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1.HERZINFARKT
Der Herzinfarkt, Herzanfall oder Myokardinfarkt ist oftmals eine lebensbedrohliche und akute
Krankheit des Herzens. Dabei kommt es zum Absterben (Infarkt) von Herzgewebe bzw.
Herzmuskel (Myokard). Die dann folgende Durchblutungsstörung (Ischämie) führt zum
bekannten Herzinfarkt.
Als Herzinfarkt wird eine Erkrankung des Herzens bezeichnet, die für den Menschen
lebensbedrohlich ist. Man bezeichnet diesen umgangssprachlich auch als Herzanfall oder
Myokardinfarkt. In der Humanmedizin wird die Abkürzung AMI (sogenanntes acute myocardial
infarction) für den Herzinfarkt genutzt. Doch was genau versteht man unter einem Herzanfall?
Ein Teil des Herzmuskels (sogenanntes Myokard) stirbt durch den Verschluss eines der drei
Herzkranzgefäße ab.
Dies geschieht aufgrund einer Durchblutungsstörung, die regelmäßig über einen Zeitraum von
länger als 20 Minuten auftritt. Meistens geschieht dies durch ein Blutgerinnsel, welches eines
der Herzkranzgefäße bei einem Herzinfarkt verstopft. Das Blut kann dort nun nicht mehr
zirkulieren. Die Folge ist eine Unterbrechung der Sauerstoff- und Nährstoffzufuhr zum Herzen.
Ist es nicht möglich, diesen Verschluss des Herzmuskels wieder zu öffnen, stirbt der Teil des
Herzmuskels ab, der eigentlich von diesem Gefäß versorgt werden sollte.
Doch welche Ursachen gibt es für einen Herzinfarkt?In den Industrieländern kommt eine
derartige Erkrankung des Herzens immer häufiger vor. Bezogen auf Deutschland, erleiden etwa
250.000 Menschen jedes Jahr einen Herzinfarkt. Ganze 50 Prozent dieser neu-erkrankten
Patienten sterben innerhalb von vier Wochen nach dem Erleiden eines Herzinfarktes.
Ein weiter zunehmender Risikofaktor ist zudem der Stresspegel. Plötzliche Belastungen
und/oder extreme Stresssituationen, die eine starke Schwankung des Blutdrucks zur Folge
haben, können einen Herzinfarkt auslösen. Etwa 40 Prozent aller Herzinfarkte werden morgens
(in einem Zeitraum von 6 bis 10 Uhr) und vor allem auch an Montagen registriert.
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BrustschmerzenBauchschmerzenInnere
UnruheAngstSchweißausbrücheGesichtsblässeÜbelkeitErbrechenAtemnotHalsschmerzenBekle
mmungSchwindelBewusstlosigkeit
Krankheitsverlauf Herzinfarkt
Wie erkenne ich das Auftreten eines Herzinfarktes?Zumeist äußert sich das Auftreten eines
Herzinfarktes durch Brustschmerzen unterschiedlicher Stärke und Qualität, je nachdem, wie es
die erkrankte Person empfindet. Das Gefühl eines starken Drucks hinter dem Brustbein oder
aber ein Gefühl der Enge (Beklemmung) im gesamten Bereich des Brustkorbs sind typische
Anzeichen eines Herzinfarktes.
Die empfundenen Schmerzen wirken sich meist auch auf den linken Arm, die Schulter, den Hals,
den Oberbauch oder den Rücken aus. Zumeist tritt dieser Schmerz mehr als 20 Minuten
anhaltend auf.
Begleiterscheinungen eines Herzinfarktes sind nicht selten Schweißausbrüche, Übelkeit oder gar
Erbrechen. Das Auftreten gefährlicher Herzrhythmusstörungen in der sogenannten Akutphase
eines Herzinfarktes machen auch kleinere Infarkte lebensbedrohlich.
Insbesondere bei Frauen treten andere Symptome für einen Herzinfarkt hinzu: Atemnot,
Allgemeine Schwäche, Magenverstimmung und körperliche Erschöpfungszustände.
4. Die Öffnung des durch den Herzinfarkt verschlossenen Gefäßes kann durch die sogenannte
Lysetherapie erfolgen oder aber durch die Ballondilatation mit Hilfe einer
Herzkatheteruntersuchung.
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Wie kann man das Risiko eines Herzinfarktes reduzieren bzw. vorbeugen?Mit Hilfe folgender
Punkte kann das Risiko eines Herzinfarkts deutlich gesenkt werden:
2. Man sollte sich gesund ernähren.Eine bewusste und gesunde Ernährung verringert das Risiko
eines Herzinfarktes. Auf gesättigte Fettsäuren vor allem in tierischen Produkten wie Butter,
ahne, Schweinefleisch u. a. sollte verzichtet werden, da diese den Cholesterinspiegel im Blut
ansteigen lassen.
3. Man sollte ausreichend Sport treiben.Insbesondere leichte Sportarten der Ausdauer wie
Nordic Walking, Radfahren oder auch Schwimmen verringern das Infarkt-Risiko.
4. Sofern man übergewichtig ist, sollte man dieses Übergewicht senken.Bereits 10 Kilo zu viel
haben eine negative Auswirkung auf unsere Gesundheit, sowohl der Blutdruck als auch die
Blutfettwerte erhöhen sich.
5. Man sollte sich selbst ein Rauchverbot erteilen.Bereits sechs Zigaretten pro Tag verdoppeln
das Risiko eines Herzinfarktes, also Finger weg davon!
6. Man sollte zudem Stress möglichst vermeiden.Im Grunde hält der Körper Stresssituationen
durchaus stand, dennoch sollte man es hier nicht übertreiben, da diese zu Bluthochdruck führen
können.
Koronare Herzkrankheit
Die koronare Herzkrankheit ist die Manifestation der sogenannten Atherosklerose an den
Herzkranzgefäßen (Koronararterien). Sie führt über zahlreiche Ursachen zu
einer Durchblutungsstörung des Herzmuskels. Dies wiederum kann Brustschmerzen (Angina
pectoris) verursachen oder auch ernsthafte Komplikationen
wie Herzrhythmusstörungen, plötzlichen Herztod oder eine Herzmuskelschwäche nach sich
ziehen. Der Krankheitsverlauf kann sich aber auch klinisch stumm darstellen.
Die durch die Atherosklerose verursachten Erkrankungen sind die derzeit häufigsten
Todesursachen bei Männern ab dem 40. und bei Frauen ab dem 50. Lebensjahr. Die Todesrate
am akuten Herzinfarkt hat zwar durch die Möglichkeiten der modernen Kardiologie ab-, die
Sterblichkeit der Folge chronischer Durchblutungsstörungen des Herzens aber zugenommen. Es
gibt von Land zu Land große Unterschiede in der Häufigkeit des Auftretens der koronaren
Herzkrankheit und der durch sie verursachten Todesfälle.
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Die Atherosklerose kann als Verkalkung der Arterienwand verstanden werden. Die Arterien sind
diejenigen Blutgefäße, die einer besonders hohen Druckbelastung ausgesetzt sind.
Insbesondere die innere Schicht der mehrschichtigen Arterienwand muss sich an ständig
wechselnde Bedingungen anpassen. Diese innere Schicht wird als Endothel bezeichnet. Ohne
das Endothel wäre die Zirkulation des Blutes nicht möglich, da wichtige Prozesse der
sogenannten Blutgerinnung unter anderem durch das Endothel reguliert werden.
Der Ausgangspunkt der Entstehung der Atherosklerose ist vermutlich immer eine Schädigung
des Endothels, deren Ursachen vielfältig sein können.
Risikofaktoren
Bluthochdruck,
Übergewicht,
Diabetes mellitus
Rauchen,
sowie weitere seltenere und in ihrer Bedeutung noch nicht abschließend verstandene
Faktoren wie Homocystein oder Lipoprotein
zu nennen.
Ob eine chronische bakterielle Infektion an der Entstehung der Atherosklerose beteiligt ist,
konnte bislang nicht überzeugend nachgewiesen werden. Insbesondere konnten Studien unter
Einsatz von Antibiotika keinen durchgreifenden Effekt nachweisen.
Eine Einwanderung von kleinsten, sogenannten glatten Muskelzellen aus der Media in die
Intima, sowie spezialisierten Transportpartikeln von Cholesterin führt zur Entstehung der
sogenannten atherosklerotischen Plaque.
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Entzündliche Prozesse spielen hierbei eine wichtige Rolle, so zeigen erhöhte Entzündungsmarker
wie das C-reaktive Protein ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko bei Blutzuckerkranken an und sind
beim akuten Herzinfarkt fast immer im Blut erhöht nachweisbar.
Die Zusammensetzung der atherosklerotischen Plaque, vor allem aber das Verhältnis von
abgestorbenem Zellmaterial (Nekrosen) im Zentrum der Plaque und bindegewebigen
Deckplatten bestimmen das Risiko einer Plaqueruptur und die Entstehung eines akuten
Herzinfarktes.
In der Regel aber schreitet die Atherosklerose der Herzkranzgefäße (koronare Herzkrankheit)
langsam fort und zwar zumeist diskontinuierlich, d.h. über Wachstumsschübe, was eine sichere
Wachstumsprognose der Erkrankung allein aus angiographischen (d.h. Darstellung der
Herzkranzgefäße mit Hilfe des Herzkatheters) Informationen erschwert.
Das häufigste Symptom bei der koronaren Herzerkrankung ist die Angina pectoris
(Brustschmerz), typischerweise als flächenhafter zentraler Schmerz häufig mit Ausstrahlung in
die Schulterregion oder auch den Unterkiefer. Oft, besonders bei Frauen, zeigen sich bei der
koronaren Herzkrankheit aber auch nur unspezifische Symptomewie zum Beispiel:
Atemnot (Dyspnoe)
Blutdruckabfall (Hypotonie)
Hautblässe
Schweißausbruch
Übelkeit
Oberbauchschmerz
Angst
Die Symptome können bei der koronaren Herzkrankheit aber auch völlig fehlen. Man spricht
dann von stummer Myokardischämie. Diese kommt besonders bei älteren Patienten und
Diabetikern vor.
Zu Beginn der koronaren Herzkrankheit treten die Symptome nur dann auf, wenn
der Sauerstoffbedarf des Herzens gesteigert ist z.B. bei körperlicher Anstrengung, emotionaler
Belastung (Trauer und Freude), Überfunktion der Schilddrüse oder auch, wenn der
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Sauerstoffgehalt des Blutes erniedrigt ist wie z.B. bei der Blutarmut (Anämie).
Wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit liefert die Vorgeschichte,
die Anamnese des Patienten. Hier erfragt der Arzt die bekannten Risikofaktoren und die genaue
Symptomatik des Patienten.
Laboruntersuchung
Mit Hilfe eines EKGs kann eine Minderdurchblutung des Herzens in Ruhe oder unter Belastung
durch Veränderungen des Elektrokardiogramms anzeigen.
Echokardiographie
Weitere Diagnosehilfen
Die Computertomographie (CT) des Herzens dient hauptsächlich dem Nachweis oder Ausschluss
von Kalkablagerungen im Bereich der Herzkranzgefäße. Die Hauptbedeutung dieser Methode
liegt derzeit in ihrem hohen negativ prädiktiven Wert. Dies bedeutet eine hohe Sicherheit für
einen Patienten, bei dem die Untersuchung keinen Kalk oder alters-, und geschlechtsbezogen
niedrige Werte anzeigt.
Wird durch diese nichtinvasiven Untersuchungsmethoden der Verdacht auf eine koronare
Herzkrankheit wahrscheinlich oder kann nicht sicher ausgeschlossen werden, folgt die invasive
Untersuchung der Herzkranzarterien, die Koronarangiographie.
Bei dieser Untersuchung wird über einen Katheter Kontrastmittel direkt in die Herzkranzgefäße
injiziert. Dadurch können Verengungen oder Verschlüsse sicher diagnostiziert werden. Im
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gleichen Untersuchungsgang kann in geeigneten Fällen eine Erweiterung (PTCA) oder eine
Wiedereröffnung (Rekanalisation) zur Behandlung der betroffenen Herzkranzarterie
durchgeführt werden.
Die Behandlungsstrategie für Patienten mit koronarer Herzkrankheit richtet sich nach dem
klinischen Erscheinungsbild und dem Stadium der Erkrankung.
Medikamentöse Behandlung
Herzkatheteruntersuchung
Beispielsweise kann einem Patienten männlichen Geschlechts mit typischen Beschwerden und
fortgeschrittenem Alter sofort zur Herzkatheteruntersuchung geraten werden, wenn eine
Prognoseverbesserung über revaskularisierende, d.h. durchblutungsfördernde Maßnahmen zu
erwarten ist und damit das Risiko einer Herzkatheteruntersuchung rechtfertigt (sehr seltene
Komplikationen sind Schlaganfälle, Gefäßverletzungen oder Blutungen an der Punktionsstelle,
meist rechte Leistenregion).
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Schema einer Stentimplantation (PCI) zur Behandlung einer kritischen Gefäßeinengung durch
fortgeschrittene Atherosklerose
Wird während der Herzkatheruntersuchung in der Angiographie, das heißt Darstellung der
Herzkranzgefäße mit Kontrastmittel, eine starke Gefäßverengung in einer bedeutsamen
Gefäßregion nachgewiesen, kann diese meist in gleicher Sitzung unmittelbar im Anschluss an
die Diagnostik durch eine Ballondilatation (PTCA) behandelt werden. In aller Regel ist dann (>
90 %) allerdings die Implantation eines Stents (Gefäßstütze) erforderlich, um einen dauerhaften
Behandlungserfolg zu gewährleisten. Neben einfachen Metallstents sind heute bereits in der
klinischen Routine sogenannte medikamentenbeschichtete Stents im Einsatz, die die
Wiedereinengungsrate der alten Metallstents deutlich reduziert haben.
Nicht für alle Befunde stellt die PTCA jedoch das geeignete Behandlungsverfahren dar.
Insbesondere für sogenannte Hauptstammstenosen oder bei komplexem Befall mehrer
Gefäßregionen (besonders beim Blutzuckerkranken) kann die Bypasschirurgie von Vorteil sein,
vor allem in Bezug auf die Notwendigkeit wiederholter gefäßerweiternder Massnahmen.
Bei identischer Sterblichkeit beider Therapieverfahren zeigen die vorliegenden Daten der
grossen Vergleichsstudien allerdings eine deutlich geringere Schlaganfallratezugunsten der
PTCA.
Auf Grund der Komplexität der Befunde und der möglichen alternativen Therapieoptionen
muss heute der Patient immer häufiger mit in die Therapieplanung einbezogen werden, wobei
bei nicht dringlicher Behandlungsindikation immer genügend Raum für eine Bedenkzeit oder
Beratung mit den Angehörigen zugestanden werden sollte.
Beim akuten Herzinfarkt ist eine möglichst schnelle Wiedereröffnung des verschlossenen
Gefäßes das alles entscheidende Therapieziel. Die besten Ergebnisse werden erzielt, wenn das
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Infarktgefäß innerhalb der ersten 90 Minuten nach Beschwerdebeginn wiedereröffnet wird und
dies möglichst mit Hilfe interventioneller Verfahren, d.h. durch Herzkatheter und PTCA.
Medikamentöse Maßnahmen zur Auflösung von Blutgerinnseln (Lysetherapie) haben nur noch
dann einen Stellenwert, wenn eine invasive Kathetertherapie aus logistischen Gründen nicht
zeitgerecht durchgeführt werden kann. Bei der heutigen Dichte an spezialisierten Kliniken mit
Linksherzkathetermessplatz ist dies in Deutschland aber nur noch selten der Fall.
Über relativ einfache Maßnahmen lässt sich das Risiko eines raschen Fortschreitens der
Atherosklerose an den Herzkranzgefäßen und damit der koronaren Herzkrankheit deutlich
reduzieren.
Ein kontrolliertes köperliches Training hilft nachweislich, das Risiko im Bereich der Herz-,
Kreislauferkrankungen deutlich zu verringern. Dies gilt sowohl für Normalgewichtige als auch für
Übergewichtige und Diabetiker. Gut belegt sind günstige Einflüsse auf Blutdruck und Blutzucker.
Dabei geht es weniger um sportliche Spitzenleistungen, als vielmehr um regelmäßige
Ausdauerleistungen wie Radfahren, Joggen oder Schwimmen.
Neben der Rauchentwöhnung stellt eine Umstellung der Ernährung einen weiteren wichtigen
Schritt dar, ein Fortschreiten der Atherosklerose und deren katastrophale Folgen wie den akuten
Herzinfarkt zu verhindern. Hier dient als Maßstab die sogenannte mediterrane Kost, die sich
durch kaloriengerechte, ballaststoffreiche und fettarme Nahrung auszeichnet. Sie ist außerdem
reich an sogenannten ungesättigten Omega-3 Fettsäuren, denen gefäßschützende Eigenschaften
zugeschrieben werden.
2.HERZINSUFFIZIENS
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Jedes Jahr erkranken etwa 295 von 100.000 Frauen und 380 von 100.000 Männern an
Herzinsuffizienz in Deutschland. Das durchschnittliche Lebensalter bei Einsetzen der Erkrankung
liegt zwischen 70 und 80 Jahren für beide Geschlechter. Bestimmte Formen der Herzinsuffizienz
können aber auch schon in einem früheren Lebensalter auftreten. Bei dieser Erkrankung liegt in
der Regel eine Herzmuskelschwächung vor, die das Herz in seiner Pumpfunktion beeinträchtigt.
Daher kann die vom Organismus geforderte Blutmenge zur optimalen Durchblutung des
Gewebes nicht gewährleistet werden. Es wird zwischen einer Linksherz- und einer
Rechtsherzinsuffizienz unterschieden, die unterschiedliche und für die Erkrankung typische
Symptome aufweisen. Sind beide Herzhälften betroffen, spricht man von einer
Globalinsuffizienz.
Es wird grundsätzlich zwischen einer chronischen und einer akuten Form der Herzinsuffizienz
unterschieden. Die akute Form tritt binnen weniger Stunden oder Tage auf. Die chronische Form
benötigt dagegen Monate oder Jahre. Links- und Rechtsherzinsuffizienz können akut oder
chronisch verlaufen.
Die Liste der Ursachen für das Auftreten von Herzinsuffizienz ist recht umfangreich:
Arteriosklerose der Herzkranzgefäße ist die häufigste aller Ursachen, gefolgt von Bluthochdruck,
Herzmuskelerkrankungen, Herzmuskelentzündungen, Herzrhythmusstörungen,
Herzklappenanomalien, Perikarderguss und damit verbundener Einengung des Herzbeutels und
Stoffwechselerkrankungen. Tachykardien und Bradykardien (zu schnelle und zu langsame
Herzfrequenz) sind oft Ursache der akuten Herzinsuffizienz.
Krankheitsverlauf Herzinsuffizienz
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Der Krankheitsverlauf einer Herzinsuffizienz wird entscheidend bedingt durch die ihr
zugrundeliegende Ursache und dem Schweregrad.
Bei fast allen weiter oben genannten Ursachen muss mit einer fortschreitenden
Verschlechterung gerechnet werden. Eine notwendig werdende medikamentöse Therapie kann
diesen Prozess verlangsamen, aber nicht revidieren.
Bei hohem Schweregrad leidet der Patient zudem unter einer einschneidenden
Beeinträchtigung der Lebensqualität und reduzierter Lebenserwartung, da die Mortalitätsrate
(Sterblichkeitsrate) bei Herzinsuffizienz hoch ist.
Der erste Schritt in der Therapie einer Herzinsuffizienz ist die Beseitigung der ihr
zugrundeliegenden Ursache. Dies kann medikamentös oder chirurgisch erfolgen. Liegt z.B. ein
Herzklappenfehler vor, dann ist ein chirurgischer Eingriff angezeigt, der den Defekt repariert.
Liegt als Ursache ein erhöhter Blutdruck zugrunde, dann ist die Verordnung von
Antihypertensiva notwendig.
Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung werden chirurgisch (z. B. Bypass Operation) und
medikamentös (Nitrate, Betablocker, ACE-Blocker) behandelt. Bei Wassereinlagerungen werden
Diuretika verordnet, ebenso Digitalisglykoside bei Vorhofflimmern und Antiarrhythmika bei
Herzrhythmusstörungen.
Begleitend zur Therapie sind für die meisten Patienten moderate Belastung und körperliche
Bewegung zur Stärkung des angeschlagenen Herzmuskels gefordert. Bei schwerster
Herzinsuffizienz bleibt als letzter Weg nur noch eine Herztransplantation übrig.
3.Tiefe Beinvenenthrombose
Durch die Entstehung eines Gerinnsels in den tief liegenden Beinvenen wird der Blutabstrom
teilweise behindert. Wie groß die Abflussbehinderung ist, hängt davon ab, ob andere Venen das
Blut umleiten können. Als mögliche Komplikation kann sich eine Lungenembolie oder ein
postthrombotisches Syndrom entwickeln.
Dann kann es passieren, dass der Betroffene nichts von der Gefahr bemerkt. Rund zwei Drittel
aller Patienten mit einer tiefen Beinvenenthrombose, vor allem im Bereich des Unterschenkels,
haben keine Beschwerden oder nur leichte Symptome, die sie die Ursache nicht vermuten
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lassen! Wenn sich aber die Thrombose nach oben ausdehnt, kommt es irgendwann
unweigerlich zu Beschwerden. Dabei ist das Komplikationsrisiko für den Betroffenen umso
größer, je dicker die beteiligte Vene und damit auch das sie ausfüllende Gerinnsel ist.
Welche Risikofaktoren können zu einer Thrombose führen?
Bereits die Einnahme der Pille erhöht das Risiko, eine Thrombose zu erleiden, um das Fünffache.
Eine Vervielfachung der Thrombosegefahr ergibt sich bei zusätzlichem Zigarettenkonsum.
Besteht zudem noch eine APC-Resistenz, dann ist das Risiko um das 50- bis 100-fache erhöht!
Welche Beschwerden treten bei der Phlebothrombose auf?
Nicht alle Thrombosen werden vom Patienten bemerkt (asymptomatische Thrombose) und oft
gibt erst eine medizinische Untersuchung Auskunft über eine stattgefundene Thrombose.
Kommt es aber zu Beschwerden und sind diese einseitig vorhanden, so besteht der Verdacht auf
eine tiefe Beinvenenthrombose (eine beidseitige Beteiligung kann ebenso - wenn auch selten -
vorliegen).
Der Patient verspürt ein "Ziehen" und ein Spannungsgefühl in den Beinen, das sich wie ein
"Zerreißungsschmerz" anfühlt. Ebenso kann ein Schmerz auftreten, der sich wie ein Muskelkater
anfühlt. Insbesondere ein Druckschmerz an der Wade und/oder an der Oberschenkelmuskulatur
sowie ein Fußsohlenschmerz kommen bei der tiefen Beinvenenthrombose vor und fallen beim
Gehen - oder auch spontan - auf. Manchmal kommt es auch noch zu Fieber und Herzrasen.
Mit welchen Komplikationen muss man rechnen?
Wiederauftreten der Thrombose (Rethrombose)
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Rascher, vollständiger Verschluss der Vene kann zu extremer Schwellung, kalter Haut
(durch Kompression der Arterien), Schock und Nierenversagen führen. In diesem Fall ist eine
sofortige chirurgische Intervention nötig.
Lungenembolie: Viele Patienten mit einer tiefen Beinvenenthrombose bekommen als
Folgeerkrankung eine Lungenembolie, die allerdings bei einem Großteil der Patienten
symptomfrei verläuft. Besonders häufig tritt diese Komplikation bei jenen Patienten auf, die eine
Beckenvenenthrombose erleiden. Plötzliche Luftnot, Herzrasen und Brustschmerzen können
Hinweise auf diese Erkrankung geben. Im Extremfall kann auch ein plötzlicher
Bewusstseinsverlust (Synkope) auftreten.
Postthrombotisches Syndrom: Dieses tritt vor allem nach Thrombosen im Oberschenkel
auf und beruht auf einer unwiderruflichen Zerstörung der tiefen Venenklappen. Dadurch kann
die Vene das Blut nicht funktionsgemäß vorwärtstreiben und es kommt zum Rückstau des
Blutes. In der Folge findet eine Umleitung des Blutes in die oberflächlichen Venen statt und der
Patient entwickelt Krampfadern. Zusätzlich leidet er an einer Schwellung und an einer meist
braunen Verfärbung des Beines. Schließlich kann es zu einem Geschwür am Unterschenkel
(Ulcus cruris) kommen. Was kann man selbst tun, um eine Phlebothrombose zu vermeiden?
Vermeiden Sie sämtliche Risikofaktoren, wie das Rauchen oder die Antibabypille (besonders in
Kombination) und ernähren Sie sich gesund! Trinken Sie ausreichend Flüssigkeit (keinen Alkohol)
und tragen Sie bequeme Kleidung. Besonders während langer Flug- oder Busreisen achten Sie
darauf, einen Gangplatz zu bekommen, und bewegen Sie regelmäßig Ihre Beine.
Sollte das Bein geschwollen, schmerzhaft, blau oder überwärmt sein, dann besteht der Verdacht
auf eine tiefen Beinvenenthrombose. Sollten Sie Kompressionsstrümpfe haben, verwenden Sie
diese, da Sie damit den Thrombus an der Vene fixieren. Begeben Sie sich so bald wie möglich in
ärztliche Behandlung.
In jedem Fall ist eine blutverdünnende Behandlung (Antikoagulation) erforderlich, die in der
Akutphase mit Heparin (mit so genannten niedermolekularen Heparinen), im Anschluss daran
mit Kumarinderivaten (Phenprocoumon und Acenocoumarol) durchgeführt wird.
Um eine Wiederholung der Erkrankung zu verhindern, wird die Kumarin-Therapie für sechs bis
zwölf Monate weiter geführt.
4.VARIKOSIS
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Die durch Varizenbildung stattfindende Erweiterung des Plexus pampiniformis beim Mann wird
als Varikozele bezeichnet. Im Rahmen einer Schwangerschaft in der suprapubischen Region bzw.
an der Vulva entstehende Varizen werden als Vulvavarizen bezeichnet.
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Der histopathologische Befund zeigt fibrotische Umbauprozesse der Venenwand, bei denen
die glatte Muskulatur zunehmend durch kollagene Fasern ersetzt wird. Parallel dazu findet sich
eine zunehmende Atrophie der elastischen Fasern.
Durch die progrediente Venenwandschwäche entsteht eine relative Insuffizienz
der Venenklappen, in deren Folge es zu einem Blutrückfluss (Reflux) gegen die physiologische
Stromrichtung kommt. Das gesteigerte Blutvolumen in den Beinvenen führt im Sinnes
eines Circulus vitiosus zu einer venösen Hypertension und zusätzlichen
Gefäßwandveränderungen.
Im weiteren Verlauf werden die Verbindungsvenen (Perforansvenen) zwischen dem
oberflächlichen und tiefen Venensystem schlussunfähig. Auch hier kann sich der normale
Blutfluss umkehren, so dass Blut aus dem tiefen direkt ins oberflächliche System zurückfließt
und auch dort zur Druckerhöhung und Dehnung der subkutanen Venen führt.
3.3 Prädilektionsstellen
Auf Grund des orthostatischen Drucks sind Ober- und Unterschenkel am häufigsten
betroffen. Prädilektionsstellen sind hier die Vena saphena magna und ihre Äste (Vv. Saphena
accessoria lateralis oder medials).
4 Klinik
Das klinische Bild der Varikosis ähnelt dem der CVI (chronisch venöse Insuffizienz):
Ödemneigung
Schwere- und Spannungsgefühl in den Beinen
Neigung zu nächtlichen Wadenkrämpfen
vor allem abendliches Auftreten der Beschwerden sowie bei Wärme und längerem
Stehen
5 Komplikationen
Bleibt eine schwere Varikosis unbehandelt, kann es im Sinne einer chronisch venösen
Insuffizienz zu Mikrozirkulationsstörungen mit
nachfolgender Gewebshypoxie und trophischen Hautveränderungen kommmen. Mögliche
Ausprägungsgrade sind
ekzemartige Hautveränderungen (Stauungsdermatitis),
Induration,
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6 Diagnose
Anamnese:
o Frage nach vorausgegangener tiefer Beinvenenthrombose
o Lebensgewohnheiten und Arbeitsplatz
Klinische Untersuchung:
o Brodie-Trendelenburg-Versuch
o Perthes-Test
o Mahorner-Ochsner-Test
Dopplersonographie: das Verfahren der Wahl zur Venendarstellung
Phlebographie
Licht-Reflex-Rheografie
7 Therapie
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Vermeidung von Stehen und Sitzen zugunsten von Laufen und Liegen
8 Vorbeugung
Walken, Schwimmen und Wandern sind grundsätzlich zu empfehlen, um Krampfadern
vorzubeugen. Hier 3 Übungen, die Po, Ober-, und Unterschenkel kräftigen.
5.Lungenembolie
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Als Lungenembolie bezeichnet man den Verschluss einer oder mehrerer Lungenarterien,
üblicherweise aufgrund eines eingeschwemmten Blutgerinnsels. Dieses stammt meist aus den
Bein- oder Beckenvenen, wo sich eine Thrombose gebild.
Die Prognose einer Lungenembolie hängt von vielen Faktoren ab: Unter anderem spielen der
Schweregrad der Embolie, das Alter und der allgemeine Gesundheitszustand des Betroffenen,
der Zeitpunkt des Beginns der Behandlung sowie eventuell auftretende Komplikationen eine
Rolle. Während kleine Lungenembolien meist recht unproblematisch sind, kann der Verschluss
einer großen Lungenarterie durchaus lebensbedrohlich werden: Führt die Lungenembolie gleich
zu Beginn zu schweren Kreislaufproblemen, so sterben mehr als 15 Prozent der Betroffenen.
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ein Stück der Thrombose, gelangt dieses über die untere Hohlvene in den rechten Vorhof des
Herzens. Von dort wird es möglicherweise weiter in die rechte Herzkammer und über die
Lungenarterie in die Lunge verschleppt. Dort verästeln sich die Lungenarterien immer weiter, so
dass ihr Durchmesser immer stärker abnimmt. Die Folge ist, dass der Blutpfropf irgendwann
stecken bleibt und das Gefäß verschließt. Doch eine Lungenembolie kann nicht ausschließlich
nur durch Blutgerinnsel verursacht sein. In seltenen Fällen können auch Luft, Fruchtwasser, Fett,
Zellen oder Fremdkörper das Gefäß verschließen. Solche Embolien treten jedoch meist im
Zusammenhang mit gewissen Risikoereignissen auf. Für die Luftembolie sind dies beispielsweise
Eingriffe an den Gefäßen, wie das Anlegen eines zentralvenösen Katheters. Eine
Fruchtwasserembolie kommt nur bei schwangeren Frauen und üblicherweise um
die Geburt herum vor. Fettembolien können unter anderem nach Knochenbrüchen oder
Operationen am Knochen, wie einem Hüftgelenksersatz, entstehen, wenn Fettzellen aus dem
Knochenmark in die Blutgefäße gelangt sind. Tumorembolien können auftreten, wenn eine
bösartige Geschwulst in das Gefäßsystem eingewuchert ist und sich kleine Zellgruppen davon
lösen. Aber auch körpereigene Zellen oder Fremdkörper, die in das Gefäßsystem gelangen,
können manchmal eine Embolie verursachen.
Risikofaktoren
Drei Faktoren begünstigen die Entstehung von Thrombosen und damit auch von Embolien. Man
bezeichnet sie als sogenannte Virchow-Trias:
1. Verlangsamung des Blutflusses
Eine Verlangsamung des Blutflusses kann zum Beispiel durch einen Mangel an Bewegung
entstehen. Denn die Bewegung der Muskulatur hilft den Venen dabei, das Blut entgegen der
Schwerkraft in Richtung Herz zu pumpen. Fällt der Faktor Bewegung weg, verlangsamt sich der
Blutfluss und es kann zur Bildung von Thromben kommen. Bettlägerigkeit oder die Ruhigstellung
einer Gliedmaße nach einer Operation, vielleicht sogar langes Sitzen mit abgewinkelten Beinen
bei Flugreisen, können die Entstehung von Thrombosen begünstigen. Veränderungen der
Innenwand des Blutgefäßes treten zum Beispiel bei Gefäßverletzungen oder bei Entzündungen
in der Umgebung auf. Die Zusammensetzung des Blutes und seine Neigung zur Gerinnung
verändert sich unter anderem bei Gerinnungsstörungen, bei Krebserkrankungen oder bei der
Einnahme bestimmter Medikamente, wie der Anti-Baby-Pille. Auch in
der Schwangerschaft besteht ein erhöhtes Thrombose- und damit Embolie-Risiko.
Verantwortlich dafür sind zum einen hormonelle Veränderungen und zum anderen die Tatsache,
dass der Blutfluss durch die wachsende Gebärmutterimmer mehr behindert wird.
Weitere Risikofaktoren für die Entstehung einer Thrombose:
• Höheres Lebensalter
• Thrombose in der Vorgeschichte oder bei Familienangehörigen
• Starkes Übergewicht (Adipositas)
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Symptome
Eine Lungenembolie macht nicht immer deutliche Symptome. Die Anzeichen können von
leichten Brustschmerzen bis hin zum Kreislaufstillstand reichen. Je größer der Lungenabschnitt
ist, der durch die Embolie von der Blutversorgung abgeriegelt wird, desto schwerwiegender sind
üblicherweise die Symptome. Anzeichen einer Lungenembolie sind zum Beispiel:
• Plötzlich einsetzende Luftnot
• Schmerzen beim Atmen
• Blutiger Auswurf
• Herzrasen
• Plötzliche Bewusstlosigkeit
Diagnose
Bei Verdacht auf eine Lungenembolie wird der Arzt den Patienten zunächst befragen und
untersuchen. Er hört unter anderem Lungen und Herz ab und misst Puls und Blutdruck.
Mit vielen verschiedenen Untersuchungsverfahren lassen sich dann Hinweise auf eine
Lungenembolie sammeln. So können zum Beispiel bestimmte Blutwerte den Verdacht auf eine
Lungenembolie erhärten. Die sogenannten D-Dimere weisen darauf hin, ob irgendwo im Körper
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der Abbau von Blutgerinnseln stattfindet. Sind sie nicht nachweisbar, ist eine Lungenembolie
relativ unwahrscheinlich. Manchmal werden auch die Werte Troponin T und/oder I und das
sogenannte Natriuretische Peptid vom B-Typ (BNP) im Blut bestimmt. Sind die Werte normal,
spricht das für einen leichten Verlauf der Embolie.
Einige weitere Verfahren können unter Umständen hilfreiche Hinweise, aber nicht die Diagnose
liefern. Dazu zählt die Blutgas-Analyse, für die eine Blutentnahme aus einer Arterie oder aus
dem Ohrläppchen statt aus der Vene notwendig ist. Damit lässt sich zum Beispiel feststellen, ob
ein Sauerstoffmangel vorliegt. Bei der Ableitung der Herzströme (EKG) finden sich in rund einem
Viertel aller Lungenembolien Veränderungen, die auf die Diagnose hinweisen. Dazu zählen zum
Beispiel Anzeichen einer vermehrten Belastung der rechten Herzhälfte. Auch im Röntgenbild der
Lunge können manchmal Veränderungen gesehen werden, die für die Diagnose Lungenembolie
sprechen.
Sicher nachweisen lässt sich eine Lungenembolie nur mit einer Darstellung der Lungenarterien
selbst. Am besten erfolgt diese über eine Untersuchung der Gefäße (Angiografie) in Form einer
Computertomografie (CT-Angiografie). Alternativ kommt eine Darstellung der
Lungendurchblutung mit radioaktiven Stoffen (Perfusionsszintigrafie) in Frage.
Steht fest, dass es sich um eine Lungenembolie handelt, muss geklärt werden, wie stark die
Auswirkungen auf das rechte Herz sind, da hiervon der weitere Verlauf und das Risiko für den
Patienten direkt abhängen. Das kann am leichtesten mit einer Ultraschalluntersuchung des
Herzens (Echokardiografie) untersucht werden.
Zusätzlich sollte festgestellt werden, was die Ursache für die Lungenembolie war. Denn nur so
lässt sich vermeiden, dass erneut Embolien auftreten. Da in den meisten Fällen eine tiefe Bein-
oder Beckenvenenthrombose für die Lungenembolie verantwortlich ist, werden zunächst meist
die Beinvenen mit bestimmten Ultraschallverfahren (Doppler- und Farbduplex-Sonografie)
untersucht.
Ist nicht ganz klar, welche Faktoren zu der Entstehung eines Blutgerinnsels geführt haben, sollte
nach bisher verborgenen Ursachen gefahndet werden. Bei Menschen über 50 kann dies eine
Krebserkrankung sein, so dass alle gesetzlichen Krebsvorsorgeuntersuchungen auf den neuesten
Stand gebracht werden müssen. Bei jüngeren Patienten kann nach einer erblichen
Gerinnungsstörung gesucht werden. Bei knapp der Hälfte der Fälle ist die Ursache aber leicht zu
klären, wenn nämlich kurz zuvor eine Operation durchgeführt wurde, wenn Bettlägerigkeit
vorlag, eine Schwangerschaft besteht oder eine Krebserkrankung schon bekannt und behandelt
war.
Therapie
Beim Verdacht auf eine Lungenembolie sollte sofort der Notarzt verständigt werden. Bis zum
Eintreffen des Notarztes sollte sich der Patient so wenig wie möglich bewegen. Falls ein Herz-
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Bei Atemnot kann eine Lagerung mit leicht erhöhtem Oberkörper sowie die Gabe von Sauerstoff
hilfreich sein. Trifft der Arzt ein, kann er gegebenenfalls die Wiederbelebung fortführen und bei
Bedarf den Patienten auch künstlich beatmen. Je nachdem, welche Symptome vorliegen,
verabreicht der Arzt dem Betroffenen auch Schmerz-, Beruhigungsmittel oder Medikamente, die
den Kreislauf stabilisieren. Er kann zudem bereits mit der Behandlung mit dem Wirkstoff
Heparin beginnen. Heparin hemmt die Blutgerinnung. Es wird zur Vorbeugung und Behandlung
von Blutgerinnseln eingesetzt. Zur weiteren Therapie wird der Betroffene dann ins Krankenhaus
transportiert.
Dort kommen je nach Schwere des Krankheitsbildes bei Lungenembolien durch Blutgerinnsel
folgende Maßnahmen in Betracht:
Behandlung mit gerinnungshemmenden Medikamenten: Diese Behandlung wird bei
weniger schweren Lungenembolien gewählt, die glücklicherweise mit etwa 80 Prozent am
häufigsten vorliegen. Die Gerinnungshemmung verhindert ein weiteres Thrombuswachstum
in den Bein- und Beckenvenen. Das Gerinnsel in der Lunge wird vom Körper selbst beseitigt.
Zur Gerinnungshemmung wird Heparin oder ein verwandter Wirkstoff verwendet. Diese
Wirkstoffe werden entweder in die Vene verabreicht oder unter die Haut gespritzt. Noch
während dieser etwa sieben- bis zehntägigen Therapie beginnt die Behandlung mit
gerinnungshemmenden Tabletten, welche die Heparin-Therapie später ablöst. Inzwischen
sind zwei gerinnungshemmende Wirkstoffe zur Behandlung der Lungenembolie zugelassen,
die von Anfang an als Tablette eingenommen werden können. Ihr Einsatz ist möglich für die
Anfangsbehandlung direkt nach der Diagnose, für die Therapie über die ersten drei bis sechs
Monate sowie zur verlängerten Erhaltungstherapie, die unter Umständen Jahre umfasst.
Fibrinolyse (Auflösung des Blutgerinnsels): Bei schweren Lungenembolien, bei denen
man nicht erwarten kann, dass der Körper das Gerinnsel in der Lunge selbst beseitigt,
werden Medikamente in die Vene verabreicht, die das Blutgerinnsel auflösen können. Diese
Behandlung bezeichnet man als Lyse-Therapie. Sie wird bei den Patienten angewandt, bei
denen das rechte Herz unmittelbar zu versagen droht, oder bereits versagt hat. Allerdings ist
bei einer Fibrinolyse das Blutungsrisiko in anderen Organen erhöht (Magen-/Darm-Trakt,
Muskulatur, Gehirn). Dies muss jedoch gegebenenfalls in Kauf genommen werden, weil der
Patient ohne Lysetherapie an der Lungenembolie versterben würde.
Katheter-Behandlung: Diese Therapie kommt ebenfalls bei schweren Lungenembolien in
Betracht. Hierbei wird das Blutgerinnsel in der Lunge durch einen über die Venen in das
rechte Herz und das betroffene Blutgefäß eingebrachten Katheter mechanisch zerkleinert, so
dass aus einer großen viele kleine Lungenembolien werden, mit denen das rechte Herz unter
Umständen besser zurecht kommt. Zusätzlich kann über den Katheter eine Lysetherapie
verabreicht werden. Als Komplikation kann es dabei unter anderem zu Verletzungen der
Gefäße oder zu Blutungen kommen. Diese Behandlung setzt ein Krankenhaus voraus, in dem
innerhalb weniger Minuten ein Katheterlabor bereit gemacht werden kann.
Wenn alle anderen Maßnahmen nicht ausreichen oder versagt haben, kann das Gerinnsel auch
mit einer offenen Operation entfernt werden (pulmonale Embolektomie). Dazu ist eine Herz-
Lungen-Maschine notwendig.
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Vorbeugen
Unterstützen Sie die Ärzte dabei, dass bei Operationen, bei Gipsbehandlung von
Beinverletzungen und bei Erkrankungen mit Bettlägerigkeit an die Vorbeugung einer
Thrombose mit gerinnungshemmenden Substanzen gedacht wird. Es gibt für eine große Zahl
von Situationen ausführliche Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften.
Hat Ihnen der Arzt zur Vorbeugung gerinnungshemmende Medikamente verschrieben,
nehmen Sie diese wie verordnet ein
Bauen Sie Übergewicht ab!
Lassen Sie Erkrankungen des Herzens und des Gerinnungssystems frühzeitig behandeln!
Halten Sie Ihre Venen fit! Regelmäßige Bewegung hilft Ihnen dabei.
Trinken Sie auf Flugreisen ausreichend und bewegen Sie Ihre Beine, indem Sie aufstehen
und umhergehen oder an Ihrem Sitzplatz Übungen für die Venen absolvieren.
