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R MO-Überspannungsableiter

Auswahl und Einsatz in Mittelspannungs-


Energieübertragungsnetzen
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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. MO-Mittelspannungsableiter
2.1 Aufbau
2.2 Wirkungsweise
2.3 Auswahlparameter

3. Auswahl
3.1 Einfluß temporärer, zeitweiliger Über-
spannungen auf den MO-Ableiter.
3.2. Bedeutung der Bemessungsspannung
Ur des Ableiters
3.3. Auswahl der Ableiter und Festlegung
der Dauerspannung Uc
3.4 Beispiele und Sonderfälle
3.4.1 Netze mit Erdschlußkompensation
oder hochohmig isoliertem Sternpunkt
3.4.2 Netze mit hochohmig isoliertem
Sternpunkt und Erdschluss-
Abschaltung
3.4.3 Netze mit niederohmiger
Sternpunkterdung E ≤ 1,4
3.4.4 Netze mit niederohmiger
Sternpunkterdung E > 1,4
3.4.5 Ableiter zwischen den Phasen
(Neptunschaltung)
3.4.6 Betriebsspannung mit
Oberschwingungen

4. Schutzwirkung
4.1 Das Schutzniveau eines Ableiters
4.2 Der Schutzbereich eines Ableiters

5. Besondere Anwendungen
5.1 Überspannungschutz bei
Kabelstrecken mit
Freileitungsübergang
5.2 Transformator am Ende eines Kabels
5.3 Transformator einseitig und direkt
mit einer blitzgefährdeten Freileitung
verbunden
5.4 Ableiter an gekapselten MS-Schalt-
anlagen
5.5 Generator, verbunden mit einer blitz-
gefährdeten MS-Leitung
5.6 Überspannungsschutz von Motoren
5.7 Kabelmantelschutz von Hoch-
spannungskabeln
5.8 MO-Ableiter für Gleichspannung

6. Consulting beim Einsatz von Ableitern

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1. Einleitung

Betriebsmittel und Geräte in elektrischen Energieversorgungsnetzen sind vielfältigen


Beanspruchungen, u.a. auch Überspannungen ausgesetzt. Diese Überspannungen gefährden
die elektrischen Betriebsmittel, weil deren Spannungsfestigkeit aus wirtschaftlichen Gründen
nicht beliebig hoch ausgelegt werden kann. Sie können in der Regel aber auch nicht vermie-
den werden, weshalb die Verwendung von geeigneten Schutzgeräten gegen diese Überspan-
nungen eine der Grundvoraussetzungen für einen wirtschaftlichen und zuverlässigen Netz-
betrieb darstellt. Dies gilt uneingeschränkt sowohl für Hochspannungs- als auch für Mittel-
und in besonderem Maße auch für Niederspannungsnetze.

Die größte Gefährdung der Betriebsmittel durch Überspannungen geht von “transienten”
(impulsförmigen) Überspannungen aus. Sie entstehen durch atmosphärische Entladungen
und durch Schalthandlungen. Als wirkungsvollster Schutz vor diesen transienten Überspan-
nungen wird der Einsatz von Überspannungsableitern betrachtet. Der Ableiter wird in unmit-
telbarer Nähe des zu schützenden Betriebsmittels installiert und dient als eine Art
Ausweichpfad für den Überspannungsimpuls.
Die Höhe einer Überspannung wird meistens in der Einheit p.u. (per unit) angegeben.
Sie ist definiert als

1 p.u. = 2 . Um
3

wobei unter Um die höchste zulässige Spannung für Betriebsmittel als Effektivwert zwischen
den Phasen im störungsfreien Netzbetrieb verstanden wird. Die tatsächliche Systemspannung
liegt in der Regel unter Um.

Um (kV) 3,6 7,2 12 17,5 24 36 42


1 p.u. (kV) 2,9 5,9 9,8 14,3 19,6 29,4 34,3
Tabelle 1: Der Wert 1 p.u. für verschiedene Um

Neben den transienten Überspannungen treten in elektrischen Netzen auch sogenannte


„temporäre“ oder zeitweilige Überspannungen auf. Es sind in der Regel betriebsfrequente
Wechselspannungen, die durch Störungen im Netz hervorgerufen werden. Zusammenfassend
kann man die auftretenden Überspannungen somit in folgende Kategorien unterteilen:

– Temporäre, betriebsfrequente Überspannungen

treten z.B. bei Lastabwurf oder bei Fehlern mit Erdberührung auf. Ihre Dauer liegt zwischen
0,1 Sekunden und einigen Stunden. Die Amplitude übersteigt im allgemeinen 3 p.u. nicht
wesentlich, weshalb sie für die Betriebsmittel in der Regel keine Gefährdung darstellen.
Für die richtige Auswahl der Ableiter sind sie jedoch sehr entscheidend.

Ferroresonanzen (Kippschwingungen) am Transformator können ebenfalls zu sehr hohen,


meist betriebsfrequenten Überspannungen führen. Funkenstreckenlose Ableiter verhindern
beim Auftreten einer Ferrorresonanz, daß die Isolation des Transformators beschädigt wird.
Jedoch werden die Ableiter selbst in der Regel überlastet und thermisch zerstört.
Insbesonders moderne, verlustleistungsarme Transformatoren, die unter Leerlauf einpolig
über eine Kabelstrecke zugeschaltet werden, sind häufig Auslöser von Ableiterausfällen durch
Ferroresonanz.

– Schaltüberspannungen

entstehen häufig bei Schalthandlungen und weisen in der Regel einen stark gedämpften,
schwingenden Verlauf auf. Die Frequenz der Schwingung liegt häufig unter einigen kHz, und
der Scheitelwert kann Werte bis zu 3 p.u. annehmen.

Steilere Impulse mit höheren Scheitelwerten sind bei Schalthandlungen in überwiegend


induktiven Stromkreisen anzutreffen. Hier kann die Anstiegszeit der Überspannung im Bereich
von 0,1 bis 10 µs liegen und der Scheitelwert bis zu 4 p.u. erreichen.

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Auch beim Zu- und Abschalten von Freileitungen oder Kabeln können steile Überspannungen
erzeugt werden. Da deren Scheitelwert im allgemeinen aber unter 2,2 p.u. liegt, werden sie
für den Netzbetrieb als ungefährlich betrachtet. Kritische Werte bis zu 7 p.u. können jedoch
erreicht werden, wenn die Abschaltung eines Kabels zu langsam erfolgt und Rückzündungen
auftreten.

