| ine Borrede, die weder das Buch. noch. die Leſer
intereßiret, iſt inir immerals ein überflüßiges Ding | vorgekommen. Diesfalls habe ich auch jederzeit bey) * "der Herausgabe meiner, der Muſik gehörigen, Schriften Daraufgeſehen, damit die Borreden dazu, wo nicht durchaus efwas wichtiges, doch etwas nothwendiges, und was zuvor billig anzuzeigen wär, enthalten mögten. 'Undeben diefe Ab» ſichten habe ich auch bey dieſer Vorrede, die ich dem erſten Theile dieſes Buches vorſee. Ich habe mir alſo vorgenom- men, meine Leſer anißt bald von einem mich betreffenden Bor- geben und dann von meinem Buche, bald auch von verſchie- enen, dieMuſik, die Litterakur und neuere Geſchichte der- ſelben und folglich auch ſie ſelbſt intereßirenden, Sachen zu unterhalten. Zuvörderſt werde ich mich alſo gegen ein ehmals mir zum Nachtkheil ausgeſprengtes ungegründetes Vorgeben weil es hernach von einigen neuern muſikäliſchen Skribenten, die ich hoch ſchäße, wiederholet worden, zu rechtfertigen ſu- <en, und dann werde ich einige Nachrichten, die diefes Buch inſonderheit betreffen, beybringen. Bey dieſer Gelegenheit werde ich ein paar ſelten gewordene Choral-oder Liederbücher aus dem ſechzehnken Jahrhundert beſchreiben, die beſonders wegen verſchiedener urſprünglicher Choralmelodieen merk: wurdig ſind, und folglich zur Betrachtung der Natur und Beſchaffenheit der alten Kirchentöne gehören. Ferner wer- de ich dem Leſer einen Auszug. auseinem mir vorgefomme- IV Vorrede, nen ganz neuen ikalieniſchen Manuſcripte, die Tonbekrache kungbetreffend, mittheilen. Und endlich. darf ich nicht un- terlaſſen, gewiſſe Uurichtigfeiten, die, inſonderheit ein paar vortreffliche deutſche Toykünſtler: dieſs Jahrhunderts, die ihrer Nation Ehre gemächt haben, betreffen, und folglich in der Geſchichte der Muſik unſerer Zeiten von Wichtigkeit ſind, abzulehnen, und den Ungrundderſelben zu zeigen. Und die: R wird nuninſonderheit der Hauptinhalt dieſer Vorrede . 3 nN vs 24% & - ) evn: ." -„. . .. är .
“ Manhat mir einigemale und nur noch vor wenig Jahren -
in öffentlichen Schriſten und Beurtheilungen meines kriti? ſchen Muſikus beymeſſen wollen : ich ware ehmals willens geweſen, ein vollſiändiges Syſtem der Muſik zu ſchreiben z ob ich ſchon niemals darän gedacht hatte. Man hat ſolches aus einer Stelle im erſtenStücke dieſer periodiſchen Schrift erzwingen wollen. Iſt es aber wohl erlaubt, einem Schrift- ſteller Meynungen oder Abſichten anzudichten, die weder .in ſeinen Worten enthalten, noch auch daraus zu ſchließen ſind ? Ich kann nicht begreifen, daß aus den Worten : Uez berhaupt ſoll dieſes ganze Unternehmen den Weg. bah: nen, damit man dur< ein völliges Syſtem die Tyeils und Gründe der Muſik in eine nöthige Gewißheit ſe: tzen kann, der Gedanke fließen ſollte: ich ſelbſt hätte die Abe ſicht gehabt, ein ſolches Syſtem zu ſchreiben. Esiſt faſt nicht der Mühe werth, dieſe Stelle zu erklären, oder zu paraphra: ſiren. Manſicht ja ſo gleich und beym erſten Anblicke, daß die Rede allgemein und gar nicht insbeſondere von mir iſt, Undin der That wird ſo allgemein darinn geredet, daß ich mich wegen gewiſſer Perſonen, für die ich Hochachtung hege, ſchämen muß,. weil ſie nicht ſo gleich haben einſehen können, daß derſelben ein jeder, der Luſt und Geſchi>lichkeit dazu be- ſitt, ſolches auszuführen, ja auch ſie ſelbſt ſich anmaßen kann. Oder hat manvielleicht an ſtatt des Wörtchens man aus Vorrede . ;v Urebereitung: ic<'geleſen ? Iſt aber eine ſolche Uebereitung ei: nam einſichtsvoilen Leſer nicht zu verdenken ? Liizler, mein er !Gegner, der, . ſeiner Unwiſſenheit in der praktiſchen ungeachtet „. an .mir: zum Ritter werden wollte, gab diefer Stelte zuerſt einen-Sinn, an den ich.am wenigſtengez: dacht hatte, und auch damals, als ich ſie ſchrieb , nicht den- fen konnte. Der gute Mann! Er machte mir diesfalls auch eine herzrührende Borſtellung, nicht anders, als wennmei: neMeynung mit ſeiner Auslegung ganz und gar übereinſtims men müßte, und als wenner ſelbſt:und zwarnur er allein, anpbeſten wüßte, was zu einem ſolchen wichtigen Werke, als ein:vollſtändiges Syſiem der Muſik iſt, gehörte. Und, man denke'doch, er beſiimmte mir ſo gar Zeiten und Jahre, wenn: ich endlich ſo weit.xommen könnte, mich aneine ſolche Arbeit zu wäagen.. Und dieſem Manne, von dem doch bekannt ge- nuz iſt, daß er unter allen, die jemals über. die Muſik geſchrie: ben haben, die wenigſte Einſicht in die Muſik, und inſonder- heit in die muſikaliſche Setkunde beſaß, der nicht einmal die beſten. und. vorzüglichſten muſikaliſchen Skribenten geleſen, vder verſtanden hatte, der überdieß faſt nichts anders, als ein kläglicher Compilator, war ; einem ſolchen Mannehat mannundie mirvon ihm angedichtete Abſicht und ganz un- gegründete -Erklarung meiner angeführten Worte nachgebe-. tet. Hatte man aber nicht vorher meine Worte ſelbſt anſe: hen, und.den Berſtand derfelben aus dem Zuſammenhange; in welchem ſie ſtehen, beſtimmen; oder beurtheilen; oder mit ſeinem Urtheile wenigſtens ſo lange warten ſollen, bis ich mich ſelbſt näher darüber erkläret hätte ? Alsdann würde es ſich gezeiget haben, ob dieſe vorgetaßte Meynung gegründet ge: weſen wäre oder nicht. IE | "Als ich ungefehr vor ſechs und dreyßig Jahren, nämlich anfängs des Marzrionats 1737 anfieng, meinenkritiſchen Muſikus in Zamburg, als ein. Wochenblatt, heräuszuge: vi Vorrede, "ben, dachte ich am wenigſten daran, .daß man aus'mir einen ſo großen muſikaliſchen Autor machen würde,der ein vollſtän- diges Syſtem der Muſik zu ſchreiben gedächte. Nein ! ich hatte feine ſolche hohe Meynung von mir; ſondern ich wollte nur, durch meine imWertehabendekritiſche Schrift, zu-de- ren Anfang, AuSarbeitung und Hergusgabe michinſonder- heit der ſeelige Telemannanreizte, ein wenig aufräumen; und zugleich den damals in den. meiſten deutſchen muſikali: ſchen Schriften herrſchenden ſchlechten Geſchma& in der Schreibart einigermaßen zu verbeſſern ſuchen. Wer weiß nicht, daß die vor derſelben Zeit in unſerer Sprache heraus- NG Schriften über die Muſik ſo buntſche>kigt ausſa- en, oder auch ſo dunkel und ſo verworren, wo nicht garſo lächerlich geſchrieben waren, daß manſie entweder kaumver- ſtehen, oder doch nicht ohne Ekel leſen konnte? Selbſt einige Ulattheſoniſche Schriften machen großen Anſpruch an die: fen ſeltſamen Charakter. Die praktiſche Muſik hatte ſchon lange angefangen, mik ſo vielen italieniſchen und deutſchen Stümpern ſo ſehr überſchwemmet zu werden, daß man ih- rem kläglichen Berfalle nicht genug vorbeugen konnte. Tes lemann, dieſer wahre, diefer gründliche-Tonlehrer und gro» ßeComponiſt wünſchte, als ein wahrer deutſcher muſikaliſcher Patriot, ſo wohl dieſem immer zunehmenden Uebel, als äuch : dem ſchlechten und faſt burlesfken Bortrage muſikaliſcher - Wahrheiten, der den Gelehrten nicht ohne Urſache anſtößig war, Gränzen zu ſetzen. == Da ich nun nach meiner An- kunft in 5amburg ſo gleich mit ihm in einen vertrauten ]1m- gang zu gerathen, das Glück hatte: ſo konnte es nicht fehlen, daß wir uns vonallen dieſen der Muſik ſo ſehr nachtheiligen Umſtänden öfters mit einander unkerreden mußten. Da- durch ward mir die Luſt eingeflößt, Antheil an einer ſo lobens- würdigen Abſicht zu nehmen, oder doch wenigſtensetwas das zu beyzufrägen. Wir vereinigten uns endlich über einen € Vokrede« vir Plan, au. deßen Ausführung wir gemeinſchaftlich zu arbeiten gedachten. Wir nahmen uns älſo vor, in einer kritiſchen Scrift, in der Form eines Wochenblattes, die Fehler der Componiſien und überhaupt aller Arfken von Muſikern, der deutſchen und wälſchen, durchzugehen und aufzudecken. Wir wollten ſo gar auch die beſten Werke der beſten Meiſter, näm ich bald deutſche bald ikalieniſche Mufikſiüu>e verſchiedener in nſehen ſtehender Componiſten genau prüfen 3ſie ſo wohl, als auch einige, über gewiſſe muſikaliſche Materieen geſchrie: hene, Werke mit dem kritiſchen Rebenmeſſer beſchneiden z das Gute darinn nach Verdienſt rühmen, um dadurch die Anfänger zu veranlaſſen, es nachzuahmen, und ſich nüßlich zu machen z ſie aber auch zugleich vor den darinn vorkom- menden Fehlern aufrichtig zu warnen. =- Als wir aber alles dieſes, oder vielmehr dieſen faſt zu übertriebenen Plan ge- nauer überlegten : ſo ſähen wir ſo gleich ein , daß manihn, Ohne einen Berleger, wegender dazu gehörigen Exempel in Noten, die wegen des damals noch nicht erfundenen Noten- dru>s nothwendig in Kupfer geſtochen werden mußten, in ßroße Koſten zu ſeen , unmöglich ausführen konnte. .Wir inußten alſo einen leichtern Weg erwählen, um unſere Ab- PWfen 014549 einigermaßen zu erreichen. Telemann rang endlich in mich, ichſollte, ſo wie ich es dieſenUmſtän- den nach fürs Beſte hielt,einen Aufſaß oder eine Anfündigung eines kritiſchen Wochenblattes über die Muſik, das man den Fritiſc<en Muſikus nennen könnte, entwerfen. Daer mir nun zugleich verſprach, mit mir um die Wette zu arbeiten, und alſo ein Stü um das andere über ſich zu nehmen : ſo warich willig und bereit dazu, mich aufdieſe Art mit ihmin dieſe Arbeit einzulaſſen. Ich fekte alſo. das erſte Stu> auf, las es ihm vor, und erhielt ſeinen Beyfall. Ein guter Freund von uns beyden, nämlich der nachherige Königliche Preußi- ſche geheime Sekretär Lamprecht, der ſich damals, als ein WIFr Vorreöe, gebohrrnerHamburger,inſeiner-Baterſtadt aufhielt, ahi? es Über ſich, uns einen Berleger zu verſchaffen. Es dauerte auch faumdrey oder vier Tage, ſo brachte er mir ſchondie er- ſte Correkfur von dieſem erſten Stü. =- Und ſo war das Blat gedruckt. “.-; Herr Telemann,als ich ihm ſein Exemplar brachte, und ihn bat, unſerer Abrede gemäß, nunmehr das. zweyte Stück auszuarbeiten, entſchuldigte ſich mit dem Mangelan der Zeit, und bezeugte mir, daß er ſichauf mich verließe. Ich ſchätte es,mir für eine Ehre, ihm darinn zu willfahren, verſertigte das zweyte Sküc, und aufgleiche Ark auch das dritte Stück; - Daich endlich ſehr ernſtlich in ihn drang, doch das vierts StüF aufzuſegen : ſo ſagte er lachend zu mir : „Ich ſollte »„tticht denken, daß es ſein Ernſt geweſen wäre, ein Mitarbei- >ter zu feyn. Ich wußte wohl, daß es ſeine Geſchäfte nicht „erlaubten, ſich in eine dergleichen feſtbeſtimmte periodiſche »„Schrift einzulaſſen. Er hätte nur gewuünſchet, mich mitei- „ner dergleichen Arbeit beſchäftiget zu ſchen 3 es wäre ihn „nunmehr ſehr lieb, daß ihm folches gelungen wäre, und er „wünſchte mir Glück zu der angefangenen Arbeit, die ich „ſchon ohne ihn fortzuſetzen wiſſen würde. =-,, Er müunterte mich zugleich auf, nur ohne Bedenken darinnforkzüfahren, und verſprach mir , er wollte alles, was er dazu beytragen könnte, mit Bergnügen thun. = Keine Entſchuldigung konnte mir helfen z ich mußte mich gefangen geben. Ich hatk- fe das Werk einmal angefangen; ich war dem Berleger, als Verfaſſer nur allein bekannt, der auch von dem, waser ge- wiß zu wiſſen glaubte, gegen einige Leſer kein Geheimniß ge- macht hatte, ind dadurch ward ich bald für den Verfaſſer überall bekannt. Esſchickte ſich alſo ganz und gar nicht, zu- rüczutreten, und die Fortſezung aufzugeben. Ich mußte es folglich ohne weitere Umſtände ganz allein über mich nehmen, und Telemannthat dabey nichts-weiter, als daß er mir Ge: Vorrede, “ 1X; hör gab, wennich ihm einen. Theil meiner Blätter des erſten Theiles , der aus ſechs und zwanzig Stücken beſtehen ſollte, gelegentlich vorlas, ehe ich ſie unter die Preſſe gab. Doch end- lich hörte dieſes auch auf; denn gegen Michael 1737 ungefehr, als das funfzehnte Stück herauskommen ſollte, unfernahm Telemann tine ſchon lange zuvor entworfene Reiſe nach Paris, nachdemer mir die etwa in ſeiner Abweſenheit außer- ordentlich vorfallenden Amksgeſchäſte nebſt der Bollendung eines noch nicht ganzausgearbeiteten Kirchenjahrganges über- fragen hatte. Ich war undbliebalſoauch immer und ohne die geringſre Mithülfe der Verfaſſer meines kritiſchen Yiu- fikus 3 wie ich ihn denn hernach nach dem Schlußedes erſien Theiles, doch nach einer Pauſe von einem Jahre, auch ganz gllein fortſeßte, und endlich mit dem acht und ſiebenzigſten Srucke beſchloß, weil ich durch andere Berrichtungen und endlich auch durch den mir ganz unvermutheten Ruf, als Kapellmeiſter nach Kopenhagen,verhindert ward, mich bey dieſer'mir ſchr angenehm geweſenen Arbeit länger äaufzuhal- ken, und ſie aufs neue fortzuſeßen. ' Ausdieſer Erzählung,die die Wahrheit zum Grundehat, erhellet aufs deutlichjte, wie wenig man-Urſache hak, mir bey- zumeſſen, ich hätte verſprochen, mit der Zeit ein vollſtändiges Syſtem derMuſik zu ſchreiben. Da das erſte Stü>k, wor- inn die oben angeführten Worte fiehen,aus welchen mandie- ſes Berſprechen erzwingen :will, gemeinſchaftliche Berfaſſer hat, oder vielmehr, zwar von mir allein, aber in meinem und Telemanns Namenzugleich geſchrieben worden : wer ſollte wohl unter uns beyden der Mann geweſen ſeyn, den Dieſesvermeyntliche Verſprechen GEN zu einemſolchen Syſtemverbindlich gemacht hätte? Doch wenn man die Stel- le-nur.mit Aufmerkjamteit betrachtet hätte: ſowurde mangar nichtnöthig gehabt haben,-von mir etwas zu erwarten, wozu niemand,;und ich am.wenigſien, ſich anheiſchig gemacht,und worankeiner von uns, weder KETRIEN ich, würklich x Vorrede. gedacht hafte. Noch weniger hätte man Urſache gehabt, mir diesfalls Borwürfe zu machen, ob es ſchon unbekannt war, daß.ich dieſes erſte Stück nicht in meinem Namenallein ge» ſchrieben hatte, I< würde. endlich auch kein Bedenken gekra- gen haben, die Leſer von dem Urſprunge dieſer periodiſchen Schrift zu bengehrichtigen, wenn ich mir die Möglichkeit hät- te vorſtellen können, daB irgend ein verſtändiger Leſer, außer Mizlern, auf einen ſolchen ungegründeten Einfall gerathen würde. Ich würde auch meine Leſer anißt mit dieſer Erzäh- lung verſchonet haben, wenn ich nicht zu meinem Verdruße hätte wahrnehmen muſſen, daß die wiedeyſinnige Auslegung, die Mizler über die angeführte Stelle zuerſt erdacht, von ver- ſchiedenen muſikaliſchen Schriftſtellern wäre nachgeſchrieben IAIN noch erſt neulich von einem derſelben wiederholek worden. = - „Aber, -warumhat denn Pizler ſelbſt ſein Wort,ein voll? ſtändiges Syſtem der Muſik zu ſchreiben, nicht gehalten? = O1! dafür mögte-.ihmdie muſikaliſche Welt lieber den feyer- lichſten Dank abſtatten, als ihm Vorwürfe machen. Wie ? hätte dieſer Mann uns wohl mit einem Syſtem der Muſik be- ſchenken können. Wer weiß nicht, wie wenig. die 1;.:iſi2ali2 ſche Compoſition ſein Werf: war ?. Und wer ihmindieſen Fache etwas zutrauek, der darf nur ſeine elenden und jäm- merlichen Odenmelodieen, die er ehmals zur Schandefeiner Zeiten öffentlich herausgab, anſehen. Und beym erſten An- blicke verſelben wird. ſich unfehlbar alles Zutrauen ſo gleich ver- lieren. Nicht in einzelnen Noten finden ſich Schnitzer, eine jede Melodie iſt ein Schniker. Er wußte weder was Har- monie, noch. weniger was Melodie war. Ex warin allen Theilen der Harmonie und Melodie ein Fremdling. Ex ver? ſtand auch nicht einmal lange oder kurze Syliben in die Takt- theile zu vertheilen, oder-unter ſeine Notenzur legen; und was in der Muſik Rhythmus und Metrumſind, auch das wat Vorpede. 