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Von Heiligen- zum Columbiadamm!

Jahr um Jahr treffen sich am soge- Nazis, um an den dortigen milita- Die bei der letztjährigen Exkursion
nannten Volkstrauertag im Novem- ristischen „Heldendenkmälern“ den gehaltenen Redebeiträge sind in
ber auf dem Berliner Garnisons- deutschen „Gefallenen“ der Welt- dieser Broschüre dokumentiert und
friedhof am Columbiadamm im kriege zu erinnern. Sie legen in der teilweise ergänzt worden. Außerdem
Bezirk Neukölln aktive Bundeswehr- sonntäglichen Vormittagsruhe Krän- haben sich zwei engagierte Forsche-
und ehemalige Wehrmachtsangehö- ze nieder, halten Trauerreden, veran- rinnen journalistischen Nachfragen
rige, soldatische Traditionsverbände, stalten einen Gottesdienst, rühmen gestellt und erläutern das fachliche
Burschenschaftler, Vertriebenen- den „Heldentod“, stellen ihre Unifor- Interesse am Columbiadamm und
verbände, Ritterkreuzträger, Fami- men zur Schau und tragen sich in seinen volkstrauernden BesucherIn-
lienangehörige, rechtskonservative Anwesenheitslisten ein, denn nicht nen. Zwei Kleine Anfragen an die
PolitikerInnen sowie alte und neue jedem ist die Teilnahme an diesem Bundesregierung zum Themenkom-
geschichtspolitischen Gedenkritual plex „Bundeswehr und Traditions-
erlaubt – eine Voranmeldung beim pflege“ sind ebenfalls auszugsweise
Veranstalter, des Verbandes der wiedergegeben, sowie ein Beitrag,
Inhalt Reservisten der Deutschen Bundes- der sich mit der aktuellen Debatte
wehr, wird erbeten. Denn man bleibt um das „Ehrenmal“ für SoldatInnen
Wessen, wie und warum wird auf dem
Friedhof am Columbiadamm gedacht? 3
lieber unter sich... der Bundeswehr im Bendlerblock
Wer trifft sich? Bericht vom
befasst. Außerdem wird das ehema-
Volkstrauertag 2006 6 Diese „völkische Trauergemein- lige Konzentrationslager am Co-
Burschenscha�en und der schaft“ erhielt im November 2006 lumbiadamm in einem kurzen Text
„Volkstrauertag“ 7 erstmals Besuch von einer Recher- vorgestellt.
Tradi�onen sind kein Grund. Nieder chekundgebung, die einen kritischen Wenn nichts dazwischen kommt,
mit dem Männerbund. Ein Redebeitrag Blick auf diese traditionsstiftende sehen wir uns am 18. November
zur Berliner Burschenscha� Gothia 8 Versammlung zu werfen bemüht 2007 pünktlich um 10 Uhr zur
Der „Herero-Stein“ auf dem war und auszuleuchten versuchte, Fortsetzung unserer empirischen
Garnisionsfriedhof Columbiadamm 10
wer auf dem Friedhof Columbia- und ideologiekri�schen Studien!
Tradi�onspflege in der Bundeswehr 11 damm eigentlich wem mit welchen Ach ja, die theore�schen
Kleine Anfrage zum Verband der Reser- Absichten gedenkt. Auf einem Forschungsprämissen und
visten der Deutschen Bundeswehr 16
höchst wissenschaftlichen Frage- prak�schen Interven�onsideen
„Ich erwarte von meiner Truppe Diszi-
bogen sollte festgehalten werden, lauten auch in diesem Jahr bis auf
plin wie bei den Spartanern, den Rö-
mern oder bei der Waffen-SS“: Kleine was von dem aus polizeilichen Widerruf:
Anfrage zum Kommando Spezialkrä�e Gründen etwas abseits postierten
und zur GSG 9 22 Recherchestützpunkt aus zu sehen Nein zu Heldengedenken
Eine Frage des Standorts: Die Bundes- und zu hören war. Da die Teilnah- und Tradi�onspflege!
wehr braucht ein „Ehrenmal“ zur me für eine unvoreingenommene
Stärkung der Kampfmoral 24
Interview zur gedenkpoli�schen
Öffentlichkeit nur zu erschwerten Gegen jeden
Recherchekundgebung am
Bedingungen möglich war, werden Geschichtsrevisionismus!
Columbiadamm 2006 26 in den kommenden Jahren weitere
Gestapo-Gefängnis und Observationen nötig sein, um diesen Keine Ruhe den NS-Tätern!
KZ Columbia (1933-1936) 30 Ereignissen die eine oder andere
Dokumenta�on: Gedenkpoli�scher weitere unangenehme Wahrheit ab-
Recherche-Fragebogen von 2006 31 zutrotzen. Diese Broschüre soll der
Vorbereitung und Vertiefung dieses Gedenkpolitisches Rechercheteam
Forschungsvorhabens dienen.

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Wessen, wie und warum wird auf dem
Friedhof am Columbiadamm gedacht?
Mit dem im Folgenden dokumen- ten des Ersten Weltkriegs eingeführt. Trägerverein für den „Volkstrau-
tierten Beitrag, der anlässlich der Die Nationalsozialisten legten diesen ertag“ ist heute der Volksbund für
Gegenkundgebung zum „Volkstrau- Tag als staatlichen Feiertag fest deutsche Kriegsgräberfürsorge.
ertag“ 2006 am Columbiadamm und nannten den Volkstrauertag in
geschrieben wurde, soll zunächst „Heldengedenktag“ um. Durchge- Die Geschichte des Friedhofs, heute
kurz und knapp auf die Geschichte führt wurde der „Heldengedenktag“ vor allem als ältester islamischer
des „Volkstrauertags“ eingegangen, von Wehrmacht und NSDAP. Statt Friedhof Deutschlands bekannt,
sowie etwas ausführlicher über die des Totengedenkens stand nun die führt zurück an den Beginn des 19.
Topographie des Gedenkens auf Heldenverehrung im Mittelpunkt. Jahrhunderts. Namensgeberin ist die
dem alten Garnisonsfriedhof am Nach dem Ende des Zweiten Welt- preußische Berliner Garnison, deren
Rande der Hasenheide in Berlin- kriegs wurde 1948 die Tradition des Angehörige hier, neben dem Garni-
Neukölln informiert werden. „Volkstrauertags“ in der alten Form sons-Friedhof in Berlin-Mitte, be-
wieder aufgenommen. Zur formalen stattet wurden. Das Gelände schloss
Der „Volkstrauertag“ wurde in der Abgrenzung vom „Heldengedenk- dabei an bereits existierende Be-
Weimarer Republik als Gedenktag tag“ gab es eine zeitliche Verlegung gräbnisplätze aus den sogenannten
für die gefallenen deutschen Solda- in den Monat November. Der größte Befreiungskriegen 1813-15 gegen

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das napoleonische Frankreich an. sequenzen nach dem Einmarsch der Beseitigung der bereits vorhandenen
Während des Nationalsozialismus Alliierten heraus gemeißelt, ein Ab- befahl. Dies betraf auf dem Friedhof
wurde der Friedhof als „Helden- riss des kompletten Denkmals sollte Columbiadamm allerdings lediglich
friedhof in der Heimat“ verstanden, auf diese Weise verhindert werden. ein 1936 in einer „echt soldatischen
als eine „Gesamtanlage“ mit dem Von der Alliierten Kontrollbehörde Veranstaltung“ eingeweihtes Denk-
„Charakter eines Soldatenfriedhofs“, wurde 1946 ein Befehl erlassen, der mal für die Gefallenen der Jugend-
die den „Gedanken des Kriegsop- die Neuplanung aller Denkmäler wehren des Ersten Weltkriegs.
fers“ repräsentieren solle, wie der
Völkische Beobachter 1937 schreibt. Unser Gedenken Neben weiteren Kriegsdenkmälern,
wie zum Beispiel einem großen
„Wir starben für Deutschland auf gilt den Opfern Denkmal für die gefallenen Soldaten
das Deutschland lebe! So lasst der Shoah und der des deutsch-französischen Krieges,
uns leben in euch!“, so lautet die Denkmälern für die sogenannten
Inschrift des zentralen Krieger- na�onalsozialis�schen deutschen Einigungskriege von
denkmals auf dem Friedhof Co- Massenmorde, 1864, 1866 und 1871 und einem
lumbiadamm für ein Regiment des Denkmal für die gefallenen öster-
Ersten Weltkriegs. Das Denkmal
unsere Empathie reichisch-ungarischen Soldaten
stellt einen Soldaten unter einem den Überlebenden des Ersten Weltkrieges, existieren
Leichentuch dar, eine Hand ragt zur auf dem Friedhof zahlreiche Orte,
Faust geballt unter dem Tuch hervor,
der deutschen an denen Wehrmachtssoldaten des
Helm und Schwert sind auf der Vernichtungspoli�k! Zweiten Weltkrieges gedacht wird.
Brust des Soldaten drapiert. Bis 1946 So findet sich beispielsweise eine
zierte die Rückseite ein lateinischer „welche der Erneuerung des Milita- Gedenkplakette für „Fallschirmjäger
Spruch, dessen Übersetzung lautete: rismus und der nazistischen Partei 1939 bis 1945“, welche den „un-
„Mag ein Rächer einst erstehen aus dienen oder militärische Episoden vergessenen Kameraden der deut-
meinen Gebeinen“. Diese Inschrift verherrlichen“ verbot bzw. eine schen Wehrmacht zum Gedächtnis“
wurde offenbar aus Angst vor Kon- Prüfung sowie gegebenenfalls die gewidmet ist. Eine weitere Statue in

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der Gestalt eines knieenden Soldaten
mit Fahne ist verschiedenen Divisio-
nen der Wehrmacht sowie „Unseren
Vätern, Söhnen, Enkeln und Erben“
gewidmet.

Im hinteren Teil des Friedhofs be-


findet sich ein Stein für die Soldaten
des deutschen Afrika-Korps, die bei
den antikolonialen „Unruhen“ in
„Deutsch-Südwestafrika“ den Tod
fanden. Dieser Stein wird ergänzt
durch einen Gedenkstein für die im
Zweiten Weltkrieg in Afrika Gefal-
lenen.

Ihren symbolischen Ausdruck


finden all diese Formen des Helden-
gedenkens in der heroischen und pa-
triarchalen Gestaltung der Denkmä-
ler, die einen Anspruch auf Macht
und Dominanz demonstrieren.
Eingebettet sind alle diese Gedenk-
steine in Grabfelder für Soldaten aus
dem Ersten und Zweiten Weltkrieg.

Diese Denkmäler stellen keine Stät-


ten individueller Trauer dar, sondern
sind Meilensteine einer fast 200jäh-
rigen Geschichte des deutschen
Militarismus und der deutschen
Nation, die sich durch diese Kriege
herausgebildet und etabliert hat.
Von den sogenannten Befreiungs-
kriegen bis zu den Soldatengräbern
des Zweiten Weltkrieges kennzeich-
net der Friedhof alle wesentlichen
Abschnitte deutscher Militärge-
schichte. Es ist die Geschichte der
Sieger, wenn Massaker an den
Herero in den deutschen Kolonien Für den Erhalt des Friedhofs ist der sich der eindeutigen Verantwortung
zu „Unruhen“ umdefiniert werden, bereits erwähnte Volksbund für deut- für die Verbrechen der Deutschen
deren „Opfer“ deutsche Soldaten sche Kriegsgräberfürsorge zuständig. im Nationalsozialismus entledigt
waren. Bei einer Niederlage werden Dessen Gedenken gilt den „Opfern werden.
ihre sogenannte „Ehrenhaftigkeit“ von Krieg und Gewaltherrschaft“.
und „Opferbereitschaft“ gefeiert. Dieses Anliegen ist mittlerweile im Unser Gedenken gilt den Opfern
Hier wird der konstruierte Opfersta- Mainstream der deutschen Erinne- der Shoah und der nationalsozi-
tus der Deutschen zementiert und rungskultur angekommen. Deut- alistischen Massenmorde, unsere
gleichzeitig eine Fortführung des sche TäterInnen werden mit der Empathie den Überlebenden der
aggressiv-militaristischen Nationa- allumfassenden Chiffre der „Opfer deutschen Vernichtungspolitik!
lismus angemahnt, dessen Tätern, von Krieg und Gewalt“ als gleichbe-
Protagonisten und Teilnehmenden rechtigte Opfer wahrgenommen, wie Gruppe Subcutan,
hier gedacht wird. zum Beispiel an der „Neuen Wache“ Redebeitrag November 2006
im Zentrum Berlins. Damit soll

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Wer trifft sich? Bericht vom Volkstrauertag
2006 am Friedhof Columbiadamm
Zu den knapp 200 BesucherInnen angereisten Faschisten befand sich schen Marinebund und dem Neu-
der der Gedenkveranstaltung zähl- außerdem der Nazi-Liedermacher köllner Bezirksverband der FDP.
ten mehrere DVU, REP- und NPD- Jörg Hähnel aus Frankfurt/Oder.
VertreterInnen sowie Angehörige Ein Vertreter des Reservistenver-
der Berliner Kameradschaftsszene. Die Kränze von rechtsextremen Ver- bandes begrüßte darüber hinaus
Unter anderem waren der Berliner einigungen wie dem Stahlhelm, der die Teilnahme militärischer Tradi-
DVU-Funktionär Sascha Kari und Berliner Burschenschaft Gothia, des tionsgemeinschaften, darunter die
der parlamentarische Geschäfts- Bundes der Mitteldeutschen sowie Ordensgemeinschaft deutscher Rit-
führer der Brandenburger DVU- des Bundes der Vertriebenen teilten terkreuzträger und die Hilfsgemein-
Landtagsfraktion, Sigmar-Peter sich den Platz mit dem Reservisten- schaft auf Gegenseitigkeit der der
Schuldt anwesend. Ebenso mehrere verband der Bundeswehr, dem Bund Angehörigen der früheren Waffen-SS
NPD-Abgeordnete aus Berliner der Fallschirmjäger und dem Deut- (HIAG).
Bezirksversammlungen. Unter den

„Jeder darf hier Kränze und Blumen ablegen“.