Zu den Schaltüberspannungen zählen im weitesten Sinne auch Überspannungen, die durch


Erd- oder Kurzschlüsse im Netz verursacht werden. Die Amplituden sind im allgemeinen eher
klein. Treten sie jedoch in rascher Folge auf (intermittierende Erdschlüsse) kann es durch die
häufige, kurz aufeinander folgende Beanspruchung zu einer thermischen Überlastung
funkenstreckenloser Überspannungsableiter kommen.

– Biltzüberspannungen

haben ihre Ursache in atmosphärischen Entladungen. Wird eine Freileitung vom Blitz direkt
getroffen, ergeben sich besonders steile Impulse mit Scheitelwerten bis zu einigen Megavolt.
Diese erreichen aber in der Regel die Betriebsmittel nicht, da die auf der Freileitung instal-
lierten Isolatoren überschlagen und so eine Art natürlichen Überspannungsschutz darstellen.
Die nach einem solchen Isolatorüberschlag noch verbleibende Amplitude erreicht im
Mittelspannungnetz aber immer noch Werte bis zu 10 p.u.

Auch bei einem Blitzeinschlag in der Nähe einer Freileitung werden Überspannungen in den
Seilen der Leitungen induziert. Diese induzierten Überspannungen erreichen ihren
Scheitelwert nach wenigen µs und klingen anschließend schnell wieder ab. Die Scheitelwerte
betragen wieder etwa 10 p.u. in Bezug auf Mittelspannungsnetze.

Blitzüberspannungen stellen also die extremste Überspannungsbeanspruchung im Mittel-


spannungsnetz dar. Die Aufgabe des Überspannungsableiters ist es, diese auf einen für das
Betriebsmittel tolerierbaren Wert zu begrenzen. Ferner soll vom Ableiter im Falle seines
Versagens, z.B. durch eine Überbeanspruchung, keine Gefährdung ausgehen, die über ein
unvermeidliches Maß hinausgeht.

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2. MO-Mittelspannungsableiter

Seit etwa 15 Jahren werden in Hochspannungsnetzen bei Neuinstallationen fast


ausschließlich MO-Ableiter eingesetzt. In Mittelspannungsnetzen hingegen wurden noch bis
vor wenigen Jahren auch die konventionellen Ventilableiter, bestehend aus SiC-Widerständen
und Serienfunkenstrecken, in nennenswerten Stückzahlen installiert. Mittlerweile hat sich
aber auch hier der Metalloxid-Ableiter (kurz MO-Ableiter) ohne Funkenstrecken durchgesetzt.
Die Gründe für diesen Wandel sind wie beim Einsatz im Hochspannungsnetz ein tieferes
Schutzniveau insbesondere bei sehr steilen Überspannungen und ein günstigeres Verhalten
unter Verschmutzungsbedingungen. Durch den Übergang zu Kunststoffgehäusen, der durch
den Verzicht auf die zuvor erforderlichen Funkenstrecken möglich wurde, ergaben sich
weitere, wichtige Vorteile, wie z.B. eine höhere Zuverlässigkeit (Dichtigkeit!) und ein deutlich
verringertes Gefahrenpotential hinsichtlich des Versagens eines Ableiters (Zerbersten des
Gehäuses).

2.1 Aufbau

Im Grunde genommen besteht ein MO-Ableiter aus lediglich zwei Elementen: dem sogenann-
ten Aktivteil, der wiederum aus einem oder mehreren übereinander gestapelten, in der Regel
zylindrischen MO-Widerstandsblöcken besteht, und dem isolierenden Gehäuse. Die mechani-
sche Festigkeit wird entweder durch das Gehäuse (z.B. beim Porzellangehäuse) oder durch
den Aktivteil bei kunststoffisolierten Ableitern gewährleistet. In der Regel wird bei diesen eine
Glasfaserstruktur verwendet, die die MO-Blöcke entweder vollständig umschließt oder die
Enden des Stapels mit ausreichender Kraft zusammenpreßt.
Dank des einfachen, mechanisch stabilen Aufbaus des Aktivteiles und des günstigen
Verhaltens im Falle eines Ableiterversagens, können manche kunststoffisolierte Ableiter in
gewissen Grenzen auch eine Stützerfunktion übernehmen.

2.2 Wirkungsweise

Ein Ableiter begrenzt die an seinen Klemmen anliegende Spannung, indem er zusammen mit
der Impedanz der Überspannungsquelle oder der Wellenimpedanz der Zuleitung einen
Spannungsteiler bildet. Der Widerstand des Ableiters ist dabei nicht-linear, so daß ab einer
gewissen Grenze die Spannung an seinen Klemmen nur noch unterproportional mit dem
fließenden Strom zunimmt. Je höher dabei die Nichtlinearität ist, desto enger ist der Bereich,
in dem sich die sogenannte Restspannung des Ableiters bewegen kann.

4,5

3,5
8/20µs
Û/Uc

2,5

DC

1,5
0,001 0,1 10 1000 100000
Strom (A)

Bild 1: Typische Strom-Spannungs-Kennlinie eines 10 kA, Klasse 1 MO-Ableiters

Aufgrund der fehlenden Funkenstrecken beim MO-Ableiter, dessen Nichtlinearität so hoch ist,
daß unter normalen Betriebsbedingungen nur ein sehr kleiner ohmscher Stromanteil fließt,
geht der Ableiter entsprechend der U-I-Kennlinie der verwendeten MO-Blöcke kontinuierlich
und nahezu verzögerungsfrei in den „leitenden“ Zustand über. D.h. es findet kein
„Ansprechen“ des Ableiters statt, wie dies von Ventilableitern mit Funkenstrecken her bekannt
ist, bei denen zunächst die Zündspannung der Funkenstrecken überschritten werden muß.
Die damit verbundenen Vorteile sind zum einen, daß der MO-Ableiter auch bei steilen
Impulsen die Spannung bereits zu Beginn des Überspannungsimpulses zuverlässig auf nied-
rige Werte begrenzt und zum anderen Schaltstoßimpulse mit ihren kleinen Amplituden den
Ableiter nicht „unterlaufen“ können.

