigenes Gewicht gleiten die DIE G R Ä B E R Auftrag behutsam das Goldblech
Aufgespießten daran nach unten, von den inneren Särgen der To-
sterben einen qualvollen Tod. PLÜNDERN ten, brechen die Edelsteine aus
Der Einbruch in das Grab des dem Schmuck der Mumien.
Königs ist öffentlich gesühnt. Grab nach Grab lassen die
Niemand aber wird für die vielen Hohepriester des Amun auf diese
anderen Grabschändungen zur Weise leeren. Mehr als 100 Jahre
Rechenschaft gezogen, für das lang missbrauchen sie die Be-
Versagen der Wächter in der Totenstadt, ber, Reinigungspriester, Lagerverwalter, gräbnisstätten der Pharaonen als ergie-
für die Bestechlichkeit der Schreiber in Salbenkocher sowie ein Arzt. Die halbe bige Schatzkammern.
Justiz und Verwaltung. Zu viele sind an Stadt ist in den Skandal verwickelt. Den Mumien erweisen die Plünderer
der Vertuschung der Affäre interessiert. In einer großen Razzia durchkämmen dennoch Respekt: Priester wickeln die
die Beamten des Wesirs Häuser in The- Körper der Pharaonen in neues Leinen
D I E HINRICHTUNGEN schrecken des- ben und in der Siedlung der Totengräber und betten sie im Tal der Könige mehr-
halb offenbar niemanden ab. Nur zwölf auf der anderen Nilseite. Sie werden fast fach um. Schließlich versteckt man sie in
Monate später ergreifen Wachen eine überall fündig. zwei alten, schwer zugänglichen Gräbern,
Bande, die das Grab der Königin Isis, Sechs Wochen lang tragen sie die ge- und dort rührt sie niemand mehr an.
der Hauptgemahlin Ramses* III., geplün- raubten Schätze zusammen. Der Wesir Erst so, sämtlicher Kostbarkeiten be-
dert hat. Jetzt ist es aktenkundig: Die selbst überwacht die Rückkehr der Kost- raubt, sind die toten Könige Ägyptens
barkeiten in das Grab der Königin Isis. endlich vor der Habgier der Nachwelt
Auch die Mitglieder dieser Bande sicher. •
Literatur: Michael Höveler-Müüer,
..Das Gold der Horusfalken. Auf den
sterben wie zuvor schon Amunpanefer
Der Fotograf Sandro Vannini. Jg. 1959, lebt
Spuren altägyptischer Grabräuber". und seine Komplizen am Pfahl. Danach in Viterbo. Italien. Mehrere Monate im Jahr ver-
Vertag Philipp von labern-, kompetent bringt er in Ägypten - um dort die Gräber
geschriebenes und unterhaltsames scheint die Totenstadt eine Weile siche- und Schätze der Pharaonenzeit auf brillante
Buch über die berühmten Gcabräuber- rer zu sein. Weise zu dokumentieren.
Papyn. Thomas Eric Peet, ..The Great
Tomb-Robberies ofthe Twentieth Pharao Ramses IX., der zwei Jahre
Egyptian Dynasty". Georg Olms Verlag;
1930 veröffentlicht-aber trotz später stirbt, wird im Westen Thebens
seines Alters ein Standardwerk.
begraben - wie auch sein Nachfolger.
ALEXANDER DER GROSSE

EROBERER
AUS D E M N O R D E N
Gut 500 Jahre lang besteht das von Ahmose 1. begründete Neue Reich. Doch um 1100 v. Chr. ist Ägypten ausgeblutet nach

ständigen Kämpfen gegen fremde Krieger, die das Reich bedrängen. Die Dritte Zwischenzeit bricht an: Das Imperium

zerfällt und wird von fremden Völkern überrannt, besetzt, geplündert. Schließlich übernehmen Perser die Herrschaft. Bis ein junger

Feldherr kommt: Alexander der Große. Auf ihn berufen sich die Ptolemäer. Ägyptens letzte glanzvolle Pharaonen-Dynastie

VON GESA GOTTSCHALK

D
er Hohepriester versteckt sich im Dach des Tem- Deshalb erscheint Alexander, der Feind der Perser, vielen
pels und lauscht. Unter ihm, im AUerheiligsten Ägyptern wie ein Befreier, als er Ende des Jahres 332 v. Chr.
des Amun-Tempels der Oase Siwa in der Liby- ägyptischen Boden betritt. In Kleinasien hat er ein Jahr zuvor
schen Wüste, spricht an diesem Tag Anfang des das persische Heergeschlagen und den Großkönig Dareios III.
Jahres 331 v. Chr. ein Mann zu einem Götterbild. Es ist zur Flucht gezwungen.
Alexander, der König der Makedonen, Anführer der Statt ihm nachzusetzen, ist Alexander zum Nil ge-
Griechen, Eroberer Kleinasiens, Bezwinger der Per- zogen. Bei dieser Entscheidung mag die Bewunde-
ser in Ägypten. rung der Griechen für die Geschichte, Kultur und
Eilig ist der Feldherr vor den Reichsgott A m u n Wissenschaft der Pharaonen eine Rolle gespielt
getreten, ohne nach der Reise durch die Wüste haben. Doch das Land ist zudem strategisch
auch nur seine Kleidung zu wechseln. Zu drän- » ||> wichtig: Die K o r n k a m m e r a m Nil könnte die fern
gend ist die Frage nach seiner Zukunft, die nur M Iii der Heimat kämpfenden Griechen ernähren.
das berühmte Orakel beantworten kann: Ist er, H Kampflos m u s s Persiens Statthalter Ägyp-
Alexander, der Sohn des Gottes A m u n ? I ten an den Makedonen übergeben: Seine Trup-
Der Priester in seinem Versteck und der K ö - ff pen, die zur Unterstützung des Großkönigs
nig im AUerheiligsten wissen, was der Orakel- nach Kleinasien geeilt waren, sind dort bereits
spruch bedeutet: Erkennt A m u n den Eroberer von den Griechen aufgerieben worden.
als seinen Sohn an, kann sich Alexander zum Anders als die persischen Besatzer bemüht
legitimen Pharao krönen lassen. sich Alexander um Respekt vor den Göttern
Der Makedone wäre nicht der erste fremde und Priestern des Landes; er bringt - in der
Herrscher am Nil - seit sieben Jahrhunderten Tradition der Pharaonen - dem Apis-Stier ein
kommt das Land nicht zur Ruhe. Erst spalteten Opfer. Im Gegenzug akzeptieren ihn die ein-
innere Wirren das Reich, dann herrschten liby- flussreichen Gottesdiener der alten Residenz-
sche Söldnerführer. Nubier aus dem Süden s o - stadt Memphis als neuen Herrscher.
wie Assyrer aus dem Zweistromland am Nil. Doch dem Volk gegenüber können sie ihn
525 v. Chr. schließlich unterjochten die Perser nicht legitimieren. Das kann nur ein Gott.
das Reich. Deren Statthalter regierten das Land gut Denn der Pharao ist von jeher ein Mensch, den
120 Jahre lang. Ägyptens Priester und das Volk aber ein Gott gezeugt hat. Bereits die Könige, die die
wehrten sich. Mit Erfolg: 399 v. Chr. bestieg erneut Pyramiden von Giseh errichten ließen, sahen
ein einheimischer Fürst den Thron. sich als Söhne des Sonnengottes Ra. Und nur der
Knapp zwei Generationen lang bewahrte Ägypten
seine Unabhängigkeit, dann eroberten die Perser das
Niltal zurück. Erneut schürten die Priester den Hass, Nach der Eroberung Ägyptens lässt sich
streuten Gerüchte: Die Besatzer erwiesen Ägyptens Alexander als Pharao darstellen: mit Königs-
Göttern nicht genügend Respekt. kopftuch und traditionellem Schurz
Im 4. Jahrhundert v. Chr. ist Ägypten Provinz im Reich des persischen Großkönigs Dareios III. Doch
Alexander der Große zerschlägt nach und nach dessen Imperium - und nimmt auch Ägypten ein

direkte Nachfahre eines Pharao gilt als Gottessohn, so ver- Das Wohlwollen des Gottes ist vermutlich kein Zufall: Denn
langt es der Brauch. Will Alexander, der Fremde, als legitimer das Heiligtum wird von Memphis aus verwaltet. Wahrschein-
Pharao anerkannt werden, m u s s er seine göttliche Abstam- lich haben die dortigen Priester den Tempeldienern in Siwa
mung erst beweisen. mitgeteilt, wie der Orakelspruch auszufallen habe.
Vielleicht machen die Priester von Memphis dies zur Alexander kehrt ins Niltal zurück und lässt sich in Memphis
Vorbedingung einer Krönung. Und vielleicht sind sie es auch, zum Pharao krönen. Doch schon wenige Monate später ver-
die Alexander nahelegen, das Orakel von Siwa zu befragen. lässt er mit seinem Heer Ägypten: Bei Gaugamela im heutigen
Der Makedone verlässt die am Nil gelegene Residenzstadt Irak trifft er zur entscheidenden Schlacht auf die Perser.
Memphis, zieht fast 300 Kilometer an der Mittelmeerküste Vor dem Gefecht spornt der Makedone seine Soldaten an:
entlang in Richtung Westen und wendet sich dann gen Süden. Der Sieg sei sicher, denn der Sohn des Zeus spreche zu ihnen.
Mehr als 250 Kilometer weit führt er seine Soldaten durch Tatsächlich bleibt er auch in diesem Gefecht Sieger, macht
eine Wüste, in deren Sandwogen bereits ein großes Heer für sich das Perserreich Untertan, zieht weiter bis nach Indien.
immer untergegangen ist. Dann endlich erreicht er die Oase. Bei Trinkgelagen trägt er nun Widderhörner, die Zeichen des
Der Feldherr kennt den Gott Amun aus Griechenland, wo Zeus-Ammon.
man den ägyptischen Reichsgott „Ammon" nennt und als eine Acht Jahre später erkrankt Alexander, noch immer auf
Erscheinungsform des Göttervaters Zeus verehrt. Feldzug, in Babylon an einem Fieber - und stirbt nach weni-
Möglicherweise zieht der 24-Jährige nicht nur der Politik gen Tagen im Alter von 32 Jahren: zu früh, um sein Imperium
wegen nach Siwa. Seit seiner Kindheit ist er fasziniert von der politisch zu festigen und einen Thronfolger zu etablieren.
griechischen Sagenwelt. Erwillan die alten Zeiten anknüpfen, Nicht lange nach seinem Tod brechen Kämpfe unter seinen
die Götter, die Helden. Einer der mythischen Kämpfer soll den Generälen aus. Das Reich zerfällt.
Tempel, in dem Alexander jetzt steht, einst besucht haben - Alexanders Statthalter in Ägypten ist General Ptolemaios,
einer, von dem die makedonische Königsdynastie angeblich ein alterWeggefährte, der den Feldherrn auch auf seinem Zug
abstammt: Herakles, auch erein Sohn des Zeus. nach Siwa begleitet hatte. Nach dem Tod seines Königs über-
nimmt Ptolemaios nun kurzerhand die Regierung am N i l - u n d

U nd so hofft Alexander in Siwa auf ein Zeichen. Doch


A m u n bleibt stumm. Der Besucher verlässt das Atter-
heiligste schließlich ohne Antwort und verunsichert.
Erwartet in einem Nebenraum. Was wird nun geschehen?
Der Oberpriester in seinem Versteck hat durch die höl-
begründet damit das letzte Pharaonengeschlecht in der 3000-
jährigen Geschichte des alten Ägypten: das der Ptolemäer.
Als Legitimation hält Ptolemaios I. einen hohen Trumpf: Er
hat den Wagen mit Alexanders Leichnam in Syrien abfangen
und den Herrscher in Alexandria bestatten lassen - in jener
zerne Decke jedes Wort gehört, das Alexander zum Gott Stadt, die der Makedonenherrscher während seines einzigen,
gesprochen hat. Als er sich sicher ist, dass der König ge- kurzen Besuches in Ägypten gegründet hat. Zu Ehren des
gangen ist, lässt er eine Leiter hinab und klettert an der Verblichenen schafft Ptolemaios I. sogar einen neuen Kult
Rückseite des Tempels hinunter. Er schlägt einen Bogen mit eigenen Priestern.
und betritt den Nebenraum. Den letzten Wunsch des verstorbenen Pharao aber ver-
Dort steht der große Feldherr. Der Oberpriester geht auf wehrt ihm Ptolemaios I. Denn eigentlich wollte Alexander in
ihn zu. ..Sei gegrüßt, Sohn!", sagt er. ..und betrachte diese Siwa begraben werden - in jenem Tempel, dessen Orakel aus
Anrede als auch vom Gotte stammend." einem Eroberer den Sohn eines Gottes machte.
Das ist die Reaktion des Orakels, die Alexander erhofft hat:
Gesa Gottschalk. 27. besucht die Hamburger Henri-Nannen-Schule
A m u n hat ihn als seinen Sohn anerkannt. für Journalismus.
6 9 - 3 0 v.Chr. K L E O P A T R A

D I E L E T Z T E
D E R P H A R A O N E N
Mit Raffinesse und Arglist gelingt es Königin Kleopatra VII., die ab 51 v. Chr. am

Nil regiert, ihr Land im Ringen mit der aufsteigenden Macht Rom ein letztes Mal zur Welt-

geltung zu führen. Doch der römische Expansionsdrang ist unaufhaltsam. Am Ende

verliert die Pharaonin ihr riskantes Spiel, und das ägyptische Reich m u s s sich nach mehr

als 3000 Jahren endgültig einem stärkeren Imperium geschlagen geben

VON JOHANNES STREMPEL ^^mVWfc.


In der Vorstellung der Maler des 19. Jahrhunderts ist Kleopatra auch in ihrer letzten Stunde lasziv und elegant (Ölgemälde von Andre Rixens, 1874)
D
er letzte Akt im den getötet, ihre Vermögen konfisziert. richten, Misstrauen und Abscheu emp-
Schauspiel ihres Le- Gleichzeitig reorganisiert sie die Streit- finde er nun gegen alle Menschen.
bens setzt ein mit kräfte und schickt Boten aus, um neue Der Römer resigniert, während Kleo-
einer Posse. Alles Verbündete zu werben. Und sie lässt den patra gegen ihr Schicksal ankämpft und
deutet hin auf einen Königsschatz in ihr Grabmal im Palast- sich Alexandria, die Königsstadt am
großen Sieg, als bezirk bringen, dazu Brennmaterial. Nil, unter dem drohend heranziehenden
die Kriegsflotte der Holz und leicht entzündliches Werg: Schatten Octavians duckt.
Königin an einem Septembertag des Weder sie noch ihr Vermögen sollen dem Skrupellos also ist sie, diese Pharao-
Jahres 31 v. Chr. im Hafen von Alexan- Feind in die Hände fallen, wenn er in nin, die das eigene Volk täuscht und
dria anlegt. 60 Schiffe stark, ein jeder Alexandria einmarschiert. wie im Blutrausch unter ihren Rivalen
Bug geschmückt mit bunten Kränzen. Und das scheint jetzt nur noch eine wütet. Erfindungsreich außerdem. Und
Hymnen auf die glücklich geschla- Frage der Zeit. sie bleibt standhaft und entschlossen in
gene Schlacht und Flötenklänge wehen Der Feind heißt Rom. Seit Jahren auswegloser Situation.
über die See zum Volk hin, das den schon ringen in der Republik mächtige Schon als junge Frau, in den ersten
Uferstreifen säumt und jubelt. Irgend- Heerführer in einem Bürgerkrieg um die Jahren auf dem Thron, hat sie das bewie-
wo an Deck ihres Flaggschiffs wird sie Macht. Nun ist vor wenigen Tagen bei sen, als nicht viel daran fehlte und ihre
jetzt wohl thronen und kühl die Mienen Actium an der nordgriechischen Küste Regentschaft nichts gewesen wäre als
der Zuschauer mustern. Kleopatra. Die die Entscheidung gefallen. eine kurze Episode in der Geschichte
mächtigste Frau der Welt. Marcus Antonius, Roms Herrscher Ägyptens.
Zeigt das Spektakel Wirkung? Alex- über die Gebiete im Osten, ist an diesem