6.PNEUMONIE
Keine andere Infektionskrankheit ist so häufig wie die Lungenentzündung (Pneumonie): Vor
allem in der kalten Jahreszeit tritt sie verstärkt auf. Das Risiko für eine Lungenentzündung ist
besonders bei einem geschwächten Immunsystem, bei alten Menschen und bei Kleinkinder
hoch.
Eine Lungenentzündung entsteht meistens durch Bakterien. Dabei sind die sogenannten
Pneumokokken besonders häufig vertreten: Diese Bakterien sind für 70 Prozent aller
Pneumonien verantwortlich. Seltener sind Viren oder Pilze die Auslöser einer
Lungenentzündung. Die Erreger der Pneumonie dringen in die Lunge vor und führen im dortigen
Gewebe zu einer Entzündung. Ihre Übertragung erfolgt in der Regel durch Tröpfcheninfektionen
über Niesen, Sprechen oder Husten.
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Gegen eine Lungenentzündung kommen in den meisten Fällen spezielle Medikamente zum
Einsatz: Sie enthalten Wirkstoffe, die sich gezielt gegen die auslösenden Erreger richten – bei
einer bakteriellen Lungenentzündung sind beispielsweise Antibiotika wirksam.
Bei jungen und gesunden Menschen heilt eine Lungenentzündung in der Regel ohne Folgen aus.
Bei einem geschwächten Immunsystem sind Komplikationen möglich, die unter Umständen
lebensbedrohlich sein können. Schwierig zu behandeln sind Lungenentzündungen, die durch
eine Ansteckung mit Spitalerregern während eines stationären Aufenthalts entstehen (sog.
nosokomiale Infektion). Der Grund: Die speziellen Erreger sind widerstandsfähig gegen
derzeitige Medikamente.
Mittlerweile sind Impfstoffe gegen die häufigsten Auslöser der Lungenentzündung – die
Pneumokokken – verfügbar. Eine Impfung gegen Pneumokokken ist besonders bei Kleinkindern
bis zum zweiten Lebensjahr, bei Menschen, die älter als 60 Jahre sind, sowie bei einer
angeborenen oder erworbenen Immunschwäche (z.B. HIV-Infektion) und bei Herz-Kreislauf-
Erkrankungen ratsam.
DEFINITION
Eine Lungenentzündung (Pneumonie) ist eine Entzündung des Lungengewebes. In der Regel
lösen Bakterien die Erkrankung aus – seltener Viren oder Pilze.
Ausserdem können chemische und physikalische Reize, wie zum Beispiel giftige Gase oder
verschluckte Gegenstände, das Lungengewebe angreifen und zu einer Lungenentzündung
führen. In diesen Fällen sprechen Mediziner von einer Pneumonitis.
In der Lunge findet der lebenswichtige Gasaustausch statt: Der Sauerstoff gelangt aus der
Atemluft ins Blut, und Abfallprodukte des Stoffwechsels, beispielsweise Kohlendioxid, gehen aus
dem Blut in die Atemluft über, so dass die Betroffenen sie abatmen. Beeinträchtigt eine
Erkrankung wie die Lungenentzündung die Atmung, kann dies zu einer lebensbedrohlichen
Situation führen, denn: Der Körper ist dann nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und
kann gleichzeitig nicht mehr genügend Kohlendioxid abatmen.
Bei der Lungenentzündung (Pneumonie) kann die Einteilung nach dem Ort der Entzündung (sog.
Lokalisation) erfolgen. In Abhängigkeit davon, welche Teile des Lungengewebes betroffen sind,
unterscheiden Mediziner zwischen zwei Formen der Lungenentzündung:
Interstitielle Pneumonie: Bei dieser Form der Lungenentzündung ist das Gewebe entzündet, das
die Lungenbläschen (Alveolen) umgibt.Alveoläre Pneumonie: Hier bei sind die Lungenbläschen
(Alveolen) selbst von der Entzündung betroffen.
Häufigkeit
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Schätzungen zufolge haben fünf Prozent aller im Spital behandelten Menschen eine
Lungenentzündung. Ungefähr ein bis fünf Prozent aller Betroffenen haben wiederum ihre
Erkrankung erst im Spital erworben (sog. nosokomiale Infektion).
Die durch Bakterien oder Viren verursachte Pneumonie tritt besonders in der kalten Jahreszeit
mit verstärkter Häufigkeit auf. Zu den häufigsten Auslösern der Lungenentzündung zählen vor
allem sogenannte Pneumokokken: Diese Bakterien sind für 70 Prozent aller Pneumonien
verantwortlich. Das Risiko für eine Lungenentzündung ist besonders bei einem geschwächten
Immunsystem, bei alten Menschen und bei Kleinkinder hoch.
Weltweit ist die Lungenentzündung die mit grösster Häufigkeit registrierte Infektionskrankheit.
Insgesamt sterben auf der Welt jedes Jahr drei bis vier Millionen Menschen an einer
Lungenentzündung. In Westeuropa ist die Pneumonie unter allen Infektionskrankheiten die
häufigste Todesursache.
Bei der Lungenentzündung (Pneumonie) ist auch eine Einteilung nach der Ausdehnung möglich.
Je nachdem, auf welche Teile der Lunge sich die Entzündung ausbreitet, unterscheidet man:
Bei der Lungenentzündung (Pneumonie) kann die Einteilung auch anhand der Symptome und
nach dem Auslöser in typische und atypische Lungenentzündungen erfolgen:
Für die typische Lungenentzündung (typische Pneumonie) sind in der Regel Bakterien als
Auslöser verantwortlich. Erstes Anzeichen für die Lungenentzündung ist häufig ein Schüttelfrost,
der bis zu einer Stunde andauern kann. Darauf folgen die Symptome Fieber und Husten – die
Betroffenen husten dabei einen anfangs rostbraunen, später meist gelb-grünlichen Auswurf ab.
In vielen Fällen geht diesem Geschehen ein Infekt des oberen Hals- oder Rachenbereichs
voraus. Die typische Pneumonie tritt vorwiegend in der kalten Jahreszeit auf und die
Betroffenen fühlen sich häufig sehr krank.
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Ausserdem ist bei der Lungenentzündung (Pneumonie) eine Einteilung nach dem Ort der
Ansteckung mit den Erregern möglich:
Erfolgt die Ansteckung mit der Lungenentzündung in einem Krankenhaus, liegt eine sogenannte
nosokomiale Pneumonie vor.Die nicht-nosokomiale Pneumonie beziehungsweise ambulant
erworbene Lungenentzündung ist die Folge einer Infektion ausserhalb eines Spitals.
Diese Einteilung nach dem Ort der Ansteckung ist vor allem für die Behandlung der
Lungenentzündung von Bedeutung, denn: Erreger in Spitälern sind oftmals widerstandsfähig
(resistent) gegen Medikamente, zum Beispiel gegen bestimmte Antibiotika.
URSACHEN
Einer Lungenentzündung (Pneumonie) liegen als Ursachen vorwiegend Bakterien, Viren, Pilzen
oder Parasiten zugrunde. Die meisten Lungenentzündungen sind auf eine Infektion mit
Bakterien zurückzuführen – vor allem mit sogenannten Pneumokokken: Sie sind für 70 Prozent
aller Pneumonien verantwortlich.
Erreger
Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die verschiedenen Formen der Lungenentzündung
(Pneumonie) und die als Ursachen zugrunde liegenden Erreger:
Viren und Pilze gehören zu den Krankheitserregern, die besonders bei Menschen mit
geschwächter Immunabwehr Lungenentzündungen auslösen können. Die Immunabwehr kann
zum Beispiel nach Organtransplantationen oder durch Erkrankungen des Immunsystems (z.B.
HIV-Infektion) beeinträchtigt sein.
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Übertragung
Für eine Lungenentzündung (Pneumonie) kommen als Ursachen verschiedene Wege der
Übertragung infrage. Ein Übertragungsweg führt über die Atemwege: Dabei gelangen die
Erreger aus dem eigenen Nasen-Rachenraum oder durch sogenannte Tröpfcheninfektion über
Husten oder Niesen in die Lunge. Eine weitere Möglichkeit zur Übertragung besteht darin, dass
die Erreger der Lungenentzündung den Weg von anderen Organen über den Blutstrom in die
Lunge finden – dies ist allerdings selten.
In der Regel verfügt die Lunge über Abwehrmechanismen, die das Eindringen von Fremdstoffen
oder Erregern verhindern: Auf der Oberfläche der Luftröhre (Trachea) und den grossen
Bronchien befinden sich kleine Härchen (sog. Zilien). Die Zilien bewegen sich kontinuierlich und
befördern auf diese Weise Schleim aus der Lunge in Richtung Mundraum. Sie verhindern
dadurch, dass grössere Staubteilchen in die Lungenbläschen (Alveolen) vordringen und sich dort
ablagern. Mit dem Einatmen ist daher nur die Übertragung kleinster Teilchen mit einer Grösse
von 0,3 bis 5 Mikrometer in die Lungenbläschen möglich – dort sorgt im Normalfall das
Immunsystem für ihr Zerstörung. Eine Störung dieses Abwehrsystems kann unter den Ursachen
einer Lungenentzündung eine grosse Rolle spielen.
Mögliche Ursachen für ein gestörtes Abwehrsystem sind Erkrankungen der Lunge,
beispielsweise Asthma oder eine chronische Bronchitis: Sie können die Abwehr schwächen,
indem sie den Abtransport zum Beispiel von Staubteilchen über die Schleimhäute zum Mund
einschränken. Die Folge: Grössere Fremdkörper haben die Möglichkeit, bis in die
Lungenbläschen zu gelangen, sich dort einzulagern und das Gewebe anzugreifen – dies kann zu
einer Lungenentzündung führen. Ist das Immunsystem der Betroffenen zudem noch
geschwächt, wie es beispielsweise bei einer Grippe der Fall ist, kann sich die Entzündung in der
Lunge weiter ausbreiten.
Risikofaktoren
Neben den für eine Lungenentzündung (Pneumonie) als Ursachen zugrunde liegenden Erregern
spielen auch verschiedene Risikofaktoren bei der Entstehung der Erkrankung eine wichtige
Rolle. Menschen mit einem schwachen Immunsystem haben ein höheres Risiko, eine
Lungenentzündung zu bekommen, denn ihr Körper kann Krankheitserreger wie Bakterien und
Viren weniger gut abwehren. Zu den möglichen Ursachen für eine Schwächung des
Immunsystems gehören zum Beispiel:
Bei Menschen mit einem oder mehreren dieser Risikofaktoren können ungewöhnliche Erreger
eine Lungenentzündung auslösen. Diese atypischen Ursachen sind:
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SYMPTOME
Die bei einer Lungenentzündung (Pneumonie) auftretenden Symptome sind abhängig vom
Auslöser der Erkrankung:
Bakterielle Lungenentzündung
Die Atemnot führt häufig zu einem Beben der Nasenflügel während der Atmung (sog.
atemsynchrones Nasenflügeln) – dieses Symptom der Lungenentzündung ist vor allem bei
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kleinen Kindern ein wichtiger Hinweis auf die Erkrankung. Gelegentlich kann es zu einem
Sauerstoffmangel in bestimmten Körperbereichen kommen – vor allem in Lippen, Zunge oder
Gliedmassen (v.a. Finger, Zehen, Nase). Die Haut der betroffenen Stellen verfärbt sich in der
Regel bläulich-violett (sog. Zyanose).
Virale Lungenentzündung
Seltener lösen Viren eine Lungenentzündung (Pneumonie) aus. Eine solche virale
Lungenentzündung beginnt schleichender als eine bakterielle Pneumonie. Die Gesamtheit der
typischen Symptome zeigt sich meist erst nach mehreren Tagen. Dabei stehen Kopfschmerzen
und Gliederschmerzen im Vordergrund, Schüttelfrost kommt selten vor. Der Husten hält lange
an ist und für die Betroffenen quälend. Meist bildet sich kein Auswurf (Sputum) – falls doch, ist
er eher klar und geruchlos.
Die Körpertemperatur steigt oftmals nur langsam und dabei selten über 38,5 Grad Celsius. Eine
virale Pneumonie verursacht wesentlich seltener akute Atemnot, ausserdem kommt es nur in
wenigen Fällen zu Schmerzen bei der Einatmung. Allgemein fühlen sich die Betroffenen weniger
krank als bei einer durch Bakterien ausgelösten Lungenentzündung.
DIAGNOSE
Die bei einer Lungenentzündung (Pneumonie) vorliegenden Beschwerden liefern erste Hinweise
auf die richtige Diagnose. Bei der körperlichen Untersuchung hört der Arzt vor allem Lunge und
Herz ab, denn bestimmte Geräusche können auf eine Lungenentzündung hinweisen.
Bei Verdacht auf eine Lungenentzündung kommen zur weiteren Diagnose folgende
Untersuchungsmethoden zum Einsatz:
Röntgenuntersuchung: Liegen Hinweise auf eine Lungenentzündung vor, röntgt der Arzt die
Lunge. Auf dem Röntgenbild sind mögliche Entzündungszeichen als «Verschattungen» zu sehen,
die auf Entstehungsort und mögliche Ursachen der Pneumonie hindeuten können.
Laboruntersuchungen: Sie dienen bei Verdacht auf eine Lungenentzündung dazu, im Blut und
Speichel Krankheitserreger wie zum Beispiel Bakterien, Viren oder Pilze nachzuweisen.
Blutbild: Es kann zur Diagnose einer Lungenentzündung beitragen, indem es darauf hinweist, ob
eine Entzündung im Körper vorliegt. Ausserdem lassen sich anhand bestimmter Blutwerte
Rückschlüsse auf die Art der Erreger ziehen: Lösen beispielsweise Bakterien eine
Lungenentzündung aus, ist in der Regel die Anzahl der weissen Blutkörperchen (Leukozyten)
auffällig erhöht – wohingegen bei Viren die Konzentration der Leukozyten nicht ansteigt,
sondern eventuell sogar etwas abfällt.
THERAPIE
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Wenn Sie eine Lungenentzündung (Pneumonie) haben, gibt es einiges, was Sie selbst zur
Therapie tun können: So ist es empfehlenswert, sich möglichst zu schonen und im Bett
auszuruhen. Ausserdem ist es wichtig, viel zu trinken – am besten Wasser, Fruchtschorle und
Kräutertees.
Zudem können Ihnen bei einer Lungenentzündung spezielle Atemübungen helfen, das Ein- und
Ausatmen zu erleichtern. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt: Er kann Ihnen Atemübungen zeigen, die
sie selbst zur Therapie regelmässig durchführen können.
Neben den selbst ergriffenen Massnahmen ist bei einer Lungenentzündung (Pneumonie) für
eine erfolgreiche Therapie einiges nötig, was nur der Arzt tun kann. In der Regel lassen sich die
Beschwerden einer Lungenentzündung durch verschreibungspflichtige Medikamente beseitigen.
Je nachdem, welcher Krankheitserreger für die Entzündung verantwortlich ist, setzt der Arzt
folgende Arzneimittel ein:
Antibiotika bei einer bakteriellen PneumonieAntipilzmittel bei einer durch Pilze ausgelösten
LungenentzündungMedikamente gegen Parasiten
Sind Viren für die Lungenentzündung verantwortlich, lässt sich der Verlauf der Erkrankung durch
Medikamente in der Regel nicht beeinflussen. Die Therapie zielt in dem Fall darauf ab,
Komplikationen zu vermeiden.
Die meisten Lungenentzündungen entstehen durch Bakterien. Darunter lässt sich die typische
Pneumokokken-Pneumonie meist mit dem Wirkstoff Penicillin gut behandeln. Ist eine
Lungenentzündung auf bakterielle Auslöser wie Mykoplasmen, Legionellen oder Chlamydien
(sog. atypische Pneumonie) zurückzuführen, kommen zur Therapie meist Makrolid-Antibiotika
zum Einsatz.
Oft ist es bei einer Pneumonie allerdings notwendig, eine Therapie zu beginnen, bevor der
Erreger bekannt ist – dies soll mögliche Komplikationen vermeiden. In diesem Fall erhalten Sie
zunächst ein sogenanntes Breitspektrum-Antibiotikum, das gegen viele mögliche Keime wirkt.
Sobald der Erreger der Lungenentzündung feststeht, stellt der Arzt die Behandlung in der Regel
auf ein spezifisches Medikament um.
In einigen Fällen kann es bei einer Lungenentzündung zu schwerer Atemnot kommen, die zur
Therapie eine Sauerstoffgabe erforderlich macht. Bei einem akuten Lungenversagen kann eine
Beatmung notwendig sein.
VERLAUF
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Eine Lungenentzündung (Pneumonie) kann nach einer akuten Phase abklingen oder im weiteren
Verlauf in eine dauerhafte (chronische) Lungenentzündung übergehen.
Prognose
Bei einer Lungenentzündung (Pneumonie) hängt der Verlauf von verschiedenen Faktoren ab:
Die für die Lungenentzündung verantwortlichen Erreger, die Abwehrkräfte der Betroffenen und
die Therapie können die Prognose beeinflussen. Bei jungen und gesunden Menschen heilt eine
Lungenentzündung in der Regel ohne Komplikationen aus. Ein höheres Lebensalter sowie
gesundheitliche Einschränkungen, beispielsweise an Herz oder Lungen, können den Verlauf der
Infektion erschweren.
Wer sich im Verlauf eines Spitalaufenthalts mit einer Lungenentzündung ansteckt (sog.
nosokomiale Pneumonie), kann grundsätzlich mit einer schlechteren Prognose rechnen. Der
Grund: Die Spitalkeime sind mitunter widerstandsfähig gegen die derzeit verfügbaren
Medikamente. Bei etwa 50 Prozent der Betroffenen, die während einer Behandlung auf einer
Intensivstation eine Lungenentzündung entwickeln, kann die Pneumonie lebensbedrohlich
verlaufen.
Die Lungenentzündung kann das Atmen derart behindern, dass die Betroffenen nicht mehr
genügend Sauerstoff aufnehmen und Kohlendioxid abatmen können – ein schwerer
Sauerstoffmangel ist möglich (sog. respiratorische Insuffizienz).Die für die Lungenentzündung
verantwortlichen Bakterien können sich über das Blut im ganzen Körper verteilen und zu einem
Versagen verschiedener Organe (z.B. Herz, Nieren) führen. Eine solche Blutvergiftung (Sepsis) ist
ein lebensbedrohlicher Zustand.Eine schwere Lungenentzündung kann dazu führen, dass sich
Flüssigkeit zwischen Lunge und Brustkorb ansammelt (sog. Pleuraerguss). Wenn der
Pleuraerguss die Atmung der Betroffenen sehr stark behindert, kann ein Arzt die Flüssigkeit
mithilfe einer Nadel herausziehen (sog. Pleurapunktion).Eine mögliche Komplikation der
Lungenentzündung ist auch, dass sich im sogenannten Pleuraspalt Eiter ansammelt (sog.
Pleuraempyem). Der Pleuraspalt ist der Raum zwischen dem Lungenfell, das die Lungen
überzieht, und dem Rippenfell. Verklebungen zwischen den Lungenfell und dem Rippenfell
können die Folge sein. In der Lunge kann sich ausserdem eine abgegrenzte Eiterhöhle bilden
(sog. Lungenabzess).Verläuft eine Lungenentzündung langwierig (chronisch), können sich die
Bronchien mit der Zeit erweitern (sog. Bronchiektasen) – unter Umständen treten dann weitere
Komplikationen auf: So kann es beispielsweise zu Blutungen in der Lunge oder zu wiederholt
auftretenden Entzündungen kommen. Das Problem häufiger Entzündungen besteht darin, dass
sie zu einer Vernarbung des Lungengewebes führen (sog. Lungenfibrose). Ist das Lungengewebe
vernarbt, kann es sich schlechter ausdehnen und das Atmen ist eingeschränkt.
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Wenn die Erreger der Lungenentzündung (Pneumonie) sich im weiteren Verlauf im Körper
verteilen, kann es auch zu Komplikationen ausserhalb der Lunge kommen. Zu den möglichen
Infektionen in anderen Organen gehören zum Beispiel:
VORBEUGEN
Es gibt einige Massnahme, mit denen Sie einer Lungenentzündung (Pneumonie) vorbeugen
können. So ist es beispielsweise ratsam, möglichst einen direkten Körperkontakt mit Menschen
zu vermeiden, die akut von einer Lungenentzündung betroffen sind. Dadurch verhindern Sie,
dass die Krankheitserreger über die Atemluft in Ihren Körper gelangen. Daneben kommt
vorbeugend eine Impfung gegen einen häufigen Erreger der Lungenentzündung infrage:
Pneumokokken-Impfung
Eine Lungenentzündung (Pneumonie) entsteht meist durch Bakterien – vor allem durch
sogenannte Pneumokokken. Zum Vorbeugen von Pneumokokken-Infektionen steht eine
Pneumokokken-Impfung zur Verfügung.
Pneumokokken nisten sich gerne in die Atemwege ein und können zu einer Lungenentzündung
führen. Aber auch für andere Erkrankungen wie zum Beispiel Gehirnhautentzündung
(Meningitis) oder Mittelohrentzündungen können Pneumokokken verantwortlich sein.
Besonders anfällig sind Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist. Aus diesem Grund ist
zum Vorbeugen einer Pneumokokken-Infektion eine Pneumokokken-Impfung für folgende
Personen empfehlenswert:
Alle Kinder bis zum 24. LebensmonatAlle Menschen, die älter als 60 Jahre sindAlle Kinder ab
dem 2. Lebensjahr, Jugendliche und Erwachsene, sofern diese ein erhöhtes Risiko für eine
Pneumokokken-Infektion haben. Hierzu gehören: Menschen mit einer angeborenen oder
erworbenen Immunschwäche (z.B. nach Knochenmarktransplantation, HIV-Infektion,
Funktionsstörungen der Milz, Sichelzellenanämie)Menschen mit einer chronischen Erkrankung
(z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krankheiten der Atmungsorgane, Diabetes, neurologische
Erkrankungen, chronische Nierenerkrankungen)
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Bei Kleinkindern bis zum 24. Lebensmonat ist die Wirkung einer Pneumokokken-Impfung
allgemein anerkannt. Ältere Kinder und Erwachsene impft man mit einem anderen Impfstoff:
Der sogenannte Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoff (PPV) schützt vor 50 bis 80 Prozent der
durch Pneumokokken ausgelösten Erkrankungen. Allerdings ist noch nicht sicher, inwieweit eine
Pneumokokken-Impfung mit diesem Impfstoff auch einer Lungenentzündung vorbeugen kann.
Falls Sie zu den Menschen gehören, die ein erhöhtes Risiko für eine Pneumokokken-Infektion
oder Lungenentzündung haben, dann sprechen Sie am besten mit Ihrem Arzt darüber, ob für Sie
eine Pneumokokken-Impfung sinnvoll ist. Er kann Sie individuell beraten und Nutzen und Risiken
mit Ihnen zusammen abwägen.
7.COPD
Die COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung), deren Hauptursache das Rauchen ist, lässt
sich auf einfache Weise vermeiden. Dennoch hat keine andere Krankheit eine höhere
Steigerungsrate als diese Atemwegserkrankung: Weltweit ist die COPD die vierthäufigste
Todesursache.
Die Abkürzung COPD steht für chronic obstructive pulmonary disease (übersetzt: chronisch
obstruktive Lungenkrankheit) und bezeichnet mehrere Atemwegserkrankungen, die alle durch
eine ähnliche Symptomatik gekennzeichnet sind, sich aber in ihrer Entstehung, Diagnose und
Therapie unterscheiden. Zu den als COPD zusammengefassten Lungenerkrankungen gehören:
Ursache für die COPD ist meist eine lang anhaltende Schadstoffbelastung der Lunge durch
jahrelanges Einatmen schädlicher Stoffe. Der grösste Risikofaktor für chronisch obstruktive
Lungenkrankheiten ist das Rauchen. Auch äussere Umweltfaktoren und erbliche Ursachen
kommen als (seltenere) Auslöser für eine COPD infrage. Meist steht vor Beginn einer COPD eine
einfache chronische Bronchitis. Im weiteren Verlauf können sich die Bronchien verengen und es
entsteht eine chronisch obstruktive Bronchitis.
Die wichtigsten COPD-Symptome sind: chronischer Husten, Auswurf, Atemnot (vor allem bei
Belastung) und eine deutliche Leistungsminderung. Hat sich die chronisch obstruktive
Lungenerkrankung erst einmal entwickelt, ist eine vollständige Heilung meist nicht mehr
möglich. Eine geeignete Behandlung kann jedoch das Leben mit COPD vereinfachen, indem sie
das Fortschreiten der Lungenkrankheit aufhält, ihre Symptome mildert und somit
Lebenserwartung und Lebensqualität der Betroffenen erhöht.
Zur COPD-Therapie kommen Medikamente zum Einsatz (v.a. um die Bronchien zu erweitern).
Daneben spielen bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung aber auch nicht-
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DEFINITION
Die Abkürzung COPD steht für chronic obstructive pulmonary disease (= chronisch obstruktive
Lungenerkrankung) und bezeichnet keine eigenständige Krankheit, sondern eine Gruppe von
Erkrankungen der Lunge mit ähnlicher Symptomatik. Von einer COPD sprechen Mediziner, wenn
eine oder mehrere der folgenden Lungenkrankheiten vorliegen:
Die COPD ist also per Definition eine dauerhaft (= chronisch) bestehende Lungenerkrankung, die
gekennzeichnet ist durch zunehmend verstopfte beziehungsweise verengte (= obstruktive)
Bronchien oder – wie beim Lungenemphysem – durch ein überblähtes Lungengewebe. Diese
Veränderungen in der Lunge sind verantwortlich für die wichtigsten Symptome der COPD:
Husten, Atemnot und Auswurf.
Vor Beginn einer COPD steht meist eine einfache chronische Bronchitis – eine anfangs
eigenständige Lungenkrankheit, bei der die Luftwege nicht verengt sind. Im weiteren Verlauf
kann sich aus der chronischen Bronchitis eine chronisch obstruktive Bronchitis entwickeln: Die
Bronchien verengen sich und es kommt vor allem bei Belastung zu Atemnot.
Häufigkeit
In Europa und Nordamerika haben etwa 8 bis 13 Prozent der Erwachsenen eine COPD
(chronisch obstruktive Lungenerkrankung), wobei die Häufigkeit mit zunehmendem Alter stark
ansteigt. Die COPD gilt inzwischen als die Volkskrankheit mit der höchsten Steigerungsrate. In
Europa ist jedoch nur jeder fünfte Fall diagnostiziert – die meisten Betroffenen sind sich ihrer
Lungenerkrankung demnach nicht bewusst. Bei schwerer COPD trifft dies noch auf über 40
Prozent der Fälle zu.
Auch unter den Todesursachen ist die COPD mit grosser Häufigkeit vertreten: Weltweit ist die
chronisch obstruktive Lungenerkrankung derzeit die vierthäufigste Todesursache – Tendenz
steigend. In der Europäischen Union sind Männer etwa zwei- bis dreimal häufiger betroffen als
Frauen. Bis zum Jahr 2020 wird die COPD vermutlich die dritthäufigste Todesursache sein –
angeführt durch die koronare Herzkrankheit und Erkrankungen der hirnversorgenden
Blutgefässe, die zum Schlaganfall führen können (sog. cerebrovaskuläre Erkrankungen).
URSACHEN
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Die COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) hat ihre Ursachen meist in einer lang
anhaltenden Schadstoffbelastung der Lunge durch jahrelanges Einatmen schädlicher Stoffe:
Dabei steht das Rauchen an erster Stelle: Für bis zu 90 Prozent aller Fälle von COPD ist das
Tabakrauchen verantwortlich. Etwa jeder zweite ältere Raucher entwickelt eine chronisch
obstruktive Lungenerkrankung. Das Risiko hierfür steigt mit der Menge der inhalierten
Zigaretten deutlich an. Auch das Passivrauchen ist ein Risikofaktor für die Entstehung einer
COPD.Wesentlich seltener sind giftige Stäube, Dämpfe und Gase die Ursachen für eine COPD.
Bei Bergleuten in Steinkohlegruben unter Tage ist beispielsweise das Lungenemphysem eine
Berufskrankheit.
In seltenen Fällen kann eine COPD auch erblich bedingte Ursachen haben: Ein bestimmter
vererbter Schaden am Erbgut (Gendefekt), der sogenannte Alpha-1-Antitrypsinmangel, kann zu
Störungen in der Lunge führen und so ein Lungenemphysem verursachen. Des Weiteren können
häufige Atemwegsinfekte in der Kindheit später eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung
zur Folge haben.
SYMPTOME
Eine COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) äussert sich vor allem durch die typischen
Symptome Husten, Auswurf und Atemnot.
Husten
Liegt die COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) als chronisch obstruktive Bronchitis
vor, besteht ein meist schon länger anhaltender Husten. Die Symptome sind abhängig von der
Tageszeit: Vor allem morgens nach dem Aufstehen ist ein sehr starker Husten typisch – der
Grund dafür ist nicht bekannt. Liegen zusätzliche Atemwegsinfekte vor, ist die chronisch
obstruktive Bronchitis oft mit heftigen Anfällen von Atemnot verbunden.
Das Lungenemphysem führt selten zu Husten. Wenn bei dieser Form von COPD Husten auftritt,
dann meistens morgens – wobei die Betroffenen den Schleim abhusten, der sich über Nacht
angesammelt hat.
Häufiger Reizhusten, der meist ohne Schleimproduktion und vor allem morgens und nachts
vorkommt, weist auf eine chronische Bronchitis mit asthmatischer Komponente hin. Die
Betroffenen husten häufig anfallartig oder haben Anfälle von Atemnot – Auslöser hierfür sind
oft äussere Reize wie Tabakrauch, Küchendünste, Parfum und andere Reizstoffe. Der Grund für
diese Anfälle liegt in einem überempfindlichen Bronchialsystem. Oft wecken Hustenanfälle die
Betroffenen auch nachts auf. Die Symptome nehmen im Lauf der COPD an Häufigkeit und
Ausprägung zu.
Auswurf
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Auswurf ist nicht bei jeder COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) eines der typischen
Symptome. Beim Lungenemphysem kommt Auswurf beispielsweise selten vor – wenn, dann
vorwiegend morgens.
Die chronische Bronchitis und die chronisch obstruktive Bronchitis gehen allerdings meist mit
Husten und starkem Auswurf einher. Der Auswurf ist normalerweise weiss, bei bakteriellen
Infekten gelb-grün verfärbt.
Atemnot
Eine einfache chronische Bronchitis vor Beginn einer COPD (chronisch obstruktive
Lungenerkrankung) ist so gut wie nie mit Atemnot verbunden. Dieses Symptom tritt erst auf,
wenn sich aus der Erkrankung eine chronisch obstruktive Bronchitis entwickelt hat. Im
fortgeschrittenen Stadium der Lungenkrankheit haben die Betroffenen allerdings fast ständig
das Gefühl, weniger Luft zu bekommen.
Auch die Symptome einer COPD mit Lungenemphysem umfassen eine fast dauerhafte Atemnot.
Je nach Ausprägung der Lungenkrankheit kann die Luftnot sich so ausweiten, dass die
Betroffenen selbst minimale Anstrengungen als Schwerstarbeit empfinden.
DIAGNOSE
Bei Verdacht auf eine COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) ist eine genaue Diagnose
wichtig, um die passende Therapie festlegen zu können. Neben der sorgfältigen Erfassung der
Krankheitsgeschichte (Anamnese) kommen dabei folgende Untersuchungen zum Einsatz:
Diese Untersuchungen können in der Regel beim Hausarzt erfolgen. Weitere Massnahmen zur
Diagnose einer COPD kann der Lungenfacharzt (Pneumologe) vornehmen, wie zum Beispiel die
Ganzkörperplethysmographie oder eine Bronchoskopie.
Körperliche Untersuchung
Bei Anzeichen einer COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) erfolgt zur Diagnose
zunächst eine körperliche Untersuchung. Hierzu gehören die Begutachtung der Lunge, die
Blutdruckmessung sowie eine Untersuchung von Herz, Bauch und Beinen der Betroffenen.
Die Begutachtung der Lunge spielt bei der COPD-Diagnose eine zentrale Rolle. Hierbei
untersucht der Arzt die Atemwege der Betroffenen und prüft auf krankhafte Atemgeräusche,
indem er den Brustkorb abklopft und abhört. Durch das Klopfgeräusch ist feststellbar, ob die
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Lunge während der Atmung ausreichend verschiebbar ist – oder ob sich beispielsweise Wasser
in der Lunge befindet, das eine Dämpfung des Klopfschalls hervorruft.
Beim Abhören der Lunge achtet der Arzt auf Raschelgeräusche, die durch Schleimbildung
entstehen und vor allem bei den Bronchitisformen der COPD auftreten. Ausserdem prüft er auf
trockene Geräusche, wie etwa Brummen oder Pfeifen. Solche Laute sprechen eher für verengte
Luftwege bei akutem Asthma bronchiale.
Bei einer COPD mit Lungenemphysem ist der Brustkorb fassförmig verändert und die
Atembewegungen sind deutlich eingeschränkt. Das Atemgeräusch ist schwächer zu hören als bei
gesunden Menschen und der Klopfschall klingt hohl.
Lungenfunktionsdiagnostik
Bei der COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) kommt zur Diagnose die sogenannte
Spirometrie zum Einsatz – eine Messung und Aufzeichnung der Atmung, die eine umfassende
Lungenfunktionsdiagnostik ermöglicht. Dabei lassen sich zum Beispiel folgende Werte erfassen:
das Gesamtfassungsvermögen der Lungedie Kraft, die man aufbringen kann, um Luft aus der
Lunge auszuatmenden Widerstand der Atemwege, den verengte Bronchien verursachen
Die häufig vor Beginn einer COPD bestehende einfache chronische Bronchitis zeigt gewöhnlich
keine wesentlichen Veränderungen in der Spirometrie. Liegt eine chronisch obstruktive
Bronchitis vor, sind bei der Diagnose dagegen deutliche Zeichen einer Verengung der Bronchien
feststellbar.
Beim Lungenemphysem verursacht der Verlust von Lungengewebe eine erhöhte Luftmenge in
der Lunge. Die Ausatmungskraft ist bei dieser COPD-Form aber deutlich vermindert.
Bei der Diagnose einer COPD ist zur Unterscheidung zusätzlich ein sogenannter
Bronchospasmolyse-Test hilfreich: Dazu inhalieren die Betroffenen ein Medikament, das ihre
Bronchien erweitert. Wenn bei einem erneuten Lungenfunktionstest nach etwa zehn Minuten
die Luftwege nicht mehr verengt sind, spricht dies für eine asthmatische Erkrankung. Der Grund:
Nur bei einer asthmatischen Erkrankung sind die Bronchien vollständig erweiterbar. Bleibt nach
dem Test die Verengung bestehen, liegt eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung vor.
Schweregrad 0: Die Ergebnisse der Spirometrie sind nach Einnahme eines Bronchodilatators
normal; die Betroffenen haben aber chronischen Husten und Auswurf sowie ein erhöhtes Risiko
für eine COPD.Schweregrad I: Die Ergebnisse der Spirometrie weisen auf eine leichte COPD hin,
wobei Husten, Auswurf und Atemnot chronisch oder zeitweise (z.B. bei körperlicher Belastung)
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auftreten können.Schweregrad II: Die Ergebnisse der Spirometrie weisen auf eine mittelschwere
COPD hin (die Ausatmungskraft, ermittelt als Atemvolumen, das die Betroffenen nach
maximaler Einatmung forciert in der ersten Sekunde ausatmen können, beträgt weniger als
80%, aber mindestens 50% vom Normalwert), wobei Husten, Auswurf und Atemnot chronisch
oder zeitweise auftreten können.Schweregrad III: Die Ergebnisse der Spirometrie weisen auf
eine schwere COPD hin (die Ausatmungskraft beträgt weniger als 50%, aber mindestens 30%),
wobei Husten, Auswurf und Atemnot chronisch oder zeitweise auftreten können.Schweregrad
IV: Die Ergebnisse der Spirometrie weisen auf eine sehr schwere COPD hin (die Ausatmungskraft
beträgt weniger als 30% oder bei gleichzeitiger chronischer Ateminsuffizienz weniger als 50%).
Labordiagnostik
Bei einer COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) spielt die Labordiagnostik eine
untergeordnete Rolle: Spezielle Blutwerte zur Diagnose einer Lungenkrankheit wie der COPD,
die beispielsweise mit Werten zur Leber- oder Nierenfunktion vergleichbar wären, gibt es nicht.
Die Blutgasanalyse liefert Hinweise darüber, ob der Gasaustausch in der Lunge beeinträchtigt ist.
Sie ist bei der Verlaufskontrolle einer COPD ein wichtiges Hilfsmittel.
Röntgen
Bei einer COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) ist für die Diagnose das Röntgen der
Brustorgane in der Regel wichtig: Beim Lungenemphysem sind auf dem Röntgenbild klassische
Zeichen der Lungenüberblähung, wie das tief stehende Zwerchfell, zu sehen. Das Bild der Lunge
ist insgesamt durchscheinender (transparenter) als bei einer normalen Lunge, weil weniger
Lungengewebe vorhanden ist.
Die Röntgendiagnostik ist auch bei einer COPD ohne Lungenemphysem im Bedarfsfall sinnvoll –
zum Beispiel, um Entzündungen und Tumoren auszuschliessen.
Pneumologe
Während die Basisdiagnostik bei einer COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) meist
durch den Hausarzt erfolgt, ist für die weiterführende Diagnose in der Regel ein Lungenfacharzt
(Pneumologe) zuständig: Nur Lungenfachärzte und Spezialkliniken verfügen über aufwendige
Untersuchungsmethoden und -geräte, wie etwa die Ganzkörperplethysmographie und die
Bronchoskopie:
Ganzkörperplethysmographie
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Bronchoskopie
Mithilfe der Bronchoskopie kann der Pneumologe die Luftröhre und ihre grossen Abzweigungen
(Bronchien) einsehen und die Schleimhäute genauer betrachten. Hierzu schiebt er in der Regel
einen etwa bleistiftdicken, biegsamen Schlauch, an dessen Ende sich eine kleine Kamera
befindet, durch den Mund in die Atemwege. Ausserdem kann er bei der Untersuchung
Gewebeproben entnehmen (sog. Biopsie) und anschliessend feingeweblich (histologisch)
untersuchen lassen.
THERAPIE
Bei einer COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) zielt die Therapie hauptsächlich
darauf ab,
Entscheidend bei der Therapie der COPD ist es, die Auslöser zu vermeiden. Das heisst in vielen
Fällen: mit dem Rauchen aufhören! Denn die fortlaufende Inhalation von Tabakrauch verstärkt
die chronisch vorhandene Entzündung der Schleimhäute.
Die medikamentöse Grundbehandlung einer COPD besteht darin, die Bronchien mithilfe von
speziellen Sprays zu erweitern. Wenn die COPD weit fortgeschritten ist und diese Behandlung
nicht genügend wirkt, ist eine Kortison-Therapie empfehlenswert.
Eine fortgeschrittene COPD erfordert in der Regel eine lebenslange Behandlung, denn: Häufig
lassen sich die bestehenden Schäden an Bronchien und Lungen nicht mehr rückgängig machen.
Auch durch eine langfristige Therapie der COPD ist keine völlige Heilung möglich.
Medikamente
Bei einer COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) stehen zur Therapie folgende
Medikamente zur Verfügung:
Bronchodilatatoren
Bei der COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) besteht das Hauptziel der Therapie
darin, die Bronchien weit zu stellen und dadurch die Atmung zu verbessern. Dies gelingt mithilfe
sogenannter Bronchodilatatoren. Diese Medikamente erweitern die verengten Bronchien,
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indem sie auf die Bronchialmuskulatur einwirken. Die Bronchodilatatoren gibt es in Sprayform,
als Tabletten, als Tropfen oder als Trinklösung.
Nicht-medikamentöse Therapie
Neben der medikamentösen Behandlung spielt bei der COPD (chronisch obstruktive
Lungenerkrankung) auch die nicht-medikamentöse Therapie eine wichtige Rolle. Zu den
Behandlungsmöglichkeiten gehören zum Beispiel:
Schulung: Durch eine gezielte COPD-Schulung (bei der Sie z.B. Ihre Technik zur Inhalation der
COPD-Medikamente verbessern) lernen Sie, aktiv zur Bewältigung Ihrer Erkrankung beizutragen.
So können Sie Ihre COPD besser kontrollieren sowie die Anzahl akuter Verschlechterungen der
Krankheit (sog. Exazerbationen) und Notfallbehandlungen verringern.Physiotherapie: Mithilfe
einer Atemphysiotherapie können Sie eine erleichterte Atmung in Ruhe und unter Belastung
sowie eine bessere Hustentechnik erreichen.Körperliches Training: Diese Massnahme ist zur
COPD-Langzeittherapie empfehlenswert, da auch sie die Anzahl akuter COPD-
Verschlechterungen verringert sowie Ihre Lebensqualität und Belastbarkeit
steigert.Ernährungstherapie: Bei COPD ist es wichtig, Ihr Körpergewicht regelmässig zu
kontrollieren und – falls nötig – durch gesteigerte Nährstoffzufuhr zuzunehmen, weil sich
Unterernährung und ungewollter Gewichtsverlust negativ auf den Verlauf de Lungenkrankheit
auswirken.Hilfsmittel: Die Versorgung mit verschiedenen Hilfsmitteln (wie Rollator, Greifhilfen,
Verlängerungen für Schuhlöffel usw.) kann Ihnen im Alltag eine grosse Erleichterung
verschaffen.Heimbeatmung: Bei Bedarf lässt sich unter Umständen durch nicht-invasive
Beatmung die Überlastung der Atemmuskulatur verringern.Langzeittherapie mit Sauerstoff:
Kortison
Gegen die chronische Entzündung der Bronchialschleimhaut bei der COPD (chronisch
obstruktive Lungenerkrankung) ist eine Kortison-Therapie sehr wirkungsvoll, bei der Sie das
Kortison inhalieren (in die Lunge einziehen) müssen. Das inhalative Kortison gehört bei
mittelschwerer bis schwerer COPD zur Basistherapie. Manchmal ist es bei akuten
Krankheitsschüben notwendig, Kortison in Tablettenform zu geben oder zu spritzen.
Die konsequente Anwendung von inhalativem Kortison kann die Anzahl akuter
Verschlechterungen der COPD (sog. Exazerbationen) senken. Dies wirkt sich positiv auf Ihre
Leistungsfähigkeit und Ihr Allgemeinbefinden aus. Kortison lindert auch die häufig sehr
belastenden Allgemeinsymptome wie Husten mit Auswurf.