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Mit dem Abklingen der Überspannung nimmt der Ableitstrom zeitgleich entsprechend der
Kennlinie der MO-Blöcke wieder ab, so daß bei MO-Ableitern kein Netzfolgestrom auftritt.
Diese Tatsache ist besonders für den Schutz von Gleichspannungssystemen von entschei-
dender Bedeutung, da hier kein natürlicher Nulldurchgang des Stromes vorhanden ist, der
eine Löschung des Lichtbogens der sonst vorhandenen Funkenstrecke ermöglichen würde.
MO-Ableiter können deshalb prinzipiell sowohl in 50/60 Hz, 16 2/3 Hz und Gleichspannungs-
systemen eingesetzt werden, sofern die Eigenschaften des verwendeten MO-Blockes dies
erlauben.

2.3 Auswahlparameter

Bei der Auswahl eines Ableiters sind im wesentlichen 2 Parameter zu berücksichtigen:


Zum einen die Dauerspannung Uc, unter der der Ableiter zuverlässig und stabil über Jahre
hinweg arbeiten soll und zum anderen die Stromtragfähigkeit bzw. der Nennableitstrom In
in Verbindung mit der Leitungsentladungsklasse.

3. Auswahl

3.1 Einfluß temporärer, zeitweiliger Überspannungen auf den MO-Ableiter.

Aufgrund der fehlenden Funkenstrecken werden die Widerstandsblöcke beim MO-Ableiter


dauernd mit der betriebsfrequenten Wechselspannung beansprucht. Es fließt im Normal-
betrieb ein überwiegend kapazitiver Strom, dem ein sehr kleiner ohmscher, nicht-sinus-
förmiger Anteil überlagert ist. Dieser ohmsche Anteil erzeugt beständig Verluste im Ableiter,
die zu einer geringen Erwärmung des Ableiters gegenüber der Umgebungstemperatur führen.
Steigert man die Spannung, nehmen der ohmsche Anteil und die Verluste rasch zu. Aufgrund
der thermischen Masse des Ableiters wird er jedoch nicht sofort zerstört, sondern heizt sich
mehr oder weniger schnell auf. Geht die Beanspruchung durch die temporäre Überspannung
rechtzeitig wieder auf das normale, erlaubte Niveau zurück, nimmt der Ableiter mit hoher
Wahrscheinlichkeit keinen Schaden. Wie lange er bei welcher Spannung betrieben werden
kann, ohne daß eine thermische Zerstörung eintritt, kann der Wechselspannung-Zeit-
Kennlinie (Bild 2) entnommen werden. Es werden dabei 2 Fälle unterschieden: Die untere
Kurve zeigt den Fall, daß der Ableiter neben der reinen Wechselspannungsbeanspruchung mit
UTOV zuvor mit energiereichen Impulsen (im Falle von 5 kA und 10 kA, Klasse 1 Ableitern mit
einem Hochstromimpuls der Form 4/10 µs und einer Amplitude von 65 kA bzw. 100 kA) bean-
sprucht wird. Die zweite, obere Kurve gilt für den Fall, daß nur eine Wechselspannungs-
beanspruchung erfolgt.
Die Werte in der Wechselspannungs-Zeit-Kennlinie eines Ableiters werden entweder in abso-
luten Zahlen oder bezogen auf die Dauerspannung Uc des Ableiters angegeben.

1,5

60°C
1,4
ohne Vorbelastung

1,3
T
100 kA, 4/10 µs Vorbelastung
1,2

1,1

1,0
0,1 1 10 100 1000 10000 100000
t (Sekunden)

U
Bild 2 : Wechselspannungs-Zeit-Kennlinie, TOV Diagramm (T = TOV, max )
Uc

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Folgendes Beispiel mag die Verwendung des Diagrammes veranschaulichen:


Ein 10 kA, Klasse 1 Ableiter mit einem Uc von 6 kV sei beliebig lange mit einer Spannung zwi-
schen seinen Anschlußklemmen von 6 kV betrieben worden. Zum Zeitpunkt t = 0 erfolge ein
Ableitvorgang, dessen Energieumsatz im Ableiter in etwa einem Ableitstrom von 100 kA der
Form 4/10 µs entspricht. Unmittelbar im Anschluß an den Ableitvorgang trete ein Erdschluß
auf, so daß die Spannung der „gesunden Phasen“ auf etwa 7,7 kV ansteigt (T = 7.7/6.0=1,28).
Die Schutzeinrichtung des Netzes sei so eingestellt, daß solch ein Fehler innerhalb von weni-
ger als 3 s abgeschaltet wird. Mit Hilfe des Diagrammes findet man, daß der Ableiter dieser
Beanspruchung gerade gewachsen ist. Die Abschaltung darf also nicht zu einem späteren
Zeitpunkt erfolgen, weil dann der Punkt oberhalb der unteren Kurve liegt und der Ableiter
dann thermisch davonlaufen würde.

3.2. Bedeutung der Bemessungsspannung Ur des Ableiters

Die Bemessungsspannung Ur hat für den Anwender keine große praktische Bedeutung, da sie
sehr eng mit den Prüfbedingungen, die in der Arbeitsprüfung nach IEC 60099-4 festgelegt
sind, verknüpft ist. Sie dient lediglich als Bezugsgröße für die Festlegung der Betriebseigen-
schaften.

3.3. Auswahl der Ableiter und Festlegung der Dauerspannung Uc

Für die Wahl der Dauerspannung Uc des Ableiters ist zunächst die Spannung im fehlerfreien
Betrieb an den Klemmen des Ableiters maßgebend. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Ableiter
zwischen Phase und Erde, zwischen den Phasen oder zwischen Sternpunkt und Erde
angeschlossen wird. Die Spannung kann im allgemeinen mit Hilfe der maximalen System-
spannung zwischen den Phasen berechnet werden. Ist diese Spannung nicht bekannt oder
ändert sie sich im Laufe der Zeit, sollte die höchste Spannung für Betriebsmittel Um für die
Berechnung herangezogen werden.