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andrias Bürger gelten als wankelmütig 2. September des Jahres 31 v. Chr. in der uf einem Tiefpunkt ist diese
und rebellisch. Vor einigen Jahrzehnten letzten großen Seeschlacht der Antike Geschichte, als Kleopatra
ist ein Vorgänger der Königin gelyncht Octavian unterlegen, dem römischen Ende des Jahres 69 v. Chr.
worden, als der Volkszorn überkochte. Führer im Westen. geboren wird. Seit rund
Aufruhr liegt hier ständig in der Luft. Kleopatra stand als wichtigste Ver- 250 Jahren herrschen am
Deshalb hat Kleopatra ihre Männer bündete an der Seite Antonius", dem sie Nil die Ptolemäer. Der Gründer dieser
so schnell wie möglich heimsegeln las- auch Geliebte und Mutter von drei Kin- Dynastie war Ptolemaios I., ein makedo-
sen, alle schlechten Nachrichten, alle dern ist. Vielen Bürgern Roms gilt sie nisch-griechischer General unter Alex-
Berichte von ihrer Niederlage überho- als die eigentliche Gegnerin in diesem ander dem Großen, der sich nach dem
lend, um Ruhe im Land zu wahren. Denn Krieg, das „Verderben bringende Weib", Tod des Eroberers das Reich der Pharao-
in Wahrheit ist alles nur Theater - die die „königliche Hure von Kanopos". nen sichern konnte (siehe Seite 142).
Lieder, die Flöten und die Kränze. Seit dem Karthager Hannibal hat Rom Wie schon unter der Besatzung durch
Kleopatra kommt nicht als Siegerin niemanden so gefürchtet wie die Pharao- die Perser sind die Ägypter unter den
nach Hause, sondern als Besiegte. Und nin - und so gehasst. Ptolemäern erneut Menschen zweiter
so feiern die getäuschten Untertanen an Kleopatra kann bei Actium die feind- Klasse: Regierungsämter und führende
diesem Tag einen Triumph, den es nicht lichen Linien durchbrechen und mit ihren Positionen in der Verwaltung besetzt der
gibt, und eine Königin, die ihre Hand Schiffen fliehen. Auch Marcus Antonius neue König mit Griechen.
nach der Weltherrschaft ausgestreckt hat setzt sich ab und erreicht einige Zeit nach Doch das Reich nimmt einen rasanten
und nun kurz davor steht, sich selbst, ihr Alexandria. Der größte Teil seiner Aufstieg: Ptolemaios I. erobert Zypern,
ihre Dynastie und das ganze Reich in Flotte aber und das ganze Heer, das sich die Kyrenaika im Norden des heutigen
den Abgrund zu reißen. von Actium in Richtung Makedonien in Libyen sowie Teile der Levanteküste.
Andere lassen sich von Schicksals- Marsch gesetzt hatte, fällt in die Hände Seine Thronerben machen Ägypten
schlägen lähmen - Kleopatra aber sta- Octavians. zum kulturellen Zentrum der Welt und
cheln sie an. Während das getäuschte Antonius geht in Alexandria als ge- zu einer gefürchteten Militärmacht. Die
Volk noch in den Gassen tanzt, macht brochener Mann von Bord. Vom Selbst- Könige stützen sich dabei auf die effi-
sich die Königin entschlossen an die mord haben ihn Freunde noch abhalten ziente ägyptische Bürokratie, bauen sie
Gestaltung der Zukunft. können, aber jetzt zieht sich der Lebens- noch weiter aus, führen neue Erntetech-
In einem gewaltigen Blutbad räumt müde auf eine Landzunge zurück und niken und Werkzeuge ein und verbessern
sie unter ihren politischen Rivalen auf: will niemanden sprechen. die Bewässerungssysteme.
Einflussreiche Gegner und Gefangene, Nichts als Unrecht und Undank sei Mit dem Tod des vierten Ptolemaios
darunter der König der Armenier, wer- ihm zuteil geworden, lässt Antonius aus- aber beginnt der Niedergang: Familien-
Im Jahr 31 v. Chr. marschieren römische Soldaten auf Ägypten. Als Kleopatra klarwird, dass die Invasion nicht mehr abzuwenden ist, bereitet
sie ihr Ende vor und erprobt Gifte an zum Tode Verurteilten - das behaupten zumindest antike Chronisten [Alexandre Cabanel, 1887)

intrigen. Giftmorde und Fehden dezi- Doch als Alexandria 168 v. Chr. von Bei seinem Volk aber kommt so etwas
mieren die Mitglieder der Dynastie; die den Seleukiden belagert wird, zwingt ein schlecht an, vor allem bei den Bürgern
Herrscher machen eher mit Ausschwei- römischer Gesandter deren König allein Alexandrias, die ihn schließlich stürzen
fungen als mit Politik von sich reden. durch politischen Druck zum Rückzug. und vertreiben.
Aufstände von ausgebeuteten Bauern Das ist demütigend für die Seleuki- Wieder einmal sucht er Hilfe in Ita-
führen zu Bürgerkriegen, kaum ein Ko- den - aber nicht weniger für das gerettete lien, und nachdem hohe Bestechungs-
nig kann sich lange halten. Die Konkur- Ägypten, das nun endgültig in Abhän- summen geflossen sind, hievt ihn Rom
renten der Ptolemäer. die hellenistischen gigkeit Roms gerät. zurück auf den Thron und schützt ihn
Reiche der Seleukiden und Makedonien Den Römern gilt das Reich am Nil mit Legionären.
erweitern ihre Herrschaft auf Kosten als dekadent und verweichlicht: Mit Bei diesen Truppen in Alexandria
Ägyptens, eroberte Ländereien gehen Abscheu erzählt man sich unter anderem dient auch ein draufgängerischer Reiter-
wieder verloren. von Ptolemaios VIII., bei seinen Unter- offizier von 28 Jahren: Marcus Antonius,
Zudem erhebt sich ab dem 2. Jahr- tanen nur ..der Fettwanst" genannt, der der noch nicht ahnen kann, wie sehr
hundert v. Chr. eine neue Großmacht am in einem durchsichtigen Unterkleid sein Schicksal einmal mit dem Ägyptens
Mittelmeer: Rom. römische Inspektoren durch Alexandria verknüpft sein wird.
Mit den römischen Siegen über Ma- führt und dann aus Atemnot nicht Schritt Und mit dem der zweiten Tochter des
kedonien 197 v. Chr. und die Seleukiden zu halten vermag mit seinen Gästen. Königs, gerade 14 Jahre alt: Kleopatra.
im Jahr 190 v. Chr. neigt sich das Zeit- Ägyptens Könige regieren nun nur von Nichts ist überliefert von ihrer Kind-
alter dieser hellenistischen Großreiche Gnaden Roms. Auch Ptolemaios XII.. heit und Jugend. Wahrscheinlich ist sie
dem Ende zu. Nur Ägypten kann seine Kleopatras Vater, unterhält notgedrun- das Kind einer Ägypterin, möglicher-
Unabhängigkeit noch wahren. gen enge Beziehungen zur Republik. weise aus dem Geschlecht der Hohen
Als Roms Truppen vor Alexandria stehen, kommt es in der Stadt zum Totentanz, feiern die Menschen ausschweifende Orgien. Im Palast beobachtet
die Pharaonin derweil das Sterben ihrer Gefangenen - so jedenfalls stellt es sich der Maler Antoine van Hammee 1900 Jahre später vor

Priester von Memphis. Und ganz sicher Ursprünglich verband sie die Könige Und dann kommt ihr die Weltpolitik
legt der Hof viel Sorgfalt auf ihre Erzie- mit den Göttern, die sich am Anfang zu Hilfe: Wie später Octavian und Anto-
hung: Die Töchter der Ptolemäer neh- der Zeit ebenfalls die Geschwisterliebe nius kämpfen im Jahr 48 v. Chr. Julius
men eine wichtige Rolle in der Herr- erlaubt haben. Caesar und Gnaeus Pompeius um die
schaft ein, oft regieren sie an der Seite Kleopatra heiratet ihren Bruder, aber Macht in Rom. Pompeius tritt für die
ihrer Brüder. denkt gar nicht daran, ihn an der Macht Rettung der Republik ein. Caesar strebt
Arabische Historiker, die ein verblüf- zu beteiligen. Das ist der erste politische nach der Diktatur.
fend anderes Bild der Königin zeichnen Fehler ihres Lebens, und sie muss dafür Als Pompeius vernichtend geschla-
als die römischen, werden Kleopatra bezahlen. gen wird, flüchtet er nach Ägypten, denn
später als Gelehrte und Philosophin prei- Denn auch die drei Berater des un- dort genießt er Unterstützung, seit er als
sen, als Aichemistin und Ärztin. Zudem mündigen Königs wollen die Regierung Freund der Ptolemäer im Senat die An-
ist sie die erste der griechischstämmigen übernehmen: Sie stürzen Kleopatra. die erkennung des jungen Königs als Herr-
Ptolemäer. die sich dazu herablässt. die wegen ihrer romfreundlichen Politik scher durchgesetzt hat. Von Alexandria
Sprache ihrer Untertanen zu erlernen. bald ebenso verhasst ist wie ihr Vater. aus will er den Widerstand gegen Caesar
Als ihr unbeliebter Vater 51 v. Chr. Ihr Name verschwindet von allen De- neu organisieren.
stirbt, sind in Alexandria nur wenige kreten. Hier könnte die Geschichte der Plötzlich sieht sich Ägypten im Zen-
Bürger traurig. Dem Testament gemäß Kleopatra schon enden - wenn sie zu de- trum des römischen Bürgerkriegs, und
soll Kleopatra ihren zehnjährigen Bruder nen gehörte, die sich schnell geschlagen die Ratgeber des Königs haben ein Pro-
heiraten und mit ihm das Land regieren. geben. Aber die gerade 20-Jährige flieht blem: Hilft das Reich dem geschwäch-
Inzest-Ehen haben bei den ägypti- nach Palästina, hebt dort ein Söldnerheer ten Pompeius. wird Caesar unweigerlich
schen Herrschern eine lange Tradition: aus und marschiert zurück auf Ägypten. angreifen. Weist es ihn ab. wird Pom-
peius den Vorwurf erheben, man habe aufgestellt werden - gehalten nur von legen und vom Volk gehasst. weiß, dass
ihn verstoßen - und Caesar darüber ver- einem Magnetfeld, das die eisernen nur der Römer sie zurück an die Macht
ärgert sein, dass Ägypten seinen Gegner Haare der Figur anziehen sollte. bringen kann. Und Caesar, dem an
hat laufen lassen. In den schachbrettartig angelegten einem stabilen und damit einträglichen
Die Ratgeber entscheiden sich für Vierteln leben etwa eine Million Men- Ägypten gelegen sein muss. erkennt,
den radikalsten Zug in dieser Partie - und schen: Freie. Tagelöhner, Bettler, Sklaven. dass die geschwächte Kleopatra ihm
nehmen Pompeius aus dem Spiel: Noch Menschen aus allen mediterranen Län- dankbarer sein wird als der Bruder mit
bevor er an Land gehen kann, lassen sie dern begegnet man auf den Straßen: sy- seiner Hofclique.
ihn ermorden und enthaupten. rischen Händlern, arabischen Seeleuten, Zudem sieht er wohl auch eine Geis-
Doch Caesar, der wenig später mit jüdischen Gelehrten und selbstbewuss- tesverwandte in jener Frau, die in einem
seiner Armee in Alexandria eintrifft, rea- ten Griechinnen aus der Oberschicht, die Wäschesack versteckt mitten in das La-
giert anders als erwartet: Er zeigt keiner- fern der sittenstrengen Heimat ungeniert ger des Feindes gekommen ist. ..Schon
lei Dankbarkeit und tritt zudem wie ein fremde Männer ansprechen und gleich- dieser listige Einfall, der Kleopatras
Besatzer auf. Als würde er die aufgela- zeitig über die zudringlichen Ägypter mutwilliges Wesen verriet, gewann Cae-
dene Stimmung und die Wut gegen Rom murren. sars Herz, und vollends erlag er ihrem
gar nicht bemerken, zieht er in den Palast Die drei größten Volksgruppen - Anmut und dem Reiz ihres Umgangs'*,
und macht sich dann in aller Ruhe daran, Ägypten Griechen und Juden - leben so der griechische Historiker Plutarch.
die Stadt zu besichtigen. jeweils abgeschlossen für sich: was sie Aber es dauert noch Monate, bis die
Alexandria. das ist eine Metropole, eint, ist die Verachtung für das pro- Angelegenheiten in Ägypten endlich ge-
mit der sich an Schönheit. Reichtum, vinzielle Leben außerhalb der Mauern regelt sind. Denn plötzlich gehen die
Größe und Pracht keine andere messen sowie der Hass auf Rom. Alexandriner, aufgestachelt von des
kann. Während in Rom die meisten Ge- Abends strebt jeder, der es sich leis- Königs Beratern, gegen den Römer auf
bäude aus Ziegeln errichtet sind, ist hier ten kann, in den nahen Vergnügungsort die Barrikaden, und auch das ägyptische
fast alles schimmernder Marmor, rosa- Kanopos, wo Theater. Gasthöfe und Heer greift an. Caesar verschanzt sich
farbener Granit und polierter Kalkstein. Freudenhäuser locken. Auch Caesar ver- mit 3200 Fußsoldaten und 800 Reitern
Zwei gerade, mit Säulen bestandene sorgt sich hier zu horrenden Preisen mit im Palastbezirk und liefert sich einen
Hauptstraßen von 30 Meter Breite führen Tänzerinnen und Lustknaben. Häuserkampf mit den Einheimischen.
durch die Stadt, vorbei an Tempeln. Säu- Aber schon sehr bald nach seiner Am Ende ist halb Alexandria zerstört
lengängen. Statuen und Brunnen, durch Ankunft macht er deutlich, dass er sich und der junge König tot. Kleopatra be-
eine Metropole mit eleganten Palästen. nicht zur Erholung in Alexandria auf- steigt den Thron. Anfang Juni 47 v. Chr.
Observatorien, botanischen und zoologi- hält. Wieder einmal mischt sich Rom in reist Caesar ab, und am Ende dieses
schen Gärten. Auf der Insel Pharos im die inneren Angelegenheiten Ägyptens Monats bringt ihm die Königin einen
Westen erhebt sich der 130 Meter hohe ein: Er beabsichtige, den Streit um den Sohn zur Welt: Ptolemaios Kaisar.
Leuchtturm aus weißem Stein, eines der Thron zu schlichten, teilt Caesar den