Sauerstoff-Langzeittherapie (LTOT)
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Schleimlösende Mittel
Auf den Verlauf einer COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) haben schleimlösende
Mittel wie Acetylcystein oder Efeuextrakt keine direkte Wirkung. Sinnvoll sind diese
Medikamente allerdings zur Therapie von akuten Infekten und massiver Schleimbildung.
Hustenstiller
Gegen trockenen, lästigen Husten (Reizhusten) kann Ihnen ein Hustenstiller mit Codein oder
Noscapin helfen. Jedoch ist es (nicht nur bei einer COPD) ratsam, diese Arzneimittel nur in
Ausnahmefällen und kurzfristig anzuwenden, denn: Hustenstiller unterdrücken den Hustenreiz,
sodass Sie den Schleim nicht mehr auf natürliche Weise abhusten können – der Schleim kann
sich dann in Ihren Bronchien festsetzen und letztendlich eine Lungenentzündung auslösen.
Antibiotika
Bei einer COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) ist die Therapie mit Antibiotika auf
jeden Fall empfehlenswert, wenn
sich die Atemnot verstärkt oder sich der Husten verschlimmert,der Auswurf nicht mehr weiss,
sondern gelb-grün ist undFieber besteht.
Solche Symptome sind Anzeichen einer Infektion, für die in den meisten Fällen Bakterien
verantwortlich sind – seltener Viren. Bakterielle Atemwegsinfekte im Rahmen der COPD sind
konsequent mit Antibiotika zu behandeln, weil sich Ihr Zustand sonst dauerhaft verschlechtern
kann. Vor der Therapie ist eine Speichelentnahme empfehlenswert, um die Bakterienart und
deren Widerstandsfähigkeit (sog. Resistenz) gegen die veschiedenen antibiotischen
Medikamente zu bestimmen.
VERLAUF
Bei einer COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) hängt der Verlauf davon ab, welche
der unter diesem Begriff zusammengefassten Erkrankungen vorliegt – und ganz besonders
davon, wie sich die Betroffenen verhalten. Wer zum Beispiel trotz einer einfachen chronischen
Bronchitis weiterhin raucht, riskiert eine chronisch obstruktive Bronchitis. Aus dieser kann sich
ein Lungenemphysem entwickeln.
Prognose
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Da unter dem Begriff COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) mehrere Krankheiten mit
uneinheitlichem Verlauf zusammengefasst sind, ist auch die Prognose sehr unterschiedlich. In
jedem Fall wirken sich eine geeignete Therapie und der Verzicht auf das Rauchen positiv auf den
Krankheitsverlauf aus.
Während die meist vor einer COPD bestehende einfache chronische Bronchitis in kurzer Zeit
ausheilen kann, indem die Betroffenen die auslösenden Gifte meiden, ist eine chronisch
obstruktive Bronchitis in der Regel nicht mehr vollständig heilbar. Allerdings hilft ein rauchfreies
Leben in vielen Fällen, den fortschreitenden Verlauf dieser Form der COPD aufzuhalten und die
Beschwerden erheblich zu lindern.
Ein Lungenemphysem ist jedoch mit einer ungünstigeren Prognose verbunden: Diese COPD-
Form ist nicht mehr rückgängig zu machen, weil das Lungengewebe zu stark zerstört ist.
Langfristig kann ein Lungenemphysem das Herz schädigen.
Komplikationen
Die bei einer COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) im weiteren Verlauf häufigsten
Komplikationen sind Infektionen der Bronchien und die Lungenentzündung. Diese Erkrankungen
sowie Zigarettenrauch oder schädliche Gase, Stäube oder Dämpfe können dazu führen, dass
sich der Zustand der Betroffenen akut verschlechtert. Auch zusätzlich auftretende schwere
Erkrankungen von Herz und Lunge verschlimmern die COPD meist akut. Bemerkbar macht sich
die Verschlechterung durch folgende Symptome:
Eine späte Komplikation der COPD ist das sogenannte Cor pulmonale – eine Schwächung und
Vergrösserung des rechten Herzens aufgrund des erhöhten Widerstands in der Lungenarterie.
Schwere, lebensgefährliche Komplikationen einer COPD sind das Versagen der Atemmuskulatur
und das Herzversagen.
VORBEUGEN
Einer COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) können Sie vorbeugen, indem Sie die
Risikofaktoren meiden.
Der Hauptrisikofaktor für eine COPD ist das Rauchen: 90 Prozent aller Menschen mit einer COPD
sind Raucher! Nichtraucher haben ein erheblich niedrigeres Risiko für eine COPD. Nur in
seltenen Ausnahmefällen entwickeln sie eine chronische Bronchitis, zum Beispiel als
Berufskrankheit, oder (erblich bedingt) ein Lungenemphysem bei einem Alpha-1-
Antitrypsinmangelsyndrom.
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Impfungen
Grippeimpfung
Die Grippeimpfung ist bei einer COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) jedes Jahr aufs
Neue empfehlenswert, weil die Grippeerreger jährlich wechseln. Sie wirkt ausschliesslich
vorbeugend gegen die Grippe (Influenza) und nicht gegen einfache Erkältungskrankheiten.
Pneumokokken-Schutzimpfung
Besonders für Menschen mit COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung), die über 60
Jahre alt sind, ist die Pneumokokken-Schutzimpfung wichtig. Pneumokokken sind weit
verbreitete Bakterien, die Lungenentzündungen hervorrufen können. Eine Pneumokokken-
Impfung kann diese häufig verhindern. Die Pneumokokken-Schutzimpfung ist zum Vorbeugen
von Komplikationen ausdrücklich für Asthmatiker und Menschen mit COPD empfehlenswert.
8.MAGENULKUS
Bei einem Magengeschwür (Ulcus ventriculi) ist die Magenschleimhaut an einer Stelle
beschädigt. Ursache für diesen sogenannten Ulkus sind meist Entzündungen, die den Schutz der
Schleimhaut vor der Magensäure beeinträchtigen.
50 von 100'000 Menschen erkranken jährlich an einem Magengeschwür. Meist sind die
Betroffenen älter als 50 Jahre.
Nikotin- und Alkoholmissbrauch begünstigen das Entstehen eines Ulkus. Ein Magengeschwür
kann sich ausserdem aus einer Magenschleimhautentzündung entwickeln. Bei einem Ulcus
ventriculi können unter anderem Symptome auftreten wie:
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Zur Diagnose eines Magengeschwürs dient in der Regel eine Magenspiegelung (Gastroskopie).
Bei dieser Untersuchung entnimmt der Arzt meist auch eine Gewebeprobe (Biopsie) der
betroffenen Stelle.
DEFINITION
Bei einem Magengeschwür (Ulcus ventriculi) ist die Magenschleimhaut an einer Stelle
beschädigt. In der Kurzform nennen Mediziner es hin und wieder einfach nur Ulkus (von lat.
ulcus = Geschwür).
Bei einem Magengeschwür sind tiefere Schichten der Magenwand geschädigt. Magengeschwüre
entstehen vor allem in einem bestimmten Bereich des Magens, der sogenannten kleinen
Kurvatur. Hierbei handelt es sich um die kleine Innenkrümmung des Magens.
Häufigkeit
Das Magengeschwür wird auch als Ulcus ventriculi bezeichnet und zählt zu den Erkrankungen
des Magens mit grosser Häufigkeit – 50 von 100'000 Menschen erkranken jährlich daran. Zu den
häufigen Magenerkrankungen gehören neben dem Ulcus ventriculi auch der Reizmagen und die
Magenschleimhautentzündung (Gastritis). Magengeschwüre treten vor allem zwischen dem 50.
und 70. Lebensjahr auf. Der überwiegende Teil der Betroffenen leidet unter wiederkehrenden
Geschwüren. Weil das Magengeschwür oft einfach als Ulkus bezeichnet wird, spricht man in
diesem Fall auch von einer Ulkuskrankheit.
Das Risiko, ein Magengeschwür zu entwickeln, ist bei Kindern von Personen mit Ulcus ventriculi
sowie bei Personen mit der Blutgruppe 0 um 50 Prozent erhöht. Die Ursachen hierfür sind
bislang unbekannt.
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URSACHEN
Ein direkter Zusammenhang zwischen dem Genuss von Nikotin und Alkohol und der Entstehung
von Magengeschwüren (Ulcus ventriculi) ist bisher nicht eindeutig nachgewiesen. Es ist jedoch
bekannt, dass Rauchen die nächtliche Produktion der Magensäure fördert. Höherprozentiger
Alkohol führt zu oberflächlichen Schleimhautentzündungen im Magen. Sowohl Nikotin als auch
Alkohol sind demnach in der Lage, das Gleichgewicht zwischen aggressiven Faktoren
(Magensäure) und schützenden Faktoren (gesunde Magenschleimhaut) zu stören.
Bei Betroffenen mit solch einem gestörten Bewegungsablauf entleeren sich feste Speisen nur
verzögert aus dem Magen. Gleichzeitig fliesst vermehrt bereits mit Gallenflüssigkeit vermischte
Nahrung aus dem Zwölffingerdarm in den Magen zurück. Dadurch ist die Magenschleimhaut
den Gallensäuren ausgesetzt – ein Magengeschwür kann entstehen.
Epidermaler Wachstumsfaktor-Mangel
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Helicobacter pylori
Die Infektion mit dem Bakterium Helicobacter pylori ruft eine chronische
Magenschleimhautentzündung (Gastritis) hervor. Zu den Folgeerkrankungen beziehungsweise
Komplikationen gehört auch die Entstehung von Magengeschwüren. Bei circa 80 Prozent aller
Menschen mit einem Ulcus ventriculi findet man Helicobacter pylori im Magen. Andererseits
findet man diese Bakterien häufig auch bei Menschen, die keine Magengeschwüre haben und
keine entsprechenden Symptome zeigen.
Zu den seltenen körpereigenen Faktoren, die zur Entstehung eines Magengeschwürs führen,
gehören das Zollinger-Ellison-Syndrom und die Nebenschilddrüsen-Überfunktion.
Medikamente
Für ein Magengeschwür (Ulcus ventriculi) können auch Medikamente wie Nichtsteroidale
Antirheumatika (NSAR) die Ursachen sein. Sie werden bei entzündlich-rheumatischen
Erkrankungen, aber auch bei Schmerzen, Fieber oder allgemein bei Entzündungen eingesetzt.
NSAR-Schmerzmittel wie etwa die Acetylsalicylsäure schädigen die Magenschleimhaut und
können dadurch zu Entzündungen und Geschwüren führen.
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Kortison
Kortison kann die Entstehung von Magengeschwüren begünstigen. Bei einer Kortison-Therapie
hängt die Entstehung von Magengeschwüren allerdings von der Dauer beziehungsweise der
eingenommenen Kortisonmenge ab. Bei Behandlungen, die kürzer als 30 Tage dauern, oder bei
einer Kortison-Gesamtdosis von weniger als 1 Gramm, ist die Bildung eines Ulcus ventriculi
durch Kortison eher unwahrscheinlich.
Psychische Faktoren/Stress
SYMPTOME
Bei einem Magengeschwür (Ulcus ventriculi) können die Symptome sehr unterschiedlich sein.
Häufig drückt und schmerzt es im Oberbauch (sog. epigastrische Schmerzen; epigastrisch = den
Oberbauch betreffend) durch ein Magengeschwür. Die Schmerzen bei einem Ulcus ventriculi
können in Richtung Brustbein, Unterbauch oder auch in den Rücken ausstrahlen. Bei einigen
Betroffenen wird der Schmerz durch die Nahrungsaufnahme ausgelöst, bei anderen lindert sie
ihn. Über Nüchternschmerzen (Schmerzen bei leerem Magen), die typischerweise nachts
auftreten, klagen sowohl Patienten mit Magen- als auch Zwölffingerdarmgeschwüren.
Menschen mit Magengeschwüren berichten ausserdem gelegentlich über Erbrechen, (z.B. bei
Geschwüren nahe dem Magenausgang) und darüber, dass sie bestimmte Speise nicht vertragen
– welche Nahrungsmittel das sind, ist jedoch bei Betroffenen mit Ulcus ventriculi individuell
verschieden. Als Folge des Erbrechens, der Unverträglichkeit bestimmter Nahrungsmittel oder
auch einer Schmerzverstärkung durch die Nahrungsaufnahme verlieren viele Betroffene
Gewicht. Kommt es zu Magenblutungen, äussern sich diese entweder als Bluterbrechen
(Hämatemesis) oder auch in einer Schwarzfärbung des Stuhls (Teerstuhl, Meläna) durch das
beigemischte, verdaute Blut.
Verursacht ein Magengeschwür keine Symptome, erkennt der Arzt es meist nur als
Zufallsbefund im Rahmen anderer Untersuchungen. Bei Personen, die bestimmte Schmerzmittel
(nichtsteroidale Antirheumatika wie Acetylsalicylsäure) einnehmen, bleiben Magengeschwüre in
mehr als der Hälfte der Fälle völlig symptomlos.
DIAGNOSE
Um bei einem Magengeschwür (Ulcus ventriculi) die Diagnose zu stellen, fragt der Arzt den
Patienten bei der Untersuchung in der Regel zuerst nach seinen Beschwerden und erhält damit
bereits Hinweise auf die Erkrankung. Zur weiteren Diagnose eines Ulcus ventriculi tastet der
Arzt den Oberbauch ab, was für Patienten mit einem Magengeschwür meist schmerzhaft ist.
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Magenspiegelung (Gastroskopie)
Für eine Magenspiegelung beim Verdacht auf einen Ulcus ventriculi muss der Untersuchte
nüchtern sein. Um den Würgereiz beim Einführen des Endoskops über den Mund zu
unterdrücken, besprüht der Arzt die Rachenschleimhaut mit einem örtlichen Betäubungsmittel
(z.B. mit einem Lidocain-Spray). Ein Endoskop ist ein biegsames, schlauchartiges Instrument mit
integrierter Kamera. In der Regel erhält der untersuchte Patient auch ein Beruhigungsmittel wie
Diazepam oder Midazolam. Der Untersuchte befindet sich dadurch in einem schlafähnlichen
Zustand. Die Magenspiegelung sollte spätestens nach zwölf Wochen wiederholt werden, wenn
ein Magengeschwür entdeckt wurde.
Wenn ein Ulcus ventriculi unter der gewählten Behandlung nicht vollständig abgeheilt ist, muss
der Arzt weitere Gewebeproben entnehmen, um sicher abzuklären, ob nicht doch Magenkrebs
vorliegt.
Bei Personen, die eine Magenspiegelung ablehnen oder bei denen ein erhöhtes Risiko mit der
Untersuchung verbunden ist, kann eine Röntgenaufnahme des Magens mit Kontrastmittel
erfolgen. Diese Untersuchung ist allerdings nicht so aussagekräftig wie die Magenspiegelung, da
die Magenschleimhaut nicht direkt begutachtet werden kann.
THERAPIE
Ein Magengeschwür (Ulcus ventriculi) erfordert eine wirksame Therapie. Die Behandlung richtet
sich dabei nach der jeweiligen Ursache des Magengeschwürs.
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Weil der saure Magensaft eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Magengeschwüren
spielt, setzt man vor allem Medikamente ein, welche die Magensäureproduktion hemmen –
sogenannte Säureblocker. Durch die verminderte Magensäureproduktion werden zum einen die
Schmerzen gelindert, und zum anderen kann sich die Magenschleimhaut erholen.
Unter Umständen ist bei einem Ulcus ventriculi eine Operation sinnvoll beziehungsweise
notwendig – beispielsweise wenn ein Magengeschwür trotz Medikamenten nach mehreren
Monaten nicht abheilt. Auch bei Komplikationen wie Blutung, Magenverengung,
Magendurchbruch oder beim Verdacht auf Magenkrebs ist eine Operation die geeignete
Therapieform.
Operation nach Billroth: Der Chirurg entfernt zwei Drittel des Magens. selektive proximale
Vagotomie: Der Operateur durchtrennt einen bestimmten Nerv (Nervus vagus). Dieser Nerv
stimuliert normalerweise säurebildende Zellen im Magen. Nach der Durchtrennung wird
weniger Magensäure gebildet.
Protonenpumpenhemmer
Protonenpumpe: Magensäure besteht chemisch gesehen aus Salzsäure (HCl), also aus einer
Verbindung von Wasserstoffionen (H+) mit Chloridionen (Cl-). In der Magensäure liegt der
Wasserstoff in Form von Protonen vor, das heisst als positiv geladene Teilchen (H+). Die
Magenzellen geben die Wasserstoff- und Chloridionen getrennt ins Mageninnere ab, erst hier
entsteht durch das gleichzeitige Vorliegen dieser Ionen die Magensäure. Die Wasserstoffionen
gelangen über einen speziellen Mechanismus ins Mageninnere: die sogenannte
Protonenpumpe. An dieser Stelle setzen verschiedene Medikamente an, welche die
Protonenpumpe und damit die Produktion von Magensäure und die Entstehung eines Ulcus
ventriculi hemmen.
Histamin-Rezeptorenblocker
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Magenblutung
Blutet das Magengeschwür, kann der Arzt im Rahmen einer Magenspiegelung versuchen, die
Blutungsquelle mit einem Medikament zu unterspritzen. Der eingespritzte Wirkstoff verengt die
Blutgefässe und stoppt so die Blutung des Ulcus ventriculi. Der Arzt kann ebenfalls die
Blutungsquelle mit einem sogenannten Fibrinkleber verkleben sowie die Blutung mithilfe eines
Lasers stillen. Massive Blutungen, die mittels einer Magenspiegelung nicht zu kontrollieren sind,
lassen sich oft nur im Rahmen einer offenen Operation stoppen. Magendurchbrüche (sog.
Perforationen) machen ebenfalls oft eine Operation notwendig – manchmal ist es möglich, den
Magendurchbruch mittels Bauchspiegelung (Laparoskopie) gewebeschonend und ohne grossen
Bauchschnitt zu behandeln (minimal-invasives Vorgehen).
Antazida
Auch säurebindende Mittel (sog. Antazida) können angewendet werden. Diese neutralisieren
die abgesonderte Magensäure.
Prokinetika
Wenn der Magen stark verkrampft ist, helfen Medikamente, welche die Magenbewegungen
anregen (sog. Prokinetika, z.B. MCP und Domperidon).
Eine Infektion der Magenschleimhaut mit dem Erreger Helicobacter pylori kann Ursache für ein
Magengeschwür sein. Die Betroffenen werden mit der sogenannten Eradikationstherapie
behandelt, die das Bakterium Helicobacter pylori abtöten. Dabei muss der Patient über einen
Zeitraum von sieben Tagen gleichzeitig die Antibiotika Amoxicillin und Clarithromycin (alternativ
Metronidazol) sowie ein Protonenpumpenhemmer in genau festgelegter Dosierung einnehmen.
Sie töten das Bakterium ab und das Magengeschwür kann dadurch abheilen.
VERLAUF
Prognose
Bei einem Magengeschwür ist die Prognose ohne Behandlung in über 40 Prozent der Fälle gut,
da sie spontan von selbst abheilen. Eine wirksame medikamentöse Therapie eines Ulcus
ventriculi bewirkt eine Heilungsrate von bis zu 90 Prozent. Trotz dieser effektiven Therapie
kommt es häufig zur erneuten Geschwürbildung. Risikofaktoren dafür sind:
höheres Alter männliches Geschlecht die Einnahme von bestimmten Schmerzmitteln (wie
Acetylsalicylsäure)zusätzliche Erkrankungen wie Leberzirrhose, Nierenschwäche oder schwere
Verbrennungen.
Komplikationen
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Blutungen und ein Durchbruch des Geschwürs durch die Schichten der Magenwand
(Perforation), die bei einem Magengeschwür (Ulcus ventriculi) auftreten können, sind
lebensbedrohliche Komplikationen. Personen mit wiederkehrenden Magengeschwüren haben
dafür ein grösseres Risiko als Menschen, die zum ersten Mal unter einem Magengeschwür
leiden.
Weitere Risikofaktoren für das Auftreten von Komplikationen bei einem Ulcus ventriculi sind:
Durchmesser des Geschwürs grösser als zwei ZentimeterAlter des Betroffenen über 60
Jahrevorangegangene Komplikationen bei Magengeschwüren
Eine weitere Komplikation, die als Folge eines Magengeschwürs auftreten kann, ist die
Magenverengung (Stenose) durch Narbenbildung. Dabei wird die Magenwand eingeengt
beziehungsweise schrumpft, wodurch ein sogenannter Sanduhrmagen entsteht. Das Risiko,
Magenkrebs zu bekommen, ist hier erhöht. Es beträgt bei chronischen Magengeschwüren etwa
drei Prozent.
VORBEUGEN
Wollen Sie einem Magengeschwür (Ulcus ventriculi) vorbeugen, ist es grundsätzlich ratsam, alle
Speisen und Getränke wegzulassen, die den Magen reizen und nicht gut verträglich sind. Das gilt
beispielsweise für sehr scharfes und heisses Essen sowie für hochprozentigen Alkohol und
grosse Mengen Kaffee. Da die Verträglichkeit der meisten Getränke und Speisen individuell
starken Schwankungen unterliegt, ist es wichtig, dass Betroffene mit Ulcus ventriculi selbst
austesten, was und welche Mengen ihnen bekommen.
Wer unter einem stressbedingten Magengeschwür leidet, sollte versuchen, Stress abzubauen.
Weil Rauchen die Magenschleimhaut ebenfalls angreift, ist es sinnvoll, auch darauf zu
verzichten, um einem Ulcus ventriculi vorzubeugen. Wer regelmässig magenschädigende
Medikamente einnimmt (nichtsteroidale Antirheumatika wie Acetylsalicylsäure), sollte diese
nach Absprache mit dem Arzt gegebenenfalls absetzen und besprechen, welche Alternativen es
gibt. Bei einem durch den Keim Helicobacter pylori verursachten Magengeschwür muss der
Erreger mit Medikamenten entfernt werden. Ansonsten kann das Magengeschwür erneut
auftreten.
Führen diese Massnahmen zu keinem Erfolg, ist zusätzlich an eine vorbeugende Einnahme
spezieller Medikamente (Säureblocker, Protonenpumpenhemmer) zu denken. Säureblocker
können vorbeugend auch für Personen sinnvoll sein, die aufgrund rheumatischer
Gelenkerkrankungen mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) behandelt werden müssen.
Tritt ein Magengeschwür trotz konsequenter Einhaltung der vorbeugenden Massnahmen und
Medikamenteneinnahme erneut auf, kann eine chirurgische Massnahme (Magenteilentfernung)
sinnvoll sein. Dies trifft auch dann zu, wenn der Betroffene aufgrund von Nebenwirkungen die
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Medikamente absetzen muss. Allerdings treten auch nach einer solchen Operation noch in circa
fünf Prozent der Fälle erneut Magengeschwüre auf.
9.APPENDIZITIS
Bei einer Appendizitis ist das Anhängsel des Blinddarms (Wurmfortsatz) entzündet.
Umgangssprachlich wird die Appendizitis auch fälschlicherweise als Blinddarmentzündung
bezeichnet. Die Blinddarmentzündung ist eine sehr häufige Erkrankung – oft sind jüngere
Menschen davon betroffen.
Eine Blinddarmentzündung kann vielfältige Ursachen haben, so zum Beispiel eine Verstopfung
des Wurmfortsatzes durch Fremdkörper. Aber auch entzündliche Darmerkrankungen wie
Morbus Crohn können die Ursache für eine solche Entzündung sein.
Symptome, die bei einer Appendizitis auftreten, sind besonders Schmerzen im Unterbauch und
ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl mit weiteren Anzeichen wie Übelkeit und Erbrechen.
Anhand charakteristischer Druck- und Schmerzpunkte kann der Arzt in der körperlichen
Untersuchung häufig schon vermuten, ob es sich um eine Blinddarmentzündung handelt. Eine
Ultraschalluntersuchung (Sonographie) kann bei der Diagnose helfen, im Zweifelsfall erfolgt bei
einer Blinddarmentzündung aber eine Bauchspiegelung. Sie kann die Entzündung eindeutig
bestätigen und der Arzt kann sofort operieren.
Die Prognose ist in der Regel gut, aber auch davon abhängig, wie schnell die Erkrankung erkannt
wird und wie weit sie bei Beginn der Therapie fortgeschritten ist. Der Grossteil der Erkrankten
erholt sich vollständig.
Einer Blinddarmentzündung (Appendizitis) kann man nicht generell vorbeugen. Bei Verdacht auf
diese Entzündung sollte man rasch handeln und den Arzt aufsuchen.
DEFINITION
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54
Unter einer Blinddarmentzündung (Appendizitis) versteht man die bakterielle Entzündung des
Wurmfortsatzes des Blinddarms. Dieses Anhängsel wird im Lateinischen auch als Appendix
vermiformis bezeichnet. Die volkstümliche Bezeichnung Blinddarmentzündung ist daher nicht
korrekt, hat sich aber eingebürgert.
Der Blinddarm ist der blind endende, sackartige, etwa daumenlange Anfangsteil des
aufsteigenden Dickdarms, der unterhalb der Einmündung des Dünndarms liegt. An seinem
unteren Ende befindet sich ein zwischen 2 und 20 Zentimeter langer Wurmfortsatz. Dieser ist
bei einer Appendizitis entzündet.
Die Lage des Wurmfortsatzes ist sehr variabel. Er kann gemeinsam mit dem Blinddarm verlagert
sein, wie es bei Schwangeren oft der Fall ist. Er kann ebenso über, vor oder hinter dem
Blinddarm liegen oder sogar am Dünndarm fixiert sein.
Der Wurmfortsatz enthält sehr viele kleine Lymphknoten und wird deshalb häufig, in Anlehnung
an die Rachenmandeln, als Darmmandel bezeichnet. Ähnlich wie das lymphatische Gewebe der
Rachenmandeln bei Erkältungskrankheiten anschwillt, kann auch der Wurmfortsatz bei
entzündlichen Darmerkrankungen vergrössert sein.
Häufigkeit
Die Blinddarmentzündung tritt mit einer Häufigkeit von etwa sieben Prozent in der Bevölkerung
auf und ist damit die häufigste Erkrankung im Bauchraum. Besonders ältere Kinder und
Jugendliche sowie Schwangere sind besonders häufig von einer Appendizitis betroffen, gehäuft
zwischen dem 10. und 30. Lebensjahr. Kleinkinder und alte Menschen erkranken hingegen
selten.
Etwa die Hälfte aller plötzlich auftretenden, ernsten Erkrankungen der Bauchhöhle (sogenannt
akutes Abdomen) werden durch eine Blinddarmentzündung verursacht.
URSACHEN
Eine Blinddarmentzündung (Appendizitis) kann verschiedene Ursachen haben. Meist ergibt erst
die genaue Untersuchung des operativ entfernten entzündeten Wurmfortsatzes, was die
Erkrankung ausgelöst hat.
Fremdkörper wie Krischkerne können die Entleerung des Wurmfortsatzes stören und so
Auslöser für eine Appendizitis sein. In der Folge stauen sich im Wurmfortsatz Sekrete an, so dass
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die Schleimhaut gereizt wird, bis eine Entzündung entsteht. So entsteht allerdings leichter eine
bakterielle Infektion.
Entzündliche Darmerkrankungen
Blinddarmentzündungen bei denen der Wurmfortsatz nicht verstopft ist, kommen selten vor. Sie
entstehen zum Beispiel durch Bakterien. Bei einer Infektion mit Enterokokken, Proteus- oder
Kolibakterien kann sich der Wurmfortsatz entzünden. Auch entzündliche Darmerkrankungen
wie Morbus Crohn können eine Appendizitis auslösen.
SYMPTOME
Die Schmerzen treten zunächst in der Umgebung des Bauchnabels sowie in der Magengegend
auf. Diese verlagern sich jedoch innerhalb von acht bis zwölf Stunden in den rechten
Unterbauch. Beim Laufen oder Hüpfen entstehen Erschütterungsschmerzen. Daher kommt es zu
einem typischen Schonhinken und Beugen des rechten Beins.
Besonders bei Schwangeren sowie alten Menschen kann eine Blinddarmentzündung weniger
typische Symptome auslösen. In der Schwangerschaft ist der Wurmfortsatz des Blinddarms oft
verlagert, so dass die Schmerzen eher im rechten Ober- beziehungsweise Mittelbauch auftreten.
Bei alten Menschen sind die Symptome häufig insgesamt weniger deutlich ausgeprägt und die
Temperatur ist nur selten erhöht.
Eine Appendizitis kann verschiedene Stadien durchlaufen, die zeitlich aufeinander folgen. Der
Übergang in ein nächstfolgendes Stadium bedeutet, dass der Schweregrad der Erkrankung
zunimmt. Prinzipiell kann man zwischen einer einfachen Blinddarmentzündung (Appendizitis
simplex) und einer zerstörerischen Blinddarmentzündung (Appendizitis destructiva)
unterscheiden.
Einfache Blinddarmentzündung
Bei der einfachen Blinddarmentzündung (Appendiztis simplex) wird das entzündete Gewebe
nicht zerstört. Die einfache Blinddarmentzündung verläuft in zwei Stadien:
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Katarrhalisches Stadium: Die Erkrankung beginnt mit einer entzündlichen Schwellung, der
Wurmfortsatz ist ohne Eiterbildung gerötet. Eine spontane Rückbildung ist möglich.
Seropurulentes Stadium: Der Wurmfortsatz des Blinddarms ist entzündet und es bildet sich
Eiter. Dieses Stadium kann in eine zerstörerische Blinddarmentzündung (Appendiztis
destructiva) übergehen, welche der Arzt in jedem Fall operativ behandeln muss.
Zerstörerische Blinddarmentzündung
Die Entzündung breitet sich zunächst in tiefere Gewebeschichten aus (Appendizitis purulenta).
Der Hohlraum des entzündeten Wurmfortsatzes ist mit Schleim und Eiter gefüllt (Appendizitis
suppurativa). Im weiteren Verlauf bilden sich Eiteransammlungen (Abszesse). Die Gewebewand
des Wurmfortsatzes wird zerstört und zersetzt – es kommt zu einem «Blinddarmdurchbruch».
Dieses Stadium ist lebensgefährlich.
DIAGNOSE
Um bei Verdacht auf eine Blinddarmentzündung (Appendizitis) die Diagnose zu sichern, befragt
der Arzt den Erkrankten zunächst zu seinen Beschwerden (Anamnese).
Personen mit einer Appendizitis weisen meist einen Temperaturunterschied von mehr als 0,8
Grad zwischen der Achselhöhle und dem Enddarm auf, wobei die Temperatur im Enddarm
höher ist. Zudem ist die Anzahl der weissen Blutkörperchen im Blut leicht vermehrt
(Leukozytose). Darüber hinaus ist hier die Konzentration eines bestimmten Eiweisses (sog. C-
reaktives Protein), welches Entzündungen im Körper anzeigt, erhöht.
Im Zweifelsfall erfolgt bei einer Blinddarmentzündung eine eindeutige Diagnose nur durch eine
Bauchspiegelung. Bestätigt sie die Entzündung, kann der Arzt sofort operieren.
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Übt man vorsichtig mit der Hand Druck auf die Bauchdecke über dem rechten Unterbauch aus,
entsteht eine sogenannte Abwehrspannung, das heisst der Patient spannt die
Bauchwandmuskeln reflexartig an, um dem Druck entgegenzuwirken. Besteht für die gesamte
Bauchwand eine Abwehrspannung, ist dies ein Hinweis auf eine Bauchfellentzündung
(Peritonitis) und somit auf eine fortgeschrittene Erkrankung.
Zersetzt die Entzündung die gesamte Wand des Wurmfortsatzes, kann er aufplatzen und
Bakterien und Darminhalt gelangen in die Bauchhöhle.
Schmerzprovokation
Erste Hinweise auf eine Blinddarmentzündung erhält der Arzt oft durch eine bewusste
Schmerzprovokation. Die Lage des Blinddarms sowie des Wurmfortsatzes lässt sich anhand von
Verbindungslinien zwischen Bauchnabel und den Darmbeinvorsprüngen des Beckenknochens
(Spina iliaca anterior superior) abschätzen. Der Blinddarm liegt über der Mitte dieser Linien –
dem so genannten McBurney-Punkt – und ist bei einer Blinddarmentzündung
druckschmerzhaft. Der Lanz-Punkt zeigt die direkte Lage des Wurmfortsatzes an und liegt
zwischen äusserem und mittlerem Drittel der Verbindungslinie zwischen dem rechten und
linken Darmbeinvorsprung. Auch hier führt eine Schmerzprovokation durch Klopfen oder
Drücken bei einer Blinddarmentzündung zu Schmerzen.
Darüber hinaus können weitere Tests bei einer Blinddarmentzündung die Diagnose sicher
THERAPIE
Bei einer Blinddarmentzündung (Appendizitis) ist meist eine rasche Therapie erforderlich, um
Komplikationen und zu verhindern, dass die Erkrankung weiter fortschreitet. Besteht der
Verdacht auf eine Appendizitis, bleibt der Betroffene zunächst zur Beobachtung im
Krankenhaus. Er darf in dieser Zeit nichts essen, da dies bei einer Vollnarkose zu Komplikationen
führen kann und der Darm möglichst wenig arbeiten soll. Erhärtet sich die Vermutung einer
Blinddarmentzündung ist die Therapie der Wahl die operative Entfernung des entzündeten
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Die sogenannte offene Operation mit Bauchschnitt (Laparatomie) wird immer häufiger von der
minimal invasiven Operationsmethode abgelöst. Minimal invasiv bedeutet, dass der Arzt den
Bauch mithilfe eines speziellen Geräts, dem Endoskop, einsieht. Dieser Eingriff wird auch
Laparoskopie genannt. Dabei führt der Chirurg die Operationsinstrumente durch drei winzige
Schnitte in der Bauchdecke ein, man spricht deshalb auch von Schlüssellochchirurgie.
Der Eingriff bleibt räumlich begrenzt und der Betroffene kann häufig schneller und mit weniger
Komplikationen das Krankenhaus verlassen. Die Laparoskopie bietet weiterhin den Vorteil, dass
sie bei einer Blinddarmentzündung nicht nur zur Therapie, sondern auch zur Diagnose
eingesetzt werden kann. Bei unklaren Fällen hilft sie den Verdacht zu bestätigen. Anschliessend
kann der Arzt den entzündeten Wurmfortsatz direkt entfernen.
Die Schlüssellochchirurgie ist jedoch nur im Frühstadium einer Appendizitis sinnvoll und
geeignet. Bei einer fortgeschrittenen Entzündung ist das Infektionsrisiko zu hoch, so dass der
Arzt in diesen Fällen direkt offen operiert.
Eine konservative Behandlung der akuten Appendizitis, bei der der Wurmfortsatz nicht entfernt
wird, wird heutzutage nicht mehr durchgeführt.
VERLAUF
Eine Blinddarmentzündung (Appendizitis) nimmt in den meisten Fällen einen positiven Verlauf:
Wenn die Erkrankten rechtzeitig eine geeignete Behandlung bekommen, erholen sie sich in der
Regel wieder vollständig.
Prognose
Bei einer Blinddarmentzündung ist die Prognose davon abhängig, wie schnell die Erkrankung
erkannt wird und wie weit sie bei Beginn der Therapie fortgeschritten ist. Zusätzlich verändern
auftretende Komplikationen die Prognose. Der Grossteil der Erkrankten erholt sich vollständig
von einer Appendizitis.
Komplikationen
Bei einer Blinddarmentzündung können Komplikationen auftreten, wenn sich die Entzündung
auf das umgebende Gewebe oder auf benachbarte Organe ausdehnt. Mögliche Komplikationen
können sei
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Nur sehr selten verläuft eine Blinddarmentzündung tödlich. Statistisch stirbt daran weniger als
einer von tausend Erkrankten. Ist der Wurmfortsatz durchgebrochen und hat sich das Bauchfell
entzündet, steigt das Risiko von 0,1 Prozent auf 6 bis 15 Prozent, wobei überwiegend ältere
Menschen gefährdet sind. Um bei einer Blinddarmentzündung Komplikationen zu verhindern,
ist es wichtig, bei ersten Symptomen frühzeitig einen Arzt aufzusuchen.
VORBEUGEN
Einer Blinddarmentzündung (Appendizitis) können Sie nicht generell vorbeugen. Bei Verdacht
auf diese Entzündung sollten Sie rasch handeln und den Arzt aufsuchen.
10.DICKDARMKARZINOM
Diese Krebsform als bösartige Wucherung von Zellen entwickelt sich überwiegend aus der
Schleimhaut des Darms. Teilweise entsteht die Entartung von anfangs gutartigen Wucherungen
an der Darmschleimhaut. Meist tritt diese Erkrankung erst nach dem 40. Lebensjahr auf. So sind
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90 % aller Betroffenen älter als 50 Jahre. In den westlichen Industriestaaten ist diese
Krebserkrankung relativ häufig.
Bei Männern und Frauen ist der Dickdarmkrebs die zweithäufigste Krebserkrankung. So gibt es
innerhalb Deutschlands jedes Jahr circa 39.000 neue männliche Patienten und 33.000 neue
weibliche Patienten. In den Schwellen- und Entwicklungsländern tritt Kolonkarzinom hingegen
selten auf.
Es gibt viele Ursachen für einen Dickdarmkrebs. Er kann durch diverse Risikofaktoren begünstigt
werden. So existieren vererbbare Fehler in den Erbanlagen, welche die Wahrscheinlichkeit einer
Dickdarmkrebserkrankung erhöhen können.
Dazu gehören folgende Krankheiten: eine familiäre adenomatöse Polyposis, das Gardner-
Syndrom, das Peutz-Jeghers-Syndrom und das Lynch-Syndrom. Ein weiterer Risikofaktor sind
chronische Darmerkrankungen. Darunter fallen Erkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus
Crohn. Beide Krankheiten ähnlich sich hinsichtlich der Symptome, der Komplikationen und der
Behandlungsweisen. Sie treten für gewöhnlich bereits im Kindesalter oder während der Jugend
auf.
Blut im StuhlDurchfall oder Verstopfung im WechselStuhl hat die Form eines dünnen Bleistiftes
(sogg. Bleistiftstuhl)BauchschmerzenGewichtsabnahmeBlutarmutAbgeschlagenheitMüdigkeit
Zur Diagnose von Dickdarmkrebs stehen dem Arzt unterschiedliche Verfahren zur Verfügung. Da
sich etwa die Hälfte aller Wucherungen im Enddarm lokalisiert, kann der Arzt sie mithilfe einer
Tastuntersuchung erfühlen.
Für tiefere Bereiche ist hingegen eine Enddarmspiegelung erforderlich. Um den gesamten
Dickdarm zu untersuchen, ist jedoch eine Darmspiegelung notwendig. Bei dieser Methode kann
der Arzt zudem aus krebsverdächtigen Regionen zur gleichen Zeit eine Gewebeprobe
entnehmen. Diese wird unter dem Mikroskop im weiteren Verlauf analysiert.
Auch spezielle Röntgenuntersuchungen mit einem Kolonkontrasteinlauf sind möglich. Für einen
erfolgreichen Krankheitsverlauf ist eine Früherkennung entscheidend. So überleben 95 % aller
Patienten die folgenden fünf Jahre, wenn bei ihnen diese Krebserkrankung im Frühstadium
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diagnostiziert werden konnte. Wenn das Kolonkarzinom schon weit fortgeschritten ist,
minimieren sich die Chancen auf eine Heilung stark.
Die Therapie von Dickdarmkrebs erfolgt meist operativ. So soll der chirurgische Eingriff den
Tumor vollständig entfernen. Ferner richtet sich die Behandlung nach der Ausdehnung und der
Art der Krebserkrankung.
Dies erleichtert die Operation. Nach der Operation dienen die Chemotherapie und die
Strahlentherapie zur Abtötung noch bestehender Krebszellen. Die Strahlentherapie wirkt nur
auf den örtlichen Bereich des Bestrahlungsfeldes. Die Chemotherapie erfasst auch abgesiedelte
krankhafte Zellen im ganzen Organismus. Sie wird zudem mit neu entwickelten Präparaten
kombiniert, welche eine bessere Lebensqualität erlauben.
So werden die Schmerzen effizient gelindert, die Beweglichkeit besteht über einen längeren
Zeitraum und die Krebserkrankung kann sich durch diese Therapieform eine Zeit lang
stabilisieren. Patienten mit Kolonkarzinom fühlen sich dadurch nicht nur körperlich besser,
sondern verbessern auch ihren psychischen Zustand.
Das Risiko an Dickdarmkrebs zu erkranken, kann durch eine gesunde Ernährungsweise reduziert
werden. Besonders eine faserreiche Kost kann verschiedene Darm- und Magenkrebsarten
vorbeugen. Weiterhin ist ein Leben mit viel Bewegung und Sport anzuraten. Im Alter ist jedoch
die Früherkennung als Vorbeugungsmaßnahme essenziell. Dadurch verbessert sich die Prognose
entscheidend. So sollten Männer und Frauen ab dem 50. Lebensjahr zu einer
Darmkrebsvorsorge gehen. Ab dem 55. Lebensjahr bietet sich eine Darmspiegelung in einem
Abstand von 10 Jahren an, um einen etwaigen Kolonkarzinom frühzeitig zu erkennen.
11.LEBERZIRROSE
Die Leberzirrhose ist ein weit fortgeschrittenes Stadium oder Endstadium verschiedener
Lebererkrankungen, in deren Verlauf die Leberstruktur zunehmend zerstört ist. Wegen der
stetigen Schädigung des Lebergewebes verhärtet die Leber zunehmend, vernarbt und
schrumpft. Dieser auch als Schrumpfleber bezeichnete Zustand ist in der Regel nicht umkehrbar.
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Am häufigsten (in mehr als der Hälfte aller Fälle) entsteht die Leberzirrhose durch übermässigen
Konsum von Alkohol.Weitere häufige Auslöser sind durch Viren bedingte Entzündungen der
Leber wie die Hepatitis B, C oder D.In seltenen Fällen tritt die Leberzirrhose zum Beispiel auch
im Rahmen von erblichen Stoffwechselerkrankungen auf wie bei: der Eisenspeicherkrankheit
namens HämochromatoseMorbus Wilson, bei dem die Kupferausscheidung gestört
istMukoviszidose, die mit vermehrter Schleimbildung einhergehtAuch Schädigungen der Leber
durch Medikamente oder Chemikalien sind mögliche Ursachen für Leberzirrhosen.
