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Fachthemen

Robert Lang DOI: 10.1002/stab.201610384


Gerhard Lener

Schweißnahtbewertung basierend
auf 3D-Laserscanning
Praktische Anwendung eines mobilen Laserscansystems zur Oberflächenbewertung
von Schweißnähten – Teil 2

Die Sichtprüfung von Schweißnähten ist die einfachste und am 2  Grundlagen der Ermüdungsfestigkeit
häufigsten durchgeführte Art der Schweißnahtprüfung. Neben 2.1 Allgemeines
laufenden Soll-Kontrollen durch das Schweißpersonal während
der Fertigung ist für alle Ausführungsklassen abschließend eine Die Abminderung der Werkstofffestigkeit unter zyklischen
vollumfängliche Sichtprüfung nach EN 1990-2 [1] durchzuführen. Belastungen ist ein seit gut 200 Jahren akzeptierter Aspekt.
Dabei können direkte und indirekte Prüfmethoden angewendet August Wöhler untersuchte ab 1875 nach dem Unfall der
werden, zu denen auch die Geometrieerfassung durch Laser- Lokomotive Amstetten [3], ausgelöst durch einen Ermü­
scanning zu zählen ist. In diesem zweiten Teil des Beitrages dungsbruch eines Radreifens, systematisch Werkstoffe und
wird die Anwendung eines mobilen Laserscansystems für den Prüfkörper unter zyklischer Belastung. 1886 erschienen
klassifizierenden Vergleich zur rein rechnerischen Ermittlung Bauschingers Dauerschwingversuche [4], die erstmalig zu
der Ermüdungsfestigkeit erläutert (Teil 1 s. Stahlbau, H. 5, S. 336– Konsequenzen im Bauwesen führten. Heute, gute 140
343).
Jahre nach Wöhlers einleitenden Untersuchungen, basiert
die Ermittlung der Schwingfestigkeit nach wie vor auf em­
Assessment of welds based on 3D laser scanning. Practical
pirischen Konzepten, die eine Übertragbarkeit auf andere
­application of a mobile laser scan system for the surface assess-
Werkstoffe, andere Geometrien oder Einflussgrößen sehr
ment of welds – Part 2. The visual examination of welds is a sim-
ple and frequently used method for weld inspections. Besides the erschwert.
comparison between a target and performance state executed by
the technical staff during the production process, a final visual in- 2.2 Lebensdauer
spection of the welds for all execution classes is demanded by
EN 1990-2 [1]. According to this standard, direct or indirect meth- Im ersten Schritt muss der Begriff der Lebensdauer zwecks
ods can be applied. An example for an indirect method is the Vergleichbarkeit der Ergebnisse empirischer Lebensdauer­
scanning of the real geometry of the weld using laser scan tech- versuche definiert werden. Dieser Terminus wird unter­
nology. In this second part of this article the application of a mo- schiedlich verwendet, abhängig vom Versuchsaufbau und
bile laser scan system is used as a base to quantify and compare der Versuchsdurchführung. In Bild 1, dem Gesamtlebens­
the fatigue limits of scanned specimens with numerical methods dauerdiagramm, ist die Gesamtlebensdauer eines Bauteils
only. schematisch dargestellt. Die Lebensdauer wird im Regelfall
aus Wöhlerversuchen gewonnen. Üblich sind zwei unter­
schiedliche Arten der Versuchsabläufe. Bei sehr kleinen
1 Einleitung Proben wird oftmals bis zum Bruch geprüft. Aus versuchs­
technischer Sicht erscheint das praktisch, da hydraulische
Für den Teil 1 (s. Stahlbau, H. 5, S. 336–343, DOI: 10.1002/ Prüfmaschinen bei Wegüberschreitung automatisch ab­
stab.201610375) dieser Publikation wurden zehn Schweiß­ schalten und so die Lebensdauer auch bei langen Ver­
proben, die in unterschiedlicher Schweißposition und un­ suchsdauern exakt bewertet werden kann. Bei größeren
terschiedlichen Schweißverfahren gefertigt wurden, mittels Versuchskörpern eignet sich hingegen meist die Prüfung
eines Laserscanverfahrens geometrisch aufgenommen und bis zum technischen Anriss. Der technische Anriss ist da­
eine formale Prüfung der Oberflächengeometrie gemäß bei definiert als eine mit dem freien Auge erkennbare Feh­
ISO5817 [2] gezeigt. Im zweiten Teil dieser Publikation lergröße und liegt je nach Konstruktionsdetail und Zu­
sollen nun weitergehende Analysen durchgeführt werden, gänglichkeit im Bereich von ca. 1 bis 4 mm Risslänge. Zu­
deren Ziel die quantitative Abschätzung der Ermüdungs­ folge dieser Risslängenbandbreite kann sich ein gewisser
festigkeit unter dem Gesichtspunkt der tatsächlich ausge­ Interpretationsspielraum bei der Definition der ertrag­
führten Geometrie ist. In einem ersten Schritt werden baren Spannungszyklen ergeben. Diese Unsicherheit wird
grundlegende Probleme der Ermüdungsfestigkeit andisku­ verstärkt, wenn die Versuche mit hoher Lastfrequenz ge­
tiert und in einem weiteren Schritt wird ein Verfahren zur fahren werden und wenn bereits Kurzrisse zu signifikanten
Ermittlung der Ermüdungsfestigkeit herausgegriffen und Spannungsumlagerungen führen. Für die rechnerische Be­
auf die gescannten Prüfkörper aus Teil 1 praktisch ange­ wertung des Bereichs bis zum technischen Anriss werden
wendet. im Regelfall die Methoden der Betriebsfestigkeit (mit den

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Bild 1.  Gesamtlebensdauer, vgl. [23]