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sieben Weltwunder. empörten Höflingen mit und bestellt lexandria. im Winter 31
Der Palastbezirk erstreckt sich auf Kleopatra und ihren Bruder zu sich. v. Chr. 16 Jahre ist es her.
einem Drittel der Gesamtfläche. Hier Beide leisten dem Befehl Folge. Kleo- dass Caesar Kleopatra auf
besucht Caesar das Grab des Stadtgrün- patra. die ja entmachtet ist und aus Alex- den Thron geholfen hat,
ders, Alexanders des Großen, sowie andria vertrieben, lässt sich mit einem nun schickt sich sein Erbe
die weltberühmte Bibliothek mit ihren Nachen zum Palast rudern und in einem Octavian an, ihn ihr zu nehmen. Doch
500000 Schriftrollen; und er lauscht im Wäschesack in seine Mauern schmug- der lässt sich Zeit.
Museion. einer einzigartigen Akademie geln, bis hin zu Caesars Füßen. Des Wartens überdrüssig, schlägt die
der Wissenschaften, den Philosophen. Und dann stehen sie sich gegenüber, angespannte Stimmung der Alexandriner
Alexandria ist Zentrum der Kultur die junge Königin und der 30 Jahre in ihr Gegenteil um. Antonius, den Kleo-
und Technik, eine Stadt voll Wunder, in Ältere - der berühmteste Mann seiner patra schließlich aus seinem Einsiedler-
der Wissenschaftler Münzautomaten, Zeit, schlank, groß und berüchtigt für leben zurücklocken konnte, feiert in
sich mechanisch öffnende Türen und seinen Frauenverschleiß. wilder Verzweiflung orgiastische Feste.
dampfbetriebene Maschinen ersinnen. Was immer in dieser Nacht geschieht, Umzüge und Trinkgelage, und die ganze
Geplant, doch nie vollendet, sollte in von nun an sind Caesar und Kleopatra Stadt lässt sich davon anstecken.
einem der Tempel sogar eine lebens- Verbündete. Dafür haben beide gute Kleopatra wiederum gründet eine
große Statue, frei in der Luft schwebend. Gründe: Kleopatra, ihrem Bruder unter- makabere „Gesellschaft der gemeinsam
Sterbenden'': Zusammen mit Antonius Nur wenn der Fluss alljährlich über pathien in Ober- und Unterägypten durch
und engen Freunden zecht und prasst die die Ufer tritt, gedeiht der Weizen auf die Errichtung neuer Tempel. Dahinter
Königin hinter den Mauern ihres Palas- den Feldern. Bei einem Wasserstand von steckt aber noch ein weiteres Kalkül, der
tes und lacht dem Tod ins Angesicht. zwölf Ellen (rund sechs Meter), so be- wohl wichtigste Antrieb ihres Lebens: Es
Zwischen den Ausschweifungen, so richtet der römische Naturforscher Pli- geht um nichts weniger als die Zukunft
erzählt man sich mit Schaudern, erprobe nius der Ältere, ..leidet Ägypten Hunger, ihres Sohnes Ptolemaios Kaisar.
sie an zum Tode verurteilten Gefangenen bei 13 herrscht noch Mangel. 14 Ellen Schon im Jahr nach Caesars Abreise
die Wirkung von Tier- und Pflanzen- bringen Heiterkeit. 15 Sorglosigkeit und segelt Kleopatra nach Rom. Sie will ih-
giften. Für ihr eigenes Ende wählt sie 16 Üppigkeit". ren Geliebten sehen, aber auch über die
schließlich den Biss der Kobra. Im Jahr zuvor aber hat der Wasser- Zukunft Ägyptens verhandeln. Den ge-
Und doch hat sie anscheinend noch standszeiger in der alten Königsstadt meinsamen Sohn Kaisar bringt sie mit.
nicht völlig aufgegeben: So ordnet Kleo- Memphis kaum fünf Ellen Höhe ange- Die römische Gesellschaft ist faszi-
patra an. einen Teil ihrer Flotte vom Nil geben, und in der folgenden Zeit wird niert und abgestoßen zugleich von der
durch die Wüste bis an das Rote Meer zu es nicht besser. Kleopatra hat mit einer Fremden, die ungemein herrisch auftritt
ziehen, dort zu Wasser zu lassen und für Jahrhundertkatastrophe zu kämpfen. und selbst Senatoren wie den berühmten
eine Flucht nach Indien bereitzuhalten. Die hungernden Bauern vernachläs- Cicero von oben herab behandelt.
Feindliche Verbände der Nabatäer aber sigen ihre Felder und flüchten in die Caesar aber ist entzückt und überhäuft
vereiteln diesen Plan, als sie die Schiffe Städte, dann bricht noch die Beulenpest sie mit Geschenken. Und dann lässt er in
auf dem Weg dorthin in Brand stecken. aus. Zudem ist das Reich verschuldet, einem Tempel, der seiner Stammmutter
Dann lässt die Pharaonin in einer vor allem wegen der gigantischen Be- Venus geweiht ist, eine goldene Statue
großen Feier ihren 16-jährigen Sohn stechungssummen, die Kleopatras Vater Kleopatras aufstellen. Damit stellt er sie
Kaisar für volljährig erklären und in die einst an Rom gezahlt hat. Eine schwere seiner göttlichen Vorfahrin fast gleich.
Liste der männlichen Bürger Alexan- Inflation drückt auf den Handel, und die Ein Skandal, auf den sich die Römer
drias eintragen. Ein deutliches Signal an ägyptischen Heiligtümer befinden sich nur einen Reim machen können: Caesar
die Untertanen: Sollte sie sterben, wird in beklagenswertem Zustand. plant die Gründung einer neuen Dynas-
Kaisar ihren Platz einnehmen. In dieser Situation handelt die Köni- tie, ein Königreich über Ost und West,
Ähnliche Botschaften schickt sie auch gin rasch und effizient, mit unzähligen gemeinsam mit Kleopatra. Caesars Er-
an Octavian in dessen Winterquartier: Dekreten und Erlassen. Ihre erste Sorge mordung im März des Jahres 44 v. Chr.
Sie bietet dem Römer große Geldsum- gilt den Bürgern Alexandrias, deren jedoch bereitet all diesen Spekulationen
men sowie die Throninsignien für den Hang zur Rebellion sie ja bereits kennt. ein jähes Ende.
Fall, dass er ihren Sohn als Nachfolger Sie lässt die Kornspeicher der Stadt Kleopatra, die wenige Wochen später
über Ägypten herrschen lasse. öffnen und kontrolliert den Handel: Aller nach Ägypten zurückkehlt, ist nun in
Marcus Antonius schreibt ebenfalls Weizen sei ab sofort in die Hauptstadt zu einer schwierigen Lage. Sie hat ein ille-
an Octavian: Er erinnert seinen Gegner liefern, befiehlt sie. Wer anderswo ver- gitimes Kind mit einem toten Vater und
an die frühere Freundschaft und bittet, kaufe, weil er sich einen besseren Preis keinen Gatten. Die Ägypter haben zwar
als Privatmann in Athen seinen Lebens- erhofft, .,soll des Todes schuldig sein". nichts gegen eine starke Frau auf dem
abend verbringen zu dürfen. Um die Finanzschwierigkeiten in den Thron einzuwenden, aber ein Ehemann
Octavian antwortet hinhaltend. Er hat Griff zu bekommen, verringert sie den sollte an ihrer Seite stehen, so will es die
ganz sicher nicht vor. Gnade zu üben. Silbergehalt der Münzen auf 64. schließ- Tradition. Doch das Letzte, was Kleo-
Aber er will die Königin lebendig und lich sogar 36 Prozent, konfisziert Privat- patra will, ist ein Gatte, dem sie von ihrer
vor allem ihre sagenhaften Schätze. vermögen und beteiligt sich an gewinn- Macht abgeben muss.
bringenden Handelsgeschäften. Sie braucht ein Vorbild - und findet

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ach der Abreise Caesars Ein wichtiger Machtfaktor in der Ge- es in der Welt der Götter: Die beliebte
im Jahr 47 v. Chr. nimmt sellschaft sind die Priester der Heiligtü- Göttin Isis ist wie Kleopatra eine Mutter
Kleopatra zum zweiten mer im Land: Für die kosmopolitischen ohne Gatten. Ihr Gemahl Osiris wurde
Mal ihren Platz auf dem Bürger Alexandrias mag Kleopatra zwar von seinem Bruder im Nil ertränkt, der
Thron ein. Sie regiert über eine griechischstämmige Königin sein, Sohn Horus muss ohne Vater aufwach-
ein Land, das vor dem Kollaps steht. die Mehrheit der Landbevölkerung aber sen. Isis umhegt ihn. bis er groß genug
Ägypten ist zwar wirtschaftsstark, stär- sieht in ihr die ägyptische Pharaonin. ist. sein Erbe anzutreten.
ker als irgendein anderer Staat im Mit- Deshalb spendet sie reichlich Geld Von jetzt an zeigt sich Kleopatra bei
telmeerraum, aber abhängig vom Nil. und Opfergaben und erkauft sich Sym- offiziellen Anlässen und auf Abbildun-
Nachdem die Angreifer Alex-
andria eingenommen haben, ver-
schanzt sich Kleopatra; ihr Geliebter
Marcus Antonius stürzt sich in sein
Schwert. Sterbend wird er durch ein
Fenster zu Kleopatra emporgehoben
(Ernest Hillemacher, ca. 1863]

gen. etwa dem vier Meter hohen Relief


am Tempel von Dendera in Oberägyp-
ten, mit den Attributen der Isis: der
Geierhaube und darüber einer Krone mit
Kuhhörnern und Sonnenscheibe. In der
Hand hält sie das Sistrum. die Rassel des
Isis-Kults, deren Rhythmus die Götter in
Erregung versetzt.
Kleopatra verschmilzt mit Isis. Für
die Untertanen ist sie nicht mehr Köni-
gin, sondern die göttliche Mutter ihres
Sohns Kaisar.
Nach den ersten Jahren ihrer Regent-
schaft kann sie zudem zufrieden sein: Sie
hat die Finanzlage verbessert, eine Hun-
gersnot abgewendet und die Beamten
mit einem Anti-Korruptionsdekret in die
Schranken gewiesen. Das Volk verhält
sich ruhig, und mit Hilfe von Isis hat sie
den Untertanen ihre Position als allein-
regierende Mutler begreiflich gemacht.

A
lexandria, im Sommer 30
v. Chr. Nicht militärische
Niederlagen, sondern Ab-
fall und Verrat setzen Kleo-
patra und Antonius zu.
Ohnmächtig müssen sie mit ansehen,
wie ihre Streitkräfte und Bundesgenos-
sen eilfertig zu Octavian überlaufen.
Der nimmt Ägypten in die Zange.
Vom Westen nähert sich sein General nur wenige Kilometer östlich von Alex- Die Königin belohnt den Mann mit
Cornelius Gallus, im Osten zieht Octa- andria auf. einem goldenen Panzer. Der nimmt die
vians Heer durch Syrien Richtung Alex- Ein letztes Mal zeigt der 52-jährige Geschenke dankbar entgegen - und läuft
andria. Die ägyptische Festung Pelusion Antonius seine Fähigkeiten als Feld- danach zu Octavian über.
am Rande des Nildeltas, die als unein- herr: In einem Ausfall stellt er sich an In einem verzweifelten Versuch, die
nehmbar gilt, fällt innerhalb von Tagen, der Spitze der Reiterei den vorrücken- Geschlossenheit unter den belagernden
wohl verraten von ihrem Komman- den Truppen in den Weg. schlägt sie Truppen zu zerschlagen, lässt Antonius
danten. in die Flucht und setzt ihnen nach bis an Pfeilen Flugblätter in das Feldlager
Kleopatra schäumt. Ohne den Ver- zu ihrem Lager. Octavians schießen, auf denen jedem
dacht zu prüfen, lässt sie dessen Gemah- In voller Rüstung, stolz, blutend und eine großzügige Belohnung versprochen
lin und Kinder kurzerhand hinrichten. verschwitzt eilt er zu Kleopatra. küsst wird, der auf seine Seite wechselt.
Octavian überquert im Delta die Sei- sie und stellt ihr den Soldaten vor, der Aber für Bestechung ist es längst zu
tenarme des Nil und schiäst sein Laser am tapfersten gekämpft hat. spät: Kein Soldat gibt Antonius noch die
In römischer Gefangenschaft lässt sich Kleopatra in einem Korb mit Feigen heimlich eine giftige Kobra in ihre Gemächer schmuggeln. Dann legt
sie den königlichen Schmuck an, begibt sich auf ihr goldenes Bett und öffnet das todbringende Gefäß (Gemälde von Achille Glisenti, 19. Jh.)

geringste Chance. Dann forden dieser, unheimliche Geschehen finden: In der haben; diejenigen aber, die auf der Seite
um die Schlacht zu verhindern, Octa- Stunde der Entscheidung hat sich auch der Caesarmörder standen, bestraft er.
vian zu einem persönlichen Zweikampf, Dionysos, der Gott der Freude und Ek- Kleopatra lässt sich aufreizend viel
der über den Sieg entscheiden soll. Aber stase, von seinem Schützling Antonius Zeit, bis sie seiner Einladung nach Thar-
Octavian winkt müde ab und antwortet, abgewandt. sos an der Küste Kleinasiens folgt. Es
es stünden Antonius ja noch andere war stets der Ehrgeiz ihrer Vorfahren,

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Wege zum Tode offen. enn als ..Neos Dionysos", nicht von Rom vereinnahmt zu werden,
In der Nacht vor der erwarteten als neuer Dionysos, hat und bei jedem neuen Herrscher stellt
Entscheidungsschlacht herrscht Stille sich Antonius von den sich die Gefahr erneut. Was hat die Piole-
in den Gassen Alexandrias. Doch plötz- Völkern des Ostens feiern mäerin von Antonius zu erwarten?
lich, so erzählen es sich später die Ägyp- lassen, als er zwölf Jahre Als sie schließlich zu ihm kommt, ist
ter, sei zu später Stunde der Schall von zuvor die Herrschaft antrat. Nach der ihr Auftritt eine Inszenierung, die Zeug-
allerlei Instrumenten zu hören gewesen, Ermordung Caesars hatten er und Octa- nis gibt von ihrem psychologischen Ge-
dazu Geschrei, überirdisches Jauchzen vian die Macht im Römischen Reich ge- schick und der Begabung für Symbolik.
und sphärische Gesänge. Ein Festzug teilt: der eine wählte den wohlhabenden Wenn Antonius sich als Dionysos ver-
bewegt sich von einem Tempel im Orient, der andere musste sich mit dem ehren lässt. wird sie ihm auf Augenhöhe
Zentrum die Straßen entlang, durch das Westen begnügen. begegnen: als Göttermutterlsis.
Kanopische Tor direkt in Richtung der Zu Beginn des Jahres 41 v. Chr. setzt Schwerer Duft von Räucherwerk kün-
Feinde. Antonius nach Kleinasien über und det von der Ankunft ihres Schiffes und
Die Seher und Priester können am belohnt diejenigen Könige und Fürsten, lässt die Menschen am Hafen zusam-
nächsten Tag nur eine Erklärung für das die treu zu ihm und Octavian gehalten menströmen. Purpurne Segel blähen sich
im Wind, das Heck ist von Gold über- regiert ihr Reich und bringt außerdem
zogen und mit Silber die Riemen. Kleo- Zwillinge zur Welt. Kinder des Anto-
patra ruht unter einem Sonnendach. nius, die sie programmatisch Alexander
Flöten und Schalmeien spielen, nackte Helios („Sonne") und Kleopatra Selene
Lustknaben fächeln ihr Kühlung zu. An („Mond") nennt.
den Steuerrudern und bei den Tauen Als das Paar sich wiedersieht, beginnt
stehen schöne Dienerinnen. ihre Romanze von Neuem. Vielleicht
Als Kleopatra den Römer am Abend findet sich hier ein Beweis für die Aus-
zu einem Festmahl empfängt, leuchten strahlung der Ägypterin: Es ist sicher
zahllose Lichter auf dem Schiff, das nicht schwer. Frauenhelden wie Caesar
Deck ist mit einem Teppich duftender und Antonius zu verführen, aber Kleo-
Rosenblüten bestreut, das Geschirr aus patra vermag sie auch zu halten.
Gold und phönizischem Kristall. Antonius bereitet sich jetzt auf einen
Sie tritt ihm als Isis entgegen, beklei- Feldzug gegen die Parther vor, ein ex-
det nur mit einer Krone. Arm- und Fuß- pandierendes und damit Roms Macht
reifen, einem Gürtel aus Edelsteinen und bedrohendes Reich im Osten (heute
einer langen Perlenkette, die sich über Iran), gegen das schon Caesar vor seiner
der nackten Brust kreuzt. Ermordung in den Krieg ziehen wollte.
„An und für sich", schreibt Plutarch. Kleopatra überträgt er große Territo-
„war ihre Schönheit gar nicht so un- rien seiner Provinzen: Phönizien und
vergleichlich und von der Art, dass sie einen Teil von Kilikien (heute Türkei),
beim ersten Mal berückte." Man muss dazu Distrikte Judäas und einen Streifen
sie sich wohl - nach allem, was man des nabatäisehen Arabien südlich des
weiß - eher klein und mollig vorstellen, Toten Meeres.
mit schwarzem Haar und olivfarbenem Auch wenn sie all das nur von Gna-
Teint, einer ausgeprägten Nase, markan- den des Römers erhält, bedeutet es doch
tem Kinn und großen Augen. Die Haare einen großen Triumph für die Pharao-
trägt sie nach hinten geflochten, mit nin: Generationen von Vorfahren haben
einem Knoten am Ende und Locken an vergebens Krieg um den Besitz dieser
den Schläfen. Ländereien geführt, ihr fallen sie in
„Aber im Umgang", so Plutarch. den Schoß.
..hatte sie einen unwiderstehlichen Reiz, Kleopatra sieht sich auf dem Weg. die
und ihre Gestalt, verbunden mit der ge- Glorie des alten Ptolemäerreichs wieder-
winnenden Art ihrer Unterhaltung und herzustellen. Antonius dagegen handelt
der in allem sie umspielenden Anmut, ganz in der Tradition römischer Politik:
hinterließ einen Stachel. Ein Vergnügen Treue Klientelkönige werden mit zusätz-
war es auch, dem Klang ihrer Stimme licher Macht belohnt.
zu lauschen." Octavian aber, der schon lange nach
Antonius ist ein einfach gestrickter einem Vorwand sucht, Antonius zu dis-
Mann, geliebt von den Soldaten, aber kreditieren, erregt sich öffentlich über
auch bekannt für seine unzähligen Affä- die Verschleuderung römischen Besitzes.
ren und Abenteuer. Was könnte für ihn Als Antonius sich dann noch von seiner
reizvoller sein, als von der mächtigsten römischen Frau (einer Schwester Octa-
Frau der Welt verführt zu werden? vians) scheiden lässt und ein Testament
Den Winter verbringt das Liebespaar auftaucht, in dem er wünscht, in Alex-
in Alexandria. Die beiden jagen, sie andria begraben zu werden, ist ganz
zechen, sie vergnügen sich. Dann trennt Rom empört.
die Politik für drei Jahre noch einmal Jetzt fallen Octavians Propagandisten
ihre Wege. über Antonius her: Er benehme sich wie
Antonius trifft neue Vereinbarungen eine Frau, ja wie ein Sklave, massiere
mit dem Rivalen Octavian. Kleopatra der Koni sin die Füße, sei dem Trunk
verfallen und benutze einen goldenen ein Fenster hinein. „Keinen jammer-
Nachttopf. volleren Anblick habe es geben können,
Die Königin habe ihn verhext und zu sagen diejenigen, die dabei gewesen
ihrem willenlosen Werkzeug gemacht: sind. Denn mit Blut bedeckt und mit dem
Kleopatra. die sich wie eine Dirne klei- Tod ringend, wurde er hinaufgezogen,
de, vom übermäßigen Weingenuss nur während er im Schweben die Arme nach
noch verwaschen spreche und mit so ihr ausstreckte"', schreibt Plutarch.
vielen Sklaven schlafe, dass sie schon Kleopatra, so der Chronist, zerriss
ganz abgenutzt sei. ..ihre Kleider, zerschlug und zerkratzte
Sie ist Octavians eigentliche Gegne- ihre Brust mit ihren Händen, besudelte
rin: Eine Fremde - noch dazu eine ihr Gesicht mit seinem Blut, nannte ihn
Frau - fordert Rom heraus! Ihr erklärt ihren Herrn, ihren Gatten, ihren Impera-
er in einem feierlichen Ritus den Krieg, Weit über Ägypten hinaussind tor und hatte im Jammer um sein Leiden
nicht etwa dem Mitrömer Antonius. Und Münzen mit dem Porträt Kleopatras fast ihr eigenes vergessen.*'
es ist dieses Bild von Kleopatra. das die verbreitet. Auch Marcus Antonius Antonius stirbt in ihren Armen.
Jahrtausende überdauern wird. lässt das Antlitz der Pharaonin auf Octavian muss nun fürchten, dass die
Dabei ist sie vor allem eine kluge und Geldstücke prägen - ein Zeichen für Königin das Grabmal mitsamt ihren
berechnende Frau, die ihre Ziele stets den großen Einfluss der Königin Schätzen, sich selbst und der Leiche
dem Möglichen angleicht. An der Seite ihres Geliebten in Brand stecken wird.
Caesars darf sie für kurze Zeit von einer Zum Schein lässt er einen Unterhänd-
neuen, mächtigen Dynastie träumen - ler an der verrammelten Tür mit Kleo-
nach seiner Ermordung ist es damit vor- Kapitol Recht zu sprechen, sind sogar patra sprechen, während ein anderer
bei. Also konzentriert sie sich erneut auf Antonius* engste Vertraute schockiert. Soldat oben durch das Fenster steigt und
Ägypten. In Antonius erkennt sie dann Das Kapitol aber wird die Königin die Frauen überwältigt.
den nächsten Mann, der ihr dabei helfen niemals wiedersehen. Octavians Flotte Endlich ist sie Octavians Gefangene.
kann, wenigstens die Grenzen des alten zerschmettert bei der Seeschlacht von In Rom fallen nach der Nachricht vom
Ptolemäerreichs wiederherzustellen. Actium ihre Träume. Sieg die Zinssätze von zwölf auf vier
Und als jetzt der Krieg um Rom Kleopatra hat alles verloren. Prozent, so groß ist die Vorfreude auf
ausbricht, eröffnet sich ihr eine Vision, Ägyptens sagenhaften Reichtum.