Bei einer Leberzirrhose können die Symptome sehr unterschiedlich stark ausgeprägt sein oder
sogar fehlen. Als typische Anzeichen der Leberzirrhose gelten Allgemeinsymptome wie:
LeistungsminderungKonzentrationsschwächeMüdigkeit
Oft verursacht eine Leberzirrhose zudem ein Druck- oder Völlegefühl im Bereich oberhalb des
Bauchnabels. Zusätzlich können die sogenannten Leberhautzeichen auftreten, die sich unter
anderem durch punktförmige, rote Gefässknötchen (Gefässspinnen), rot gefärbte Daumen- und
Kleinfingerballen (Palmarerythem) und knallrote, glänzende Lippen und Zunge (sog. Lacklippen
und Lackzunge) bemerkbar machen. Eine gelbliche Verfärbung des Augenweiss und der Haut
(Gelbsucht bzw. Ikterus) zählt nicht zu den klassischen Hautzeichen der Leberzirrhose und tritt
in der Regel erst auf, wenn die Leber nicht mehr ausreichend funktioniert.
Eine Leberzirrhose kann man mithilfe einer klinischen Untersuchung (Tasten der Leber und der
Milz), Labortests und einer Ultraschalluntersuchung feststellen. Zudem sind zur Diagnose
Informationen zu Beruf, Lebensgewohnheiten und Medikamenteneinnahme hilfreich. Daraus
ergeben sich mögliche Risikofaktoren für eine Lebererkrankung. Um die genaue Ursache der
Leberzirrhose zu ermitteln, kommen mitunter spezielle Diagnoseverfahren zum Einsatz.
Der Schweregrad der Leberzirrhose bemisst sich nach dem Child-Pugh-Score, auch Child-Pugh-
Klassifikation genannt. Sie ermöglicht es, die Leberfunktion zu bewerten und eine Prognose zur
Leberzirrhose zu erstellen: Das Ergebnis Child A hat die beste, Child C die schlechteste Prognose.
Die gegen eine Leberzirrhose eingesetzte Therapie umfasst Allgemeinmassnahmen wie den
Verzicht auf leberschädigende Substanzen (Alkohol, bestimmte Medikamente) und richtet sich
darüber hinaus nach der genauen Ursache der Erkrankung.
DEFINITION
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Eine Leberzirrhose ist ein krankhafter Zustand der Leber, der durch eine zerstörte Gewebe- und
Gefässstruktur des Organs gekennzeichnet ist. Die Leber verhärtet sich zunehmend und
schrumpft, wobei sich ihre ursprüngliche Struktur verändert: Mit der Zeit wandelt sich die Leber
immer mehr in narbiges Bindegewebe um. Diesen Zustand bezeichnet man auch als
Schrumpfleber. Durch die Veränderungen sind die normalen Leberfunktionen derart
eingeschränkt, dass es im weiteren Verlauf und mit zunehmender Verschlechterung zu teilweise
lebensbedrohlichen Komplikationen kommen kann.
Die Leberzirrhose kann in drei verschiedenen Typen auftreten, die sich im Aussehen der Leber
voneinander unterscheiden: als
kleinknotiger Typ,grossknotiger Typ oderMischtyp, der sowohl klein- als auch grossknotige
Anteile aufweist.
Bei Alkoholmissbrauch entsteht meist die kleinknotige Form der Leberzirrhose, bei einer
Virushepatitis die grossknotige oder gemischte Form.
Häufigkeit
Die Leberzirrhose weist in Europa und in den USA eine Häufigkeit von jährlich etwa 250 Fällen
pro 100'000 Menschen auf. Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen.
URSACHEN
Eine Leberzirrhose ist die Folge verschiedener Lebererkrankungen, deren Ursachen sehr
unterschiedlich sein können. Die häufigste Ursache für Leberzirrhosen ist Alkohol: Die meisten
Fälle von Leberzirrhose entstehen durch Alkoholmissbrauch. Am zweithäufigsten steckt eine
Hepatitis B, Hepatitis C oder Hepatitis D hinter der Leberzirrhose.
Nur in wenigen Fällen hat eine Leberzirrhose ihre Ursachen weder in Alkoholmissbrauch noch in
einer Virushepatitis. Mögliche seltene Auslöser einer Zirrhose der Leber sind beispielsweise
bestimmte vererbbare Stoffwechselerkrankungen wie:
Morbus Wilson, bei dem die Kupferausscheidung gestört ist,die Hämochromatose, die mit einer
vermehrten Speicherung von Eisen einhergeht, oderdie Mukoviszidose, die mit vermehrter
Schleimbildung einhergeht.
Darüber hinaus kann eine Leberzirrhose ihre Ursachen vereinzelt auch in Schäden durch
Medikamente, Chemikalien oder Tropenerkrankungen (z.B. Amöbenruhr o. Cholera) haben.
SYMPTOME
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Eine Leberzirrhose ruft verschiedene Symptome hervor, die unterschiedlich stark ausgeprägt
sein können. In bis zu 25 Prozent der Fälle fehlen sie sogar ganz. Dies bezeichnen Mediziner als
latente Leberzirrhose. Dagegen ist eine sogenannte manifeste Leberzirrhose durch deutliche
Anzeichen der Leberschädigung oder der zugrunde liegenden Erkrankung gekennzeichnet.
Unabhängig davon, was die Leberzirrhose verursacht hat, treten folgende eher allgemeine
Symptome auf:
Die Betroffenen fühlen sich meist müde und abgeschlagen,sie verspüren ein Druck- oder
Völlegefühl im Bereich oberhalb des Bauchnabels (Oberbauch),ihnen ist übel,sie verlieren an
Gewicht undsie sind vermindert leistungsfähig.
Gefässspinnen (Spider naevi), die besonders am Oberkörper, Hals und Gesicht auftreten und aus
punktartigen Gefässknötchen bestehen, von denen sich kleine Gefässe wie ein Spinnennetz
nach aussen ziehendeutlich rot gefärbte Daumen- und Kleinfingerballen
(Palmarerythem)auffallend glänzende und gerötete Lippen und Zunge (Lacklippen und
Lackzunge)Juckreiztotale Weissfärbung der Nägel (Weissnägel)Geldscheinhaut – die Haut ist
sehr dünn und wirkt knittrig, Gefässe zeichnen sich deutlich ab.
Hinweis: Diese Symptome deuten nicht zwangsläufig auf eine Leberzirrhose hin – so bilden sich
zum Beispiel in etwa der Hälfte aller Schwangerschaften Gefässspinnen und ein Palmarerythem
aus, die meist nach der Schwangerschaft wieder verschwinden. Auch die Geldscheinhaut findet
man oft unabhängig von einer Lebererkrankung.
Zusätzliche mögliche Symptome einer Leberzirrhose sind Schmerzen in der Lebergegend und
Fieber. Zudem bilden sich vermehrt blaue Flecken und Blutungen – auch eine
Wasseransammlung in Beinen (sog. Ödem) oder Bauch (sog. Aszites) ist häufig. Darüber hinaus
können bei Männern mit Leberzirrhose wegen hormoneller Störungen Potenzprobleme und ein
veränderter männlicher Behaarungstyp auftreten – hierbei entsteht unter anderem eine
sogenannte Bauchglatze. Eventuell kann sich die Brustdrüse des Mannes vergrössern (sog.
Gynäkomastie). Bei Frauen mit Leberzirrhose treten manchmal Unregelmässigkeiten bei der
Regelblutung auf ( Menstruationsstörungen).
Eine deutliche Verschlechterung der Leberfunktion bei Leberzirrhose zeigt sich durch folgende
Symptome:
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DIAGNOSE
Besteht der Verdacht auf eine Leberzirrhose, klärt der Arzt bei der Diagnose stets auch die
zugrunde liegende Erkrankung ab. In einigen Fällen ist es jedoch schwierig, den Auslöser für den
krankhaften Zustand der Leber zu finden.
Eine Leberzirrhose, die durch Alkoholmissbrauch, Medikamente oder giftige Stoffe (z.B.
Chemikalien) entstanden ist, kann der Arzt meist bereits anhand der Angaben zur Vorgeschichte
der Beschwerden diagnostizieren. Daneben kommen laborchemische Untersuchungen zum
Einsatz, um eine Leberzirrhose festzustellen. Auch bildgebende Verfahren (z.B. zur
Untersuchung des Blutflusses in der Leber) können hilfreich sein. Um die Diagnose zu sichern
und die bei einer Leberzirrhose typischen Veränderungen aufzuzeigen, kann eine Leberbiopsie
erforderlich sein: Hierbei punktiert der Arzt die Leber mit einer Nadel und gewinnt so eine
Probe des Lebergewebes.
Wenn der Leberzirrhose eine chronische Virushepatitis zugrunde liegt, finden sich
entsprechende Antikörper gegen diese Viren und sogenanntes aktives Virusmaterial im Blut. Um
bei der Diagnose festzustellen, ob eine Hepatitis vorliegt, sind also Blutuntersuchungen
geeignet.
THERAPIE
Bei einer Leberzirrhose setzt sich die Therapie aus allgemeinen Massnahmen gegen die
Leberzirrhose und aus der Behandlung der ursächlichen Erkrankung zusammen. Darüber hinaus
sind eventuell auftretende Komplikationen rechtzeitig zu behandeln. Unabhängig von der
Ursache für den krankhaften Zustand Ihrer Leber ist es wichtig, dass Sie auf jeden Fall folgende
Massnahmen ergreifen:
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In schweren Fällen hilft bei einer Leberzirrhose nur eine Therapie: die Lebertransplantation.
Diese Operation erfolgt nur dann, wenn die von einem Transplantationszentrum festlegten
Kriterien für eine Transplantation erfüllt sind.
Hepatitis
Liegt Ihrer Leberzirrhose eine chronische, durch Viren ausgelöste Hepatitis (z.B. Hepatitis B oder
C) zugrunde, richtet sich die Therapie der Virushepatitis nach bestimmten Kriterien: Eine
Hepatitis-Behandlung ist nur dann empfehlenswert, wenn:
die Entzündung Ihrer Leber fortbesteht unddie Konzentration an Viren in Ihrem Blut (sog.
Viruslast) hoch ist.
In dem Fall erhalten Sie zur ursächlichen Behandlung der Leberzirrhose ein Medikament, das die
Vermehrung der Hepatitisviren hemmt. Mögliche Nebenwirkungen dieser Hepatitis-Therapie
sind ein vorübergehend verändertes Blutbild, grippeähnliche Symptome und erhöhte
Leberwerte.
Andere Ursachen
Bei einer Leberzirrhose kommen zur Therapie speziellere Massnahmen zum Einsatz, wenn
andere Ursachen als Gifte oder Lebererkrankungen für den krankhaften Zustand der Leber
verantwortlich sind:
Wenn Ihre Leberzirrhose durch vermehrte Eisenaufnahme und -speicherung entstanden ist
(deren Ursache die Erbkrankheit namens Hämochromatose ist), ist es zur Behandlung
notwendig, das überschüssige Eisen durch Aderlässe aus dem Körper zu entfernen.Liegt Ihrer
Leberzirrhose die Kupferspeicherkrankheit Morbus Wilson zugrunde, zielt die Behandlung
darauf ab, die Kupferaufnahme zu vermindern und die Kupferausscheidung zu erhöhen. Dies
gelingt mit dem Wirkstoff D-Penicillamin, der das überschüssige Kupfer im Blut bindet – Ihr
Körper scheidet es dann über den Urin aus.
VERLAUF
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Bei einer Leberzirrhose hängt der Verlauf von den Ursachen für den krankhafter Zustand der
Leber sowie von einer angemessenen und rechtzeitigen Therapie ab: Bei entsprechend
behandelter Leberzirrhose kann sich die Leber zumindest anteilig erholen. Ist für die Zirrhose
der Leber beispielsweise ein übermässiger Alkoholkonsum verantwortlich, führt zukünftiger
Verzicht auf Alkohol (Abstinenz) zu einer guten Prognose. Es genügen bereits 15 Prozent
gesundes Lebergewebe, um alle Funktionen der Leber aufrechtzuerhalten. Es ist jedoch nicht
möglich, die entstandenen Schäden ganz zu beheben, sodass eine Leberzirrhose nicht völlig
heilbar ist.
Um den Schweregrad einer Leberzirrhose (und somit ihr Verlauf bzw. ihre Prognose)
einschätzen zu können, ist der sogenannte Child-Pugh-Score (auch: Child-Pugh-Klassifikation)
hilfreich: Er ermöglicht es, die Leberfunktion anhand von fünf Kriterien zu bewerten, für die
man nach einem festen Schema Punkte vergibt. Je nach Punktwert lautet das Ergebnis Child A,
Child B oder Child C. Liegt Child A vor, ist die Prognose der Leberzirrhose am günstigsten.
Komplikationen
Bleibt eine Leberzirrhose unbehandelt, schränkt dies die Funktionsfähigkeit der Leber im
weiteren Verlauf immer mehr ein, was sich negativ auf die Lebensqualität und Lebenserwartung
der Betroffenen auswirkt. In fortgeschrittenen Stadien können bei einer Leberzirrhose
verschiedene Komplikationen auftreten, wodurch sich die Prognose deutlich verschlechtert. Zu
den häufigsten Komplikationen der Leberzirrhose zählen:
Die Leberzirrhose kann im weiteren Verlauf auch zu Leberkrebs und zu Leberversagen führen. In
schweren Fällen sind die Veränderungen des Lebergewebes bei Leberzirrhose im Endstadium so
weit fortgeschritten, dass die Leber ihre Funktion nicht mehr erfüllen kann. Letztlich endet die
Leberzirrhose durch diese Komplikationen tödlich.
VORBEUGEN
Wenn Sie einer Leberzirrhose vorbeugen möchten, meiden Sie am besten alles, was eine
Lebererkrankung auslösen könnte. Das bedeutet zum Beispiel:
Verzichten Sie auf Alkohol oder konsumieren Sie ihn nur in Massen.Lassen Sie sich
gegebenenfalls gegen Hepatitis B impfen.Vermeiden Sie ungeschützten Kontakt mit
Lösungsmitteln.
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Gegen Hepatitis C gibt es bisher keine Impfung. Sie können einer Ansteckung mit Hepatitis-C-
Viren (wie auch Hepatitis-B-Viren) und einer nachfolgenden Leberzirrhose jedoch vorbeugen,
indem Sie allgemeine hygienische Massnahmen ergreifen (z.B. beim Geschlechtsverkehr
Kondome verwenden, bei der Versorgung von Verletzten Handschuhe tragen usw.). Liegen
vererbbare Erkrankungen vor, die mit einer Leberschädigung einhergehen könnten, empfiehlt
sich vorbeugend eine genetische Beratung und eine frühzeitige Untersuchung.
11.PANKREATITIS
An dieser lebensbedrohlichen Krankheit können die Patienten mehrmals leiden, sich aber in den
meisten Fällen auch wieder vollständig erholen. Trotzdem führt eine akute Pankreatitis zu
zahlreichen Komplikationen.
Das Auftreten einer akuten Pankreatitis kann viele Ursachen haben. Meistens ist die
Bauchspeicheldrüsenentzündung jedoch auf Gallensteine zurückzuführen. Diese befinden für
einige Zeit lang im Zwölffingerdarm (dieser ist ebenfalls auch die Mündung des
Bauchspeicheldrüsengangs).
Aufgrund dieses Prozesses kommt es zu einem Rückfluss des Dünndarmsaftes und die
Gallensäure zerstört gleichzeitig den Anfang des Pankreasgangs. Diese Vorgänge führen
ihrerseits dazu, dass die Permeabilität für bestimmte Phosphate und Enzyme gesteigert wird.
Eine andere Ursache kann Alkoholmissbrauch sein, dieser muss jedoch mindestens übermäßig
oder sogar chronisch sein, damit er zu einer Bauchspeicheldrüsenentzündung führen kann. Der
Alkohol löst ebenfalls die oben beschriebenen Prozesse aus.
Bei einem Restanteil der Fälle kann keine genaue Ursache ausgemacht werden, weshalb man
von diesen Patienten mit idiopathischer Genese spricht.
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Die ersten Anzeichen für eine akute Pankreatitis sind in den meisten Fällen starke
Oberbauchschmerzen. Diese Schmerzen breiten sich im weiteren Verlauf strahlenförmig über
den Rücken aus, sodass sich der Schmerz wie ein Gürtel schließt.
Bei der Untersuchung der Patienten sind deutliche Symptome für eine
Bauchspeicheldrüsenentzündung ein druckschmerzhaftes Abdomen sowie ein Gummibauch.
Der Gummibauch (auch Blähbauch) kommt durch eine große Ansammlung von Gas im
Gastrointestinaltrakt zustande.
Ebenfalls charakteristisch sind erst leichte Schmerzen in der Brustwirbelsäule, die ganz dem
Schmerzempfinden bei einem Hexenschuss ähneln. Allerdings nehmen diese Schmerzen bis zur
Unerträglichkeit zu.
Weitere Symptome, die mit den oben genannten einhergehen, manchmal jedoch erst im
späteren Verlauf einsetzen sind Verstopfung, Übelkeit, Erbrechen und Fieber. Gelbsucht,
Bauchwassersucht und Schockzeichen können unter anderem bei sehr schweren Fällen einer
akuten Pankreatitis auftreten.
Die meisten Fälle verlaufen durch eine rechtzeitig einsetzende Behandlung noch glimpflich.
Trotzdem sind 20 % der Erkrankungen sehr ernst zu nehmen und können im verheerendsten Fall
zum Tode führen.
Sobald die akute Pankreatitis diagnostiziert wurde, sollte unverzüglich mit einer Therapie
begonnen werden. Die erste Maßnahme bei einer Bauchspeicheldrüsenentzündung ist meistens
die intravenöse Flüssigkeitszufuhr.
Allerdings kann bei einer milden Pankreatitis die gewöhnliche Nahrung weiter zu sich
genommen werden. Bei der schweren Pankreatitis, bei der es zu einer Darmlähmung kommen
kann, wird meistens schon früh eine Nasen-Dünndarmsonde eingelegt, sodass die Ernährung
nur noch über den Darm stattfindet.Beruht die akute Pankreatitis auf einem festgeklemmten
Gallenstein, so muss dieser entfernt werden. Meistens erfolgt ebenfalls eine
Antibiotikatherapie, um Infektionen zu verhindern.
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Leider gibt es keine vorbeugenden Maßnahmen, die eine akute Pankreatitis verhindern
könnten. Ist jedoch die Ursache der übermäßige Alkoholmissbrauch, kann man mit einem
Entzug weitere Erkrankungen an einer Bauchspeicheldrüsenentzündung verhindern.
12.BRUSTKREBS (MAMMAKARZINOM)
Bei Brustkrebs (Mammakarzinom) handelt es sich um einen bösartigen Tumor der Brustdrüse. In
der Schweiz erkranken jährlich rund 5300 Frauen an Brustkrebs. In sehr seltenen Fällen
bekommen auch Männer Brustkrebs.
Die Ursachen von Brustkrebs sind noch nicht vollständig geklärt. Es gibt aber einige
Risikofaktoren, welche begünstigen, dass ein Mammakarzinom entsteht. Dazu gehören neben
einem ungesunden Lebensstil auch hormonelle Einflüsse. Auch eine erbliche Veranlagung
erhöht das Brustkrebsrisiko. Allerdings spielen die Gene nur bei einem sehr kleinen Teil der
Betroffenen eine Rolle. Für Frauen, bei denen mehrere Fälle von Brustkrebs in der Familie
vorgekommen sind, kann deshalb ein Gentest sinnvoll sein. Allerdings gibt es bislang keine
besondere Behandlung für Frauen mit genetisch bedingtem Brustkrebs.
Die wirksamste Therapie bei Brustkrebs ist eine Operation. Mit modernen Methoden ist es
heute in den meisten Fällen möglich, die Brust zu erhalten und den Tumor gezielt zu entfernen.
Ist es unumgänglich, Anteile der Brust oder die ganze Brust zu entfernen, gibt es sehr gute
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Da die genauen Ursachen von Brustkrebs noch nicht vollständig geklärt sind, können Sie einer
Erkrankung nur bedingt vorbeugen, indem Sie bestimmte Risikofaktoren meiden. Zu den
Mammakarzinom-Risikofaktoren gehören zum Beispiel Übergewicht, ein hoher Alkoholkonsum
und Rauchen.
DEFINITION
Denkt man sich ein Kreuz mit der Brustwarze als Zentrum, so kann man eine räumliche
Häufigkeitsverteilung von Brustkrebs in vier Quadranten vornehmen. Am häufigsten ist der
obere äussere Quadrant befallen, da er auch den grössten Teil der Brustdrüse enthält.
Bei Männern ist Brustkrebs sehr selten; nur etwa ein Prozent aller Brustkrebs-Erkrankungen
betreffen Männer. Die Therapie unterscheidet sich nicht von der bei Frauen. Männer sind im
Durchschnitt älter, wenn das Mammakarzinom festgestellt wird.
URSACHEN
Bei Brustkrebs (Mammakarzinom) sind die genauen Ursachen noch nicht vollständig geklärt. Die
überwiegende Mehrheit der Betroffenen erkrankt spontan – also ohne dass Mediziner sichere
Ursachen ausmachen können. Jedoch sind mittlerweile verschiedene Risikofaktoren bekannt,
welche die Krankheit begünstigen.
Zu den bekannten Risikofaktoren von Brustkrebs gehört eine zunächst gutartige Vermehrung
der Drüsenläppchen und des Bindegewebes der Brustdrüsen (sog. proliferative Mastopathie).
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Kinderlosigkeit bzw. eine späte erste Schwangerschaft (nach dem 30. Lebensjahr) frühes
Einsetzen der Regelblutungspäte Menopause (letzte Regelblutung) dauerhaft fettreiche
ErnährungRauchen und Alkohollangfristige Einnahme weiblicher Sexualhormone
Die Antibabypille erhöht das Risiko für Brustkrebs geringfügig. Auch eine Hormonersatztherapie
gegen Wechseljahrsbeschwerden steigert die Wahrscheinlichkeit für ein Mammakarzinom.
Genetische Veranlagung
Nur bei etwa 5 von 100 erkrankten Frauen ist eine genetische Veranlagung mitverantwortlich
für die Entstehung von Brustkrebs (Mammakarzinom). Betroffen sind vor allem Frauen, deren
Mutter oder Schwester auch an Brustkrebs erkrankt sind.
Vor allem zwei sogenannte Tumorgene (BRCA-1 und 2) stehen ursächlich mit Brustkrebs in
Verbindung. BRCA steht dabei für Breast Cancer (engl. Brustkrebs). Trägerinnen der
Erbgutveränderung (Mutation) in BRCA-1 und BRCA-2 haben ein Risiko von 50 bis 85 Prozent, im
Lauf des Lebens irgendwann an einem Mammakarzinom zu erkranken. Die BRCA-Gene erhöhen
auch das Risiko für andere Krebserkrankungen wie Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom). Bei
Männern erhöht das BRCA-Gen die Wahrscheinlichkeit für Prostata- und Darmkrebs.
Bei Frauen, auf die eines der folgenden Kriterien zutrifft, ist ein Gentest sinnvoll:
mindestens drei Frauen in der Familie Brustkrebs habenzwei Frauen in der Familie mit
Mammakarzinom, von denen mindestens eine vor dem 51. Lebensjahr erkrankt ist mindestens
eine Verwandte mit Brust- und eine mit Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom)mindestens eine
Verwandet mit Brust- und Eierstockkrebsmindestens zwei Frauen in der Familie mit
Eierstockkrebsmindestens eine Verwandte mit beidseitigem (bilateralem) Mammakarzinom, die
mit 50 Jahren oder früher erkrankt istmindestens eine weibliche Verwandte, die mit 35 Jahren
oder jünger Brustkrebs bekommen hatein männlicher Verwandter mit Mammakarzinom und
eine weibliche Verwandte mit Brust- oder Eierstockkrebs
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Eine besondere Behandlung für Träger derartiger Mutationen gibt es derzeit nicht. Generell
sollten alle Frauen monatlich eine Selbstuntersuchung der Brust durchführen.
SYMPTOME
Knoten oder Verhärtungen in der Brust, die früher nicht zu ertasten warenEinziehung der Haut
oder Einziehung einer Brustwarze Grössendifferenz der Brüste, die vorher nicht
bestandunterschiedliches Aussehen der Brüste beim Anheben der ArmeAbsonderungen aus
einer Brustwarze (wässrig, blutig, eitrig o.Ä.)andere Veränderungen der Brust oder Brustwarze,
z.B. eine plötzliche starke Rötung tastbare Lymphknoten in der Achselhöhle, die vorher nicht
bestanden und nicht durch eine andere Erkrankung bedingt sind (z.B. entzündeter Pickel im
Bereich der Achselhöhle)
Diese Anzeichen bedeuten nicht, dass es sich zwingend um Brustkrebs handelt. Um die genaue
Ursache festzustellen, sollte man die Brust jedoch ärztlich auf ein Mammakarzinom untersuchen
lassen, wenn diese Symptome auftreten.
DIAGNOSE
Jeden Verdacht auf Brustkrebs (Mammakarzinom) sollte die betroffene Frau ärztlich abklären
lassen – eine frühe Diagnose erhöht die Erfolgschancen der Therapie deutlich. Zunächst erfragt
der Arzt die Krankengeschichte (Anamnese) und tastet beide Brüste sowie die Achselhöhlen und
die Schlüsselbeingruben genau ab. Danach folgen zunächst eine Ultraschalluntersuchung
(Sonographie) sowie eine Röntgenuntersuchung der Brust (Mammographie).
Mithilfe der Mammographie lassen sich gutartige von bösartigen Veränderungen abgrenzen,
Grösse und Anzahl der Veränderungen bestimmen und Mikroverkalkungen erkennen. Mikrokalk
sammelt sich in den Gängen des Brustdrüsengewebes an und ist ein indirekter Hinweis für einen
möglicherweise noch sehr kleinen Tumor. Mikrokalk ist aber nicht immer ein Hinweis auf
Brustkrebs: In etwa 80 Prozent der Fälle ist kein Mammakarzinom vorhanden.
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Eine Ultraschalluntersuchung in Kombination mit der Mammographie erhöht die Sicherheit der
Brustkrebs-Diagnose. Um endgültig sagen zu können, ob die Veränderungen gut- oder bösartig
sind, entnimmt der untersuchende Arzt mit einer Nadel eine Gewebeprobe (Biopsie). Mögliche
Verfahren hierbei sind:
Der Pathologe untersucht das Gewebe anschliessend auf Krebszellen. Mithilfe der
mikroskopischen Gewebeuntersuchung (Histologie) kann der Arzt Brustkrebs nicht nur
feststellen – liegt ein Mammakarzinom vor, erhält er gleichzeitig auch Aufschluss über den
Tumortyp und den Grad seiner Aggressivität (sog. Grading).
Patientinnen mit einem Mammakarzinom und einem hohen Risiko für Metastasen
(Tochtergeschwulsten), zum Beispiel in Lunge, Leber oder Knochen, müssen sich weiteren
Untersuchungen unterziehen. Hierzu zählen beispielsweise eine Röntgenuntersuchung der
Lunge, die nuklearmedizinische Untersuchung der Knochen (Knochenszintigraphie) und eine
Ultraschalluntersuchung der Leber, die Hinweise auf möglicherweise vorhandene
Tochtergeschwulste geben.
Die Tumormarker CEA und CA 15-3 sind körpereigene Stoffe, die im Zusammenhang mit
Brustkrebs vermehrt im Blut auftreten. Diese bestimmt der Arzt vor allem im Verlauf einer
Krebserkrankung. Diese Werte können darauf hinweisen, ob ein Mammakarzinom unter
Umständen wieder aufgetreten ist (sog. Rezidiv).
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Die Ergebnisse aller Untersuchungen erlauben es, den Tumor in das sogenannte TNM-Schema –
Tumorgrösse, Lymphknotenbefall (engl. node = Knoten), Metastasenbildung – einzuordnen, aus
dem sich wiederum eine Einteilung in Stadien ergibt. Diese Stadieneinteilung bestimmt
zusammen mit der Gewebeuntersuchung (Histologie) zum einen die Prognose der
Krebserkrankung, zum anderen entscheidet sie über die Behandlungsstrategie.
Stellt der Arzt ein sogenanntes duktales Karzinom in situ (DCIS) als Diagnose fest, bedeutet dies,
dass in den Milchgängen Vorstufen eines Mammakarzinoms vorhanden sind oder sehr eine sehr
frühe Brustkrebsform. Der Tumor ist noch auf die Milchgänge beschränkt und wächst nicht in
anderes Gewebe hinein. In diesem frühen Stadium kann der Brustkrebs noch keine
Tochtergeschwulste (Metastasen) bilden.
Die DCIS-Diagnose stellt der Arzt mithilfe der Mammographie: Auf dem Mammogramm erkennt
er winzige Kalkablagerungen (Mikrokalk), wenn ein DCIS vorhanden ist. In diesem Fall entnimmt
der Arzt etwas Gewebe (Biopsie), um die DCIS-Diagnose zu sichern.
Auch in den Milchdrüsen können Vorstufen und frühe Brustkrebsformen auftreten. Mediziner
sprechen dann von einem lobulären Karzinom in situ (LCIS). Die LCIS-Diagnose erfolgt auf
dieselbe Weise wie die DCIS-Diagnose über eine Mammographie und eine Biopsie.
Inflammatorisches Karzinom
Eine besondere Form von Brustkrebs ist das entzündliche (inflammatorische) Karzinom: Dabei
brechen Tumorzellen in die unter der Haut gelegenen Lymphbahnen ein und verursachen einen
Lymphstau mit Schwellung ausgedehnter Hautbereiche. Die Haut ähnelt dann dem Aussehen
einer Orange (Orangenhaut) oder zeigt eine entzündungsähnliche Rötung. Das inflammatorische
Karzinom erfordert eine intensive Chemotherapie mit einer anschliessenden Operation
und/oder Bestrahlung.
THERAPIE
Bei Brustkrebs (Mammakarzinom) sind für die Wahl der optimalen Therapie folgende Faktoren
ausschlaggebend:
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Neben der Operation und der Strahlentherapie haben sich bei Brustkrebs auch die sogenannte
adjuvante (ergänzende) beziehungsweise neoadjuvante Chemotherapie sowie die
Hormontherapie etabliert und die Heilungschancen deutlich erhöht. Eine adjuvante Brustkrebs-
Therapie ist der sogenannten Primärtherapie (z.B. Operation) nachgeschaltet. Die neoadjuvante
Therapie beim Mammakarzinom erfolgt dagegen vor der Operation und hat zum Ziel, den
Brustkrebs vor dem Eingriff zu verkleinern.
Adjuvante Therapie
Die ergänzende (adjuvante) Therapie hat das Ziel, im Körper möglicherweise verbliebene
Krebszellen zu vernichten, damit Brustkrebs (Mammakarzinom) nicht erneut auftritt
(rezidiviert). Sie schliesst sich an die Primärtherapie (meist eine Operation) an. Es gibt
verschiedene Möglichkeiten, bei Brustkrebs eine adjuvante Therapie durchzuführen. Der Arzt
setzt sie abhängig vom Krankheitsstadium ein – bei Frauen mit einem sehr geringen
Rezidivrisiko kann er zum Beispiel oft darauf verzichten.
Die adjuvante Therapie kann aus einer Hormon- und/oder Chemotherapie bestehen. Welches
Therapieverfahren bei einem Mammakarzinom das richtige ist, hängt in erster Linie von der
Tumorgrösse ab und davon, ob sich der Krebs schon in die Lymphknoten ausgebreitet hat.
Weitere Kriterien sind die Hormonempfindlichkeit des Tumors sowie der Menopausen-Status
der Patientin – also ob sie bereits in den Wechseljahren ist beziehungsweise war oder nicht.
Brusterhaltende Operation
Durch Einsatz von Chemo- und/oder Strahlentherapie ist es für die Chirurgen heutzutage
meistens möglich, eine brusterhaltende Operation durchzuführen.
Das Risiko, dass der Tumor wieder auftritt (Rezidiv), ist nach einer brusterhaltenden Operation
im Vergleich zu einer kompletten Brustentfernung zwar erhöht – lässt sich durch die
anschliessende Bestrahlung des verbleibenden Brustgewebes jedoch wieder deutlich senken.
Auch die Langzeit-Überlebensraten bei einem Mammakarzinom verbessern sich durch eine
Strahlentherapie erheblich. Daher schliesst sich an eine brusterhaltende Operation auch eine
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Bestrahlung an.
Für die Brustkrebs-Therapie ist es auch entscheidend, ob sich der Krebs schon in Lymphknoten
in der Achselhöhle (axilläre Lymphknoten) ausgebreitet hat. Um dies festzustellen, kommen
zwei Vorgehensweisen infrage: Entweder entnimmt und untersucht der Arzt direkt mehrere
Lymphknoten und untersucht sie. Alternativ wählt er die sogenannte Sentinel-Node-Biopsie:
Dabei spritzt der Arzt der betroffenen Frau vor der Operation eine radioaktiv markierte Substanz
(Radionuklid) in die Nähe des Tumorgewebes und prüft anschliessend mit einem Messgerät, ob
sich der radioaktive Stoff in einem Lymphknoten angereichert hat. Der erste Lymphknoten, der
das Radionuklid speichert, wird Wächterlymphknotenoder englisch Sentinel-Node genannt. Er
wird entfernt und umgehend untersucht. Nur wenn er von Krebszellen befallen ist, entfernt der
Arzt auch die anderen Lymphknoten.
Strahlentherapie
Auch die Strahlentherapie ist ein wichtiger Bestandteil der Brustkrebs-Therapie. Der Arzt setzt
sie als ergänzende Therapie nach einer brusterhaltenden Operation ein und wenn er nicht
ausschliessen kann, dass sich noch Tumorreste in der Brust befinden. Sie dient dazu, eventuell
verbliebene Krebszellen abzutöten und senkt so die Gefahr, dass der Krebs wieder auftritt. Nach
brusterhaltender Operation vermindert die Bestrahlung das Risiko für einen Krankheitsrückfall
(Rezidiv) von etwa 30 Prozent ohne adjuvante Bestrahlung auf 5 bis 10 Prozent mit einer
Strahlentherapie.
Nach einer kompletten Entfernung der Brust (Radikaloperation) prüft der behandelnde Arzt
individuell, ob eine Strahlentherapie notwendig ist. Sie macht unter anderem dann Sinn, wenn
der Tumor sehr gross war oder wenn der Krebs den Brustmuskel oder die Haut befallen hat.
Die Strahlenbehandlung bei Brustkrebs dauert meist etwa sechs Wochen. Betroffene werden
dazu an vier bis fünf Tagen pro Woche bestrahlt. Die einzelne Bestrahlung dauert nur wenige
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Minuten und können meistens ambulant durchgeführt werden. Die Strahlentherapie beim
Mammakarzinom ist nicht schmerzhaft, doch sie kann die Haut reizen und Rötungen
hervorrufen. Gegen Ende der Strahlenbehandlung sind die Patientinnen häufig körperlich
erschöpft und fühlen sich müde. Bleibende Veränderungen, wie eine Verfärbung der Haut sowie
kleine, spinnenartig erweiterte Blutgefässe im Strahlenfeld kommen selten vor.
Abhängig vom Befund der Gewebeuntersuchung, entscheidet der behandelnde Arzt bei jeder
Brustkrebs-Patientin individuell, ob es erforderlich ist, neben der Bestrahlung der Brust und der
Brustwand auch noch weitere Körperbereiche zu bestrahlen, zum Beispiel die
Lymphabflusswege in der Achselhöhle und in der Schlüsselbeingrube.
Ergänzend zur Strahlentherapie von aussen, werden manche Tumorreste auch von innen
bestrahlt. Dazu setzt der Arzt direkt im Anschluss an die Operation eine kleine Strahlungsquelle
an der Stelle ein, an der der Tumor vorher sass. Diese Stelle wird dann mit einer sehr hohe
Strahlendosis – einem sogenannten «Boost» ¬– bestrahlt. Wenn die Operationswunden verheilt
sind, folgt die Strahlentherapie von aussen.
Chemotherapie
Die Chemotherapie bei Brustkrebs erfolgt mit sogenannten Zytostatika, die das Wachstum der
Krebszellen hemmen. Entweder verabreicht der Arzt die Medikamente über die Venen
(Infusion) oder die Patientin nimmt sie in Tablettenform ein. Bei Brustkrebs kommen vor allem
sogenannte Anthrazykline zum Einsatz; bei Lymphknoten-Metastasen in der Achselhöhle
gegebenenfalls zusätzlich Taxane. Anthrazykline zerstören die Erbinformation einer Zelle und
schädigen die Zellwand, so dass die Zelle nicht mehr teilungsfähig ist. Auch Taxane hemmen die
Zellteilung. Chemotherapeutika ziehen auch gesunde Zellen in Mitleidenschaft, insbesondere in
schnell wachsenden Geweben wie der Haut, dem Knochenmark, der Magen- und
Darmschleimhaut und den Haarwurzeln. Daher verursachen sie Nebenwirkungen (z.B.
Haarausfall, Magen-Darm-Beschwerden und geschwächte Abwehrkräfte). Mit modernen
Medikamenten lassen sich viele der Nebenwirkungen der Chemotherapie gegen das
Mammakarzinom jedoch relativ gut lindern.
Die Chemotherapie erfolgt in sogenannten Zyklen, das bedeutet, dass jeder Chemotherapie-
Behandlung eine therapiefreie Zeit von einer bis drei Wochen folgt. Dieses Vorgehen hat den
Vorteil, dass sich die Frau regelmässig von eventuellen Nebenwirkungen erholen kann.
Immuntherapie/Antikörpertherapie
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Viertel der Frauen mit Brustkrebs tragen die Tumoren spezielle Andockstellen – sogenannte
HER2-Rezeptoren – auf der Zelloberfläche. Ist dies der Fall, kann eine Immuntherapie eine
Behandlungsmöglichkeit sein. Ein spezieller Antikörper, der sich an die HER2-Rezeptoren bindet,
unterbindet ihr weiteres Wachstum. Das Immunsystem wird aktiviert und kann die Tumorzellen
angreifen.
Da der Antikörper sich gezielt gegen Krebszellen mit HER2-Merkmal richtet, vertragen die
meisten Betroffenen die Immuntherapie gut. Zu Beginn der Behandlung treten teilweise
grippeähnliche Beschwerden auf. Allerdings kann auch das Herz beeinträchtigt sein. Deshalb ist
es wichtig, regelmässig die Herzfunktion zu kontrollieren. Ärzte wenden die Immuntherapie
meist bei fortgeschrittenem Brustkrebs an – in der Regel in Kombination mit einer
Chemotherapie. Die Behandlung kann bei Brustkrebs mit dem besonderen Rezeptor aber auch
als adjuvante – also begleitende – Behandlung sinnvoll sein.
Tochtergeschwulste (Metastasen) betreffen bei Brustkrebs häufig die Knochen. Dadurch ist das
natürliche Gleichgewicht zwischen Auf- und Abbau des Knochens gestört und der Knochen ist
weniger stabil: Spontane (ohne äussere Einwirkung) Knochenbrüche können die Folge sein.
Wird viel Knochensubstanz abgebaut, gelang viel Kalzium ins Blut – eine hohe Konzentration
dieses Minerals im Blut kann sich auf den gesamten Stoffwechsel nachteilig auswirken, zum
Beispiel auf die Funktion von Herz und Nieren. Bestimmte Medikamente, die Bisphosphonate,
vermindern den Abbau des Knochens . Bisphosphonate erhalten Frauen mit Mammakarzinom
und Knochenmetastasen als Tabletten (oral) oder als Infusionen über die Vene (intravenös).
Hormontherapie
Ungefähr zwei Drittel aller Brustkrebstumoren sind hormonabhängig, das heisst bestimmte
körpereigene Botenstoffe regen die Krebszellen zum Wachstum an. Der wichtigste ist das
weibliche Sexualhormon Östrogen. Das bedeutet umgekehrt, dass sich das Wachstum des
Tumors durch eine Hormontherapie, also die Gabe von Substanzen, welche die Wirkung der
Hormone unterbinden, bremsen lässt. Ist eine Chemotherapie notwendig, sollte die
Hormontherapie erst beginnen, nachdem die Chemotherapie abgeschlossen ist.
Wenn der Tumor hormonpositiv ist – also auf Hormone reagiert, erfolgt eine Hormontherapie.
Zur Hormontherapie von Brustkrebs (Mammakarzinom) stehen verschiedene Substanzen zur
Verfügung, die sich in ihrer Wirkungsweise unterscheiden. Ein häufig eingesetzter Wirkstoff ist
das Antiöstrogen Tamoxifen. Es besetzt die Östrogenrezeptoren auf den Zellen und verhindert
dadurch, dass Östrogen andockt. Das Prinzip heisst kompetitive Hemmung.
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Tamoxifen ist für Frauen vor und nach der der letzten Regelblutung (Menopause) geeignet.
Meistens erhalten es Frauen mit Mammakarzinom nach den Wechseljahren. Die
Hormontherapie erstreckt sich dann über etwa fünf Jahre und ist im Allgemeinen gut
verträglich. Potenzielle Nebenwirkungen von Tamoxifen sind beispielsweise Hitzewallungen,
Schweissausbrüche sowie ein erhöhtes Risiko von Blutgerinnseln (Thrombosen), Embolien und
Gebärmutterschleimhautkrebs (Endometriumkarzinom).
Eine erweiterte Therapiemöglichkeit bei hormonpositivem Brustkrebs ist die Behandlung mit
sogenannten Aromatasehemmern wie Letrozol. Aromatasehemmer sind Substanzen, die das
Enzym Aromatase hemmen, das für die Bildung von Östrogen ausserhalb der Eierstöcke von
Bedeutung ist. Dieser Wirkstoff eignet sich vor allem für Frauen, die nach den Wechseljahren
(postmenopausal) an Brustkrebs erkrankt sind.
Östrogen entsteht vor allem in den Eierstöcken. Deshalb besteht eine weitere, zusätzliche
Behandlungsmöglichkeit von hormonpositivem Brustkrebs darin, die Produktion von Östrogen
und Progesteron in den Eierstöcken medikamentös auszuschalten. Ausserdem ist es möglich, die
Eierstockfunktion mittels Bestrahlung oder operativ zu unterbinden.