Fig. 1.  Service life of component, cp. [23]

beschriebenen Ausnahmen für kleine Proben), für das Ma­ –– Beanspruchung und Beanspruchungsart: Längs- und
krorisswachstum die Methoden der Bruchmechanik für Schubspannungen; Multiaxialität; Reihenfolgeeffekte;
den Langrissfortschritt, herangezogen. Lastkollektive etc.
Auf die Kurzrissproblematik wird hier nicht gesondert –– Einsatztemperatur
eingegangen. Im Zuge des vorliegenden Beitrages wird nur –– Walzen- und Walzrichtung
auf die Anrisslebensdauer, das heißt bis zum technischen –– Korrosion, teilweise ident mit der Oberflächenrauigkeit
Anriss, Bezug genommen. Es muss auch darauf hingewie­
sen werden, dass die Definition der ertragbaren Span­ Die Auflistung zeigt, dass die Bauteilermüdung ein Multi­
nungszyklen bis zum technischen Anrisses in der Normen- parameterproblem darstellt. Auch sind die Einflüsse für
und Richtlinienwelt teilweise inkonsistent ist. Die in den verschiedene Bauteile und Aufbauten nicht in gleichem
Normen angeführten Kerbfälle berücksichtigen Makroriss­ Maße ausschlaggebend. Im speziellen vorliegenden Fall
wachstum unterschiedlich. Es bestehen also bereits bei den der untersuchten Versuchskörper kann diese Auflistung
Widerstandsgrößen der Ermüdung erhebliche Abweichun­ stark verkürzt werden. In diesem Beitrag werden ge­
gen, die nicht auf die nachstehend angeführten Einfluss­ schweißte Bauteile aus niederfesten unlegierten Baustäh­
faktoren zurückzuführen sind. len (Bereich S235 bis S355) unter einaxialer einstufiger
Belastung (d. h. kein Lastkollektiv) im üblichen klima­
2.3 Einflussfaktoren tischen Temperaturbereich im Bereich der Zeitfestigkeit
(HCF, s. Bild 2) und unter Vernachlässigung von Korro­
Nachdem der Begriff der Lebensdauer definiert wurde, sion behandelt.
sind in einem nächsten Schritt die Einflussfaktoren der Zufolge der scharf gekerbten geschweißten Verbin­
­Ermüdungsfestigkeit zu betrachten. Prinzipiell wirken er­ dungen sowie der Einschränkung auf niederfeste duktile
müdungsrelevant (vgl. [5]): Baustähle treten Eigen- und Mittelspannungen und Effekte
–– Kerbwirkung aus der Oberflächenrauigkeit gegenüber den Makrokerben
•  Makrokerben: Geometrie- (Struktur-), Werkstoff- deutlich in den Hintergrund. Umgekehrt wären diese Ef­
(z. B. infolge Werkstoffwechsel) und Belastungskerben fekte bei geometrisch milden Kerben, hochfesten und we­
(z. B. Hertzsche Pressung) nig duktilen Eisenwerkstoffen deutlich ausgeprägter. Für
•  Mikrokerben: aufgrund der Gefügestruktur oder die vorliegenden Überlegungen sind im Wesentlichen die
Oberflächenrauigkeit geometrische Kerbwirkung sowie die Probengröße maß­
–– Art des Werkstoffes (Zugfestigkeit, Duktilität, Streck­ geblich. Vernachlässigt werden damit auch Mittel- und
grenzenverhältnis) ­Eigenspannungen. Dazu sei anzumerken, dass die meisten
–– Eigen- und Mittelspannungen bestehenden aktuellen Regelwerke diese Einflüsse ver­
–– Probengröße nachlässigen, während ältere Regelwerke diese Effekte

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Bild 2.  Wöhlerdiagramm mit Bereichen der Festigkeit: Kurz-


zeitfestigkeitsbereich (low cycle fatigue – LCF), Zeitfestig-
keitsbereich (high cycle fatigue – HCF) und Dauerfestig-
keitsbereich (very high cycle fatigue – VHCF), vgl. [5]
Fig. 2.  SN-graph with ranges of fatigue strength: low cycle
fatigue – LCF, high cycle fatigue – HCF and very high cycle
fatigue – VHCF, cp. [5]

Bild 3.  Glatte und gekerbte Probe: Definition Nenn- und


mitabzudecken versuchen. Alle hier genannten Spannun­ Kerbspannung
gen entsprechen gleichzeitig den Spannungsschwingbrei­ Fig. 3.  Smooth and notched specimen: definition of nominal
ten (s = Ds). and notch stress

2.4  Ermüdung in Kerben

Um die Werkstoffermüdung in Kerben zu betrachten, wird


die Kerbformzahl a definiert (s. Bild 3):

∆σ k
α= (1)
 ∆σ n

a ist abhängig von der Kerbschärfe und kann bei rissähn­


lichen Kerben auch singuläre Werte erreichen. sk be­
schreibt die maximale Kerbspannung und sn die Nenn­
spannung im maßgebenden kleinsten Querschnitt. Bei
glatten Proben ergibt sich a = 1.
Werden gekerbte Proben einem Wöhlerversuch unter­
worfen, lässt sich die Kerbempfindlichkeit b definieren
(vgl. Radaj [5]):

∆SD,ungekerbt
β= (2)
 ∆SD,gekerbt

DSD ist dabei die Dauerfestigkeit, ausgedrückt als Span­


nungsschwingbreite. Der Faktor b liegt meist im Bereich 2
bis 4, selten größer als 6 [5]. Wichtig ist, dass b dabei immer
kleiner als a ist. Bild 4.  Glatte und gekerbte Probe bei gleicher Kerbspannung
Für den beschriebenen Effekt sind in der Fachliteratur Fig. 4.  Smooth and notched specimen under same notch
verschiedene Erklärungen zu finden. Neuber [6] führte die­ stress
sen Effekt als Mikrostützwirkung ein. Die Lebensdauer
wird nicht mehr von der maximalen Spannung bestimmt,
sondern von einer gemittelten Spannung über eine defi­ die höchstbeanspruchte Fläche sehr klein, bei milden Ker­
nierte Teilchenlänge. Das umliegende Material stützt sozu­ ben oder gar glatten Proben dagegen groß. Die Größe die­
sagen die Kerbe. In Abschnitt 3 wird auf diesen Ansatz ser hochbeanspruchten Fläche beeinflusst damit auch die
noch detaillierter eingegangen. Lebensdauer.
Eine andere Erklärung des Effektes erfolgt mittels sta­ Unabhängig wie man diesen Effekt nun erklären will:
tistischen Ansätzen, ähnlich einer Abminderung der Kerben wirken schwingfestigkeitsmindernd, aber nicht in
Streckgrenze bei dicken Blechen: Bei scharfen Kerben ist jenem Maße wie die Spannungen bei gleichbleibender