In Drehstromsystemen können bei Erdschlüssen netzfrequente, temporäre Überspannungen


auftreten, deren Höhe durch die Sternpunktsbehandlung bestimmt wird. Die Dauer der Über-
spannung ist von der Betriebsführung des Netzes abhängig. Starr geerdete Netze werden
meist innerhalb weniger Sekunden abgeschaltet. Isolierte und kompensierte Netze können bis
zu einigen Stunden unter diesen Bedingungen weiter betrieben werden. Die Höhe der zu
erwartenden temporären Überspannung wird häufig mit Hilfe des sogenannten Erdfehler-
faktors E beschrieben. Die temporäre Überspannung UTOV errechnet sich dann zu:

UTOV = Um .E
3

wobei Um durch die Systemspannung Us ersetzt werden darf, wenn sie mit hinreichender
Sicherheit bekannt ist.

Damit ein MO-Ableiter den Anforderungen des Netzbetriebes genügt, sind bei der Wahl der
Dauerspannung Uc deshalb zwei Bedingungen einzuhalten:
– Uc muß größer oder gleich der dauernd an den Klemmen des Ableiter anliegenden netzfre-
quenten Spannung sein. Für Ableiter, die gegen Erde geschaltet sind, gilt die Bedingung:

Um
UC ≥
3

wobei auch hier wieder Um durch die Systemspannung Us ersetzt werden darf.

– Die Beanspruchung des Ableiters mit temporären Überspannungen muß unterhalb der in
der Wechselspannung-Zeit-Kennlinie eingetragenen Kurve oder darauf liegen. Zur Überprü-
fung ist neben der Höhe der temporären Überspannung auch deren max. Zeitdauer anzu-
geben. Aus Sicherheitsgründen ist bis auf begründete Ausnahmefälle immer die untere der
beiden Kurve zu verwenden. Falls der entsprechende Betriebspunkt oberhalb der Kurve
liegt, kann der gewählte Ableiter in diesem Netz nicht eingesetzt werden. Es ist dann ein
Ableiter mit einer höheren Dauerspannung zu verwenden.

UTOV wobei T durch die Zeit t bis zur Abschaltung


UC ≥ des Systems und die Wechselspannungs-Zeit-
T
Kennlinie festgelegt ist.

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3.4 Beispiele und Sonderfälle

3.4.1 Netze mit Erdschlußkompensation oder hochohmig isoliertem Sternpunkt

Im allgemeinen übersteigt in diesen Netzen die Leiter-Erd-Spannung der nicht vom Erdschluß
betroffenen, „gesunden“ Phasen den Wert Um nicht.

UC ≥ Um für Ableiter zwischen Phase und Erde.

Die Spannung am Sternpunkt des Transformators kann höchstens den Wert Um / 3 errei-
chen:

Um für Ableiter zwischen dem Transformator-


UC ≥
3 Sternpunkt und Erde.

Es ist jedoch zu beachten, daß der Erdfehlerfaktor E unter bestimmten Bedingungen durch
Resonanzerscheinungen bis auf den Wert 1,85 ansteigen kann. In solchen Fällen ist die
Dauerspannung Uc entsprechend zu erhöhen.

3.4.2 Netze mit hochohmig isoliertem Sternpunkt und Erdschluss-Abschaltung

Die Höhe der temporären Überspannungen ist hier wie bei Netzen mit Erdschluß-
kompensation. Die rasche Abschaltung ermöglicht es jedoch eventuell einen Ableiter auszu-
wählen, der eine geringere Dauerspannung Uc und damit ein tieferes Schutzniveau besitzt.

Um
UC ≥ für Ableiter zwischen Phase und Erde.
T

Um für Ableiter zwischen dem Transformator-


UC ≥
T. 3 Sternpunkt und Erde.

3.4.3 Netze mit niederohmiger Sternpunkterdung E ≤ 1,4

Sofern in einem Netz ausreichend viele Sternpunkte der Transformatoren niederohmig geer-
det sind, übersteigt der Erdfehlerfaktor den Wert 1,4 im ganzen Netz nicht. Aufgrund des
großen Erd- bzw. Kurzschlußstromes erfolgt in solchen Netzen die Abschaltung sehr rasch,
so daß auch hier ein Ableiter mit niedrigerer Dauerspannung Uc ausgewählt werden kann, um
das Schutzniveau zu senken.
1,4 . Um
UC ≥ für Ableiter zwischen Phase und Erde.
T. 3

Die Spannung an den Sternpunkten der nicht geerdeten Transformatoren erreicht höchstens
UTOV = 0,4 . Um

0,4 . Um für Ableiter zwischen dem Transformator-


UC ≥
T Sternpunkt und Erde.

3.4.4 Netze mit niederohmiger Sternpunkterdung E > 1,4

Werden die Sternpunkte der Transformatoren über eine Impedanz geerdet, um den Erd- bzw.
Kurzschlußstrom auf niedrige Werte zu begrenzen, steigt die Spannung in den „gesunden“
Phasen auf bis zu Um. Bei rein ohmscher Erdung kann die Spannung sogar bis zu 5% über
Um ansteigen.
1,05 . Um
UC ≥ bei ohmscher Erdung.
T

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3.4.5 Ableiter zwischen den Phasen (Neptunschaltung)

In speziellen Anwendungen wie z.B. bei Transformatoren von Lichtbogenofenanlagen treten


Schaltüberspannungen auf, welche durch die übliche Schaltung der Ableiter gegen Erde nur
ungenügend begrenzt werden. Das Schutzniveau kann in diesen Fällen häufig dadurch ver-
bessert werden, indem zusätzlich Ableiter zwischen den Phasen angeordnet werden.
Der Schutz besteht dann aus 6 Ableitern, 3 zwischen den Phasen und 3 zwischen Phase und
Erde:

UC ≥ Um für alle Ableiter.

Eine Abwandlung dieser Schaltung stellt die wegen ihrer Darstellung im Ersatzschaltbild so
genannte Neptunschaltung dar. Auch diese Schaltung bietet einen Schutz sowohl zwischen
den Phasen als auch gegen Erde. Der Unterschied liegt aber in einem um 33% höheren
Schutzniveau gegenüber der Variante mit 6 Ableitern. Der Grund für das höhere Schutzniveau
ist, daß die Dauerspannung Uc der Ableiter hier vergleichsweise hoch gewählt werden muß:

UC ≥ 0,667 . Um für alle Ableiter.