Radikaloperation
Die Radikaloperation (Mastektomie), also die Entfernung der gesamten Brust, war einst die
gängige Therapie von Brustkrebs. Seit es möglich ist, den Tumor mit einem bestimmten
Sicherheitsabstand gezielt zu entfernen, kommt die radikale Mastektomie beim
Mammakarzinom nur noch selten zum Einsatz.
Der Tumor ist nicht zu gross.Es sind mehrere Krebsherde in einer Brust vorhanden.Es besteht
ein ungünstiges Verhältnis zwischen Tumorgrösse und Restbrustgewebe.Eine Bestrahlung ist
nicht möglich. Es handelt sich um ein entzündliches (inflammatorisches) Karzinom.
VORBEUGEN
Einer Brustkrebs-Erkrankung kann man nur bedingt vorbeugen, indem man bestimmte
Risikofaktoren meidet. Übergewicht (Adipositas) sowie übermässiger Alkoholgenuss und
Rauchen können begünstigen, dass ein Mammakarzinom entsteht. Hormone zur Linderung von
Beschwerden während der Wechseljahre sollten betroffene Frauen nur unter strenger ärztlicher
Kontrolle und möglichst zeitlich begrenzt einnehmen.
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Reihenuntersuchungen (Screening)
Seit 2004 gehört in der Bundesrepublik die Mammographie (Röntgenuntersuchung der Brust)
als flächendeckende Reihenuntersuchung (Screening) für alle Frauen zwischen dem 50. und 70.
Lebensjahr zu den gängigen Vorsorgeuntersuchungen. Die Krankenkassen übernehmen die
Kosten.
Ein Wiederaufbau der Brust, also eine Brustrekonstruktion, bietet sich zum Beispiel nach einem
ausgedehnten Eingriff wie der Radikaloperation (Entfernung der gesamten Brust) an. Ein
Wiederaufbau ist aber auch nach einer brusterhaltenden Operation möglich. Die Rekonstruktion
lässt sich sowohl sofort im Anschluss an die Operation als auch Monate oder Jahre später
durchführen. Der Zeitpunkt der Rekonstruktion und die Wahl des Verfahrens hängen wesentlich
von den jeweiligen Umständen der Nachbehandlung sowie vom Wunsch der Patientin ab.
Rekonstruktion der Brust mit körpereigenem Gewebe, etwa Muskelgewebe oder Gewebe aus
der Bauchdecke mit Silikon beziehungsweise Kochsalzlösung gefüllte Kunststoffkissen als
Prothesen
Bei beiden Methoden der Wiederherstellung der Brust ist das kosmetische Ergebnis bereits kurz
nach der Operation gut. Die künstlichen Prothesen haben den Nachteil, dass Frauen sie
manchmal nach einiger Zeit als Fremdkörper in der Brust wahrnehmen.
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Nachsorge
Nach einer Brustkrebs-Erkrankung ist neben der medizinischen Betreuung auch die soziale und
seelische Unterstützung wichtig. Hier können Gespräche mit dem Arzt sowie mit Angehörigen
und Freunden, gegebenenfalls auch mit einem Psychologen oder Psychotherapeuten, hilfreich
sein. Unterstützung bieten ausserdem zahlreiche Selbsthilfegruppen, in denen man sich mit
anderen Betroffenen, die ein Mammakarzinom haben oder hatten, austauschen kann.
Rehabilitation
Nach der Entfernung der Lymphknoten aus der Achselhöhle kann der Arm auf der operierten
Seite anschwellen, weil die Flüssigkeit aus dem Lymphsystem (Lymphe) nicht abfliessen kann
(Lymphödem). Bisher gingen viele Experten davon aus, dass man der Schwellung durch
Schonung des Arms bedingt vorbeugen kann und Betroffene schweres Heben oder Tragen,
ebenso wie grosse Hitze- und Kälteeinwirkung, vermeiden sollten. Neueren Erkenntnissen
zufolge wirkt sich langsam gesteigertes Gewichtheben nicht negativ auf die Symptomatik der
Lymphödeme aus, sondern verbessert die Knochenstabilität und reduziert überflüssiges
Körperfett.
Hilfen bei der beruflichen und sozialen Rehabilitation, Angebote für Kuren und weitere
Unterstützung bei einem Mammakarzinom können Sie bei psychosozialen Beratungsstellen und
den Krankenkassen erfragen.
14.Blasenentzündung (ZYSTITIS)
Jede zweite Frau kennt die typischen Symptome: Brennen beim Wasserlassen, Schmerzen im
Unterbauch während des Toilettengangs und ständiger Harndrang.
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Bei einer Zystitis ist die Schleimhaut oder die gesamte Wand der Harnblase entzündet.
Mediziner unterscheiden je nach Verlauf die akute und die chronische (d.h. immer
wiederkehrende) Blasenentzündung.
Die Harnblase bildet zusammen mit Harnröhre, Harnleitern und Nieren den sogenannten
Harntrakt, wobei Harnröhre und Blase die unteren Harnwege und Harnleiter und Nieren die
oberen Harnwege ausmachen. Daher ist die Blasenentzündung, die man auch als Blasenkatarrh
bezeichnet, ebenso wie die Harnröhrenentzündung (Urethritis) ein unterer Harnwegsinfekt.
Eine Blasenentzündung hat ihre Ursachen meistens in einer Infektion mit Bakterien. Vor allem
das Bakterium Escherichia coli nistet sich gerne in die Harnwege ein, wandert in die Blase und
führt dort zu einer Entzündung. Aber auch Viren, Pilze und Würmer können hinter einer
Infektion der Harnblase stecken.
Männer bleiben von einer Zystitis weitestgehend verschont. Der Grund: Beim Mann ist die
Harnröhre länger als bei der Frau, wodurch die Krankheitserreger nicht so leicht bis in die
Harnblase vordringen und zu einer Entzündung des Organs führen können.
Da die meisten Blasenentzündungen durch Bakterien entstehen, sind in der Regel Antibiotika
die wirksamsten Mittel gegen eine Blasenentzündung: Mit ihrer Hilfe gelingt es, die Entzündung
schnell und wirksam zu heilen. Ausserdem ist es ratsam, ausreichend zu trinken und sich gut zu
wärmen. Wenn ein gestörter Harnabfluss hinter der Blasenentzündung steckt, zielt die
Behandlung ausserdem darauf ab, die Ursache hierfür (z.B. Blasensteine oder eine
Prostatavergrösserung) zu beseitigen.
Allgemein gilt: Wer viel trinkt, regelmässig zur Toilette geht, sich besonders in der kalten
Jahreszeit warm anzieht und bestimmte Hygieneregeln beachtet, schützt seine Blase vor
Krankheitserregern und kann so einer Zystitis weitgehend vorbeugen. Unterstützend wirkt auch
der Saft der Cranberry-Frucht. Denn Cranberrys enthalten Stoffe, die verhindern können, dass
sich die Bakterien in den Schleimhäuten einnisten und dort eine Blasenentzündung auslösen.
DEFINITION
Eine Blasenentzündung (Zystitis), auch als Blasenkatarrh bezeichnet, ist eine Entzündung der
Schleimhaut (Urozystitis) oder der gesamten Wand (Panzystitis) der Harnblase. Solche
Blasenentzündungen können akut auftreten oder chronisch immer wiederkehren. Meistens ist
eine Blasenentzündung unkompliziert: Eine unkomplizierte Zystitis liegt per Definition vor, wenn
die Entzündung akut verläuft,Funktion und Anatomie des Harntrakts normal sind,die Nieren
ungestört arbeiten undkeine begünstigenden Begleiterkrankungen (wie Diabetes mellitus)
vorliegen.
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Der sogenannte Harntrakt setzt sich zusammen aus Harnblase, Harnröhre, Harnleitern und
Nieren, wobei Harnröhre und Blase die unteren Harnwege und Harnleiter und Nieren die
oberen Harnwege bilden. Demnach ist die Blasenentzündung ebenso wie die
Harnröhrenentzündung (Urethritis) ein unterer Harnwegsinfekt.
Die Erreger der Blasenentzündung gelangen über die Harnröhre in die Blase. Daher verursachen
untere Harnwegsinfekte typischerweise nur im unteren Teil des Harntrakts Beschwerden, zum
Beispiel Schmerzen beim Wasserlassen (Dysurie), starken Harndrang, häufiges Wasserlassen in
kleinen Mengen oder Schmerzen im Unterbauchbereich.
Steigen die Erreger der Blasenentzündung jedoch von der Harnblase über die Harnleiter weiter
auf, können sie zu einer Nierenbeckenentzündung (sog. oberer Harnwegsinfekt) führen und in
schweren Fällen eine Blutvergiftung (Urosepsis) auslösen.
Häufigkeit
Das Risiko für eine Blasenentzündung nimmt in der Schwangerschaft zu, weil der Harn nur noch
relativ langsam durch die Harnwege durchfliessen kann. Der Harn staut sich mehr an, Keime
verbleiben länger in der Harnblase und erhöhen das Risiko einer Infektion. Etwa 5 Prozent der
schwangeren Frauen entwickeln eine Zystitis.
Eine durch Bakterien ausgelöste Blasenentzündung ist bei Männern vor dem 50. Lebensjahr
eher selten, denn Männer haben eine längere Harnröhre als Frauen, so dass Krankheitserreger
nicht so leicht bis in die Harnblase vordringen können. Ab dem 50. Lebensjahr nimmt bei
Männern die Häufigkeit der bakteriellen Blasenentzündung allerdings zu. Der Grund: Beim
Mann über 50 entwickeln sich häufiger Prostataerkrankungen. Hierbei vergrössert sich die
Prostata in der Regel und engt die Harnröhre ein. Dies behindert den Harnabfluss, sodass sich
neben Urin (Restharn) auch vermehrt Krankheitserreger in der Blase und Harnröhre sammeln
und Infekte der Harnwege auslösen können.
URSACHEN
Für eine Blasenentzündung (Zystitis) kommen verschiedene Erreger als Ursachen infrage. Die
meisten Blasenentzündungen sind auf Infektionen mit Bakterien zurückzuführen. In seltenen
Fällen verursachen Viren, Pilze oder Würmer eine Entzündung der Blase. Eine chronische
Blasenentzündung kann entweder eine Neuinfektion oder eine noch nicht völlig ausgeheilte,
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Bakterien
Eine bakterielle Blasenentzündung (Zystitis) hat ihre Ursachen häufig in Bakterien, die aus der
Darmflora stammen und über die Harnröhre zur Blase aufsteigen. Dabei handelt es sich meist
um das Bakterium Escherichia coli: Es ist für 80 Prozent aller Infektionen der Harnblase durch
Bakterien verantwortlich. Aber auch andere Bakterien können eine Blasenentzündung auslösen,
zum Beispiel Enterokokken, Proteus und Staphylokokken.
Die durch Bakterien ausgelöste Blasenentzündung betrifft vorwiegend Frauen. Dies hat zwei
Ursachen:
ist die Harnröhre kürzer als beim Mann – und damit auch der Weg für die Bakterien bis zur
Harnblase.liegt die Öffnung der Harnröhre näher am After als beim Mann.
Die Bakterien gelangen in der Regel über eine sogenannte Schmierinfektion vom After oder
Stuhl in die Harnröhre. Zu Schmierinfektionen kommt es zum Beispiel beim Geschlechtsverkehr.
Dies ist die Ursache dafür, dass sexuell aktive Frauen häufiger eine bakterielle
Blasenentzündung haben. Eine akute Blasenentzündung bei Frauen, die häufig
Geschlechtsverkehr haben, bezeichnet man auch als Honeymoon-Zystitis (Flitterwochen-
Blasenentzündung).
Nur selten entsteht eine Blasenentzündung (Zystitis) nicht durch Bakterien, sondern hat andere
Ursachen – und zwar Viren, Pilze oder Würmer. Mögliche nicht-bakterielle Auslöser sind zum
Beispiel:
Adenoviren und Polyoma: Sie sind meist die Ursache für eine blutige Blasenentzündung
(hämorrhagische Zystitis)Candida albicans: Dieser Pilz siedelt sich besonders in den Harnwegen
von Menschen an, deren Immunabwehr geschwächt ist oder die mit bestimmten Antibiotika
einnehmen.Eine spezielle Form der chronischen Blasenentzündung ist die sogenannte
granulomatöse Zystitis (Granulom = Knötchen). Sie entsteht als Folge einer bestimmten
Wurmerkrankung (der Schistosomiasis oder Bilharziose), die in den Tropen und Subtropen weit
verbreitet ist.
Risikofaktoren
Eine Blasenentzündung (Zystitis) hat ihre Ursachen nicht alleine in den jeweiligen Erregern – bei
ihrer Entstehung spielen auch verschiedene Risikofaktoren eine wichtige Rolle, die den Abfluss
des Harns aus der Harnblase stören und so Blasenentzündungen begünstigen, denn: Bei einer
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Harnabflussstörung können Bakterien leichter eine Blasenentzündung auslösen, weil der Harn in
diesen Fällen länger in der Harnblase und in den Harnleitern verweilt. Die Erreger haben so
mehr Zeit, sich anzusammeln und in der Blase eine Entzündung auszulösen.
Ein gestörter Harnabfluss kann verschiedene Ursachen haben. Zu den Risikofaktoren für
Harnabflussstörungen und somit für die Entstehung einer Blasenentzündung gehören:
Auch Schäden an den Nerven können die Funktion der Blasenentleerung beeinträchtigen und so
Risikofaktoren für die Entstehung einer Blasenentzündung sein. Zu den möglichen Ursachen
solcher Nervenschädigungen gehören Querschnittslähmungen oder ein Diabetes mellitus
(Zuckerkrankheit).
Zu den Risikofaktoren für eine Blasenentzündung gehört ausserdem die Schwangerschaft, denn:
Während einer fortgeschrittenen Schwangerschaft kann der Harn häufig nur noch relativ
langsam durch die Harnwege abfliessen. Die Folge: Der Harn staut sich an, Keime bleiben länger
in der Harnblase und können so leichter eine Blasenentzündung verursachen.
Ein erhöhtes Risiko für eine Blasenentzündung kann aber auch andere Ursachen als
Harnabflussstörungen haben. Weitere Risikofaktoren für eine bakterielle Blasenentzündung
sind:
Einige Menschen bleiben von einer Blasenentzündung weitgehend verschont, weil bestimmte
erblich bedingte Faktoren sie vor den entzündungsauslösenden Bakterien schützen. Ihnen
fehlen spezielle Andockstellen (Rezeptoren) in den Schleimhäuten der Harnwege. Die Bakterien
brauchen diese Rezeptoren, um über eine Art Haftmechanismus in die Schleimhäute zu
gelangen und eine Entzündung auszulösen. Mediziner bezeichnen diese speziellen Rezeptoren
als P-Blutgruppenantigene. Fehlen diese P-Blutgruppenantigene, ist das für die Bakterien so, als
würden sie versuchen, mit einem Schiff an einem Land ohne Hafen anzulegen.
SYMPTOME
Die Blasenentzündung (Zystitis) ist ein sogenannter unterer Harnwegsinfekt – ihre Symptome
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bleiben also typischerweise auf den unteren Teil des Harntrakts beschränkt. Häufige Anzeichen
für eine akute Blasenentzündung sind:
Brennen beim Wasserlassen und das Gefühl, dabei gegen einen Widerstand auspressen zu
müssen,ständiger Harndrang, wobei die Betroffenen bei jedem Toilettengang nur kleine
Mengen Urin ausscheiden (sog. Pollakisurie), sowieSchmerzen im Bereich des Unterbauchs, die
durch das krampfartige Zusammenziehen der Harnblase während des Wasserlassens entstehen.
Mitunter befindet sich bei einer akuten Zystitis Blut im Urin (Hämaturie). Wenn die Entzündung
von der Harnblase auf die Nieren oder die Prostata übergreift, können neben den Anzeichen der
Blasenentzündung weitere Symptome wie Fieber und Rückenschmerzen beziehungsweise
Schmerzen in den Flanken hinzukommen.
DIAGNOSE
Bei einer Blasenentzündung (Zystitis) erfolgt die Diagnose in erster Linie anhand der
geschilderten Symptome und einer Urinuntersuchung.
Die Blasenentzündung ist – ebenso wie die Harnröhrenentzündung (Urethritis) – ein unterer
Harnwegsinfekt: Die Harnblase bildet zusammen mit der Harnröhre die unteren Harnwege,
während Harnleiter und Nieren den oberen Harntrakt ausmachen. Wenn die Symptome auf die
unteren Harnwege beschränkt sind (z.B. Schmerzen beim Wasserlassen, starker Harndrang,
häufiges Wasserlassen in kleinen Mengen oder Schmerzen im Unterbauchbereich), ist bei der
Diagnose davon auszugehen, dass eine untere Harnwegsinfektion vorliegt.
Bei der Urinuntersuchung ist bereits ein eitriger, blutiger oder faul riechender Urin ein
deutlicher Hinweis auf eine Blasenentzündung. Wenn der Verdacht zutrifft, kann der Arzt bei
der weiteren Diagnose in der Regel im Urin Folgendes feststellen:
Auch infolge einer Chemotherapie, einer Bestrahlung (sog. radiogene Zystitis) und einer
Tuberkulose kann sich eine Blasenentzündung entwickeln. In diesen Fällen ist die Suche nach
Bakterien im Urin für die Diagnose allerdings nicht hilfreich, da sich in der Frühphase der
Infektion keine Bakterien im Urin finden.
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Dauert eine Blasenentzündung länger an oder tritt sie wiederholt auf, ist zur weiteren Diagnose
eine Blasenspiegelung (Zystoskopie) geeignet, um andere Ursachen wie einen gutartigen oder
eventuell bösartigen Blasentumor auszuschliessen. Während der Spiegelung ist es zudem
möglich, Gewebeproben zu entnehmen und diese untersuchen zu lassen (sog. Biopsie).
Eine Blasenentzündung kann auch als Folge einer Wurmerkrankung entstehen, die in den
Tropen oder Subtropen weit verbreitet ist (sog. Schistosomiasis). In dem Fall erfolgt die
Diagnose durch einen Erregernachweis. Die Eier der Würmer sind allerdings erst fünf bis zwölf
Wochen nach der Infektion im Urin nachweisbar.
THERAPIE
Meist ist eine Blasenentzündung (Zystitis) unkompliziert. Dann zielt die Therapie in erster Linie
darauf ab, die Symptome zu lindern. Welche Medikamente und sonstigen Massnahmen dabei
geeignet sind, hängt von der jeweiligen Ursache ab.
Bei einer Blasenentzündung (Zystitis) ist zwar ein Arztbesuch unbedingt empfehlenswert, um
die geeignete Therapie festzulegen – es gibt jedoch einiges, was Sie selbst tun können, um die
Behandlung zu unterstützen:
Trinken Sie viel, auch wenn das Wasserlassen durch die Blasenentzündung schmerzt. Denn wer
viel trinkt, spült die Harnwege durch und trägt dazu bei, diese von Bakterien zu befreien.Eine
Wärmflasche und Sitzbäder entspannen und können die Beschwerden einer Blasenentzündung
lindern.
Wenn Sie Anzeichen einer Blasenentzündung (Zystitis) verspüren, ist ein Arztbesuch in jedem
Fall empfehlenswert, denn: Eine erfolgreiche Therapie kann einiges nötig machen, was nur der
Arzt tun kann. Wenn Sie sich bei einer Blasenentzündung allein auf Hausmittel verlassen und
den Infekt durch die unzureichende Behandlung womöglich verschleppen, können die
ursächlichen Erreger von der Harnblase über die Harnleiter weiter aufsteigen und unter
Umständen eine Nierenbeckenentzündung (sog. oberer Harnwegsinfekt) und in schweren Fällen
eine Blutvergiftung (Urosepsis) auslösen.
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zu erneuten Infektionen.
Welches Antibiotikum Sie gegen Ihre Blasenentzündung verabreicht bekommen, hängt von
verschiedenen Faktoren ab – zum Beispiel davon, ob Sie zuvor schon eine Behandlung mit
Antibiotika durchgemacht haben, ob Sie eine gegen bestimmte Antibiotika allergisch sind oder
ob Sie schwanger sind. Eine grosse Rolle bei der Wahl der Mittel gegen Blasenentzündung spielt
die Frage, welche Erreger für Ihre Blasenentzündung verantwortlich sind: Dabei ist zu beachten,
dass sich viele Erreger gegen bestimmte Wirkstoffe mittlerweile wehren können – sie sind
resistent oder unempfindlich. Daher sind die entsprechenden Medikamente keine Hilfe mehr
bei der Behandlung einer Blasenentzündung.
Üblicherweise müssen Sie die Tabletten drei bis zehn Tage einnehmen. Nehmen Sie das
Medikament auf jeden Fall so lange, wie Ihr Arzt es Ihnen verordnet hat – wenn Sie es gut
vertragen. Andernfalls sollten Sie mit Ihrem Arzt Rücksprache halten und sich beraten.
Eine dauerhafte (chronische) oder immer wieder auftretende Blasenentzündung kann man
ebenfalls mit Antibiotika behandeln. Die verordneten Antibiotika sind in der Regel vier bis sechs
Wochen lang einzunehmen. Manche chronische Blasenentzündung erfordert eine Behandlung
über einen noch längeren Zeitraum. In solchen Fällen kommen dauerhaft Antibiotika zum
Einsatz.
Sehr unangenehm sind die bei einer Blasenentzündung oft krampfartigen Schmerzen beim
Wasserlassen. Um sie zu lindern, sind in der Regel krampflösende Schmerzmittel gut geeignet.
Wenn der Harnabfluss bei Ihnen gestört ist, ist es ratsam, die Ursachen hierfür beseitigen zu
lassen. Steckt beispielsweise eine Vergrösserung der Prostata hinter Ihrer Blasenentzündung,
kann eine Operation die Abflussstörung des Harns beheben.
Unterstützende Therapie
Ergänzend zur Antibiotikatherapie kommen pflanzliche Präparate infrage. Sie scheinen die
Heilung zu unterstützen, in dem sie in den Harnwegen desinfizierend wirken: Viele Heilpflanzen
besitzen bakterien- und virentötende Eigenschaften, die man bei einer Blasenentzündung
nutzen kann.
Aktuelle medizinische Leitlinien empfehlen diese Präparate nicht, da aus Sicht der
evidenzbasierten Medizin (EbM) bisher keine oder zu wenige aussagekräftige Studien zur
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klinischen Wirksamkeit der Mittel vorliegen. Für pflanzliche Präparate existiert teilweise über
lange Jahre in der praktischen Anwendung gewonnenes Wissen, und für eine Reihe von
Heilpflanzen gibt es sogenannte Monographien, in denen dieses Wissen bewertet und
dargestellt wird.
Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob es in Ihrem individuellen Fall angezeigt ist, solche
Arzneipflanzen einzunehmen. Die pflanzlichen Mittel sollten vor allem bei schweren Formen
einer Blasenentzündung (die z.B. mit Fieber einhergehen) Antibiotika oder andere synthetische
Medikamente nicht ersetzen. Vielmehr sind sie als Ergänzung anzusehen.
VERLAUF
Eine Blasenentzündung (Zystitis) nimmt meist einen gutartigen Verlauf: Rechtzeitig behandelt
heilt sie innerhalb weniger Tage wieder aus. In 25 bis 42 Prozent verschwinden die Beschwerden
einer unkomplizierten akuten Zystitis sogar von selbst; allerdings kann eine Antibiotik-
Behandlung die Heilungsrate noch deutlich steigern und gleichzeitig die Erreger beseitigen, so
dass es seltener zu erneuten Infektionen kommt.
Komplikationen
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Eine unkomplizierte Blasenentzündung, die sich nicht auf andere Organe ausbreitet, führt auch
bei wiederkehrendem Verlauf in der Regel nicht zu schwerwiegenden Komplikationen. Wenn die
Zystitis jedoch dauerhaft immer wieder auftritt und die ganze Wand der Blase betrifft, kann dies
mit der Zeit das Organ schädigen: Das Gewebe der Blase kann durch die chronische
Blasenentzündung absterben (sog. Nekrose) und verkalken beziehungsweise verhärten. Im
weiteren Verlauf verkleinert sich die Harnblase (sog. Schrumpfblase). Nur in ganz schweren
Fällen ist es nötig, die Harnblase durch eine Operation zu entfernen und den Harn dann
künstlich abzuleiten.
VORBEUGEN
Einer Blasenentzündung (Zystitis) können Sie mit wenigen und einfachen Massnahmen wirksam
vorbeugen:
Trinken Sie viel! Damit spülen Sie ihre Harnblase und Harnwege gut durch und scheiden
Bakterien aus. Empfehlenswert sind etwa 1,5 bis 2 Liter pro Tag.Gehen Sie bei Harndrang
möglichst bald zur Toilette.Benutzen Sie für Ihre Intimpflege keine parfümierten oder
desinfizierenden Hygieneartikel.Besonders in der kalten Jahreszeit gilt: Ziehen Sie Kleidung an,
die Sie ausreichend wärmt. Bauchfreie Tops sollten zum Beispiel im Winter tabu sein.
Frauen sind aufgrund ihrer kürzeren Harnröhre anfälliger für eine Blasenentzündung als Männer
– sie können vorbeugend daher noch Folgendes beachten:
Nach dem Stuhlgang ist es empfehlenswert, sich immer von der Scheide zum After zu säubern.
Dadurch verhindern Sie, dass die schädlichen Bakterien in Ihre Harnröhre eindringen.Gehen Sie
nach jedem Geschlechtsverkehr möglichst bald zur Toilette. Damit spülen sie mögliche Keime
aus ihrer Harnröhre.Besonders nach Anal- oder Oralverkehr empfiehlt es sich, beim Wechsel zu
vaginalem Geschlechtsverkehr Kondome zu verwenden.Bestimmte Verhütungsmittel sind für
Frauen, die zu Blasenentzündungen neigen, nicht empfehlenswert. Ungünstig sind zum Beispiel
Diaphragmen und Vaginalzäpfchen, wohingegen Kondome besser vor den Erregern schützen.
Für Frauen, bei denen eine Zystitis chronisch immer wieder auftritt, stehen zum Vorbeugen von
Rezidiven folgende Massnahmen zur Verfügung:
Ergänzen Sie Ihre Ernährung mit Cranberry-Produkten, zum Beispiel Cranberrysaft. Cranberrys
enthalten Stoffe, die verhindern können, dass sich Bakterien in die Schleimhäute der Harnwege
einnisten und dort eine Entzündung auslösen.Unter Umständen kann Ihr Arzt Ihnen über einen
längeren Zeitraum Antibiotika verordnen (sog. Dauerbehandlung), um damit das wiederholte
Auftreten einer Blasenentzündung zu unterbinden. Ausserdem besteht die Möglichkeit,
Antibiotika nach dem Geschlechtsverkehr einzunehmen. Fragen Sie Ihren Arzt nach
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Zystitisprophylaxe
1 Definition
Als Zystitisprophylaxe bezeichnet man alle Maßnahmen, die dazu dienen, eine
Blasenentzündung (Zystitis) zu vermeiden.
2 Hintergrund
Eine Zystitis entsteht in der Regel infolge einer aszendierenden Infektion über die Harnröhre. Da
Frauen eine kürzere Harnröhre als Männer haben, ist bei ihnen die Gefahr eine Zystitis zu
bekommen größer.
3 Maßnahmen
Es gibt viele Maßnahmen, die dem Entstehen einer Zystitis vorbeugen. Beispiele sind:
Hygienemaßnahmen im Rahmen der Intimpflege (z.B. Wischen von Symphyse zum Anus)
ausreichende Flüssigkeitszufuhr
Miktionsdrang unmittelbar nachgeben
Hygienemaßnahmen bei liegendem Blasenkatheter einhalten
Kälte und Nässe im Intimbereich vermeiden
Adnexitis
ÜBERBLICK
Eine Adnexitis ist eine Entzündung von Eileiter und Eierstock, den Anhangsgebilden der
Gebärmutter. Im englischsprachigen Raum fasst man die Adnexitis mit anderen
Entzündungen im kleinen Becken unter pelvic inflammatory disease (PID), also
Unterleibsentzündung, zusammen. Die Adnexitis wird auch als das «Chamäleon» der
gynäkologischen Erkrankungen bezeichnet, denn die Symptome können von Frau zu Frau
sehr unterschiedlich sein.
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Eine Eileiterentzündung oder Eierstockentzündung tritt in der Regel beidseitig auf und
entsteht häufig nach einer Scheidenentzündung, deren Erreger, meist Bakterien, durch
Scheide und Gebärmutter in die Eileiter und Eierstöcke aufsteigen. Die Adnexitis tritt akut
oder chronisch auf. Im Gegensatz zur akuten Adnexitis, die plötzlich mit starken
Unterbauchschmerzen, Fieber und ausgeprägtem Krankheitsgefühl beginnt, treten bei der
chronischen Adnexitits weniger auffällige Beschwerden wie Druckgefühl und Schweregefühl
im Unterleib auf.
Wird eine Eileiterentzündung oder Eierstockentzündung nicht behandelt, kann die Krankheit
lange, auch unbemerkt, andauern – nicht zuletzt besteht die Gefahr einer bleibenden
Unfruchtbarkeit. In manchen Fällen können Spätfolgen wie Verwachsungen oder spätere
Eileiterschwangerschaften (Extrauteringravidität) auch dann auftreten, wenn die Behandlung
der Adnexitis ursprünglich erfolgreich war.
DEFINITION
Eine Adnexitis ist laut Definition eine Entzündung von Eileiter und Eierstock. Beide Organe
werden unter dem Begriff «Adnexe» zusammengefasst, was so viel wie
«Gebärmutteranhängsel» bedeutet. Die beiden Eileiter sind etwa bleistiftdicke Schläuche,
die seitlich von der Gebärmutter abgehen und mit ihrem freien trichterförmigen Ende den
Eierstöcken anliegen. Von dort nehmen sie nach dem Eisprung die Eizelle auf und
transportieren sie zur Gebärmutter. Eine Befruchtung der Eizelle findet bereits im Eileiter
statt.
Eine alleinige Eileiterentzündung bezeichnet man als Salpingitis, eine alleinige Entzündung
des Eierstocks als Oophoritis. Da eine isolierte Eierstockentzündung so gut wie nie
vorkommt, sondern eine Eierstockentzündung vorwiegend infolge einer Eileiterentzündung
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entsteht, wird allgemein nur von Adnexitis gesprochen. In der Regel sind auch beide Seiten
von einer Adnexitis betroffen.
Häufigkeit
URSACHEN
Infektionsweg
Aufsteigende Infektion
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Absteigende Infektion
Von einer deszendierenden Infektion spricht man, wenn die Erreger von entzündeten
Nachbarorganen, beispielsweise bei einer Entzündung des Blinddarms (Appendizitis) oder des
Dickdarms (Proktitis), auf die Adnexe «herabsteigen». Dies geschieht durch den engen
räumlichen Kontakt der Organe: Die Entzündung kann von dem einen Organ direkt auf das
andere übergreifen. Mediziner verwenden dafür den Begriff per continuitatem.
Krankheitserreger können aber auch über den Lymphweg zu den Adnexen gelangen.
In seltenen Fällen kommt es nach Bauchoperationen zur Adnexitits, beispielsweise nach einer
Entfernung des Blinddarms (Appendektomie). Die Infektion geht aus dem Operationsbereich in
der Umgebung der inneren Geschlechtsorgane auf die Adnexe Eileiter und Eierstöcke über.
Innere Blutergüsse und durch die Operation bedingte Gewebeschäden begünstigen diesen
Infektionsweg.
Hämatogene Infektion
Eine Infektion auf dem Blutweg (hämatogen) ist typisch für eine Adnexitis, die durch
Mycobacterium tuberculosis, den Erregern der Tuberkulose, verursacht wird.
SYMPTOME
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Bei einer Eileiterentzündung oder Eierstockentzündung (Adnexitis) hängen die Symptome davon
ab, wie weit die Entzündung sich ausdehnt und wie gut die Behandlung anschlägt. Man
unterscheidet zwischen akuter Andexitis und chronischer Adnexitis.
15. ADNEXITITIS
Die akute Adnexitis beginnt mit plötzlich einsetzenden starken Schmerzen im Unterbauch. Der
Bauch ist aufgetrieben und die Bauchdecke ist gespannt. Das Allgemeinbefinden ist stark
beeinträchtigt. Die Erkrankten haben oft Fieber – vor allem wenn die Eileiterentzündung und
Eierstockentzündung durch bestimmte Bakterien hervorgerufen wird (zum Beispiel Gonokokken
und Anaerobier). Allerdings spricht eine nur leicht erhöhte Temperatur nicht gegen eine akute
Adnexitis, vor allem bei einer Chlamydien-Infektion. Brechreiz und Übelkeit gehören ebenso zu
den Beschwerden der akuten Adnexitis wie Verstopfung oder Durchfälle. Schmerzen beim
Wasserlassen und Zwischenblutungen passen ebenfalls ins Beschwerdebild.
Häufig treten bei einer Eileiterentzündung und Eierstockentzündung (Adnexitis) auch folgende
Symptome auf:
eitriger Ausfluss aus der Scheidedie Gebärmutter ist oft vergrössert und druckschmerzhaftmit
zunehmender Krankheitsdauer sind die Eileiter und Eierstöcke (Adnexen) geschwollen und
ebenfalls druckschmerzhaftberührt oder bewegt der Arzt im Rahmen der gynäkologische
Untersuchung den Gebärmutterhals, empfinden die erkrankten Frauen dies als äusserst
schmerzhaft.
Chronisches Stadium
Von einer chronischen Adnexitis spricht man, wenn nach dem Abklingen der akuten
Eileiterentzündung und Eierstockentzündung weiterhin beziehungsweise erneut Symptome
auftreten. Sie sind entweder auf eine fortbestehende Entzündung bei nicht erfolgreicher
Therapie zurückzuführen oder aber die Folge von narbigen Veränderungen nach abgeheilter
Entzündung. Narben und Verwachsungen der Adnexe mit den Nachbarorganen können
uncharakteristische Schmerzen im Kreuz auslösen, die besonders häufig nach dem
Geschlechtsverkehr auftreten.
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DIAGNOSE
Bei einer Eileiterentzündung und Eierstockentzündung (Adnexitis) beginnt die Diagnose mit
einer Befragung durch den Arzt (Anamnese). Der Gynäkologe kann während der Untersuchung
Veränderungen feststellen, die auf eine Adnexitis hinweisen. Dazu gehört beispielsweise eine
vergrösserte und druckschmerzhafte Gebärmutter, Schmerz beim Bewegen des Muttermunds
(Portioschiebeschmerz) und Ausfluss (Fluor genitalis). Eine tastbare Vergrösserung ist zu Beginn
einer Eileiterentzündung oder Eierstockentzündung nicht und im Verlauf der Erkrankung nur bei
etwa der Hälfte der betroffenen Frauen feststellbar.
Um die Erreger nachzuweisen, nimmt der Arzt einen Abstrich vom Gebärmutterhals und lässt
ihn unter dem Mikroskop auf Erreger und vermehrte weisse Blutkörperchen (Leukozyten)
untersuchen. Ausserdem wird Abstrichmaterial in ein Labor zur kulturellen Anzüchtung der
Erreger und zur Resistenzbestimmung geschickt, um festzustellen, welche Antibiotika gegen die
Keime wirksam sind. Anhand einer Blutuntersuchung können sogenannte Entzündungszeichen
nachgewiesen werden. Dazu gehört eine beschleunigte
Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit sowie ein Anstieg der weissen Blutkörperchen
(Leukozytose).
Bei Eileiterentzündung und Eierstockentzündung setzt der Arzt zur Diagnose auch bildgebende
Verfahren ein. Im Ultraschall lassen sich verdickte Eileiter, Eiteransammlungen an den
Eierstöcken oder Abszesse und Flüssigkeit in der Bauchhöhle hinter der Gebärmutter erkennen.
Eine Spiegelung der Bauchhöhle (Laparoskopie) in Narkose ermöglicht eine direkte Beurteilung
der Eierstöcke und Eileiter sowie der benachbarten Organe. Auf diesem Weg kann auch
unmittelbar von der Oberfläche der Adnexe Material zum Erregernachweis entnommen
werden.
THERAPIE
Bei einer Eileiterentzündung oder Eierstockentzündung erfolgt die Therapie in erster Linie
konservativ mit Medikamenten und unterstützenden Methoden. Operative Verfahren sind
nötig, wenn es zu Komplikationen, zum Beispiel Abszessen (verkapselte Eiterherde), im
Beckenbereich kommt.
Konservative Therapie
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Sobald sich der Verdacht auf eine Eileiterentzündung oder Eierstockentzündung bestätigt hat,
leitet der behandelnde Arzt eine Antibiotika-Therapie ein. Sie beginnt normalerweise mit einem
Breitband-Antibiotikum, also einem gegenüber mehreren Erregern wirksamen Präparat. Sind
der auslösende Erreger und mögliche Resistenzen bekannt, wählt der Arzt das am besten
wirksame Präparat aus.
Neben Antibiotika werden Medikamente eingesetzt, die antiphlogistisch wirken, also dem
Entzündungsprozess entgegenwirken, und die eine schmerzlindernde (analgetische) Wirkung,
haben. Dazu gehören beispielsweise die nichtsteroidalen Antiphlogistika wie Diclofenac.
Die Behandlung dauert in der Regel bis zu 20 Tage und sollte auch nach Abklingen der akuten
Beschwerden nicht unterbrochen werden, damit die Adnexitis komplett ausheilen kann und es
nicht zur Unfruchtbarkeit kommt. Ausserdem ist eine ausreichende Behandlungsdauer wichtig,
damit sich keine Erreger vermehren, die gegen das Antibiotikum resistent sind.
Unterstützende Therapie
Besonders bei Fieber ist es wichtig, dass die Betroffenen viel Flüssigkeit zu sich nehmen – in
Form von Getränken oder auch als Infusionen.
Operative Therapie
Eine operative Therapie der Adnexitis ist nötig, wenn im akuten oder chronischen Stadium
Komplikationen auftreten, die sich mit konservativen Massnahmen nicht behandeln lassen.
Im akuten Stadium
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Im chronischen Stadium
VERLAUF
Ein chronischer Adnexitis-Verlauf hat für die betroffenen Frauen langwierige Beschwerden, wie
beispielsweise Schmerzen, zur Folge und kann zu einer bleibenden Unfruchtbarkeit führen.
Bei Eileiterentzündung und Eierstockentzündungen ist für den Verlauf entscheidend, dass die
Betroffene schnell eine Therapie mit geeigneten Antibiotika erhält.
VORBEUGEN
Sie können einer Eileiterentzündung oder Eierstockentzündung (Adnexitis) vorbeugen. Dabei ist
eine gute Sexual- sowie persönliche Hygiene wichtig. Indem Sie Kondome verwenden, schützen
Sie sich vor einer Scheidenentzündung, die häufig eine Voraussetzung der Adnexitis ist.
ALKOHOLKRANKHEIT (Alkoholismus)
Die Alkoholkrankheit ist die Abhängigkeit von der psychotropen Substanz Ethanol.
Symptome
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100
Die Beschaffung und der Konsum von Alkohol bestimmen das Leben zunehmend. Typisch sind
fortschreitender Verlust der Kontrolle über das Trinkverhalten bis zum zwanghaften Konsum,
Vernachlässigung früherer Interessen zugunsten des Trinkens, Leugnen des
Suchtverhaltens, Entzugserscheinungen bei vermindertem Konsum, Toleranz gegenüber Alkohol
(„Trinkfestigkeit“)[1] sowie Veränderungen der Persönlichkeit.[2]
In den Diagnosesystemen ICD-10 und DSM-IV wird unterschieden
zwischen Abhängigkeitssyndrom (F10.2 bzw. 303.90) und schädlichem Gebrauch von
Alkohol/Alkoholmissbrauch(F10.1 bzw. 305.00). Letzteres bezeichnet – als schwächere Variante
des Missbrauchsverhaltens – einen Alkoholkonsum mit nachweislich schädlicher Wirkung
(körperlich oder psychisch), ohne dass eine Abhängigkeit vorliegt.
Die Zahl an Menschen, die an Alkoholkrankheit leiden, und die dadurch bedingten sozialen und
wirtschaftlichen Folgeschäden sind in absoluten Zahlen in Europa und den USA – neben den
Gesundheitsschäden durch Tabakkonsum – um ein Vielfaches höher als bei illegalen Drogen.
7,4 % der gesundheitlichen Störungen und vorzeitigen Todesfälle in Europa werden auf Alkohol
zurückgeführt. Damit steht die Krankheit an dritter Stelle als Ursache für vorzeitiges Sterben
nach Tabakkonsum und Bluthochdruck. Sie ist zudem die häufigste Todesursache bei jungen
Männern in der EU.
Schädlicher Gebrauch von Alkohol
Vom Abhängigkeitssyndrom unterschieden wird der schädliche Gebrauch von
Alkohol (oder Alkoholmissbrauch, F10.1). Diese Diagnose wird vergeben, wenn bisher
kein Abhängigkeitssyndrom vorliegt, jedoch dem Betroffenen (oder seinem sozialen Umfeld)
körperliche oder psychische Schäden durch seinen Alkoholkonsum entstanden sind (z. B. Unfall).
Hierunter fallen auch negative Konsequenzen in zwischenmenschlichen Beziehungen infolge von
eingeschränkter Urteilsfähigkeit oder problematischem Verhalten des Betroffenen. Für die
Diagnose muss das schädliche Gebrauchsmuster seit mindestens einem Monat bestehen oder
über ein Jahr hinweg mehrfach aufgetreten sein. Im medizinischen Jargon wird – wegen der
chemischen Summenformel von Ethanol (C2H5OH) – gelegentlich auch vom C2-
Abusus gesprochen.
Akute Alkoholintoxikation (akuter Alkoholrausch)
Eine akute Alkoholintoxikation (F10.0) wird festgestellt, wenn akute Beeinträchtigungen
des Bewusstseins, der Kognition, der Wahrnehmung, der Affekte oder des Verhaltens
vorhanden sind, die eindeutig auf die Wirkung von Alkohol zurückgeführt werden können. Für
die Diagnose muss mindestens eine der folgenden Verhaltensauffälligkeiten beobachtet worden
sein:
Enthemmung,
Streitlust,
Aggressivität,
100
101
Affektlabilität,
Aufmerksamkeitsstörung,
Gangunsicherheit (Ataxie),
Standunsicherheit,
verwaschene Sprache,
Gesichtsröte (Erröten),
ÜBERBLICK
101
102
Bei der weiteren Analyse unserer Untersuchungen war festzustellen, dass hauptsächlich die
ledigen Personen (Singles) sowie die arbeitenden und arbeitslosen Frauen und Männer bedroht
sind (bei Frauen ist das eine Gleichberechtigungstendenz, die wir uns bestimmt nicht
wünschen). Wir müssen bei den Umfragen immer wieder feststellen, dass die Menschen wenig
über Alkohol und Alkoholismus wissen. Das ist nicht verwunderlich, weiß die Mehrzahl der Ärzte
doch selbst nur sehr wenig über die Ursachen des Alkoholismus.