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Burschenscha�en und der „Volkstrauertag“
Die Geschichte des „Volkstrauertags“ ist eng mit der Geschichte der
Burschenscha�en verbunden
Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs den Parteien SPD, Zentrum und geschwenkt. Das Volkstrauertags-
meldeten sich viele Burschenschaftler DDP getragene Weimarer Regierung Gedenken war somit von Beginn
freiwillig bei der Armee, etwa 3.500 beinahe gestürzt wurde. an ein militärisches, unterstrichen
starben für das „Vaterland“. Nach vom gemeinsamen Fahnenmeer der
dem Krieg sammelte sich ein Teil der In dieser Zeit wurde der „Volkstrau- Burschenschaften, des Militärs und
fronterfahrenen Studenten in paramili- ertag“ als ein Gedenktag für die ge- der Politik. Es hielt die Erinnerung
tärischen Verbänden wie den Freikorps fallenen deutschen Soldaten des Ers- an Kaiserreich und Armee wach und
oder versuchten anderweitig, Re- ten Weltkriegs eingeführt und 1922 stand in einem antidemokratischen
striktionen der Versailler Verträge die erste Gedenkstunde im Reichs- Kontext, der sich bewusst gegen
entgegenzutreten. Einen Höhepunkt tag abgehalten. Hier wurden Fahnen Weimarer Republik und Alliierte
fanden diese Aktivitäten 1920 beim der Berliner Regimenter neben richtete. (weiter auf S. 8)
„Kapp-Putsch“, in dessen Zuge die von denen studentischer Korporationen

„Jeder darf hier Kränze und Blumen ablegen“.

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Es diente auch der Selbstdarstel- „Leistungen“ im Kampf. Auch der zahlreichen Städten und Gemein-
lung der Burschenschaften, deren Gedanke der „Volksgemeinschaft“ den. Bei diesen Veranstaltungen
paramilitärische Verbände den neu wurde aufgegriffen, da „sie starben, werden Täter zu „Helden“ und
gewonnenen Gedenktag zum Anlass auf das Deutschland lebe“, wie an „Opfern“ stilisiert. Die unreflektierte
nahmen, „Kampfspiele der Deut- dem zentralen Gedenkstein auf dem Wahrnehmung der Wehrmacht wird
schen Burschenschaft“ zu veranstal- Garnisonsfriedhof am Columbia- durch eine solche Veranstaltung
ten oder die Akademische-Flieger- damm zu lesen ist. So wurde dem verstärkt, der positive Bezug zum
Abteilung Deutscher Burschenschafter ehemaligen „Volkstrauertag“ eine Nationalsozialismus schlicht ausge-
e. V. zu gründen. Der „Volkstrauer- wichtige Funktion in der national- blendet. So können auch Burschen-
tag avancierte zunehmend zu einem sozialistischen Öffentlichkeit zuteil. schaften ihrer „alten Herren“ und
zentralen Ereignis, an dem Nationa- Durch die Verherrlichung des Kriegs der anderen Gefallenen gedenken,
lismus und Militarismus verbunden, im Heldengedenken wurde nati- ohne dass deren Verbrechen bei-
das eigene Heldentum verklärt und onalistisches und militaristisches spielsweise auf dem Balkan, in der
ein gemeinsames Leid heraufbe- Gedankengut in der Bevölkerung Ukraine, Polen oder der ehemaligen
schworen werden konnte. verankert und einer gesellschaftli- Sowjetunion ins Gewicht fallen.
chen Legitimation nationalsozia-
„Heldengedenken“ listischer Kriegsvorhaben der Weg Der „Volkstrauertag“ bildet auch
bereitet. heute noch für Burschenschafter
Nach der Machtübernahme der einen passenden Anlass, „volksna-
Nationalsozialisten wurde der Name Geschichtsrevisionis�sches hen“ Patriotismus nach außen zu
des Gedenktags mit dem „Gesetz Gedenken heute zeigen und einen Teil der deutschen
über die Feiertage“ vom 27. Februar Geschichte nach ihrem Belieben zu
1934 in „Heldengedenktag“ geän- Alljährlich treffen sich bundesweit relativieren.
dert. Im Mittelpunkt sollte nicht am „Volkstrauertag“ Angehörige der
mehr das Totengedenken stehen, Kriegsgeneration und der Armeen, Hummel Antifa HU Berlin,
sondern die Heldenverehrung der Burschenschaftler, Alt- und Neo- Redebeitrag November 2006
gefallenen Soldaten und die An- nazis sowie Politiker der demokra-
erkennung ihrer vermeintlichen tischen Parteien zum Gedenken in

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Tradi�onen sind kein Grund.
Nieder mit dem Männerbund.
Ein Redebeitrag zur Berliner Burschenscha� Gothia

Neben bekannten rechtsextremen u.a. sprach Horst Mahler für die Diese rechtsextremen Denkmuster
Einzelpersonen, Parteien und Verei- Gothia über „Den Lebenskampf werden von der Schülerverbindung
nen wie der NPD oder der Ordens- dieses Volkes“. Die Gothia versteht Iuvenis Gothia noch weiter ver-
gemeinschaft der Ritterkreuzträger sich als dezidiert politisch und hält schärft. Sie kann als eine Vorfeld-
nimmt auch die Berliner Burschen- ihre Aktivisten ausdrücklich zu organisation der Burschenschaft
schaft Gothia an der Kranznieder- politischer Bildung und Aktivität Gothia in Gymnasien angesehen
legung für die „gefallenen Soldaten an. Als Ziele dieser Politik benennt werden. Die Iuvenis Gothia tagt auf
aller Waffengattungen“ am Colum- sie ein vermeintliches „Recht jedes dem Berliner Haus der Gothia, dem
biadamm teil. Deswegen soll an Volksteils auf seine Heimat“. Hierbei sogenannten Gothenhaus, und wird
dieser Stelle ein paar Worte über sie sind vor allem die sogenannten Hei- von dieser unterstützt. Ein großer
verloren werden. mat-Vertriebenen gemeint, jenem Teil der zu Schulzeiten dort Aktiven
organisierten Teil der nach 1945 in tritt während des Studiums in die
Die Burschenschaft Gothia ist die BRD und die DDR umgesiedel- große Gothia ein.
höchstwahrscheinlich die aktivste ten Deutschen. Diese waren einst die
studentische Korporation in Berlin. Hauptstütze des Nationalsozialismus Bei der Burschenschaft Gothia und
Sie übt das studentische Fechten außerhalb Deutschlands und sind ihrer Schülerverbindung Iuvenis
aus und steht einzig männlichen heute maßgebliche Triebkräfte revi- handelt es sich um explizit rechts-
Studenten offen. Bedingung für die sionistischer Tendenzen in der deut- extreme Korporationen. Neben der
Aufnahme in die Gothia ist, dass der schen Politik. Die Burschenschaft Erziehung der Aktiven zu unbe-
Grundwehrdienst ihrer Mitglieder Gothia unterstützt diese „Vertrie- dingtem Gehorsam und Autoritäts-
in der Bundeswehr, im Österreichi- benen“ im „Namen des deutschen hörigkeit verbindet sie vor allem
schen oder im Schweizer Heer Volkes“, denn Deutschland ist nach die Idee eines deutschen Volkes,
abgeleistet wurde. Der Ausschluss ihrer Auffassung überall dort, wo welches um jeden Preis vereinigt
von Frauen ist ein Ausdruck des Deutsche wohnen. Sie stellen damit werden müsse. Die Aktiven bilden
ausgeprägten Sexismus im Verbin- Ansprüche auf Gebiete in Öster- sich zu überzeugten Nationalisten
dungswesen, dessen Grundlage die reich, Polen, Tschechien, Frankreich, aus - und das mit besten Verbindun-
Vorstellung männlicher Dominanz Belgien, Dänemark, Italien und gen zu Mitgliedern von Bundes-,
und weiblicher Unterordnung ist. Russland. Landes- und Kommunalparlamen-
Die Stellung von Frauen beschränkt ten, Unternehmerverbänden sowie
sich vornehmlich auf die der „Cou- Mit dieser Haltung stellt die Gothia Professoren der Universitäten. Oft
leurdame“, welche bei öffentlichen eine äußerst radikale Zuspitzung genug kommen Angehörige der
Veranstaltungen nicht fehlen darf. der Politik und Grundhaltungen des Gothia nach dem Studium selbst in
Hier sind sie schmückendes Beiwerk Dachverbandes „Deutsche Bur- solchen Positionen unter, womit sich
und dankbares Publikum für die schenschaft“ dar. Hier sind neben der Kreis schließt.
versammelte „ritterliche Männlich- der Gothia mehr als 120 Korporatio-
keit“. nen aus Deutschland und Österreich Es also kein Zufall, dass sich die
zusammengeschlossen, die sich Gothia unter den „Trauernden“ am
Die Gothia machte bereits in der ausdrücklich zum Einsatz für ein Columbiadamm befindet, sondern
Vergangenheit durch ihre konti- deutsches Vaterland bereit erklären Teil einer bedauerlichen und be-
nuierliche Zusammenarbeit mit und Werten wie Tradition und Ehre kämpfenswerten Realität!
der rechtsextremen Zeitung „Junge den Vorrang vor Individualität und
Freiheit“ sowie mit diversen Ver- persönlicher Verantwortung geben. Redebeitrag Antifa TU,
anstaltungen auf sich aufmerksam, November 2006

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Der „Herero-Stein“ auf dem
Garnisonsfriedhof Columbiadamm
Auf dem Garnisonsfriedhof wird in dessen Folge über 80 000 Herero Es ist ein Skandal, dass noch immer
nicht nur NS-Tätern als Helden und Nama ermordet wurden. Dieser unkommentiert und ungestört den
gedacht, dort befindet sich auch ein Krieg wird von der europäischen TäterInnen gedacht wird, während
Gedenkstein mit kolonialgeschichtli- Geschichtsschreibung mittlerweile die Opfer der Deutschen Kolonialge-
chen Bezügen. Dieser Granitfindling zumeist als Völkermord bezeichnet, walt keine Erwähnung finden.
aus dem Jahr 1907 trägt die Inschrift: sein Ende in das Jahr 1907 gelegt.
„Von 41 Angehörigen des Regiments Die deutsche Kolonialherrschaft Bis heute hat die deutsche Regie-
die in der Zeit von Januar 1904 bis dauerte allerdings bis 1915 an und rung keine Verantwortung für die
zum März 1907 am Feldzuge in bedeutete eine fortwirkende Gewalt Kolonialverbrechen des Deutschen
Südwestafrika freiwillig teilnahmen, gegen die nicht-deutsche Bevölke- Reiches übernommen. Zwar erklärte
starben den Heldentod (dann folgen rung. Für die Opfer gibt es in ganz die Ministerin für Wirtschaftliche
sieben Namen). Das Offizierskorps Berlin bisher kein öffentliches Denk- Zusammenarbeit und Entwicklung
ehrt mit diesem Stein das Andenken mal, keine offizielle Erinnerung. Heide-Marie Wieczorek-Zeul (SPD)
der Helden.“