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Nennspannung durch schärfere Kerbwirkung ansteigen


(Bild 3).
In Bild 4 wird nun im Gegensatz zu Bild 3 die Kerb­
höchstspannung konstant gehalten. Die Versuchskörper
zeigen ein Fundamentalproblem der Ermüdung: Da die
Kerbhöchstspannung nicht zwangsläufig lebensdauer­
bestimmend wirkt, ergeben sich durch die alleinige Aus­
wertung der Kerbhöchstspannung noch keine Aussagen
zur Lebensdauer. Tatsächlich weisen die in Bild 4 darge­
stellten Versuchskörper unterschiedliche Lebensdauer auf,
obwohl die Kerbhöchstspannung bei beiden Versuchs­
körpern gleich groß ist. Für die äußere Belastung gilt in
diesem Fall DF1 > DF2.
Wichtig ist, dass dieser Effekt auch im linear-elasti­
schen Bereich und nicht erst im elasto-plastischen Bereich
auftritt. Bild 4 zeigt dies für den Extremfall einer glatten
und einer gekerbten Probe. Das gilt auch für den Vergleich
einer mild mit einer scharf gekerbten Probe.

2.5 Probengröße

Der zweite wichtige Faktor, welcher die Lebensdauer von


Schweißverbindungen beeinflusst, ist die Probengröße.
Statistisch haben größere Proben eine geringere Lebens­
dauer. Bild 5 zeigt diesen Effekt anhand unterschiedlich
langer Proben auf, deren Ermüdungsrisse im schmaleren Bild 5.  Statistischer Größeneffekt bei unterschiedlich langen
langen Hals auftreten würden. Proben, vgl. [5]
Fig. 5.  Statistical size effect of specimen with different
2.6  Deterministische und probabilistische Verfahren lengths, cp. [5]

Um den Effekt aus Abschnitt 2.4 zu berücksichtigen, existie­


ren mehrere Verfahren zur Berechnung tatsächlich schwing­ Spannungsfeldes interpretiert werden. Fall 8b hingegen
festigkeitswirksamer Spannungen unter Ansatz der Stützwir­ weicht davon ab und ist eher als ein Effekt des Spannungs­
kung. Bild 6 gibt einen groben Überblick gebräuchlicher feldes zu interpretieren, wobei auch in diesem Fall das
Verfahren. Manche dieser Verfahren sind nur eingeschränkt hochbeanspruchte Spannungsfeld indirekt größer wird.
anwendbar, beispielsweise sind sie abhängig von der Nenn­
spannung oder nur für einen gewissen Grad der Kerbschärfe 3  Angewendete Methoden
geeignet. Dies trifft im Speziellen auf jene Verfahren zu, die
bei rissähnlichen Kerben, das heißt bei singulären Span­ Im vorherigen Abschnitt wurden die grundlegenden
nungswerten, keine sinnvollen Zahlenwerte mehr liefern. Schwierigkeiten und einige Methoden aufgezeigt. Offenbar
Hingewiesen wird auf den Ansatz von Siebel und Stie- sind die Methoden aus Bild 6 für tatsächliche irreguläre
ler, welcher in der FKM-Richtlinie [7] für die Bewertung Geometrieformen nur wenig geeignet.
von ungeschweißten Bauteilen Verwendung findet und Im Zuge der hier beschriebenen Auswertungen
den ebenfalls in [7] enthaltenen Ansatz mit fiktiven Kerb­ kommt ein rein probabilistisches Modell zur Anwendung.
radien für geschweißte Bauteile. Bis auf den Volumen­ Ein für numerische Methoden gut geeignetes Verfahren,
ansatz von Sonsino [21] sind alle Ansätze streng determi­ welches das Spannungsfeld in Analogie zu den determinis­
nistisch und beinhalten keinen Größeneffekt. Der Volu­ tischen Verfahren in Form eines Differentialgleichungsan­
menansatz hingegen versucht, sowohl die Effekte aus satzes bewertet und auf irreguläre Strukturen gut anwend­
Abschnitt 2.4 als auch aus Abschnitt 2.5 zu kombinieren. bar ist, wurde in [13] angepasst. Darin wurde auch die
Es existieren auch rein probabilistische Ansätze wie Kombination von deterministischen und probabilistischen
zum Beispiel nach Heckel und Krä [8] basierend auf W ­ eibull Verfahren angewendet. Es hat sich allerdings gezeigt, dass
[9]. Zhang [10], Yao [11] und auch Taylor [12] verallgemei­ die Kombination beider Verfahren keine genaueren Ergeb­
nern die Ermüdung in Kerben zu zwei prinzipiellen Effek­ nisse als die alleinige Anwendung eines probabilistischen
ten: ein Effekt, der aus dem Spannungsfeld rund um die Verfahrens liefert.
Kerbe (Bild 7) entstammt, sowie dem andiskutierten statis­ Die Wahrscheinlichkeit Pb, in einem Flächen- oder
tischen Größeneffekt. Zwar lassen sich in der Theorie diese Volumenelement eine Fehlstelle kleiner als b zu finden,
beiden Effekte sauber trennen, Bild 8 zeigt aber, dass diese beschreibt Gl. (3). Dabei ist bc eine charakteristische
beiden Effekte durchaus eng miteinander verwandt sind. Größe und c ein Maß für die Streuung [14].
Während Bild 8c ein echter statistischer Größeneffekt ist
(unter Vernachlässigung der Unterscheidung von ebenem    −c 
b
Dehnungs- und Spannungszustand), kann der Fall 8a je­ Pb = exp  −   
(3)
  bc  
doch ebenso als statistischer Effekt oder als Effekt des  