3.4.6 Betriebsspannung mit Oberschwingungen

Für den Betrieb von MO-Ableitern ist aufgrund der nichtlinearen U-I-Kennlinie der
Scheitelwert der Betriebsspannung ausschlaggebend. Ist mit hohen Verzerrungen der
Spannung, also mit hohen Oberschwingungsanteilen im Netz zu rechnen, kann der
Scheitelwert der Spannung je nach Oberschwingungsanteil ganz erheblich vom √2-fachen
des Effektivwertes abweichen. Sofern die Abweichungen unter 5% liegen, kann der Wert der
Dauerspannung entsprechend angepaßt werden. Bei größeren Abweichungen sollte die
Auswahl des Ableiters zusammen mit dem Hersteller des Ableiters erfolgen.

Ähnliches gilt für den Einsatz von MO-Ableitern in der Nähe von Thyristorventilen.
Spannungssprünge, Kommutierungsspitzen und Gleichanteile erfordern gegebenenfalls die
Beachtung weiterer Auswahlkriterien.

9
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4. Schutzwirkung

4.1 Das Schutzniveau eines Ableiters

Als Schutzniveau Ures des Ableiters wird die max. Restspannung an den Klemmen des
Ableiters bezeichnet, die sich einstellt, wenn der Ableiter mit dem Nennableitstrom der Form
8/20 µs beansprucht wird. Die Mehrzahl der im Mittelspannungsnetz eingebauten Ableiter
besitzen einen Nennableitstrom von 5 kA oder 10 kA. Die Form des Nennableitstromes ist mit
8/20 µs festgelegt und soll einen Überspannungsimpuls charakterisieren, wie er durch eine
Blitzentladung hervorgerufen wird. Die Restspannung bei Blitzstromimpulsen wird in den
Datenblätter in der Regel auch für Vielfache und für Teile des Nennableitstromes angegeben.
Schaltüberspannungen haben im Vergleich zu Blitzüberspannungen wesentlich geringere
Amplituden. Deshalb sind auch die max. Restspannungen bei Schaltstoßimpulsen der Form
30/60 µs von Interesse. Sie werden in den Datenblättern ebenfalls für verschiedene
Amplituden, z.B. 125 A, 500 A angegeben.

4.2 Der Schutzbereich eines Ableiters

Überspannungsimpulse auf Freileitungen und Kabeln stellen Wanderwellenvorgänge dar. Das


hat zur Folge, daß die momentanen Spannungswerte auf einer Leitung nicht mehr nur von der
Zeit, sondern auch vom betrachteten Ort abhängig sind. Insbesondere in der Nähe von
Stellen, an denen sich die Impedanz einer Leitung ändert (z.B. an einem Freileitungs-Kabel
Übergang oder einer Abzweigung) können solche Unterschiede sehr groß werden. Ursache
hierfür sind Reflexionen an diesen sogenannten „Stoßstellen“. Für die Anwendung von
Ableitern bedeutet das, daß die Spannung, mit der ein Betriebsmittel beansprucht wird, nicht
immer identisch ist mit der Restspannung, die momentan am Ableiter anliegt. Der Unter-
schied kann um so größer sein, je weiter der Ableiter vom Betriebsmittel entfernt angeordnet
ist. Ab einer gewissen Entfernung zwischen Ableiter und Betriebsmittel kann davon aus-
gegangen werden, daß der Schutz durch den Ableiter überhaupt nicht mehr gewährleistet ist.
Diese kritische Entfernung wird als Schutzbereich des Ableiters bezeichnet. Die Anordnung
des Ableiters sollte also unter allen Umständen so erfolgen, daß die elektrische Entfernung
zwischen dem Betriebsmittel und dem Ableiter unter allen Umständen kleiner als der
Schutzbereich des Ableiters ist.

Der Schutzbereich L eines Ableiters kann in Mittelspannungsanlagen nach folgender Formel


grob abgeschätzt werden:

v . BIL
L=
2.s [ 1,2
– UP
]
wobei v = 300 m/µs (Lichtgeschwindigkeit)
BIL = Steh-Blitzstoßspannung des zu schützenden Betriebsmittels
UP = Schutzniveau des Ableiters (Restspannung bei Nenn-Ableitstrom)
s = Steilheit des Überspannungsimpulses
ist.

S
v
a

Bild 3: Prinzipielle Anordnung eines Überspannungsableiters

10
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Typische Werte von s liegen bei 1550 kV/µs (für Freileitungen mit Holzmasten) und 800 kV/µs
(für Freileitung mit geerdeten Traversen). Anhand dieser Werte ergeben sich für Mittel-
spannungsnetze etwa folgende Schutzbereiche:

L = 2,3 m bei Holzmastleitungen.

L = 4,5 m bei Leitungen mit geerdeten Traversen.

In der vereinfachten Anordnung wie in Bild 3 dargestellt, darf demnach die Summe der Teil-
strecken a und b den Schutzbereich L nicht überschreiten:

a+b≤L

Dabei wird angenommen, daß der Erdanschluß des Ableiters vernachlässigbar kurz sei.
Ist dies nicht der Fall, so ist diese Entfernung in der Teilstrecke b zu berücksichtigen.

In der Praxis darf der Einfluß der Transformatorkapazität auf den Schutzbereich allerdings
nicht vernachlässigt werden. Sie führt zu einer teils drastischen Verringerung des
Schutzbereiches L, die je nach Länge der Teilstrecke b bis zu 80% betragen kann. Bei
Holzmastleitungen wirkt sich dieser Effekt besonders gravierend aus. So beträgt die max.
Länge der Teilstrecke b bis zu einer Systemspannung von 24 kV nur noch etwa 1 m. Der
Schutzbereich L liegt in diesem Fall noch bei etwa 2 m, so daß für die Teilstrecke a ebenfalls
nur noch 1 m verbleibt. Bei Systemspannungen über 24 kV verringert sich die max. Länge der
Teilstrecke b noch weiter auf 0,6 m.