Der Gedenkstein stand ursprüng-


lich auf einem heute nicht mehr
existenten Kasernengelände in der
Urbanstraße in Kreuzberg. 1973 ließ
die Afrika-Kameradschaft Berlin den
Findling restaurieren und veran-
lasste seinen Umzug auf den Gar-
nisonsfriedhof. Ergänzend wurde
ein weiterer Gedenkstein errichtet.
Auf ihm stand: „Den in Afrika
gefallenen deutschen Soldaten zum
ehrenden Gedenken.“ Das Geden-
ken bezog sich damit nicht mehr
nur ausschließlich auf die deut-
schen Soldaten im Krieg gegen den
antikolonialen Aufstand der Herero,
sondern wurde auch auf den Ersten
und Zweiten Weltkrieg ausgedehnt.
Anlässlich der Feiern zum 50jähri-
gen Bestehen der Bundeswehr im
Jahr 2005 wurde dieser zusätzliche Zwar hat der Senat auf Initiative des bei der Gedenkveranstaltung zum
Stein von antimilitaristischen Grup- Trägerkreises „Erinnern - Deutsche 100. Jahrestag des Krieges zwischen
pen entführt. Kolonialgeschichte aufarbeiten“ den Herero und den deutschen
dieses Jahr eine Gedenktafel neben Kolonialtruppen in Namibia: „Die
Zum geschichtlichen Hintergrund: den Stein gestellt. Diese ist aber, damaligen Gräueltaten waren das,
Am 12. Januar 1904 begann der wie schon eine provisorische Ge- was heute als Völkermord bezeich-
Aufstand der Herero gegen die deut- denktafel im Jahr 2004, kurze Zeit net werden würde.“ Doch eine
schen Kolonialherren- und Frauen später von Unbekannten entwendet völkerrechtliche Verantwortung und
in Deutsch-Südwestafrika. Diese be- worden. Entschädigungszahlungen lehnte sie
antworteten den Aufstand mit einem im Einklang mit der damaligen rot-
grausamen Vernichtungsfeldzug,

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grünen Bundesregierung weiterhin Pazifik und in Asien. Wir fordern Neuguinea, Samoa, den Salomonen,
ab. darüber hinaus Entschädigungs- den Marianen, den Marshallinseln,
zahlungen für die deutschen Kolo- Palau, Mikronesien, Nauru und in
Wir fordern die Entfernung dieses nialverbrechen im heutigen Togo, China!
kolonialverherrlichenden Denkmals! Ghana, Kamerun, Tansania, Ruanda,
Burundi, Mocambique, Namibia, Redebeitrag der Critical Whiteness
Wir fordern stattdessen eine An- Botswana, Kenia, Nigeria, Tschad, in AG der Antirassistischen Initiative,
erkennung und Aufarbeitung der der Zentralafrikanischen Republik, November 2006
deutschen Verbrechen in Afrika, im Republik Kongo, Gabun, Papua-

Tradi�onspflege in der Bundeswehr


Dieser Beitrag ist in zwei Teile ge- Zur Kapitulation am 9. Mai 1945 er- druck einer alliierten „Siegerjustiz“.
gliedert: Zunächst einige Anmer- klärte er, nun sei „das fast sechsjäh- Gegen die Prozesse formierte sich
kungen zum „Mythos Wehrmacht“ rige, heldenhafte Ringen zu Ende“.1 besonders im Hinblick auf beschul-
innerhalb der bundesdeutschen Es habe den Deutschen große Siege digte Wehrmachtsangehörige eine
Gesellschaft, im Anschluss folgt und schwere Niederlagen gebracht, aggressive Abwehr.
ein Überblick über das Traditions- am Ende sei man einer gewaltigen
verständnis innerhalb der Bun- Übermacht „ehrenvoll unterlegen“. Im Herbst 1945 legten einige NS-
deswehr. Es ist eine um Quellen Der einzelne Soldat könne die Waffe Generäle in einer Denkschrift die
ergänzte und überarbeitete Version „aufrecht und stolz aus der Hand Grundlagen für eine Strategie zur
des gehaltenen Redebeitrags. legen und in den schwersten Stun- Freisprechung der Wehrmacht, um
den unserer Geschichte tapfer und der in Nürnberg angeklagten Mili-
„Mythos Wehrmacht“ zuversichtlich an die Arbeit gehen tärführung Rückendeckung zu ge-
für das ewige Leben unseres Volkes“, ben. Die „Himmeroder Denkschrift“,
Schon während des Zweiten Welt- denn: die als „Magna Charta der deut-
kriegs betrieben Einheiten der schen Wiederbewaffnung“ gilt, griff
Wehrmacht eine massive Spurenver- „Der deutsche Soldat hat, getreu diese Absicht auf und forderte - als
wischung ihrer Kriegsverbrechen. seinem Eid, im höchsten Einsatz für Gegenleistung für einen Beitrag zum
Bereits der militärische Jargon sein Volk für immer Unvergeßliches westlichen Bündnis - die Freilassung
verschleierte Hinrichtungen und geleistet. Die Heimat hat ihn bis zu- der verurteilten Militärs. 4
Massaker durch die Bezeichnung letzt mit allen Kräften unter schwers-
der Ermordeten als „Partisanen“ ten Opfern unterstützt. Die einma- Bundeskanzler Adenauer gab 1951
oder „Flintenweiber“. Verbreche- lige Leistung von Heimat und Front eine „Ehrenerklärung“ zugunsten
rische Befehle waren oftmals nur wird in einem späteren gerechten aller Soldaten ab, „die sich nichts
mündlich weitergeben worden, um Urteil der Geschichte ihre endgültige hatten zuschulden kommen lassen.“5
spätere Nachweise zu erschweren. Würdigung finden.“2 Mit administrativen Maßnahmen
Das Näherrücken der Roten Armee und Gesetzen wurde in den ers-
führte zu Leichenverbrennungen in Damit gab Dönitz die Stichworte für ten Jahren der Bundesrepublik die
den Massengräbern, um die offen- die Durchsetzung der „Legende von Integration der Täter abgeschlossen
sichtlichsten Beweise der Wehr- der sauberen Wehrmacht“ vor. Sie und das Bild von der „sauberen
machtsverbrechen zu vernichten. bestimmten die Verteidigungsstrate- Wehrmacht“ durchgesetzt. Daran
Den Grundstein für den „Mythos gie in den Nürnberger Kriegsverbre- wirkten beschönigende „Lebenser-
Wehrmacht“ legte Hitlers Nachfol- cherprozessen ab 1945. 3 Diese galten innerungen“ ranghoher NS-Militärs
ger als Staatsoberhaupt Karl Dönitz. den meisten Deutschen als Aus- ebenso mit wie eine Flut trivialer

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und revanchistischer Publikationen, das offizielle Bild der Bundeswehr vordringen. Für einen großen Teil
darunter die bis heute verlegten eingegangen sind, setzten sich die der Kasernen wurde entweder auf
„Landser“-Heftchen. Traditionalisten weitgehend durch. Hitlers Traditionsoffensive9 von
Mit dem 12.11.1955 wurde der 200. 1937/38 oder auf die Namen gefalle-
Obwohl das Militärgeschichtliche Geburtstag des preußischen Heeres- ner Wehrmachtsoffiziere zurückge-
Forschungsamt (MGFA) der Bun- reformers Scharnhorst zum Grün- griffen. Verbindendes Glied waren
deswehr seit den 1970er Jahren in dungstag der Bundeswehr bestimmt, dabei die „zeitlosen soldatischen
der Erforschung der verbrecheri- um den reformerischen Geist der Tugenden“.
schen Dimension der Wehrmacht Gründung zu betonen. Der Begriff
zu eindeutigen Erkenntnissen kam, Der Traditionsbildung einen Rah-
stellte erst die Ausstellung „Ver- Bundeswehrangehörige men setzte der „Traditionserlass“
nichtungskrieg. Verbrechen der beteiligen sich ebenso von 1965, der Bezüge zur Wehr-
Wehrmacht“ 1995 die Legendenbil- macht zuließ, aber auch aus dem
selbstverständlich an
dung radikal infrage. Waren früher Militär stammende Gegner Hitlers
vorgelegte Ergebnisse vornehmlich der Gedenkfeier im zur Traditionsbildung empfiehl. Nun
Expertenwissen geblieben, wurde Bendlerblock wie an wurden vereinzelt Kasernen nach
die öffentlichkeitswirksame „Wehr- Ehrenzeremonien vor Mitgliedern des 20. Juli benannt, das
machtsausstellung“ als General- Gros der Einrichtungen erhielt aber
angriff auf die bisherige Deutung
Kriegerdenkmälern aus weiterhin Namen von Wehrmachts-
verstanden. Entsprechend feindse- der NS-Zeit – so wie Jahr generälen.
lig reagierte die Bundeswehr: Auf um Jahr auch auf dem
Anweisung sollten Offiziere nicht als Friedhof Columbiadamm Erst die sozialliberale Regierung ab
Referenten oder Diskussionspartner 1969 brachte die Traditionalisten
am Rahmenprogramm teilnehmen. zu beobachten. zeitweise in die Defensive. Gegen
Viele Soldatenverbände beteilig- autoritär-militaristische Vorstellun-
ten sich im Bündnis mit Teilen der der „Inneren Führung“ suggerier- gen einiger Bundeswehrspitzen, die
CDU/CSU, NPD und rechtsext- te einen Neuanfang, der sich alter in der Forderung gipfelten, Militär
remen Gruppen an den Angriffen militaristischer Leitbilder entledigen und Gesellschaft müssten sich einer
gegen die Ausstellung. Der Bundes- sollte. Die Traditionalisten stimmten Restauration „an Haupt und Glie-
tag sprach aus Anlass der Ausstel- dieser Rhetorik zu, um einer Ausei- dern“ unterziehen, wurden innere
lung 1997 die meisten Soldaten vom nandersetzung mit den Verbrechen Reformen durchgesetzt. Die Tradi-
Vorwurf der Beteiligung an Kriegs- der Wehrmacht zu entgehen. Sie tionalisten wandten sich gegen die
verbrechen frei.6 errichteten unterhalb dieser Oberflä- Bundeswehrreform organisierten
che eine restaurative Struktur. Ihnen ihre Verschleppung und erklärten
Tradi�onsverständnisse der kam zugute, dass Verteidigungsmi- gegenüber Plänen zur Öffnung der
Bundeswehr nister Strauß – ein erklärter Gegner Bundeswehr zur Gesellschaft: „In
des „Inneren Gewürges“7 – der dieser Form ist ‚Demokratisierung
Nicht erst seit der Gründung der Bundeswehr bei der Personalpolitik der Armee’ nicht nur unangebracht,
Bundeswehr 1955 standen sich im und der Namenswahl freie Hand sondern schädlich.“
Wesentlichen zwei konträre Auf- ließ. So konnte die Wehrmacht zum
fassungen über mögliche Traditi- Vorbild der Bundeswehr-Konzepti- 1982 setzte die SPD neue Richtlinien
onsbindungen gegenüber: Schon in on werden, denn nach Himmerod in Kraft, die zumindest der Tradi-
den geheimen Vorbereitungen zur sollte, wo immer es möglich war, „an tionsfähigkeit der Wehrmacht eine
Wiederbewaffnung ab 1950 beab- das politisch-militärische Konzept Absage erteilten. Darin heißt es u. a.:
sichtigten die „Reformer“ einen der Wehrmacht und Reichswehr
Bruch mit dem Militarismus und angeknüpft werden.“8 Die perso- „Die Geschichte deutscher Streitkräf-
entwarfen das Konzept der „Inneren nelle Kontinuität zur Wehrmacht te hat sich nicht ohne tiefe Einbrüche
Führung“ und des „Staatsbürgers ließ ohnehin Traditionsbezüge entwickelt. In den Nationalsozi-
in Uniform“. Dagegen hielten die unterhalb der offiziellen Ebene als alismus waren Streitkräfte teils
„Traditionalisten“ an der Vorstel- selbstverständlich erscheinen. Sol- schuldhaft verstrickt, teils wurden sie
lung des Soldaten sui generis fest, datische Traditionsverbände, davon schuldlos mißbraucht. Ein Unrechts-
dem Beruf des Soldaten als einem viele rechtsextrem, wurden wieder regime, wie das Dritte Reich, kann
besonderen „Stand“. Obwohl man- zugelassen, faschistisches Liedgut Tradition nicht begründen.“10
che Vorschläge der Reformer in konnte bis in die Gesangsbücher