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Bild 6.  Verschiedene Stützwirkungsansätze a) Siebel/Stieler, b) Neuber, c) Peterson, d) Sheppard, e) Radaj, f) Kuguel/


Sonsino (vgl. [12])
Fig. 6.  Different micro support theories a) Siebel/Stieler, b) Neuber, c) Peterson, d) Sheppard, e) Radaj, f) Kuguel/Sonsino
(cp. [12])

log NC beschreibt die charakteristische Lebensdauer unter


einer gegebenen Spannung.
Ist nun die Oberfläche bzw. das Volumen unterschied­
lich stark beansprucht (was den Regelfall darstellt) und
sind die Anrissstellen in diesen Teilen statistisch voneinan­
der unabhängig, lässt sich die Wahrscheinlichkeit PV für
das Auftreten eines Risses beschreiben mit:
n
P =1−
V
∏PÜ(∆σ) (6)
i =1

Dies gilt nur, wenn die statistische Unabhängigkeit gege­


ben ist. Streng genommen lässt sich damit nur das Ver­
Bild 7.  Nahfeld um die Kerbe, vgl. [11]
sagen bis zur Rissinitierung modellieren. Das Risswachs­
Fig. 7.  Near field around the notch, cp. [11]
tum kann damit jedenfalls nicht abgebildet werden. Dies
ist im Besonderen im Hinblick auf die Gesamtlebensdauer
zu sehen.
Da Risse in diesem Kontext stets von der Oberflä­
Wird nun anstatt b die Schwingfestigkeit DsC substituiert che ausgehen, erfolgt hier eine Beschränkung auf diesen
und anstatt bc die einwirkende Spannung Ds eingesetzt, er­ Fall. Sind die Teilflächen von unterschiedlicher Größe,
gibt sich die Überlebenswahrscheinlichkeit PÜ zu (vgl. [14]): kann die Versagenswahrscheinlichkeit PV beschrieben
werden mit:
  κ
∆σ  
PÜ(∆σ) = exp  − 
(4) n  ζi 
  ∆σ C    A i  log N  
  PV(∆σ, N) = 1 −
(7) ∏exp −
 A  log N  
0 C,i
i =1  
Wird nun eine Abhängigkeit von Spannung und Schwing­
spielzahlen unterstellt und die Lebensdauer logarithmisch Als Voraussetzung gilt, dass auf jeder Teilfläche Ai eine
betrachtet, ergibt sich die Überlebenswahrscheinlichkeit näherungsweise konstante einwirkende Spannung
mit: herrscht. A0 beschreibt die Größe einer Referenzober­
fläche. Der Formparameter ζ kann, muss aber nicht zwin­
  κ gend eine Konstante sein (vgl. [15]). Hier wird eine Abhän­
log N  
PÜ(∆σ, N) = exp  − 
(5) gigkeit von der charakteristischen Lebensdauer log NC
  log NC  
  angenommen:

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Bild 8.  Einflüsse aus Probenform und


-größe auf die Lebensdauer
Fig. 8.  Influences of shape and size of
specimen on lifetime

ζ(8)
i = p ⋅ log NC,i zu erfassen. Dieser Grenzradius wurde in [13] untersucht
und es wurde aufgezeigt, dass diese Genauigkeit für die
Der Parameter p wird dabei als eine Konstante betrachtet. Berechnungen ausreichend ist.
Für die Festlegung von log NC können nun verschiedenste Um nicht gescannte Oberflächenbereiche zu modellie­
Formen von Wöhlerlinien angenommen werden: einfach ren, werden die gescannten Bereiche durch Ebenen unter
lineare, bi- oder trilineare aber auch polynomartige Wöh­ Verwendung der Methode der kleinsten Fehlerquadrate
lerlinien. Verschiedene Ansätze zum Formparameter ζ be­ angepasst und anschließend versetzt. Diese so gewonne­
einflussen die Form (im Sinne einer Aufweitung) bis in den nen Oberflächen werden anschließend zu wasserdichten
Bereich der Dauerfestigkeit. Körpern bzw. Solids geschlossen (Bild 10).
Die Wurzelkerbe an sich wird im Zuge dieser Unter­
4  Nachbearbeitung der Geometrie suchungen nicht ausgewertet, da sie auch für vorliegende
Lastsituation nicht maßgebend wird. Für die korrekte Ab­
Im Teil 1 dieses Beitrages wurde das Scanning bereits vor­ bildung der Steifigkeit wird jedoch für die Wurzelkerbe
gestellt. Aus den aufgenommenen Punkten wurden Ober­ ein Ausschnitt von 8 mm × 0,5 mm angesetzt. Diese Redu­
flächennetze trianguliert. zierung um 1 mm je Seite resultiert aus Überlegungen ei­
Für Untersuchungen in diesem Rahmen wird nicht nes Wurzeleinbrandes. Tatsächlich ist der Einfluss der
der gesamte aufgenommene Versuchskörper, sondern nur Wurzelkerbe in den vorliegenden Fällen vernachlässig-
ein 50 mm breiter einseitiger Teil verwendet (s. Bild 9). Die bar.
Auswahl erfolgt für einen typischen Schweißnahtbereich
ohne Ansatzstellen. Dieser Teil wird mit Hilfe geeigneter 5  Anwendung der Methoden auf die Probekörper
Schnittmechanismen herausgelöst und in NURBS-Patches
überführt. Die Anpassung der Einzel-NURBS erfolgt adap­ Diese Körper können nun mittels Finiter-Elemente-Me­
tiv, das heißt durch eine ausreichende Anzahl an Kontroll­ thode, unter Aufbringung geeigneter Randbedingungen,
punkten mithilfe der Software Geomagic Studio [16]. Die berechnet werden. Die Berechnung erfolgt linear-elastisch
Anpassung erfolgt mit einer Genauigkeit von 0,01 mm. Die mit folgenden Kennwerten:
einzelnen Patches werden zueinander C1-stetig angepasst.
Daraus resultiert eine glatte, an allen Stellen tangentenste­ E = 210000 N/mm 2
(9)
tige Oberfläche ohne Kanten und Ecken. Es wird ange­ ν = 0,3
merkt, dass im Besonderen in Bereichen sehr kleiner Aus­
rundungsradien (etwa r < 0,2 mm) die Auflösung und Ge­ Durchgeführt werden die Berechnungen mit der Software
nauigkeit nicht mehr ausreicht, um solche Geometriedetails ANSYS, Version 17 unter Verwendung von 10-Knoten-