7 NT ihm unbekannt. ' Sogar die erſtenAnfangsgkünde der mu- ſitaliſchen Sekkunft waren ihm Dinge, von denen er eben ſo wenig wußte, als der Irokeſe vom Miſerere eines Allegri. Und ob er Genie hatte, darnach darf man gar nicht fragen z dennalles ift bey ihm ohne Leben, platt und hölzern. Und (wer muß nicht über die Verwegenheit erſtaunen?) doch woll- fe der Mann nicht nur muſikaliſche Schriften, ſondern auch Muſikſiucke, beurtheilen, und endlich der Welt mit einemvoll: Fandigen Syſreme der Muſik überläſtig werden. Wie wenig er in der muſikaliſchen Literatur undſelbſt in der Theorie, die zur Compoſition geböret, erfahren war, und wie ſehr es ihm an aller dazu gehörigen Kenntniß mangelte, dieſes wird man aus ſeinen. verſchiedenen Beurtheilungen einiger zur Aus- übung gehörigen Werke von mancherley Arft, die ſich in ſeis: ner muſikaliſchen Bibliothek befinden, wie auch aus meiner Betrachtung der alten Kir<entöne, ſehrleicht ſchließen kön: nen. Iſt es nicht dieſem Mangel an Einſicht, Erfahrung und Kenntniß alter Tonlehrer zuzuſchreiben, wenn er ſich ſo gar unterſiehet, einen Zux zu beſchuldigen, er hatte keine hin- länglichen Begriffe von den alten Kirchentönen gehabt? Ber- dient nun alſo. ein ſolcher in der Muſik ganz ungelehrter Mann,ihn für einen Tonlehrer anzuſehen oder auszuru- fen ? =- Doch wie gut, wie vernünſtig hat er gethan, daß er die Welt mit einem Syſteme der Muſik verſchonet hat. Vermuthlich wird er in ſeinen Buſen gegriffen und ſeine Schwäche endlich ſelbſt gefühlet haben. Wennich hernach in die vermehrte und verbeſſerte Aus- gabemeines kritiſchen Muſikus vom Jahre 1745. einen Ent- wurf einer Eintheilung der Muſik, den man als einey Entwurfeines vollſtändigen Syſtems der Yiuſik anſe- en kann, eingerückt habe: ſo ward ich dazu mehr durch an- ere Urſachen, die nicht nöthig ſind, anzuführen, veranlaſſet, als dadurch, weil ih willens geweſen ware, nah dieſem Ent-' Kit Vorvesöe, wurfe ein Syſtem der Muſik zu ſchreiben. Es warauch diä- ſer Enkwurf nur eine Erläuterung und Berbeſſerung des driften Skückes des kritiſmen Muſikus, undalſo keineswe- ges in einer ſo intereſſanten Abſicht aufgeſeßt, alsman viel- leicht mag gedacht haben, und als er auch würklich zu haben ſcheinet. Doch die Veranlaſſung zu dieſern Aufſaße mogte feyn, welche ſie wollte, genug er ward in die neue Ausgabe meines Buches eingerücketz die Leſer konnten ihn beurtheilen, wie ſie wollten, und ihn ſich zu Nute machen, oder ihn auch nach Belieben verwerfen. Inzwiſchen hätte ich freylich. ge- wünſcht, er wäre von gelehrten und einſichksvollen Tonleh: rern beurtheilet worden. Urtheile ſolcher Mäntier würden mir angenehm geweſen ſeyn, und mich belehret haben; hinge gen Beurtheilungen, die entweder grob oder auf Schrauben gSeſtellet ſind, ſind nicht zu achten; dennſie verrathen entw&& der Bosheit oder Mangel an Einſicht, = 18 : I< weiß auch nicht, wie Adlung mußgeleſen haben, oder wodurch es ihm eingefallen ſeyn muß, ich hätte ehmäls durc< tneine Abhandlung von den muſikaliſchen Intervallen und Geſchlechten, die ich im Jahre 1739. in Zamburg hev- ausgab, den Grund zu einem Syſtem der Muſik legen wollen: Was muß er doch gedacht haben , als er dieſes wunderliche VBorgeben in die Welt hinein ſchrieb ? Wenn, oder wodurch habe ich Anlaß, dieſes zu denken, gegeben ? Aber ſo geht es, wenn man ohne Ueberlegung und auf Gerathewohl die Ge- danken und Abſichten anderer Leute errathen will. Giebt manaber dadurch nicht deutlich zu erkennen, daß manſie we- der recht gelefen, noch auch verfftanden hat ? Ein ſolches Be- fragen bringet einem Skribenten wenig Ehre; denn man hak Urſache, von ihm zu denken, daß er unter die Klaſſe ſolcher Mannergehörek, dieeher ſchreiben, als ſie denken, oder die ſich wenig darum bekümmern, ob das, wasſie ſchreiben, ge gründetiſt oder nicht. HEBER GEOie AEN € | Vorrede, ': zuu „1 Dämifman nun von dieſem Buche, welches ich itf; der muſikaliſchen Welt mitzutheilen, die Ehre habe, nicht ſo un- richtig urtheilen möge, wie obbemeldtermaßen vomkritiſchen Muſtkus und von der Abhandlung über. die 'muſikali- ſchen Intervallen geſcheheniſt:2, ſo will ich hier zugleich an- - zeigen, was. mich bewogen hat, .mich in einem Alter von bey- nahe fünf und ſechzig Jahreneiner ſolchen weitläuftigen Ar- beit zu unterziehen. Es iſt mix vorzeiten niemals in dieGe- danken gekommen,ein ſolches Buch zu ſchreiben 3; ich würde viel lieber allen meinen Fleiß auf: eine vollſtändige Geſchichte derMuſik gewendet haben, Allein, dieſe ehmals gehegte Ab= ſicht auszuführen, daran verhinderte mich der Mangel der Unterſtüßung. Ein Werk, woranbereits viele gelehrte Män- ner geſcheitert haben, konnte nicht ohne vielerley Hülfsmittel, die nicht jederzeit nach unſerm Wiilen herbey geſchaffet wer- den können, und alfo nicht gänzlich in unſerer Macht ſtehen, - unfernommen und glücklich vollendet werden. Ich ließ es al- ſo bey der, aufBefehl des weiland großmächtigſten Königes Friederich V. im Jahre 1753. geſchriebenen und 1754. her- ausgegebenen, Abhandlung vom Urfprunge und Alter der Hruſik inſonderheit der Vokalmuſik bewenden 3; und es freufe mich, daß ich hernach erfuhr, daß zweene um die Muſik verdienke Männer, als Herr Marpurg in Berlin und der ehrwürdige Pater Martini in Bokogna eine Lauf- bahn betreten hatten, auf der ich mir gewünſcht hatte, öffent: lich zu erſcheinen. = Aber leider ! die Hoffnung iſt größten- theils umſonſt geweſen. Der erfte haf uns nur einen Band, der zwar alles Lob übertrifft, geliefert 3 aber er hat damitdie Laufbahn gänzlich verlaſſen; der andere aber hat uns in we- nigenBogen gleichſam nur einenGrundriß vorgezeichner, wie etwan ein Theil eines ſolchen wichtigen Werks auszuſühren ware ,-und es übrigens bei) ein paar Diſſerkationen, die aber die Hauptſache nur unvollkommenintereſſiren, noch weniger KIV Vorkeöe, - erſchöpfen obwohl mit dem Verſprechen einer Forkſeßüng, der man aber allem Anſcheine nach umſonſt entgegen ſehen“ wird, bewendenlaſſen. = Doch ich muß auf dieſes Buch wieder zurück kommen, “ Nachdem ich nun den angeführken Borſat Aufgegeben hafte, und ich endlich bey meinem gegenwärtigen Auffenthalte hier in Kopenhagen durc einen beſondern Borfall veran- laſſet ward, mich auf Vorleſungen über die Muſik über- - haupt, und dann auch insbeſondere über die muſikaliſche Compoſition vorzubereiten, beyde Arten der Borleſungen aber öffentlich anzufündigen: ſo ward ich genöthiget, über je- de derſelben einen vollſtändigen Plan zu enfwerfen, welchen ich denen, die den Borleſungen etwan beyzuwohnen, geſon= nen wären, auf Berlangen vorlegenkönnte. Allein, da die veranlaßten und entworfenen Borleſungen aus gewiſſen Ur- ſachen zurügiengen : ſo entſchloß ich mich, den lekkfen Plan, weil ich ihn einmal entworfenhatte, ſchriftlich auszuarbeiten, undalſo ein ONNADg Werküber die muſikaliſche Compo- ſition durch den Druck bekannt zu machen. Und da mir gar bald nach dieſem Entkſchluſſe ein vortrefflicher, gelehrter und hochachtungswürdiger Mannin Leipzig, den ich die Ehre “ unddie Freyheit habe,. öffentlich meinen Freund zu nennen, einen billigen Verleger dazu verſchaffte: ſo ſekte ich dieſe Av-- beit, meinem Enfwurfe, den man in der Linleitung ſehen kann, gemaß, ſo weit fork, daß ic<nunmehr im Standebin, den erften.Theil heraus zu geben. Es wird nicht nösthig ſeyn, dieſen meinen Entwurfzuverkheidigenzes wird vielmehr dar- auf ankommen, ihn auſs Beſte auszuführen. Unddieſesiſt es, was-ich mir vornehmlich werde angelegen ſeyn laſſen. Es. mangelt uns in unſerer Sprache nicht an Anleitungen zur Er2 lernung der muſikaliſchen Seßkunſt; wir haben ſo gar einen vollkommenen Kapellmeiſter 3; allein ich weiß nicht, ob man nicht daran zweifeln könnke, in einem einzigen Werke, Poxrede; xv dieſer Arf alles bepſatnment zu finden, was "zu dieſer ziemlich weitläuftigen Wiſſenſchaft gehört. Ich habees alfo durch die: ſes: Buch wagen wollen , ob man nicht ein dieſer Wiſſen- ſchaft gemaäaßes umfänglicheres Werk ausdenfen, und ausar- beiten könnte, . Undich ſollte glauben, daß, wenn ich in der Ausführung des in der Einleitung zum GrundegelegtenPla- nes glücklich bin, meine Abſicht erreichet ſeyn wird. Dieſes wird mein Wunſch und meine eifrigſte Bemühung ſeyn; und daran werde ich mit allem möglichſten Fleiße arbeiten. = Aber etwas muß ich wegen der Ausarbeitung meines Planes voraus erinnern. Eskönnte gar leicht kommen, daß ich in den noch folgenden drey Theilen zuweilen von der mir Felbſt vorgeſchriebenen Ordnung oder Cinrichtung abweichen mögte. Alsdannaberbitte ich meine Leſer, ſich nicht daran zu ſtoßen; denn fürserſte, werde ich dennoch demHauptent- wurfe unverändert und aufs genaueſte folgen 3 fürs zweyte, kanndieſe Abweichung nur Nebendinge oder Nebenabtheilun- * genbetreffen, die folglich dem Ganzen nicht nachtheilig ſeyn könnenz und endlich driktens ift es eben noch nicht ausges macht, daß dergleichen geſchehen wird, undſollte ich es ja für nothwendig erachten: ſo wird ſolches ohne Zweifel aus wichti: gen Urſachen geſchehen, und folglich dem ganzen Werke zum Bortheil gereichen, und alſo den Nußken oder den beſſern Ge- eu deſſelben zum Gegenſtande haben, und deſto gewiſſer efördern. Werinzwiſchen dieſen erſien Theil dieſes Buches für den Anfang eines vollſtändigen Syſtems der Muſik anſchen, oder ausrufen wollte, der-würde ſich gar ſchr betrügen. In dieſer Abſicht habe ich dieſes Buch nicht entworfen. Will man es aber für ein Syſtem der muſikaliſchen Compoſi- tion annehmen : wohl gut! ich bin es zufrieden ; denn mei- ner Abſicht nach, wie ich ſolches bereits zu erkennen gegeben habe, und wie man auch aus der Einleitung ſchen kann, ſoll NIx PVorreds alles darinn vorkommen, oder abgehandelt werden, waseit Componiſt, als Componiſt, nothwendig wiſſen foll und muß. Einjeder aber wird ohne Mühebegreifen können, daß zu eiz nemvollſtändigen Syſtem der Muſik weit mehr gehöret, und daß alles, was dieſes Buch enthalten ſoll, nur dasjenige er- läufert und abhandelt, was zu einem, in ein ſolches Syſtem gehörigen, wichtigen und vorzüglichen Theile nothwendig iſt, und was die Anfänger der muſikaliſchen Compoſition inſon- derheit ſtudieren, und verſtehen müſſen. Daßich die Zahlen- theorie oder den mathematiſchen Theil der Muſik davon aus- ſchließe, dieſes iſt ſchon ein deutlicher Beweis, daß ich kein Sy» ſtem der Muſik ſchreibe, und es darfſolches alſo einem Man- ne von Einſicht in die Muſik gar nicht befremden. I< will mich däher hier in keine weitläuftige Demonſtration einlaſſen, umdarzuthun, daß der mathematiſche Theil der Theorie ganz und gar nicht zur Compoſition gehöret. Indieſem erſten Theile wird gelegentlich etwas davon beygebracht werden z überdieß weiß man bereits aus dem zwey und ſiebenzigſten Stücke des kritiſchen: Muſikus meine Gedanken darüber 3 wo ich deutlich genug bewieſen habe, daß die Mathematik öder die Zahlentheorie einem Componiſien ganz und gar nichts helfen, und folglich auch nicht zur Compoſition gehös- ren kann. Man überlaſſe dieſe Spekulationen, die, ſie mö gen noch ſo ſehr und noch. ſo genau untkerſuchet, und, wenn.es möglich iſt, bis zum höchſten Grade der Gewißheit gebrachk werden, uns in Ewigkeit keine ſchöne Gedanken, keine aus- drücksvolle M?lodie, keine ſie erhebende nachdrückliche Har- monie lehren , oder einflößen können 3 Man überlaſſe dieſe Spekulationen ſolchen Muſikern, die keine Erfindung, kein Genie haben, die nurſteif mechaniſch denken und ſchreiben. Dieſe, der Muſik nicht weniger unentbehrliche, Männer msö- gen unſere Inſtrumente beſorgen, ihren'Bau ordnen, verbeſ: fern, ſie ausmeſſen, ſtimmen und in.gehöriger: Ordnung :er- Vorrede, KXVH halten. Daraus. mag ihr Amfk, ihr nothwendiges und zur Execution einer wohlgeſezten Muſik unentbehrlichesAmt und ihre unsſehr nübliche Beſchäftigung beſtehen; denn ohne die- Art der mechaniſchen Muſik würden wir nicht im Stande yn, unſere ſchönſten Muſikſtücken den Zuhörern vorzutra- gen, ihre Herzen zu rühren, und ſie zu ergößen. Aberin die muſikaliſche Setkunſt/ja nicht einmal in die Theorie der Me- lodie und Harmonie, darf dieſe Zahlentheorie ſich nicht