12
Dieser Erlass entfachte einen Sturm Die gerade erst erlassenen Traditi- Vor dem Regierungswechsel 1998
der Entrüstung der Traditions- onsrichtlinien wurden weitgehend hatten führende SPD-Politiker ver-
verbände, obschon auch er Inter- neutralisiert und blieben ohne sprochen, den fragwürdigen Um-
pretationsräume ließ.11 Nach dem durchschlagende Wirkung auf die gang der Bundeswehr nicht weiter
politischen Machtwechsel 1982/83 wehrmachtsorientierte Traditions- hinzunehmen und dort Umbenen-
erhielten die Traditionalisten neuen pflege. nungen vorzunehmen, wo der Tra-
Auftrieb. Im Sinne der proklamier- ditionserlass nicht beachtet werde.
ten „geistig-moralischen Wende“ Das Bekanntwerden rechtsextremer 1999 hieß es, dass alle Kasernen, die
sollte der „Wertepluralismus“ Einstellungen bei Soldaten änderten Namen von NS-Generälen tragen,
zurückgedrängt und die „Wehr-Mo- daran, ebenso wie die Skandale um umbenannt würden. Tatsächlich
tivation“ der Bundeswehr gesteigert Äußerungen hoher Militärs oder das passiert ist wenig.14
werden: Engagement der Friedensbewegung,
wenig. 1995 formulierte Verteidi- Mit der schrittweisen Neuausrich-
„Ziel der Bundeswehrführung war gungsminister Rühe (CDU) einen tung der Bundeswehr von einer
es, die gesellschaftlichen Einflüsse zu- neuen Kompromiss: Verteidigungsarmee zur weltweit
gunsten der korporativen Geschlos- einsatzfähigen Interventionstruppe
senheit im Militär zurückzudrängen, „Die Wehrmacht war als Organi- drängte sie verstärkt in den öffent-
um damit das neue einigende Band, sation des Dritten Reiches in ihrer lichen Raum oder wurde zu neuen
die ‚Kampf-motivation’, eine motiva- Spitze, mit Truppenteilen und mit Traditionsstiftungszeremonien
tionale Kohäsion der Gemeinschaft Soldaten in Verbrechen des National- gebeten. Besonders in Berlin, dessen
der Truppe zu begründen – wie es sie sozialismus verstrickt. Als Institution westlicher Teil bis 1990 eine Sperr-
damals in der Wehrmacht gegeben kann sie deshalb keine Tradition be- zone für deutsches Militär gewesen
hatte.“12 gründen. (...) Nicht die Wehrmacht, war, begann die Bundeswehr, in
aber einzelne Soldaten können Form öffentlicher Rekrutengelöb-
traditionsbildend sein.“13 nisse ihre neue Rolle zu behaupten.15

13
1996 und 1998 konnten die Gelöb- Mittelpunkt dieser neuen Variante dieser „Widerstandstradition“ zielt
nisse nur gegen vehemente öffent- der Geschichtsbeugung steht wie- vor allem auf die Außenwirkung der
liche Proteste durchgesetzt werden. derum der militärische Widerstand Armee.
Ab 1999 nahm die rotgrüne Regie- gegen Hitler - symbolisch für diesen
rung eine Neujustierung vor: Fortan Widerstand wird die Hinrichtung Der Traditionsbezug auf die Wehr-
sollte die Bundeswehr am 20. Juli im Claus Schenk Graf von Stauffenbergs macht wird durch derlei Gedenk-
Bendlerblock geloben, der Bezug auf am 20. Juli 1944 im Bendlerblock kosmetik nicht beeinträchtigt:
den Umsturzversuch von 1944 wur- zitiert.“ 16 Bundeswehrangehörige beteiligen
de zur zentralen Sinnstiftung erklärt. sich ebenso selbstverständlich an der
Der hier hergestellte Traditions- Gedenkfeier im Bendlerblock wie an
„Erst mit der Traditionsoffensive seit bezug soll der Bundeswehr eine Ehrenzeremonien vor Kriegerdenk-
Mitte der 1990er Jahre ist in dieser „antifaschistische“ Legitimation ver- mälern aus der NS-Zeit – so wie
Hinsicht ein Wandel zu beobachten, leihen, sie wird im Zusammenhang Jahr um Jahr auch auf dem Friedhof
der sich in den Militärritualen der der Militärisierung der Außenpolitik Columbiadamm zu beobachten.
neuen Hauptstadt zu einer neuen als „Menschenrechts- und Friedens-
Traditionsbegründung verdichtet. Im armee“ inszeniert. Die Installation Gruppe Subcutan

Anmerkungen:
12
der Angehörigen der Wehrmacht.“ Vgl. Bald: Kämpfe um die Dominanz (wie
Deutscher Bundestag: Drucksache 13/7162 Anm. 4), S. 53.
1
Zitiert nach: Wette, Wolfram: Die Wehr- vom 11.03.1997. 13
Zitiert nach Vogel, Winfried: Kriegsver-
macht. Feindbilder, Vernichtungskrieg, 7
Mit diesem Ausdruck verunglimpfte Strauß brechen der Wehrmacht und die Bundes-
Legenden, Frankfurt/Main 2005, S. 204.
das Konzept der „Inneren Führung“. wehr, S. 539.
2
Ebd. 8 14
Bald: Kämpfe um die Dominanz (wie Anm. Auf die Aufforderung von Verteidigungs-
3
Zu den Kriegsverbrecherprozessen vgl. 4), S. 25. minister Scharping (SPD) an Bundeswehr-
ebd., S. 207ff. Wette weist auf den Umstand 9 einheiten, von sich aus Vorschläge zur
Von den knapp 200 Namen von Schlachten
hin, dass die Beteiligung der Wehrmacht an Umbenennung von historisch belasteten
und „Helden“ des Ersten Weltkriegs und der
der Judenvernichtung in den Prozessen ge- Namen zu unterbreiten, ging kein einziger
Kolonialzeit wurden ab 1956 ca. 70 über-
gen die Militärelite nicht thematisiert wurde. Vorschlag ein. Vgl. Knab, Jakob: Traditi-
nommen. Vgl. dazu Knab, Jakob: Falsche
4
Im Kloster Himmerod versammelten sich Glorie. Das Traditionsverständnis der Bun- onspflege ist Geschichtspolitik, in: Dossier
1950 im geheimen Auftrag des Kanzleramts deswehr, Berlin 1995, S. 54ff. 41: 4 Jahre Rot-Grün, Wissenschaft &
ausgesuchte Angehörige der Militärelite 10
Frieden 3/2002, unter www.iwif.de/wf302-
Bundesminister der Verteidigung Hans 96.htm (02.02.2006). Eine Liste von nach
des Dritten Reiches, um die Aufstellung
Apel: Richtlinien zum Traditionsverständnis Wehrmachtssoldaten benannten Kasernen
neuer Streitkräfte vorzubereiten. Vgl. dazu
und zur Traditionspflege in der Bundeswehr, unter www.kampagne.de/Themen/Traditi-
Bald, Detlef: Kämpfe um die Dominanz des
Bonn 1982, als Download unter www.kam- onderBw/Kasernennamen.php (02.02.2006).
Militärischen, in: Bald/Klotz/Wette: Mythos
pagne.de/media/pdf/Traditionserlass_Bw_
Wehrmacht, Berlin 2001, S. 17-65, hier S. 15
Vgl. dazu: „Kollektive Identitätsstiftung,
1982.pdf (10.01.2006).
19ff. Ausblendung sozialer Konflikte und Herstel-
11
5 Die Richtlinien sahen eine Differenzierung lung politischer Handlungseinheit - dies sind
Wette, Die Wehrmacht (wie Anm.1), S.
zwischen Traditionen und Brauchtum vor, die zentralen Momente der nationalen Ge-
232ff.
die es ermöglichte, an vordemokratischen schichtskonstruktion, wie sie im Rahmen der
6
Im Beschluss der CDU/CSU-FDP-Mehr- Ritualen festzuhalten: „Viele Formen, Sitten öffentlichen Rekrutengelöbnisse von Militärs
heit heißt es u.a.: „Das nationalsozialistische und Gepflogenheiten des Truppenalltags und PolitikerInnen intensiv betrieben wird.“
Regime hat zahllose und schwerste Verbre- sind nicht Tradition, sondern militärisches In: Euskirchen, Markus: Militärrituale. Die
chen während des Zweiten Weltkrieges zu Brauchtum. Es handelt sich um Gewohn- Ästhetik der Staatsgewalt, Kritik und Ana-
verantworten. An solchen Kriegsverbrechen heiten und Förmlichkeiten, wie sie in jeder lyse eines Herrschaftsinstruments in seinem
waren auch Teile der Wehrmacht beteiligt. großen gesellschaftlichen Einrichtung anzu- historisch-systematischen Kontext, Disser-
Für die meisten Soldaten der Wehrmacht treffen sind. Meist haben sie sich vor langer tation FU Berlin, Berlin 2004, als Download
sind solche Vorwürfe jedoch nicht begrün- Zeit herausgebildet. Ihr ursprünglicher Sinn unter www.diss.fu-berlin.de/2004/109/inde-
det. Diese Feststellung ist das Gebot histori- ist oft in Vergessenheit geraten, der Bedeu- xe.html (01.02.2006), S. 143.
scher Wahrheit wie Gerechtigkeit - verbun- tungszusammenhang zerfallen. Formen, 16
den mit dem Respekt und dem Mitgefühl für Sitten und Gepflogenheiten tragen jedoch Ebd, S. 144.
die zahllosen Opfer des Zweiten Weltkrieges zur Verhaltenssicherheit im Umgang mitein-
und ihrer Angehörigen sowie der Wür- ander bei. Nicht jede Einzelheit militärischen
digung des Widerstandes innerhalb der Brauchtums, das sich aus früheren Zeiten
Wehrmacht gegen das nationalsozialistische herleitet, muß demokratisch legitimiert sein.
Unrechtsregime. (...) Der Deutsche Bundes- Militärisches Brauchtum darf aber den vom
tag verwahrt sich mit Entschiedenheit gegen Grundgesetz vorgegebenen Werten und
jede einseitige oder pauschale Verurteilung Normen nicht entgegenstehen.“ Vgl. ebd.

14
15
Der Verband der Reservisten der Deutschen
Bundeswehr und sein Verhältnis zu
rechtsextremis�schen Organisa�onen
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Frak�on DIE LINKE
im Deutschen Bundestag.

Vorbemerkung der Letztgenannte trug sich mit vollem mistischer Organisation, die nach
Fragesteller Namen und Funktionsangaben in Angaben der Bundesregierung „ins-
die Anwesenheitsliste ein, so dass besondere von nationalistisch-völki-
Am 19. November 2006 fanden die Veranstalter von seiner Anwe- schem, antisemitischem und revisi-
bundesweit Gedenkveranstaltun- senheit gewusst haben müssen. onistischem Gedankengut geprägt
gen anlässlich des ist“ (Bundestagsdrucksache
Volkstrauertages 14/1480). Außerdem legten
statt. An zahlreichen auch mehrere Gliederungen
Orten waren dabei des Bundes der Vertriebenen
auch Vertreter der Kränze nieder.
Bundeswehr sowie
des Verbandes der Trotz dieser unübersehba-
Reservisten der Deut- ren rechtsextremistischen
schen Bundeswehr Präsenz hat der VdRD-
(VdRDBw) beteiligt. Bw keine Maßnahmen
Die Veranstaltung auf getroffen, um sich von
dem Berliner Gar- den Rechtsextremisten zu
nisonsfriedhof am distanzieren. In Gesprä-
Columbiadamm wur- chen mit Pressevertre-
de von der Sektion tern betonte der zustän-
Berlin des VdRDBw dige Oberstleutnant a.
organisiert. Zu den D. A. B. zwar, er habe
knapp 200 Besuchern die Rechtsextremisten
der Veranstaltung ge- nicht eingeladen, in
hörten neben unifor- seiner Ansprache
mierten Reservisten erklärte er aber:
und Soldaten auch „Jeder darf hier
zahlreiche Vertreter Kränze oder Blumen
der neofaschistischen ablegen.“ (junge
Par- teien DVU und Welt, 20. November
NPD sowie Angehö- 2006, taz Berlin, 20.
rige der Kamerad- November 2006).
schaftsszene. Unter
ande- rem waren In seinen weiteren Ausführungen
der Berliner DVU-Funktionär S. K., Die neofaschistischen Parteien DVU bezeichnete der Oberstleutnant a.
der NPD-Aktivist J. H. sowie der und NPD legten mehrere Kränze D. A. B. den Tod von Bundeswehr-
parlamentarische Geschäftsführer direkt neben Kränzen des VdRDBw soldaten im Auslandseinsatz als
der DVU-Landtagsfraktion Bran- ab. Hinzu kam ein Kranz des „Stahl- „Heldentod“; auch diesen gelte es
denburg, S.-P. Sch., anwesend. Der helms“, einer weiteren rechtsextre- am Volkstrauertag zu feiern. Die