Die Schutzwirkung eines Ableiters wird also ganz entscheidend von seiner Anordnung und
den gegebenen Leitungskonfigurationen bestimmt. Um eine optimale Schutzwirkung zu erzie-
len, ist der Ableiter so nah wie möglich am zu schützenden Betriebsmittel zu installieren und
die Freileitung direkt mit dem Ableiter zu verbinden. In diesem Sinne sind die drei in Bild 4
schematisch dargestellten Anschlußvarianten an einen Transformator unterschiedlich zu
bewerten. Die dritte Variante stellt die bestmögliche Anordnung dar, sofern der Abstand
zwischen Transformator und Ableiter nicht weiter verringert werden kann. Die erste Variante
ist die schlechteste, da hier die Schutzwirkung des Ableiters mit einfachen Mitteln ohne
großen Aufwand deutlich verbessert werden könnte.

schlecht gut ausgezeichnet

Bild 4: Verschiedene Anordnungen eines Ableiters zum Schutz eines Transformators

In einzelnen Fällen kann es sehr schwierig bzw. unmöglich werden, die im Falle von
Holzmastleitungen erforderliche max. Länge der Teilstrecke b von 1 m bzw. 0,6 m nicht zu
überschreiten. Hier kann evtl. eine Änderung der Leitungskonfiguration Abhilfe schaffen. In
der Regel genügt es, die Traversen der letzten 3 Maste einer Freileitung vor dem
Transformator zu erden, um die Steilheit der Überspannungen so weit zu verringern, daß der
Schutzbereich ausreichend groß wird. Der Nachteil dieser Lösung besteht jedoch darin, daß
die Zahl der Erd- bzw. Kurzschlüsse im System zunimmt und Werte erreicht, wie sie von
Systemen mit geerdeten Traversen her bekannt sind. Eine andere, elegantere Lösung besteht
darin, anstelle der zusätzlichen Erdung, einen weiteren Satz von Ableitern auf dem letzten
Mast vor dem Transformator zu installieren. Auch dadurch wird die Steilheit der Überspan-
nungen reduziert, Erd- bzw. Kurzschlüsse treten jedoch nicht auf.

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5. Besondere Anwendungen

5.1 Überspannungschutz bei Kabelstrecken mit Freileitungsübergang

Kabelstrecken müssen in der Regel an beiden Enden durch Ableiter geschützt werden. Bei
kurzen Strecken kann ein einseitiger Schutz ausreichend sein.

Ein Kabel, welches eine Freileitung mit einer Schaltanlage verbindet, ist im wesentlichen durch
Überspannungen, die von der Freileitung her einlaufen, gefährdet. Ableiter sind deshalb am
Übergang von der Freileitung zum Kabel anzuordnen. Auf der anderen Seite des Kabels ist
für dessen Schutz kein zweiter Ableiter erforderlich, sofern die Länge LK des Kabels die in
Tabelle 2 angegebenen Werte nicht überschreitet. Dies gilt allerdings nicht für Betriebsmittel
innerhalb der Schaltanlage, die am Ende dieses kurzen Kabels angeschlossen sind. Sie sind
evtl. durch Reflexionen am Kabelende gefährdet und erfordern gegebenenfalls dennoch den
Einbau eines Ableiter auch an diesem Ende des Kabels.

Um LK (m)
(kV) Holzmast Geerdete Traverse Lk
Z (Ω) 30 60 30 60
3,6 ∞ ∞
7,2 64 45 64 50
12 40 30 40 32 Substation

17,5 25 21 26 22
Tabelle 2: Max. Länge LK eines Kabels zwi-
24 28 23 28 24
schen Schaltanlage und Freileitung bei nur
36 22 20 22 20
einseitigem Schutz

Um die Kabelendverschlüsse der Kabel optimal zu schützen und Wanderwellenvorgänge zu


minimieren, sind die Ableiter in unmittelbarer Nähe der Endverschlüsse anzuordnen. Alle
Anschlußleitungen des Ableiters (auch die erdseitigen Verbindungen!) sollten so kurz wie
möglich sein, um die in die Leiterschleifen induzierten Spannung so gering wie möglich zu
halten. Der Mantel bzw. Schirm des Kabels ist mit dem erdseitigen Anschluss des Ableiters
zu verbinden.

Bei Kabeln, die im Zuge einer Freileitung verlegt sind, kann es ebenfalls ausreichend sein,
einen Ableiter nur an einem Übergang zu installieren, obwohl Überspannungen von beiden
Seiten her einlaufen können. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Schutzwirkung des
Ableiters in Bezug auf Überspannungen, die von der ungeschützten Seite her einlaufen sehr
stark reduziert ist. Die Länge des Kabels, bis zu der ein einziger Ableiter als ausreichend
betrachtet werden kann, ist deshalb sehr gering.

Besonders klein ist der Schutzbereich, wenn das Kabel im Zuge einer ungeerdeten
Holzmastleitung verlegt ist (s. Tabelle 3), da bei solch einer Anordnung der bereits erwähnte
„natürliche Überspannungsschutz“ durch die Isolatoren bei einem direkten Blitzeinschlag nur
sehr eingeschränkt gegeben ist. Die in der Tabelle angegebenen Werte für LK gelten für
Ableiter mit einem Nenn-Ableitstrom In = 10 kA, allerdings auch nur unter der Voraussetzung,
daß längs der ganzen Kabelstrecke der Wellenwiderstand konstant ist. Kabelverzweigungen
und andere „Stoßstellen“ bewirken aufgrund der zu berücksichtigenden Reflexionen eine wei-
tere Verkürzung von LK.

Um LK (m)
(kV) Holzmast Geerdete Traverse Lk

Z (Ω) 30 60 30 60
3,6 7 3 17 10
7,2 9 4 22 13
12 9 4 19 14
Tabelle 3: Max. Länge LK eines Kabels im
17,5 6 3 15 13
Zuge einer Freileitung bei nur einseitigem
24 10 5 17 15
Schutz (Anschlußlänge zwischen Ableiter
36 8 4 15 14
und Kabel sei max. 1m)

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5.2 Transformator am Ende eines Kabels

Übersteigt die Länge LK eines Kabels die in den obigen Tabellen angegebenen Werte, so stellt
sich die Frage, in wieweit der zweite, dann erforderliche Ableiter A2, den nachfolgenden
Transformator zu schützen vermag. Auch hier ist der Abstand zwischen dem Ableiter und dem
Transformator ausschlaggebend.