mis ſchen. Daraus mußſie entfernt bleiben. Der Componiſt muß.denken, nicht die Töne nach dem Monochord ausmeſſen, oder berechnen, undſoll er ſie ja abmeſſen, um ſie aufdeutli- ehe und zugleich muſikaliſche und alſo ſeiner Abſicht gemäße Arkdeutlich kennen zu lernen : ſo wird manin dieſem erſten Theile ſehen, daß der Componiſt die zum AusdruFe fähigen Töne, auch bis aufdie kleinſten, die nur möglich ſind, auf mu- ſikaliſche Art beſtimmen, vortragen, abmeſſen und berechnen kann, ohne mathematiſche, logarithmiſche oder algebraiſche Regeln undfolglich ohne dieZahlentheorie dazu nöthig zu ha- ben. Der Geiſt der Muſik, die Seele der Erfindung läßt ſich nicht ausmeſſen, oder berechnen; dieſer Bearbeitung ſind nur die muſikaliſchen Körper untcrworfen. Dieſe werden durch die Mathematik und Geometrie beſtimmet und abge- meſſen. Und will mandieſes aufdie praktiſche Muſik, infon- derheit auf die Compoſition, anwenden: ſo führe.manerſt ein Geſes ein, daß alle Muſiker au< Mathematiter und Geome- ker ſeyn, oder doch bey dieſen Gelehrten in die Schule gehen ſollen, damitſie geſchi>t ſind, alle ihre Aufgaben aufzulöſen, und folglich auch in der muſikaliſchen Zahlentheorie gegrün- det, und durch ſie erleuchket ſind. =- Aber würde man wohl dadurch die Muſik, die muſifaliſche Seßkunſt und alle übrige Theile der Ausübung verbeſſern ? Würden wir dadurch beſ- ſere Componiſten, beſſere Sänger, Sängerinnen undInfiru- mentenſpieler, und alſo beſſere Auführer und Ausführer in c AVI Vorredes jeder Arf“der Ausführuigskunſt erhalfem?. =<“ Ich glaube; das Genie würdeſich verlieren; die Gabe, muſikaliſch. zu den- fen, die aus dem Genie-entſpringet, würde. in ein ſteifes, mat= tes, kümmerliches, mechaniſches Weſen ohne Leben und Geiſt aufarten. Kurz, der Ausdrüuck,das Feuer und.alleEmpfin- dung würden verſchwinden; Die Muſiker würden in muſika liſche, doch nein ! in mechaniſche Rechenmeiſter zuſammen ſhrumpeln. Und was würde alsdann die Muſik ſelbſt ſeyn? Gewiß, nichts als ein mattes, ſteifes, unbelebtes und folglich mechaniſches Getön. Wir wurden keine Melodie behalten. Die Harmonie würde über alles herrſchen wollen ; doch auch dieſe würde nichts als ein ſteifes , wiederſinniges, verdrießliz <es, friechendes und. folglich uns ermüdendes Geſumme wer- den. Sie würde wohl gar den Accorden eines großen Lus lers in ſeineim Tentamen novae theoriae Mulicae ähnlich ſeyn, womit man die Wilden im äußerſten Nordpol verſcheuchen, niemals aber die Herzen der Zuhörer rühren und entzücken könnte. Wir würden feine Zändel, keine Telemanne, keis ne Zaſſen, keine Graune, keine Bache mehr haben. = Weg alsdann mit der Muſik ! Todke, unbelebte Kunſt ! was'bift du nunmehr dem Menſchen ? =- Doch nein ! Die Natur, oder vielmehr der Schöpfer der Natur, der dich ehmals dem Menſchen zur Ermunterung, zum Bergnügen, zur Erho-- lung und endlich inſonderheit auch zu ſeinem Preiſe gegeben hat, hat ihm fein kodtes, fein unnüßes Geſchenk ohne Geiſt und Leben gegeben, das ſeines Endzweckes nothwend!g verfeh- len müßte, wenn =- Doch Himmel! ſo lange der menſchliche Geiſt, den du vom Anfang an mitſo vielen großen Eigen- ſchaften geſchmücet und beſeelet haſt, in dieſem ſeinein Kör- per wohnet, wirſt du ihn nicht ſo ſchr herab ſinken laſſen, wirſt ihmnicht dieſe ſüße, dieſe edle, dieſe rührende und dich ſelbſt preiſende Eigenſchaft.enkziehen, und ſie nicht wieder in die von allem Geſchmac>. entblöſte Barbarey der. dunklen Zeiten ver- Vokrede, ) RIX <==Freünde der Muſik ! wahreMuſiker ! edle Genie, mit mit Feuer begabte Componiſten ! erkennedieſe Zahrbeit! haltet euch'an die Natur, an den Ausdruck der- / j „"Denket ſelbſt 3 ſuchet und erkennet in eurer Kunſt, SE NGenaDaE in euren Tönen, in eurem Genie, als 1e8s,'waseuch-und ſieerheben, verſchönern, und zu dem End- zwecke;warum ſieeuch der Schöpfer gegeben haf, leiten kann. 'Studieret'dieTöne; die Melodie, die Harmonie, den Menz ſchen„ſeine Leidenſchaften. Bereichert damif euer Genie. Seekeine Zahlen, keine algebraiſche oder geometriſche <nüngeneurer Töne; keine Mathematik undikeine Zah: Mhahnoriezum Ausdrucke eurer Gedanken nöthig haben. Es ndandere, nähere, richkigere und beſtimmtere, Feine. ab? " uind den Geiſt niederſchlagende und ermüdende, ſone Aebendige, den Geiſt ſelbſt EeIn Mittel, euch zu SEvorhanden. Die wahre Theorie der 1UUNENd Meinen wird ſie euch lehren. funſt und Ausfü m müſſeihhr, alle mögliche Stärke zu erreichen, euch ; und dadurch werdet ihr des wahren Ausdruckes Die und das Betonen eurer Zuhörer werden. Wel- I jponiſt, wenn er denkend und ausdrückend componi- ren;und dadurch rühren undentzücken will, denket an das niß oder an die Rationen ſeiner Töne ? Esſind ge- “Träume der wieder herannahenden finſtern Zeiten, wennman die Zahlentheorie in den erſien Regeln der Sekz- fünftoben anſetzen will, und nichts weiter. ESiſt zwar nothwen- dig, daß einbloßer theoretiſcher Muſiker dieſe Rechnungsarten verſtehen;und alſo dieTöne ausmeſſen,berechnen und folglich des monſrriren muß; will er aber ein Componiſt werden z ſohelfen - ihm alle dieſe tiefſinnigen Unterſuchungen,dieſe ihm alsdann . Überflüßigen Spekulationen, die ſein Genie wo nicht unferdrü- >en, doch einſchränfen, ganz und gar nichts; zumal da nie: mand ſagen kann,er Ai därinn zur höchſten Bollfommen- Xx Vorrede.“ heit gebracht. Wasiſt die ſolange geſuchte, gedachte, berechnete und auf vielerley Art demonfirirte und auf ebenſo vielerley Art wieder beſtrittene gleichſchwebende Temperatur? Sieiſt nicht einmal vollkommen zur Würfklichkeit oder zur Aus- übung zu bringen. Und wenn.dieſes auch wäre : würdeſie auch der Würkung der Muſik nüßlich oder vortheilhaft ſeyn? Ich glaube, dieſe Frage ließe ſich vielmehr mit Lrein, als mik Ja beantworten 3 inſonderheit wenn wir bedenken, daß die Veränderung und die Verſchiedenheit der Töne, wenn man die Stufen einer Tonleiter gegen die andere betrachtet, der Ausübung der Muſik undſelbſt der Compoſition und dadurch dem wahren Ausdrucke große Schönheit und Stärke geben. Dieſe und dergleichen Spekulationen würden alſo den Geiſt des Componiſten einſchränken, ihn in Schwierigkeiten verwi- keln, die ſein Genie ermüden, ſeine Compoſitionen inSäge ohne Kraft, ohne Nachdru>, ohne Geiſt und Leben verwan- deln. =- Doch ich halte mich beydieſer Materie zu lange aufz es iſt Zeit, wieder auf mein Buch zu kommen, von demich noch etwas im Voraus anzumerken habe. i
Esiſt alſo kein vollſtändiges Syſtem der Muſik, was ich
ißt, durch den Drubekannt zu machen, anfange. Ich gebe es feinesweges dafür aus, und kann es auch nicht thun; denn es ſoll nichts anders, als eine vollſtändige Anweiſung zur mu- ſikaliſchen Compoſition ſeyn. I< habe es daher auch, und um feinen Vorwürfen ausgeſeßt zu ſeyn, lieber unter dem ſimplen Titel z Ueber die muſikaliſche Compoſition her- ausgeben wollen. Ich habe dazu auch noch dieſe gegründete Urſache gehabt, weil das ganze Werk, wie manſchon einiger maßen aus demTitel urtheilen kann, noch mehr aber aus der Einleitung wird ſchließen können, größtentheils kritiſch ausgeführt werdenſoll 3: ob ich ſchon nur denvierten Theil un- ker der Aufſchrift: der kritiſche Theil .ankündige. Vorrede, NXT. "Manwird ſchon aus der Ausführung der in dieſem erſten Theile enthaltenen Materieen ſehen, daß ich nicht nur alles Xritiſch unterſuche und abhandele, ſondern daß ich auch zu- weilen in den hiſtoriſchen Theil der Muſik übergehe- Dieſes war gewiſſermaßen nothwendig. Manche Materieen laſſen . ſich nicht vurc<aus deutlich oder umfänglich abhandeln, ohne . wu anzumerken, wie ſie entſtanden ſind, oder wie man ie vorzeiten befrachtet hat, oder auch in welchen Umſtänden | die Muſik ehmals geweſeniſt, und wie ſie auf uns gekommen ſind: » Ich habe etwas dergleichen in der Betrachtung der al- ten Moden oder Kirchenköne und in der kurzen Abhandlung Über die Solmiſation, welche der vorigen beygefüget iſt, thun müſſen.: Beyde Materieen haben viele Verbindung mit den dünflern Zeiten, worinnſie zuerſt zum Borſchein kamen, undals man die Muſik zur Nachahmung deralten griechi- ſchen Muſik verbeſſern wollte. Es waralſo, der gegenwär- “tigen oder neuern Limſände der Muſik wegen umſo viel mehr nöthig, ſie dadurch deutlicher aufzuelären, und inein helleres Licht zu ſeen, je mehr es in der That wahriſt, daß man ſie noc<h ißf zu kennen und zu verſtehen nöthig haf. Erfahrne Coimponiſten wiſſen gar wohl, daß ihr Gebrauch noch nicht ſo veraitert iſt, als einige wohl denken, die aber mit.dem gan- zen Umfange der Kirchenmuſik nicht gehörig bekannt zu ſeyn ſcheinen.“ Weiß mandenn nicht, daß die Melodieen unſerer alten Kirchengeſänge, ſo wie auch die Pſalmen der reformir- ten Gemeine, urſprünglich in diefen alten Moden oder Tönen * geſekt ſind, und folglich auch darinn geſungen und geſpielet werden ſoliten? Da nun ſchon («115 dieſer Urſache die Kennt- niß derſelben nothwendig wird, ſie auch wegen der Miſſen, des Chöralgeſanges und der damit verbundenen Reſponſorien u. d. gl. und dann in Anſehung ihres eigenen inneren Werthes eine Unterſuchung verdienen; zutnal da ich aus der Erfah- rung weiß, wie nur wenige Muſiker, ſo gar nicht gemeine XRU Vorrede, Componiſtein und Organiſten, mit ihnen bekannt ſind: ſo ha- be ich es für eine Nothwendigkeif gehalten, in dem-theoretiz2 ſchen Theile dieſes Buches und zwarin einer beſondern Bes trachtung die Charaktere diefer alten Kirchentöne hiſtoriſch undkritiſch zu beſchreiben, und folglich aße ihre Eigenſchaften beſtens zu entwickeln 3 zugleich aber alles, was-zu ihrer Aufz klärung, um inſonderheit angehende Organiſten und Compoe- niſten und Sänger darinn zu unkerweiſen, dienlich ſeyn kann, aus den Schriften und Corapoſitionen der vorigen Jahrhun: ' derte zuſammen zu kragen. Es haben nicht alle und jede Mux- ſikverſtändige, wenn ſie es auch wünſchen, Gelegenheit, die Schriften der alten Tonlehrerund noch weniger ihre Muſik: . frücke durchzuſehen, und ſich nüßlich zu mächen. Sieſindoft ſelten und ſchwer zu erhalten, Mandarfſich daher die Weit- läuftigfeit dieſer Betrachtung nicht abſchre>en laſſen 3 denn wennſie ſie mit Aufmertſamkeit durchſtudieren werden 2 ſo werden ſie den Nugen derſelben merklich ſpüren: = Doch ich habe in der Betrachtung dieſer Moden die Nothwendigkeik der Kennrniß derſelben zur Eenüge.dargethan. = ; Hier muß ich noch von denen in der Anmerkung bey 5.202, angeführten beyden alten Geſangbüchern etwas umſtändlicher reden, weil ſie in der That ſchr alt ſind, und überdieß zur Kenntniß der urſprünglichen Chorälmelodieen ſehr viel bey- kragen, ja viele derſelben ſchr genau und deutlich beſtimmen können. Dasälteſte iſt, wie ich im angeführten 8. bereis an- gemerkek habe, in Strasburg im Jahre 1578. und zwar durch Theodoſius Richel gedru>t. Der Druiſt durchausſchr ſauber; alle Seiten ſind ringsrum mit ſchr wohl gemachten Einfaſſungen in Holzſchnitten gezieret. Die Buchſtaben be- ſiehen insgeſamt aus ſogenannter ſchwabacher Schrift. Der Herausgeber hatſich nicht genannt. Die Melodieen ſind nach damaliger Zeit gut und reinlich gedruckt, aber faſt alle oder doch die meiſten ſichen in verſezten Modenz doch geben ſie die Vorrede, - XX7um Ofiginalmodein"ſchr vichtig “zu erkennen. "Sie zeigen alle Merxemale des Alterthums an, und können gar wohl zur Re-: gel dienett, wormach man. diejenigen, welche noch itt gebräuch-: lich ſind, verbeſſern könnte. "Dieſe Melodieen ſind zwar-ins-. geſamt ohne Baßbegleitung, da ſie aber für original anzuſe-! hen find, ſo hat dieſer Mangel wenig. zu bedeuten. Esfin- Den fich auch hin undwieder die im alten Choralgeſange ſonſt, gewöhnlichen Syllbendernungen, ſie ſind aber ſparſam. und. eingeſchränkt. Es ſind in dieſein .Buche tr:berhaupt hundert. und einige funfzig Melodieen.zu mehr als zwey hundert Lie-. dern befindlich. Den Beſchluß macht die Likaney mit ihrer. noh gewöhnlichen Melodiee in zweenen Chören. ie Das andere Buch iſt eilf Jahre neuer als das. vorige,. 