16
Vokabel des „Heldentodes“ kehrte die wachsende Akzeptanz rechtsex- 1. Wie bewertet die Bundesregie-
regelmäßig in den Berichten des tremistischer Positionen in der so rung die Begrüßung von Organisa-
Oberkommandos der Wehrmacht genannten Mitte der Gesellschaft. tionen wie der Ordensgemeinschaft
wieder und gehörte zum Standard- Es ist nicht zu erkennen, inwiefern der Ritterkreuzträger und der HIAG
repertoire nationalsozialistischer die Duldung und Begrüßung von durch den Verband der Reservis-
Kriegsverherrlichung und Durch- Rechtsextremisten im Rahmen des ten der Deutschen Bundeswehr
haltepropaganda. Volkstrauertages für die Aufgaben (VdRDBw), insbeson- dere vor dem
des VdRDBw erforderlich sein Hintergrund der rechtsextremisti-
Im Anschluss an diese Ansprache sollten. Zu diesen Aufgaben gehört schen Vorfälle in der Bundes- wehr
rief ein weiterer Vertreter des Reser- es, Reservisten „zu betreuen, sie und der notwendigen historischen
vistenverbandes (Herr B.) die mili- als Mittler zwischen Bundeswehr Sensibilisierung von Soldaten?
tärischen Traditionsgemeinschaften und zivilem Umfeld zu gewinnen
und weitere Organisationen auf, Veranstalter der am
die sich am Gedenken beteilig- 19. November 2006
ten. Dabei nannte er unter an- auf dem Berliner
derem die Ordensgemeinschaft Garnisonsfriedhof
der Ritterkreuzträger und die „Am Columbia-
Hilfsgemeinschaft auf Ge- damm“ war nicht
genseitigkeit der ehemaligen die Bundeswehr
Angehörigen der Waffen-SS oder der Verband
(HIAG). Gegenüber den der Reser- visten der
Fragestellern rechtfertigte Deutschen Bundes-
Oberstleutnant a. D. A. wehr e. V. Veran-
B. die Würdigung der stalter war, wie jedes
SS-Veteranen mit den Jahr, die selbständige
Worten, die Bundes- Vereinigung „RING
wehr sei schließlich DEUTSCHER SOL-
auch von mehreren DATENVERBÄNDE
hundert Waffen- BERLIN e. V.“, die nicht
SS-Mitgliedern dem Beirat Freiwillige
aufgebaut wor- Reservistenarbeit beim
den. Verband der Reservisten
der Deutschen Bundes-
Eine derartige wehr e. V. angehört.
Einbindung
rechtsextre- Die Bundeswehr (Stand-
mistischer ortkommando Berlin)
Vereinigungen, unterstützt seit mehreren
zu denen die Jahren die Gedenkfeier zum
Bundeswehr Volkstrauertag auf Einla-
ein Kontaktverbot erklärt hat, steht und sie für die Wahrnehmung ihrer dung des Veranstalters durch die
nach Meinung der Fragesteller im Mittlertätigkeit weiterzubilden“. Zu Abstellung eines Trompeters und
Gegensatz zu den Erfordernissen diesem Zweck erhält der VdRDBw durch Betreuung der ausländischen
einer glaubwürdigen Abgrenzung finanzielle Zuwendungen durch Militärattachés.
von Faschismus und Neofaschis- die Bundesregierung, im Jahr 2005
mus. Da auch uniformierte Solda- beispiels- weise 13,8 Mio. Euro. Nach dem Ende des offiziellen
ten anwesend waren und nach den Festaktes mit Kranzniederlegungen
Ausführungen des Herrn B. auch Wenn der VdRDBw sich nicht durch den VdRBw und den Volks-
das Standortkommando Berlin der eindeutig von Rechtsextremisten bund Deutsche Kriegsgräberfür-
Bundeswehr in die Durchführung distanziert, stellt sich die Frage, ob sorge gedachten der Ver- treter der
der Veranstaltung eingebunden war, seine Förderung aus Bundesmitteln Bundeswehr und der stellvertretende
ist hier eine politische Klarstellung weiterhin gerecht- fertigt ist. Landesvorsitzende des Verbandes
unbedingt geboten. Veranstaltungen der Reservisten der Deutschen
wie diese sind symptomatisch für Bundeswehr e. V. Berlin auf einem

17
gemein- samen Rundgang mit den 3. Ist es für die Reservistenarbeit schirmjäger sowie des Deutschen
ausländischen Militärattachés der der BW erforderlich, auch NPD- Marinebundes unmittelbar neben
Gefallenen ihrer Nationen. Dazu und DVU- Vertretern den Zutritt zu Kränzen des VdRDBw platziert
spielte der Trompeter jeweils die den Volkstrauertagsfeierlichkeiten wurden, insbesondere vor dem Hin-
nationalen Totensignale der betref- zu gewähren und sie dort Kränze tergrund, dass die letztgenannten
fenden Staaten. ablegen zu lassen, und wenn ja, Organisationen allesamt staatliche
warum? Zu- wendungen erhalten?
2. Ist es für die Zwecke, Reservisten
zu betreuen, sie als Mittler zwischen Nein. Der Berliner Garnisonsfried- Auf die Antwort zur Frage 3 wird
Bundeswehr und zivilem Umfeld zu hof „Am Columbiadamm“ ist aber verwiesen.
gewinnen und sie für die Wahrneh- ein für jedermann zugänglicher
mung ihrer Mittlertätigkeit weiter- öffentlicher Friedhof. Kränze oder 5. Wie bewertet die Bundesregie-
zubilden, erforderlich, die Ordens- Gebinde rechtsextremistischer Par- rung, dass Oberstleutnant a. D. A.
gemeinschaft der Ritterkreuzträger teien oder Organisationen wurden B. vom Reservistenverband Berlin
und die HIAG an der Durchführung nach hiesigen Erkenntnissen nicht sich nur in Pressegesprächen, aber
einer Veranstaltung zum Volkstrau- während der offiziellen Gedenkfeier nicht in sei- ner Ansprache von den
ertag zu beteiligen, und wenn ja, abgelegt. Rechtsextremisten distanziert hat,
warum? sondern in der Ansprache ausführ-
te, jeder dürfe Blumen oder Kränze
ablegen?

Oberstleutnant d. R. A. B. hat seine


Ansprache als Vizepräsident des
RINGS DEUTSCHER SOLDATEN-
VERBÄNDE BERLIN e. V. und Ver-
anstalter gehalten. Auf die Antwort
zur Frage 3 wird verwiesen.

6. Gab es über die Bereitstellung


eines Trompeters durch das Stand-
ortkommando Berlin (Angaben
des VdRDBw gegenüber den Frage-
stellern) weitere Formen, in denen
die Bundeswehr an Planung und
Durchführung der Veranstaltung
auf dem Garnisonsfriedhof beteiligt
war, und wenn ja, welche?

Nein. Auf die Antwort zur Frage 1


wird verwiesen.

7. Hält die Bundesregierung die


Beteiligung der Bundeswehr an Ver-
anstaltungen, an denen Vertreter
rechtsextremistischer Organisatio-
nen teilnehmen und die rechtsextre-
mistische HIAG sowie die Ordens-
Nein. Die genannten Organisatio- 4. Wie bewertet die Bundesregie- gemeinschaft der Ritterkreuzträger
nen wurden nicht vom Verband der rung den Umstand, dass Kränze begrüßt werden, für angemessen,
Reservisten der Deutschen Bundes- rechtsextremistischer Vereinigungen und wenn ja, warum?
wehr e. V. beteiligt. Auf die Antwort wie der NPD, der DVU und des
zur Frage 1 wird verwiesen. „Stahlhelms“ sowie einiger Gliede- Nein. Auf die Antwort zur Frage 8
rungen des Bundes der Vertriebe- wird verwiesen.
nen, des Bundes Deutscher Fall-

18
8. Hält die Bundesre-
gierung die Teilnah-
me von Soldaten in
Uniform an Ver- an-
staltungen, an denen
auch Rechtsextremisten
teilnehmen und Or-
ganisationen wie die
Ordensgemeinschaft der
Ritterkreuzträger und die
HIAG begrüßt werden, für
angebracht?

Im Hinblick auf eine zufällige


und von Seiten der Bundes-
wehr keinesfalls beabsichtigte
Teilnahme von Vertretern der
angesprochenen Organisatio-
nen ist nicht auszuschließen,
dass an Veranstaltungen, wie
z. B. dem Volkstrauertag, auch
Vertreter dieser Organisationen
am Veranstaltungsort erscheinen.
Im Einzelfall wird immer dann
ein Teilnahmeverzicht seitens
der Bundeswehr in Betracht zu
ziehen sein, wenn Vertreter der
angesprochenen Organisationen und auch die Kürzung oder Streichung visten der Deutschen Bundeswehr
von ihnen beabsichtigte Aktionen finanzieller Zuwendungen? e. V. und seiner Untergliederungen
oder Agitationen vor oder während weder Mittel aus Zuwendungen des
der offiziellen Veranstaltung erkannt Die Bundesregierung sieht hierzu Bundes noch Eigenmittel des Ver-
werden. keine Veranlassung. Der Verband bandes mittelbar oder unmittelbar
der Reservisten der Deutschen Bun- eingesetzt. Der Kranz wurde durch
9. Falls Frage 8 mit Nein beantwor- deswehr e. V. ist nach Artikel 2 Satz Spenden finanziert.
tet wird: Welche Maßnahmen wird 2 seiner Satzung unabhängig und
die Bundesregierung ergreifen, um überparteilich. Seine satzungsgemä- 12. Hat und nutzt die Bundesre-
auf Soldaten dahin gehend einzu- ßen Ziele entsprechen den Auf- gierung Möglichkeiten, die Ver-
wirken, dass sie künftig nicht mehr trägen an den Verband. Über den wendung der Fördermittel durch
oder zumindest nicht in Uniform an Beirat Freiwillige Reservistenarbeit den VdRDBw zu kontrollieren, und
einer sol- chen Veranstaltung, wie beim Verband der Reservisten der wenn nicht, wird sie die Förderung
sie am 19. November 2006 in Berlin Deutschen Bundeswehr e. V. werden einstellen, um zu verhindern, dass
stattfand, teilnehmen? alle Mit- gliedsverbände regelmäßig mit staatlicher Förde- rung das
sowie zusätzlich anlassbezogen zur Kontaktverbot zu Organisationen
Auf die Antwort zur Frage 8 wird Distanzierung von extremistischen wie Ordensgemeinschaft und HIAG
verwiesen. Organisationen aufgefordert. umgangen sowie diesen Organi-
sationen zu einer nicht verdienten
10. Wird die Bundesregierung auf 11. Welchen Betrag hat der VdRD- Würdigung verholfen wird?
den VdRDBw dahin gehend einwir- Bw für die Veranstaltung auf dem
ken, dass dieser künftig eine klare Garni- sonsfriedhof ausgegeben, Der Verband der Reservisten der
Distanzierung von NPD, DVU, und wie hoch war dabei der vom Deutschen Bundeswehr e. V. wird
Kameradschaften, Ordensgemein- Bund geförderte Anteil? kontinuierlich durch das Bundes-
schaft und HIAG vornimmt, und ministerium der Verteidigung, das
wenn ja, welche Maßnahmen sind Für die Veranstaltung wurden Streitkräfteamt und durch den Bun-
beabsichtigt, und gehören dazu seitens des Verbandes der Reser- desrechnungshof hinsichtlich der

19
Verwendung seiner Zuwendungs- Literatur sowie im Verständnis der lich und ehrenvoll zu gedenken.
mittel überprüft und kontrolliert. Menschen inhaltlich höchst unter- Hierfür bietet u. a. das Gedenken am
Nach hiesiger Kenntnis hat der Ver- schiedlich gefüllt. Volkstrauertag einen angemessenen
band der Reservisten der Deutschen Rahmen.
Bundeswehr e. V. bei allen Veran-
staltungen, insbesondere seitens der
im Beirat Freiwillige Reservisten-
arbeit vertretenen Vereinigungen,
stets das ministerielle Kontaktverbot
zu den genannten Organisationen
berücksichtigt.

13. Wird die Bundesregierung auf


den Bund Deutscher Fallschirmjä-
ger und den Deutschen Marinebund
einwirken, sich künftig nicht an
Veranstaltungen zu beteiligen, an
denen Vertreter rechtsextremisti-
scher Organisationen willkommen
sind?