Obwohl alkoholische Getränke schon Jahrhunderte hindurch genossen werden, hat man sich
erst im 19. und 20. Jahrhundert mit der wissenschaftlichen Erforschung der Alkoholproblematik
beschäftigt, ohne jedoch in genügendem Umfang die Ursachen des Alkoholismus zu klären.Die
Feststellung des Blutalkoholgehalts - eine wichtige Voraussetzung für die quantitative Messung
der qualitativen Veränderung des menschlichen Verhaltens — wurde hauptsächlich durch
bestimmte Entdeckungen in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts ermöglicht. Eine
spezifische Methode jedoch, das heisst eine Methode, die nur Äthylalkohol (Ethylalkohol)
bestimmt, haben deutsche und schwedische Wissenschaftler unabhängig voneinander erst im
Jahre 1951 entwickelt.
Diese Tatsache bedeutet, dass wir - streng wissenschaftlich gesehen - bis zu den fünfziger Jahren
dieses Jahrhunderts keine spezifische Methode für den Äthylalkoholnachweis hatten. Heute
sind wir imstande, den physiologischen sowie erhöhten Blutalkoholgehalt mit absoluter
Sicherheit nachzuweisen. Ja, wir können sogar durch Rückrechnung die Konzentration des
Alkohols im Blut feststellen, die während der "Tatzeit" vorhanden war, und auf diese Weise
indirekt den Grad der Beeinflussung bestimmen. Erst unsere heutigen Methoden, den Grad der
Trunkenheit festzustellen, sind exakt und zuverlässig.
Diese erfreuliche Tatsache ist jedoch gleichzeitig ein Hinweis, wie stark wir in anderen Fragen
des Alkoholismus noch in den Anfangsgründen stecken müssen - zum Beispiel bei der für unsere
Gesellschaft prinzipiellen Frage: Weshalb entwickeln sich bestimmte Menschen zu Alkoholikern?
Der exakte Alkoholnachweis kann zwar die augenblickliche Lage erfassen - nicht aber die Phase,
in der sich jemand zum Alkoholiker entwickelt; und er kann auch keine Antwort darauf geben,
wieweit dieser Zustand bei den betreffenden Personen bereits fortgeschritten ist. Wir möchten
hier nicht die verschiedenen Theorien zu dieser Frage anführen - man betone Theorien -, denn
wir wissen ja bis jetzt nicht, warum und wann ein Mensch zum Alkoholiker wird.
Wir halten es aber für notwendig, die am meisten anerkannte Theorie der Entwicklungsphasen
102
103
des Alkoholismus - ausgearbeitet von E. M. Jellinek - an dieser Stelle kurz zu skizzieren. Wir sind
überzeugt, dass diese Theorie der Wirklichkeit am meisten entspricht und für jeden Alkoholiker
in irgendeiner Beziehung typisch ist.
Problemtrinker (Alpha-Trinker)
Das Trinken hat bei uns ein gesellschaftliches Motiv. Die Leute trinken bei verschiedenen
gesellschaftlichen Gelegenheiten. Nicht nur der zukünftige Alkoholiker bemerkt nach einer
bestimmten Zeitspanne, dass ihm das Trinken eine Erleichterung, eine Entspannung verschafft.
Anfangs ist er ganz richtig der Meinung, dies komme durch die frohe Stimmung in der
Gesellschaft, also durch die Begleitumstände und das Ritual des Trinkens, weniger durch den
Genuss des alkoholischen Getränks selbst zustande. (Dies ist mit der Herausbildung bedingter
Reflexe erklärbar, bei denen alle zeitlich mit einem positiven Reaktionsablauf
zusammenfallenden Faktoren nach regelmäßiger Wiederholung bereits allein den ganzen
Verhaltens- und Empfindungsablauf hervorrufen.
Gelegenheitstrinker (Beta-Trinker)
Bald spürt der Gelegenheitstrinker den Zusammenhang zwischen dem Getränk und der
Erleichterung. Er trinkt größere Mengen als die anderen, denn er benötigt, um das Gefühl der
Entspannung herbeizuführen — das ja anfangs tatsächlich durch die Gesellschaft mitbedingt
war -, immer mehr Alkohol; das heißt, sein Trinken wird regelmäßig. Das ist die Anfangsphase
des Alkoholismus, die fließend in die zweite, die Warnungsphase, übergeht. Jetzt wird sich der
Mensch der Tatsache bewusst, dass er anders trinkt als seine Mitbürger und größere Mengen
Alkohol braucht, um die Entspannung herbeizuführen. Er hat die Feststellung gemacht, dass das
Trinken für ihn keine gesellschaftliche Angelegenheit ist, sondern ein Bedürfnis - er bekommt
Schuldgefühle.
Suchttrinker (Gamma-Trinker)
Ein charakteristisches Symptom für die Warnungsphase (Suchttrinker) sollen die sogenannten
Gedächtnislücken sein; der Mensch kann sich an bestimmte Vorgänge, die in der Trunkenkeit
passiert sind, nicht mehr erinnern. Er fürchtet Kritik, schämt sich auch und beginnt deshalb, sich
aus seinem Gesellschaftskreis zurückzuziehen. In dieser Phase übersieht er seine Situation noch
103
104
und könnte sich daraus befreien, wenn er wüßte, dass er sich in diesem Entwicklungsstadium
befindet. Leider ahnen die meisten Menschen nicht, die glauben, durch das Trinken, die sie
belastenden Probleme lösen zu können, dass dieses Stadium nach einigen Jahren fließend in die
kritische Phase des Alkoholismus übergeht.
Für diese Phase ist der Verlust der Kontrolle über das Trinken charakteristisch. Nimmt der
Betreffende schon einmal ein alkoholisches Getränk zu sich, dann spürt er das Bedürfnis, immer
weiter zu trinken - bis er volltrunken ist. Er kann sich nach dem ersten Glas die weiteren Gläser
nicht versagen; er kann jetzt aber noch entscheiden, ob er den ersten Schluck überhaupt macht.
Er ist also in diesem Stadium in der Lage, wochenlang oder sogar über Monate ohne Alkohol zu
leben.
Nach dieser Zeit glaubt er aber, sich jetzt mit nur einem Schluck befriedigen zu können, und
ahnt nicht, dass der mit Notwendigkeit eintretende Verlust der Kontrolle über sein Trinken nicht
seiner Willensschwäche entspringt, sondern das Ergebnis des Missbrauchs an seinem Körper ist,
eines komplizierten krankhaften Mechanismus krankhafter Reflexionen, den er nicht mehr
beherrschen kann. Um aus dieser Situation herauszukommen, versucht er, sein Betrinken immer
mehr unter irgendeinem Vorwand zu rechtfertigen. Er sucht glaubhafte Begründungen, weshalb
er sich gerade in diesem oder jenem konkreten Fall betrinken musste. Diese Begründung
braucht er in erster Linie für sich selbst, dann mehr und mehr für seine Umgebung.
Spiegeltrinker (Delta-Trinker)
Sein Trinken ist allgemein aufgefallen - die Gesellschaft beginnt, sich für sein Trinken zu
interessieren. Deshalb weicht er dem Gesellschaftskreis und seiner Familie aus und isoliert sich.
Diesen Menschen müssen wir schon als Alkoholiker bezeichnen. Er beginnt den Tag jetzt schon
mit dem Morgentrunk, tagsüber braucht er einige Erhaltungstrunke, und erst am Abend trinkt
er sich voll. Es ist ganz klar, dass diese Lebensweise keine normale Arbeitsleistung ermöglicht,
dass er in finanzielle und gesellschaftliche Schwierigkeiten gerät und eines Tages keinen Ausweg
mehr sieht. Und damit beginnt die Endphase des Alkoholismüs: Jetzt betrinkt er sich während
der Arbeit, wozu schon ganz kleine Mengen genügen, die er früher ohne weiteres vertragen
hat.
Als typisches Zeichen dieser Phase ist also das Sinken der Alkoholverträglichkeit zu betrachten.
Seine Lügen, das Selbstbeschwindeln brechen zusammen; er wird von der Familie und den
Freunden verlassen und steht hilflos allein. Eine Heilung im wahrsten Sinne des Wortes ist hier
nur dann möglich, wenn der Betreffende sein Leben lang kein alkoholisches Getränk mehr
anrührt, denn er kann das mäßige gesellschaftliche Trinken nie mehr erlernen. Wie E. M. Jellinek
104
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und nach ihm andere Wissenschaftler nachgewiesen haben, dauern die einzelnen Phasen
immer Jahre.
Weshalb aber der eine zum Alkoholiker wird und der andere nicht, ist bis heute nicht bekannt.
Bisher ist es uns nicht gelungen, in der Anfangsphase festzustellen, ob sich dieser Mensch zum
Alkoholiker entwickeln wird oder nicht. Eine Tatsache aber ist einwandfrei bewiesen: Ohne
Alkohol kann kein Alkoholismus entstehen. Deshalb unsere Forderung, alle Menschen, so spät
wie möglich mit dem Alkohol in Berührung kommen zu lassen - deshalb die gesetzlichen
Bestimmungen, die Kindern und Jugendlichen den Alkoholgenuss unmöglich machen
beziehungsweise erschweren sollen.
Doch ärztliche Forderungen und gesetzliche Bestimmungen allein werden nie ausreichen, den
Alkoholmissbrauch entscheidend einzudämmen. Die Bekämpfung des Alkoholismus ist ein
gesellschaftliches Problem, an dem alle mitwirken müssen. Das beginnt bereits in der Familie,
im Arbeitskreis usw. Vielleicht mag dieser oder jener der Meinung sein, das Trinken sei doch gar
nicht so schlimm. Wie falsch dieses Bagatellisieren ist, hat uns die Darstellung der
Entwicklungsphasen des Alkoholismus gezeigt. Wenn wir heute schätzen müssen, dass ein
Prozent der Bevölkerung chronisch alkoholgeschädigt ist, also der letzten geschilderten Phase
zugehört, dann ist das für alle gesellschaftlichen Ebenen bis zu den kleinsten familiären Kreisen
Grund genug, ihre Bräuche zu überprüfen und zu überlegen, ob es angebracht ist, jede sich
bietende Gelegenheit mit "Alkohol zu begießen".
17. DEPRESSION
Wer sich dauerhaft niedergeschlagen und freudlos fühlt, sich nicht mehr für Dinge interessiert,
die früher Spass machten, und sich nur schwer zu einfachen Aktivitäten aufraffen kann, hat
vielleicht eine Depression. Damit steht niemand alleine da: 16 bis 20 Prozent aller Menschen
sind im Laufe ihres Lebens irgendwann einmal depressiv.
Darüber hinaus löst eine Depression häufig weitere Symptome (auch körperliche Beschwerden)
aus: Unter anderem können Schlafstörungen, Ängste, Selbstzweifel und
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106
Die Diagnose einer Depression erfolgt nur, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind: Es müssen
mindestens vier für Depressionen typische Symptome vorliegen, wobei mindestens zwei davon
zu den Kernsymptomen (Niedergeschlagenheit, Interessenverlust, Freudlosigkeit oder
Antriebslosigkeit) gehören und die Symptome mindestens zwei Wochen lang auftreten müssen.
Hilfe bei Depressionen bieten Medikamente und eine Psychotherapie. Häufig kommt bei einer
Depression beides bei einer Behandlung zum Einsatz.
Die gegen Depressionen eingesetzte medikamentöse Therapie besteht in erster Linie aus
sogenannten Antidepressiva. Nachdem die Symptome abgeklungen sind, ist es ratsam, diese
Mittel noch eine Zeit lang einzunehmen, um Rückfälle zu vermeiden (sog.
Erhaltungstherapie).Die psychotherapeutische Behandlung einer Depression zielt unter
anderem darauf ab, das Leben der Betroffenen aktiver zu gestalten und negative Denkmuster
abzubauen. Zusätzlich vermittelt die Psychotherapie Strategien, die Menschen mit Depressionen
dabei helfen können, wiederkehrenden Symptomen ihrer psychischen Erkrankung frühzeitig
entgegenzuwirken.
Der Verlauf einer Depression hängt von verschiedenen Faktoren ab: Wie viele depressive
Episoden traten bereits auf? Wie lang und wie intensiv waren sie? Wie lange dauerte die
beschwerdefreie Zeit zwischen den depressiven Phasen? Grundsätzlich gilt: Je früher die
Behandlung einer Depression beginnt, desto besser sind die Heilungschancen
DEFINITION
Eine Depression ist eine psychische Erkrankung, die zu den als affektive Störungen bezeichneten
Stimmungsstörungen gehört: Eine affektive Störung ist eine Erkrankung, bei der es häufig zu
Schwankungen der Stimmung und des Antriebs kommt.
Häufig sind Depressionen mit dem Gefühl einer tiefen Traurigkeit verbunden. Gefühle von
Traurigkeit und Niedergeschlagenheit kennt jeder Mensch. Vor allem nach belastenden
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Ereignissen kommt es fast immer zu einer Phase, in der die Stimmung gedrückt ist. Solche
Ereignisse sind beispielsweise der Tod eines geliebten Menschen oder Liebeskummer nach dem
Ende einer Partnerschaft. Die meisten Menschen sind allerdings auch während dieser Zeit in der
Lage, kurzfristig ihren Kummer zu vergessen: Sie können sich zum Beispiel im Gespräch mit
Freunden oder Bekannten von ihren traurigen Gefühlen ablenken. Bei einem normalen
Trauerprozess lassen Gefühle der Traurigkeit oder der Niedergeschlagenheit mit der Zeit nach.
Bleiben sie jedoch über lange Zeit bestehen, kann sich der Zustand zu einer Depression
entwickeln.
Statt mit tiefer Traurigkeit sind Depressionen auch oft mit einer quälenden emotionalen Leere
verbunden. Die Betroffenen fühlen sich in ihrer gesamten Lebensführung von der Depression
stark beeinträchtigt. Ihnen gelingt es häufig nur schwer, alltägliche Aufgaben zu bewältigen, wie
sie zum Beispiel im Haushalt anfallen. Sie verspüren starke Selbstzweifel und interessieren sich
nicht mehr für Dinge, die ihnen früher wichtig waren. Auch Ablenkung und der Zuspruch
anderer verschaffen depressiven Menschen keine Erleichterung.
Häufigkeit
Die Depression gehört zu den häufigsten psychischen Erkrankungen: Sie tritt mit einer
Häufigkeit von 16 bis 20 Prozent auf. Frauen sind häufiger depressiv als Männer. Depressionen
können sich in jedem Alter entwickeln – am häufigsten kommt es jedoch im Alter von 18 bis 25
Jahren zu einer ersten Depression. Nach einer depressiven Phase entwickelt etwa die Hälfte
aller Betroffenen erneut eine Depression (sog. rezidivierende Depression).
URSACHEN
Warum sich eine Depression entwickelt, ist nicht immer eindeutig auszumachen – die
möglichen Ursachen für die Entstehung von Depressionen sind sehr vielschichtig. Manche
Menschen sind auch anfälliger für eine Depression als andere. Diese erhöhte Anfälligkeit für
Depressionen ist durch das Zusammenspiel unterschiedlicher biologischer und psychischer
Ursachen bedingt.
Besonders wenn eine erhöhte Anfälligkeit für Depressionen besteht, können belastende
Lebensereignisse eine depressive Erkrankung auslösen. In diesen Fällen liegt eine sogenannte
primäre Depression vor. Mögliche auslösende Ursachen für primäre Depressionen sind zum
Beispiel:
107
108
Wie Depressionen entstehen und was sie aufrechterhält, hängt dabei unter anderem vom
Ausmass positiver Erfahrungen ab, die man als Reaktion auf sein Verhalten erlebt. So spielen
folgende Faktoren unter den Ursachen für eine Depression eine zentrale Rolle:
Zum einen beeinflussen die Lebensumstände eines Menschen, wie oft er positive Gefühle wie
Freude oder Zufriedenheit erlebt. So kann jemand, der arbeitssuchend ist und dessen Partner
verstorben ist, über weniger positive Erlebnisse berichten als jemand, der Arbeit hat und
glücklich mit seinem Partner zusammenlebt.Zum anderen beeinflusst das eigene Verhalten den
Grad an angenehmen Folgen: Wer auf andere offen zugehen kann, erhält beispielsweise mehr
positive Rückmeldungen von seinen Mitmenschen. Depressives Verhalten hingegen zeichnet
sich durch Rückzug und Passivität aus, was wiederum zu negativen Rückmeldungen und zu
Misserfolgen führt. Dies verstärkt das depressive Verhalten: Die Betroffenen ziehen sich noch
mehr zurück und erhalten somit die depressiven Symptome aufrecht.
Eine Depression kann aber auch das Symptom für eine andere psychische oder körperliche
Erkrankung sein: In dem Fall liegt eine sogenannte sekundäre Depression vor. Solche
sekundären Depressionen können ihre Ursachen zum Beispiel in einer Epilepsie oder
Schilddrüsenerkrankung haben. Auch Medikamente, die etwa in der Krebsbehandlung zum
Einsatz kommen, können eine Depression verursachen.
Biologische Faktoren
Unter den für eine Depression infrage kommenden Ursachen spielen biologische Faktoren eine
grosse Rolle:
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Gehirnstrukturen, welche die Ausschüttung von Stresshormonen regeln, sind bei Depressionen
überaktiv.Bei Depressionen liegen manchmal Besonderheiten im Hirnstoffwechsel vor: Die
Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin sind bei einigen Menschen, die depressiv sind, in
geringerem Ausmass vorhanden. Diese auch als Neurotransmitter bezeichneten Botenstoffe
spielen bei der Entstehung und Regulation von Gefühlen eine wichtige Rolle.Ausserdem gibt es
Hinweise auf darauf, dass Depressionen erbliche Ursachen haben können: Das Risiko für eine
Depression ist erhöht, wenn nahe Verwandte bereits depressiv sind oder waren.
Psychologische Faktoren
Einer Depression können als Ursachen unter anderem auch psychologische Faktoren zugrunde
liegen: In der Kindheit erworbene negative Denkmuster sind häufig verantwortlich für die
Entstehung einer primären Depression. Gleiches gilt für negative Erfahrungen mit früheren
Bezugspersonen, wie beispielsweise Missachtung durch die Eltern oder Gewalt. Solche
Erlebnisse führen häufig zu Gefühlen der Selbstablehnung und der Entwicklung eines negativen
Selbstbilds. Die Betroffenen neigen dazu, ihrer Umwelt misstrauisch und pessimistisch zu
begegnen. In der Folge deuten sie selbst neutrale Ereignisse als etwas Negatives und als
Bestätigung ihrer pessimistischen Weltsicht. Sie sehen vieles durch eine schwarze Brille. Neue
positive Ereignisse, die nicht in ihr Weltbild passen, nehmen sie als solche oft gar nicht wahr. Sie
graben in einem Teufelskreis, den sie durch ihren Blick auf die Welt aufrechterhalten.
Der Umgang mit Misserfolgen ist ein weiterer wichtiger Faktor bei der Entstehung von
Depressionen. Wer depressiv ist, hat vor der Depression häufig Situationen erlebt, in denen es
nicht möglich war, die Umstände zu beeinflussen oder zu kontrollieren. Daraus entstand ein
Gefühl der Hilflosigkeit. Dieses Gefühl spiegelt sich bei depressiven Menschen darin wider, dass
sie sich gerade im Umgang mit Problemen sehr passiv verhalten. Sie sehen sich nicht in der
Lage, ihr Leben positiv zu beeinflussen.
Menschen mit erhöhter Anfälligkeit für Depressionen neigen bei negativen Ereignissen dazu, die
Ursachen hierfür allein bei sich selbst zu suchen. Verlieren sie beispielsweise ihren Job, sehen
sie die Gründe für die Kündigung alleine in ihren angeblich mangelnden Fähigkeiten. Andere
Erklärungen, wie etwa die angespannte wirtschaftliche Lage der Firma, ziehen sie als
Kündigungsgrund nicht in Betracht.
SYMPTOME
Eine Depression kann die unterschiedlichsten Symptome verursachen. Typische Anzeichen für
eine Depression sind:
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110
Bei ausgeprägten Depressionen tritt ein lähmendes Gefühl der Gefühllosigkeit auf. Die
Stimmungslage ist bei einer Depression weitgehend unabhängig von äusseren Einflüssen – das
heisst: Erfolge oder angenehme Aktivitäten führen zu keiner Verbesserung der Symptome. Die
Betroffenen wirken oft teilnahmslos.
Menschen mit einer Depression fühlen sich in ihrem körperlichen Ausdruck (Bewegungen,
Mimik) gehemmt. Manche kommen nur schwer zur Ruhe und müssen sich ständig bewegen.
Auch starke Ängste und Reizbarkeit können begleitende Symptome einer Depression sein. Viele
Betroffene machen sich Selbstvorwürfe aufgrund relativ unbedeutender Vorfälle und entwickeln
eine irrationale Angst vor möglichen Folgen. Meist blicken sie der Zukunft pessimistisch
entgegen. Wer depressiv ist, zieht sich oft aus seinem sozialen Umfeld zurück. Häufig treten bei
Depressionen auch Gedanken an Selbstmord (Suizid) auf.
In seltenen schweren Fällen können bei einer Depression auch psychotische Symptome
auftreten: Die Betroffenen hören dann zum Beispiel Stimmen, die sie beschimpfen, oder
entwickeln Wahnvorstellungen.
DIAGNOSE
Bei Verdacht auf eine Depression sind zur Diagnose ausführliche Gespräche unerlässlich: Nur so
kann der Arzt oder Psychologe feststellen, welche und wie viele Anzeichen einer Depression
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Die bei der Diagnose erfassten Informationen ermöglichen es, den Schweregrad und die Form
der Depression zu bestimmen:
Je nachdem, wie viele Symptome einer Depression auftreten, liegt eine leichte, mittelgradige
oder schwere Depression vor.Kam es nur zu einer einzelnen Phase depressiver Beschwerden,
handelt es sich um eine sogenannte depressive Episode.Traten solche Episoden wiederholt auf,
liegt eine rezidivierende depressive Störung vor.Bei manchen Betroffenen sind die Symptome
nicht stark genug ausgeprägt, um eine depressive Episode feststellen zu können; die depressive
Verstimmung hält aber über Jahre an. Bei einer solchen anhaltenden
Stimmungsbeeinträchtigung handelt es sich um eine Dysthymie.
Eine Depression kann auch das Symptom verschiedener Erkrankungen wie zum Beispiel
Alzheimer und Demenz sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Infektionskrankheiten sein.
Daher erfolgen bei der Diagnose auch körperliche und neurologische Untersuchungen, um
solche Erkrankungen als Ursachen von Depressionen auszuschliessen.
THERAPIE
Bei einer Depression verläuft die Therapie meist auf zwei Ebenen:
medizinisch (hier kommen v.a. Medikamente zum Einsatz, aber auch andere
Behandlungsmethoden wie z.B. Schlafentzug und Lichttherapie – Letztere meist gegen im
Winter auftretende saisonale Depressionen)psychotherapeutisch
111
112
Die Kombination beider Ansätze ermöglicht es oft, eine Depression leichter zu überwinden. Eine
solche kombinierte Therapie kann bei Depressionen deshalb helfen, weil die
Stimmungsstörungen auf biologische und psychologische Ursachen zurückzuführen sind.
Welche Massnahmen im Einzelfall bei einer Depression zur Behandlung zum Einsatz kommen,
hängt von den individuellen Umständen der Erkrankung und den persönlichen Wünschen der
Betroffenen ab.
Medikamente
Bei einer Depression sind sogenannte Antidepressiva für die medizinische Therapie besonders
wichtig: Diese Medikamente beeinflussen das Gleichgewicht der Hirnbotenstoffe. Sie wirken in
der Regel erst nach zwei bis drei Wochen gegen die Depression und führen in der Anfangszeit
mitunter zu starken Nebenwirkungen (z.B. verstärkte Müdigkeit, Übelkeit). Erst nach dieser Zeit
können Sie feststellen, ob Ihnen das verabreichte Medikament gegen die Depression hilft. Ist
dies nicht der Fall oder lassen die Nebenwirkungen nach den ersten zwei bis drei Wochen nicht
nach, ist eine Behandlung mit einem anderen Antidepressivum sinnvoll. Wenn die Symptome
der Depression abgeklungen sind, nehmen Sie die Antidepressiva am besten noch eine Zeit lang
weiter ein, um Rückfälle (Rezidive) zu vermeiden (sog. Erhaltungstherapie). Nach dem Absetzen
der Medikamente kann die Depression allerdings erneut auftreten (sog. rezidivierende
Depression).
Bei einer Depression mit und ohne Angstsymptomatik kommen zur medikamentösen Therapie
häufig selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wie Citalopram, Fluoxetin
beziehungsweise Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) wie Venlafaxin zum
Einsatz. Diese Medikamente hemmen gezielt die Wiederaufnahme der Hirnbotenstoffe
Serotonin beziehungsweise Serotonin und Noradrenalin in die Nervenzelle, so dass die
Botenstoffe im Gehirn länger positiv wirken können. Das hellt Ihre Stimmung auf und lindert
Ängste. Mögliche, aber seltene Nebenwirkungen der Behandlung sind Herz-Kreislauf-
Beschwerden, Kopfschmerzen, Übelkeit und Verdauungsprobleme.
Wenn Sie nach dem Abklingen der Symptome Ihrer Depression die Behandlung mit SNRI noch
länger fortführen (langfristige Erhaltungstherapie), ist ein Rückfall unwahrscheinlicher. Beachten
Sie bei der medikamentösen Therapie unbedingt, dass Sie SNRI und Triptan-Präparate (z.B.
Medikamente gegen Migräne) nicht zusammen einnehmen dürfen.
112
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Weitere Antidepressiva
Bei einer Depression sind für die Therapie neben den SSRI und SNRI weitere Medikamente
geeignet, die ebenfalls zu den Antidepressiva gehören: sogenannte MAO-Hemmer wie
Moclobemid und tri- und tetrazyklische Antidepressiva wie Doxepin:
Benzodiazepine
Da die bei einer Depression zur Therapie verabreichten Antidepressiva nicht sofort wirken,
verschreibt Ihnen Ihr Arzt womöglich zusätzlich andere Medikamente, um diese Zeit zu
überbrücken: sogenannte Benzodiazepine. Diese Mittel beruhigen und fördern den Schlaf.
Psychotherapie
Bei einer Depression kann neben der medikamentösen Therapie auch eine begleitende
Psychotherapie dazu beitragen, die Erkrankung zu überwinden. Die psychotherapeutische
Behandlung hat unter anderem zum Ziel, depressive Verhaltensweisen und Denkstrukturen
abzubauen und durch positive zu ersetzen:
Um gegen den für Depressionen typischen Aktivitäts- und Interessenverlust und den damit
einhergehenden Mangel an positiven Erfahrungen anzugehen, erarbeitet Ihr Therapeut mit
Ihnen eine aktivere Tagesstruktur. Hierzu gehört es, bewusst angenehme Tätigkeiten in den
Tagesplan einzubauen.
Ein regelmässiger und aktiver Tagesablauf ist eine grosse Hilfe bei Depressionen: Er ermöglicht
es Ihnen, Ihr Rückzugsverhalten zu verringern. Sie können wieder positive Erfahrungen sammeln
und verlorene Interessen mit zunehmender Zeit neu entdecken.
Wenn Sie eine Depression haben, fällt es Ihnen zu Beginn der Therapie womöglich schwer, Ihr
113
114
Leben wieder aktiver zu gestalten. Mit der Zeit spüren Sie aber wahrscheinlich, dass die
Aktivierung Ihre Stimmung aufhellt. Um auch in Ihrem sozialen Umfeld wieder befriedigendere
Beziehungen herzustellen, kommen bei der Psychotherapie Kommunikationsübungen und
Rollenspiele zum Einsatz, in denen Sie den positiven Umgang mit anderen Menschen üben
können (soziales Kompetenztraining).
Ein weiterer Punkt, an dem die psychotherapeutische Therapie ansetzt, ist das bei Depressionen
typischerweise negative Denkmuster. Dieses äussert sich beispielsweise durch eine negative
Weltsicht, durch Selbstabwertung oder Selbstzweifel. Mithilfe der Psychotherapie können Sie
Einstellungen herausarbeiten, die diesen Denkweisen zugrunde liegen, und ermittelt, ob diese
mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Dann können Sie überprüfen, wie sich diese Einstellungen
auf Ihr eigenes Befinden auswirken. Anschliessend entwickeln Sie gemeinsam mit Ihrem
Therapeuten realistische Denkweisen, die Ihren depressiven Denkstrukturen entgegenwirken
und Ihnen so Wege aus der Depression bieten.
Wenn Sie eine besonders schwere Depression haben, kann es sinnvoll sein, sich in einer Klinik
behandeln zu lassen (stationäre Therapie). Gegen leichte oder mittelschwere Depressionen
reicht in der Regel eine ambulante Psychotherapie aus.
Wenn die akuten Symptome Ihrer Depression abgeklungen sind, kann es ausserdem hilfreich
sein, in einer tiefenpsychologischen Behandlung den Ursachen der Depression genauer auf den
Grund zu gehen. Dabei bearbeiten Sie und Ihr Therapeut in erster Linie Erlebnisse aus Ihrer
Kindheit und Jugend und besprechen Störungen in aktuellen sozialen Beziehungen.
VERLAUF
Depressionen können sehr unterschiedlich verlaufen. Wie sich eine Depression im Einzelfall
entwickelt, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Entscheidend für den Verlauf sind die Anzahl
bisher erlebter depressiver Episoden, die Länge dieser Episoden und der Schweregrad der
Depression.
Eine depressive Episode dauert in der Regel etwa fünf Monate. Die Zeit zwischen den
depressiven Phasen beträgt durchschnittlich etwa vier bis fünf Jahre. Eine geeignete
Behandlung kann bis zu zwei Drittel der Depressionen weitgehend verbessern bis heilen. Das
Risiko, dass eine Depression einen chronischen Verlauf nimmt, beträgt 10 bis 20 Prozent. Etwa
15 Prozent der Betroffenen finden den einzigen Ausweg aus der Depression im Selbstmord
(Suizid).
114
115
Sowohl das Geschlecht der Betroffenen als auch der Verlauf der psychischen Erkrankung
beeinflussen die Prognose von Depressionen: Frauen haben ein erhöhtes Risiko, eine
Depression zu entwickeln. Menschen, bei denen bereits in jungen Jahren eine depressive
Episode oder Depressionen auftraten, erleben mit höherer Wahrscheinlichkeit eine weiteren
depressive Episode. Gerade in diesen Fällen ist es besonders wichtig, dass die Betroffenen durch
eine medikamentöse Erhaltungstherapie und durch psychotherapeutische Strategien
vorbeugen.
75 Prozent der Menschen mit Depression haben neben der psychischen Erkrankung weitere
Beschwerden: Neben körperlichen Erkrankungen wie Asthma und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
sind auch begleitende psychische Störungen wie Angsterkrankungen, Essstörungen und
Substanzmissbrauch im Verlauf von Depressionen häufig zu beobachten.
VORBEUGEN
Einer Depression können Sie durch bestimmte Verhaltensweisen bedingt vorbeugen. So können
Sie sich zum Beispiel für kleine Erfolge loben und wertschätzen sowie sich selbst aktivieren und
positive Aktivitäten planen. Darüber hinaus wirken positive Gedankengänge einer depressiven
Erkrankung entgegen. Besonders in schwierigen Lebensphasen, in denen das Risiko für
Depressionen erhöht ist, sind solche Verhaltensweisen besonders wichtig.
Dennoch können Sie sich nicht sicher davor schützen, eine Depression zu entwickeln. Oft sind
Depressionen nicht leicht zu erkennen: Für viele Menschen ist es schwierig zu unterscheiden, ob
ihr Befinden eine normale Reaktion auf kritische Lebensumstände ist oder ob sie eine
Depression haben. Wenn Sie depressiv verstimmt sind und diese Symptome beispielsweise trotz
einer Verbesserung Ihrer Lebenssituation andauern, nehmen Sie lieber professionelle Hilfe in
Anspruch. Je später bei Depressionen die Behandlung beginnt, desto schlechter sind die
Heilungschancen, denn: Mit der Zeit verfestigen sich negative Denkmuster und Sie erleben
durch den fortschreitenden Rückzug immer seltener positive Ereignisse.
Bei einer Depression ist es wichtig, dass die Behandlung mindestens so lange andauert, bis Sie
sich stabilisiert haben und die Rückfallgefahr minimiert ist. Dazu gehört es auch, die in der
Therapie erlernten Verhaltensweisen weiter anzuwenden und Ihr eigenes Befinden ständig zu
beobachten. Dabei kann Ihnen beispielsweise ein Tagebuch helfen. Bei ersten Warnzeichen für
eine wiederkehrende Depression können Sie dann schnell gegensteuern – indem Sie sich
professionelle Hilfe suchen oder indem Sie Strategien anwenden, die Sie in der Therapie gelernt
haben.
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116
Die häufigste entzündliche Rheuma-Form ist die rheumatoide Arthritis (RA). Bei dieser
Erkrankung ist die körpereigene Abwehr (Immunsystem) fehlgesteuert. Sie greift die eigenen
Gelenke und verschiedenen Gewebe an und zerstört diese (Autoimmunität). Frauen sind von
Rheuma häufiger betroffen als Männer.
Die Ursachen der rheumatoiden Arthritis sind noch nicht vollständig geklärt. Es bestehen jedoch
Zusammenhänge mit genetischen Faktoren und gegen körpereigene Gewebe gerichteten
(autoimmunologischen) Prozessen. Typische Symptome von Rheuma sind nächtliche und
morgendliche Schmerzen der Fingergelenke sowie eine Morgensteifigkeit dieser Gelenke, die
länger als eine Stunde anhält. Meist sind spiegelbildlich die gleichen Gelenke an beiden Händen
betroffen. In der Folge sind immer mehr Gelenke betroffen und verformen sich. Seltener
verursacht Rheuma Symptome an Organen (Augen, Speichel- und Tränendrüsen, Haut, Herz,
Lunge).
Die Diagnose der rheumatoiden Arthritis stellt der Arzt anhand der Krankengeschichte sowie
Röntgenaufnahmen von Händen und Füssen und Blutuntersuchungen. Um Folgeschäden zu
verhindern oder zu verzögern, ist bei Rheuma der frühzeitige Beginn einer abgestimmten und
wirksamen Therapie entscheidend. Diese besteht aus den sogenannten Basismedikamenten,
eventuell in Kombination mit anderen entzündungshemmenden Medikamenten. Eine noch
relativ neue Therapieoption bei Rheuma sind die sogenannten Biologika. Ergänzend helfen
physikalische Therapie, Ergotherapie, Krankengymnastik und chirurgische Therapie. Die
Therapie kann die Beschwerden bei Rheuma allerdings nur lindern – geheilt werden kann die
rheumatoide Arthritis nicht.
In den meisten Fällen verläuft Rheuma chronisch. Obwohl es auch gutartige Verläufe gibt,
besteht die Möglichkeit, dass Betroffene mit der Zeit berufsunfähig und dauerhaft hilfsbedürftig
werden. Es gibt inzwischen aber viele Hilfsmittel, die Menschen mit Rheuma den Alltag
erleichtern und ihnen ihre Selbständigkeit weitgehend erhalten.
DEFINITION
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Häufigkeit
Die rheumatoide Arthritis ist die häufigste entzündliche rheumatische Erkrankung. In der
schweiz leiden etwa 70'000 Menschen an dieser Rheuma-Form. Frauen sind rund zwei bis
dreimal häufiger betroffen als Männer. Die rheumatoide Arthritis kann in jedem Lebensalter
auftreten und ist somit keine typische Alterskrankheit. Am häufigsten beginnt Rheuma bei
Frauen jedoch zwischen dem 55. und 64. Lebensjahr, bei Männern zwischen 65 und 75 Jahren.
URSACHEN
Die für die rheumatoide Arthritis beziehungsweise Rheuma verantwortlichen Ursachen sind
noch immer nicht endgültig geklärt. Es handelt sich wahrscheinlich um einen
Autoimmunprozess, bei dem sich Zellen des Immunsystems gegen den eigenen Körper richten.
An der zerstörerischen Entzündungsreaktion im Körper sind verschiedene Stoffe beteiligt.
SYMPTOME
Die für Rheuma (rheumatoide Arthritis) typischen Symptome entstehen durch die ständige
Gelenkentzündung. Rheuma-Symptome sind vor allem:
117
118
Obwohl im Frühstadium manchmal nur wenige Gelenke betroffen sind, entwickelt sich fast
immer nach einer gewissen Zeit eine sogenannte Polyarthritis, also eine Entzündung vieler
grosser und kleiner Gelenke des Körpers. Häufig sind die Hand- und Fingergelenke befallen.
Brust- und Lendenwirbelsäule sind von Rheuma nicht betroffen, Ausnahme ist das Kopf-Hals-
Gelenk (Atlanto-Axial-Gelenk).
Ulnardeviation: die Finger weichen zur Ellenseite hin ab; die Elle (Ulna) ist einer der beiden
Unterarmknochen und liegt in der Verlängerung des kleinen Fingers. Schwanenhalsdeformität:
Verformung der Finger; das letzte Fingerglied knickt nach unten weg, das mittlere Fingerglied ist
überstreckt Knopflochdeformität: die Fingerknöchel der Fingermittelgelenke treten nach oben
Rheumaknoten: gummiartige Knoten wachsen an den Streckseiten der Gelenke
Rheuma beziehungsweise die rheumatoide Arthritis kann nicht nur an den Gelenken Symptome
hervorrufen. Auch Organe können betroffen sein:
DIAGNOSE
Bei Rheuma beziehungsweise der rheumatoiden Arthritis stellt der Arzt die Diagnose immer
aufgrund der Bewertung mehrerer Befunde: der körperlichen Untersuchung, der Laborbefunde
und der Röntgenuntersuchung.
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119
körpereigene Strukturen gerichtet sind). Der Rheumafaktor ist allerdings nur bei etwa 80
Prozent der Personen mit rheumatoider Arthritis nachweisbar und kann auch bei einigen
anderen Krankheiten und sogar bei Gesunden vorliegen. Der Rheumafaktor ist daher nicht allein
geeignet, bei Rheuma beziehungsweise rheumatoider Arthritis die Diagnose zu sichern.
Eine Röntgenuntersuchung ermöglicht es dem Arzt, Rheuma zu erkennen und die Diagnose zu
stellen, denn die rheumatoide Arthritis zerstört im Krankheitsverlauf mitunter die Gelenke.
Entsprechend zeigen Röntgenbilder typische Veränderungen:
Röntgenaufnahmen der Hände und Füsse sind besonders gut geeignet, um frühzeitig typische
Veränderungen zu erkennen.
ACR-Diagnosekriterien
ACR steht für American College of Rheumatology und bezeichnet die wissenschaftliche
Vereinigung der US-amerikanischen Rheumatologen. Die sogenannten ACR-Kriterien, die 1987
aufgestellt wurden, dienen der Diagnose und der Bestimmung der Erkrankungsaktivität bei
verschiedenen rheumatischen Erkrankungen. Von den sieben Punkten müssen mindestens vier
für die Diagnose von Rheuma (rheumatoide Arthritis) erfüllt sein:
über mindestens sechs Wochen Morgensteifigkeit der Gelenke, die wenigstens eine Stunde
anhält Gelenkentzündung (Arthritis) mit tastbarer Schwellung in drei oder mehr Gelenkregionen
seit mindestens sechs WochenArthritis an Hand- oder Fingergelenken länger als sechs
Wochensymmetrische Arthritis, d.h. auf beiden Körperseiten sind dieselben Gelenke gleichzeitig
betroffen länger als sechs WochenRheumaknotenRheumafaktornachweis im Bluttypische
Röntgenveränderungen (gelenknahe Osteoporose und/oder Erosionen)
Sind diese Kriterien erfüllt, ist die Erkrankung bereits relativ weit fortgeschritten. Da es für eine
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angemessene Therapie wichtig ist, Rheuma möglichst frühzeitig zu erkennen, hat das ACR diese
Diagnosekriterien erweitert. Die geprüften Kriterien bleiben weitgehend gleich, allerdings wird
ein Punktesystem eingeführt. Liegen sechs von zehn Punkten vor, gilt die rheumatoide Arthritis
als sicher festgestellt.
Die neue ACR-Klassifikation gilt für Personen, bei denen mindestens ein Gelenk geschwollen ist,
ohne dass eine andere Ursache erkennbar ist. Je nachdem, wie viele grosse und/oder kleine
Gelenke betroffen sind, werden 0 bis 5 Punkte vergeben. Auch die Dauer der Beschwerden und
das Vorliegen bestimmter Blutwerte (z.B. C-reaktives Protein, Rheumafaktoren) werden
bepunktet. Damit soll es nicht nur möglich sein, die rheumatoide Arthritis festzustellen, sondern
auch zu erkennen, wie weit sie bereits fortgeschritten ist. In der Praxis muss sich die neue
Klassifikation aber noch beweisen.
DAS-Diagnosekriterien
DAS steht für Disease Activity Score und erfasst auf Grundlage einer bestimmten Anzahl von
Gelenken (z.B. 28 berücksichtigte Gelenke = DAS28) die Krankheitsaktivität der rheumatoiden
Arthritis (Rheuma). Der DAS-Wert dient zusätzlich zu den ACR-Kriterien als Mess-
beziehungsweise Beurteilungsinstrument. Die Skala des DAS reicht von 0 bis 10, wobei 0 für die
nicht vorhandene Krankheitsaktivität steht und 10 für die grösste Aktivität.
THERAPIE
Die rheumatoide Arthritis, die häufigste Rheuma-Form, erfordert eine Therapie, bei der
internistischen Rheumatologen, Orthopäden, Krankengymnasten und Ergotherapeuten
interdisziplinär zusammenarbeiten. Ziel der Rheuma-Therapie ist es, zu vermeiden, dass immer
mehr Gelenke zerstört werden. Bei Rheuma beziehungsweise rheumatoider Arthritis stehen
verschiedene Therapie-Verfahren zur Verfügung, zum Beispiel:
Es ist bislang nicht möglich, die rheumatoide Arthritis beziehungsweise Rheuma ursächlich zu
120
121
heilen.