6leichwohl aber merfwürdiger und richtiger. Der vollſtan-. dige Titel iſt dieſer: Cantica lacra, partim ex ſacris literis de-, ſumta, partim ab orthodoxis patribus, et piis eccleſiae Dotto-. ribus compolita, et in uſum eccleſiae et juventutis ſcholaſticae Hamburgenfis colletta, atque ad duodecim Modos ex dottri-. na Glareani accommodata et edita ab Franciſco Elero Ulyf- ſev. Acceſſerunt in fine Plalmi Lutheri, et aliorum eius ſe-. ceuli Do&orum, itidem Modis applicati. Hamburgi excude-. bat Jacobus Wolff. Anno MDXIIC. Nach demTitelblatte folget eine in lateiniſcher Sprache geſchriebene epiſtolariſche. Präfation des David Chytr&us an den Berfaſſer.oder Her-. gusgeber, worauseine ſehr gute hiſtoriſche Kenntniß der Mu- fie ſeiner Zeiten hervorleuchtet. Es erhellet zugleich daraus, daß alle darinn befindliche Cantica ſacra, wie ſolches auch der Augenſchein beweiſet, nach demalten gregorianiſchen Cho- ralgeſange, und alſo im Originalſtyl, beybehalten, erſcheinen“ und darinn unverändert vorkommen. Wieer denn auch die alten zwölf Kirc<hentöne, oder Modos muſicos, die unverän- dert und unverſeßt überall erſcheinen, mit großen Lobeserhe- bungen anpreiſet. Nach dieſer Präfation ſtehet des Berfaſ: XX1V Vorrede, ſers Zuſchrift, auch-in lateiniſcher Sprache, an die Kirchen? vorſieher und Juraten. der Hamburgiſchen Kirchen. Wor- auf nach einigen Lobgedichten auf den Herausgeber, deßen Anmerkungen über den Gebrauch dieſes Buches bey dem Gottesdienſte nach den verſchiedenen Zeiten, Feſitagen und Sonntagen folgen. Dieſe Anmerkungen beſchließen einige gute Erinnerungen, den Borſänger, den Organiſten und die Chorſchüler betreffend. Ex ſpricht *) : „Es iſt Fleiß anzu- „wenden, damit im Singen einerley Menſur oder Takt ge- 5»halten, und der Geſang gegen das Endenicht geſchwinder, „als im Anfange, geſungen werde. Ingleichen damit inſol- „<hen Stellen, wo es entweder der Ausdruck der Worte, oder „die Melodie, oder auch die Verzierung des Geſanges erfo- „dert, maßige Pauſen eingerücket werden; wie auchdamit im „Shore nichts geſungen werde, als was die Chorſchüler zuvor „gelernet haben und ſingen können. Esiſt auch darauf Ach- „tung zu geben, damit die Schüler die Bokalen richtig auf- „ſprechen, und fein a für ein 0, kein e für ein i,-kein es für „einis, kein 08 für ein us hören laſſen, wie viele derſelbenſonſt | „zu thun gewohnt ſind. Der Organiſt ſoll den Vorſänger „fragen, was für ein Introitus, was für Reſponſorien und „und aus welchem Toneſie geſungen werden ſollen? Denndie „Verſchiedenheit unter den Singenden und Spielenden erwe- „>et bey den Zuhörern E>el und Yergerniß., Wer muß *) Adhibenda quoque diligentia, ſciant pueri. Obſervetur etiam, ut utintercanendum unaet eademmen- pueri Vocales redte pronuncient, ne ſura ſervetur, ne in ſine cantus ma- a prO 0, € pro H, es pro is, 0S pro us gis praecipitetur, quamin principio. legant, ut bona pars facere ſolet, Item, ut in debitis locis, ubi, aut fen- Organilta quaerata Succentore, quid tentia, aut cantus Melodia, ſive or» Introitus aut Reſponſorii vel "Toni natus, id poſlulat, pauſac mediocres canturus ſitz Diverſitas enim canen- interponantur. Item, nihil Tantetur tium nauſeam et ſcandalum generat in Choro, nili prius didicerint aut auditoribus. Vorrede; RRV nicht geſtehen, daß dieſe kurzen Erinnerungen insgeſamt ſo wohl gewählt und ſs treifend Ind, daß ſie nicht beſſer ſeyn kön: nen? Inſonverheit iſt das, was er zuletzt von der Berſchie- denheit der Singenden und Spielenden ſaget, noch i8t ſo wabr- und wichtig, daß man es den Geiſtlichen, die nach dem Ri-- tual vor dem Altare die Reſponſorien, Intonationen u. d. g,. nach dem alten Choralgeſange abſingen, mik allem Rechte im Chore aufeine Tafel ſchreiben ſollte, damit ſie wüßten, wie anſtößig es iſt, wennſie den Tonnicht treffen, worinn ſie an- fangen, und endigen ſollen. Wem iſt es unberkannk, wie ſchr oft dieſe ehrwürdigen Männer gegen den Tonverſroſſen? und“ wie ſehr beleidiget es nicht das Gehör, wennſie in einem, dem Tone, in welchem der Organiſt ausgehalten, oder den er ih- nen wohl gar angegeben hat, ganz entgegen geſeßten, Tone anfangen? Manfühlet dieſes inſonderheit mit dem größten Edel, wenn in den Reſponſorien der Prieſter und der Sin- ge<hor mit der Orgel im Tone uneinig ſind, und wennjener auf keine Weiſe den rechten Ton. finden kann. Der Organiſt und der Chor werden, den Zuhörern zumgrößten Aergerniß, oft in ſolche Berwirrung geſeßt, daß ſie zuweilen kaum oder ar nicht errathen können, in welchem Toneſie antworten ollen. Wenndoch alle junge Leute in ihrer Jugend oder auf Schulen die erſten Anfangsgründe der Muſik, inſonderheit der Singekunſt, lernen mögten, weil doch endlich eine Zeit kommen kann, da die gänzliche Unwiſſenheit darinn nicht al- lein ihnen ſchädlich, ſondern wohl gar ihrem Amte ſchimpflich ſeyn kann. =- ; ' Das Buch ſelbſt hat zwo Abtheilungen, wie ſchon aus dem Titel zu erkenneniſt. Inder erſten Abtheilung ſtehen an- fangs alle Lobgeſänge, meiſtens in lakeiniſcher Sprache, un- ter andern auch der Ambroſianiſche Lobgeſang nach Lu- thers Ueberſekung, aber in platkdeutſcher Sprache, doch in eben der Melodie, die faſt überall noch ißt gebräuchlich iſt, zu: XXVI Vorrede, gleich aber auch in zweene Chöre abgekheilet. Hiernächſt ſte- hef das Credoerft lateiniſch, alsdann plattdeutſch, wie es vor dem Alkare nach dem alten Choralgeſange vorzeiten geſungen worden, und dann auch in der gewöhnlichen Melodie, wie es noch hin und. wieder von der Gemeine geſungen wird. Hier- quf folgen verſchiedene Kyrie und Sanctus nebſt dem Glo- ria, ingeſamt lateiniſch und nach dem alten Choralgeſange. Zuleßt ſtehet das Sanedtus plattdeutſch, oder Jeſaia dem Pro- pheten u. ſ. w. wie es von der Gemeine und abwechſelnd mik den Chorſchülern ehmals mag geſungen ſeyn worden. Die Worte: Zeilig iſt Gott der Zerr! oder wie es im alten Plattdeutſchen heiſſet: Zillig ps Godt der Zere ! ſind am Endemit vier Tenorſtimmenbeſonders ausgeſest. Dasiſt guch der einzige vierſtimmige Saß. im ganzen Buche, oder vielmehr in dieſen Canticis lacris. Die vierte Stimmeführet die Melodie des Geſanges, und fängt ſechs Takte ſpäter an, als die erſte Stimme. Der ganze Saßiſt eine contrapunkti- ſche Nachahmung aufdie vier erſten Töne der Melodie: C, H, A, G. Dererſie Tenor fänget an, ihmfolget imdritten Takte der zweete Tenor, dieſem im vierten Takte derdritte Tenor, und endlich, wie ich ſchon geſaget habe, nach ſechs Taktender vierte Tenor, als die Hauptſtimme. Die Urſa- <e, warum ich dieſen vierſtiimmigen Sax beſonders anführe, iſt dieſe, weil ich daraus gänzlich überzeuget werde, daß die Alten vieleJahre nach einander, obſie ſchon den unkerliegen- den halben Ton oder das. Semitonium Modi in der diſkantiſi- renden Clauſul jedesmal geſungen, ihn dennoch niemals oder doch nurſelten angezeigek, ſondern insgemein dafür nur den, der diafoniſchen Leiter gemäßen, ganzen Tonhingeſchrieben haben. Dieſer kleine vierſtimmige Saß beweiſet dieſes überzeu- gend; denn die Modulation in den dre) Oberſtimmen würde unregelmäßig und ſo gar einmal in zwo Stinimen gegen ein- ander mit unrichtigen Qvintenprogreßionen ausgeſchmückt Vorrede. XKVILE ſeyn, wenn ſie nicht den unterliegenden großen halben Ton für den ganzen Ton geſungen hätten: Wirhaben nicht Ur- fache, den Componiſien ſelbiger Zeiken unregelmäßige Gänge vder verbotene Qvointenprogreßionen beyzumeſſen. Sie wuß- fen ſie wohl ſo gut, wie wir, zu vermeiden, und beßer, als die meiſten italieniſchenComponiſten unſererZeiten.inihren Com- poſitionen beweiſen.“ Mankann auch ſo gleich aus der Har- monie und dem übrigen Zuſammenhange gar bald urtheilen, ob der Componiſt ſeine Kunſt verſtanden haft. Von dem Ver- faſſer dieſes Satzes ſo wohl, als auch von andern Säßen,die ich in andern alten Compoſitionen bey dieſer Gelegenheit nachz geſchlagen habe, beſtätiget es ſich volkommen, daß man vor- zeiten die Regeln des reinen Saßes ganz gut verſtanden und auszuüben gewußt hat. Mandarfihnenfolglich nicht ſolche häßliche Fehler Schuld geben z ſondern vielmehr daraus ſchlie: ßen, daß in allen alten Choralmelodieen von dem ächten al- ken Originalgepräge, worinn in dendiſkankiſirenden Clau- ſuln ausdem ganzen Tone aufwärts in den Schlußton gegan- en wird, jederzeit der große halbe Ton als das Semitonium odi verſtanden werden muß. Darauslaſſen ſich nunviele Gänge, die uns in den alten Choralmelodieen wiederſinnig vorkommen, aufklären und berichtigen. In der That, wenn wir den eigentlichen Choralgeſang der Alten, und alles was in dieſem Style geſetzet iſt, genau betrachten : ſo werden wir finden, daß ſie das = oder das Erhöhungszeichen bey vorfal- lenden Umſtänden, und wenn es nothwendig war, zwar ge- dacht, und folglich auch geſungen haben, ob ſie es ſchon nie- mals, wie viele Beyſpiele zeigen, vor den Noten ausgedrücek haben. Hingegen im Figuralgeſange findet manin den alten Miſſen das Gegentheil. In dem großen Miſſalbuche, das de la Zele herausgegeben hat, und ich gelegentlich angeführek habe, finde ich in allen Miſſen des Orlando Laß, des Jos- qvin des Prez und Thomas Creqvilion, daß ſie dieſes Er- MRV Vorrede, höhungszeichen da, wo es nöthig war, niemals weggelaſſen haben. Warumſiedieſen Unterſchied gemacht haben, da- von fannich keine Urſache angeben. Hingegenzeiget es ſich, daß ſie im Choralgeſange ſo wohl, als im Figuralgeſange das runde b oder das Erniedrigungszeichen niemals weggelaſſen haben, wenn es die Modulation erfodert hat. Mankanndie- Fes auch. aus der alten vierſtimmigen Compoſikion des Liedes: Allein Gott in der Z5h ſey Ehr, die ich dem Schluße der Betrachtung der Kirc<hentöne beygefüget habe, deutlich ſehen. Obſchondieſes Lied in einem verſetzten Tone ſtehet : ſo wuß- tenſie doch eben ſo wohl wie wir, was in einemverſetzten To- ne für Töne vorkommen konnten. =-- Doch wieder auf die Cantica ſacra Eleri zu kommen. Nach dem angeführten San&us folgen die Prafationen auf alle 'Sonn- und Feſttage durch das ganze Jahr, ſo wie ſie der Prie- ſter vor dem Altare und zwar nach dem alten gregorianiſchen - Choralgeſange abzuſingen pflegte; alle lateiniſch und hin und wieder mit beygefügten Ankiphonien und Reſponſorien. Ue- berall iſt die Zahl des Kirchentones und meiſtentheils auch der glareaniſche Name deßelben angezeigt. Nach dieſen Präfa- tionen folgen ſo genannte Cantiones, -quae in Exeqviis defun- &orum cantari lolent, oder Begräbnißgeſänge , insgeſamt mach dieſem alten Choralgeſange. Darinn findet man auch "die alte Hymne des Prudentius : lam moeſta qvielce qve- rela, und zwarin ihrer gewöhnlichen noch ißt bekannten Me- lodie, die, wie ich nicht anders weiß, noch zuweilen geſungen wird. =- DenSchluß machen endlich noch einige ſo genannte Tropi Verfuum in Reſponloriis fingulorum Modorum, oder Intonationen nach allen zwölf Tönen. ; Manſiehek aus dieſer Anzeige des Inhalts dieſes anikt felken gewordenen Buches, daß darinn alles enthalten iſt, was vorzeiten in den Hamburgiſchen Kirchen durc<s ganze Jahr, vom Prieſter im Chore, von dem Chorſänger und von den -V.drrede. XXIX Chorſchülern durch alleSonn-und Fefikage dem Ritual ge- maß, zu ſingen, eingeführet geweſen, und zwar alles mit der größten Richtigkeit und mit dem größten Fleiße geſammlet. uch ſind Dru, Noten, Text, Papier, alles überausſau- ber und ſchön, und dem Kupferſtiche ſehr ähnlich. . Das äu- berliche Anſehen könnte auch ißt unſern beſten Buchdrucke- reyen Ehre machen, ſo ſchön ift alles. Ueber die Sauberkeik der altmodiſchen Noten des Choralgeſanges muß man ſich Fehr wundern z denn es ſcheinet, daß fie der Erfindung unſe- res ißigen Notendrucks gleichſam den Weg gebahnet haben. Undſo viel von der erſten Abtheilung dieſes ſchönen Buches, . Die zwoke Abtheilung dieſes Buches, welche nur allein amnfere Kirc<hengeſängebetrifft, führet dieſen Titel; Plalmi D. Martini Lutheri et aliorum ejus ſeculi Pſalmiſtarum, itidem Modis applicati. : Vt, quos Lutherus Pſalmos Germanicus Orpheus, Qyosgqyvepatres alii concinuere, canas, . (Hos qvogve Franciſci ſolertia reddit Elerj Ordine digeſtos, applicitosgve Modis. . C S. NH. Hamburgi per lacobum Vuolffum. MDLXXXVIIS. . Nach dieſem Titel, der, wie manſiehet, ſich auf den erſten ſchon an- geführten Haupttitel beziehet, folgen etwan 103 Lieder, alle in plaktdeutſcher Sprache mit ihren Originalmelodieen in unz verſezfen Tönen. Am Endeeiner jeden Melodie findetſich die Zahl des Tones und insgemein auch der Namedeßelben ausdrücklich beygeſeßt. Druund Papier ſtimmen mit dem Ganzen überein. Die Noten ſind deutlich, und fo, wie ſie damals in der Figuralmuſik gebräuchlich waren. Manche Melodieen unterſcheiden ſich von denen in den ſchon beſchrie- benen zu Strasburg gedruckten Pſalmen und geiſtlichen Lie: dern; in welchen aber, wie ich ſchon gemeldet habe, die mei- . ſten in verſeßten Moden ſtehen. Das Borzüglichſte im Ham- XXX . Vorrede, burgiſchen Buche iſt wohl dieſes, daß alle Melodieen in unver- ſetzten und ausdrücklich benannten Tönen ſichen, woraus man nicht nur die Wahrheit und Richtigkeit einer jeden Me- lodie,. ſondern auch. die Natur und Eigenſchaften der Töne ſelbſt am richtigſten beſtimmen kann, undfolglich beſſerer und 095 als nach dem Strasburgiſchen Buche, in welchem ie Melodieen insgemein in verſeßten Tönen ſtehen. Es wä- re einem Commwoniſien feine unanſtändige, ſondern vielmehr eine löbliche, Bemühung, die -Melodieen, welche in dieſen beyden ſeltenen Büchern von einander abweichen, gegen ein- - ander zu halten; zumal da ſie beyde übrigens alle Merkmale der vollkommenſten Richtigkeit, was die alten Moden, wor- aus ſie geſetzt ſind, betrifft, beſitzen. Nur Schade, daßin bey- den Büchern alle Melodieen insgeſamt keine Baßbegleikung haben. Ob nun ſchon in dem Strasburgiſchen Buche die Modulation mit der ißt gewöhnlichen faſt mehr überein zu fommen ſcheinet: ſo ſcheinen doch die im Hamburgiſchen, - weilſie die unverſeßten Tonarten behalten haben, auch über- dieß von einem Componiſten geſammlet-und herausgegeben ſind, zuverläßiger oder originaler zu ſeyn. Denn Sran- eiſcuys Klerus oder Sranz Ehlers war, wie aus der Präfa-- tion des Chyträus, aus ſeiner eigenen Zaſchrift an. ſeine Obern, und daun aus deßen darauf folgenden Vorerinne- rungen zu erhellen ſcheinet, unfehlbar Cantor und Muſikdi- ' reckor in Zamburg, und alſo ein Borweſer eines Telemanns - und Bachs, dieſer .der Muſik und ihren Zeiten ruhmwürdi- gen Männer. Ehlers waralſo vermuthlich ſelbſt ein guter Componiſt ſeiner Zeiten. I< muß mich daher um ſo viel: mehr wundern, daß er dem fleißigen Walther unbekannt ſeyn können 3; denn man wird ihn in ſeinem Wörterbuche vergebens ſuchen. : ESiſt noch zu merken, daß die neunfe Melodie vor dem Endedieſes Geſangbüchleins zu einer uralten Hymne, die ſich . Vorrede, RNKZX! iin Lakeiniſchen anfängt : Spiritus ſandt gratia &c. gehörek. Sieiſt vierſtimmig ausgeſeßt. Ihr Toniſt der achte, näm- lich der 8oliſche. Sie hat keine Merkmale eines halben To- nes, und ift im übrigen voneiner beſondern Modulation. Es finden ſich darinn auch beſondere Syllbendehnungen, die ſich “.von anderndieſer Art ſehr unterſcheiden. AmEndehält der Tenorſo gar in der kleinen Terz aus. Eine Freyheit, die man vielleicht in keiner alten Compoſition antreffen wird. Es kommt mir gleichwohl ſehr wahrſcheinlich