Die beiden genannten Vereini-


gungen sind Mitglieder im Beirat Der Begriff „Held“ hat im 19. und 15. Welche Auswirkungen auf
Freiwillige Reservistenarbeit, aber 20. Jahrhundert einen Bedeu- Traditionsbewusstsein und Ge-
vereinsrechtlich eigenständige Orga- tungswandel erfahren. Durch die schichtsbild von Reservisten und
nisationen. In diesem Zusammen- propagandistische Vereinnahmung Soldaten erwartet die Bundesregie-
hang wird auf die Antworten zu den des Begriffs während des Zweiten rung, wenn der VdRDBw im Rah-
Fragen 10 und 12 verwiesen. Sollten Weltkriegs wurde der „Heldentod“ men seiner Reservistenarbeit den
Kontaktverbote von Mitgliedern im dann endgültig für die deutsche Tod von Bundeswehrsoldaten als
Beirat Freiwillige Reservistenarbeit Nachkriegsgesellschaft desavouriert. „Heldentod“ bezeichnet, und welche
vorsätzlich unterlaufen werden, wird International spielt er dagegen wei- Konsequenzen zieht sie daraus hin-
der Beirat Freiwillige Reservisten- terhin eine Rolle. sichtlich der Zusammenarbeit mit
arbeit informiert, um ggf. erfor- dem VdRDBw?
derliche Maßnahmen ergreifen zu Im Sprachgebrauch der Bundeswehr
können. ist der Begriff „Heldentod“ nicht Der genannte Begriff wurde vom
verankert. Vielmehr hat sich die Vizepräsidenten des RINGS DEUT-
14. Teilt die Bundesregierung die Begrifflichkeit von tapferen, aufop- SCHER SOLDATENVERBÄNDE
Ansicht der Fragesteller, die Rede ferungsvollen, vorbild- lichen und BERLIN e. V. gebraucht. Im Übrigen
vom „Heldentod“ sei unangebracht traditionswürdigen Soldatinnen und wird auf die Antwort zur Frage 14
und könne geeignet sein, den Soldaten herausgebildet. verwiesen.
Auffassungen der Rechtsextremis-
ten zuzuarbeiten, und wenn nein, Anstand und Sitte gebieten es aber, 16. Wie beurteilt die Bundesregie-
warum nicht? der Soldatinnen und Soldaten der rung die Wirkung, die der Ablauf
Bundesrepublik Deutschland, die im des Volkstrauertages in Berlin im
Die Bundesregierung teilt nicht die Auftrag des Parlaments in Einsät- Ausland hat?
Auffassung der Fragesteller, dass zen im Rahmen internationaler
allein durch den unzeitgemäßen Krisen- und Konfliktbewältigung Hierzu liegen keine Erkenntnisse
Gebrauch des Begriffs „Heldentod“ einschließlich des Kampfes gegen vor.
Rechtsextremisten zugearbeitet den internationalen Terrorismus
werde. sowie in Einsätzen zur Hilfeleistung 17. Teilt die Bundesregierung die
bei schweren Unglücksfällen und Auffassung der Fragesteller, die
Die Begriffe „Held“ und „Helden- Katastrophen im In- und Ausland beschriebene Haltung des VdRDBw
tod“ sind insgesamt nur schwer ihr Leben gelassen haben, durch das gegenüber rechtsextremistischen
einzugrenzen und werden in der Parlament und die Bürger ausdrück- Organisationen sei geeignet, die

20
anwesenden Vertreter alliierter (i. d. R. am Volkstrauertag) wird deswehrdelegation auf dem öffentlich
Delegationen abzustoßen und deren nach Möglichkeit entsprochen. zugänglichen Soldatenfriedhof am
Trauer zu stören? Vertreter der Bundeswehr haben alten Lazarett HÖRSTEN auf dem
daher an vielen Veranstaltungen Truppenübungsplatz Bergen versuch-
Auf die Antworten zu den Fragen 1 zum Volkstrauertag teilgenommen. ten ca. 30 Personen unter Führung
und 16 wird verwiesen. Hierüber wird jedoch keine Statistik eines NPD-Funktionärs teilzunehmen.
geführt. Der Bundesregierung sind Dieser Versuch wurde in Zusammen-
18. An welchen anderen Orten keine weiteren Veranstaltungen zum arbeit mit der Polizei unterbunden. Zu
haben im Zusammenhang mit dem Volkstrauertag 2006 bekannt, bei de- offiziellen Gedenkfeiern zum Volks-
Volkstrauertag 2006 Veranstal- nen extremistische Organisationen trauertag 2006, an denen die Bun-
tungen stattgefunden, an denen begrüßt worden wären. deswehr und/oder der Verband der
Vertreter der Bundeswehr bzw. des Reservisten der Deutschen Bundes-
VdRDBw teilgenommen und rechts- 19. An welchen anderen Orten wa- wehr e. V. beteiligt waren, liegen keine
extremistische Organisationen wie ren bei Veranstaltungen zum Volks- weiteren Informationen über Versuche
insbesondere die Ordensgemein- trauertag 2006 neben Vertretern zur Teilnahme extremistischer Orga-
schaft der Ritterkreuzträger sowie rechtsextremistischer Organisatio- nisationen vor.
die HIAG begrüßt haben? nen auch Vertreter der Bundeswehr
bzw. des VdRDBw anwesend?
Anträgen auf Beteiligung der Bun-
deswehr bei offiziellen öffentlichen An der Gedenkveranstaltung zum
Veranstaltungen zu Totenehrungen Volkstrauertag 2006 mit einer Bun-

21
„Ich erwarte von meiner Truppe Disziplin
wie bei den Spartanern, den Römern oder
bei der Waffen-SS“
(Brigadegeneral a. D. Reinhard Günzel, 1995)

Der folgende Text ist ein Auszug aus als traditionsstiftend für die von keit zur Gegnertäuschung“ bei der
einer Kleinen Anfrage der Abgeord- ihnen angeführten Spezialeinheiten. Wehrmachtseinheit hervorhebt.
neten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, So schreibt Reinhard Günzel: „Die
Heike Hänsel und Inge Höger der Kommandosoldaten des KSK wissen Die Division Brandenburg war eine
Fraktion DIE LINKE zum Thema: genau, wo ihre Wurzeln liegen. dem Amt Abwehr unterstellte terro-
„Verbrecherische Wehrmachtsdivi- Die Einsätze der ›Brandenburger‹ ristische Sondereinheit der Wehr-
sion als mögliche Traditionsgeberin [...] gelten der Truppe geradezu als macht, spezialisiert auf Kommando-
für das Kommando Spezialkräfte legendär“. Anlässlich der Verleihung einsätze. Sie war nach Erkenntnissen
(KSK) und die GSG 9“. des Kommandoabzeichens im Jahr des Historikers Hannes Heer
2001 verglich Reinhard Günzel, so zusammen mit dem ukrainischen
Aus der Vorbemerkung der seine Ausführungen in dem Band, Nationalistenbataillon Nachtigall
FragestellerInnen: dieses Abzeichen mit dem Ritter- am Massaker in Lwów [Lemberg]
kreuz und die KSK-Angehörigen im Juni 1941 beteiligt. Die Angehö-
KSK-Kommandeur Reinhard Gün- mit Soldaten der faschistischen rigen der Division kämpften häufig
zel wurde 2003 wegen einer Solida- Streitkräfte: „Denn so, wie auch das in den Uniformen der feindlichen
ritätsadresse an Martin Hohmann Ritterkreuz nur aufgrund der bei- Streitkräfte, um diese zu täuschen.
entlassen, der „die Juden“ als „Tä- spiellosen Leistungen unserer Väter Oberstleutnant a. D. Wilhelm
tervolk“ bezeichnet hatte und aus von einem schlichten Stückchen Walther, der ab 1943 ein Regiment
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Blech zu einem weltweit höchstge- der Division Brandenburg komman-
ausgeschlossen worden war. achteten Symbol geworden ist, so dierte, spricht in seinem Beitrag in
liegt es bei den Männern des KSK, dem Band vom „handstreichartig
Im rechtsextremen Verlag Pour le welches Ansehen mit diesem Abzei- geführten Kampf hinter den feind-
Mérite ist im vergangenen Jahr das chen verbunden werden wird“. Dass lichen Linien“. Die Kampfweise sei
Buch Geheime Krieger. Drei deut- „beispiellos“ an der Wehrmacht „von den Elementen List und Tücke
sche Kommandoverbände im Bild und Waffen-SS vor allem die von geprägt“ gewesen.
erschienen. Autoren sind ehemalige ihnen verübten Verbrechen waren,
Kommandeure deutscher Sonder- erwähnte der Kommandeur des KSK Die Wortwahl des Oberstleutnant a.
einheiten aus Militär und Polizei: nicht. D. lässt kaum einen Zweifel daran,
General a. D. Reinhard Günzel dass er auch heute noch Stolz auf
(Kommando Spezialkräfte der Ulrich K. Wegener, der in den die von ihm angeleitete verbrecheri-
Bundeswehr), Oberstleutnant a. D. 1970er Jahren Kommandeur der sche Einheit empfindet. Er lobt die
Wilhelm Walther (Division Branden- Grenzschutzgruppe 9 war, beruft „idealistische und vaterländische
burg der Wehrmacht) und General sich ebenfalls auf das Vorbild der Einstellung“ der Angehörigen der
a. D. Ulrich K. Wegener (GSG 9 des Division Brandenburg. Vor allem von Division, die „mit ihren speziellen
damaligen Bundesgrenzschutzes). deren „Kameradschaft und Korps- Kenntnissen ihrer Heimat im Kampf
geist“ zeigt sich Ulrich K. Wegener beistehen“ wollten. Ausdrücklich
Die Autoren Reinhard Günzel und beeindruckt, der im Übrigen die räumt Wilhelm Walther ein, dass
Ulrich K. Wegener bezeichnen in „unkonventionelle“ Vorgehensweise, „die meisten unserer Einsätze nicht
dem Band die Division Brandenburg die „Raffinesse“ und die „Fähig- von dem damaligen Kriegsvöl-

22
kerrecht gedeckt [waren], da nach
diesem das Tragen der gegnerischen
Uniform geächtet war“.

Dass es Gemeinsamkeiten zwi-


schen der Division Brandenburg
und dem KSK gibt, scheint nicht
nur der Phantasie des Generals a.
D. Reinhard Günzel zu entsprin-
gen. Bedenklich muss einen schon
stimmen, dass die KSK-Angehöri-
gen sich nicht dagegen verwahren,
ihr Abzeichen in eine Reihe mit
Auszeichnungen der faschistischen
Wehrmacht zu bringen, wie es Ge-
neral a. D. Reinhard Günzel gemacht
hat. Die Kommandooperationen
des KSK laufen ebenso konspirativ
und geheim ab wie diejenigen der
Division Brandenburg. Noch nicht
einmal der Deutsche Bundestag wird
unterrichtet. Ob sich die KSK-Sol-
daten wenigstens an das Völkerrecht
halten, kann daher nicht überprüft
werden. Berichte über die Beteili-
gung des

KSK an der Bewachung und Inhaf-


tierung des Murat Kurnaz in einem
illegalen US-Gefängnis in Afghanis-
tan sind geeignet, erhebliche Skepsis
zu erzeugen. Bekannt ist auch, dass
KSK-Soldaten Jeeps mit Symbolen
bemalt haben, die der Wehrmacht
entliehen sind. Es scheint daher
nicht ausgeschlossen, dass General a.
D. Reinhard Günzel Recht hat, wenn
er zusammenfasst: „Das Selbstver-
ständnis der deutschen Komman-
dotruppen hat sich seit dem Zweiten
Weltkrieg nicht geändert“.

Die vollständige Anfrage sowie die


gesamte Antwort der Bundesregie-
rung sind als Bundestagsdrucksa-
chen erschienen, die Anfrage als
BT-DS 16/5082, die Antwort als
BT-DS 16/5380. Für die vollständi-
gen Texte siehe auch: http://www.
uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/
Bundeswehr/tradition2.html (Stand:
Sept. 07)