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kann eine beliebige Vergleichsspannungshypothese ver­


wendet werden, also beispielsweise Rankine (erste Haupt­
normalspannung), von Mises (Gestaltänderungshypo­
these) oder auch Tresca (Schubspannungshypothese).
­Welche davon „korrekt“ ist, bleibt Gegenstand von For­
schungen und Diskussionen. Tatsächlich besitzen, in An­
betracht des tatsächlichen Schädigungsmechanismus, alle
Hypothesen eine Daseinsberechtigung.
Bild 9.  Ausschnitt Versuchskörper Die noch fehlenden notwendigen Parameter wurden
Fig. 9.  Extracted part of specimen in [13] aus fünf verschiedenen geschweißten Bauteilserien,
die jedoch keine besondere Ähnlichkeit zum vorliegenden
Detail aufweisen, anhand von Versuchsergebnissen rück­
gerechnet. Es ist dabei zu erwähnen, dass die ermittelten
Parameter in der Anwendbarkeit auf folgende Annahmen
beschränkt sind:
–– geschweißte Verbindungen aus niederfesten Baustählen
(S235 bis S355); für höhere Stahlgüten ist die Anwen­
dung konservativ
–– für den Bereich der Zeitfestigkeit (104 bis knapp über
106 Lastwechsel); im Bereich der Dauerfestigkeit wird
die Anwendung konservativ
Bild 10.  Ableitung des Berechnungsmodells aus dem Scan –– für kleine bis mittelgroße Bauteile; im Bereich von Bau­
Fig. 10.  Calculation model derived from scanning
teilen mit sehr großer Oberfläche wird die Anwendung
konservativ
–– die Parameter wurden für ein Spannungsverhältnis
Tetraederelementen (SOLID187). Dieses isoparametrische R > 0 ermittelt; für die Anwendung anderer Spannungs­
Element weist quadratische Ansatzfunktionen für die Ver­ verhältnisse R ≤ 0 ist die Berechnung konservativ
schiebungen und für die Geometrie auf. Die Netzgenerie­ –– die Parameter wurden allgemein konservativ ermittelt;
rung erfolgt aufgrund der irregulären Oberfläche unstruk­ es wurden keine Durchläufer in der Parameterermitt­
turiert. lung verwendet
Wesentlich ist, dass bei diesen glatten Oberflächen
strukturmechanisch auch keine Singularitäten auftreten. Die angewendeten Parameter ergaben sich bei Verwen­
An den relevanten hochbelasteten Teilflächen werden lo­ dung der Hauptnormalspannungshypothese (Rankine) mit
kale Netzverfeinerungen (h-Adaption) durchgeführt, bis Ds1 wie folgt (Bild 11):
die Differenz der Spannungen innerhalb eines Verfeine­
rungsschrittes < 2 % beträgt. Auf diese Weise und unter A 0 = 1 mm 2
Berücksichtigung verschiedener Anfangsnetzfeinheiten m = 2,85
(10)
wird die Konvergenz der Berechnung sichergestellt. Diese ∆σ CR = 357,7 N/mm 2
Verfeinerung führt zu einem signifikanten Anstieg der Ele­ p = 7,85
mentanzahl – bei den vorliegenden Versuchskörpern bis
zu etwa 5 Mio. Tetraederelementen. Zu beachten ist, dass die Größe der Referenzfläche prinzi­
Die damit berechneten Spannungen an der Oberflä­ piell frei gewählt werden kann und sich je nach gewählter
che können direkt in Gl. (7) eingesetzt werden. Prinzipiell Referenzflächengröße unterschiedliche Parameter für die