vor, daß die vier- ſtimmige Compoſition dieſer Hymne, ſo wie ſie hier ſtehet, noch ein Ueberbleibſel wenigſtens aus dem funfzehnten Jahr- " hunderkeiſt. == Dieſe Hymneiſt ſonſt im Deutſchen unter . dem Geſange: des heilgen Geiſtes Gnade groß, bekannk, pe. wird noch hin und wieder faſt in derſelben Melodie geſungen. , ""Ich-zweifle nicht daran, daß dieſe Anzeige oder Beſchrei- bungdieſer beyden mit den Originalmelodieen unſerer alten Kirchenlieder verſehenen Bücher den Kennern des alten Cho- rälgeſanges und inſonderheit den Liebhabern unſerer alten Choralmelodieen angenehm ſeyn muß; zumal daſie zur Ber- beſſerung und Herſteijung unſerer zum Theil verdorbenen Choralmelodieen ſchr vieles beytragen können; ja, in der Thatzur Aufklärung derſelben faſt unentbehrlich ſind. Die- ſes muß ich noch bemerken, daß im erſten Theile des Ham- burgiſchen Buches die Noten die uralten Noten des gregorig- niſchen Choralgeſanges ſind, aber viel ſchöner deutlicher und zierlicher, als man ſie zuweilen auf alten Pergamenten an- frifft; die aber zu den Hymnen und Liedern gehören, ſind die Noten des alten Figuralgeſanges, ſo wie manſie noch in den Miſſalbüchern findet, welche, wie bekannt, insgemein feine Taktſtriche haben. „Mankann übrigens die Pſalmodie des Lucas Loßius die in Lüneburg 1569 gedruckt, und, wie ich glaube, bekann- KXX1Y Vorrede, ter iſt; mik dieſem Hamburgiſchen Buche vergleichen. Beyde Bücher ſind faſt von gleichem Inhalte; nur iſt: die Pſalmo-, - die nicht völlig ſo ordenklich eingerichtet. Die Noten ſind zwardieſelbe Art von Noten,-aberviel älter und undeutlicher,» und den Noten, die man dann und wannauf alken Perga-- menten antrifft, ſchr ähnlich, und faſt noch ſchlechter; unge- achtet es noch nicht zwanzig Jahre alter als das Hamburgi- ſche Buch iſt. Einige Hymnen fommen zwar in der Pſal- modie vor, die.in jenem AEN hingegen haf das Ham- burgiſche Buch einen großen Reichthum an Kirchenliedern 3 denn in der Pſal modi e find en ſich dere n nur ſchr weni ge; Ue - berdieß fehlet in dieſer überall die Anzeige der alten Moden, ob ſie ſchon, wenn manſie unterſuchet, ebenfalls richtig und original. ſind, Einem jeden wird vielleicht nicht unbekannt ſeyn, daß die Pſalmodie ebenfalls eine Art eines Rituals in. Anſehung des Abſingens, der Intonationen, Präfakionen, Reſponſorien u..d. g- war, das ehmals in ganz Niederſachſen: in allen Kirchen, auch in den Herzogthümern Schleßwigund Hollfrein, eingeführet war. Es iſt alſo ebenfalls von Wich- tigkeit und zur Kenntniß des alten Choralgeſanges und der alten Moden ſehr nüßlich. 3 Ich bin überzeugt, daß angehende Componiſten, welche die wah ren Char akte re des alte n Chor alge ſang es, den alte n Canto fermo, die alte Figuralmuſik, nebſt der wahren Be- ſchaffenheit unſe rer faſt ausg eark eten Kirc <hen melo diee n, die von allen etwas anſich haben, gründlich ſtudieren wollen, ſich noth wend ig um derg leic hen alte Den kmä ler oder Orig inal e, wie die itt beſchriebenen ſind, bekümmern müſſen. Sie fön- nen dara us durc h die Erf ahr ung eine grün dlic he und in die Auge n fall ende “ Kenn tniß der alte n Kirc hent öne und dieſ es alten Styls, der beyn ahe für verl oren geac htet werd en kann , ambeſten erlernen . Doc h man muß nic ht allei n bey ſolc hen Büchern ſtehen bleiben ; denn die dadurc< zu erlangende! Vorrede. | KXXXUTI Kennkniß würde zu eingeſchränkt ſeyn. Man muß größere und umfänglichere Originalexempel vor ſich haben, umzu ei: ner ſichern und Wurzel ſchlagenden Gründlichfeit zu gelan- en. Man mußſich nach den alten Miſſalbüchern, inſonder- „Heit nach ſoichen umſehen, welche bloß für die Singeſtimmen bhne einige Baßbegleitung geſetzt ſind. Dieſe nebſt den alten ehmals gebräuchlichen Sammlungen von Mottetten, auch "ſelbſt eines 53mmerſchmidts nicht auszuſchließen, ſind in er That vortreffliche und gewiſſe Huülfsmittel, ſich Negel und Erfahrung zugleich zu erwerben. Herr Doktor Burnepyhat im vorigen Jahre in Londoneine kleine aber ſeltene Samm- lung hieher gehöriger Singeftü>e unter dem Titel : La Mu- ſica, che li canta lalettimana ſanta herausgegeben. Esfinden ſich darinn diejenigen faſt unbekannten Singeſtüe, welche in der ſtillen Woche in der pabſtlichen Kapelle zu St. Peter in Rom abgeſungen werden. Sie ſind beydes wegen ihrer Seltenheit und Güte überaus ſchäßbar, und insgeſamt von großen Meiſtern, deren Namebereits ihr Lobſpruch iſt, ge- ſezet worden- Wemwird wohl der Ruhmeines Allegri, Präneſtini, und Thomas Bayunbekanntſeyn ? - Manwirdin dieſem Theile ſehen, daß ich darinn noch ein paar male in denhiſtoriſchen Theil dex Muſik einen Ueber- gang gewaget habe. Daran war alsdann. die Materie, von der ich handeln follte, Schuld. Dergleichen iſt geſchehen,“ theils in der Betrachtung der Hypotheſe eines Rameau, theils auch in den Zuſätzen. Inbeydenerfoderte der Zuſam- menhangeine ſolche Erklärung oder Ausſchweifung. In den Zuſätzen fand ich es wenigſtens nicht für überflüßig, die Vor- ſtellung der Klanggeſchlechte der alten Griechen nicht zu über- ehen, und durch eine, unſerer heutigen Muſik gemaße, Bor- ſtellung einigermaßen zu erläutern Noch weniger wird man mir es verdenken, daß ich in dieſen Zuſaten von einigen Ber- Fuchen, das Intervallenſyſtem und die Klanggeſchlechte betref: e KXXIV Vorrede. fend, geredet habe; denn es wird wohl niemand läugnen kön- nen, daß dieſe Materien in unſerer heutigen Muſik von nicht geringer Wichtigkeit ſind, und daher kaum umſtändlich ge- nug beſchrieben und erkläret werden können. Ohnedieſe Mü- he werden den Anfängern die Materie der Muſik, nämlich die Töne, womit ſie arbeiten ſollen, keinesweges umfänglich und mit Nutzen verſtändlich werden. =- Doch ich will nichts weiter davon ſagen, als daß ich mir Leſer und Beurtheiler unter den Kennern wünſche, die, wenn ſie darüber urtheilen wollen, nicht obenhin, ſondern mit wohlgeprüften und geläu- terten Begriffen ihre Urtheile abfaſſen, und mir ſo begegnen, wie vernünftige Gelehrte und Kunſtverſtändige einander billig begegnen ſollen, wenn Anfänger, die ſich ihrer Unterweiſung bedienen wollen, es ſey nun mündlich oderſchriftlich, Nugen, ſie ſelbſt aber Ehre davon haben ſollen. . Noch Eins. Ich habe bey den Zuſäten noch anzumerken, daß ich, nachdem ſie bereits ins reine geſchrieben waren, im Durchſehen gefunden , daß ich würde beſſer gethan haben, wenn der Inhalt der 245-249. 8.5, nach dem 25oſten 5. wäre eingerückt geweſen. Doch dieſes iſt von keiner beſondern Ex- heblichfeit, und wird dem Zuſammenhange wenig oder zicht nachtheilig ſeyn. Es ſind Zuſäke, worinnes nicht nöfhigwar, eine <ronologiſcheOrdnung zu halten. Wenndieſe fo noth- wendig ware, ſo hatte auch der Auszug und die Beurtheilung des Tartiniſchen Traftats ſo gleich nach der erſten Betrach- fung, die das Rameauiſche Syſtem befrifft, ſtehen ſollen. Doch warum ſollte nicht ein Tartini dieſen erſten Theil eben ſogut beſchließenalsein Rameau, oderein anderer Tonlehrer. Aber da ich über die muſikaliſche Setkunſt ſchreibe, hätte mannicht in dicſer Vorrede eine Ausſchweifung in die Litera- fur, inſonderheit in diejenige, welche die Schriften, die man vor Alters und auch in den neuern Zeitfen über die Compoſt- tion geſchrieben hat, erwarten ſollen ? Ich war auch willens, Vorrede,“ RXXV in dieſen Theil der müſikaliſchen Literafur mich einzulaſſen 3 allein eines theils hat mich der Umfang dieſer Materie abge- fchre>t ; anderntheils finde ich auch ſolches für den einge- ſchränkten Raumeiner Borrede allzu weitläuftig, ſo. nüßlich es auch geweſen ſeyn mögte, zumal da ich in dieſer Vorrede von einigen andern Sachen nothwendig zu reden hatte. Dem Mangel, der ſich in der muſikaliſchen Literakfur überhaupt gußert, iſt durch einen Walther in dembekannten muſikgli- ſchen Wörterbuche und hiernächſt durch einen Adlung in der Anleitung zu der muſikaliſchen Gelaghrtheit nicht ſchr abgeholfen worden; wiewohl durch den erſten wenigſtens bef- fer, als durchden leßkern, der doch inſonderheit, dem Tikel feines Buches gemaß, davon handeln wollte. Es ſind darinn größtentheils nur Namenundſonſt fehr wenig dahin gehöri- ges; denn das meiſte und vorzüglichſie, was darinn vor- fommt, betrifft, in Betrachtung der Hauptmaterie, die der Inhaltſeyn ſollte, nur Nebendinge, ſo gut und gründlich ſie. gusgeführt ſeyn mögen 3 3. B. Alles, was darinn von den Orgeln und ihrer Beſchaffenheit u. d. g. geſaget wird. Wal- ther haf uns doch noch mit dem Inhalte der Schriften der Autoren,die in ſeinem Buche vorkommen,bekannt gemacht z Adlunghäkte weit mehr Urſache gehabt, eben dieſes zu thunz inſonderheit aber hätte er mehrere ſolcher Werke, Schriften und Schriftſteller auszeichnen ſollen, die man im Walther nicht findet, oder nicht finden konnte, als er gethan hat. Doch er iſt einigermaßenzu entſchuldigen, daß er ſeinem Titel nicht Genügegeleiſtet hat. Ein ſolches Fach gehörig auszufüllen, dazu gehöret bey einer vieljährigen Erfahrung und Kenntniß der Literatur überhaupt, eine gewiſſe Stärke in der Kritik, eine anſehnliche Bücherſammlung, ein weitläuftiger Brief- wechſel, und folglich auch ein ſolches Einkommen, welches die Unkoſten dazu, die nicht geringeſeyn können, zu beſtreiten hinreichend iſt. Aber welcher gründlicher Muſikocrſftändiger RAXRVI Vorrede, befindet ſich in dieſen glüklichen Umſtänden ? =- Doch wir haven ißt eine neue und faſt untrügliche Hoffnung, mit der Zeit dieſe Lücken in der muſifaliſchen Gelahrtheit ausgefüilek zu ſehen. Mt Berlangen ſieht man den Früchten ver Be- mühungen eines Barney entgegen 3 nämlich, wenndieſer getehrre Maſikverjrändige , der, um Materialien zu einer vollſtändigen Hiſrorie der Muſik zu ſammlen, mühſame und koſtbare Reifen unternimmt, der Welt ſeine geſamleten Schäße mittheilen wird. Denn wie manaus ſeinemerſt neu- lich herausgegebenen Tagebuche ſeiner dur<“ Srankreich und. Italien vollführten muſikgliſchen Reiſe ſiehet, iſt er ſelbſt ein Gelehrter und Componiſt zugleich, und alſo ein wür- diger Doktor der Muſik. Er ſammlet alſo mit hinlänglicher Einſicht 3; und es ſcheinek, er werde alles bemerken, was zur vollkommenen Kenntniß der Schriften oder Werke, die zur. muſikaliſchen Sein alter und neuer Zeiten gehören, und ſie umfänglich aufelären können, nothwendig erfordert wird. Seinſchon angeführres Tagebuch beweiſet dieſes. Und da er auch, wie ich erfahren habe, im vorigen Jahre 1772. ſeine Reiſe durch Deutſchland voliführet hat : ſo darf man nicht daran zweifeln, er werde ſeine Einſicht und Erfahrungin der Maſik und folglich auch ſeine, zur muſikaliſchen Literatur und Geſchichte geſammleten, Schäße nicht wenig vermehret haben. Mit Verlangenſiehet man alſo dem Nuten, der für das Beſie der muſikaliſchen Republik ungemein wichkig und lehrreich ſeyn muß, entgegen. Als einen Beykrag zur muſikaliſchen Literafur, die Cotn- poſition betreffend, kann man, wenn man will, folgenden Auszug aus einem, mir von einem Freunde mitgetheilten Ma- nuſteripte in ikalieniſcher Sprache, das von der Theorie der Compoſition, oder eigentlicher von der Tonbetrachtung, han- deln ſoll, anſehen. E*iſt ein kleiner Traktat nur von vier Bogen in Medianqvart, aber ſehr enge geſchrieben. Der Vorrede, KRRVvIE Tikel iſt dieſer: Saggio ſopra la Melopea prattica, dedotta dal ſuo vero fondamento Fiſico-Matematico. Der Trafktat gehö- ret unter die neueſten theoretiſchen Geburthen Welſchlands, aber der Berfaſſer iſt .mir ganz unbekannt geblieben, wenig- ſtens habe ich ihn nicht erfahren können. Jc< will mich in dieſem Auszuge der Kürzebefleißigen, und daher größtentheils nurdie Ueberſchriften der Abſchnitte, in welche er abgetheilek iſt, herſeßen, und nur dann und wann etwas daraus anfüh- ren, und mik einigen Anmerkungenbegleiten. Dererſte Abſchnitt handelt della Melopea. =- Derfol- con- gende delle Conlonanze; von denen eSheiſſet : Le ragioni fonanti poſſibili (Tecondo la Teoria Ipeculativa e fiſica) di pri- ma“lemplicitä, ſono le ſeqventi, espreſſe col numero, che in- . (2? > > dica la lunghezzadelle corderiſpettivi ai ſuoni: 1-3, 1-3, 1-5, e le derivate 7-7,3-3, 3-5. Man magdieſen Saß beurfhei- (7 FX Hh;
len, ich will ihn den Leſern überlaſſen. Vollkommene Conſo-