Im folgenden Beispiel sei wieder ein Transformator über ein Kabel, dessen Länge LK mehr als
100 m betrage, an eine blitzgefährdete Freileitung angeschlossen. Aufgrund der bisherigen
Betrachtungen sei sowohl am Freileitungsübergang als auch am Ende des Kabel je ein Ableiter
installiert. Der Ableiter A1 dient zum leitungsseitigen Schutz, der Ableiter A2 begrenzt die
durch Reflexion am Kabelende hervorgerufenen Überspannungen. Die Ableiter seien ferner
unmittelbar an die Endverschlüsse angeschlossen.

Um a (m)
(kV) Holzmast Geerdete Traverse Lk ≥ 100 m a
Z (Ω) 30 60 30 60
3,6 300 300 500 500
A1 A2
7,2 43 37 53 53
12 20 14 20 14
17,5 17 10 16 10
Tabelle 4: Max. zulässiger Abstand a zwi-
24 19 12 19 12
schen Kabelende und Transformator für den
36 16 11 20 11
Fall, daß der 2-te Ableiter direkt am Kabel-
ende montiert ist.

Sofern der Abstand a die in Tabelle 4 angegebenen Werte nicht übersteigt, ist in solch einer
Anordnung der Transformator bereits durch den Ableiter A2 ausreichend geschützt. Die Kapa-
zität des Transformators wurde bei den Berechnungen mit 2 nF angenommen. Kleinere Kapa-
zitätswerte ergeben größere mögliche Abstände.

5.3 Transformator nur einseitig und direkt mit einer blitzgefährdeten Freileitung
verbunden

Im allgemeinen sind nur die Transformatoranschlüsse mit Ableitern gegen Überspannungen


zu schützen, die mit blitzgefährdeten Freileitungen verbunden sind. Bei einem Hochspan-
nungstransformator, der das Hochspannungsnetz mit dem Mittelspannungsnetz verbindet,
und bei dem nur das Hochspannungsnetz als blitzgefährdet betrachtet wird, ist aber unter Um-
ständen dennoch auch auf der Mittelspannungsseite ein Überspannungsschutz notwendig.

Blitzüberspannungen sind sehr rasch ablaufende Vorgänge, weshalb rund 40% der ursprüng-
lichen Überspannungsamplitude kapazitiv auch auf die Mittelspannungsseite des Transfor-
mators übertragen werden. Den einschlägigen Vorschriften folgend kann zur Begrenzung die-
ser Überspannnungen ein langes Kabel, ein niederinduktiver Kondensator oder Kombina-
tionen beider Elemente auf der Mittelspannungsseite eingesetzt werden. Jedoch hat die
Verwendung von Ableitern zwei wesentliche Vorteile gegenüber diesen Lösungen:

– Induktiv übertragene Überspannungen können durch Kondensatoren noch verstärkt wer-


den. Sorgfältig ausgewählte und in Reihe geschaltete Dämpfungswiderstände sind deshalb
erforderlich, um die Höhe der zusätzlichen Spannungsbeanspruchung in Grenzen zu halten.
Mit funkenstreckenlosen Ableitern tritt dieser Effekt jedoch gar nicht erst auf.

– Im Falle eines Spannungsdurchschlages zwischen einer der Primärwicklungen und den


Sekundärwicklungen des Transformators werden die auf der Mittelspannungsseite ange-
schlossenen Betriebsmittel mit der netzfrequenten Hochspannung beansprucht. Falls
Ableiter zum Schutz der Mittelspannungsseite vorhanden sind, werden diese innerhalb sehr
kurzer Zeit zerstört, so daß ein Kurzschluß eintritt. Der Ableiter „opfert“ sich sozusagen und
schützt dadurch die nachfolgenden Betriebsmittel, wodurch der Schaden im wesentlichen

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auf den Transformator beschränkt bleibt. Da die Zerstörung eines Ableiters, durch welche
Vorgänge sie auch hervorgerufen wird, schon bei der Entwicklung des Ableiters berück-
sichtigt wird, ist sie in der Regel weit weniger gefährlich als dies bei anderen Geräten, wie
z.B. Kondensatoren, der Fall ist.

Insbesondere bei einem Maschinentransformator, der das Hochspannungsnetz mit einem


Generator verbindet, ist die Überlegenheit des Ableiters hinsichtlich des Schutzes markant.

Im Mittelspannungsnetz sind ähnliche Verhältnisse anzutreffen. Auch hier werden Blitzüber-


spannungen vom Mittelspannungsnetz durch den Transformator kapazitiv auf die Unter-
spannungsseite übertragen. Deshalb ist der Einsatz von Überspannungsableitern auf der
Niederspannungseite ebenfalls zu empfehlen, auch wenn lediglich die Mittelspannungsseite
als blitzgefährdet betrachtet wird.

Ob und in wieweit Niederspannungsableiter einen Transformator zu schützen vermögen, der


nur niederspannungsseitig als blitzgefährdet betrachtet wird, ist umstritten. Häufig wird die
Auffassung vertreten, daß dieser Schutz völlig ausreichend sei. Immer wieder wird jedoch von
Transformatorenausfällen berichtet, die auf niederspannungsseitige Blitzüberspannungen
zurückgeführt werden. In diesen Fällen, so vermutet man, werden verhältnismäßig langsame,
transiente Überspannungen auf der Niederspannungsseite mit dem Windungsverhältnis des
Transformators induktiv auf die Mittelspannungsseite transformiert, wo sie dann Durch-
schläge in der Wicklung verursachen können. In Regionen mit hoher Blitzdichte ist es daher
ratsam, Ableiter auf beiden Seiten einzusetzen, auch wenn nur die Niederspannungsseite als
blitzgefährdet eingestuft wird.

5.4 Ableiter an gekapselten MS-Schaltanlagen

Für den Einbau in gekapselte MS-Schaltanlagen werden in der Regel spezielle Innenraum-
ableiter verwendet. Der Nennableitstrom dieser Ableiter, die in unmittelbarer Nähe des Kabel-
endverschlusses angeordnet werden, sollte 10 kA (Klasse 1) betragen, wenn die Schaltzelle
mit einer blitzgefährdeten Freileitung verbunden ist, auch wenn am Freileitungs-
Kabelübergang bereits ein 10 kA Ableiter installiert ist. Ist die Kabelstrecke lang, kann der
Einsatz eines 5 kA Ableiters in der Schaltanlage in Erwägung gezogen werden, da der dann zu
erwartende Rest-Ableitstrom mit der Länge des Kabels abnimmt. Den größten Teil des
Ableitstromes hat in solch einem Fall der Ableiter am Freileitungs-Kabelübergang zu tragen.
Soll der Ableiter, wie z.B. in reinen Kabelnetzen, nur zur Begrenzung von Schaltüberspan-
nungen eingesetzt werden, genügt im allgemeinen der Einsatz eines 5 kA Ableiters, da die zu
erwartenden Ableitströme vergleichsweise gering sind.