Bild 11.  Wöhlergebiet
Fig. 11.  S-N-domain

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Wöhlerlinie ergeben. Gegenüber den Ergebnissen der 77,6 N/mm2 bei 95 % Überlebenswahrscheinlichkeit und
berechneten Lebensdauer ist die Größe der Referenzfläche R = 0,1, Verfahren 135 in der Position PB unter Laborbe­
jedoch invariant. Mit diesen Parametern erweitert sich die dingungen). Beim Kerbfall 80 sind die Unstimmigkeiten
Wöhlerlinie zu einem Wöhlergebiet (Bild 11). In den an­ bezüglich der Imperfektionen zu beachten. Pedersen [19]
gegebenen Parametern sind teilweise Verzüge, Versätze weist daraufhin, dass der Kerbfall 80 oftmals überschritten
und ausmittige Lasteinleitungen realer Bauteile inkludiert. wird, weil die Versuche zumeist unter Biegebeanspruchung
Dies betrifft Imperfektionen, die entweder nicht bekannt durchgeführt werden, in denen nur geringe oder gar keine
sind oder nicht rechnerisch abgebildet werden können. Imperfektionen auftreten. Zusätzlich sind die in [19] ange­
Nicht inkludiert sind lokale Imperfektionen. führten Versuchskörper entweder nach den Verfahren 135
Zur Ermittlung von log NC,i wird folgender Zusam­ oder 12 (Unterpulverschweißen) bzw. teilweise auch mit
menhang verwendet: nicht dokumentiertem Verfahren geschweißt.
Nach der FKM-Richtlinie [7] ergibt sich unter Be­
log NC,i = log 2 ⋅ 106 − m(log ∆σ i − log ∆σ CR )
(11) rücksichtigung des Kerbfalls 225 mit dem Spannungs­
konzen­trationsfaktor von α = 1,98 (Bild 13) ein Nennspan­
Als Spannungs-Thresholdwert in Form einer Dauerfestig­ nungskerbfall 112 (DsC = 113,6 N/mm2) mit kleinen Im­
keit wird DsL = 150 N/mm2 angenommen (Bild 11). Es ist perfektionen. Im Kerbfall 225 ist ein zusätzlicher
zu beachten, dass dieser Wert für Berechnungen im Dauer­ Spannungskonzentrationsfaktor von 1,05 inkludiert. Wer­
festigkeitsbereich zu ungenau erscheint, für den Bereich den Imperfektionen als zusätzliche Spannungskonzentra­
der Zeitfestigkeit jedoch ausreichend genau ist. tion in der maximalen Höhe von 1,40 (bzw. 1,40/1,05)
Um Gl. (7) auswerten zu können, sind die tatsäch­ berücksichtigt [20], ergibt sich ein Nennspannungskerbfall
lichen Teilflächen Ai zu ermitteln. Diese Teilflächen kön­ von 80 (DsC = 85,2 N/mm2). Für alle genannten Kerbfälle
nen aus der Finite-Elemente-Berechnung nicht direkt ge­ gilt m  =  3. Aufgrund der Rahmenbedingungen sind also
wonnen werden, da im Regelfall keine direkte Zuordnung Kerbfälle in diesem Bereich zu erwarten.
von Spannungswerten zu entsprechenden Einflussflächen
besteht. Diese Teilflächen können auf zwei Arten ermittelt 7 Ergebnisse
werden: entweder aus Energieüberlegungen, wie dies beim
Aufbringen von Oberflächenlasten und der Umrechnung Die Methoden aus den Abschnitten 3, 4 und 5 werden nun
auf Knotenlasten in Finite-Elemente-Programmen erfolgt, für jeden berechneten Ausschnitt der Serie der MAG-ge­
oder aus Aufteilungen analog zu einer Dachausmittlung.
Die dabei auftretenden Unterschiede sind bei der Betrach­
tung einzelner Knoten erheblich. Für das vorliegende Pro­
blem existiert keine richtige oder falsche Methode im tech­
nischen Sinne. Tatsächlich sind die Unterschiede für das
Ergebnis der Versagenswahrscheinlichkeit bei ausreichend
feiner Netzteilung vernachlässigbar. In diesen Unter­
suchungen erfolgte die Auswertung analog zu einer Dach­
ausmittlung (Bild 12).

6  Einstufung des Details nach bestehenden Regelwerken

Aus EN1993-1-9 [17] ergibt sich für das vorliegende Detail


(T-Stoß) am Schweißnahtübergang nach dem Nennspan­
nungskonzept der Kerbfall 80. Dieser Kerbfall konnte
auch im Zuge des Forschungsprojektes REWESTRUCT
[18] experimentell gut bestätigt werden (T-Stoß: DsC =

Bild 13.  Kerbformzahl für das Kerbspannungskonzept


Bild 12.  Einflussflächen und Knoten Fig. 13.  Stress concentration factor (SCF) of notch stress
Fig. 12.  Areas of influence and nodes model

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schweißten Prüfkörper (Verfahren 135) sowie der E-Hand- nun nach Gln. (7) und (11) ausgewertet, können die Ver­
geschweißten Prüfkörper (Verfahren 111) ausgewertet. sagenswahrscheinlichkeiten direkt berechnet werden.
Bild 14 zeigt die Summenhäufigkeit der Spannungsvertei­ Bild 15 zeigt dies anhand der Versuchskörper auf.
lung auf der Oberfläche des Versuchskörpers für eine an­ Wie zu erwarten, ist besonders das Verfahren PE-135
gesetzte Nennspannung von Dsn = 120 N/mm2 = 1,5 · Dsc. für die Ermüdungsfestigkeit als schlechter zu bewerten.
Diese Nennspannung wurde gewählt, da sie sehr wahr­ Die konvexe Schweißnahtgeometrie (s. Teil 1, Bild 12)
scheinlich zu einem Versagen im Zeitfestigkeitsbereich durch einlagige Schweißung in Überkopflage führt zu
führt (s. Annahmen). Zu beachten ist die gemischt linear- scharfer Kerbwirkung und hohen Spannungskonzentratio­
logarithmische Darstellung der Flächenanteile in Bild 14. nen im Bereich des Nahtüberganges. Sehr milde Über­
Eindeutig erkennbar ist, dass sowohl in den maxima­ gänge, wie sie auch augenscheinlich aus den Verfahren
len Kerbspannungen als auch in der Flächenhäufigkeit ge­ PA-135, PB-135, aber auch PG-135 resultieren, zeigen ein­
wisse Unterschiede bestehen. Werden diese Spannungen deutig höhere Lebensdauer. PF-135 zeigt lokal etwas

Bild 14.  Summenhäufigkeit der Spannungen an der Oberfläche


Fig. 14.  Cumulative frequency of stresses on the surface

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schärfere Kerbwirkungen. Die mittels E-Hand-geschweiß­ (s. Teil 1, Bild 12). Tabelle 1 zeigt in einer Übersicht die
ten Prüfkörper weisen tendenziell etwas schärfere lokale berechneten 95 %, 50 % und 5 % Überlebenswahrschein­
Kerben auf. Dies liegt einerseits am größeren Einbrand als lichkeiten. Als Vergleich wird die 95 %ige Überlebenswahr­
auch an allgemein höherer Kerbschärfe. Das trifft im Be­ scheinlichkeit bei den besprochenen Kerbfällen angeführt.
sonderen auf die Prüfkörper PA-111 und PF-111 (s. Teil 1, Zu beachten ist, dass der Vergleich zwar möglich ist, je­
Bild 12) zu. Die Prüfkörper weisen neben zu scharfem doch im Zuge dieser Berechnung nur die Anrisslebens­
Kerb­übergang zusätzlich strukturmechanisch ungünstige dauer aufgezeigt wird, während in den normativen Kerb­
Formgebungen auf. Bei PA-111 kommt zusätzlich ein un­ fällen oftmals der Unterschied zwischen Anriss- und Ge­
günstiger Ausschnitt mit höherem lokalem Einbrand samtlebensdauer nicht explizit definiert wird. Für die
hinzu. Die höheren Ermüdungsfestigkeiten von PE-111 vorliegenden Probekörper kann davon ausgegangen wer­
und PG-111 liegt am flacheren Übergang zum Grundblech den, dass alle Versuchskörper den Kerbfall 80 mit hoher