A
die alles Vorstellbare übersteigt: Wenn lexandria. 1. August 30 v. Als Kleopatra einige Tage später
Antonius triumphiert, erst über Octa- Chr. Zur lang erwarteten, vor Octavian geführt wird, steht er vor
vian, dann noch über die Parther. wird lang gefürchteten End- einer gebrochenen Frau: Verhärmt und
er mit ihr an seiner Seite zum Mächtigs- schlacht um die ägyptische mit wirrem Haar wirft sie sich im
ten der Welt. Metropole kommt es nicht: bloßen Unterkleid zu seinen Füßen, die
Und Kleopatras Kinder würden herr- Antonius, der von allen Verlassene, muss Augen verweint. Brust und Gesicht zer-
schen über ein Reich, gewaltiger als das am Ufer beobachten, wie seine Schiffe kratzt und vereitert von der Trauer um
Alexanders des Großen, von Gibraltar im Angesicht des Gegners die Ruder in Antonius.
bis zum Indischen Ozean. die Höhe heben und ihre Kapitulation Ein letztes Mal sucht sie zu verhan-
Tatsächlich zeigt sich in ihrer Hal- anzeigen, wenig später läuft auch die deln, fleht um den Fortbestand der ptole-
tung jetzt deutlich Hybris. Im Heeres- Reiterei zu Octavian über. mäischen Dynastie - für ihre Kinder.
lager des Antonius wird sie respektiert Fast ohne Widerstand marschiert der Als sie aber erfährt, dass Octavian
und nimmt auch an den strategischen Eroberer in der Stadt ein. sie im Triumphzug durch Rom führen
Besprechungen teil, da sie keinem ..der Kleopatra hat sich da schon zu ihren will, steht ihr Entschluss fest. Es ist Zeit,
verbündeten Könige an Einsicht und Schätzen im Grabmal geflüchtet, beglei- zu sterben.
Klugheit nachstehe", wie ein Truppen- tet von zwei Dienerinnen. Als Antonius So wie sie sich einst in einem Wäsche-
führer anerkennen muss. die Falschmeldung erhält, sie habe sack an den Wachen vorbei zu Caesar
Aber ihr hochfahrendes Betragen und Selbstmord begangen, stürzt er sich in tragen ließ, so schmuggelt jetzt ein Hel-
ihre Beleidigungen verprellen zuneh- sein Schwert. fer die todbringende Kobra in einem
mend die Anhänger des Römers. Immer Schwer verletzt bringt man ihn zu ih- Korb mit Feigen hinein zur Königin.
mehr laufen über zu Octavian. Als sie rem Mausoleion und zieht ihn, weil alle Noch einmal macht sich Kleopatra schön,
schließlich damit prahlt, bald auf dem Türen verriegelt sind, an Seilen durch badet, legt den königlichen Schmuck an.
Nur ihre zwei Dienerinnen sind bei ihr. sie noch einen Sohn geboren) werden heruntergewirtschaftete Land ein letztes
als sie den Korb öffnet. nach Rom geschickt. Später verliert sich Mal zu alter Größe und zur Weltgeltung.
Etwa zur gleichen Zeit erhält Octa- die Spur der letzten Ptolemäer. Solange sie lebte, konnte Ägypten die
vian Kleopatras Abschiedsbrief. Sofort Der Sieger aber, der sich schon bald Unabhängigkeit wahren. Doch sie wollte
schickt er seine Männer los. Doch als die Augustus nennen wird, finanziert seinen mehr, einen Teil der römischen Herr-
in ihre Räume vordringen, liegt die Kö- Aufstieg zum römischen Kaiser auch mit schaft, und dabei ging sie unter.
nigin schon reglos auf ihrem goldenen Kleopatras Schatz - und macht Ägypten Die römische Kultur und Politik blie-
Bett, eine Zofe sterbend zu den Füßen. zur ihm persönlich unterstellten Provinz. ben ihr fremd. Sie verstieß gegen Kon-
Die andere rückt taumelnd noch das Dia- Roms Expansionsdrang setzt einem ventionen, brüskierte die Römer - schon
dem auf Kleopatras Kopf zurecht. ganzen Zeitalter ein Ende: Der erste Ter- indem sie sich ihre Männer selbst
Ägyptens letzte Pharaonin ist tot. ritorialstaat der Menschheitsgeschichte, aussuchte. Sie behandelte Senatoren.
Octavian lässt sie ehrenvoll bestatten. den etwa 3400 Jahre zuvor ein mächti- Schriftsteller, Redner wie Dienstboten,
Kaisar. als Caesars Sohn äußerst gefähr- ger König aus Hierakonpolis im Krieg von ihrer göttlichen Warte herab, statt
lich, wird ermordet, die drei Kinder von mit seinen Nachbarn geschmiedet hat. ist sie mit ihrem Charme und Intellekt zu
Kleopatra und Antonius (36 v. Chr. hat zur Kornkammer Roms herabgesunken. Verbündeten zu machen, um mit ihrer
Nicht mehr von göttergleichen Königen Hilfe die Bürger (gegen deren Willen in
Literatur: Wolfgang Schuller, „Kleopatra - wird das einst glanzvolle Reich gelenkt, Rom niemand regieren konnte) für sich
Königin in drei Kulturen ". Rowohlt: begnügt
sich nicht mit dem Blick der römischen sondern von fremden Staatsbeamten. zu gewinnen. Doch sie duldete neben
Geschichtsschreibung auf Kleopatra. sondern sich nur die mächtigsten Männer.
beschäftigt sich auch mit ihrer kulturellen
Kleopatra war eine der bedeutends-
Herkunft als Griechin und vor allem mit ihrer ten unter den hellenischen Pharaonen, Darin lag ihr Fehler. •
Rolle als ägyptischer Königin. Joyce Tyldesley,
..Cleopatra: Last Queen ofEgypt". Profile vielleicht die gefürchtetste - und nach
Books; soeben erschienene Biografie, Alexander dem Großen die berühmteste. Der Journalist Johannes Strempel. 36, lebt in Berlin
die auch zahllose Mythen und Legenden und ist seit der Lektüre von ..Asterix und Kleopatra"
um die Königin hinterfragt. Sie führte das von ihren Vorgängern ein großer Fan der Herrscherin.
DATEN UND FAKTEN

GLOSSAR
DIE GESCHICHTE
Amduat DES P H A R A O N E N R E I C H S
Altägyptisch = „Das, was in
der Unterwelt ist". Jenseits- VORGESCHICHTE UND auch Tauschobjekte für
führer, der in Text und Bild ARCHAISCHE ZEIT den Handel bis nach Vorder-
die Fahrt des Sonnengottes (KTWA 2 5 0 0 0 - 2 7 0 7 v. CHR.) asien. Ein weiteres charak-
durch die zwölf Stunden teristisches Merkmal der
Die ersten Pharaonen, Herr-
der Nacht beschreibt. Kultur ist ihr Bestattungs-
scher Oberägyptens, erobern
ritus: Die Toten werden
auch das Delta und vereinen
Ba (siehe Ka) in zusammengekauerter
so das ganze Land
Lage beerdigt, auf derSeite
Barkensanktuar Eine lang anhaltende Tro- liegend, in flachen Gruben
R a u m eines ägyptischen ckenheit zwischen 25000 und ohne Grabbeigaben.
Tempels - oft neben dem und 10000 v.Chr. zwingt Die Angehörigen der
AUerheiligsten (siehe Sank- Gruppen von Jägern und ebenfalls unterägyptischen,
tuar) -. in dem die tragbare Sammlern, die in den Gras- im 4. Jahrtausend v. Chr.
Kultbarke eines Gottes, mit- savannen der Sahara leben, einsetzenden Maadi-Kultur
unter auch eines Königs an den Nil. Diese wohl produzieren bereits Angel-
aufbewahrt wird. ..ersten Ägypter" nutzen haken, Nadeln und ein-
verschiedene Arten von fache Metallwerkzeuge
Gau Steinwerkzeug, etwa aus Kupfer.
Bezeichnung für die rund Flintmesser, dazu auch Bildende Kunst und Hand-
40 Verwaltungsdistrikte, in Speere und Pfeile. werk erreichen mit der
die Ägypten spätestens seit Ende des 11. Jahrtau- oberägyptischen Naqada-
der 3. Dynastie eingeteilt sends v. Chr. wird das Klima Kulturlabetwa 4300 v.Chr.)
ist. Höchster Beamter wieder feuchter, und so durch Spezialisierung und
in jedem Distrikt Ist der . entstehen in der Sahara Das Niltal verläuft mitten Arbeitsteilung einen Höhe-
Gauvorsteher. erneut Lebensräume. Dort- in der lebensfeindlichen Wüste. punkt. Fachleute schaffen
hin ziehen die nomadischen Jährliche Überschwemmun- filigrane Knochen- und
Hieroglyphen Hirten a u s dem Niltal seit gen düngen die Uferzone Elfenbeinschnitzereien.
Griech. = „heilige Zeichen". etwa dem 8. vorchristlichen Sie bearbeiten Hartgestein
Um 3300 v. Chr. entwickeln Jahrtausend. des Nil - bei dem der Strom für Schminkpaletten und
Ägypter die ersten Elemente Doch im späten 6. Jahr- die Ufer mit nährstoffrei- Köpfe von Zeremonial-
ihres Schriftsystems, das tausend v. Chr. bleiben die chem Schlamm überspült - keulen, fertigen aber
eine Kombination aus Bild- Regenfälle W i e d e r a u s . Die für den Getreideanbau auch aus Gold und Silber
und Lautschrift darstellt. Besiedlung d e r S a h a r a wird, zu nutzen. Schmuckstücke, die eine
außer in wenigen Oasen, Die Bewohner der „Bei- neue Qualität erreichen.
Hohepriester endgültig aufgegeben. den Länder" Oberägypten Gleiches gilt für die Be-
Bezeichnung für den Leiter Allein in der unmittelbaren (Niltal) und Unterägypten schaffenheit der Keramik-
der Priesterschaft eines Umgebung des Nil kann in (Delta) bilden eine Vielzahl gefäße und Waffen. Durch
Tempels. Der Hohepriester Nordostafrika fortan noch unterschiedlicher Kultur- Verwendung von festerem
steht zugleich der Verwal- in bedeutendem Umfang gemeinschaften, die Archäo- Ton sind die Gefäße, die
tung und den Wirtschafts- Landwirtschaft betrieben logen nach Hauptfundorten in dieser Zeit entstehen,
gütern des Heiligtums vor. werden. Hierher kehren die von typischen Überresten für längere Lagerung von
Menschen zurück, werden (Gerätschaften, Tongefäßen) Lebensmitteln geeignet.
Ka.Ba.Ach sesshaft, halten Haustiere benennen, etwa nach dem Waffen und Keramikgefäße
Drei unsterbliche Aspekte und bestellen Äcker (dieser am Nildelta gelegenen sind bei den Menschen
der menschlichen Persön- kulturelle Umbruch wird Merimde-Benisalame. dieser Kultur, die einen
lichkeit: Der ka ist die als „Neolithische Revolution" Die Menschen der aufwendigen Totenkult
körperloser Doppelgänger genannt). Dabei lernen sie, Merimde-Kultur. die seit praktizieren, auch kostbare
vorgestellte Lebenskraft, die das jährliche Hochwasser etwa Ende des 6. Jahrtau- Grabbeigaben.
sends v. Chr. besteht, stellen
Steingeräte nicht mehr
n u r f ü r d e n Eigenbedarf
her. Ihre Produkte sind
Neben traditionellen Dorf- ALTES REICH HERRSCHERLISTE
gemeinschaften entstehen (2707 21 70 v. C h r . ) Die Chronologie des Pha-
in Oberägypten um diese Das geeinte Reich raonenreichs ist keineswegs
Zeit die ersten Städte, etwa gesichert. Denn weder sind
schmücken die Herrscher mit die überlieferten Königslisten,,
Hierakonpolis (80 Kilometer monumentalen Bauten in denen die Ägypter ihre
südlich des heutigen Luxor). Herrscher und deren Regie-
Dessen Häuptling unterwirft Wohl schon am Anfang rungsjahre verzeichneten,
um 3400 v. Chr. seine N a c h - des Alten Reichs teilen die vollständig, noch stimmen die
Listen in ihrem Inhalt überein.
barn und erhebt sich zum Pharaonen das gesamte G E O E P O C H E folgt weitgehend
ersten Pharao. Verwaltungs- Land in rund 40 Gaue auf; Jürgen von Beckerath, Chrono-
spezialisten am Königshof diese Verwaltungsdistrikte logie des pharaonischen Ägyp-
beaufsichtigen die immer ten, Mainz 1997. allerdings -
werden jeweils von einem
sind neuere Erkenntnisse der
komplexer werdende Wirt- Gauvorsteher geführt, Forschung eingeflossen. So
schaft. Zudem entwickeln den der Monarch einsetzt. ist Djoser nunmehr sicher der
Beamte eine Schrift - z u - Die Bezirke sind gegenüber erste Pharao der 3. Dynastie,
nicht der zweite. Vor allem
nächst zur Bezeichnung dem Herrscher steuer-
Daten von der 1. Dynastie bis
von Gefäßinhalten. pflichtig; Abgaben, vor allem zur Ersten Zwischenzeit kön-
Um 3300v. Chr. beginnt Korn, werden direkt an die nen generell auch 50 Jahre
Residenz des Königs weiter- später angesetzt werden.
ein Pharao Oberägyptens
mit der Eroberung des Nil- geleitet und dort gelagert.
deltas; diese kriegerische Während der Nilschwemme F R Ü H G E S C H I C H T E

Expansion, als Prozess der oder bei nicht ausreichen- 0. Dynastie


Reichseinigung bezeichnet, den Ernten verteilen B e a m - (etwa 3 3 0 0 - 3 0 3 2 v.Chr.!
wird mehrere Jahrhunderte te des Pharao das Getreide S c h o n f r ü h s c h a f f e n die P h a r a o - Circa 20 lokale Herrscherin
an die Bevölkerung der Oberägypten, darunter Pharao
dauern. Den alten Ägyptern n e n eine straffe A d m i n i s t r a t i o n
Skorpion und Narmer
gilt der mythische Menes Provinzen. Zentral geregelt u n d teilen d a s L a n d i n e t w a
als erster König des g e s a m - wird zudem wohl auch die 4 0 V e r w a l t u n g s d i s t r i k t e ein
A R C H A I S C H E ZEIT
ten Landes; der Name des Bewässerung des Acker-
wirklichen Reichseinigers landes. Diese Regulierung einen massiven Kolossal- 1. Dynastie
der Wirtschaft erfordert Aha (Menes) 3032- 3000
ist allerdings unbekannt. bau errichten lässt. Die
Dier .'. 3000- 2952
Königsnekropole der eine hoch entwickelte Pyramide ist Teil eines stei- Wadj 2952- 2939
frühesten Pharaonen ist Bürokratie. nernen Grabkomplexes, Dewen ! :. 2 9 3 9 - 2892