Der Vorteil der NSAR ist, dass ihre Wirkung schnell einsetzt. Die Schmerzen lassen rasch nach
und die Betroffenen können sich wieder besser bewegen. Als alleinige Rheuma-Therapie sind
sie langfristig aber nicht geeignet.
Kortison wirkt stark entzündungshemmend. Der Arzt verschreibt es zum Beispiel in akuten
Krankheitsphasen, wenn kortisonfreie Entzündungshemmer (NSAR) nicht ausreichend wirken.
Basistherapeutika
In den letzten Jahren haben sich grundlegende Veränderungen in der Therapie der
rheumatoiden Arthritis ergeben. Sobald die Diagnose gesichert ist, verschreibt der Arzt
sogenannte Basistherapeutika. Sie greifen direkt in den Krankheitsverlauf ein. Die Wirkung der
Basistherapeutika tritt nicht sofort, sondern je nach Substanz erst nach einigen Wochen bis zu
mehreren Monaten ein. Mit den Basistherapeutika gelingt es jedoch, entzündliche Schübe bei
Rheuma zu verhindern, die Beschwerden vorübergehend verschwinden zu lassen und zu
verhindern, dass die Gelenke versteifen. Bis sie wirken, kommen zur Rheuma-Therapie NSAR
zum Einsatz, um die Symptome zu lindern.
TNF-alpha-Hemmer
Die Standardtherapie wirkt nicht bei allen Betroffenen. Deshalb arbeiten Forscher intensiv
daran, neue Präparate zu entwickeln, um den Krankheitsfortschritt bei Rheuma
beziehungsweise rheumatoider Arthritis aufzuhalten und die Schmerzen zu lindern. Eine
neuere, vielversprechende Entwicklung sind Wirkstoffe, die in die Kommunikation zwischen
Immunzellen eingreifen, welche den Entzündungsprozess bei der rheumatoiden Arthritis
vorantreiben.
Von Bedeutung ist dabei der körpereigene, entzündungsfördernde Botenstoff TNF-alpha (TNF =
Tumornekrosefaktor): An Entzündungen beteiligte weisse Blutkörperchen fordern über TNF-
alpha andere Immunzellen dazu auf, mitzuwirken. TNF-alpha-Hemmer greifen gezielt in diese
121
122
biologischen Vorgänge ein und schalten TNF-alpha aus – und halten damit den
Entzündungsprozess auf. TNF-alpha-Hemmer zählen zu den sogenannten Biologika (Biologics),
genauer zur Gruppe der monoklonalen Antikörper.
B-Zell-Hemmer
Auch Medikamente, die die B-Zellen hemmen, kommen in der Rheuma-Therapie zum Einsatz. B-
Zellen gehören zu den weissen Blutkörperchen und sind in der Lage, Antikörper zu bilden. Der
auch bei Lympknotenkrebs (Non-Hodgkin-Lymphome) angewendete Antikörper wird bei
rheumatoider Arthritis nach einer Vorbehandlung mit einem TNF-alpha-Hemmer eingesetzt,
wenn diese Therapie nicht oder nur unzureichend wirksam oder nicht verträglich ist.
Der Wirkstoff bindet gezielt an das Merkmal CD20, das nur auf bestimmten B-Zellen im
Immunsystem zu finden ist, und zerstört diese B-Zellen. B-Zellen mit dem Oberflächeneiweiss
CD20 spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der rheumatoiden
Arthritis. Andere B-Zellen, die Teil des schützenden Immunsystems sind, greift Rituximab nicht
an. So werden gezielt nur die entzündungsverursachenden Faktoren ausgeschaltet. Auf diese
Weise kann die Gelenkzerstörung bei vielen Personen mit rheumatoider Arthritis aufgehalten
oder zumindest gehemmt werden.
Krankengymnastik
Moderne Konzepte der Rheuma-Therapie zeichnen sich dadurch aus, dass verschiedene
Methoden miteinander kombiniert werden. Dazu gehören neben den Arzneimitteln auch
Krankengymnastik, physikalische Therapie und Ergotherapie (z.B. Gelenkschutzberatung). Falls
erforderlich, ergänzen auch soziale und psychologische Massnahmen die Therapie. Bei starken
Gelenkzerstörungen können Operationen und gegebenenfalls auch der Ersatz des zerstörten
Gelenks durch ein künstliches Gelenk nötig werden.
VERLAUF
Meistens nimmt Rheuma beziehungsweise die rheumatoide Arthritis einen chronischen Verlauf.
Obwohl auch gutartige Verläufe vorkommen, schreitet die rheumatoide Arthritis meist
allmählich fort. Gelenkzerstörungen sind fast immer spätestens nach einigen Jahren im
Röntgenbild zu sehen. Die heutigen Behandlungsmethoden können den Rheuma-Verlauf bei
den meisten Betroffenen bremsen. Die Gelenkentzündung und Schmerzen sind lange Zeit gut
kontrollierbar. Dennoch besteht die Möglichkeit, dass Menschen mit Rheuma dauerhaft
erwerbsunfähig beziehungsweise hilfsbedürftig werden.
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Bei Betroffenen mit einem schweren Rheuma-Verlauf ist die Lebenserwartung mitunter kürzer
als bei Gesunden.
Die rheumatoide Arthritis beziehungsweise Rheuma kann bislang nicht geheilt werden. Ziele der
Therapie sind daher, die Schmerzen und Entzündungen zu lindern, die Gelenkbeweglichkeit zu
erhalten und zu verhindern, dass die Gelenke ihre Form verändern. Die wichtigste Massnahme
besteht darin, die Gelenke weiterhin zu bewegen. Werden sie geschont oder eventuell sogar
ruhig gestellt, kann dieses die Schmerzen dagegen nur kurzfristig lindern. Ausserdem versteift
sich ein ruhig gestelltes Gelenk schneller und überlastet andererseits gesunde Gelenke, so dass
das Rheuma sich verschlimmert.
Bei Rheuma sind gezielte krankengymnastische Übungen in Absprache mit dem Arzt oder
Bewegungstherapeuten sinnvoll. Zuweilen ist es hilfreich, solche Übungen im warmen Wasser
durchzuführen, welches die Muskulatur auflockert und einen Teil des Eigengewichts des
Betroffenen trägt.
Auch die gezielte Ergotherapie kann für Personen mit rheumatischen Erkrankungen von Nutzen
sein. Dabei üben Betroffene Bewegungsabläufe – zum Beispiel Sitzpositionen – die ihnen den
Alltag erleichtern.
Kälte lindert Schmerzen und Schwellungen an entzündeten Gelenken, wie sie bei der
rheumatoiden Arthritis auftreten. Eisbeutel oder mit Gel gefüllte Kühlbeutel aus dem
Gefrierfach können mehrmals täglich für einige Minuten auf die betroffenen Gelenke gelegt
werden. Die Beutel sollten dazu immer mit einem Tuch umhüllt werden, um Erfrierungen an der
Haut zu vermeiden.
In spezialisierten Praxen und Fachkliniken werden Kältebehandlungen auch durch das Aufblasen
von gekühlter Luft oder flüssigem Stickstoff auf die Haut durchgeführt. Hier gibt es zum Teil
auch Kältekammern, in denen sich der Betroffene mehrmals täglich für sehr kurze Zeit aufhält.
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Die Kälte blockiert die Schmerzrezeptoren in der Haut und verringert die Schmerzweiterleitung
in den Nervenfasern.
Hilfen im Alltag
Um die eingeschränkte Beweglichkeit der Hände zu überbrücken und damit den Alltag zu
erleichtern, gibt es viele Hilfsmittel. Diese Hilfsmittel erleichtern nicht nur Alltägliches wie einen
Apfel zu schälen, sondern sie entlasten und schützen gleichzeitig die Gelenke. Nicht zuletzt
ermöglichen sie vielen Rheumatikern, sich ein Stück Unabhängigkeit im Alltag zurückzuerobern.
Ist nur eine Hand durch das Rheuma stark eingeschränkt, kann man Hilfsmittel wählen, die das
einhändige Arbeiten erlauben. Scheren, Besteck, Koch- und Schneidehilfen, Obst- und
Gemüseschäler, aber auch Töpfe und vieles mehr sind so konzipiert, dass sie dicke Griffe aus
Moos- oder Schaumgummi haben. Weiche Griffrillen verhindern bei einigen Modellen das
Abrutschen der nassen Hände. Tassen sind mit zwei Henkeln ausgestattet, damit sich das
Gewicht auf beide Hände verteilt.
Greifhilfe: Für Personen mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit der Hand gibt es spezielle
Greifhalter. Sie ermöglichen es, Gegenstände wie Besteck, Schreibinstrumente oder Bürsten
sicher in den Griff zu bekommen. Kugelschreiber: Es gibt Kugelschreiber, die sich gut greifen
lassen und keinen starken Druck benötigen, um zu schreiben. Für den besseren Griff gibt es für
den Daumen eine Vertiefung. Schlüssel-Drehhilfe: Die Schlüsseldrehhilfe lässt sich gut fassen
und ermöglicht das einfache Aufschliessen einer Tür. Knöpfhilfe: Das Gerät passt sich individuell
der Handform an, ist leicht zu greifen und erleichtert das Schliessen der Knöpfe. Gerade bei
solch filigranen Abläufen der Hände sind Hilfsmittel eine wichtige Möglichkeit, sich trotz
Rheuma selbstständig zu versorgen. Teller: Ein zusätzlicher Ring aus weichem Kunststoff kann so
an dem Teller angebracht werden, dass ein höherer Rand entsteht. Vorteil: Der Rheumatiker
kann nur mit einer Hand essen, ohne dass das Essen vom Teller rutscht. Schneidebrett:
Rutschfeste Schneidebretter haben eine Haltevorrichtung, in die das gewünschte Gemüse oder
Brot eingespannt werden kann, ähnlich einer Schraubzwinge. Dadurch können die Lebensmittel
einhändig geschnitten werden. Trinkbecher: Sie haben zwei Henkel, damit das Gewicht von
beiden Händen getragen werden kann. Flaschenöffner: Ob Schraubverschlüsse, Getränkedosen
oder Kronkorken, der Flaschenöffner ermöglicht mit einfachem Griff und wenig Kraftaufwand
das Öffnen dieser Flaschen. Schnürsenkel: Schnürschuhe können weiterhin angezogen werden,
ohne dass eine Schleife gebunden werden muss. Möglich wird dies durch den Einsatz elastischer
Schnürsenkel, die einmal gebunden werden und sich dann bei jedem An- und Ausziehen einfach
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Da sich Rheuma häufig mit Medikamenten allein nicht kontrollieren lässt, hoffen viele
Betroffene auf Linderung durch eine spezielle Rheuma-Ernährung. Eine spezielle Ernährung bei
Rheuma kann die Basistherapie aber nicht ersetzen sondern allenfalls ergänzen.
Ziel einer speziellen Rheuma-Ernährung ist es, die Entzündung zu hemmen und
Knochenschwund (Osteoporose) vorzubeugen. Eine entzündungshemmende Ernährung bei
Rheuma umfasst:
wenige tierische Lebensmittel wie Fleisch- und Wurstwaren, Eier, vollfette Milch und
Milchprodukteviele Omega-3-Fettsäuren wie Eicosapentaensäure (EPA), z.B. aus Fisch bzw.
Fischöl, Lein-, Weizenkeim-, Raps-, Soja- oder Walnussölviele Antioxidantien, z.B. Vitamin E,
Selen
Eine weitere wichtige Aufgabe der Ernährung bei Rheuma ist es, dem Knochenschwund
vorzubeugen. Osteoporose ist zwar ein eigenständiges Krankheitsbild, kann aber auch als Folge
der rheumatoiden Arthritis auftreten. Eine Rheuma-Ernährung, die dem Knochenschwund
vorbeugt, enthält vor allem viel Kalzium. Dieses steckt vor allem in fettarmer Milch und
Milchprodukten. Gegebenenfalls können bei der Rheuma-Ernährung auch mit Kalzium
angereicherte Lebensmittel sinnvoll sein. Zudem sollten Betroffene gezielt Lebensmittel mit
einem geringen Phosphatgehalt auswählen, denn Phosphat verhindert, dass Kalzium in den
Knochen eingebaut wird. Vor allem tierische Produkte enthalten Phosphat. Ebenfalls wichtig für
die Knochengesundheit ist Vitamin D. Dieses kann der Körper bei ausreichend Bewegung und
Sonnenlicht selbst bilden. Da bei Rheumatikern die Bewegungsfähigkeit häufig eingeschränkt ist,
kann es sinnvoll sein, im Rahmen der Ernährung bei Rheuma Vitamin D als
Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen.
VORBEUGEN
125
126
Es gibt keine Massnahmen, die die rheumatoide Arthritis verhindern beziehungsweise Rheuma
vorbeugen. Sinnvoll und gelenkfreundlich ist allerdings regelmässige Bewegung, bei der alle
Gelenke gleichmässig belastet werden, wie tägliches Spazierengehen, Schwimmen, VELOfahren
und Gymnastik.
Wenn Sie bereits an Rheuma erkrankt sind, ist eine angemessene Therapie wichtig – damit
lassen sich Komplikationen oft vorbeugen.
19. DEMENZ
Die Demenz gehört zu den folgenschwersten Alterskrankheiten: Etwa 107 000 Menschen in der
Schweiz haben diese krankheitsbedingte Hirnleistungsstörung. Bei dieser nimmt das Gedächtnis
und die Denkfähigkeit der Betroffenen ab, und sie sind – je nach Erkrankungsstadium – im Alltag
deutlich beeinträchtigt bis stark pflegebedürftig.
Die Symptome einer Demenz sind sehr vielfältig: Dement zu sein bedeutet, dass mehrere
geistige und verstandesmässige Bereiche beeinträchtigt sind, wie die Orientierung oder die
Lern- und Urteilsfähigkeit. Der Begriff Demenz (lat. Dementia) leitet sich von de mente ab, was
«ohne Geist» oder «von Sinnen» bedeutet. Sowohl das Sozialverhalten als auch die Motivation
und die Persönlichkeit dementer Menschen verändern sich. Je nachdem, wie ausgeprägt die
Beeinträchtigungen sind, unterscheidet man allgemein leichte, mittelgradig schwere und
schwere Demenzen.
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Eine Demenz beginnt meist im höheren Lebensalter – die Ursachen hierfür sind sehr vielfältig:
Am häufigsten ist die Alzheimer-Demenz, die mit einem fortschreitenden Verlust von
Nervenzellen (sog. Neurodegeneration) einhergeht.Die zweithäufigste Form ist die vaskuläre
Demenz, die infolge von Gefässerkrankungen des Gehirns auftritt.
Drei weitere seltenere Demenzen, die wie die Alzheimer-Demenz mit einer Neurodegeneration
einhergehen, sind:
All diese Formen von Demenz zeigen einen mehr oder weniger stetig fortschreitenden Verlauf.
In sehr seltenen Fällen entstehen jedoch infolge von anderen Erkrankungen Demenzen, die sich
auch zurückbilden können.
Eine fortschreitende Demenz ist zwar nicht heilbar, im Frühstadium kann eine geeignete
Therapie die Demenz in ihrem Verlauf aber positiv beeinflussen: Eine Ganzheitstherapie aus
Medikamenten, die das Fortschreiten der Demenz verzögern, sowie aus Gedächtnistraining,
Verhaltens- und Soziotherapie erhält die Lebensqualität sowohl der Menschen mit Demenz als
auch derer, die sie betreuen.
DEFINITION
Demenz (lat. Dementia, von de mente = ohne Geist, von Sinnen) ist eine krankheitsbedingte
Störung der Leistungsfähigkeit des Gehirns, durch die Gedächtnis und Denkfähigkeit abnehmen.
Eine Demenz liegt per Definition vor, wenn neben einem beeinträchtigten Gedächtnis
mindestens eines der folgenden Merkmale zutrifft:
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Das Krankheitsbild Demenz umfasst mehrere Erkrankungen unterschiedlicher Ursachen. Sie sind
dadurch gekennzeichnet,
dass mehrere geistige und verstandesmässige Bereiche betroffen sind, wie die Orientierung
oder die Lern- und Urteilsfähigkeit, unddass die betroffenen Menschen dadurch in ihren
alltäglichen Aktivitäten erheblich beeinträchtigt sind.
Häufigkeit
Demenz tritt mit grösster Häufigkeit im höheren Lebensalter auf. In seltenen Fällen kann sie sich
auch bei jungen Menschen entwickeln. In der Schweiz sind etwa 8 Prozent der Menschen ab
dem 65. Lebensjahr von Alzheimer oder einer anderen Demenzkrankheit betroffen.
URSACHEN
Eine Demenz kann unterschiedliche Ursachen haben. In den meisten Fällen handelt es sich um
eine primäre Demenz – das heisst: Die Demenzerkrankung ist nicht die Folge einer anderen
Krankheit, sondern die ursprüngliche Erkrankung:
Am häufigsten entsteht eine solche Hirnleistungsstörung, durch die sich Gedächtnis und
Denkfähigkeit verringern, im Rahmen von Alzheimer, einer neurodegenerativen Erkrankung
(d.h. sie geht mit einem fortschreitenden Verlust von Nervenzellen einher): Bei 60 bis 70
Prozent aller Demenzen handelt es sich um Alzheimer-Demenz. Die genaue Ursache für die
Alzheimer-Krankheit ist unbekannt.Die zweithäufigste Demenz-Form, die gefässbedingte
(vaskuläre) Demenz, ist mit einem Anteil von etwa 10 bis 20 Prozent weitaus seltener. Ursachen
hierfür sind gefässbedingte Schädigungen des Gehirns, zum Beispiel infolge von
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Infektionen: zum Beispiel AIDS (sog. AIDS-Demenz), Prionenerkrankungen wie die Creutzfeldt-
Jakob-KrankheitDrogenvergiftung: das sogenannte Wernicke-Korsakoff-Syndrom durch
AlkoholSauerstoffmangel und raumfordernde Prozesse im Gehirn: Normaldruck-Wasserkopf
(Hydrozephalus), Meningeome Stoffwechselkrankheiten: Störungen der Schilddrüse, Diabetes
mellitus
SYMPTOME
Eine Demenz ist eine Hirnleistungsstörung, deren Symptome typischerweise die kognitive
Leistungsfähigkeit betreffen: Hauptsymptom aller Demenzen ist das nachlassende
Erinnerungsvermögen. Während das Kurzzeitgedächtnis früh beeinträchtigt ist, verblasst die
Erinnerung an Vertrautes und früher Erlerntes jedoch erst in späten Demenz-Stadien. Als
weitere kognitive Symptome kommen bei einer Demenz unter anderem Störungen der
Orientierung, der Sprache (z.B. Wortfindungsstörungen) und der Auffassung hinzukommen.
Wer dement ist, zeigt auch Beeinträchtigungen, die nicht die Denkfähigkeit betreffen: So treten
bei einer Demenz auch verschiedene Verhaltens- und psychische Symptome auf, deren
Häufigkeit, Dauer und Ausprägung von Fall zu Fall sehr unterschiedlich ist. Infolge der
Hirnleistungsstörung ist die Gefühlskontrolle zunehmend gestört, wodurch sich die
Persönlichkeit (bzw. das Wesen) dementer Menschen verändert. So kann es vermehrt zu
Unruhe mit erhöhter Anspannung, Enthemmung, Euphorie oder zu Aggressionen oder zu
129
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Weinanfällen kommen. Oft sind bei einer Demenz eine gesteigerte Bewegung und häufige
Wiederholungen gleicher Bewegungsabläufe zu beobachten. Häufigstes Verhaltenssymptom ist
jedoch die Teilnahmslosigkeit (Apathie). Verbreitet sind Demenzen durch Phasen der Depression
gekennzeichnet; seltener tritt Angst als Anzeichen einer Demenz auf.
In den Spätstadien einer Demenz können körperliche Symptome wie gestörter Tag-Nacht-
Rhythmus, Blasenschwäche (Inkontinenz) oder Verstopfung hinzukommen.
Die Symptome einer Demenz sind, auch abhängig vom Stadium der Erkrankung, sehr vielfältig.
Nicht nur die Betroffenen selbst sind durch die Demenzerkrankung in ihren alltäglichen
Aktivitäten erheblich beeinträchtigt – auch für Angehörige beziehungsweise betreuende
Personen sind die Auswirkungen der Demenz teilweise extrem belastend.
DIAGNOSE
Bei einer Demenz gelingt mit recht einfachen Mitteln eine verhältnismässig sichere Diagnose.
Die typischen Anzeichen der Hirnleistungsstörung, die Art, wie demente Menschen auftreten
und eine sorgfältige Untersuchung führen schnell zu dem Verdacht, dass eine Demenz vorliegt.
Die infolge der Demenz entstandenen Gedächtnisdefizite kann man durch neuropsychologische
Tests beurteilen. Der zur Diagnose einer Demenz am häufigsten verwendete Test ist die 15-
minütige MMSE (Mini Mental State Examination). Als erweiterte Version (SIDAM) dauert die
Untersuchung bis zu 30 Minuten. Daneben stehen auch schnellere Tests zur Beurteilung einer
Demenz zur Verfügung – und solche, die Schwächen der MMSE auszugleichen suchen: der
DemTect (Demenz-Detections-Test) und der TFDD (Test zur Früherkennung von Demenzen mit
Depressionsabgrenzung). Diese Tests können besonders im Frühstadium der Demenz wichtige
diagnostische Hinweise liefern. Auch wer einem Menschen mit Demenz nahe steht und erste
Veränderungen bemerkt hat, kann hilfreiche Informationen zur Feststellung und Beurteilung der
Hirnleistungsstörung beisteuern.
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131
Um die Ursachen der Demenz zu klären, folgen weitere Untersuchungen. Zur Basisdiagnostik
gehören eine gründliche körperliche Untersuchung, eine Blutuntersuchung sowie der Einsatz
bildgebender ( CT, MRT) und elektrophysiologischer Verfahren (EKG). Je nach vermuteter
Ursache können auch weitere, spezielle Verfahren zur Diagnose zum Einsatz kommen (z.B.
Genanalysen, SPECT oder Hirnwasseruntersuchung).
Die häufigste Form von Demenz, die Alzheimer-Krankheit, ist eine sogenannte
Ausschlussdiagnose. Das bedeutet, die Diagnose «Alzheimer-Demenz» erfolgt erst dann, wenn
andere Ursachen nicht infrage kommen.
THERAPIE
Bei einer Demenz zielt die Therapie darauf ab, die Symptome der Hirnleistungsstörung zu
verbessern, ihr Fortschreiten zu verzögern und die Lebenssituation der Betroffenen zu erhöhen.
Durch eine entsprechende Behandlung kann man Demenzen im Frühstadium positiv
beeinflussen. Vollständig heilbar sind die meisten Formen jedoch nicht. Daher ist es wichtig,
eine Demenz früh zu erkennen und zu behandeln.
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132
Wenn Sie die Pflege eines dementen Menschen übernommen haben oder wenn Sie selbst
dement sind, haben Sie so eine echte Chance, sich früh über die Demenz sowie über mögliche
Hilfe und verfügbare Therapien zu informieren und im Voraus zu planen. Möglicherweise
handelt es sich aber auch um eine der seltenen heilbaren (reversiblen) Demenzen, die durch
eine frühzeitige Therapie verschwinden können.
Wenn der Verdacht auf eine Demenz besteht, informieren Sie daher den behandelnden
Hausarzt und/oder Facharzt (Psychiater, Neurologe) am besten so früh wie möglich.
Schweizweit gibt es Selbsthilfegruppen, in denen eine umfassende Beratung zu Demenzen
möglich ist.
VERLAUF
Nicht jede Demenz zeigt den gleichen Verlauf: Einerseits treten Demenzen in vielen Formen
unterschiedlichster Ursachen auf, andererseits verlaufen auch Demenzerkrankungen ein und
derselben Form (z.B. Alzheimer-Demenz) grundsätzlich individuell verschieden.
Die meisten Demenzen setzen im höheren Lebensalter ein und schreiten stetig langsam fort –
über Jahre hinweg. Es gibt aber auch früher beginnende, sich rasch verschlechternde oder
schwankende Formen von Demenz:
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In seltenen Fällen nimmt eine Demenz nicht zwangsläufig einen fortschreitenden Verlauf,
sondern ist wieder umkehrbar (reversibel). Solche Demenzen entstehen sekundär (d.h. durch
eine andere Grunderkrankung), zum Beispiel durch:
Prognose
Bei einer fortschreitenden Demenz kann man den Verlauf mithilfe der heute verfügbaren
Medikamente bereits verzögern. Die Prognose ist dennoch nicht beeinflussbar, da keine
Therapie das Fortschreiten der Demenz völlig stoppen kann. Daher ist trotz frühzeitiger
Therapie damit zu rechnen, dass Menschen mit fortschreitender Demenz irgendwann Pflege
benötigen und ihre Lebenserwartung vermindert ist.
VORBEUGEN
Einer Demenz können Sie nicht gezielt vorbeugen, da die genauen Ursachen dieser
Hirnleistungsstörung nicht vollständig geklärt sind. Allerdings sind einige Risikofaktoren
bekannt, welche die Entstehung einer Demenz begünstigen. Dazu zählen:
Wenn Sie einer Demenz vorbeugen möchten, ist es daher wichtig, dass Sie Nikotinkonsum und
Übergewicht vermeiden sowie die genannten Grunderkrankungen frühzeitig und wirksam
behandeln (lassen). Allgemein ist es ratsam, auf eine ausgewogene Ernährung (z.B. mediterrane
Kost) zu achten und sich regelmässig körperlich zu bewegen.
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ÜBERBLICK
An der Autoimmunkrankheit, die auch unter dem Namen Diabetes mellitus Typ 1 bekannt ist,
leiden in Deutschland mit einer Zahl von 400 000 Erkrankten deutlich weniger Menschen als an
Diabetes mellitus Typ 2.
Auch wenn Diabetes melltius Typ 1 nicht heilbar ist, wird den Patienten es ermöglicht, aufgrund
der weit vorangeschrittenen Medizin ein langes Leben mit einer hohen Lebensqualität zu
führen.
Bei der Autoimmunkrankheit Diabetes mellitus Typ 1 wendet sich das Immunsystem des
Körpers gegen die Bauchspeicheldrüsenzellen, die Insulin produzieren, und zerstört diese. Die
Insulinproduktion kann nicht mehr fortgesetzt werden und es kommt zum Ausbleiben des
Hormons innerhalb kürzester Zeit.
Dieser Vorgang kann fatale Folgen haben, denn das Hormon Insulin ist dafür verantwortlich, den
Zucker, der durch die Nahrung in das Blut aufgenommen wurde, abzubauen und ihn zur
Energiegewinnung zu verwenden. Bei einer Zerstörung der Insulinzellen staut sich der Zucker in
den Adern, sodass der Blutzuckerspiegel in die Höhe schießt.
Die Ursachen für eine Autoimmunerkrankung wie Diabetes mellitus Typ 1 ist meistens eine
Autoimmunreaktion (Zerstörung der Insulinzellen der Bauchspeicheldrüse).
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Aus welchem Grund sich das Immunsystem jedoch gegen die B-Zellen zur Insulinproduktion
wenden, ist noch ungeklärt. Es wird bisher vermutet, dass gewisse Erbanlagen eine Rolle bei
diesem Vorgang spielen. Diese Vermutung ist allerdings nicht ausreichend belegt, deshalb
beziehen Forscher in ihre Untersuchungen ebenfalls die Umweltfaktoren ein, unter denen eine
Autoimmunreaktion hervorgerufen werden kann.
Demnach kann der Ausbruch von Diabetes mellitus Typ 1 durch zu frühen Kontakt mit Kuhmilch
sowie einige Viren deutlich begünstigt werden.
Die Autoimmunkrankheit Diabetes mellitus Typ 1 ist besonders gefährlich, da sie sich nur
schleichend bemerkbar macht. Meistens setzt sie schon in der frühen Kindheit ein. Die
Symptome können aber erst Jahre später auftreten, obwohl die Antikörper, die die Insulinzellen
zerstören, schon Jahre vor Auftreten der ersten Symptome im Blut nachweisbar sind. Durch eine
einfache Messung der Zuckerkonzentration kann die Krankheit nachgewiesen werden.
Mit dem Anstieg des Blutzuckerspiegels und Glukosenachweisen im Urin können sich ebenfalls
die ersten Symptome von Diabetes mellitus Typ 1 bemerkbar machen. Dies wären unter
anderem Harndrang, Durst, Müdigkeit, Juckreiz, Gewichtsverlust, Azetongeruch sowie Magen-
Darm-Probleme und diabetisches Koma.
Wenn der Körper durch den starken Flüssigkeitsverlust sowie durch einen steigenden
Ketonkörperspiegel eine Übersäuerung des Organismus erreicht hat, macht sich das durch tiefe
Atemzüge zur Kohlendioxidabgabe bemerkbar. In diesem Zustand muss der Patient sofort
fachärztliche Hilfe bekommen, da das zunehmende Austrocknen des Gehirns dafür sorgt, dass
der Patient komatös wird.
Wenn keine Therapie erfolgt, fällt der Patient durch den Flüssigkeitsmangel und die
Übersäuerung in ein diabetisches Koma. Die Krankheit muss dann auf der Intensivstation
überwacht werden und ist somit lebensbedrohlich.
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136
Werden die Symptome von Diabetes mellitus Typ 1 rechtzeitig erkannt, so kann eine adäquate
Therapie zur Linderung der Symptome und zur Herstellung der gewohnten Lebensqualität
eingesetzt werden. Zur Behandlung werden verschiedene Therapieformen genutzt, die ein
Leben lang fortgesetzt werden müssen.
Bei der konventionellen Insulintherapie muss sich der Patient zwei Mal täglich ein kurz und ein
lang wirkendes Insulinpräparat spritzen. Die Mahlzeiten sind abhängig von der gespritzten Dosis
des Insulins. Zur Sicherheit muss sich der Patient regelmäßigen Blutabnahmen und
Untersuchungen unterziehen.
Die Intensivierte Insulintherapie bietet den Diabetes mellitus Typ 1 Patienten ein gewisses Maß
an Flexibilität, denn durch das Spritzen von zwei lang wirkenden Dosen kann der Patient den
Zeitpunkt seiner Mahlzeiten frei wählen.
Durch die moderne Insulinpumpentherapie wird die gespritzte Menge, die durch den Katheter
direkt ins Bauchfett gespritzt wird, besser dosierbar. Aufgrund dessen eignet sich diese
Therapieform vor allem für Kleinkinder.
Für Diabetes mellitus Typ 1 besteht im Gegensatz zu Typ 2 keine Vorbeugemöglichkeit. Doch
eine Messung der Antikörper und der Zuckerkonzentration im Blut kann man vorhersagen, ob
jemand an Diabetes mellitus Typ 1 erkranken wird.
Diabetes mellitus Typ 2 wird häufig durch Übergewicht hervorgerufen. Durch konsequente
Verhaltensmaßnahmen ist die Erkrankung oft zu kontrollieren.
Diabetes mellitus Typ 2 ist eine Form, der in der Umgangssprache auch als Zuckerkrankheit
bezeichneten chronischen Erkrankung, die den Stoffwechsel betrifft.
Charakteristisch für Diabetes-Formen wie den Diabetes mellitus Typ 2 ist ein erhöhter
Blutzuckerspiegel bei Betroffenen. Die Bezeichnung Zuckerkrankheit für Diabetes-Formen, wie
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den Diabetes mellitus Typ 2, ist darauf zurückzurühren, dass bei an Diabetes erkrankten
Personen Zucker im Urin nachzuweisen ist.
Von Diabetes mellitus Typ 2 sind vorwiegend ältere Menschen betroffen. Aus diesem Grund
wurde Diabetes mellitus Typ 2 in der Vergangenheit auch als Altersdiabetes bezeichnet.
Zunehmend zeigt sich Diabetes mellitus Typ 2 allerdings auch bei jüngeren Menschen. Dies wird
von der Wissenschaft darin begründet, dass immer mehr Kinder und Jugendliche ungesund und
zuckreich essen. Außerdem leiden viele Kinder an Bewegungsmangel. Beide Komponenten
führen dann meist zu Fettleibigkeit und in der Folge zu Diabetes.
Diabetes mellitus Typ 2 macht weltweit den mit Abstand größten Teil der Diabetes-
Erkrankungen aus. Die Tendenz der Anzahl an Betroffenen von Diabetes mellitus Typ 2 ist
steigend.
Ursachen
Diabetes mellitus Typ 2 beruht auf einer gestörten Bildung von Insulin durch die
Bauchspeicheldrüse und der beeinträchtigten Wirkung von Insulin im Körper.
Aufgrund einer gestörten Insulinbildung bei Diabetes mellitus Typ 2 kommt es bei Betroffenen
zu einer mangelhaften Ausschüttung von Insulin nach der Aufnahme von Nahrung; dies kann
dann einen akut erhöhten Blutzuckerspiegel auslösen. Eine sogenannte Insulinresistenz bei
Diabetes mellitus Typ 2 führt dazu, dass Körperzellen nur eingeschränkt oder gar nicht auf
ausgeschüttetes Insulin reagieren und so der Abbau von Glukose im Blut beeinträchtigt ist.
Bei Diabetes mellitus Typ 2 liegt also ein sogenannter relativer Insulinmangel vor: Trotz
Insulinproduktion ruft das Insulin keine ausreichenden Reaktionen der Körperzellen hervor. Bei
einer Mehrzahl von an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankten Personen liegen Risikofaktoren wie
Bluthochdruck und starkes Übergewicht vor.
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Das Vorliegen eines Diabetes mellitus Typ 2 kann festgestellt werden über die Blutzuckerwerte.
Außerdem kann eine Urinprobe Glucose im Urin bei Diabetes mellitus Typ 2 aufzeigen. Hinweise
auf Diabetes mellitus Typ 2 sind gegeben, wenn sich im nüchternen Zustand beispielsweise
Blutzuckerwerte von mehr als 110 mg/dl im Vollblut zeigen; beim gesunden Menschen liegt
dieser Wert in der Regel unter 90 mg/dl.
Der Verlauf von Diabetes mellitus Typ 2 hängt vor allem von einer konsequenten Therapie ab.
Bei angemessener medizinischer Behandlung und aktiver Mitarbeit des Patienten können die
Prognosen bei Diabetes mellitus Typ 2 sehr gut sein.
Wird Diabetes mellitus Typ 2 nicht angemessen behandelt, so kann es allerdings aufgrund von
Folgeschäden zu Einschränkungen in Lebensqualität und -dauer kommen.
Mögliche Therapieschritte bei Diabetes mellitus Typ 2 lassen sich als sogenannte Stufentherapie
darstellen: Bei rechtzeitiger Feststellung von Diabetes mellitus Typ 2 ist eine Therapie auf Stufe
1 oft noch ohne die Gabe von Medikamenten möglich; interveniert werden kann hier
beispielsweise durch gesunde Ernährung, Gewichtsverlust und körperliche Bewegung.
Können Therapieziele der Stufe 1 nicht erreicht werden bzw. sind diese nicht ausreichend
wirksam, so kann auf Stufe 2 der Therapie von Diabetes mellitus Typ 2 eine Medikamentengabe
notwendig werden; die Medikation übergewichtiger Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2
unterscheidet sich in der Regel von der Medikation normalgewichtiger Patienten. Zeigt die
Therapiestufe 2 bei Diabetes mellitus Typ 2 keinen ausreichenden Erfolg, so können auf Stufe 3
zusätzliche Medikamente verordnet werden.
Auf Stufe 4 der Therapie von Diabetes mellitus Typ 2 wird die bisherige Medikamentengabe
durch eine Insulingabe ergänzt. Auf der letzten Stufe der Behandlung von Diabetes mellitus Typ
2 konzentriert sich die Therapie schließlich auf die Gabe von Insulin.
Vorbeugung
Vorbeugen lässt sich Diabetes mellitus Typ 2 in vielen Fällen durch eine gesunde Lebensweise;
diese umfasst etwa eine ausgewogene Ernährung (wenig Fett, Zucker und ausreichend Gemüse
bzw. Obst sowie Vollkornprodukte), regelmäßige körperliche Bewegung und vor allem das
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Vermeiden von Übergewicht. Bei gewünschter Unterstützung in der Vermeidung von Diabetes
mellitus Typ 2 kann ein Arztbesuch hilfreich sein.
Parkinson (Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit) ist eine Erkrankung des Gehirns, bei der vor
allem die Beweglichkeit und der Bewegungsablauf gestört sind. Morbus Parkinson zählt zu den
häufigsten Krankheiten in der Neurologie und betrifft überwiegend ältere Menschen, meist
zwischen dem 55. und 65. Lebensjahr.
Dopamin ist ein Hormon oder Botenstoff mit eigener Wirkung im Gehirn. Zudem ist Dopamin
eine Vorläufersubstanz, aus der das Gehirn die Hormone Adrenalin und Noradrenalin bildet.
Fehlt das Dopamin oder tritt ein Dopamin-Mangel auf, führt dies zur für Morbus Parkinson
typischen Verlangsamung aller Bewegungen (sog. Hypokinese) beziehungsweise zu einer
Bewegungsarmut bis hin zur Bewegungslosigkeit (sog. Akinese), was typische Parkinson-
Symptome sind. Das Gleichgewicht verschiebt sich zugunsten anderer Botenstoffe wie
Acetylcholin und Glutamat. Das entstehende Übergewicht an Acetylcholin löst die weiteren
typischen Symptome für Morbus Parkinson aus: das Zittern (Tremor) und die Muskelsteifheit
(Rigor) der Betroffenen.
Die Parkinson-Diagnose erfolgt anhand der Symptome, der Krankengeschichte und der
Untersuchungsbefunde. Erhalten Menschen mit Morbus Parkinson eine Vorstufe von Dopamin
(sog. Levodopa), sprechen sie anfänglich gut darauf an – ihre Beschwerden verbessern sich.
Diese charakteristische Reaktion weist darauf hin, dass es sich um die Parkinson-Krankheit
handelt.
Auch wenn eine Heilung des Morbus Parkinson derzeit noch nicht möglich ist, so kann eine
individuell zugeschnittene Parkinson-Therapie die Lebenserwartung der Betroffenen dorch
verlängern und ihre Lebensqualität deutlich steigern. Gegen die Parkinson-Krankheit kommen
über Jahre hinweg erfolgreich Medikamente zu Einsatz. Logopädie, Physiotherapie und
Ergotherapie ergänzen die Parkinson-Behandlung.
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DEFINITION
Der Begriff «Parkinson» steht für den Morbus Parkinson (Parkinson-Krankheit bzw.
parkinsonsche Krankheit) und bezeichnet per Definition eine Erkrankung des Gehirns, die in
erster Linie durch eine Störung der willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungsabläufe
gekennzeichnet ist. Eine weitere Bezeichnung für Morbus Parkinson lautet idiopathisches
Parkinson-Syndrom (IPS): «Idiopathisch» bedeutet «ohne erkennbare Ursache». Damit
unterscheidet sich der Morbus Parkinson von folgenden anderen (selteneren) Parkinson-
Syndromen mit bekannter Ursache:
Typisch für die Parkinson-Krankheit ist ein fortschreitender Verlust von Nervenzellen im Gehirn,
die den Botenstoff Dopamin enthalten. Aus Dopamin bilden sich auch die Hormone Adrenalin
und Noradrenalin. Der Dopamin-Verlust konzentriert sich vor allem auf bestimmte
Gehirnbereiche: die sogenannte schwarze Substanz (Substantia nigra) sowie die im Hirnstamm
liegenden Kernkomplexe. Die schwarze Substanz liegt im Mittelhirn. Ihr Name geht auf den
hohen Eisen- und Melaningehalt zurück, der ihre Zellen dunkel färbt. Sie zählt zu den
sogenannten Basalganglien, die eine wichtige Rolle bei der Kontrolle von Bewegungen des
Körpers spielen: Nervenzellen der schwarzen Substanz bilden den Botenstoff Dopamin. Von der
schwarzen Substanz ziehen Nervenfasern zu dem nahe gelegenen Streifenkörper (Striatum).
Dieser ist als weiterer Teil der Basalganglien ebenfalls wichtig für die Bewegungskontrolle des
Körpers und leitet seinerseits die Bewegungsimpulse mithilfe des Dopamins weiter.
Insofern sind sowohl Streifenkörper als auch schwarze Substanz an der Abstimmung von
Bewegungsabläufen beteiligt. Wenn – wie bei Morbus Parkinson – das Dopamin fehlt oder ein
Dopamin-Mangel auftritt, sind die Nervenzellen im Streifenkörper nicht ausreichend erregt. Die
Betroffenen bewegen sich in der Folge verlangsamt und entwickeln eine als Hypokinese
bezeichnete Bewegungsarmut. Ist diese sehr ausgeprägt oder kommt es zur Bewegungslosigkeit,
heisst der Zustand Akinese. Hypokinese und Akinese sind typisch für die Parkinson-Krankheit.
Durch den bei Morbus Parkinson bestehenden Dopaminmangel entsteht zudem ein
Ungleichgewicht zugunsten anderer Botenstoffe wie Acetylcholin und Glutamat. So gehen
Symptome wie Zittern (Tremor) und Muskelsteifheit (Rigor) auf das Übergewicht an Acetylcholin
140
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Häufigkeit
Als grobe Faustregel gilt: Morbus Parkinson tritt in der Altersgruppe der über 60-Jährigen mit
einer Häufigkeit von 1 Prozent auf, während bei den über 70-Jährigen 2 Prozent und bei den
über 80-Jährigen 3 Prozent von Parkinson betroffen sind.
Historisches
Parkinson (Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit) ist nach dem englischen Arzt und
Sozialreformer James Parkinson (1755 bis 1824) benannt, der die Krankheit erstmals beschrieb.
Er erkannte in den Symptomen ein eigenständiges Krankheitsbild und nannte es Shaking Palsy
(Schüttellähmung, Paralysis agitans). Aus heutiger Sicht ist dieser Begriff allerdings irreführend:
Morbus Parkinson ist keine Lähmung, sondern eine zunehmende Bewegungsverarmung, die
auch ohne Schütteln beziehungsweise Zittern (Tremor) verlaufen kann.
URSACHEN
Worin Parkinson (Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit) seine Ursachen hat, ist unbekannt.