Bild 15.  Versagenswahrscheinlichkeit
Fig. 15.  Failure probability

404 Stahlbau 85 (2016), Heft 6


R. Lang/G. Lener · Schweißnahtbewertung basierend auf 3D-Laserscanning – Teil 2

Wahrscheinlichkeit bereits mit der Anrisslebensdauer er­ erhebliche Schwächen auf. Es gilt nicht für den Bereich
reichen würden und teilweise sogar signifikant höhere der Kurzzeitfestigkeit, für Lastspielzahlen im Bereich der
Kerbfälle erzielen. Dies deckt sich auch mit den Erkennt­ Dauerfestigkeit sowie für andere Spannungsverhältnisse
nissen von Pedersen [19]. Nachteilig ist, dass die Versuchs­ oder sehr große Bauteile.
körper bereits so günstige Geometrieformen aufweisen, Um den Bereich der Dauerfestigkeitsgrenze abzu­
dass sie den Dauerfestigkeitsbereich erreichen, in welchem decken, sind noch Änderungen in Bezug auf das Wöhler­
die Aussagekraft des vorgestellten Verfahrens zur Ermitt­ gebiet durchzuführen, wie es auch Karlen [21] vorschlägt.
lung der Ermüdungsfestigkeit abnimmt (s. Abschnitt 8). In Das kann erst durch weiteres Einpflegen von Versuchs­
Bild 16 sind die Versuchskörper PA-135 und PE-135 dar­ ergebnissen aus diesem Bereich erfolgen (s. Bild 17).
gestellt. Für den Kurzzeitfestigkeitsbereich sind Änderungen
Es wird außerdem noch einmal explizit darauf hinge­ auf elasto-plastische Dehnungen erforderlich. Diese lassen
wiesen, dass eine Auswertung wie im vorliegenden Kon­ sich einfach über ein entsprechendes zyklisches Material­
text mit gewissen Unschärfen aus dem Verfahren selbst gesetz implementieren. Andere Spannungsverhältnisse
behaftet ist. Auch die Wahl des Ausschnittes aus dem Prüf­ hingegen können über Faktoren bzw. über eine Transla­
körper muss in diesem Kontext als subjektiv betrachtet tion des Wöhlergebietes erfolgen.
werden. Für die Berücksichtigung sehr großer (oder auch sehr
Die vorliegende Berechnung zeigt jedoch, dass keine vieler) Bauteile wird die Berechnung sehr konservativ, da
prinzipiell „gute“ Schweißlage existiert, es jedoch günsti­ keine Begrenzung in der Größe besteht, worauf auch
gere Ausgangspositionen gibt. Auch bei ungünstiger ­Sonsino [22] hinweist. Dies kann durch Erweiterung der
Schweißlage lassen sich günstige Ergebnisse erzielen durch ­Weibullverteilung auf drei Parameter erfolgen, wovon ein
geeignete Maßnahmen. Maßgeblich sind einerseits die lo­ Parameter eine anrissfreie Mindestlebensdauer darstellt
kalen Kerben und Radien im Nahtübergang, andererseits (vgl. [13]). Die Weibullverteilung erweitert sich in diesem Fall
auch die Makrogeometrie der Naht (mit ihrer Beeinflus­ von:
sung über die Steifigkeit). n  ζi 
 A i  log N − log N0,i  
8 Ausblick
P (∆σ, N) = 1 −
V
∏exp −
 A  log N − log N  
0 C,i 0,i
(12)
i =1  
Das vorliegende Verfahren kann nicht nur benutzt werden, mit
um bestehende Konstruktionsdetails erneut zu klassifizie­
ren, sondern stellt eine Alternative dar, um ausgehend von log N0,i = µ log NC,i
(13)
der tatsächlichen Geometrie direkt quantitativ auf die Er­
müdungsfestigkeit neuer unbekannter Details zu schlie­ auf
ßen. Mit dem Verfahren ergeben sich keine weiteren Un­
sicherheiten zufolge der Modellierung und der Vernetzung n  ζi 
 A i  log N − µ log NC,i  
für die FEM-Berechnung. Dennoch weist das vorliegende PV(∆σ, N) = 1 − ∏ exp −
 A  (1 − µ)log N
0 C,i 
  (14)
Verfahren trotz der festgestellten guten Ergebnisse noch i =1  

Tabelle 1.  Rechnerische Lebensdauer bei Dsn = 120 N/mm2


Table 1.  Calculated life time with Dsn = 120 N/mm2

Kerbfall/Detail N95 [–] N50 [–] N05 [–] N05/N95 [–]


112 1 626 000 – – –
100 1 157 000 – – –
90 844 000 – – –
80 593 000 – – –
71 414 000 – – –
63 289 000 – – –
PA-111 752 000 1 533 000 2 324 000 3,09
PB-111 924 000 1 878 000 2 840 000 3,08
PE-111 1 122 000 2 284 000 3 459 000 3,08
PF-111 745 000 1 525 000 2 319 000 3,11
PG-111 1 190 000 2 434 000 3 694 000 3,10
PA-135 1 579 000 3 195 000 4 819 000 3,05
PB-135 1 376 000 2 790 000 4 212 000 3,06
PE-135 820 000 1 671 000 2 533 000 3,09
PF-135 1 145 000 2 311 000 3 480 000 3,04
PG-135 1 292 000 2626 000 3 973 000 3,08

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a) PA135_Ausschnitt d) PE135_Ausschnitt

b) PA135_NURBS e) PE135_NURBS

c) PA135_Spannungen f) PE135_Spannungen

Bild 16.  Versuchskörper PA-135 und PE-135: Foto mit ungefährem NURBS-Ausschnitt (grün, 60 mm breit) und Rechen­
ausschnitt (rot, 50 mm breit); NURBS; Ansys
Fig. 16.  Test specimen PA-135 and PE-135: photo with NURBS-section (green, 60 mm width) and calculation section (red,
50 mm width); NURBS; Ansys