nanzen ſollen|dieſeſeyn : 1-Iv 1-F und 5-3» unvollkommene aber dieſe: 1-5, 3-5 und x-3- Dieſes dünkt mich, ſichet noch fehr luſtig aus. Der dritte Abſchnitt handelt degli accordi z der vierte degli accordi perfettiz; der fünfte degli accordi per- fetti ſecondo la Prattica ; der ſec<hfie degli accordi imperfettiz der ſiebente degli accordi imperfetti ſecondo la Prattica. ES iſt zu merken, daß die kleine Septime unter die Conſonanzen geſeßet wirdz der Vierklang dcr kleinen Sepktime, oder der kleine Septimenaccord wird aber beſonders unter die unvoll- kommenen Conſonanzen geſeßet, und Siligia compoſta oder eine zuſammengeſeßte Harmonie genennet: Dieſe Siligia com- poſta ift zweyerley, nämlich 1) Siligia compoſta armonica, weil ſie in der harmoniſchen Proportion, wie es heißet, ſtehet z 2) Siligia compoſta arithmetica, weil ſie in der arithmetiſchen Proportion ſtehet, Die erſie iſt ein conſonirender Accord, XXXVIII Vorrede, und beſtiehef aus der Coräa generatrice (daim Grund- oder Stammtone) der Terz, Qvinke und kleinen Septime. Es. wird alſo dieſer Accord nach dem Berfaſſer aus dem großen vollkommenen Dreyklange und aus dem anomaliſchen nam- lich dem uneigentlihen verminderten Dreyklange der Terz des Grundtones zuſammengeſeßt. Die andere beſtehet aus. dem“ Grund- oder Skammtone, der kleinen Terz, kleinen: Ovinte und kleinen Sepkime ; ſie wird alſo aus dem anoma-: liſchen 3bht;07 des Grundkones und aus dem kleinen voll-: kommenenDreyklange der kleinenTerz desGrundkones zuſam- mengeſeßt. Die erſte Art dieſer Accorde iſt, wie es heiſſek, die harmoniſche und die andere die arithmetiſche Sy3p-: gia; dennin jener ſtehet die reine Qvinte des Grundtones in. der. Mitten, in dieſer aber die reine Qvinte der Terz des Grüundkfones oben. Dieſe Eintheilung nebſt beyden neufrän- kiſchen conſonirenden Accorden wollen wir dem Berfaſſer, laſſenz wir haben damiknichks zu beſtellen. Der folgende achte Abſchnitt handelt de? Rivolti. Hier wird von der Umkehrung der Töne des Dreyklanges und der ißt beſchriebenen Sepkimen- accorde gehandelt. Nun kommtder neunte Abſchnikt del Mo- do überhaupf, und dann der zehnte Abſchnitt del Modo mag- giore. Die drey Töne oder Klänge, woraus Herr D' Alem- bert ſeine Durtonleiter erzeuget , kommen hier, aber unter . einemandern Namen, doch in eben der Würkung,vor. Der erſte Tonoder die erſie Unitst iſt der Haupkton Corda principale oder der Stammkon. Der andere Ton, die Dominante des Herrn D' Alemberts,heiſſet hier Corda corrilpondente, und der dritte Ton, oder die Unterdominantke, erhalt hier den Na- menCorda laterale. Hier fommtein langes und weitſchwei- figes Geſchwätz von den obenbeſchriebenen Syzygien und iß- ver Umkehrung vor, das wir aber übergehen wollen. Im eilften Abſchnitke de Modo minore wird vonderkleinen Ton- leiter auf ähnliche Art gehandelt; denndieſe, wie man leichf Vorrede. RKRXRIK denfen kann, kommt in ihrer Erzeugung mit" der vorigen überein. =- Nuniſt im zwölften Abſchnitte die Rede del ge- nere Diatonoſesqvitonico, communemente prattico nel modo minore. Daraus ſoll nun eigentlich die ißt gebräuchliche Molltonleiter 'zufſammengeſeßt und erkläref werden. Dieſes diatoniſch -ſesqvitoniſche Geſchlecht beftehet aus zwey Te- frachorden: Daserſte c, d, es, f iſt das diatoniſche Tetra- <ord, das andereg, as, h, c das Sesqvitoniſche. Dasiſt nun des Verfaſſers diatoniſch -'ſesqvitoniſches Klangge- ſchlecht, und folglich die zur Ausübung geſchickfe Mollkonlei- “ter; denn vermuthlich foll die zuvor beſchriebene, aus der Cor- da principale, corriſpondente und laterale entſtandene, nur die ' ſpekulativiſche ſeyn... Durch die Combinationeiniger Töne . Der diakoniſch - ſesqvitoniſchen Molltonleiter unter oder. über einander SEIDE nun eine neue zufammengeſeßte Syzy- ;gig, die aber weder harmoniſch noch arithmetiſch iſt, näm- 2 as T
lich h, d, 6; as oder 4 85 , und alſo der ſo genannte Accord
h 1 : “der verminderten Septimez den er aber, weil das Kind doch einen beſondern Namen haben muß, eine geometriſche Sy- Zygia nennet, weil er aus einer unbeſtimmten Folge oder Forkſeßung von lauter kleinen Terzen erwächſt, perche ſecon- do il ſenſo & una continuazione indefinita di terza minori egva- 4i, == Unddieſer Accord wird weiter zergliedert, und endlich gezeiget, wie herna< daraus durch Unterſchiebung des Grundtones der Qvinke des Haupttones der Nonenaccord enkſtehet. =- Derfolgende dreyzehnte Abſchnitt handelt de Diatonocromatico, pratticato nel Modo minore. Hier hat mannicht, wie in dem vorigen, mit Tetrachorden zu thun, Warum? Dasmuß der Verfaſſer wiſſen. Er ſpricht La lca- 1a del Modo minore € ſüſcettibile di Diatono- cromatica, Ciot d' un alterazione accidentale nel gvarto termine , come XL Vorrede, 22] ſenza che !' ordine del Modo rimanga offeſo, Ee AES HSS ed eccome Pintera ſcala MIE Es kommthier alſo darauf an, daß zwiſchen der dritten und vierten Stufe noch ein halber Ton nämlich Sis, eingeſchoben wird. Dahaben wir alſo eine neue Molltonleiter, die der Verfaſſer dazu nöthig hatte, um durch die Combination ge- wiſſer Töne dieſer Leiter den größten Sextenaccord enrſiehen zu laſſen; denn wenn zum Accorddie kleine Sexte dieſer Lei- fer, dieſes Sis geſeßet wird, ſo findet man dieſen Accord s 6'
e 3! der, wie es heiſſet, von den Praktikern der Accord der
„übermäßigen Sexte genennef!wird, weil dieäußerſten Klän- e deßelben in der Proportion der übermäßigen Sexte ſte- en. Wirddieſer Accord genau-unferſuchet, ſo findet es ſich, daß, nach dem Gehöre, derſelbe nichts anders iſt, als die zu- ſammengeſetßte harmoniſche Sp3ygia (nämlich der kleine Septimenaccord); denn der Unterſchied beſtehet nur inden Noten. (Wohl und gelehrt! Was muß der Mannnicht für gründliche Einſichten in die Harmonie beſißen ?) Es wirdzu- gleich denen wiederſprochen, welche vorgeben, dieſer übermg- ßige Sextenaccord wäre ausdieſemkleinſten Septimenaccorde es +7
€ 3 entſtanden, und alſo aus dem Grundkone, der klein-
fis x ſten Terz, kleinen Qvinke und kleinſten Sepkfime. Wir wol- len das Uebrige, was hier noc< weiter vorkommt, und was er wieder von der Corda corriſpondente und ihren Accorden und Umfehrungen und von dem conſonirenden harmoniſchen Septimenaccorde ſaget, übergehen, = Dervierzehnte Ab- .* "Vorrede, 7XL1 fchnitf hat die Ueberſchrift della Modulazione. Durch die Modulation wird die. Folge verſchiedener Poſitionen der Syzygien in der Tonart verſtanden, oder die Folge der Uni- tät. = Sieiſt zweyerley 3 Modulazione naturale und aceiden+ täle; und der funfzehnte Abſchnitt handelt alſo della Modula+ - Zione naturale ;. der ſechzehnte aber della Modulazione acciden« tale. . Man.darfnicht. denken, daß hier von der Melodie oder ihren Eigenſchaften geredet-wird. Daran wird gar nicht ze: dacht; es wird-hier vielmehr ein langes und breites von der unharmoniſchen Relation geredet und ob ta laterale auf corri- fpondente oder dieſe auf jene folgen könne oder nicht. = : Endlich. kommt der Berfäſſer auf die Diſſonanzen; dent der 17te Abſchnitt hat - die Ueberſchrift delle Dillonanze; Dueſuoni ſimultanei, che fra di loro non fieno in ragione cons fonante ſ0no,.diſſonanti. =-: .Wie-er fernev ſaget, ſo giebt es viererley Diſſonanzem Dieerſte iſt die Tone, -weil ſie die Ration.eines Tones übor die Unität der Octaveiſt 3 die zwote Diſſonanz iſt die Undecime, -die man dieQO.varte nen- net, weil ſie die Ration eines Tones oder eines halben Tones über der Octave der Terz. der Unitst iſt, nachdem nämlich die. Terz groß oder klein iſt; die drikte Diſſonanz iſt die Terzdecime (genannt die Sexte ), weil ſie die Ration eines Tones .0oder halben Tones über der Octave der Qvinteder Unitst iſtz- die vierte endlich. iſt die Qvartde: Time (große Septime), weil ſie die Ration eines halben Tones unter der Octave der Unit8t iſt. Es ſind alſo nur vier Diſſonanzen möglich in Anſehung der Units&t der Syp- zygie der diatoniſchen Skala, undſolche Diſſonanzen alſo; in Abſicht der Unität betrachtet, nennet man würkliche Diſs, ſonanzen, Diſſonanze reali. -Mehrerer Beqvemlichkeit und der Deutlichkeit wegen aber nennet man die Undecimedie QOvarte,weilſie der vierte Klang von der Octave der Unikaätiſtz dieTerzdecime dieSexte,weil ſie der PEEDg von derOcta- XLII Vorrede, veder Unikätiſt; dieQvartdecime die Septime,weilſie dey ſie- bente Klang der Octave der Unität iſt. Der Tritonusiſt kein brauchbares Intervall, weil er ſich ſchwer begreifen läſſet z; aber als die übermsßige Ovarte kommt er den unvollfom- menen Conſonanzen ſehr nahe; doch mit Erlaubniß der Theo- retiker und Prattifer. Hieraus lernen wir alſo, daß die Sexte eine Diſſonanz iſt, die kleine Septime und der Tritko- nus aber Conſonanzen ſind z und doch iſt die reine Qvarte, weil ſie die Undecime heißet, eine Diſſonanz. Manlernek alle Tage etwas Neues, aber nicht immey etwas Gutes. = Die Diſſonanzen ſind nur zufällige Dinge undnichts ſubſtan- zialles, wie einige vorgeben wollen. Sieſind nur Borhaltun- gen des Tones, in welchenſie bey der Auflöſung treten. Sie entſtehen alſo aus den Conſonanzen, -- Dieſes wird weitläufs fig angeführet, und auch auf, aus zwo bis drey Diſſonanzen beſtehende, Accorde ausgedehnet. =- Nuniſt im 18ten Ab- ſchnitte die Rede del lenlo muſicale. Ein muſikaliſches Stü iſt eine Verknüpfung von Sätzen und Perioden, wieeine zuſammenhängende Rede. Einejede Fortbewegung von ei- nem Takte zum andern oder von einer Hauptnote zu einer andern hat einen Sinn, oder iſt ein Satzz und wie nicht zwee- ne Klänge auf einander folgen können, ohne einen gewiſſen Zeitraum einzunehmen, ſo muß auch dieſe Fortbewegung mik Der Menfur des Taktes combiniret werden. =- Doch hier folgt eine weitläuftige Demonſtration, daß zwo Haupknoten oder Baßnoten, die der Grund der Harmonie ſind, einen Saß ausmachen3 wie dielezke abgefürzt werden kannu.ſw.wie vor einemſolchem Saßeeine Note vordergehen kann, wie end- lich auch die eine oder die andere dieſer Hauptharmonieeninklei- nere Töne zerfheilet werden.Z. B. der Saß Fizer --<Z<TDT-I ENWm z2DE iſt eigentlich dieſer : = oomwm“ und dieſe ſind die Vorrede, ' NLIH Grundtöne oder Noken ; ſie ſind das Gerippe, das Skele- ton. Bon den Säßen SEEZS
ſind dieſe Noken Nim das Gerippe,das
Skeleton. Soiſt es auch nach veränderten Umſtänden, wenndie Hauprnotken in kleinereNoten zergliedert werden.Das Gerippe bleibet immer daſſelbe. =- Nunfolget im neunzehnten Ab- chnitte de Periodo Muſicale eine Erläuterung deßen, was in er Muſik eine Periodeiſt. Aber dieſe Erläuterung iſt faſt nichts anders, als eine Wiederholung der Erläuterung des Sages3 denn wenn zwo Säße neben einander ſtehen, ſo ha- ben wir die Periode, Eine gute Folge von zweenen Säßen Sanita; macht alſo eine Periode gus. Z. B. [9-52] iſt eine Periode, die aus zweenen Säßen beſtehet, als: y Periode. 25 2-2 -5->= 7. davon ſind das aninennanne nemme . neemt Sat. Saß.
Skeleton dieſe Haupkfnoken :
Skel et on die ſe No te n ſin d : | =2 5 4 - 2 5 2 5
Jüdieſes alles nicht ſehr ſchön und nüklich ? Was'gehen uns die Einſchnitte u. d. g. an? Der Verfaſſer würde ſonſt auch KLIV Vorrede, wohl daran gedacht haben. Der zwanzigſte Abſchnikt hät die Ueberſchrift : delle Cadenze. Hier ſagt.uns der Derſaſſey nichts anders, als lauter bekannte und denCadenzen gewöhn: liche Dinge. =- Derein und zwanzigſte Abſchnitt handelk endlich delle Compoſizione. Die Compoſition heißet. es, iſt eine muſikaliſche Rede, wobey man betrachtet den An- fang, die Mitten und das Ende, La Compofizione & un ditcorſomuſicale, di cui ſi conſidera Principio, Mezzo e Fine. Eine trefliche Beſchreibung! Mögte man den. Verfaſſer nicht in die Schule ſchien? Der Anfang. Dieerſte Periode muß mit dem Zaupttone( Principale) anfangen und endigen, oder auch mit der Dominante (1a corrilpondente). Sie kann mit einer vorhergehenden Note anfangen, welche det Hauptton oder die Qvinte ſeyn kann u. ſ. w. =- 'Doch dieſe emeinen Dinge wollen wir übergehen: Die Mitten, Die- g beſtehet aus einer Folge mehrerer Perioden nach der Will: kühr .des Componiſten. = QMan. Fann leicht denken: daß auch hier nichts beſonders vorkonumen wird z denn es ſcheinet, der Verfaſſer wollre.wohl etwas ſagen, aber leider ! er kann nicht. Woranesliegt, das weiß er wohl am beſien, aber ex hat ſchweigen gelernet. = : Das Ende, Die Schlußperio- deift eine Periode, welche in ihrem lezten Satze die Haupk- cadenz enthält däher muß 'der vorhergehende Saß die Hauptcadenz vorbereiten. =- Manſiehet hieraus ganz deutz li, daß der Verfaſſer unter ſeinem Worte !a Compoſizione nichts weiter als ein muſikaliſches Stü, aber gar nicht die Kunſt, eine gute Muſik zu ſeen, verſtanden haf. Der gute Mannhatſeine Sache aber ſchr ſchlecht gemacht. Wer woll- te wohl darausverſtehen lernen, wie ein gutes muſikaliſches Stück beſchaffen ſeyn ſoll? Doch: wer kann etwas ſagen, das manſelbſt nicht gelernet hat, oder ſelbſt nicht weiß ? Doch wir wollen weiter gehen. Der zwey und zwanzigſte Abſchnitt han: delt del Siſtema... Ein jeder Modus,heißt es, hat ſein be; Vorrede, . 1NLY ' Fonderes Syſtem, nämlich ſeine unbeſtimmt FWAH de Seiter, La ſua ſcala indefinitamente continuata. Hiey- auf wird. etwas.von dem Unterſchiede der Dur-und Mollron- leiter aeredet. Alsdann kommt er auf die vermiſchte dig- toniſch <romatiſche Leiter in ganzen und hälben Tönen 3 wobey etwas angemerfef wird,“wie man, vermöge.der. hal: Gen Tönedurch verſchiedene Töne gehen kann. Ooch wir dör- fen nicht vergeſſen, die zwiefache Borſtellung der diatoniſch- <hromatiſchen Leiter anzuſühren. Dieerfie iſt.dieſe ? €,.ci8, v . e, f, tis, g, gis,a, ais, h. Die andere dieſe: c, des, d, es, f, ges, g, as, b und .h. == Derdrey und zwanzicſie Ab- ſhit hat die Ueberſchrift : della Mutaziorie. =- KeinBet änderung der Töne, die der Componiſt in ſeinem Stüc«e ns- thig hat, ſoll das Gehör beleidigen. =- Man hat zu merken utazione di Modo und Mutazidne di Corda. Dervier und zwanzigſie Abſchnitthandelt von der erſien Art der Berände- . rung della Mutazione di Modo. Hier wirv von ver VBerände- rung derharten Tonartin die weiche Tonatk oder. vondieſer injene vieles geſchwakt, und doch nichts neuesoder lehrreiches beygebracht. == Im fünf. und zwanzigfien Abſchnitte della Mutazione di Corda fonmt endlich die Materie von den Aus- weichungen, die den harten und weicken Tonarten gewöhn- lich ſind, veni umſiändlich vor. :Hin und wieder kom- men die Sätze, die Perioden u. d. g. aufs neue aufs Tapek. Da. mannichts 1 oder beſonders darinn antrifft : ſo iſt es beſſer. dieſen Auszughier zu ſchließen ; zumal da der Ver- faſſer mit dieſem Abſchnirte ſeinen Traktat ebenfalls beſchlie- ßet. Doch.zuvor müſſen wir des Verfaſſers Aauptplan der Diſſonanzen mit ſeinen e'genen Worten, ſo wie er ihn ſei- nem Traktate beygetüget hat, herſeten : Pianta generale de Numero Muſicale. Eqyviſono dell? Ottava. cc, Decima - Qvinta (Doppel- - octave,) SLVE Vorrede, Diſſonanza, | b, Decima - qvärta maggiore, detta ſettima. ('Qvgartdeci- me, ſonſt die große Septi- . me.) Eqviſono della ſettima ar- Decima - qvarta armonica. MONICA, / 0, (Die durdie Octave exr- Miri; höhte fleine conſonirende Septime.)