Abydos. Später entsteht in Die straffe Administration der dem König als ewig Adjib . 2892- 2886
Semerchet 2886- 2878
Saqqaraein Elitenfriedhof des Landes, ein gut organi- währende Kultbühne dienen
Qaa 2878- 2853
mit Mastabagräbern (von siertes Wirtschaftssystem, soll. Snofru (2639-2604
Mastaba, arabisch = „Bank"); hohe logistische Fähig- v. Chr.), erster Herrscher 2. Dynastie
dort lassen sich die meis- keiten, aber auch wissen- der 4. Dynastie, erbaut nur Hetepsechemui 2 8 5 3 --2825

wenige Jahrzehnte darauf Nebra:: 2825--2810


ten Könige der 2. Dynastie, schaftliche Fortschritte in
Ninetjer 2810--2767
deren Herrschaftszeit um Mathematik, Astronomie sogar drei Pyramiden, zwei Wenegnebti 2767- -2760
2853v.Chr. beginnt, bestat- und Architektur ermögli- davon in Dahschur. Sechemib 2760- -2749

ten. Residenzen der häufig chen große Bauvorhaben. Sein Nachfolger Cheops Neferkara 2749--2744
Neferkasokar 2744--2736
umherreisenden Herrscher Dazu kommt die Stellung [etwa 2604-2581 v. Chr.] Hudjefa 2736 -2734
sind Hierakonpolis und des Pharao, der als alleini- verlegt die königliche B e - Gegenkönig der dre
Memphis. ger Herrscher nicht nur gräbnisstätte von Dahschur vorigen: Peribsen
über sämtliche Rohstoffe nach Giseh und errichtet Chasechemui 2734 -2707
Der letzte Pharao der
2. Dynastie. Chasechemui und Güter des Landes, s o n - dort die Große Pyramide.
ALTES R E I C H
(2734-2707 v. Chr.), besei- dern auch über die Arbeits- Neben dieserwerden auch
tigt in mehreren blutigen kraft all seiner Untertanen vier Schiffe in aus dem Fels 3. Dynastie
Feldzügen den finalen verfügt. So kann er m o n u - gehauenen Gruben bestat- Djoser 2707 -2687

mentale Steinbauten in tet, in denen der Herrscher Sechemchet 2687 -2680


Widerstand in Unterägypten Chaba"}
und eint damit das Land Auftrag geben. nach seinem Ableben an der Nebka > 2680 -2639
endgültig. Pharao Djoser(2707-2687 Seite des Sonnengottes Huni J
v. Chr.) ist der erste Herr-
scher, der mit der Stufen-
pyramide von Saqqara (süd-
lich des heutigen Kairo)
etwa der Vater an den Sohn Tag und Nacht durchqueren
weitergibt. Er empfängt soll. Obwohl der König das
im Grab die Opfergaben. größte Grabmal der Welt
Der ba wird als Vogel mit erbaut hat, ist über seine
Menschenkopf dargestellt Regierungszeit so gut wie
und ist die frei bewegliche nichts bekannt. Eine kleine
Lebenskraft eines jeden Statuette aus Elfenbein
Individuums oder Toten. Der ist die einzige überlieferte
ach ist der zauberkundige Darstellung des Cheops.
Geist des Verstorbenen. (Einige Forscher sehen auch
in dem Sphinx von Giseh ein
Kartusche (Namensring) Abbild des Pharao.)
Ovale Einfassung des ge- Unter Cheops' Sohn
schriebenen Thron- und Djedefra ( 2 5 8 1 - 2572 v.Chr.)
Geburtsnamens der Pharao- vollzieht sich ein theologi-
nen (siehe Königstitulatur). scher Wandel. D e r S o n n e n -
Die geschlossene Form gott Ra erhebt sich über In Saqqara lässt sich Pharao
symbolisiert den Schutz die übrigen Gottheiten des Djoser um 2700 v. Chr. eine Pyra- Während der langen
der Götter. ägyptischen Pantheon und mide als Grabmal errichten - Regierungszeit von Pharao
nimmt die Rolle als Königs- die erste des Nillandes Pepill. (2279-2219 v. Chr.]
Katarakte gott und Versorger im Jen- verfällt die Zentralmacht
Bezeichnung für die seits ein. Der Titel ..Sohn lassen sie etwa in der Nähe allmählich. Die Verwal-
insgesamt sechs S t r o m - des Ra" betont die göttliche ihrer Grabpyramiden bei tungselite gewinnt immer
schnellengebiete des Abstammung des Herr- Abusir und in Abu Gurab größere Eigenständigkeit
Niltals. Der erste Katarakt schers und wird von nun heilige Bezirke errichten. und erbaut sich prächtige
befindet sich bei Assuan; an fester Bestandteil der Im Zentrum eines solchen Privatgräber. Der Grund-
der sechste nördlich von königlichen Titulatur. Sonnenheiligtums steht - besitz der Tempel wächst
Khartum im Sudan. Pharao Chephren (2572 von Kapellen, einem Altar durch königliche Schenkun-
bis 2546 v. Chr.) lässt in und einem Schlachthof gen. Weil die Heiligtümer
Keilschrift Giseh eine zweite große für das Opfervieh umge- abgabenfrei sind, entgehen
Eine Schrift, die in der Pyramide errichten, sein ben - ein monumentaler, dem Staat erhebliche
zweiten Hälfte des 4. Jahr- Sohn Mykerinos (2539 bis gemauerter Obelisk. Steuereinnahmen.
tausends v. Chr. in Mesopo- 2511 v.Chr.) eine dritte. Gegen Ende der 5. Dynas- Auch die Handelswege
tamien etwa zeitgleich Userkaf (2504-2496 tie wird der Fruchtbarkeits- ins Ausland scheinen
zu den ägyptischen Hiero- v. Chr.), der erste König der gott Osiris in der Vorstellung unterbrochen worden zu
glyphen entwickelt wird. Die 5. Dynastie, entsendet Expe- der Ägypter zum Herrscher sein: So ist Pepi II. der
charakteristische Keilform ditionen nach Süden,über des Totenreichs. Von nun letzte König des Alten
entsteht durch die Abdrücke den ersten Nilkatarakt hin- an identifizieren sie den ver- Reichs, von dem Inschriften
des Schreibgriffels in Tafeln aus, sein Nachfolger Sahura storbenen König mit ihm. im phönizischen Byblos
aus feuchtem Ton. (2496-2483 v. Chr.] wahr- Der Thronfolger nimmt jetzt zeugen. In Nubien (im
scheinlich bis in das s a g e n - die Rolle des Horus (Sohn heutigen Sudan) brechen
Königstitulatur umwobene Land Punt (wohl des Osiris) ein. Der Osiris- Revolten aus.
D i e a u s f ü n f Namen nebst an der Küste Eritreas oder Kult greift immer weiter Die aufwendig und un-
dazugehörenden Titeln Somalias] und auf den Sinai; aus, später wird Abydos, übersichtlich gewordene
bestehende Anrede des in seinem Totentempel wo die Ägypter das Grab Bürokratie, teure Kriegs-
Pharao, von denen nur finden sich zudem Darstel- des Gottes wähnen, zur züge sowie ein neues
Thron- und Geburtsname lungen von Feldzügen nach Pilgerstätte. Selbstbewusstsein der Gau-
in jeweils einer Kartusche Vorderasien und Libyen. Ebenfalls am Ende vorsteher, die durch Ver-
geschrieben werden. Die Die Könige der 5. Dynastie der 5. Dynastie werden erst- erbung ihrer Ämter eigene
Wahl der Namen gibt das entwickeln eine einmalige mals Pyramidentexte in Dynastien schaffen, führen
Regierungsprogramm Architekturform zu Ehren den Grabkammern der schließlich zur Auflösung
des Königs vor. des Sonnengottes Ra. So Könige angebracht. Diese der Zentralregierung.
magischen Texte sollen
dem König einen sicheren
Übergang in das Jenseits
ermöglichen.
4. Dynastie
ERSTE Leistung, nicht mehr
Snofru 2639-2604
Z w i s c h e n z e i t die Anerkennung durch Cheops 2604-2581
( 2 1 7 0 - 2 0 i c v. C h r . ) den Pharao. (regierte vermutlich länger)
Bald konkurrieren zwei Djedefra 2581-2572
Nach dem Zerfall der Zentral- Chephren 2572-2546
Gaufürstentümer um die
macht kämpfen regionale Bicheris 2546-2539
Oberhoheit: Die Herren von Mykerinos 2539-2511
Fürsten um die Vorherrschaft
Herakleopolis im Norden Schepseskaf 2511-2506
und die von Theben ernen- Thamphthis 2506-2504
Selbstbewusste Gauvor-
steher erheben sich zu nen sich jeweils selbst 5. Dynastie
Fürsten. Ägypten zerfällt in zu Königen und beanspru- Userkaf 2504-2496
einzelne Herrentümer; das chen die Alleinherrschaft. Sahura 2496-2483
Delta wird kurzzeitig von Schließlich erringt um 2015 Nefenrkara 2483-2463
Schepseskara 2463-2456
Beduinenstämmen domi- v. Chr. nach langen Kämpfen
Neferefra 2456-2445
niert. Die Versorgung der der Thebaner M e n t u h o - Niuserra 2445-2414
Bevölkerung hängt nun tep II. (2046-1995 v. Chr.) Menkauhor 2414-2405
nicht mehr von der Zentral- aus der 11. Dynastie den Djedkara Asosi 2405-2367
Unas 2367-2347
regierung ab, sondern von Sieg und begründet damit
den einzelnen regionalen das Mittlere Reich. 6. Dynastie
Machthabern. So rühmt Die kriegerischen A u s - Teti 2347-2337
sich etwa Anchtifi von M o - einandersetzungen bringen Userkara 2337-2335
Pepil 2335-2285
alla in seiner Grabinschrift zahlreiche Innovationen in
Nemtiemsafl.
der erfolgreichen Versor- der Militärtechnik hervor: (Merenra) 2285-2279
gung seines eigenen Gau die Entwicklung der Streit- Pepill 2279-2219
wie auch der Distrikte axt sowie die Einführung Nemtiemsaf II 2219-2218
Erst nach einem langen Krieg
Nitokris 2218-2216
seiner Nachbarn. Es zählt ringen die Fürsten von Theben die von Bronzewaffen und einer
nur noch die persönliche Rivalen aus dem Norden nieder stehenden Armee. 7. Dynastie (hat nicht existiert)

8. Dynastie
17 Könige etwa 2216-217Ö
W E L T DER G Ö T T E R
I. Z W I S C H E N Z E I T

D as altägyptische Pantheon bevölkern un-


überschaubar viele Göttinnen und Götter,
die in tierischer oder menschlicher Gestalt
dem die Wesensmerkmale des Sonnen- und
Schöpfergottes Ra hinzugefügt werden - und
der so zum Universalgott Amun-Ra wird.
9./1 O.Dynastie
(in Herakleopolis)
18 Könige etwa 2170-2015
sowie als Mischwesen erscheinen können. Im Laufe der Zeit entstehen neue Gruppen-
Rund 1500 sind heute namentlich bekannt. Konstellationen und verschieben sich die hier- I I . Dynastie (erst in Theben,
archischen Beziehungen unter den Göttern. später in ganzÄgypten)
Die Ägypter ordnen die Gottheiten meist zu
Mentuhotep I.
Gruppen, die mit einem bestimmten Ort ver- In den religiösen Zentren Ägyptens entste-
undlntef 1 2119-2103
bunden sind: So etwa die Triade von Memphis, hen unterschiedliche Vorstellungen von der Intefll 2103-2054
die aus dem Schöpfergott Ptah, der Löwen- Schöpfung der Welt. So berichtet der Mythos Inteflll 2054-2046
göttin Sachmet und ihrem gemeinsamen von Heliopolis, dass der Gott Atum dem Ur-
Sohn Nefertem besteht. wasser entsteigt. Seine durch Selbstbefruch- MITTLERES REICH

Leben und Tod, Fruchtbarkeit und Erotik, tung entstandenen Kinder. Schu (Luft) und
Mentuhotep II 2046-1995
Schutz und Heil gehören zum Wirken vieler Tefnut (Feuchtigkeit), erzeugen das Geschwis- Mentuhotep III 1995-1983
Götter. Umgekehrt können für einen identi- terpaar Geb (Erde) und Nut (Himmel). Aus der Mentuhotep IV. ..- 1983-1976
schen Zweck meist mehrere hö- Verbindung der letzten beiden
12. Dynastie
here Wesen angerufen werden. gehen Seth und Nephthys her-
Amenemhetl 1976-1947
Ferner können Göttinnen oder vor sowie die Eltern des Horus, Sesostris 1 1956-1911
Götter miteinander verschmel- Isis und Osiris. Auf deren Sohn Amenemhet II: 1914-1879
zen, um bestimmte Aspekte hin- berufen sich die Pharaonen: Sesostris II 1882-1872
als lebender Horus. Sesostris III 1872-1853
zuzugewinnen. Das prominen-
Amenemhet III 1853-1806
teste Beispiel ist der Reichsgott Kristina Lahn Dumke, Amenemhet IV. 1807-1798
Amun, der Gott des Lebensodems, Bastian Schmidt Neferusobek 1798-1794

