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Im Gespräch: Prof.

Klaus Beier über Kinderpornographie

"Ein großer unethischer Menschenversuch"


Das Institut für Sexualmedizin der Berliner Charité unter der Leitung von
Professor Klaus Beier bietet vorbeugende Therapien für pädophile Männer an.
Auch Nutzer von Missbrauchsabbildungen im Internet sind angesprochen.

28. Mai 2010

Herr Professor Beier, was weiß die Forschung über Menschen, die
Kinder missbrauchen?

Es gibt zwei Gruppen: Etwa die Hälfte der Täter hat eine pädophile
Neigung, also eine sexuelle Ansprechbarkeit auf den kindlichen Körper.
Die anderen sind sexuell eigentlich auf Erwachsene ausgerichtet, aber aus
verschiedenen Gründen nicht in der Lage, sich mit altersentsprechenden
Partnern zu verwirklichen. Sie weichen auf Kinder aus.

Wie viele Pädophile gibt es denn?

Eine eigene Studie hat uns gezeigt, dass etwa ein Prozent aller Männer
den kindlichen Körper erregend finden. In Deutschland wären das etwa
250.000 Betroffene. Es entspricht etwa der Häufigkeit der Parkinson-
Krankheit.

Ist Pädophilie heilbar?

Nein, und hierin sind sich die Experten einig. Gleichwohl gibt es leider
immer wieder Stimmen, die das Gegenteil behaupten. Tatsächlich bildet
sich die sexuelle Präferenzstruktur im Jugendalter aus und ist danach
unveränderbar. Für seine Neigungen kann man niemanden verantwortlich
machen, wohl aber für sein Verhalten. Deshalb setzen wir in unserem
Projekt bei der Verhaltenskontrolle an. Wir verringern
Realitätsverzerrungen, fördern das Vermögen, sich in Opfer einzufühlen
und beziehen Partner oder Angehörige ein. Auch Medikamente können
sehr hilfreich sein, um sexuelle Impulse zu unterdrücken.

Im vergangenen Jahr haben Sie Ihr Projekt auf die Nutzung von
Missbrauchsbildern im Internet ausgeweitet.

Uns wurde schnell klar, dass die meisten Männer, die zu uns kommen,
schon lange Fotos aus dem Netz nutzen. Solche Bilder sind eine
unbegrenzte Demütigung der Opfer. Sie stehen zudem im Verdacht, die
Hemmschwelle der Nutzer für konkreten Missbrauch zu senken. Im Netz
fehlt jede soziale Kontrolle.
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Wie rechtfertigen sich die Betroffenen?

Selbst hochintelligente Männer haben teilweise ein erschreckend geringes


Problembewusstsein. Da sind eine ganze Reihe kognitiver Verzerrungen im
Spiel. Sie sagen zum Beispiel, die Bilder sind doch schon gemacht, und
wenn ich mir die jetzt anschaue, wo ist dann das Problem? Auf einer
rationalen Ebene können wir sie meist davon überzeugen, dass schon die
Nachfrage das Angebot erhöht, also weiteren Missbrauch nach sich zieht.
Aber viel mächtiger ist das Wunschdenken. So lautet ein anderer
Selbstbetrug: Dass die Kinder auf den Bildern leiden, kann ich nicht
erkennen, die wirken sehr interessiert und freuen sich doch auch. Weil die
Betroffenen nämlich – zur Selbstentlastung – möchten, dass die Kinder
das selber wollen, glauben sie tatsächlich, es gäbe sieben oder acht Jahre
alte Mädchen, die sich mit einem Erwachsenen „sexuelle Erfahrungen“ bis
hin zum Geschlechtsverkehr wünschen. Manche Betroffene haben sich das
20 Jahre lang selbst eingeredet. Es ist schwer, diese
Wahrnehmungsverzerrungen zu korrigieren.

Wie gehen Sie vor?

Wir gehen gemeinsam mit den Betroffenen die von ihnen genutzten Bilder
durch, weil diese präzise deren sexuelle Präferenzen zu erkennen geben.
Da bekommen Sie einen Einblick in das Programm des Menschen, in sein
Gehirn. Das ist wichtig für Diagnose und Therapie. Es ist die
Voraussetzung, um gezielt einem Rückfall vorzubeugen. Solche Bilder
müssten viel öfter genutzt werden. Richter schauen sich aber die
beschlagnahmten Dateien auf dem Rechner eines überführten Täters nicht
genauer an. Hier werden Chancen vertan.

Der Staat straft, ohne zu helfen?

Schon Täter, die wegen sexuellem Kindesmissbrauch vor Gericht stehen,


werden nur selten von Sachverständigen begutachtet. Bei Tätern aber, die
sich wegen des Konsums von Kinderpornographie verantworten müssen,
ist das die absolute Ausnahme, obschon ein Gutachter durch die Bilder –
also das Beweismaterial – eine sehr günstige Ausgangslage für Aussagen
über Prognose und Therapie hätte.

Die Koalition erwägt, die Begutachtung von Tätern in der


Hauptverhandlung zur Pflicht zu machen.

Das wäre gut so, doch ehrlicherweise muss man einräumen, dass es nicht
genügend Gutachter mit sexualmedizinischer Qualifizierung Erfahrung
gäbe, um das umzusetzen.

Union und FDP überlegen, den Besitz von Kinderpornographie


stärker zu sanktionieren. Haft statt Geldstrafen?
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Über Geldstrafen lachen viele Täter bloß. Hinzu kommt, dass eine zügige
Umsetzung des Strafrechts ebenfalls die Ausnahme darstellt.

Wie machen Sie auf Ihr Projekt aufmerksam?


Wir wollen die Betroffenen dort erreichen, wo sie nach Missbrauchsbildern
suchen, also im Internet. Wenn sie beispielsweise in Suchmaschinen
szenetypische Begriffe eingeben, wäre es wünschenswert, dass ein
Hinweis auf unser Präventionsprojekt erscheint.

Wo hakt es?

Wir haben Banner in allen Formaten herstellen lassen, doch die


Suchmaschinenbetreiber unterstützen uns nicht.

Aber die Internet-Branche beteuert doch immer, man unterstütze


den Kampf gegen Kindesmissbrauch.

Das hat man mir bei Google auch gesagt. Unser Projekt sei sehr
interessant, man prüfe das und brauche nur noch die Zustimmung aus
Amerika. Das war im vergangenen Sommer. Seitdem haben wir nie wieder
etwas gehört.

Verschärft das Internet das Problem der Pädophilie?

Ja, und zwar in mehrfacher Hinsicht: Missbrauchsabbildungen sind immer


einfacher zu erreichen, senken die kritische Selbstwahrnehmung der
Nutzer und damit vermutlich auch die Schwelle zur direkten Tat. Studien
zeigen, dass Jugendliche schon sehr früh Erstkontakt mit Pornographie im
Netz haben. Wenn sich die Präferenzstruktur in der frühen Jugend
manifestiert, hinterlassen solche Bilder Spuren. In der klinischen Arbeit
berichten uns schon Zwölf- bis Dreizehnjährige, dass in ihren
Masturbationsphantasien Bilder auftauchen, die sie zuvor im Internet
gesehen haben. Das ist ein großer unethischer Menschenversuch, und mir
ist völlig rätselhaft, warum der so ungehindert ablaufen kann.
Die Fragen stellte Stefan Tomik.

Quelle:
http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E614C521816EB4
D17ADFBF9C5D85AACD7~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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