- Diſſonanza. 3% Decima-terza, dettaſeſta. (Die FEE ſonſt die Sex- ei Eqviſono della Qvinta, Gg, Duodecima. (Oberduodeci- me, oder die dur< die O- ctgve erhöhte O.vinte). Diſſonanza, - ß Undecima, detta qvarta.(Die MEA ſonſt die QO.var- te). Eqyviſono della Terza. e, Decima. (Die Decime, die dur< die Octav. erhöhte Ter3)« Diſſonanza. d, Nona. (Die Vone). Eqyviſono dell unitä. c, Ottava. (Die Octave). ſConſonanza perfetta. B, Settima armonica. (Die co1n- ſonirendekleineSeptime). -- | Conſonanza perſetta. G, Qyinta. (Die QOvinte). = 1 Conſopanza perfetta. E, Terza. (Die Terz). vu Eqvilono della corda 1 generatrice. EG Unitä della Sifigia. (Die Uni- tät der Grundharmonie oder vielmehr die Prime). Fondamento CC, o corda Generatrice. (Der Grundton oder der Stam ton). Vorrede; XLVIE Ausdieſem 'Auszugeſieher man deutlich, daß dieſer Trak- kathfeinesweges eine Anweiſung zur Compoſition heiſſen kann, ſondern eigentlich eine Art| einer Tonbekrachtung , die die Compoſition ſelbſt vorbereiten ſoll, vorſtellet. Der Berfaſ- fer nennet ihn Saggio ſopra la Melopea Prattica dal ſuo vero fondamento Fiſico - Matematico. Verſud) überdie pratkti- ſche Vielopöie aus ihrem wahren phyſiſch -mathemati- ſchen Sundamentehergeleitet. Dieſer ganze Titeliſt aber übel ausgedacht. Die praktiſche. Melopöie iſt eine Tavto- logie. nn die Melopöie iſt ſchon anſich ſelbſt eine prafti- ſche Wiſſenſchaft, und es wird dadurch heute zu Tage diemu- ſitaliſche Setzkunſt verſtanden, oder nach dem Ariſtides Qvintilian war Melopoeia facultas, vel habitus effectivus conficiendi cantum, und alſo auch vorzeiten eine praktiſche Wiſſenſchaft ; denn ſie war ein Vermögen, oder eine Fertig- keit, einen Geſang zu verſertigen. Dieſer Titel iſt alſo ſehr unrecht gewählet; denn im Traktatefindet ſich kein Wort da- von, wie man einen Geſang, oder, nach ikiger Beſchaffenheit der Muſik, ein muſikaliſches Stü>erfinden und verfertigen foll. Undalles, was er etwan von der fortgehenden Harmo- nie, oder vom Gebrauche der Con-und Diſſonanzen ſaget,iſt ſo wenig hinlänglich, daß ein Anfänger daraus nimmer klug werden fann. Die währen Grundſäte fehlen überall. Von dem wahren phyſiſch -mathematiſchen Grundefindet man we- nig oder nichts 3 die wenigen Zahlen, die in den erſten Abs . ſchnitten das mathematiſche vorſtellen ſollen, beziehen ſich auf nichts weiter als auf die bekannte Progreßion 1, 2, 3,"4: 5: 0 (7), 8: 1. ſ- w. wie wir ſie etwan im Sprengel der Trompette ankreffen. Vomphyſikaliſchen Fundamente iſt alles ſtille z denn daß ev ſich hin und wieder auf unſere Empfindung und aufunſer Gehör beruft, das macht die Sache nicht aus. Es ſcheint faſt, als wenn der Verfaſſer nicht einmal gewußt hät- ter waser mit ſeiner Redensart dedotta dal ſuo vero fonda- SLVir : Vörrede. mento fiſico «matematico ſagen wollen z welches utn ſo vielmehr glaublich iſt, weil er nicht einmal das Wort Melopdie ver- ſtanden hat. Dochich will ihm zurechte beifen. Durch ſeine praktiſche PTelopöie hat 'er unfehlbar die Theorie der muſi- faliſchen Seßkunſjt anzeigen wollen: Erhaktſich alſo nur im AusodruFe geirret. Jndeßen muß man ihm doch auch zuge- ſtehen, vaß noch hin. und wieder etwas gutes vorkommt. 3. B, was er-von devrUmkehrung oder Verwechslung der Töne und der-Accorde, vom Gebrauche der kleinen Septime und größ- ten Sexte und von ihrer Harmonie ſaget, nuriſt es auch mik vielerley Irrthümern. vermiſchet. Exbekräftiget auch meine Meynung», daß die -Terz eine vollkommene Conſonanz, die Qoarte aber'eine Diſſonanz iſt; denn er verſtehet unter der Undecime nichts anders als die gewöhnliche diſſonirende Ovarte,: = Daß er wuürklich einige, obſchön nur ſehr gerin: ge und eingeſchränkte, Einſichten in die Harmonie beſißet, das iſt auch hin und wieder gar ſehr merklich ; zugleich aber auch dieſes, daß er nur in einigen Sägen mit- Rameau und ſeinen Freunden übereinkommt, in vielen Dingen, als wegen der Sepkime und wegen der Grundäccorde von ihnen abwei- <et. Die Sepfimeiſt bey ihm,-faſt wie bey Tartini, die let- te Diſſonanz, ob er ſchon die kleine Septime bis zur Conſo- nanz erhebet: Aber. was iſt das? Bald iſt dieſe kleine Se- pfime eine unvollkommene, bald eine vollkommene Conſo- -« nanz. Die Sekundehat er entweder gar nicht gekannk, oder doch ganz vergeſſen. In der That, der Mannhat etwas ge- wußtr , auch etwas gehört und geleſen, er zeiget auch einige Einſicht und Erfahrung; aber er hat gar oft mit ſich ſelbſt nicht recht einig werden können. Wasſoll man alſs von ihm denken? Ueberdieß, wenn ich verſchiedenes, was darinn vor- kommt, genauer unkerſuche: ſo ſcheinet es mir, daß er ſeine Sätze aus verſchiedenen meiſtentheils alten Tonlehrern auf- geſammlet habe, wie auch daß ihm der berühmte Tartini und Vorrede, XLIX vielleicht auch.der Pater Martini in Bologna zuweilen aus der Noth geholfen haben. Die Terzdecime, als eine Diſſo- anz, hat er unfehlbar von den Rameguiſten geborget3 aber ihr Accord ſcheinet ihm unbekannt geblieben zu ſeyn, Es ſchei: nefäüberhaupt,. daß alles, was er mag gehöret, oder geleſen Haben, bey ihm keine Wurzel geſchlagen hat. - Er hat es we- nigſtens nichtzu gebrauchen gewußt. =- Dadieſes eine .neue Originalſchrift, und vielleicht eine der neueſten ſeyn mag, auch wie ich gewiß weiß, niemals im Druerſchienen iſt: ſo habe ich ſie der Mühe werth gehalten , meinen Leſern hier einen Auszug daraus mitzutheilen , damit man daraus erkennen kann, wieſeltſam dieTheorie der muſikaliſchen Setkunſt eis niger italieniſchen Componiſten und Tonlehrer anißr beſchaf: fen ſeyn mag.= - So wie .der vorige Auszug aus einem zur muſikaliſchen Setfkunſt gehörigen Traktate ein Beykrag zurmuſikaliſchen Literatur, die Compoſition betreffend, war, ſo werden fol- gende Verbeſſerungen fehlerhafter oder unrichtiger Nachrich- ken, diein die neuere Geſchichte der Muſik gehören, nicht un- wichtige Beyträge zurneuern Geſchichte wohlverdienter Vir fuoſen ſeyn können, dieſichtheils ſchonam Ende des vorigen Jahrhunderts, theils aber in einem großen Theile des ißtlaue fenden, durch ihre vorzügliche Geſchilichkeit in der prafkti- ſchenMuſik berühmt gemacht haben. DieFehler, die ich ver: beſſern will, finden ſich zwar in einer ſonſt ſehr guten deutſchen periodiſchen Schrift 3; ſie ſind aber aus andern Quellen ge- floſſen, wie wir ſo gleich ſchen werden, und können daher dem Herausgeber nicht zur Laſt geleget werden. Ein mir unbekannter franzöſiſcher Schriftfteller hat ſich in einem Schreiben über die nur in ſeiner Meunh vorhan- den geweſenen verſchiedenen Schulen der Muſik einfallen laſ ſen, den ſonſt alles Ruhmes würdigen Pergoleſt zum Stifter . der itigen. italieniſchen Muſik, welcher er ihre gegenwärtige 8g L Vorrede, Vollkommenheit gegeben haben ſoll, zu machen. Welch: Überkriebnes Lob! oder vielmehr, welche Unwiſſenheit! denn der Mann muß nicht gewußt haben, daß Pergoleſi bey noch nicht völlig reifen Jahren, da er kaum drey oder vier und zwanzigJahre erreichet hatte, ohngefehr in den Jahren zwi hen zwiſchen 1732 und 1736 aus der Welt gegangen iſt, oder vielleicht daraus verjaget worden. Er muß nicht gewußt ha- ben, daß; wenn ja einer für den Stifter einer vermeynten ikalieniſchen Schule auszurufen wäre, nicht Pergoleſi, ſon- dern Zaſſe, auf dieſe Ehre Anſpruch zu machen, berechtigek ſeyn könnte; denn wer weiß nicht, daß ſchon in der Zeit, da Pexrgolefi erſt zu blühen anfieng, Zaſſe durch ganz Italien. berühmt war; denn als er im Jahre 1730 nach Dresden be- rufen ward, war er ſchon meiſtens zehn Jahre faſt beſtändi, in Italien gewefen, voniPergoleſi aber war damats ns alles ſtille. = Doch ichwill dieſes nicht weiter ausführen Herv Ziller, der Herausgeber der wöchentlichen Nachrichten, die Muſik betreffend, hat mich bereits dieſer Mühe überho- ben, wenn er im Anfange des achten Stückes des dritten Jahrganges S.57. den wahren Charakter eines Pergoleſi nach dem Lebenſchildert. Sein Urtheil über das ſv beliebte und bekannte Stabat water, iſt ſo wahr, daß es ein jeder mit Einſicht begabter Componiſt ohne Bedenken unterſchreiben wird. Erhat vollkommen Recht, wenn er ſchreibet: „Sie- „hef man nicht, daß dieſem jungen Manne noch Ueberlegung, »Einſicht und Uebung fehlen? In der That, wenn manſein „Stabat mater, welches ſein Meiſterſtück ſeyn ſoll, in Abſicht „auf den Ausdru> und den harmoniſchen Satz beurtheilet: „ſo wird manin jenemviel falſches, undin diefeviel leeres „finden.,, Und ſo iſt es, mit Herr Zillern zu veden, mik allen ſeinen Arbeiten, Freylich war es zu bedauren, daß.die- ſes junge, dieſes treffliche und wahre Genie nicht zur Reife kommenſollte, und daß =- doch wir wollen einen Vorhang „Vdxrred« LI darüber ziehen.Niemand wird ihmauch den Ruhmſtreitig zu machen ſuchen, daß er in der Melodie eine große Stärke undfäft unnachahniliche Schönheit gezeiget hat, und daß ihm die mit ihm zugleich lebenden italieniſchen Componiſten und nochweni ger, die nach ihm bekannt gewordenen, gleich ge- kommen ſind, oder erreichet haben. Aber konnte wohl ſeine Erfahrung ſchonbewährt genug ſeyn, ſeine Erfindungen mit dem ihnen gehörigen Nachdrucke vorzutragen? Er war noch nicht der Mann, der im Stande geweſen wäre, der Stifter einer Schule zu ſeyn. Mankann ihn für nichfs weiter, als für einen Nachahmer eines Porpora oder vielmehr eines - Zäſſen anſehen, wenigſtens beſaß er weder Alter noch Erfah- rung genug, ſich in ein ſolches Anſehen, inſonderheit bey ei- zer Nation zu ſeßen, die auf ihn eiferſüchtig war, an ſtatt daß ſie auf ihn hätte ſtolz ſeyn ſollen. Sie erkannte ſein Ori- Kginglgenie. Es war ihr bange, von ihm verdunkelt. zu wer- den, wenn es völlig aufblühen ſollte. Aber Pergoleſi, der unglückliche Pergoleſi war nicht mehr. -- t Nach dieſer, einen guten und wahren, doch non nicht völ: lig zur Reife gekommenenitalieniſchen Componiſten betref: fenden, Nachrichk, wird man mir erlauben, zum Ruhme zwee- ner Deutſchen großen und wahren Virtuoſen anzumerken, daß der Verfaſſer der Qachricht von der Muſik in Ruß: land, wer er auch ſeyn mag, weder was das Leben des be- rühmten Erfinders desPantalons, noch den Charakter des größten Operncomponiſten ſeiner Zeiten eines Reinhard Kai- fers, betrifft, wenig oder gar nicht unterrichtet geweſen, und alſo gar nicht im Stande war, ſo beſtimmt und gewiß von ih- nen zu urfheilen, wie er ſich gleichwohl zu thun unterſtanden haf. Es ſcheinet, er habe ſichdas Anſehen geben wollen, von dieſen in der That großen Originalgenieen unter den Deut- ſchen mehr zu wiſſen, als ihm würfklich bekannt war, und als. gleichwohl in öffentlichen und autoriſirten Schriften der deut- LI Vorrede, ſchen muſikaliſchen Welt vorlängſt bekannt gemacht worden iſt. Ic< will von Kaiſernzuerſt reden. ; Esift falſch, daß dieſer berühmte Mann jemals in Pea terSburg geweſen ift. Derjenige, den der Verfaſſer der'anz: geführten Nachricht dafür ausgicbkt, odervielleicht dafür mag angeſehen haben, hieß J . ohann Kaiſer, und war ehmalser: fier Rathsmuſikant in 958mburg. Er warein großer Avan- tuvrier, deßen Leben, wenneE€beſchrieben werden ſollte, ein großes Buch ausmachen würde. InAnſehung der Muſik warer ein ziemlicher Orcheſtergeiger, auch bließ er die Schna2 belflöte und den Fagott ganz gutz ein Componiſt iſt er aber niemals geweſen , und folglich am wenigſten ein großer Operncotnpoſikeur und Kapellmeiſter, wie ihn der Berfaſſer nennet. „Johann Kaiſer fand an keinem Orke, wohin ihn fein Schikſal oder ſeine Fantaſie führte , einen langen. Auf- enthalt; er mußte ſich faſt jederzeit bey Nacht und Nebel wies der aus dem Staube machen. Mankann wohl denken, daß es nicht ſeinerTugend wegen geſchah, wenn er genöthiget war; oft mit Lebensgefahr zu entweichen. Und eben in einer ſol- <en Situation befand er ſich- als er aus Rußland entfliehen mußte. Er veiſete "x aus Rußland mit dem Auftrage; Birtuofen oder Profeforen In einemvollſtändigen Orcheſier aus Italien zu holen 3 überdieß verſtand er nicht ein Wort italieniſch; und es fehlte ihm auch an gehöriger Kenntniß, ei- nen ſolchen Auftrag zu übernehmen und gehörig auszuführen. Die Sorge für ſeine Sicherheit trieb ihn fort. Die Frau Verocai warſeine Tochter, nicht aber die Tochter des bra- ven Kapellmeiſter Kaiſers. Ich habe ihn nach der Zeit und nachdem er aus Danzig, als es belagert war, ebenfalls mik Lebensgefahr entflohen, hierauf weit und breit herum zge- fſchwärmet, und endlich aus Sk. ., wie er vorgab, mit wich- figen Aufträgen zurück nach Zamburg gefommen war, in dieſer lekten Stadt perſönlich kennen lernenz da er:mir denn V.otrede, vu ſeibſt erzählte, mit welcher Gefähr er aus Rußland: und? aus andern Orten hätte entwiſchen müſſen ; dom warum ? das verſchwieg er wohlbedächtlich. == Dieſes war ungefehr im Jahre. 1737 oder 1738. Er.ward aber unvermuthet gar bald wieder unſichtbar, und =- Doch wir wollen ihn ſeinemböſen Schi>ſale überlaſſen, und auf unſern rechtſchaffenen Kapell: meiſter Kaifer ANIA: Dieſer große Componiſt iſt - „alſy niemals in Rußland geweſen; er war quch, als ich im Jahre 1736 nach Zamburg kam, ſchon weit über ſechzig Jahr alt, und in verſchiedenen Jahrennicht aus Zamburgverreis fetigeweſen. Ich kann mich rühmen, ihn perſönlich gekannt haben.