Auch der Pharao ist ein Gott -


wie Ramses II. zwischen Amun
und dessen Gemahlin Mut
Kultbarke M i t t l e r e s R e i c h v. Chr.), unternimmt schon
Tragbares Modellboot, in (20 i c i 794 v. Chr.) zu Lebzeiten seines Vaters
dem Priester bei Prozessio- Feldzuge gegen Beduinen
Politische und wirtschaftliche
nen das Kultbild eines Gottes und erweitert das ägypti-
Stabilität führen zu einer
oder Königs transportieren. sche Staatsterritorium bis
kulturellen Blüte des
Pharaonenreichs zum zweiten Nilkatarakt.
Maat Zur Festigung der südlichen
Begriff für die vollkommene Nach der Reichseinigung Grenze lässt er eine Reihe
Weltordnung, die der Pha- erlebt das Land einen kur- von Bastionen errichten.
rao erhalten muss. Häufig zen wirtschaftlichen und Die Herrschaft über das
als Göttin personifiziert kulturellen Aufschwung. nubische Gebiet sichert vor
dargestellt. Doch unter Mentuhotep IV. allem den Gold- und Stein-
(1983-1976v.Chr.) bre- nachschub.
Mastaba chen erneut Unruhen aus. Sesostris I. legt den
Eine Grabanlage, die aus Schließlich besteigt dessen Grundstein für den großen
einer unterirdischen K a m - Wesir (der oberste Beamte Amun-Tempel von Karnak,
mer und einem darüber- des Pharao] als Amenem- errichtet seine Pyramide in
liegenden kastenförmigen het I. (1976-1947 v. Chr.) den Lischt und lässt zahlreiche
Gebäude besteht. Das Thron. Die Folgezeit ist von weitere Bauten in Ägypten,
M o n u m e n t s o l l dem Verstor- einer Rückbesinnung auf Nubien und Vorderasien
benen als Haus dienen. das Alte Reich geprägt und schaffen. Unter seiner Herr-
von der geistigen Ausein- schaft werden zum ersten
Millionenjahrhaus andersetzung mit der vor- Mal die Osiris-Mysterien
Bezeichnet vor allem die im angegangenen Epoche. Nach Feldzügen in die Levante in Abydos gefeiert, eine
„Neuen Reich" errichteten Insbesondere in litera- und nach Nubien wird Ägypten theatralische Inszenierung
Tempelanlagen für den rischen Werken reagieren wieder zu einer Großmacht in um das Sterben und die
Königs- und Götterkult. Sie die Ägypter auf die chao- Nordostafrika und Vorderasien Auferstehung des bedeu-
sollen dem Pharao ewiges tischen Zustände der tenden Totengottes.
Leben und Millionen Jahre Zwischenzeit. In den nun Er m u s s die Rechtmäßig- Amenemhet II. (1914 bis
der Herrschaft garantieren. verstärkt aufkommenden keit seiner Herrschaft 1879 v. Chr.), Koregent
Lehrtexten warnen die Ver- unter anderem auch durch und Nachfolger Sesostris' I.,
Obelisk fasser vor dem erneuten Fürsorge gegenüber den führt dessen expansive
Frei stehender, schmaler Versagen der gesellschaft- Untertanen beweisen. Außenpolitik weiter. Zu
Steinpfeiler mit pyramiden- lichen Ordnung, appellieren Wahrscheinlich nach vielen mesopotamischen,
förmiger Spitze; ein Symbol an das menschliche Mit- einem missglückten Atten- syrischen, ägäischen
des Sonnengottes. gefühl, prangern das Fehlen tat ernennt Amenemhet I. und anatolischen Städten
von Macht und Autorität seinen Sohn zum Mitregen- unterhält er enge Handels-
Opet-Fest an. Sie wenden sich ebenso ten; damit will der Monarch beziehungen. Weiterhin
Eines der wichtigsten Göt- an all jene Zweifler, die Thronwirren nach seinem schickt er Expeditionen
terfeste; es wird zu Ehren den Sinn kultischer Dienste Tod ausschließen. Eine nach Punt und Nubien.
des Reichsgottes A m u n infrage gestellt und den allmähliche Stabilisierung Sesostris II. (1882-1872
während der Überschwem- Glauben an die Allmacht des Landes ermöglicht v. Chr.) lässt die Oasen-
mungsjahreszeit in Theben der Götter verloren haben. ihm, sich ein Grabmal in senke Fajjum für die Land-
gefeiert und dauert bis zu Die Erfahrungen der Form einer Pyramide in wirtschaft urbar machen.
27 Tage. Im Zentrum steht Zwischenzeit wirken sich Lischt errichten zu lassen. An deren östlicher Grenze
die Prozession der Kultbarke auch auf das Verhältnis Diese ist nicht mehr m a s - lässt er eine Pyramide
des A m u n von Karnak in des Königs zu seinen B e a m - siv gebaut: Ein Kalkstein- aus Lehmziegeln errichten.
den Tempel von Luxor. ten und dem ägyptischen gerüst, gefüllt mit Ziegeln, Zum Grabbezirk gehört
Volk aus. Der Pharao ist nun Schutt und Sand, umgibt auch ein Archiv. Die von
Pylon nicht mehr allein durch nun das Gang- und K a m - dort stammenden Papyri,
Monumentaler Torbau eines seine Abstammung unan- mersystem. Seine N a c h - Listen von hergestellten
Tempels. Der Durchgang gefochtener Monarch. folger errichten ähnliche Statuen oder Lieferscheine,
Grabmonumente.
Der Sohn, Mitregent und
Nachfolger des Pharao,
Sesostris 1.(1956-1911
' 2. Z W I S C H E N Z E I T
berichten über Details ZWEITE
der Verwaltung und Wirt- ZWISCHENZEIT 13. Dynastie
schaft dieser Epoche. ) etwa 50 Könige 1794-1648
t!.Z.?..t~if..^.l.?."!V..' .
Die Händler des Königs
Als die Zentralregierung 14. Dynastie (im Ostdelta)
unterhalten intensive öko-
abermals zerfällt, okkupie- Kleinkönige etwa 1700-1648
nomische Beziehungen
ren ausländische Könige
nach Vorderasien. 15. Dynastie (»Hyksos«)
den Thron
Sesostris III. (1872-1853 Salitis 1648-1633
Beon 1633-1619
v. Chr.] beschneidet die Die im Nildelta ansässigen
Apachnas 1619-1610
Macht der Gaufürsten stark. Händler, die seit Jahrhun- Chajan 1610-15.90
Die Söhne dervornehmen derten in mehreren Wellen . Apophis 1590-1549
Familien (also auch die- aus dem vorderasiatischen Chalmudi 1549-1540
jenigen der Gaufürsten) Raum eingewandert sind, 16. Dynastie
erhalten fortan eine A u s - nutzen den Zerfall der Z e n - (Hyksos-Vasallen)
bildung am Hof, um sie zu tralgewalt. Die einfluss- parallelzur 15. Dynastie
loyalen Untergebenen zu reichsten Männer dieser
17. Dynastie (nur in Theben)
erziehen und sie eng an Immigranten übernehmen
etwa 15 Könige 1645-1550
die Königssöhne zu binden. schließlich im Nildelta als darunter: ,
In der Zeit seiner Herr- sogenannte Hyksos (..Herr- Seqenenra Tao ?-1556
schaft blühen Kunst und scher der Fremdländer") Kamose 1556-1550
Literatur. Zudem errich- die Macht und begründen
tet der König im ganzen die 15. Dynastie. NEUES REICH-
Land zahlreiche Bauten, Salitisl 1648-1633 v.Chr.), 18. Dynastie
darunter einen Pyramiden- der erste Pharao dieser Einwanderer aus Vorderasien Ahmösel 1550-1525
bezirk in Dahschur, in Dynastie, lässt die neue übernehmen die Macht im Delta Amenophis 1 1525-1504
dem auch Lastschiffe aus Thutmosis I ., 1504-1492
Hauptstadt Auaris (das heu- und in Mittelägypten, doch die Thutmosis II 1492-1479
Zedernholz beigesetzt tige Teil ed-Dab'a) bauen. Thebaner leisten Widerstand Hatschepsut 1479-1458
sind. Zahlreiche Händler Die Fremdherrscher unter- Thutmosis III 1479-1425
und Handwerkeraus werfen weite Teile des einander. Später jedoch Amenophis II 1428-1397
Vorderasien lassen sich im Thutmosis IV. '...1397-1388
Landes und setzen mehrere erobern die thebanischen
Amenophis III..'. 1388-1351
östlichen Delta nieder. Vasallenkönige (16. Dynas- Pharaonen ein Territorium, Amenophis IV./
Neferusobek (1798-1794 tie) ein. Allein in Oberägyp- das sich von Elephantine Echnaton..' .-..1351-1334
v. Chr.) ist die erste Frau, ten sitzen noch Ägypter im Süden bis Qusae im Semenchkara 1337-1333
Tutanchamun 1333-1323
die die Doppelkrone des auf dem Thron (13. und Norden erstreckt.
Eje 1323-1319
Pharao trägt. Sie stirbt nach 17. Dynastie). Sie herrschen In dieser Epoche über- Haremhab 1319-1292
nur vierjähriger Regierung; nur über den thebani- nehmen die Ägypter von den
schen Raum. 19. Dynastie
fortan wechseln sich Herr- Hyksos Innovationen wie
Ramses 1 1292-1290
s c h e r u n d Dynastien rasch Die in den unterschied- den von Pferden gezogenen
Sethos 1 1290-1279
ab. In den Wirren um die lichen Landesteilen zur Streitwagen, das Sichel- Ramses II 1279-1213
Thronfolge bricht zum gleichen Zeit regierenden schwert, den weit schie- Merenptah 1213-1203
zweiten Mal die Zentral- Dynastien agieren zunächst ßenden Kompositbogen, Amenmesse 1203-1200
Sethos lf. 1200-1194
verwaltung zusammen. \iuaitnahariH friaHlirh n o h o n aber auch neue Götter.
Siptahu.Tauseret 1194-1186
Seqenenra Tao (bis 1556
v. Chr.), der 14. König der 20. Dynastie
17. Dynastie, versucht, die Sethnacht 1186-1183
Ramses III 1183-1152
Hyksos aus dem Land zu
Ramses IV. 1152-1145
drängen. Die endgültige Ramses V. 1145-114Z'
Vertreibung der fremden Ramses VI 1142-1134
Herrscher gelingt erst Ramses VII 1134-1126
Ramses VIII 1126-1125
König Ahmose I. (1550 bis
Ramses IX 1125-1107
1525v. Chr.), dem B e g r ü n - Ramses X 1107-1103
der des Neuen Reichs. Ramses XI 1103-1070
Die Schutzheiligen der theba-
nischen Totenstadt: Amenophis I.
und seine Mutter Ahmes-Nefertari
(Verzierung eines Möbelstücks)
in der Mitte ist meist durch NEUES REICH seite des Nil bei Theben)
große Doppelflügeltüren ( i c c o 1 0 7 0 v. C h r . ) anlegen. Der Ort dient
aus Holz verschlossen. von nun an den meisten
Kriegerkönige wie Thut-
mosis III. führen Ägypten zum Herrschern als Begräb-
Reichsgott nisstätte.
Zenit seiner Macht
Bestimmte Gottheiten, Der Tod der beiden
wie etwa Amun oder der Ahmose I. vereinigt Ober- älteren Kronprinzen ver-
Sonnengott Ra, werden von und Unterägypten und hilft dem Sohn einer
den Pharaonen benutzt, reformiert die Verwaltung. Nebenfrau, Thutmosis II.
um mythologisch ihre Herr- Er vereinfacht die Bürokra- H492-1479v.Chr.),auf
schaft zu legitimieren. Da- tie. Unternubien gewinnt den Thron. Dieser heiratet
mit bekommen sie eine der König nach der Nieder- seine Halbschwester Hat-
staatstragende Bedeutung schlagung eines Aufstands schepsut. Schon vor dem
und stehen hierarchisch zurück und gibt ihm eine frühen Ableben des Pharao
über den anderen Göttern. eigene Administration, die wird der Prinz Thutmosis III.
e r d e m neu eingerichteten (1479-1425 v. Chr.] noch
Sanktuar Amt des Vizekönigs von als Kind zum Nachfolger
Das Allerheiligste eines Kusch unterstellt. Theben bestimmt. Die Regierungs-
Tempels: Der Aufbewah- wird Sitz der gesamtägyp- geschäfte führt dessen
rungsort des königlichen tischen Regierung und Stiefmutter Hatschepsut.
oder göttlichen Kultbildes in das religiöse Zentrum des Obwohl diese als Frau
Form einer Statue ist nur Landes, der Lokalgott kein Anrecht auf den Thron
dem Pharao und ausgewähl- Amun entwickelt sich zum hat, lässt sie sich zwei bis
ten Priestern zugänglich. Reichsgott. Zudem schafft Aus den annektierten Gebieten sieben Jahre später selbst
der König für seine Frau fließen reiche Tribute ins Land. zum Pharao krönen. Die
Sed-Fest Ahmes-Nefertari ein neues Davon lassen die Pharaonen in die Dekoration ihres
Königsfest, bei dem Macht Amt: dasder..Gottesgemah- gewaltige Tempel errichten Königstempels integrierte
und Kraft des Pharao rituell lin des A m u n " ; nur Söhne Geburtslegende berichtet,
erneuert werden, um eine der Inhaberin dieses Amtes Zaubersprüche und magi- dass Hatschepsut von A m u n
Fortdauer seiner Regierung sollen von nun an den Thron selbst abstamme, und
sche Texte.
zu bewirken. besteigen dürfen. dient der nachträglichen
Thutmosis 1.(1504-1492
Sein Sohn und Nachfolger v. Chr.) wird nach dem Tod Legitimation ihrerwider-
Seevölker Amenophis 1.(1525-1504 Amenophis' I. zum Pharao rechtlich angeeigneten
Vielzahl seefahrender v. Chr.) erweitert die the- gekrönt. Da er kein Sohn Herrschaft. Thutmosis III.
Völker aus dem Mittelmeer- banischen Tempel und seines Vorgängers ist, bleibt ihr Mitregent.
raum, die etwa ab Ende der festigt die Herrschaft in legitimiert er seinen Herr- Neben dem gigantischen
19. Dynastie mehrfach Ägyp- Unternubien. schaftsanspruch über die terrassenförmigen Königs-
tens Küsten heimsuchen. Im wiedervereinten Vermählung mit dessen tempel in Deirel-Bahari
Land werden die überviele Tochter. Innenpolitisch ver- gibt Hatschepsut zahlreiche
Skarabäus Jahrhunderte a n g e s a m - folgt er eine ähnliche Linie Restaurierungsarbeiten
Der Pillendreherkäfer melten Kenntnisse in Archi- wie Amenophis I. Nach für beschädigte Tempel in
Scarabaeus sacer gilt als tektur, Wissenschaft und außen hingegen betreibt Auftrag. Militärisch sorgt
Erscheinungsform des Kunst niedergeschrieben er eine neuartige Politik: sie für die Aufrüstung des
jugendlichen Sonnengottes und somit für die folgen- Seine reformierte Armee, stehenden Heeres und führt
und somit als heiliges Tier.. den Generationen bewahrt. die den Streitwagen und einige Feldzüge nach Vor-
Amulette in Gestalt des S k a - Die Ägypter entwickeln effektivere Waffen einsetzt, derasien und Nubien. Sie
rabäus sind Schmuck und aberauch neue Literatur- dringt bis über den vierten entsendet eine Expedition
magischer Schutz zugleich. gattungen, darunter die Nilkatarakt im Süden und in das Land Punt; von dort
Jenseitsbücher, späte an den Euphrat im Norden werden zahlreiche Luxus-
Sphinx Nachfolger der Pyramiden- vor. Bei Memphis gründet güter wie Weihrauch, Eben-
Mischwesen mit dem Körper texte des Alten Reichs, der König eine Militärbasis holz, Elfenbein, Gold und
eines Löwen und dem Kopf dazu Prosa, Liebeslyrik, als Ausgangslager für wei- wilde Tiere in das Nilland
tere Vorstöße nach Vorder-
asien. Als erster Herrscher
lässt er sein Grab im „Tal
der Könige" (auf der West-
3. Z W I S C H E N Z E I T
gebracht. Nach etwa 22 Re- bedrängt. Daher schließt der in der Verwaltung eine
gierungsjahren stirbt die der König von Mitanni einen herausragende Rolle ein- 21. Dynastie (in Tanis)
Pharaonin und wird im Tal Friedensvertrag mit den nimmt. Er erhält einen eige- Smendes 1070-1044
der Könige beigesetzt. Ihr Ägyptern. Die intensiven nen Tempel und wird bis in Amenemnesut 1044-1040
anfangs gemeinsam mit
langjähriger Mitregent Kontakte fördern die Inte- die ptolemäische Zeit als
Psusennes 1 1044-994
Thutmosis III. wird zum gration vorderasiatischer Weiser und Gott verehrt. Amenemope 996-985
Alleinherrscher. Gottheiten in das ägypti- Nach dem Tod des Herr- Osochor : 985-979-
Die unter Thutmosis I. sche Pantheon. schers gelangt dessen Sohn Siamun 979-960
Psusennes II 960-946
begonnene Expansions- Amenophis III. (1388 bis Amenophis IV. (1351-1334
politik erreicht unter Thut- 1351 v.Chr.] heiratet die v. Chr.) auf den Thron, der 22. Dynastie
mosis III. ihre Hochphase; ..Bürgerliche" Teje aus dem sich zu Ehren seines Gottes (in Tanis und Bubastis)
oberägyptischen Achmim; Aton in Echnaton umbe- Scheschonq 1 946,-925
Ägypten steigt zur Welt-
Osorkon I. 925-890
macht auf. Megiddo im eine Frau, die politisch nennt - ein beispielloser Takelot 1 890-877
nördlichen Palästina ergibt starken Einfluss nimmt. Vorgang in der ägyptischen Scheschonq II 877-875
sich nach einer mehrmo- Die diplomatischen Bezie- Geschichte. Wenige Jahre Osorkon II 875-837
nach der Krönung gründet Scheschonq III 837-798
natigen Belagerung. Dort hungen des Landes festigt
Scheschonq lila 798-785
hatten sich die Heere der neue König eine Pamai etwa 785-774
einer Gegenallianz Residenz in der Wüste Scheschonq V 774-736
von syrischen und Mittelägyptens: Ache-
22. Dynastie (in Oberägypten)
palästinischen Fürs- taton, „Horizont des
Harsiese 870-850
ten versammelt. Aton" (das heutige Takelot II 841-816
In seinem Lebens- Tellel-Amarna). Die Petubastis I ^ 830-805
Metropole mit Paläs- luput 1 816-800
bericht erzählt der
ten, Werkstätten und Scheschonq IV. 800-790
Herrschervon etli- Osorkon III 790-762
chen Feldzügen in Häusern f ü r Z e h n - Takelot III 767-755
den vorderasiatischen tausende Bewohner Rudamun etwa 755-735
entsteht innerhalb Ini etwa 735-730
Raum. In den erober-
ten Gebieten wird eine weniger Jahre. Sitze 23. Dynastie (nur im Delta)
Reihe von militäri- der Verwaltung blei- Petubastis II.
schen Stützpunkten einge- Die Arbeiter im »Tal der Könige« ben dennoch Memphis (in Bubastis/Tanis)'.756-732/30
und Theben. luput II.
richtet und so der Einfluss verzieren auch ihre eigenen
(in Leontopolis) 756-725
des Reiches von Mitanni Gräber mit bunten Wandmale- Vor allem für die Religion Osorkon IV. : 732-722
am oberen Euphrat in dieser reien [Theben, 19. Dynastie) sowie in Kunst und Archi-
Region zurückgedrängt. tektur bedeutet die Herr- 24. Dynastie (in Sais)
Tefnacht etwa 740-719
Kriegsbeute und Tribute er mit einer aktiven Heirats- schaft Echnatons einen