23
Eine Frage des Standorts
Die Bundeswehr braucht ein „Ehrenmal“ zur Stärkung der Kampfmoral.

Bei der Bundeswehr werden zu- Stärkung der Kampfmoral Entwurf kündigt einen „Stahlbeton-
nehmend „interessante und sichere rahmen mit einer filigran durchbro-
Arbeitsplätze“ (O-Ton Bundeswehr) Solche Fragen soll das geplante „Eh- chenen Bronzehaut“ an, die höchst
frei, weil Soldaten ihre Heimreise renmal der Bundeswehr“ klar beja- symbolisch ist: Sie besteht aus
im Zinksarg antreten. Das Verteidi- hen. „Wer für die Bundeswehr - im „Formen von halben Erkennungs-
gungsministerium möchte nun auch Inland oder Ausland - und damit für marken, die jeder Soldat im Einsatz
die Leichen für die vaterländische unsere Sicherheit, den Frieden und trägt und deren Teilung für den Tod
Sache instrumentalisieren und ihnen die Freiheit sein Leben gelassen hat, steht.“ Unterteilt ist das Rechteck in
ein „Ehrenmal“ widmen. dem schulden wir ein würdiges Ge- einen „hallenartigen, transluzenten
denken in Form eines Ehrenmals“, und der Witterung ausgesetzten
69 deutsche Soldaten sind seit meint Verteidigungsminister Franz Raum“ und eine Art Dunkelkam-
Beginn der Auslandseinsätze ums Josef Jung (CDU) (Süddeutsche mer: Eine „Cella“ als „Ort des
Leben gekommen. Und es werden Zeitung, 24. 3. 06). Das „Ehrenmal“ Rückzugs und der Stille“. In dieser
bald noch viel mehr sein, dafür sorgt soll den Soldatentod als zugleich geschlossenen Abteilung steht ein
schon die gültige Militärdoktrin: Das ehrenhaften und sinnvollen Tod schwarzer Steinklotz zum Kränze
Weißbuch der Bundeswehr will bis würdigen. Warum das so wichtig ist, und Blumen ablegen. Der Blechhau-
zum Jahr 2010 die Auslandskontin- erklärt ein Bundeswehrpsychologe: fen soll nicht nur den bisherigen und
gente massiv aufstocken. 30.000 Frau „Ohne eine öffentliche Ehrung und kommenden „Helden“ gewidmet
und Mann sollen dann sogenannten ein öffentliches Bekenntnis würden sein, sondern „allen Angehörigen
„Einsatzkräften“ angehören, mit die Sinnhaftigkeit und damit auch der Bundeswehr, die im Dienst seit
Schwerpunkt auf Kampfführung. die Akzeptanz solcher Missionen 1955 ihr Leben verloren haben“, und
Weitere 75.000 Soldaten werden als ... in Frage gestellt.“ Es „drohen die das waren bislang 2600. Die aller-
„Stabilisierungskräfte“ für weniger Motivationen der Soldaten, aber meisten von ihnen sind nicht im
harte Gefechte und Besatzungsauf- auch der Zusammenhang zwischen Kampf „gefallen“, sondern betrun-
gaben ausgebildet. Grob gerechnet Bundeswehr und Bevölkerung ver- ken Panzer gefahren, aus Versehen
wird sich verglichen mit dem heuti- loren zu gehen“. (ddp-Meldung vom von den eigenen Leuten erschossen
gen Stand die Zahl der Soldaten, die 2. 1. 06) Es geht also, kurz gesagt, worden usw., aber geehrt werden
gleichzeitig im Ausland eingesetzt darum, die Moral von Truppe und sollen sie unterschiedslos.
werden können, verdoppeln. Als Heimatfront zu hätscheln, weil das
Einsatzgebiet gilt die ganze Welt, ge- unerlässlich dafür ist, auch weiterhin Vaterländische Deba�e
ographische Begrenzungen sieht das Kriege führen zu können.
„Weißbuch“ nicht vor. Es gibt keinen Die Reaktionen auf den Entwurf
Grund anzunehmen, dass sich das Blechkasten sind zwar überwiegend kritisch,
die Leute in den betroffenen Län- aber nur, was die Details angeht.
dern widerstandslos gefallen lassen. Im Mai 2007 hat Kriegsminister Parteien, Soldatenverbände und
Jung seinen Entwurf präsentiert. Medien debattieren nicht das „Ob“,
Da kann man sich natürlich Sorgen Das „Ehrenmal“ soll bis Mitte 2008 sondern nur das „Wie“ und „Wo“
machen. Eltern, deren Nachwuchs auf dem Gelände des Bendlerblocks des Ehrenmals. „Richtiges Ehren-
am Hindukusch dahinscheidet, entstehen, wo die Berliner Außen- mal am falschen Platz“, titelte etwa
Schwestern, Freunde, nicht zuletzt stelle des Verteidigungsministeriums die Reservistenzeitschrift „loyal“
die Soldaten selbst könnten sich die untergebracht ist. Es soll acht Meter (Juli 07). Auch dem Bundeswehr-
Frage stellen, ob die Auslandszulage breit, 41 Meter lang und 10 Meter verband ist der Standort im Bend-
es wert ist, als Leiche zurückzukom- hoch sein, mit der Inschrift: „Den lerblock zu abgelegen. Auch wenn
men. Toten unserer Bundeswehr. Für der Jung-Entwurf ankündigt, von
Frieden, Recht und Freiheit.“ Der der Hildebrandtstraße aus einen

24
Süß ist’s und ehrenvoll, fürs Vaterland zu sterben – was für ein Blech!

öffentlichen Zugang zu schaffen: Nähe des Reichstages“ (Die Bundes- deutschen Soldaten als auch den von
Das Gedenken gehöre in die „Mitte wehr, 3/07). Außerdem möchten die ihnen Getöteten gewidmet sein solle.
unserer Gesellschaft“, und zwar ne- Grünen, dass das Ehrenmal auch
ben den Bundestag. Das finden auch noch den im Ausland verstorbenen Die unterschiedslose Ehrung von
Parlamentarier aus allen Parteien. „Entwicklungshelfern, Diplomaten Tätern wie Opfern hat im neuen
Schließlich sei die Bundeswehr eine und Polizisten gelten“ solle. Ähn- Deutschland bekanntlich Konjunk-
Parlamentsarmee, argumentiert etwa liche Forderungen gibt es in der tur. So ist eine höchst vaterländische
der FDP-Politiker Rainer Stinner. SPD. Da will auch die Linksfraktion Debatte entstanden, in der bislang
„Die Parlamentarier sollten an ihre nicht abseits stehen: Gegen Wider- die linksradikalen Störmanöver
Verantwortung erinnert werden.“ spruch von neun Abgeordneten des fehlen.
Winfried Nachtwei von den Grünen linken Flügels fordert die Frakti-
stimmt zu: „Mit der Randlage wird onsmehrheit in einem Antrag ein Frank Brendle
die Öffentlichkeit nicht erreicht. Das „Mahnmal“, das sowohl den toten
Ehrenmal gehört in unmittelbare

25
Interview zur gedenkpoli�schen Recher-
chekundgebung am Columbiadamm 2006

Interview vom 07.12.2006 mit Britta vor dem Gottesdienst Leute auf erkennen. Dies, so denken wir, muss
Clausen und Martje Reimers vom dem Friedhof unterwegs sind und angegriffen und problematisiert
Gedenkpolitischen Rechercheteam, persönlich Kränze ablegen. Danach werden.
einem linken Berliner Zusammen- wird der Gottesdienst mit einer fei-
schluss, der sich in diesem Jahr erlichen Ansprache abgehalten. Zu- Zudem finde ich die Vorstellung
erstmals mit dem revisionistischen letzt huldigen die Anwesenden dem einer Veranstaltung mit gesellschaft-
Treiben am Columbiadamm in Ber- deutschen Militarismus mit einer lich marginaler Bedeutung fragwür-
lin-Neukölln befasste und dagegen Marschformation und Fahnen der dig, insbesondere wenn man sich
eine Kundgebung organisierte. verschiedenen Verbände sowie einer anschaut, wie in der deutschen Ge-
gemeinsamen Kranzniederlegung. sellschaft Nationalsozialismus the-
Frage: Ihr habt dieses Jahr eine matisiert wird. Es setzt sich nämlich
Kundgebung am so genannten Was ist aus eurer Perspektive das mehr und mehr ein Opferdiskurs
Volkstrauertag am Neuen Garni- Problem solcher revisionistischen durch, dem zufolge die Deutschen
sonsfriedhof am Columbiadamm Veranstaltungen? die „wahren Opfer“ sein sollen. Es
in Neukölln organisiert. Worum stellt sich also die Frage, ob diese
ging es dabei? Martje Reimers: Sie zeigen die Kon- Denkweise nicht schon in der Mitte
tinuität, in der so genannter „Opfer“ der Gesellschaft angekommen ist
Britta Clausen: Dort treffen sich seit aus den Reihen der Wehrmacht und somit nicht mehr „nur“ einen
Jahren ungestört, von Kommentaren gedacht wird. Das heißt, NS-Täter gesellschaftlichen Rand darstellt.
auf der Friedhofsmauer abgesehen, werden unverhohlen und offen ge-
Gruppen aus dem rechtsextremen ehrt. Obwohl dieser Friedhof in der Auf jeden Fall ist die Veranstaltung
bis rechtskonservativen Spektrum: Berliner Innenstadt liegt, gab es da- am Columbiadamm ein markan-
Reservistenverbände der Bun- für bisher keine Gegenöffentlichkeit. ter Ort, an dem diese Problematik
deswehr, Veteranenverbände der Inhaltlich lehnt sich dieses Geden- deutlich wird.
Wehrmacht, bis hin zum klassischen ken an die Volksgemeinschafts-Ide-
rechtsextremen Spektrum wie der ologie des Nationalsozialismus an. Ihr sprecht von der Mitte der Ge-
Parteien DVU, Republikaner und Das wird unter anderem durch ein sellschaft. Lässt sich so eine Analyse
NPD. Dazu kommen Burschenschaf- Friedhofsdenkmal deutlich, auf dem auch aus den beteiligten Gruppen
ter und Mitglieder rechtsextremer steht: „Wir starben, auf das Deutsch- ablesen?
Kameradschaften. Sie versammeln land lebe.“
sich dort anlässlich des „Volkstrau- Britta Clausen: Ja. Große Traditi-
ertags“, um dort ein so genanntes Britta Clausen: Die Teilnahme der onsverbände wie der Verband der
„Heldengedenken“ zu veranstalten. Bundswehr verdeutlicht außer- Deutschen Soldaten (VDS) beteiligen
Der Veranstaltungsrahmen ist ein dem, dass an diesem Ort eine ganz sich an der Ausrichtung der Ver-
Gottesdienst, was darauf hindeutet, bestimmte Form der Traditions- anstaltung. Also Verbände, die sich
das es offenbar VertreterInnen von pflege betrieben wird. Das spiegelt unmittelbar nach Ende des Zweiten
Berliner Kirchen gibt, die sich für sich auch in den verschiedenen Weltkriegs gegründet haben und
eine solche Veranstaltung engagie- Denkmälern wieder: einige ver- quasi eine Art Auffangbecken für
ren. harmlosen deutsche Kolonialkriege, Wehrmachtsveteranen darstellen.
Gedenkplatten erinnern an die Ge- Diese Organisationen pflegen auch
Wie verläuft das rechte Gedenken? fallenen der deutschen Wehrmacht. offen Kontakte zu Mitgliedern der
Allein schon daran lässt sich der Waffen-SS und deren Veteranenor-
Britta Clausen: Zuerst gibt es ein Kontext von 200 Jahren deutschen ganisation, der HIAG (Hilfsgemein-
individuelles Gedenken, bei dem Nationalismus und Militarismus schaft auf Gegenseitigkeit der ehema-

26
ligen Angehörigen der Waffen-SS). Aus den Randgesprächen am Britta Clausen: Wie die Polizei vor
Damit hat der VDS kein Problem Friedhof wurde deutlich, dass sich Ort mit so einer Gegenveranstal-
und die Teilnahme von ehemaligen die Beteiligten dort sichtlich durch tung umgeht, ist immer auch eine
SS-Mitgliedern scheint für sie kein unsere Kundgebung gestört bis politische Entscheidung bzw. zeigt,
Hindernis zu sein. Weitere Grup- teilweise bedroht fühlten. Außerdem in welches gesellschaftliche Klima
pen, die auch beim „Gedenken“ am wurden in diesem Jahr zum ersten Veranstaltungen eingebettet sind.
Columbiadamm mitmischen, sind Mal die Leute nur mit Einladung auf Und ich finde, das hat die Berliner
der Orden der Ritterkreuzträger und den Friedhof gelassen und mussten Polizei hier relativ klar gemacht:
der Deutsche Stahlhelm. sich zudem registrieren. Einmal dadurch, dass versucht wur-
de, uns möglichst weit weg vom Ort
Zu Eurer Kundgebung kamen etwa Britta Clausen: Als Erfolg ist auf des Geschehens zu positionieren.
100 Leute. Seht ihr das als Erfolg? jeden Fall auch zu werten, dass die Obwohl es sich um eine angemel-
TeilnehmerInnen des „Helden- dete Gegenkundgebung handelte,
Martje Reimers: Für den Anfang gedenkens“ dort zum ersten Mal wurde versucht zu verhindern, dass
ja! 100 Leute, die recherchierten, unmittelbar und auch physisch mit wir unserem Widerstand angemes-
was dort passiert und wer dahin einem Nein konfrontiert wurden. sen Ausdruck verleihen konnten.
kommt... Bisher gibt es zu dieser Und dies durchaus von Angesicht zu Dazu kommt, dass es im Vorfeld
„Gedenkveranstaltung“ sehr wenig Angesicht, sowohl vor, während als und während der Veranstaltung zu
Material und Aussagen, da sich in auch nach der Veranstaltung. Da- zwei Festnahmen kam. Dadurch
den Vorjahren nur Einzelpersonen durch sollte klar geworden sein, dass hat die Polizei deutlich gemacht,
mit dem Thema beschäftigt haben. das so nicht weiter stattfinden kann. auf welcher Seite sie hierbei steht
Wir konnten den Fundus erweitern und welche Veranstaltung sie für
und es muss auf jeden Fall eine Fort- Wie hat sich die Polizei eurem Pro- schützenswert hält. Viele Entschei-
setzung geben. test gegenüber verhalten? dungen werden dabei von einzelnen
Polizeibeamten vor Ort gefällt. Den
Rahmen dazu bieten Vorentschei-