“ Er ſtarb im Jahre 1739, und ich habeſeiner im echs und funfzigſten Stücke des kritiſchen Muſikus mit Rühm gedacht z; wie ihn denn:auch Mattheſon und Teles mann gemeinſchaftlich beſungen haben. =- Er hinterließ eineeinzige Tochter, die noch zu der Zeit, als ich.nac< Kopen: Hagen berufen ward, bey Hofe als Sängerinn in Dienſten tand, bald darnach aber vom Hofe ihren Abſchied nahm, und endlich vor einigen Jahren hier in Kopenhagen geſtorben ift. = Unſer Reinhard Kaiſer war zu ſeiner Zeit ein vor- frefflicher und an Erfindungen unerſchöpflicher Componiſt. Zändel und Zaſſe , diefe berühmten Männer, die Deutſch- land in Italien und Engelland Ehre gemacht haben, haben ſich, inſonderheit der erſte, gar oft ſeiner Erfindungen bedie- net und ſich dabey ſchr wohl befunden. Sie verſtunden aber die Kunſt, ſichdieſe Erfindungen ſo zuzueignen, daß ſie unter ihren Händenin neue und Originalgedanken verwandelt wur- den: ttheſon und Telemannhaben mir dieſes mehr als einmal befräftiget, und ich kann auch nach andern zuverläßi- gen Nachrichten gar nicht daran zweifeln. =- Raiſer war in der Muſik vielleicht.das größte Originaälgenie, das Deutſch- land jemals hervorgebracht hat. Jc< habe eine ſchr große Anzahl feiner Opern .mit Bergnügen.durchgeſehen, und bin LIV Vorrede, dadurch von der Wahrheit überzeuget worden, daß-er ſich . niemals wiederholet'habe. Daherpflegte ihn auch Matthe- ſon insgemein den größten Operncomponiſten von der * Welt zu nennen. Ein Ruhm, deßen ſich wohl nicht leicht ein Componiſt, er ſey auch, von welcher Nation er wolle, wird anmaßen können. Wennmanbedenkek, wie weitläuf- tig die ehmaligen deutſchen Opern waren, aus welcher Menge von Arien und Chören ſie beſtunden z; denn manche Opern hätten ehmals wohl einige vierzig Arien ; und daß Kaiſer, wie ich gewiß bezeugen kann, außer einer ſehr großen Anzahl Oratorien und Serenaken, mehr als.hundert Opern compo- - niret hat : ſo wird man ſein großes und reiches Genie aufs höchſte bewundern müſſen. "Welcher Componiſt wird verms: gend ſeyn, eine ſolche erſtaunliche Menge von Erfindungen gufzuweiſen, die MR ſein eigen, von niemandentlehnt, alle neu, alle treffend, alle Originale ſind? == Wie war es alſo inöglim, einen ſolchen großen Operncomponiſten, den die größten Genies zu ſeiner und nach ſeiner Zeit nachgeahmt, in Anſehung des Reichthums der Erfindungen oder Gedan- fen aber niemals erreicht haben, mit einem elenden Johann Kaiſer, der nicht einmal ein Gaſſenlied componiren konnke; zu verwechſeln? Des ſchlechten Charakters des letztern nicht einmalzu gedenken. Dererſte war ein ehrlicher ruhmbegie: "riger Mannz er warſich aber ſeiner Größe bewußt, und wer kann ihmdieſes verdenken? Doch warer nichk beſonders ſtolz darauf. Der andere hingegen war - er war Johann Kai- ſex. =- Manmag dieſe Ehrenretkung des vortrefflichen Reinhard Kaiſers aufnehmen wie man will; genug, ich war Kanen Verdienſten, ſeinem Andenken und der Wahrheit uldig. Der andere deutſche Virkuoſe, von dem eine durchaus un- richtige und falſche Nachricht in eben derſelben, -aus Rußland erſchienenen, Nachricht vorkommt, iſt der berühmte Panta: ; | Vorrede, LV Leon Zebenſtreit. Es wird nach einer mündlichen Erzäh- lung eines ehmaligen Profeſſors in Leipzig vorgegeben; „ez >benſtreit häkfe ſich in den Jahren 1713-1715. auf der Akade- „mie in Leipzig unkfer den daſigen Studierenden befunden, und er hätte damals die Violine, doch nur ein wenig, das SKlavier aberbeſſer geſpielet, dabey aber im Tanzen Lection 5>Hegeben, das Päntalon aber wäre noch nicht erfunden gez »veſen: Weil er aber hernach Schulden wegen Leipzig in- 586 im verlaſſen müſſen: ſo habe er ſeine Zuflucht zu einem zLandprediger im Merſeburgiſchen genommen, deßen Kinder „fr dafür informiret hätte. Als er nun daſelbſt die Bauern „in der Schenke nach dem Hackebrete hätte tanzen ſehen, ſo »vare er auf den Einfall gerafhen, ſich in ſeiner Einſamkeit zauf dieſem Inſtrumente wn Dieſes hätte ihm Gele- „Senheit gegeben, auf deßen Berbeſſerung zu denken, Er „abe alſo mit Hülfe des Predigers; der in der Tiſchlerpro- „feßion ſehr erfahren geweſen, und alſo geſchit war, mik >Zihm daran zu arbeiten, es endlich in einen ganz neten und -»beſſern Stand zu bringen, das Glück gehabt u. ſw. Das „Inſtrument war nun zur Vollkommenheit gebracht, und ne enſr e übte ſich fleißig, und erlangte dadurch die er-- »Ffäunliche Ferkigkeit , die ihn und- ſein Inſtrument ſo be- „rühmt gemachthat. Dieſes dauerte bis ins Jahr 1718, da „ein nicht unmuſikaliſcher Hoffkavalier aus Dresden bey ei- „ter Reiſe durch Sachſen zufälliger Weiſe bey dem Prediger „übernachten mußte. Er hörte unſernVirtuofen auf ſeinem „neuen Inſtrumenteſpielen, erſtaunte darüber, machte, nach- „dem er unſers Zebenſtreits kümmerliche Umſtände erfah- »Len, undihn doch noch immer bewunderte, bald Anſtalt, daß »der König Auguſtus ihn nach Dresden zu rufen Befehl „ergehen ließ, Zebenſtreit bekam alſo durch einen Expreſ- „kt den Befehl, aufs ſchleunigſte bey Hofe zu erſcheinen. -- „Und nun warer in Dresdetz und bey ſeinem großmüthigen Lys „Vortedd. „Könige:in Dienſten, wo er hernach ſefnenbeſtändigen Aufs „enthalt fand.-=,, Das iſt ungefehr die Fabel, wie ſie uns von.Petersburg aus, aufgebunden wird. Ich ſage eine 83: bel; denn ſie iſt es gewiß, und es wird ſich ſo gleich zeigen, daß in dieſer ganzen Nachricht faſt nicht ein wahres Wort iſt, ::> Zebenſtreit iſt ſchon vor dem Jahre 1697. und vermuths lich länge'vorher mit ſeinem ſeltenen Inſtrumente, das in dex Thak nicht genug bewundert werden kann, ferti "geweſen 3 und. er ſpielte ſchon 1697. darauf fo vörtrefflich, daß er alle ſeis ne Zuhörer in Erftaunen ſette.. In.diefem Jahre und noch zuvor ſiellte er in Leipzig zwar nur einen Tanzmeiſter vor, allein er war beyſſeiner erlangten Fertigkeit auf ſeinem Inſtrus mente zugleich ein ſtärker Geigerund guter Klavieriſt. Eine wichtige und zuverläßige Nachricht, die beyden erſten Um- frände betreffend, berichtet der ehmalige Cantor und Muſik: direktor Johann Kuhnau in Leipzig (der, wie esbekannt genug iſt, zu ſeiner Zeit ein großer und gründlicher Kirchen: componiſt.und Organiſt war) demfeel. Mattheſon in einem Briefe, den wir in Matt heſo ns Criti ca muli ca S, 236- 237, finden. NachdemKuhnau das Inſtrumenk, das den Nah- men Pantalon führte, beſchrieben hat, ſo fähret er fort : „Der vornehme und ercellente Lauteniſt, Graf Logi, ſtellte vor zwanzig Jahr en ohnge fehr, , (der Brief iſt im Jahr e 1717 geſchrieben, das, was hier erzählet wird, war alſo im Jahre 1697. vorgefallen) „und zu der Zeit, als Monſr. Pantalön zmoch bey uns (nämlich in Leipzig) einen Maitre de Danſe „agirte, ein Concertgen zwiſchen ihtn, dieſem und mir, an, „Der Grafließe ſich auf ſeinem Inſtrumente, wie es ihr Or- „<eſter von einem, der den Namen eines Virtuoſen und Meis „ſiers behaupten will, erfodert, in ſehr gelehrten präludiren, „und:mit einer ſchönen und galanken Parthie, mit aller er- „ſinnlichen Delicateſſe hören. I<that auch, was ich auf mei: V.dLrede,." 21V1I „nem.Klavichord verimogte, und war ſhon damals mit dem „Orcheſter in dieſem Stücke einerley Meynung, daß ein ſol- »<<es, obgleich ſtilles, Inſtrument zur Probe und guten Ex- „preßion der Harmonie auf dem Klaviere am beſten diene. „Endlich that Monſr. PantalonſeineSprünge, und nachdem „er uns ſeinen Schaß von der Muſtk durch präludiren, fan- „faſiren, fugiren und allerhand Caprices mit den bloßen „Schlägeln gewieſen hatte, verband er endlich die Tangenten »'nif Baumwolle, und ſpielte eine Parthie. Da wurde der „Graf Hang Gur ſich geſetzt, er führte mich aus ſeinem Zim- „iner über den Saal, hörte von weitemzu, und ſagte : Ey »Wwasiſt das 7 JH bin in Jtalia geweſen, habe alles, „was die Muſica ſc<önes hat, gehöret, aber derglei- „Hen iſt mir ni<t zu Ohren kommen. --,, .
ſtreit ſchon im Jahre 1697. ſein Inſtrument völlig inſeiner Gewalt gehabt hat, und. doch ſoll es nach der Petersburgi- ſchen Nachricht erſt etwazwanzig Jahre ſpäter erfunden ge- worden ſeyn. Manerfähret ferner aus einer andern Stelle dieſes Briefes, daß Pantaleon Zebenſtreit ſchon vor dem Jahre 1717. am Dresdner Hofe würklich in Dienſten geſtan- den.. Im Jahre 1717. ließ er ſich auch zu Wien vor dem rö> miſchen Kaiſer hören. Man ann auch überdieß aus dem Le- ben des ſeel. Telemanns, dasſich in der muſikaliſmen Eh- renpforte Ptattheſons S. 354. folgg. und zwar von ihm ſelbſt beſchrieben, befindet, erfahren, daß Zebenſtreit ſchon im Jahre 1708. in Eiſena< als Kapelldirektor in Dienſten ſtand, in welchem Jahre auch Telemann als Concertmeiſter dahin gerufen ward. Telemann rühmtbey dieſer Gelegen- heit die StärkeZebenſtreits auf der Violine, die ihm, wieer vonihm ſpricht, des erſten Ranges unter allen andern Meiſtern würdig machte. Jc<. erinnere mich Gern daß mir Tele: LVIIE Vorrede. mannmehr als eininal erzählet haf, wie er ſich mif ihm gar oft auf dor Bioline und auf dem Flügel geübk, und mehr als einmal mit ihm um den Preis, oder wer den andern am er- ſten ermüden könnte, geſtritten hätte. =" Wemiſt es auch nicht bekannt, daß ſchon im Anfange dieſes Jahrhunderts dieſer Zebenſtreit ſich auf ſeinem Inſtrumente in Paris vor dem Könige Ludewig XV. hat hörenlaſſen, und was für beſondere' Güade bee Monarch ihmerzeiget, und daß er guch ſo gar dem Inſtrumente den Namen Pantalon, nach dem Namen ſeines Erfinders, ertheilet hat ? Doch ich will mich nicht länger bey dem Miſchmaſche von Unrichtigkeiten, dev ſich 'in der. Nachricht aus Petersburg in Anſehung dieſes großen deukſchen Virtuoſen befindet, aufhalten. I< habe aus dem angeführten Briefe eines gelehrten und erfahrnen Kuh- nau, der ehmals ſeinem Vaterlande verſchiedene brave Com- poniſten aufgezogen hat, zwar nur das Jahr 1697. angefüh- ret, allein, inan wird äärleicht ermeſſen können, daß die Er- findung des'Pantalons einige Jahre weiter hingus muß ge- ſetzet werden, weil es im ängeführten Jahre ſchon im völligen Stande war, auch Zebenſtreit ſchon damals die Bewunde- rung der größten Virtuoſen ihrer Zeiten, nämlich des einen auf der Laute und des andern auf dem Klaviere, die zugleich damals die ſtärkſten und gelehrteſten Componiſten waren, verdiente und erlangte. Unddieſes nebſt der Telemanniſchen Nachricht wird hinreichendſeyn, alle dieſe Unwahrheiten zu wiederlegen, und zugleich die Zeit richtiger oder wahrſcheinli- <er zu beſtimmen, wennunſer Zebenſtreit ſein Inſirument kann erfunden haben; welche ohne Zweifel in den Anfang der lefen zehn Jahre des vorigen Jahrhunderts eintreffen wird. Esiſt faſt unglaublich, wie ein ehmaliger Profeſſor in Leipzig, welches, wie ich aus ſichern Gründen urtheilen kann, in den Jahren 1727 bis 1730 oder 1731, geſchehen ſeyn Vorrede, LIX
muß, ſo kühn ſeyn können, einem Fretnden eine ſolche lächer-
liche und unwahrſcheinliche Fabel aufzubinden; oder, wie ein Liebhaber der Muſik, wofür der Berfaſſer der Nachricht aus Petersburg bekannt zu ſeyn ſcheinet, dergleichen Unwahr- heiten für gültig hat annehmen können, von denen doch da- mals, wie ich deßen ausſelbſt eigenerErfahrung gewiß verſi- ert bin, ganz Leipzig eines beſſern überzeuget war, und wo- von man durch die Verbindung, in welcher der ſeel. Kapell: meiſter Bah und andere Freunde der Muſik in Leipzig mit den Virtuoſen der Königlichen.Kapelle in Dresden ſtanden, faſt alle Tage ſichere und gründliche Nachrichten erhalten konnte, wodurch dergleichen windige Erzählungen gar leicht gufzude&en waren. Es wäre übrigens zu wünſchen, es mögte ein geſchiter Mann, dem es in Dresdenwie auch'in Berlin nicht an Huülfsmitteln dazu mangeln könnte, der mu- ſikaliſchen Welt eine völlige Lebensbeſchreibung dieſes großen Virtuoſen, dieſes Erfinders des Pantalons, liefern. Aber Anekdoten aus weit entfernten Gegenden würde man gar ſehr verbitten, zumal, wennſie dieſen ißt wiedexlegten Nachrich: ken ähnlich wären, =- : ; Außer denen, den Kapellmeiſter Reinhard Kaiſer und den vortrefflichen. Pantaleon Zebenſtreit betreffenden, Unrichtigkeiten finden ſich noch. einige andere nicht allzu rich- kige Bemerkungenin dieſer vor mir habenden Nachricht aus Petersburg. I< will zum Schluße nur noch diejenige an- führen, welche den ehmals auch in Deutſchland und Holland nicht unbekannten ziemlich ſtarken Violiniſten Piantanida betrifft. Dieſer Birtuoſe hielt nicht im Jahre 1740, wie vor- gegeben wird, ſondern ſchon 1737 und 1738. hielt er ſich mit ſeiner Familie in Zamburg auf, wo ich ihn gekannt und gar oft ſpielen gehöret habe. Er gab damals ungefehr ein halbes Jahr nach einander alle Wochen ein öffentliches Concert, in welchem ich ſelbſt einigemal den Flügel geſpielet habe. Daß LX Vorrede, er ſollte zuvor nach Dresden in die Dienſte desGrafenBrühl gegangen ſeyn, dieſes iſt auch falſch. Er gieng von Zam- burgnach Holland. Anißt, wie man aus Herrn Burneps AAMWEIMU NGN Reiſe ſiehet, ſtehet er als erſter Violiniſt in 250- 0gn8.-- Es iſt endlich einmal Zeit, abzubrechen, und dieſe faſt zu lang gerathene Borrede zu beſchließen. Ich will nur noc< melden, daß ich wegen der weiten Entfernung zwiſchen Ko» penhagen und Leipzig, wo dieſes Buch gedruckt wird, kein Regiſter habe beſorgen können. Anſtatt deßen aber habe ich am Endeein vollſtändiges Berzeichniß derMaterien von 5. zu s. beygefuget. Es erwächſt für die Leſer dadurch der Bor- heil, daß ſie den ganzen Inhalt des Buches faſt auf einmal . überſehen, undeine darinnbefindliche Materie eben ſo beqvem nachſchlagen können, als es ihnen vermittelſt eines Regiſters kaum möglich ſeyn würde, Die übrigen Theile dieſes Buches werden, ſo bald als es möglich ſeyn kann, nach einander heraus kommen. Ich will dazu feine gewiſſe Zeit ſeen, doch höchſtens vor Verlauf von zwey Jahren, wirdes ohne Zweifel vollendet ſeyn. Man wird mich nicht nöthigen, mich zu übereilen, ſondern mir er- lauben, meinen Plan mik Nachdenken und Gemächlichkeit auszuarbeiten, wenn das muſikaliſche Publikum den abge- zielten Nutzen darausſchöpfen ſoll. Und hiermit empfiehlet ſich der Gewogenheit ſeiner Leſer