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Durch den Parameter μ entsteht eine Minimallebensdauer, [4]  Bauschinger, J.: Bauschingers Dauerversuche mit Eisen und
die zu einer Größendämpfung führt. Nachteilig ist, dass Stahl. Schweizerische Bauzeitung (1886).
sich die übrigen Parameter ebenfalls verändern. [5]  Radaj, D., Vormwald, M.: Ermüdungsfestigkeit. Grundlagen
für Ingenieure. Berlin: Springer 2007.
[6]  Neuber, H.: Kerbspannungslehre. Theorie der Spannungs­
9 Zusammenfassung
konzentration Genaue Berechnung der Festigkeit. Berlin,
New York: Springer-Verlag 1985.
Mit dem vorgestellten Verfahren lassen sich im Bereich der [7] Forschungskuratorium Maschinenbau (FKM): Rechneri­
Zeitfestigkeit und unter gewissen Annahmen die Ver­ scher Festigkeitsnachweis für Maschinenbauteile (2012).
sagenswahrscheinlichkeiten basierend auf realer Geome­ [8]  Krä, C.: Beschreibung des Lebensdauerverhaltens gekerbter
trie mit höherer Genauigkeit als mittels konventioneller Proben unter Betriebsbelastung auf der Basis des statistischen
Methoden berechnen. Dazu ist die genaue Aufnahme der Größeneinflusses. München, Universität der Bundeswehr,
Geometrie, die Umwandlung in ein verwendbares Rechen­ Dissertation, 1988, 1989.
modell unter Ausnutzung geometrischer Verfahren wie das [9]  Weibull, W.: Zur Abhängigkeit der Festigkeit von der Pro­
der NURBS-Generierung, erforderlich. Die Spannungs­ bengröße. Ingenieur-Archiv, 28 (1959), S. 360–362.
ermittlung ist bei Verwendung von adaptiven Netzgenera­ [10]  Zhang, G.: Method of effective stress for fatigue: Part I – A
general theory. International Journal of Fatigue 37 (2012), pp.
toren konvergent. Die damit berechneten Spannungen
17–23.
können direkt zur Ermittlung der Versagenswahrschein­
[11]  Yao, W.: A verification of the assumption of anti-fatigue
lichkeit für ein Konstruktionsdetail oder ein Bauteil heran­ design. International Journal of Fatigue 23 (2001), pp. 271–
gezogen werden. 277.
Die Schwächen des Modells (neu angepasste Parame­ [12]  Taylor, D.: Geometrical effects in fatigue: a unifying theo­
ter, Eingrenzung auf gewisse Randbedingungen etc.) sind retical model. International Journal of Fatigue 21 (1999), pp.
evident und müssen berücksichtigt werden. 413–420.
[13]  Lang, R.: Ein Beitrag zur Bestimmung der Anrisslebens­
Literatur dauer geschweißter Bauteile. Dissertation. Innsbruck 2015.
[14]  Haibach, E.: Betriebsfestigkeit. Verfahren und Daten zur
[1]  Österreichisches Normungsinstitut: ÖNORM EN 1090-2 – Bauteilberechnung. Berlin: Springer 2006.
Ausführung von Stahltragwerken und Aluminiumtragwerken [15]  Karolczuk, A., Palin-Luc, T.: Modelling of stress gradient
– Teil 2: Technische Regeln für die Ausführung von Stahltrag­ effect on fatigue life using Weibull based distribution function.
werken (2012). Journal of Theoretical and Applied Mechanics 51 (2013), pp.
[2]  Österreichisches Normungsinstitut: ÖNORM EN ISO 5817: 297–311.
Schweißen – Schmelzschweißverbindungen an Stahl, Nickel, [16]  3D Systems: Geomagic Studio 2014: 3d Systems.
Titan und deren Legierungen (ohne Strahlschweißen) – Be­ [17]  Österreichisches Normungsinstitut: ÖNORM EN 1993-1-9:
wertungsgruppen von Unregelmäßigkeiten (2014). Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten
[3]  Stockert, L.: Eisenbahnunfälle. Berlin, Wien: Urban & – Teil 1-9: Ermüdung (2005).
Schwarzenberg 1920.

Bild 17.  Erweitertes Wöhlergebiet


Fig. 17.  Extended S-N-domain

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R. Lang/G. Lener · Schweißnahtbewertung basierend auf 3D-Laserscanning – Teil 2

[18]  Chwastek, A., Klassen, J., Lang, R., Lener, G., Nitschke- [22]  Sonsino, C. M.: Zur Bewertung des Schwingfestigkeitsver­
Pagel, T., Pasternak, H.: CORNET – Rewestruct. Bemessung­ haltens von Bauteilen mit Hilfe örtlicher Beanspruchungen.
skonzepte für Trag- und Dauerfestigkeitsberechnungen von Evaluation of components’ fatigue behaviour on the basic of
Reparaturschweißungen – Repair welding of structures. local strains/stresses. Konstruktion 45 (1993), S. 25–33.
Schlußbericht 2014. [23]  Richard, H. A., Sander, M.: Ermüdungsrisse. Erkennen,
[19]  Pedersen, M., Mouritsen, O., Hansen, M., Andersen, J., ­sicher beurteilen, vermeiden. Ermüdungsrisse (2012).
Wenderby, J.: Re-analysis of fatigue data for welded joints us­
Autoren dieses Beitrages:
ing the notch stress approach. International Journal of Fatigue
Dipl.-Ing. Robert Lang,
32 (2010), pp. 1620–1626.
robert.lang@uibk.ac.at
[20]  Hobbacher, A.: Recommendations for fatigue design of
Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Gerhard Lener,
welded joints and components. IIW document IIW-1823-07
gerhard.lener@uibk.ac.at,
ex XIII-2151r4-07/XV-1254r4-07 2008.
[21]  Karlen, K.: Probabilistic modeling of fatigue failures. Dis­ Technikerstrasse 13,
sertation, Stockholm 2012. A-6020 Innsbruck

408 Stahlbau 85 (2016), Heft 6

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