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dungen in der Verwaltung. Diese Britta Clausen: Ich finde das schwie- Wie bewertet ihr die Rolle, die die
können in einen größeren Kontext rig und möchte erst mal generell Bundeswehr dort spielt?
gestellt werden. sagen, dass ich nicht in eine Posi-
tion geraten möchte, in der ich das Martje Reimers: Das ist eigentlich
Der Widerstand in Neukölln war in „bessere Deutschland“ repräsentie- nicht verwunderlich…
diesem Jahr nur ein Teil von linken re. Mir geht es bei solchen Aktionen
Gegenaktivitäten gegen rechte Auf- vielmehr darum, den deutschen Gibt es nicht seit 2004 einen offizi-
märsche, ich denke dabei insbeson- Zuständen eine Absage zu erteilen. ellen Erlass des Verteidigungsminis-
dere an den noch größeren Neona- Was ich mit deutschen Zuständen teriums, der uniformierte Soldaten
ziaufmarsch in Seelow. Erschöpft beschreibe, wird an verschiedenen verbietet, an Veranstaltung des
sich linke Gedenkpolitik in bloßen Stellen deutlich: Das kann sein, dass Verbandes deutscher Soldaten teil-
Gegenaktionen? über die deutschen Verbrechen eine zunehmen?
besondere Verantwortung suggeriert
Martje Reimers: Ich denke, dass es wird, wie es die rot-grüne Bundes- Britta Clausen: Das scheint für
noch eine Menge anderer Möglich- regierung getan hat. Das kann sein, diesen Anlass nicht zu gelten. Dort
keiten gibt. Beispielsweise ein An- dass wie im Fall Dresden argumen- waren 20 bis 30 Soldaten der Bun-
knüpfen an das Gedenken der Opfer tiert wird: mit einem klaren Diskurs, deswehr in Uniform. Und das ist
von Shoah und Massenmorden wie der die Deutschen als Opfer heraus- schon Aussage genug! Das Abgeord-
bei den jährlichen 9. November- stellt und sich gegen das Vorgehen netenbüro von Ulla Jelpke berei-
Demos in Berlin/Moabit. Solche der Alliierten im Zweiten Weltkrieg tet hierzu eine kleine Anfrage im
Gedenkfeiern setzen ein Zeichen, richtet. Und das kann sein, wie auf Bundestag vor, um das Verhältnis
wessen wir gedenken wollen. dem Columbiadamm, dass sich dort von Bundeswehr und Traditionsver-
revisionistische Gruppe treffen, um bänden bis hin zu offen rechtsextre-
Britta Clausen: Ein großes Vorbild angeblichen deutschen Helden zu men Vereinigungen zu beleuchten.
stellen für mich die Aktivitäten gedenken und sie zu ehren. Die Teilnahme der Bundeswehr am
von Linken gegen das alljährliche Gedenken am Columbiadamm ist
Gebirgsjägertreffen (diese Division Ein Problem ist aber sicherlich, dass gesellschaftspolitisch ein Skandal.
war an Verbrechen der Wehrmacht in den letzten Jahren immer mehr Hier böte es sich an, die Kritik an-
auf dem Balkan beteiligt) im bayeri- Überlebende der Shoah und Opfer zusetzen und in dieses Netzwerk aus
schen Mittenwald dar. Aus den Mit- der nationalsozialistischen Verbre- Bundeswehr, Reservistenverbänden
tenwald-Erfahrungen ist überhaupt chen sterben und damit deren Stim- und Rechtsextremen einen Keil zu
die Idee entstanden, eine Aktion men verstummen. Daraus erwächst treiben. Die Verantwortlichen im
zum Volkstrauertag auf die Beine zu für mich die Verantwortung, diese Verteidigungsministerium müssen
stellen. Es tauchte die Frage auf, wa- Erinnerung, die von diesem Men- erklären, wie die Teilnahme ihrer
rum wir jedes Jahr nach Mittenwald schen personifiziert wurde, weiter Untergebenen an Veranstaltungen,
fahren, wenn es doch auch eine wach zuhalten. Daraus ergibt sich an der offen rechtsextreme Organi-
ähnliche Veranstaltung von ehema- auch, den Opferdiskursen, die sich sationen auftreten, mit den Zielen
ligen Wehrmachtsangehörigen und die deutsche Gesellschaft mittler- der bundesrepublikanischen Verfas-
rechtsextremen Traditionspflege- weile leisten will, immer wieder sung vereinbar sind.
rInnen in Berlin gibt. Und warum entgegenzutreten.
passiert da eigentlich nichts? Inso- Also das rechte Bündnis auseinan-
fern ist es in diesem Jahr gelungen, Welche Möglichkeiten seht ihr, die derdividieren?
Widerstand auch in Berlin öffentlich Stimmen der Opfer des Nationalso-
und laut zu artikulieren und damit zialismus aufrecht zu erhalten? Britta Clausen: In Mittenwald hat
die 50-jährige Ruhe, in der solche das funktioniert. Nach Protesten
Veranstaltungen stattfinden konn- Martje Reimers: Es gibt viele kleine nahm die Bundeswehrkapelle nicht
ten, zu beenden. engagierte Projekte wie zum Beispiel mehr an dem Treffen der ehemali-
Tacheles Reden! e.V., die Kon- gen Gebirgsjäger der Wehrmacht
Was könnte linke Gedenkpolitik takte zwischen Jugendlichen und teil. Das hört sich zwar klein an, ist
darüber hinaus leisten? Gibt es Shoah-Überlebenden herstellen, dennoch ernst zu nehmen, weil es
auch positive Traditionen, an die Begegnungen filmerisch oder digital den offiziösen Charakter solcher
sich anknüpfen ließe? Welche an- festgehalten auf diese Art Zeitzeu- Veranstaltungen beschädigt.
deren Schwerpunkte böten sich für gInnenberichte vielen zugänglich
linke Gedenkpolitik an? machen und erhalten.

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Wie war das bei der Veranstaltung er jedoch, dass an diesem Ort jeder auf breitere Füße zu stellen. Zum
am Columbiadamm, wurden dort Kränze ablegen dürfe. einen möchten wir größere Organi-
offen rechtsextreme Organisationen sationen wie den VVN einbinden.
ausgeschlossen? Wie soll der Protest weitergehen. Zum anderen bietet sich schon auf
Gibt es Bestrebungen die Aktivitä- lokaler Ebene ein Anknüpfungs-
Martje Reimers: Wir konnten ten in Halbe, Mittenwald und Neu- punkt an: Im Bezirk Neukölln hat
nicht beobachten, dass jemand kölln zukünftig zu koordinieren? sich eine Initiative gegen die Anwe-
ausgeschlossen wurde. Auch der senheit von zwei Abgeordneten der
teilnehmende Volksbund der Kriegs- Martje Reimers: Das wäre ein gutes NPD in der Bezirksverordnetenver-
gräberfürsorge unterließ es, sich zu Ziel. Es gibt zahlreiche denkwürdige sammlung gebildet. Die wollen wir
distanzieren. Im letzten Jahr wurde Veranstaltungen, die es zu proble- anfragen, ob sie sich am Widerstand
von dieser Seite gar beteuert, dass matisieren gilt: Ich denke da an die gegen das revisionistische Gedenken
auch anwesende NPD-Mitglie- Gedenkfeiern für den Jagdflieger zum so genannten Volkstrauertag
der trauern sollten, wenn sie das Werner Mölders oder den Chef der beteiligen wollen.
wünschten. Unterseeboote und letzten Reichs-
präsidenten Karl Dönitz. Fragen: Martin Kröger
Britta Clausen: In diesem Jahr
distanzierte sich ein anwesender Britta Clausen: Ich glaube leider,
Oberst der Berliner Reservisten- dass dies eher ein Wunsch ist. Kon-
sektion privat zwar von den offen kret gibt es leider wenig dazu. Aber
rechtsextremen Organisationen, in es gibt auf jeden Fall die Motivation,
seiner offiziellen Ansprache betonte in Neukölln im nächsten Jahr wie-
der etwas zu machen und das Ganze

29
Gestapo-Gefängnis und
KZ Columbia (1933-1936)
Unweit des Friedhofs Columbia- überstellt. Von diesem Zeitpunkt hier stationierten SS-Wachtruppen
damm, in etwa 500 Metern Luftlinie an wurde es von der SS unter dem nahmen später führende Funktionen
Entfernung, befand sich zwischen Namen „Konzentrationslager Co- in anderen Konzentrationslagern
1933 und 1936 mitten in der Stadt lumbia“ als einziges eigenständiges ein.
ein Ort des nationalsozialistischen Berliner KZ geführt.
Terrors: Das so genannte Columbia- Im November 1936 wurde das
Haus. Heute Im Columbia- Gebäude wegen des geplanten
ist die Ge- Haus wurden Flughafenbaus geschlossen und die
schichte die- insgesamt etwa Häftlinge in das Konzentrationslager
ses Gestapo- 10.000 politische Sachsenhausen verlegt, wo sie zu-
Gefängnis Erinnern Gegner inhaftiert, sammen mit Häftlingen aus dem KZ
und frühen im Durchschnitt Esterwegen zum Aufbau des Lagers
Konzentrati- Gedenken befanden sich eingesetzt wurden. Die Baupläne
onslagers fast etwa 450 Häftlinge für das KZ Sachsenhausen waren
vergessen. Mahnen gleichzeitig in dem im Häftlingsbüro des KZ Columbia
Gefängnis. Bei ausgearbeitet worden. 1938 wurde
In dem dieser Belegungs- das Gebäude im Zusammenhang
leerstehen- zahl waren die mit dem Neubau des Flughafens
den Gebäu-
dekomplex
Das Columbia-Haus war 156 Einzelzellen
ständig über-
Tempelhof abgerissen.

welcher ab 1933 Gefängnis und füllt. Unter den Erst nach vier Jahrzehnten des
ursprünglich vom 8.1.1935 bis Häftlingen waren Vergessens wurde 1994 ein Denkmal
als Militär- Sozialdemokraten, realisiert. Es liegt am Columbia-
gefängnis 5.11.1936 ein Kommunisten damm Ecke Golfener Straße, dia-
genutzt wur- Konzentra�onslager der und Angehörige gonal gegenüber dem historischen
de, richtete der Arbeiterbe- Standort des Konzentrationslagers.
die Gestapo na�onalsozialis�schen wegung, seit 1935 Das Denkmal trägt die Inschrift:
1933 ein Machthaber auch viele Homo-
Gefängnis sexuelle. Erinnern
für politische hier wurden Menschen Gedenken
Gegner ein. Im März 1935 Mahnen
Die Zahl der gefangengehalten wurden zur Bewa-
Häftlinge im entwürdigt chung des KZ Co- Das Columbia-Haus war ab 1933
Columbia- lumbia insgesamt Gefängnis und vom 8.1.1935 bis
Haus wuchs gefoltert 55 SS-Männer 5.11.1936 ein Konzentrationslager
rasch: von 80 gemordet eingesetzt, die im der nationalsozialistischen Macht-
Männern im Wohngebäude des haber
Juli auf 400 Columbia-Hauses
im Septem- untergebracht wa- hier wurden Menschen gefangenge-
ber 1933. ren. Einen Monat halten
später stellte die neu aufgestellte SS- entwürdigt
Ab Dezember 1934 bis zu seiner Wachtruppe Oranienburg-Columbia gefoltert
Schließung wurde das Columbia- die Bewachung, die später in SS- gemordet.
Haus der Verantwortung der Inspek- Wachverband V Brandenburg umbe-
tion der Konzentrationslager (IKL) nannt wurde. Viele Angehörige der

30
Bi�e gib den Fragebogen am Lau� ab! Eine gemeinsame Auswertung findet am Ende der Kundgebung oder an
anderer geeigneter Stelle sta�.

Gedenkpoli�scher Recherche-Fragebogen
Hier hast du die Möglichkeit, deine Beobachtungen, die du bei der „Helden“-Gedenkfeier auf dem Columbiadamm-Friedhof
machst, aufzuschreiben.
Sollte der Platz nicht ausreichen, kannst du gern die Rückseite verwenden!

1. Wie viele Teilnehmer/innen hat die „Heldengedenkfeier“?

2. Wie alt ist der/die jüngste Teilnehmer/in, wie alt der/die Älteste?
Zeichne eine Altersverteilungskurve!

3. Wie ist es dabei um das Geschlechterverhältnis bestellt?

4. Dackel oder Schäferhund?

5. Gibt es interna�onale Gäste?

6. Gibt es Abzeichen, Embleme oder andere Codes?


Wenn ja, welche?

7. Schnurrbart oder Glatze?

8. Siehst du bekannte Gesichter?


Wenn ja, wen?

9. Werden Fahnen mitgeführt?


Wenn ja, welche?

10. Welche Vereine/Verbände/Kameradscha�en und Parteien legen Kränze nieder und wo?

11. Eichenlaub oder Tannengrün?

12. Welche Dienstgrade der Bundeswehr kannst du entdecken?

13. Wer bekommt einen Preis für die schönste Uniform?

14. Werden Lieder anges�mmt?


Wenn ja, welche?

15. Was erzählt der Pfarrer beim Go�esdienst?

16. Hier ist Platz für eine Zeichnung des schauerlichsten Autoau�lebers:

Vielen Dank für Deine Mitarbeit!

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Umschlag 4 (siehe .psd-Datei)

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