Bokchoris ..719-714
füllen die Schatzhäuser. politik: So geht er Ehen mit weitgehenden Bruch mit der
Das ägyptische Territorium mehreren ausländischen Vergangenheit: Die Tempel 25. Dynastie (Kuschiten)
erstreckt sich jetzt dauer- erhalten eine neue Form; Kaschta ?-746
Prinzessinnen ein. Der lange
Pije etwa 746-715
haft vom Taurus-Gebirge Friede führt zu einer wirt- durch ihre offenen Dächer
Schabaka 715-700
im Nordosten bis zum schaftlichen und künstleri- beleuchten die Strahlen der Schabataka 700-690
vierten Nilkatarakt im schen Blütezeit Ägyptens. Sonnenscheibe, Symbol Taharqa 690-664
Süden. Auch Obernubien Atons, das Innere der Hei- Tanotamun etwa 664-655
Im Auftrag des Königs
ist nun ägyptisch. werden zahlreiche Bauten ligtümer. Den Kult für A m u n
SPÄTZEIT
Unter dem Thronfolger errichtet, darunter ein gro- lässt Echnaton verbieten,
Amenophis II. ( U 2 8 - 1 3 9 7 ßer Palast und ein gigan- die Tempel der anderen 26. Dynastie (Saiten]
v. Chr.] und seinem Sohn tischer Königstempel in Götter schließen. Nofretete. Psammetich 1 664-610
die Gattin des Pharao, Necholl, 610-595
Thutmosis IV. (1397-1388 Theben-West mit Kolossal- Psammetich II 595-589
v. Chr.) werden die Mitanni statuen des Herrschers. nimmt in Politik und offi- Apries 589-570
immer mehrvon dem er- Amenophis III. lässt das ziellen Bildnissen eine Amasis 570-526
starkenden Reich der Hethi- Amun-Heiligtum im heuti- prominente Rolle ein, die Psammetich III... etwa 526-525
ter, dessen Zentrum im gen Luxorerbauen und sich allerdings schon bei 27. Dynastie (Perser)
heutigen Anatolien liegt, sein Grab nordwestlich ihrer Vorgängerin Teje Kambyses 525-522
vom Tal der Könige in den
Fels schlagen.
Baumeister des Königs ist
Amenophis, Sohn des Hapu,
eines anderen Tieres oder abgezeichnet hatte. Ein großen Königstempel in Ägypten profitiert vom
eines Menschen. Oft handelt neuer Kunststil zeigt den Abydos errichten. wachsenden Handel zwi-
es sich dabei um das Abbild androgynen Herrscher, Mit seinem Nachfolger schen den Völkern des Mit-
eines Königs oder Gottes. seine Große Königliche Ramses II. (1279-1213 telmeerraums. Doch von
Gemahlin und deren sechs v. Chr.) beginnt eine neue Norden und Nordwesten
Stationsheiligtum Töchter mit unnatürlich Epoche monumentaler bedrängen Libyer und die
Bezeichnung für einen verzerrten Gliedmaßen. Architektur: Zahlreiche ..Seevölker", ein Verbund
kleinen Kultbau, in dem die Tutanchamun (1333 bis Großbauten entstehen, dar- verschiedener zur See fah-
in einer Barke getragene 1323 v. Chr.) leitet die unter ein Königstempel render Stämme, die Gren-
Kultstatue des Königs oder Rückwendung zu den alten (das heutige Ramesseum) zen des Landes. Um die
Gottes während einer Göttern ein, die Tempel in Theben, sowie die Fels- Fremden abzuhalten, lässt
Festprozession vorüber- werden restauriert, ihre tempel von Abu Simbel und der Pharao eine Reihe von
gehend abgesetzt wird. Priesterschaften wieder weitere Heiligtümer im Siedlungen im westlichen
eingesetzt. Die Residenz ganzen Land. R a m s e s II. Delta befestigen und eilt
Talfest verlegt er nach Memphis. baut Piramesse zu einer auch dem bedrängten
Ein Königs- und Totenfest in Vordringliches Ziel Pha- Hethiterreich zu Hilfe.
Theben, bei dem der Reichs- rao Haremhabs (1319-1292 Merenptah (1213-1203
gott Amun in einer feierli- v. Chr.) ist die Bekämpfung v. Chr.), einer der zahlrei-
chen Prozession zur Toten- von Korruption und Ämter- chen Söhne des Herrschers,
stadt auf der Westseite des missbrauch. Noch zu Leb- die er mit mindestens neun
Nil getragen wird, um die zeiten ernennt der ehema- Frauen gezeugt hat, folgt
Verstorbenen zu besuchen. lige oberste General seinen dem verstorbenen Ramses II.
Heerführer und Wesir Para- auf den Thron. Ersetzt
Thronname messu zum designierten die Verteidigungskämpfe an
Einerderfünf Namen der Thronfolger, der dann als den ägyptischen Grenzen
Königstitulatur. Der Pharao Ramses l.( 1292-1290 v.Chr.) fort. Die Seevölker werden
nimmt den in einer Kartu- den Thron besteigt und eine eine immer größere Bedro-
sche geschriebenen Thron- neue Dynastie begründet: hung, nicht nur für Ägypten,
namen anlässlich seiner die Ramessiden. sondern für alle Küsten-
Krönung an. Ein Bestandteil Der zweite König der gebiete des östlichen Mittel-
dieses N a m e n s ist zumeist 19. Dynastie, Sethos 1.(1290 meerraums. Noch kann
R a - a l s Ausdruck der bis 1279 v.Chr.) gründet Feindliche Völker - etwa Nubier Merenptah die Angreifer
besonderen Beziehung des die spätere Ramsesstadt und Beduinen - stellen die Ägypter zurückschlagen. Einen
Königs zum Sonnengott. Piramesse im Nildelta. oft als Gefangene dar (Kacheln Erfolgsbericht davon lässt
Um verlorene syrische aus dem Palast Ramses' III.) er auf der „Israel-Stele"
Totenbuch Gebiete zurückzuerobern (deren Inschrift das Volk
Moderne Bezeichnung und wichtige Handels- prächtigen Residenz- Israel zum ersten Mal
für eine S a m m l u n g von wege zu sichern, befiehlt stadt aus, die Memphis erwähnt) festhalten. B a u -
Sprüchen und bildlichen er mehrere Feldzüge gegen als Verwaltungszentrum tätigkeiten entfaltet der
Darstellungen zum Leben Vorderasien. Dabei kämp- ablöst. Sein Grab im Pharao vor allem in Theben
im Jenseits (siehe Amduat}. fen die Ägypter mit den Tal der Könige mit mehre- und Memphis.
mächtigen Hethitern. Über- ren reich dekorierten Auch Ramses III. (1183 bis
Totentempel griffe der Libyer wehrt Pfeilerhallen ist eines der 1152 v.Chr.), zweiter König
1. An die Königspyramiden der Pharao ab und führt gewaltigsten. der 20. Dynastie, kann die
des „Alten" und „Mittleren. ein Heer nach Nubien, wo Nach einigen Kriegs- einfallenden Libyer und die
Reichs" angeschlossene er mehrere neue Städte zügen gegen das Hethiter- Seevölker abwehren, deren
Tempelanlagen, in denen gründet. Neben seinem reich, die unentschieden Angriffe den Untergang des
der Opferkult für den prachtvoll dekorierten enden, schließt R a m s e s II. Hethiterreichs beschleunigt
Pharao und das Sed-Fest Grab im Tal der Könige, mit dessen Herrscher haben. Allerdings fallen die
vollzogen wird. Anbauten in Karnak und Hattuschili III. den ersten Feinde in die ägyptischen
2. Ungenaue Bezeichnung weiteren Heiligtümern in schriftlich erhaltenen Frie- Protektorate in Phönizien
für Millionenjahrhaus. Theben lässt er einen densvertrag der Weltge- und Palästina ein; damit
schichte. Kopien davon wer-
den auf Keilschrifttafeln,
Silberplatten und Tempel-
wänden verewigt.
Dareiosl. 522-486
gehen die Tributzahlun- DRITTE
Xerxes 1 486-465
gen aus diesen Vasallen- Z w i s c h e n z e i t Artaxerxes 1 465-424
staaten verloren. (i 0 7 0 - 6 v . Chr.) Xerxes II 424-423
Dareiosll 423-405
In Theben errichtet der
Priester und ausländische Artaxerxes II 405-401
König ein riesiges ..Millio-
Fürsten errichten Teitreiche
nenjahrhaus" (Tempelvon 28. Dynastie (Libyer)
am Nil, von außen bedrängen
Medinet Habu). Die Bauten Amyrtaios ...404-399 •
assyrische Heere das Land
der Pharaonen sowie die 29. Dynastie
immer wiederkehrenden Das Neue Reich endet in Nepheritesl 399-393
Kämpfe gegen einfallende Bürgerkriegen. Danach re- Hakoris 393-380
Völker belasten die ägyp- gieren Könige aus bis zu vier Gegenkönig:
Psamuthis 393-392
tische Wirtschaft schwer. verschiedenen Dynastien
Nepheritesll .'.380
Auch die Oberherrschaft der gleichzeitig in Ägypten. B e -
Ägypter über Nubien endet. reits in der 2 1 . Dynastie ge- 30. Dynastie
Nektanebosl 380-362
Damit versiegt der Gold- langen im Delta aus Libyen
Teos. 364-360
nachschub aus dem Süden. stammende Fürsten an die Nektanebosll 360-342
Gleichzeitig werden große Macht, die mit der 22. Dynas-
31. Dynastie (Perser)
Ländereien mit Arbeits- tie ein eigenes Herrscher-
Artaxerxes III 342-338
kräften einschließlich der haus gründen. D i e Pharao-
Arses 338-336
Erträge an die Tempel über- nen in Unterägypten lassen Dareios III 336-332/30
schrieben. Vor allem das sich von nun an nicht mehr Chababasch 338-336
Amun-Heiligtum in Karnak im Tal der Könige, sondern [ägyptischer Gegenkönig)
profitiert von diesen neuen im Tempelbezirk von Tanis
GRIECHISCH
Einnahmequellen. All dies bestatten, ihrer neuen Zeitweise herrschen vier Dynas-
R Ö M I S C H E ZEIT
führt unter den letzten Hauptstadt. Doch bald bil- tien gleichzeitig. Dann gelingt
Ramessiden zum ökonomi- den sich im Delta mehrere es den Kuschiten als Pharaonen, Griechische Herrscher
schen und politischen Teilreiche. Auch in Ober- das gesamte Reich zu regieren Alexander der Große ... 332-323
Niedergang des Landes. und Mittelägypten lassen 'Philippos Arridaios 323-317
Alexander IV 317-309/06
Die Herrscher können die sich Könige krönen. tionen bewahren. Doch
Arbeiterin ihren Diensten In der 25. Dynastie gebie- können sie den Attacken Ptolemäer
Ptolemaios 1 306-282
nicht mehr regelmäßig be- ten nubische Pharaonen des expandierenden Groß-
(Satrap ab/323)
zahlen. Unter Ramses IX. (Kuschiten) über Gesamt- reichs der A s s y r e r a u s dem Ptolemaios II 282-246
(1125-1107v.Chr.) und ägypten. Unter ihrer Herr- Nordosten auf Dauer nicht Ptolemaios III 246-222
Ramses XI. [1103-1070 schaft erfährt das Land eine standhalten. Die Assyrer Ptolemaios IV 222-204
Ptolemaios V 204-180
v. Chr.) kommt es zu Ver- kurze Blüte: So entstehen vertreiben die letzten k u -
Gegenkönig:
sorgungsengpässen und neue Tempel, da sich die schitischen Herrscherund Harwenenefer 205-200
Arbeiterstreiks. Das Land Kuschiten als Ägypter ver- setzen die ..Deltakönige" Gegenkönig:
leidet unterÄmtermiss- stehen und deren Tradi- als Vasallen e i n . Anchwenenefer 200-186
Ptolemaios VI .180-164
brauch und Korruption.
und 163-145
Zudem werden die Tempel (Rtolemaios VII. hat nicht
immer selbstständiger, die existiert)
Stellung des Königs wird Ptolemaios VIII 164
und 145-116
immer weiter geschwächt. Gegenkönig:
Der Hohepriester und Gene- Harsiese 132-130
ral Herihor übernimmt Ptolemaios IX 116-107
zurZeit R a m s e s ' XI. und und 89-81
Ptolemaios X 107-88
nach dessen Tod die Macht
[Kleopatra) Berenike III. ..81-80
im thebanischen Raum. Ptolemaios XI.- 80
Nominell ist in derdann Ptolemaios XII 80-58
folgenden Theokratie aber und 55-51
(Kleopatra) Berenike IV. ..58-55
der Gott A m u n einziger
Ptolemaios XIII., 51-47
Herrscher Ägyptens. Kleopatra VII.... 51-30
Auch die nubischen Könige er-
weitern die Heiligtümer. So errichtet
Pharao Taharqa gewaltige Säulen
im Tempel von Karnak
D a s M a g a z i n f ü r Geschichte
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- CHR. ) Pharao Amasis (570-526 DER GROSSE U N D
Telex 21 95 20. E-Mail (Redaktion): bricfe@gco.de:
lniemel: www.geo-epoche.cle v. Chr.) heiratet eine Helle- D I E P T O L E M Ä E R
Nach einer kurzen Blüte fällt
HERAUSGEBER
nin aus Kyrene. (332-30 v. CHR.)
Peler-Mallhias Gacdc Ägypten dem Expansions-
CHEFREDAKTEUR 525 v. Chr. siegt der
Michael Sehaper drang der Perser zum Opfer Unter der Ptolemäer-
GESCHÄFTSFÜHRENDER REDAKTEUR: Cay Rademacher
persische Großkönig K a m -
Dynastie ist das Pharaonen-
HEFTKONZEPT: Dr. Anja Herold Mit Hilfe von Söldnern byses II. mit der Unter-
TEXTREDAKTION: Jens-Rainer Berg. Insa Holst. PD Dr. Frank Ollo reich zum letzten Mal eine
BILDREDAKTION: Christian Gargerle. Roman Rahmacher vertreibt Psammetich I. stützung phönizischer und
Freie Mitarbeit: Anja Jockel. Lieva Reunes eigenständige Macht
ART DIRECTION: Taljana Loren/
1664-610v.Chr.] dieAssy- zypriotischer Soldaten in
Freie Mitarbeit: Ben Tepfer
rer. die zur gleichen Zeit in der Schlacht bei Pelusion 332 v. Chr. nimmt der M a -
VERIFIKATION: Urica Brandt. Olaf Mischer. Andreas Scdlmair
Freie Mitarbeit: Alice Gayler. Constanze Holler. Kämpfe mit den Babylo- und erobert Ägypten. Der kedonenkönig Alexander
Sebastian Schulin. Stefan Sedlmair
FACHBERATUNG: Kristina Lahn Dumke niern verwickelt sind. Der unterlegene Pharao P s a m - der Große das persisch
CHEF VOM DIENST TECHNIK: Rainer Droste
Pharao erobert das Land metich III. und viele seiner besetzte Ägypten ein. Das
MITARBEITER DIESER AUSGABE
Freie Mitarbeit: Gunna Bendteldt. Dr. Ralf Berhorsl. vom Delta bis nach Theben Untertanen werden hin- Orakel von Siwa bestätigt
Prof. Dr. Günter Burkard. Gesa Gotischalk. Michael Haase.
Hans-Joachim Löwer. Kai Michel. Ulrike Moser. und sichert es durch zahl- gerichtet, andere werden ihn als Sohn des Gottes
Dr. Julia Nolle. Maria Maddalcna Pillilieri. Waller Salier.
Bastian Schmidt. Johannes Slrempcl. Niels Wiecker
reiche Festungen entlang deportiert. Der Fremdherr- Amun; der Eroberer lässt
ILLUSTRATION: Freie Mitarbeit: Jochen Stuhrmann. Tim Wehrmann
KARTOGRAPHIE: Stefanie Peters. Thomas Wächter der Grenzen. scher lässt sich selbst zum sich in Memphis zum
SCHLUSSREDAKTION: Dirk Krömcr. Ralf Schulte:
Sein Nachfolger Pharao (525-522 v.Chr.] Pharao krönen und g r ü n -
Assistenz: Hannclore Koehl
HONORARE: Petra Schmidt Necho II. (610-595 v.Chr.] krönen und unterstellt det Alexandria, das rasch
REDAKTIONSASSISTENZ: Ursula Arens
rüstet nicht nur eine große das Nilland als Satrapie zu einer bedeutenden
BILDADMINISTRATION UND -TECHNIK: Stefan Brunn
GEO-BILDARCHIV: Bettina Behrens. Gudrun l.üdemann. Peter Müller Kriegsflotte aus. sondern seinem Großreich. Metropole heranwächst.
REDAKTIONSBÜRO NEW YORK: Nadja Masri (Leitung). lässt auch einen Kanal Der aus einer libyschen Als Alexander 323 v. Chr.
Tina Ahrens. Christof Kalt (Rcdaktionsassisienz). 535 Fift Avenue.
29ih floor. New York. N.Y. 10017. Tel. 001-646-884-7120.
graben, der einen Nilarm Familie stammende Amyr- stirbt, entbrennt ein
Fax 001-646-884-7111. E-Mail: gcolggeo-ny.com
Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: Michael Schaper des östlichen Deltas mit taios (404-399 v.Chr.], Streit unter dessen Feld-
VERLAGSLEITUNG: Dr. Gerd Brüne. Ove SalTc
ANZEIGENLEITUNG: U r s Niemann dem Roten Meer verbinden einziger Herrscher der herren (den Diadochen)
VERTRIEBSLEITUNG: Ulrike Klemmer/DPV Deutseher Pressevertrieb
MARKETING: Julia Duden (Ltg.). Anja Stalp und damit eine schiffbare 28. Dynastie, nutzt innen- um sein riesiges Reich.
politische Schwierigkeiten Den ägyptischen Thron
HERSTELLUNG: Oliver Fehling
ANZEIGENABTEILUNG Anzeigenverkauf: Ule Wangermann.
Route zum Mittelmeer
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schaffen soll. (Doch wird des Perserreiches nach übernimmt schließlich
An/eiüendisposition: Marco Schütze.
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die Wasserstraße erst rund dem Tod des Großkönigs Ptolemaios I.Soter
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Heftpreis: 8.50 Euro ein Jahrhundert später Dareios II. (423-405 v.Chr.), (306-282 v.Chr.)
ISBN: 978-3-570-19783-7: 978-3-570-19849-0 (Heft mit D V D )
© 2008 Gruner + Jahr. Hamburg. fertiggestellt.] Für kurze vertreibt die Besatzer aus Das Land ist wieder
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Konto 0322800. B L Z 200 700 00 • ISSN-Nr. 1861 -6097 Zeit kann er einige phönizi- Ägypten und übernimmt unabhängig, wenn auch
Druck: Prinovis Itzehoe GmbH & Co KG
Pnnted in Gcrmany sche Städte erobern und selbst die Macht. In den unter einem makedoni-
an sein Reich angliedern, folgenden sechs Jahrzehn- schen Herrscher. Alexan-
FRAGEN AN DIE REDAKTION
bis diese an Babylon fallen. ten kämpfen weitere ein- derwird von nun an als
Telefon; 040/37 03 20 73. Telefax: 040/37 03 56 48
E-Mail: briefeiageo.de Gegen Ende der 26. Dy- heimische Pharaonen Reichsgott verehrt und
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nastie intensivieren sich gegen die immer wieder erhält einen eigenen
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Ptolemaios I. ist es auch,
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52 v. Chr. bestimmt der Titel: Sandro Vannini
Herrscher seine Tochter Editorial: Bettina Matthiessen: u.; Hieroglyphen-
programm: Glyph forWindows (www.ccer.ul)
Kleopatra VII. Philopator Inhalt: Herve Champollion/akg-images: 4 o.; Tim
Wehrmann für GEOEPOCHE: 4 l. u.; Kenneth Gar-
(51-30 v.Chr.) zur Mitre- rett/National Geographie Image Collection: 4 r. u.;
gentin. Nach dem Tod des Jochen Stuhrmann für GEOEPOCHE: 5 o. Sandro ;