Die vom Hersteller angegebenen Mindestabstände zwischen den Ableitern sowie zwischen
Ableiter und geerdeten Teilen sind einzuhalten. Sie sollten nur unterschritten werden, wenn
diese Anordnung auf ihre Isolationsfestigkeit hin geprüft wurde.

5.5 Generator, verbunden mit einer blitzgefährdeten MS-Leitung

Wird ein unter Last betriebener Generator plötzlich von Netz getrennt, so steigt die
Generatorspannung sprunghaft an, bis der Spannungsregler eingreift und die Spannung her-
unterregelt. Das Verhältnis dieser temporären Überspannung zur normalen Betriebsspannung
wird Lastabwurffaktor υ genannt. Es können Werte bis zu 1,5 erreicht werden. Die Regelzeit
t beträgt häufig zwischen 3 und 10 s. Die Auswahl der erforderlichen Ableiter Dauerspannung
Uc erfolgt mit Hilfe dieser beiden Werte wie in Kapitel 3.3 beschrieben.

υ . Um
UC ≥ für Ableiter zwischen Phase und Erde.
T

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5.6 Überspannungsschutz von Motoren

Hochspannungsmotoren sind bei einer Abschaltung während des Anlaufs durch Überspan-
nungen aufgrund mehrfacher Wiederzündungen im Schalter durch Überspannungen gefähr-
det. Die Wiederzündungen treten häufig dann auf, wenn der Strom beim Abschalten unter
600 A liegt. Zum Schutz der Motoren sind Überspannungsableiter unmittelbar an den Motor-
klemmen oder alternativ am Leistungsschalter zu installieren. Die Auswahl der Ableiter erfolgt
nach den Empfehlungen in Abschnitt 3.

5.7 Kabelmantelschutz von Hochspannungskabeln

Aus thermischen Gründen und um die Verluste entlang eines Kabels zu reduzieren wird der
Kabelmantel oder Schirm von Hochspannungs-Einleiterkabeln meistens nur auf einer Seite
geerdet. Allerdings muß dann das ungeerdete Ende mit Ableitern gegen transiente Überspan-
nungen geschützt werden.

Für die Auswahl des Ableiters ist die im Kurzschlußfall längs des Kabels induzierte Spannung
Ui maßgebend. Sie ist von der Geometrie des Kabels und der Verlegung im Kabelkanal abhän-
gig und überschreitet in der Regel 0,3 kV pro kA Kurzschlußstrom und km Kabellänge nicht.
Der Betriebspunkt, der sich aus der Höhe der induzierten Spannung Ui und der Zeitdauer t bis
zur Abschaltung des Kurzschlußstromes ergibt, muß unterhalb der Wechselspannungs-Zeit-
Kennlinie liegen, damit der entsprechende Ableiter eingesetzt werden kann.
400
d

300
L1 L2 L3
s s
Ui (V/kA km) 200
L3
s
d
100

L1 L2

0
1 10 100 s/d

Bild 6: Im Kabelmantel oder Schirm induzierte Spannung Ui je kA Kurzschlußstrom und


km Kabellänge in Abhängigkeit von der Geometrie

Ui u .I .L für Ableiter zwischen Mantel oder Schirm


UC ≥ = i k
T T und Erde,

wobei Ik der max. Kurzschlußstrom und L die Länge der ungeerdeten Kabelstrecke ist.

5.8 MO-Ableiter für Gleichspannung

Auch in Gleichspannungsnetzen treten durch Blitzeinwirkung oder Schalthandlungen hervor-


gerufene Überspannungen auf, die Geräte und Betriebsmittel gefährden können. Eine interna-
tionale Norm oder Richtlinie über den Einsatz von Überspannungsableitern in diesen Netzen
ist aber bisher nicht veröffentlicht worden. Es können jedoch auch in diesen Netzen Ableiter
zum Schutz der Betriebsmittel eingesetzt werden. Insbesondere die funkenstreckenlosen
MO-Ableiter sind dafür geeignet, da bei ihnen nach einer transienten Beanspruchung kein
durch die Gleichspannung hervorgerufener Folgestrom auftritt, der sonst mit verhältnismäßig
hohem Aufwand gelöscht werden müßte.

Aufgrund der andersgearteten Beanspruchung der Widerstandsblöcke, können die für Wech-
selspannungssysteme vorgesehenen Ableiter nicht ohne weiteres in Gleichspannungs-
systemen eingesetzt werden. Es ist unbedingt darauf zu achten, daß der Einsatz des Ableiters
in Gleichspannungssystemen vom Hersteller ausdrücklich spezifiziert ist. Bezüglich der
Dimensionierung sollte mit dem Hersteller Kontakt aufgenommen werden.

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A.Guide-D 10.02.2001 19:28 Uhr Seite 16

6. Consulting beim Einsatz von Ableitern

In vielen Gesprächen mit Anwendern von Überspannungsableitern zeigt sich, daß eine inten-
sive Beratung beim Einsatz von Überspannungsableiter begrüßt wird. Sowohl bei einem
Technologiewechsel, z.B. von Funkenstreckenableiter mit Porzellangehäusen auf MO Ableiter
mit Kunststoffgehäuse, als auch bei der Auswahl von Ableitern bei Nachrüstungen bestehen-
der Anlagen besteht in der Regel ein sehr hoher Informationsbedarf. Neue Anwendungs-
gebiete, wie z.B. in Gleichspannungsnetzen, oder die Erstellung umfassender Konzepte zum
Überspannungsschutz ganzer Anlagen erfordern darüberhinaus eine gründliche Analyse der
Anforderungen und Gegebenheiten.
Wir bieten daher unseren Kunden ausführliche Beratungen zum Thema Überspannungsschutz
an, die über die in dieser Druckschrift gegebenen Empfehlungen hinausgehen.

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