Vannini: 51. m.; Jürgen Liepe/Ägyptisches Museum


Vaters soll sie mit ihrem und Papyrussammlung. SMB/bpk: 5 r. m.; Erich
Bruder Ptolemaios XIII. Lessing/akg-images: 5 u.

(51-47 v. Chr.) gemein- Wenn die Götter schlafen: imagebroker/mauritius


images: 6/7; Herve Champollion/akg-images: 8/9;
s a m herrschen. Doch im Kenneth Garrett/National Geographie Image Col-
lection: 10/11; Woodystock/Alamy:12/13; Wolfgang
Machtkampf zwischen Kaehler: U/15, 18/19; 0. Louis Mazzatenta/Natio-
der ehrgeizigen Königin nal Geographie Image Collection: 16/17; James
Burke/Time Life Pictures/Getty Images: 20/21
und den Beratern ihres
Das erste Reich der Geschichte: Werner Forman/
minderjährigen Bruders akg-images: 23, 24
unterliegt Kleopatra Der Gigant von Giseh: Tim Wehrmann für GEOfPO-
CHE: 28/29. 32/33, 34. 36/37, 39, 40/41, 42; Archeo-
Die aufstrebende Macht Rom zunächst und m u s s photo, Genf: 31
ägyptischen Gottheiten greift immer weiter nach Osten fliehen. Großmacht am Nil: Araldo de Luca: 44
Es lebe der Schreiber!: Franck Raux/RMN/bpk:
Osiris, Apis und dem aus - und unterwirft schließlich Mit Hilfe des römischen 47; Sandro Vannini: 48 121; Werner Forman/akg-
griechischen Göttervater das uralte Reich am Nil Feldherrn Julius Caesar, images:49
der 48 v. Chr. mit einem Der Herr der Beiden Länder: Erich Lessing/akg-
Zeus, errichten lässt. images: 50
Ptolemaios II. Phila- erheben sich in Oberägyp- Heer in Ägypten gelandet Thutmosis III: Gianni Dagli Orti/Corbis: 53; Araldo
delphos [282-246 v.Chr.) ten unter Führung eines ist, gelangt sie schließ- de Luca: 54-59; Sammlung Rauch/Interfoto: 60
Ein König wird Gott: Sandro Vannini: 64-71, 74, 75;
behauptet sich in zahlrei- Gegenkönigs unzufriedene lich wieder auf den Thron. Kenneth Garrett/National Geographie Image Col-
chen Kriegen. Er gründet Ägypter. Erst seinem Sohn Ihr Bruder fällt 47 v.Chr. lection: 72; Araldo de Luca: 73
Besuch vom Herrn des Himmels: Jochen Stuhr-
Häfen und Stützpunkte Ptolemaios V. Epiphanes in einer Schlacht gegen
mann für GEOEPOCHE: 78-94
an der Küste des Roten (204-180 v. Chr.) gelingt es Caesar. Römische Truppen Der verlorene Tempel: R. Schmid/Bildagentur Hu-
186v. Chr., den Aufstand bleiben am Nil stationiert. ber: 96/97; Sandro Vannini: 98,1001.. 101 [21.102 r. o.,
Meeres und viele Städte 104, 106; Jochen Stuhrmann unter Verwendung
in Syrien und Kleinasien. niederzuschlagen. Dessen Nach dem Tod Caesars einer Vorlage von Nairy Hampikian und eines Fotos
des Memnon/Amenhotep III Project: 99 o.; Mem-
Die ägyptischen Handels- Mutter, die für den bei 44 v. Chr. fällt der Ostteil non/Amenhotep III Project: 99 u., 103. 105 L, 109;
beziehungen reichen in Amtsantritt erst sechsjäh-
des Römischen Reiches Anja Herold: 100 r„ 1021. o., 102 u., 105 r.
Im Dienst des Sonnenlichtes: Jürgen Liepe/Ägyp-
dieser Zeit bis nach Indien. rigen Pharao die Regent- an Marcus Antonius, tisches Museum und Papyrussammlung, SMB/
schaft übernehmen soll, der sich im Bürgerkrieg bpk: 111,112 r.; Ägyptisches Museum und Papyrus-
Sein Sohn und N a c h - sammlung, SMB: 1121.; Christa Begall/Ägyptisches
folger Ptolemaios III. Eu- wird von Hofbeamten gegen Octavian (den Museum und Papyrussammlung, SMB/bpk: 112 m,;
ermordet, die sich als Vor-
späteren Augustus] mit BEBA/AISA/Interfoto: 113; Erich Lessing/akg-ima-
ergetes 1.(246-222 v.Chr.] ges: 114,115
vergrößert nach mehre- munde einsetzen und Kleopatra VII. verbün- Tod eines Prinzen: Erich Lessing/akg-images: 122,
ren Kämpfen mit den die Regierungsgeschäfte det. Doch in der entschei- 124 m.. 124. r.. 129 r.; Sandro Vannini: 123,125,126,
128; akg-images: 124 l„ 129 l.; Hethitologie Portal
Nachbarstaaten Ägyptens führen. Doch später s i -denden Seeschlacht von Mainz: 127; Werner Forman/akg-images: 129 m.; ©
chern loyale Anhänger dieActium 31 v. Chr. unter- Roger Wood/Corbis: 131
Territorium. Der Pharao
Frevel an der Jenseitswelt: Museo delle antichitä
gründet den Horus-Tem- Herrschaft des jungen liegen die letzte Pharao- egizie di Torino: 126; Sandro Vannini: 126-139; Me-
pelvon Edfu und mehrere Pharao. Wegen der Wirrennin und ihr römischer tropolitan Museum of Art, Rogers Fund, 1915:140
Eroberer aus dem Norden: Liebighaus/Städelscher
Heiligtümer auf Philae, und der daraus resultie-Alliierter. Kleopatra begeht Museums-Verein: 142
Elephantine sowie in Alex- renden politischen Hand-Selbstmord. Octavian Die Letzte der Pharaonen: Erich Lessing/akg-ima-
lungsunfähigkeitverliertmacht Ägypten zu seiner ges: 144/145; akg-images: 147; Fine Art Photo-
andria. Die Ptolemäer graphic Library/Corbis: 148; Dagli Orti/Musee des
werden nun in griechi- Ägypten viele Gebiete persönlichen Provinz Beaux Arts Grenoble/Art Archive: 151; Dagli Orti/
in Vorderasien. Museo Tosio Martinengo Brescia/Art Archive: 152;
schen und ägyptischen und beendet damit die Granger Collection/ullsteinbild: 154
Tempeln als Götter Gegen die folgenden mehr als 3000-jährige Zeitläufte: Bildarchiv Steffens/akg-images: 158;
Dagli Orti Egyptian Museum Turin/Art Archive: 159;
verehrt. Pharaonen der Ptolemäer- Geschichte des Pharao- Electa/akg-images: 161; bridgemanart.com: 163;
nenreichs. • Ägyptisches Museum, Kairo: 165 [2t; Herve Cham-
Ptolemaios IV. Philo- Dynastie erheben sich pollion/akg-images: 165
pator (222-204 v. Chr.) wiederholt Widersacher Vorschau: bridgemanart.com: 170 o., 171; Metro-
heiratet als erster Ptole- aus der eigenen Familie. Text: Kristina Lahn Dumke, nome/Getty Images: 170 l. u.; Granger Collection/
Frank Otto ullsteinbild: 170 r.u.
m ä e r - wie einst der To- Unter der Herrschaft
Glossar: Bastian Schmidt Karten: Stefanie Peters und Thomas Wächter: 26,
tengott Osiris - die eigene von PtolemaiosXII. Neos Karten: Stefanie Peters, 27.45.61,156.157,159.160.161.162,165.166.167
Schwester. Gegen ihn Dionysos (80-58 und Thomas Wächter
Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos
5 5 - 5 1 v. Chr.) gerät das übernehmen Verlag und Redaktion keine Haftung.
so geschwächte Ägypten © GEO 2008 Verlag Gruner + Jahr, Hamburg für
sämtliche Beiträge.
immer weiter in die A b - Einem Teil dieser Auflage liegen folgende Beilagen
hängigkeit der Römer. bei: Gruner +Jahr AG & Co KG.
VORSCHAU

S T A D T D E S G E L D E S U N D D E R G A N G S Ein großer, ideal an der Mündung zweier Flüsse gelegener Naturhafen vor der Insel
Manhattan macht New York zur Handelsmetropole - mit Elendsvierteln, in denen Gangs brutal um die Macht kämpfen (Panorama um 1860)

Das Herz des Jazz E L L I S I S L A N D Millionen Immigranten strömen um


schlägt in Hartem. Selbstbewusste schwarze Musiker wie 1910 nach New York. Doch für manchen endet der Traum von der
Duke Ellington werden in den Zwanziger Jahren zu Stars Neuen Welt bereits bei der Einwanderungskontrolle

Die folgenden Heftthemen:


GEOEPOCHE
DIE G E R M A N E N_ (10. Dezember 2008) D A S J A H R 1 0 0 0 118. Februar 2009)
Um 55 v. Chr. stößt der römische Feldherr Caesar am Rhein Vom Prunk arabischer Metropolen und der Arml
auf ihm unbekannte S t ä m m e . Die Krieger und Bauern deutscher Dörfer, von indischen Steintempeln und indiani
führen in N o r d - und Mitteleuropa ein karges Leben - und sehen Strohhütten, von Großmächten und Nomadenvölkern:
werden Jahrhunderte später die Erben des Imperiums die Welt zur Zeit des ersten Jahrtausendwechsels
GEOEPOCHE

ew York, um 1925. Abend für Abend strömen die Mas-


sen in den Norden von Manhattan, nach Harlem. In den
legendären „Cotton Club", in das „Lincoln Theatre"
mit seinen 1000 Sitzplätzen, in das extravagante „Small's
Paradise", wo die Kellner Drinks auf Rollschuhen servieren.
Die Menschen kommen, um sich zu amüsieren - und um den
neuen Sound der Stadt zu hören: Jazz.
Sie feiern Künstler wie den jungen Duke Ellington, der
gerade eine Band gegründet hat, bejubeln die international
bekannte Sängerin und Tänzerin Florence Mills. Harlem
glänzt, explodiert vor Kreativität, nicht nur in der Musik.
Das Viertel ist das Kraftzentrum einer Stadt, die sich im
wilden Taumel der Boomjahre befindet. Alkohol ist überall
verboten, doch mehr als 30000 illegale speakeasies - „Flüster-
kneipen" - bieten alles von selbst gebranntem Whiskey bis
Champagner. Baseballstars und Gangsterbosse treffen sich
auf Cocktail-Partys. Am Broadway spielen pro Saison über
200 Musicals und andere Stücke. Hunderte Magazine und
Dutzende Radiostationen verbreiten Neuigkeiten. Wolken-
kratzer schießen in unfassbare Höhen.
Doch dann, 1929, finden Größe und Größenwahn ein
jähes Ende, im schlimmsten Börsencrash der Wall-Street-
Geschichte.
Die „Roaring Twenties" sind ein Höhepunkt in der Biogra-
fie jener Stadt, die in gut 300 Jahren von einer Pelzhändler-
kolonie zur Kapitale der Welt aufsteigt. New Yorks Geschichte
beginnt mit einer niederländischen Handelskompanie, deren
HOHENRAUSCH In nur gut 13 Monaten errichten Arbeiter
das höchste Bauwerk der Erde. Als das 381 Meter messende Empire State
Vertreter die um 1625 auf der Insel „Manahata" an der Ost-
Building 1931 eröffnet wird, ist es jedoch ein wirtschaftliches Desaster küste Nordamerikas eine Siedlung gründen.
Bald darauf von den Briten übernommen, erkämpft sich
New York bis 1783 gemeinsam mit anderen Kolonien die
WEITERE THEMEN Unabhängigkeit von London. Die Stadt wächst und wächst.
Ist bereits um 1800 der wichtigste Hafen der USA, ihre Wirt-
PETRUS STUYVESANT Ein einbeiniger schaftsmetropole und größte Stadt.
Generaldirektor soll 1647 die niederländische Kolonie
Und ein Moloch: In den berüchtigten Slums von Five Points
Nieuw Amsterdam vor dem Untergang retten.
liefern sich um 1850 kriminelle Gangs Straßenschlachten. Die
korruptesten Politiker des Landes leben in Manhattan und
WASHINGTONS SPIONE Um 1780 tobt zwischen
lenken jahrzehntelang das städtische Geschehen. Die ärmsten
Briten und Amerikanern der Unabhängigkeitskrieg - und
Einwanderer siedeln hier und die wohlhabendsten Unter-
Agenten schleichen durch die Straßen New Yorks.
nehmer. In Stadtschlössern an der Fifth Avenue inszenieren
die Reichen ihren Luxus - und fürchten stets die Massen aus
GREAT CRASH Absturz nach dem Börsenboom: Am
den übervölkerten Mietshäusern der Lower East Side.
24. Oktober 1929 brechen im wichtigsten Finanzzentrum der
Welt die Aktienkurse ein. Die Chronik einer Katastrophe.
Obwohl die Inspektoren der New Yorker Einwandererstation
auf Ellis Island rücksichtslos all jene Immigranten abweisen,
die ihnen an Körper oder Geist krank zu sein scheinen, kommen
dennoch Millionen. An einen Ort, der schließlich, am Ende des
Zweiten Weltkriegs, die bedeutendste Metropole, ja die Haupt-
Zuletzt erschienene Ausgaben:
stadt der Welt ist.
GEOEPOCHE erzählt die Geschichte einer Stadt, wie es
vielgestaltiger und widersprüchlicher, schöpferischer und bru-
taler keine andere je gegeben hat.

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