Daher bezeichnet man die Erkrankung auch als idiopathisches Parkinson-Syndrom (idiopathisch
= ohne erkennbare Ursache).
Auslöser von Morbus Parkinson ist ein Mangel an Dopamin im Gehirn. Der Dopamin-Mangel hat
seine Ursachen darin, dass dopaminhaltige Nervenzellen in der schwarzen Substanz (Substantia
nigra) fortschreitend absterben. Warum die Nervenzellen bei Parkinson absterben, ist bis heute
noch unklar.
Durch den bei Morbus Parkinson herrschenden Dopamin-Mangel sind die Nervenzellen im
Streifenkörper (Striatum) des Gehirns, der bei der Bewegungskontrolle des Körpers eine
wichtige Rolle spielt, nicht ausreichend erregt. Dies verursacht die für Parkinson typischen
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Neben dem Morbus Parkinson, der ohne feststellbare Ursachen auftritt, unterscheidet man drei
weitere (seltenere) Parkinson-Syndrome, deren Entstehungsmechanismen bekannt sind:
Familiäre Parkinson-Syndrome: Diese sehr seltenen Formen haben erbliche Ursachen – ihnen
liegen Veränderungen im Erbgut zugrunde, die vererbbar sind. Die Symptome zeigen sich bei
Betroffenen meist bereits im jungen Erwachsenenalter (unter 40 Jahren).Symptomatische
(sekundäre) Parkinson-Syndrome: Ursachen sind Umwelteinflüsse oder andere Erkrankungen.
Beispielsweise können Vergiftungen mit «Nervengiften» wie Kohlenmonoxid oder Mangan
Parkinson-Symptome auslösen. Auch bestimmte Medikamente wie Neuroleptika oder
blutdrucksenkende Mittel sind verantwortlich für solche Symptome. Begleitend treten
Anzeichen für Parkinson auch in Verbindung mit bestimmten Krankheiten auf. Hierzu zählen
beispielsweise Hirntumoren, Stoffwechselstörungen (Morbus Wilson) oder häufig
wiederkehrende Traumata des Gehirns wie sie zum Beispiel beim Boxen entstehen (sog.
Boxerparkinson).Atypische Parkinson-Syndrome: Diese treten im Rahmen anderer
neurodegenerativer Erkrankungen auf.
SYMPTOME
Frühstadium
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Mit dem Fortschreiten von Morbus Parkinson zeigen sich erste Symptome der typischen
Bewegungsstörungen: Den Betroffenen fällt es schwerer, feinmotorische Tätigkeiten wie
Schreiben, Kämmen, Zähneputzen oder Zuknöpfen einer Hose zu bewältigen. Mehrere
Bewegungen abzustimmen, gelingt im Verlauf der Parkinson-Krankheit immer schlechter.
Die Handschrift ist bei Morbus Parkinson zunehmend kleiner und unleserlicher. Ausserdem
ändert sich der Gang: Menschen mit der Parkinson-Krankheit bewegen sich in kleinen Schritten
und vornübergebeugt voran. Die Arme schwingen weniger mit, was sich anfangs besonders auf
einer Seite zeigt. Zeitweilig zittern die Hände in Ruhe (Ruhetremor). Die Gesichtsmimik erstarrt
bei Parkinson zunehmend (sog. Maskengesicht), ausserdem kann die Stimme etwas leiser sein.
Fortgeschrittenes Stadium
Schnelle Bewegungen sind aufgrund dieser Symptome dann nicht mehr möglich. Typisch für ein
fortgeschrittenes Stadium der Parkinson-Krankheit ist, dass es den Betroffenen schwerfällt,
schnell loszugehen oder abzubremsen. Vor allem in engen Räumen sind sie in ihrer Bewegung
plötzlich gehemmt – die Füsse scheinen nahezu am Boden zu kleben.
Die Körperhaltung ist zunehmend instabil, so dass Menschen im fortgeschrittenen Stadium von
Morbus Parkinson schneller hinfallen. Wenn ein Arm entspannt liegt oder hängt, tritt das Zittern
der Hände hervor (sog. Ruhetremor). Später entwickelt sich dieser vorübergehende Tremor bei
Parkinson zum ständigen Symptom. Der Speichelfluss nimmt darüber hinaus zu und die
143
144
Wenn Morbus Parkinson ein fortgeschrittenes Stadium erreicht hat, können ausserdem
zusätzlich folgende Symptome auftreten:
Begleitend treten bei einem fortgeschrittenen Morbus Parkinson häufig psychische Symptome
auf: In 30 bis 70 Prozent der Fälle treten Depressionen auf. In bis zu 40 Prozent kommt es zu
Angststörungen, teilweise mit Panikattacken. Daneben führt ein fortgeschrittenes Parkinson-
Stadium in etwa jedem fünften Fall zu Gedächtnisstörungen. Diese können Anzeichen für eine
beginnende Demenz wie etwa die Alzheimer-Krankheit sein.
Spätstadium
Diese kritischen Symptome der akinetischen Krise entsteht durch ein plötzliches Absetzen oder
Reduzieren der Parkinson-Medikamente. Auch plötzliche, schwere Erkrankungen (fieberhafte
Infekte), operative Eingriffe und Flüssigkeitsmangel im Parkinson-Spätstadium können die
Ursache für diesen Zustand sein. Bei Menschen mit Morbus Parkinson ist daher immer darauf zu
achten, dass sie ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen.
DIAGNOSE
Bei Parkinson (Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit) erfolgt die Diagnose durch eine gezielte
Befragung des Betroffenen beziehungsweise der Angehörigen. Zusätzlich führt der Arzt eine
umfangreiche medizinische Untersuchung durch. Im fortgeschrittenen Stadium sind die
Anzeichen von Morbus Parkinson so ausgeprägt, dass die Krankheit oft auf den ersten Blick
erkennbar ist.
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Wenn der Arzt bei der Untersuchung eine Bewegungsunfähigkeit (Akinese) feststellt und
darüber hinaus ein Zittern (Tremor), eine Muskelsteifheit (Rigor) oder die typische
Körperhaltung vorliegt, deutet dies auf Morbus Parkinson hin. Falls die Symptome zunächst nur
auf einer Körperseite auftreten, so ist das ein zusätzlicher Hinweis für die Diagnose der
Parkinson-Krankheit.
Zusätzliche Hinweise auf einen bestehenden Morbus Parkinson liefern bildgebende Verfahren
wie die Computertomographie (CT) und die Magnetresonanztomographie (MRT). Sie dienen
dazu, bei der Diagnose andere Gehirnerkrankungen auszuschliessen, die zu sichtbaren
Veränderungen des Gehirns führen.
Des Weiteren können bei Morbus Parkinson folgende Massnahmen zur Diagnose zum Einsatz
kommen, um bestimmte Fragestellungen zu klären:
THERAPIE
Bei Parkinson (Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit) ist eine rechtzeitige, altersgerechte und
wirksame Therapie wichtig. Daher ist es sinnvoll, frühzeitig eine individuelle
Behandlungsstrategie festzulegen.
Grundsätzlich zielt die gegen Morbus Parkinson eingesetzte Therapie darauf ab,
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Medikamente
Die Ursachen von Parkinson (Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit) sind nur selten bekannt.
Das heisst: Für eine Therapie fehlt in der Regel ein exakter Ansatzpunkt. Es ist jedoch möglich,
den Mangel an Dopamin, der kennzeichnend für Parkinson (und Auslöser der typischen
Symptome) ist, durch Medikamente direkt oder indirekt auszugleichen, um die Beschwerden zu
lindern. Grundsätzlich stehen zu dieser medikamentösen Parkinson-Behandlung folgende
Medikamente zur Verfügung:
Es ist grundsätzlich ratsam, Morbus Parkinson frühzeitig durch Medikamente zu behandeln. Wie
diese medikamentöse Parkinson-Therapie im Einzelnen aussieht, hängt unter anderem vom
Alter und von eventuellen Begleitstörungen der Betroffenen ab. Dabei sind vor allem die
möglichen Spätkomplikationen der Parkinson-Behandlung zu bedenken:
Wenn Sie bei der Parkinson-Diagnose über 70 Jahre alt, aber ansonsten gesund sind, kommt für
Sie eine Kombinationsbehandlung aus L-Dopa und Dopamin-Agonisten und/oder COMT-
Hemmern infrage.Wenn Sie noch keine 70 sind, ist es ratsam, die Behandlung mit L-Dopa
versuchsweise hinauszuzögern und zunächst Dopaminagonisten einzusetzen (zusammen mit
einem MAO-B-Hemmer oder einem anderen Mittel).Wenn Sie bei der Diagnose der Parkinson
unter 40 Jahre alt sind, erhalten Sie zur Behandlung wahrscheinlich zunächst nur einen
Dopamin-Agonisten.
Levodopa (L-Dopa)
Man sollte meinen, der bei Parkinson (Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit) herrschende
Dopaminmangel liesse sich einfach durch Dopamin ausgleichen. Eine Therapie durch
dopaminhaltige Medikamente wäre aber wirkungslos, denn: Von aussen zugeführtes Dopamin
kann nicht direkt in das Gehirn gelangen und den Wirkort erreichen, weil es die sogenannte
Blut-Hirn-Schranke nicht durchdringen kann (die Blut-Hirn-Schranke ist die Barriere zwischen
Blutkreislauf und Gehirn sowie Rückenmark). Daher erhalten Sie statt Dopamin dessen
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Levodopa gilt als das wirksamste Medikament gegen die für Parkinson typische
Bewegungsverlangsamung und erhöhte Muskelspannung und führt in der Regel zu einer
raschen Besserung der Symptome. In den ersten Jahren verläuft die medikamentöse Therapie
von Morbus Parkinson mit L-Dopa meist problemlos. L-Dopa ist besonders zu Beginn der
Behandlung als Tablette, Kapsel oder Tropfen gut verträglich. Es verzögert jedoch nicht das
Fortschreiten der Parkinson-Krankheit und begünstigt möglicherweise Therapiekomplikationen,
vor allem Störungen des Bewegungsablaufs (Dyskinesien).
Andererseits ist durch die Einführung der Levodopa-Therapie die Lebenserwartung von
Menschen mit Morbus Parkinson deutlich gestiegen, weil sich durch Morbus Parkinson bedingte
Komplikationen vermeiden liessen.
Im Laufe der Parkinson-Therapie nimmt die Wirkdauer der Medikamente häufig ab: Dann lässt
die Wirkung von Levodopa schon etwa vier bis sechs Stunden nach der Einnahme nach. Diese
typische und im Verlauf des Morbus Parkinson am frühesten auftretende Form der
Wirkungsschwankung nennen Mediziner Wearing-off oder End-of-Dose-Phänomen (engl.
wearing off = abnutzend, abschwächend; engl. dose = Dosis).
Die Nebenwirkungen der Parkinson-Therapie hingegen nehmen mit der Dauer der Levodopa-
Gabe oft deutlich zu. Es kommt anderem zu Verwirrtheitszuständen, Herz-Kreislauf-Störungen
und Schlafstörungen.
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herrschenden Dopaminmangels stehen zur Therapie noch andere begleitende und alternative
Möglichkeiten zur Verfügung. Eine Möglichkeit bieten die Gegenspieler des Acetylcholins,
sogenannte Anticholinergika. Diese Medikamente verringern das Übergewicht an Acetylcholin,
das im Zuge von Morbus Parkinson durch den Mangel an Dopamin entstanden ist. Acetylcholin
ist wie Dopamin ein Botenstoff des Nervensystems (Neurotransmitter). Parkinson-Symptome
wie Zittern (Tremor) oder Verlangsamung der Bewegungen (Hypokinese und Akinese) kann man
durch diese Medikamente mildern. Biperiden ist nur ein Beispiel für ein solches
Anticholinergikum.
Die Anticholinergika sind die ältesten gegen Morbus Parkinson eingesetzten Medikamente. Da
die Anticholinergika-Therapie mit einigen Nebenwirkungen verbunden ist, kommen diese Mittel
zurückhaltend zum Einsatz. Vornehmlich verwendet man sie, wenn das Ruhezittern
(Ruhetremor) bei der Parkinson-Krankheit vorherrscht und die Standardtherapie nicht
ausreichend wirkt.
Die zunehmenden Nebenwirkungen von L-Dopa sind auch der Grund, weshalb Sie in der
Frühphase von Parkinson (Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit) andere Medikamente
erhalten, wenn Sie jünger als 70 sind: Statt L-Dopa bekommen Sie dann zur Therapie
Nachahmer des Dopamins (sog. Dopamin-Agonisten) oder eine Kombination aus L-Dopa und
Dopamin-Agonisten. Ein Dopamin-Agonist ist ein Arzneimittel, das die Wirkung des Botenstoffs
Dopamin nachahmt. Dopamin-Agonisten ersetzen im Prinzip die Funktion von Dopamin.
Vorrangiges Ziel der Parkinson-Therapie mit Dopamin-Agonisten ist es, Ihre Lebensqualität und
Selbstständigkeit trotz des Morbus Parkinson langfristig zu erhalten.
Als erster Dopamin-Agonist kam 1974 Bromocriptin auf den Markt. Seither stehen mehrere
Dopamin-Agonisten für die Therapie der Parkinson-Krankheit zur Verfügung. Pharmazeutisch
unterteilt man diese Medikamente in zwei Gruppen:
Die Ergot-Präparate gewinnt man aus sogenannten Mutterkornalkaloiden. Ergot steht dabei für
Mutterpilz. Mutterkornalkaloide sind Naturstoffe, die der Mutterko rnpilz bildet. Beispiele sind
die Wirkstoffe Bromocriptin, Lisurid und Pergolid.Nicht-Ergot-Präparate enthalten
Wirkstoffe wie Ropinirol oder Pramipexol. Sie stehen nicht in Zusammenhang mit den
Mutterkornalkaloiden.
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Die bei Parkinson (Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit) eingesetzte Therapie kann auch
auf die Hemmung des Dopaminabbaus abzielen: Dies gelingt durch MAO-B- und COMT-
Hemmer, welche die dopaminabbauenden Enzyme Monoaminooxidase-B beziehungsweise
Catechol-O-Methyl-T ransferase blockieren. Diese Medikamente erhöhen so die
Konzentration von Dopamin. Der verlangsamte Abbau dient dazu, die Wirkungsdauer des
Dopamins im Gehirn zu verlängern. Zu den MAO-B-Hemmern, die gegen Morbus Parkinson
zum Einsatz kommen, zählen zum Beispiel die Wirkstoffe Selegilin und L-Deprenyl. COMT-
Hemmer wie zum Beispiel der Wirkstoff Entacapon sind in der Spätphase von Morbus
Parkinson zugelassen.
Bevor es wirksame Medikamente gegen Parkinson gab, spielte bei der Therapie die
Chirurgie eine grosse Rolle. Es erfolgten chirurgische Eingriffe wie die Pallidotomie oder
Thalamotomie – teils mit schwerwiegenden Nebenwirkungen:
Bei der Pallidotomie zerstört ein Neurochirurg einen nur wenige Millimeter kleinen Anteil
eines Gebietes tief im Gehirn. Dieses Gebiet heisst Pallidum und gehört zu den
Basalganglien. Es reguliert die Bewegungsabläufe des Menschen. Ein Teil des Pallidums
bremst die Bewegungen. Bei Menschen mit Morbus Parkinson ist diese Region überaktiv.
Dies erklärt die typischen Parkinson-Symptome wie Muskelsteifheit (Rigor) und
zunehmende Bewegungsarmut (Hypo- bzw. Akinese) und das kleinschrittige und
schlurfende Gangbild. Die Pallidotomie verfolgt das Ziel, die Bewegungsabläufe bei der
Parkinson-Krankheit wieder geschmeidiger und flüssiger zu machen.Ähnlich wie bei der
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Pallidotomie geht man bei der Thalamotomie vor: Hierbei erfolgt der Eingriff jedoch im
Gehirn im Bereich des sogenannten Thalamus. Vor allem das Zittern (Tremor) soll sich durch
die Thalamotomie verringern.
Beide Eingriffe zählen zu den sogenannten stereotaktischen Behandlungen, bei denen der
Operateur über ein kleines Bohrloch im Schädelknochen tief gelegene Hirnregionen
erreichbar macht. Heutzutage kommen sie bei Morbus Parkinson nur noch in besonderen
Einzelfällen zur Therapie infrage.
Hochfrequenz-Tiefenhirnstimulation
Seit einigen Jahren verfolgt man bei der Parkinson-Therapie einen Ansatz, bei dem die
Betroffenen zuhause (ambulant) über einen gewissen Zeitraum unter Videobegleitung in
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Rücksprache mit dem behandelnden Neurologen ihre Behandlung anpassen können. Für
diese ambulante videounterstützte Therapie oder videodokumentierte Behandlung
installiert man eine Kamera und einen Drucker bei Ihnen (z.B. im Wohnzimmer). Nur Sie
selbst können die Kamera starten. Etwa einen Monat lang machen Sie zu festgelegten
Zeiten etwa zwei Minuten dauernde Aufnahmen und führen dabei Bewegungen und
Aufgaben aus, die ein Programm abfragt. So dokumentieren Sie jeweils den aktuellen Stand
ihrer Beweglichkeit.
Ziel dieser Videobegleitung bei Morbus Parkinson ist es, Ihre Versorgung zu verbessern und
die Art und Dosis der Medikamente optimal auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen. Die
videounterstützte Parkinson-Therapie strebt an, dass Ihre neue Einstellung mit
Medikamenten in einer Klinik seltener nötig ist. Die Methode eignet sich für Sie, wenn Ihre
Bewegungsfähigkeit während des Tages stark schwankt (sog. motorische Fluktuationen) – in
dem Fall ist es besonders wichtig, die Medikamente gegen die Parkinson-Krankheit
individuell sorgfältig einzustellen: Bei der Behandlung sind dann Ihr Tagesablauf, Ihre
Ernährungsgewohnheiten und Ihr soziales Umfeld zu berücksichtigen.
Gerade im Hinblick auf Parkinson (Morbus Parkinson, Parkinson-Krankheit) setzt man grosse
Hoffnung darauf, dass die Forschung neue Therapie-Möglichkeiten hervorbringt. Eines der
neuen Therapiekonzepte ist die Transplantation von Stammzellen ( Stammzelltherapie), mit
der es in der Zukunft gelingen soll, erkrankte Nervenzellen ganz zu ersetzen. So ist es
beispielsweise möglich, Pigmentzellen der Netzhaut im Auge, die die Dopaminvorstufe
Levodopa bilden, sicher ins Gehirn einzupflanzen.
Physiotherapie
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Des Weiteren spielen bei der Parkinson-Therapie die richtige Ernährung und Bewegung eine
grosse Rolle: Wenn Sie Morbus Parkinson haben, ist es wichtiig, dass Sie ausreichend trinken
und fettarm essen. Neben einer gesunden Ernährungsweise ist es ausserdem ratsam, sich
regelmässig zu bewegen und Sport zu treiben. Empfehlenswert sind zum Beispiel Wandern,
Schwimmen und Gymnastik.
VERLAUF
Doch auch durch eine frühzeitige Parkinson-Therapie kann man den fortschreitenden
Verlauf der Erkrankung nicht verhindern. Die Prognose des Morbus Parkinson hängt in
hohem Mass vom Krankheitsstadium ab: Je weiter die Parkinson-Krankheit fortgeschritten
ist, desto höher ist das Risiko für Komplikationen. Mögliche Todesursachen sind Infektionen
der Atemwege, zum Beispiel Lungenentzündung, oder die Folgen von schweren Stürzen
oder Schluckstörungen.
VORBEUGEN
Es sind keine Massnahmen bekannt, mit denen Sie der Entstehung von Parkinson (Morbus
Parkinson, Parkinson-Krankheit) gezielt vorbeugen könnten.
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22.SCHLAGANFALL
ÜBERBLICK
Ein Schlaganfall, Hirnschlag oder Hirninfarkt ist eine akute Krankheit des Gehirns, bei dem
zumeist eine plötzliche Verstopfung oder Blutung in den Blutgefäßen des Gehirns für eine
mangelnde Sauerstoffversorgen sorgen. Ein Schlaganfall ist ein Notfall der sofort der dringenden
medizinischen Hilfe bedarf.
Ein Schlaganfall bzw. Hirnschlag ist eine schwere Fehlunktion und plötzliche Erkrankung des
Gehirns. Dabei wird vor allem die Sauerstoffversorgung zum Gehirn unterbrochen. Es gibt im
Wesentlichen zwei Formen von Schlaganfall. Zum einen kann die Sauerstoffzufuhr durch eine
mangelhafte Gehirndurchblutung (Ischämie) unterbrochen werden und zum anderen kann auch
eine direkte Blutung im Gehirn (Hämorrhagie) für einen Schlaganfall verantwortlich sein. Durch
den fehlenden Sauerstoff kann das Gehirn nicht normal arbeiten und Nervenzellen sterben
bereits innerhalb von zehn bis fünfzehn Minuten ab.
Schlaganfall tritt häufiger bei älteren Menschen auf. Zumeist sind die Betroffenen über 70 Jahre
alt. Durch die Folgen des Schlaganfalls sind die meisten Patienten nach dem Schlaganfall geistig
oder körperlich behindert. Je länger die Zeit nach einem Schlaganfall bis zur akuten Behandlung
dauert, desto stärker ist in der Regel danach die Pflegebedürftigkeit der Betroffenen.
Die Ursachen für einen Schlaganfall sind, wie bereits angemerkt, eine fehlerhafte
Gehirndurchblutung (Ischämie), die zumeist durch eine Arterienverkalkung (Arteriosklerose)
oder durch eine Embolie hervorgerufen wurde. Vor allem die in den Blutgefäßen
angesammelten Fettablagerungen lassen die Gefäße enger werden, sodass immer weniger Blut
hindurch fließen kann. Irgendwann komm der Punkt, andem zunwenig oder gar kein Blut mehr
das Gehirn erreicht und somit auch kein Sauerstoff aus der Lunge mehr zum Hirn transportiert
werden kann. Risikopatienten sind hierbei vor allem mit Diabetes mellitus, Bluthochdruck und
hohen Cholsterinwerten.
Eine weitere Ursache von Schlaganfall ist dann die direkte Blutung im Gehirn (Hämorrhagie), bei
der es zu einer Embolie bzw. Blutgerinnsel kommt. Hierbei gerinnt das Blutgerinnsel (Thrombus)
in den Blutgefäßen und das Blut kann wiederum nicht den Sauerstofftransport zum Gehirn
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gewährleisten.
Als letzte Ursache kommt die sogenannte Hirnblutung (hämorrhagischer Infarkt), in Betracht,
die in 1/4 aller Schlaganfälle in Erscheinung tritt. Hierbei entsteht die Hirnblutung durch einen
das Einreißen oder Riß von Blutgefäßen im Gehirn. Auch hier sind besonders die Patienten mit
Bluthochdruck, Diabetes mellitus und hohen Cholsterinwerten betroffen.
Krankheitsverlauf Schlaganfall
Der Krankheitsverlauf eines Schlaganfalls ist maßgeblich von der Schwere und Schädigung
abhängig, die durch Hirnblutungen und Blutgerinnsel verursacht wurden.
So gesehen ist also der Krankheitsverlauf individuell durch das Ausmaß des Schlaganfalls zu
bewerten. Der Verlauf kann von kaum merklichen Symptomen bis hin zu absoluter
Pflegebedürftigkeit und Bettlägerigkeit reichen.
Vor allem die Sprachstörungen und Lähmungen wirken sich nachhaltig auf das weitere Leben
des Betroffenen aus. Die meisten Gehirnschäden, die durch den Schlaganfall verursacht wurden,
sind heutzutage noch irreversibel beschädigt und können nicht geheilt werden.
Die Behandlung bzw. Therapie von Schlaganfall sollte so schnell wie möglich eingeleitet werden.
Je länger das Gehirn ohne Sauerstoff ist, desto mehr Nervenzellen sterben ab und das Gehirn
kann nicht mehr geheilt werden. Tritt ein Schlaganfall auf, ist dieses sofort einem Notarzt zu
melden.
Die Behandlung eines Schlaganfalls strebt also immer an, den Schaden durch den
Sauerstoffmangel so gering wie möglich zu halten. Dennoch ist die Therapie von der Ursache
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des Schlaganfalls abhängig. Dies wird zunächst vom Notarzt und dann im Krankenhaus als erstes
ermittelt.
Bei einem Blutegrinnsel als Ursache werden sofort Medikamente zur Auflösung dieser
Blutverstopfungen verabreicht. Außerdem wird der Arzt versuchen eine Hirnblutung
auszuschliessen. Dies kann heute mit Hilfe der Computertomographie (CT) durchgeführt
werden. Bei Hirnblutungen muss zumeist schnellstmöglich ein neurochirurgischer Eingriff
erfolgen, um die Blutung zu beenden. Außerdem sollen mögliche Blutergüsse entfernt werden.
Daneben werden alle lebenswichtigen Funktionen überwacht, sodass ein plötzlicher Tod zu
verhinden ist.
Die spätere langfristige Therapie bei Schlaganfall umfasst vor allem die Behandlung der
motorischen Störungen, wie Sprachstörungen und Lähmungen. Vor allem die Rehabilitation
steht dann im Vordergrund der Behandlung, um dem Betroffenen ein würdiges Leben, so weit
es geht, wieder zurück zu geben.
Schlaganfall kann man vorbeugen. Dies muss allerdings so früh wie möglich geschehen und ein
Leben lang. Dazu gehört vor allem fettarmes Essen, viel Bewegung und Sport, wenig Stress, kein
Rauchen und übermäßiges Trinken von Alkohol. Auch zuviel süße Speisen sollten vermieden
werden. Ebenso kann eine häufige Untersuchung beim Arzt mögliche Warnhinweise rechtzeitig
liefern.
Palliativmedizin ist die aktive, ganzheitliche Behandlung von Patienten mit einer
fortschreitenden Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung. Die Erkrankung kann nicht
mehr geheilt werden. Die Linderung von Schmerzen und anderen belastenden
Krankheitsbeschwerden, psychischen, sozialen und spirituellen Problemen treten in den
Vordergrund.
Palliativmedizin umfasst die Behandlung und Betreuung von Patienten und deren Angehörige.
Palliativmedizin ist interdisziplinär und multiprofessionell, das heisst die verschiedenen
Berufsgruppen und Fachrichtungen in der medizinischen Versorgung arbeiten im Team
miteinander.
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Palliativmedizin bejaht das Leben und akzeptiert das Sterben als normalen Prozess. Sie will den
Tod weder beschleunigen noch hinauszögern.
Ziel in der Palliativmedizin ist der Erhalt der bestmöglichen Lebensqualität bis zum Tod. Das
bedeutet für uns, die Lebensqualität durch eine Veränderung der aktuellen Situation zu
verbessern und Unterstützung bei der Bewältigung belastender Beschwerden und
Behinderungen zu geben.
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Chronische Schmerzen werden von vielen Patienten nicht als solche wahrgenommen, weshalb
oft kein Arzt aufgesucht wird. Grundsätzlich sollten alle Schmerzen, die länger als zwei Wochen
andauern, ernst genommen werden. Auf eine Selbsttherapie mit Schmerzmitteln sollte
verzichtet werden, denn hinter chronischen Schmerzen können ernstzunehmende Ursachen
stehen.
Der Schmerz hat sich dann in seiner chronischen Form vom körperlichen gelöst und existiert
weiter. Schmerzen können aufgrund unterschiedlicher Merkmale kategorisiert werden,
beispielsweise nach der Entstehung oder nach der Art und Weise. Chronische Schmerzen
können immer vorhanden sein oder sie können von Zeit zu Zeit aufhören und später
wiederkehren.
Nach dem Entstehungsort unterscheidet man somatische Schmerzen der Muskeln, der Gelenke
oder der Haut, neuropathische Schmerzen, gleichbedeutend mit Nervenschmerzen, Schmerzen
im Kopfbereich und Schmerzen der inneren Organe. Man spricht von chronischem Schmerz,
wenn er mindestens drei Monate anhält und der Mensch in seinem Alltag beeinträchtigt ist.
Sie hat zur Folge, dass viele Reize, wie normale Berührungen, Kälte oder Wärme, schmerzhaft
empfunden werden. Gleiches gilt für psychische Reize wie Stress, Trauer, Angst oder die
Erinnerung an den Schmerz. Weitere Ursachen können Erkrankungen wie Rheuma,
Bandscheibenvorfälle oder schwere Entzündungen sein.
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Eine Diagnose ist aufwendig, da die Formen des chronischen Schmerzes sehr vielfältige sind.
Eine außergewöhnlich differenzierte Diagnostik ist unerlässlich, um die richtige Therapie zu
finden.
Die Diagnose beinhaltet von Seiten des Patienten die Pflicht zur Führung eines
Schmerztagebuchs. Darin werden alle Situationen festgehalten, in denen der Schmerz auftritt,
alle Symptome notiert, die den Schmerz begleiten. In manchen Fällen kann es Sinn machen, die
Krankenakte des Patienten auf frühere Befunde hin zu überprüfen und sich die Lebenssituation
genauer anzusehen.
Oft nehmen Gefühle und Beziehungen Einfluss auf die Empfindung von Schmerz. Zusätzlich füllt
der Patient eine Skala zur Intensität des Schmerzes aus. Begleitend erfolgen eine gründliche,
körperliche, eine neurologische und orthopädische Untersuchung, Ultraschall, CT oder
Kernspintomographie und eine eventuelle neurophysiologische Diagnostik.
Die Behandlung chronischer Schmerzen zielt auf die Ursache und die Faktoren ab, die den
Schmerz verstärken. Sie kann durch Medikamente, physiologische, psychische und soziale
Methoden erreicht werden.
Zur Vorbeugung von chronischen Schmerzen kann Bewegung grundsätzlich nicht schaden. Des
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Weiteren ist es wichtig, länger andauernde Schmerzen ernst zu nehmen und einen Spezialisten
aufzusuchen statt sie in Selbsttherapie zu bekämpfen. Auch die Wahrnehmung der eigenen
Bedürfnisse kann wichtig sein. Wissen, was allgemein im Leben gut tut und was eher zu
vermeiden ist, wo soziale oder persönliche Probleme vorliegen.
25.ONKOLOGIE
Als Onkologie (altgriechisch ὄγκος onkos ‚Anschwellung‘ und -logie) bezeichnet man die
Wissenschaft, die sich mit Krebs befasst.
Im engeren Sinne widmet sich die Onkologie
der Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge von malignen Erkrankungen.
Die dabei involvierten medizinischen Disziplinen sind die Tumore operierenden chirurgischen
Fächer (z.B. Chirurgie, Gynäkologie, HNO, Neurochirurgie, Dermatologie, Urologie,..), die
Radioonkologie und Innere Medizin mit Zusatzausbildung in internistischer Onkologie /
Hämatoonkologie.
Die moderne Onkologie ist von der interdisziplinären Zusammenarbeit der je nach
Tumorerkrankung involvierten medizinischen Fachrichtungen geprägt. So sollten in jedem
Tumorboard immer Vertreter folgender Fachrichtungen verpflichtend anwesend sein:
Radioonkologie, internistische Onkologie, diagnostische Radiologie (zur Beurteilung der
Tumorausbreitung), Pathologie (zur Beurteilung der Art der Tumorerkrankung) und das jeweilig
involvierte chirurgische Fach.
Prävention
Viele Bemühungen in der Onkologie richten sich darauf, Krebs zu verhindern (Krebsprävention)
oder seine Ausbreitung im Körper des Patienten zu unterdrücken. Von zentraler Bedeutung ist
es dabei, Risikofaktoren zu erkennen. Dabei arbeiten Onkologen mit Epidemiologen zusammen
und werten zum Beispiel Krankengeschichten statistisch aus. Die Kenntnis um Risikofaktoren
wird in zweierlei Weise genutzt:
Wird ein Risikofaktor durch weitere Untersuchungen als ursächlich erkannt, versucht
man, diesen Faktor zu reduzieren, zum Beispiel durch Expositionsverhinderung (zum
Beispiel Erlass von TRK-Werten für krebsauslösende Substanzen) oder
Verhaltensinterventionen (zum Beispiel Gesundheitsaufklärung, Raucherentwöhnung).
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Diagnostik
Am Anfang der Krebsdiagnostik steht die Anamnese. Dabei erfragt der Arzt Symptome und
Risikofaktoren. Auf dieser Basis werden dann Screeningtests oder spezifischere Untersuchungen
empfohlen, und zwar hauptsächlich:
Therapie
Die wichtigsten Behandlungsmethoden der Onkologie sind:
Chirurgische Tumorentfernung
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Möglichkeiten sind die einmalige oder mehrmalige Chemotherapie oder Bestrahlung oder eine
Operation zur Entfernung des Tumorgewebes. Verschiedene Chemotherapeutika können
kombiniert werden. Die Kombination aller drei Methoden ist ebenfalls möglich.
Bösartige Tumoren stellen insbesondere bei fortgeschrittenen Erkrankungen die heutige
Medizin immer noch vor erhebliche Probleme.
Zunehmend sanftere Methoden wurden und werden entwickelt, um den Patienten zu schonen.
Dazu gehören unter anderem:
Langzeiteffekte
Während man sich in der Onkologie lange Zeit mit der Verbesserung der Überlebensraten
beschäftigte, konnten hier nun so große Fortschritte gemacht werden, dass nun vor allem auch
die Langzeitfolgen der onkologischen Therapien untersucht werden. Sowohl die Chemotherapie
als auch die Strahlentherapie hinterlässt Spuren im Körper, die noch nach vielen Jahren oder
Jahrzehnten zu Folgeerkrankungen führen können.
Eine Studie beschäftigte sich zum Beispiel mit Erkrankungen von Erwachsenen, die sich in ihrer
Kindheit einer onkologischen Therapie unterzogen.[2] Hier zeigte sich, dass fast alle betroffenen
mindestens an einer chronischen Krankheit leiden. Im Alter von 50 Jahren
standen Kardiomyopathie, Herzklappenfehler, Lungenprobleme, Funktionsstörungen
der Hypophyse und Schwerhörigkeit bzw. Taubheit im Vordergrund. Bei einem Drittel besteht
Unfruchtbarkeit. Trotz verbesserter Therapien sollte auch heute noch auf eine
Langzeitbetreuung ehemaliger onkologischer Patienten geachtet werden um Erkrankungen früh
erkennen und therapieren zu können.
Onkologische Forschung
Die Fortschritte in der Krebsforschung haben dazu beigetragen, neue wirkungsvollere Therapien
gegen Krebs zu entwickeln und Behandlungsansätze zu optimieren.[3] So konnten
Überlebenschancen und Lebensqualität Krebskranker in den vergangenen Jahren stetig
verbessert werden. Die Forschungsförderung durch private Organisationen hat dabei
wachsende Bedeutung. So fördert die Deutsche Krebshilfe seit über 40 Jahren ihres Bestehens
onkologische Forschungsprojekte aus Spendengeldern der Bürger.
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PFLEGERISCHE PROPHYLAXEN
Als Prophylaxe bezeichnet man die Gesamtheit aller Maßnahmen, die dazu dienen, eine
Beeinträchtigung der Gesundheit durch Risikofaktoren, Krankheiten oder Unfälle zu verhindern.
Auch die Vermeidung von Sekundärerkrankungen durch rechtzeitige Behandlung
einer primärenErkrankung ist eine Form der Prophylaxe.
Die zahnmedizinische Prophylaxe umfasst Schutzmaßnahmen vor möglichen Erkrankungen
der Zähne, des Zahnfleisches und des Kiefers.
2 Hintergrund
Zu üblichen prophylaktischen Maßnahmen gehören zum Beispiel Impfungen,
präventive Medikamentengabe, Trinkwasserfluoridierung, Isolierung von infektiösen Individuen
oder Schritte, die der Verhinderung von Unfällen dienen.
3 Einteilung
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Dehydrationsprophylaxe
Obstipationsprophylaxe
Pneumonieprophylaxe
Zystitisprophylaxe
26.OBSTIPATIONPROPHYLAXE
2 Hintergrund
Eine Obstipation ist eine akute oder chronische Stuhlverstopfung (Obstipation) des Darms.
Wenn die physiologische Defäkation nicht spätestens alle drei Tage erfolgt, oder übermäßige
Anstrengungen und Pressen bei der Defäkation benötigt, spricht man von einer Obstipation.
3 Maßnahmen
Ziel der prophylaktischen Maßnahmen ist es, die Darmperistaltik anzukurbeln und für
eine physiologische Stuhlfrequenz zu sorgen. Man unterscheidet allgemeine und spezielle
Maßnahmen.
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Sollten die o.g. Maßnahmen keine Wirkung zeigen, kann auf folgende Maßnahmen
zurückgegriffen werden:
Laxantien
Klistier
Darmeinlauf
Digitale Ausräumung
27.INTERTRIGOPROPHYLAXE
Als Intertrigoprophylaxe bezeichnet man Maßnahmen zur Vorbeugung von juckenden und
nässenden Hautdefekten in Hautfalten (Intertrigo).
Gefährdete Körperstellen
in den Bauchfalten
in der Leiste
in der Analfalte
in der Dammregion
in den Achselhöhlen
Bauchnabel
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Risikofaktoren
Inkontinenz:
Falsche Hautpflege:
Ziele
Das Ziel der Intertrigoprophylaxe ist die Gesunderhaltung der Oberhaut an den gefährdeten
Stellen. Dies wird erreicht durch:
Unterstützung des Patienten bei der Hautpflege (explizites Nachfragen nach juckenden
Stellen)
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Auf die Verwendung von Puder verzichten, da dieses nach kurzer Zeit Klumpen bildet
und die gereizte Haut noch zusätzlich beansprucht.
Pflegemaßnahmen
Hautbelüftung ermöglichen
luftdurchlässige Bekleidung
Mullkompressen (diese eignen sich besonders gut, da sie nicht fusseln und nicht mit der
Wunde verkleben) in die entsprechende Hautfalte legen. So wird verhindert, dass "Haut auf
Haut" liegt. Außerdem binden Kompressen die Feuchtigkeit.
Wenn möglich, Frauen mit einem großen Busen einen passenden Büstenhalter anziehen.
Hier wird auch wieder das "Haut auf Haut"-Liegen verhindert
Hautfalten trocken halten. Die wunden Stellen nach der Körperpflege nicht mit dem
Handtuch trocken "rubbeln", sondern vorsichtig abtupfen oder trocken föhnen.
Regelmäßige Waschungen ohne Zusätze oder mit auf Hauttyp abgestimmten Präparaten.
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Die Intertrigo ist eine nässende Entzündung der Haut, die im Bereich von Körperfalten auftritt.
2 Pathogenese
Eine Intertrigo entwickelt sich in Bereichen, in denen Haut auf Haut liegt. Hier kommt es zur
Bildung einer feuchten Kammer, die eine Mazeration der Haut nach sich zieht. Das Quellen der
Hornschicht erleichtert es potentiellen Krankheitserregern (Bakterien, Pilzen oder Viren),
das Epithel zu infiltrieren.
3 Symptome
Feuchtigkeit in Körperfalten
Hautrötung (Rubor)
Form auf beiden Hautseiten ähnlich ("Abklatschform")
Hautläsionen mit Mazeration und Abschürfung der Haut,
Brennen
Juckreiz
Ein unangenehmer süßlicher Fötor kann auf eine bakterielle Infektion hinweisen.
4 Prädilektionsstellen
Achselhöhle (Regio axillaris)
Genitalbereich (Regio genitalis)
Leistenregion (Regio inguinalis)
Glutealfurche (Sulcus glutealis)
Afterfurche (Crena ani)
Interdigitalräume
submammäre Hautregion
retroaurikuläre Hautregion
Bei adipösen Patienten kommen zusätzlich auch die querverlaufenden Bauchfalten in Betracht.
5 Differentialdiagnosen
Allergie
Dekubitus
Dermatitis (z.B. aufgrund einer Inkontinenz)
Andere mechanische Einwirkungen auf die Haut
Mykosen
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6 Therapie
Die befallenen Areale sollten mit Gazestreifen trocken gelegt werden und vorher mit Solutio
Pyoctanini (0,5%) bepinselt werden. Alternativ zu Solutio Pyoctanini kann das betroffene Areal
mit Lotio alba aquosa behandelt werden. Bei einer Überlagerung der Intertrigo mit Candida
albicans kann ein lokales Antimykotikum in Kombination mit einem
lokalen Glukokortikoid appliziert werden. Die Hautreinigung sollte mit
alkalifreien Syndets erfolgen.
7 Prophylaxe
Bei intakter Haut erfolgt die Schulung des Patienten über die auslösenden Ursachen
(Pathogenese). Es sollte eine regelmäßige Körperpflege nur mit Wasser erfolgen, wobei die Haut
anschließend gut trocken getupft wird. Bei starkem Schwitzen kann man ein Tuch oder Tupfer in
die Falte legen. Es ist ein regelmäßige Kontrolle, ggf. Wechsel der Einlage notwendig.
Bei Mazeration sollten die Differentialdiagnosen ausgeschlossen und ein Abstrich für eine
weiterführende mikrobiologische Diagnostik entnommen werden. Die Körperpflege erfolgt wie
bei intakter Haut mit anschließender Desinfektion, wobei man die Hautfalten auseinander hält
bis die Haut getrocknet ist. Zuletzt wird der Bereich mit einer desinfizierenden Salbe versorgt.
28.ASPIRATIONPROPHYLAXE
2 Hintergrund
Unter einer Aspiration versteht man das versehentliche Einatmen von Fremdkörpern (z.B.
Nahrung) oder von Flüssigkeiten (z.B. Magensaft durch einen Reflux oder Getränke). Bei
Operationen unter Allgemeinanästhesie an nicht nüchternen Patienten besteht immer eine
Aspirationsgefahr. Ursachen einer erhöhten Aspirationsneigung bei wachen Patienten sind
v.a. neurologische Defizite, bzw. starker körperlicher Abbau. Folge einer Aspiration ist häufig die
sog. Aspirationspneumonie.
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169
3 Medizinische Maßnahmen
Intubation bewusstloser Patienten
Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz
Legen einer Magensonde
Absaugen
Antazida-Gabe
4 Pfegerische Maßnahmen
Oberkörperhochlagerung bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme
Kleine Bissen und kleine Schlucke
Ruhe - ausreichend Zeit zum Essen und Trinken geben
Mundhygiene - nach dem Essen und Essensreste entfernen
Postprandial mind. 30 Minuten mit dem Oberkörper erhöht sitzen lassen, um
einen Reflux zu vermeiden
Andickungsmittel in Getränke rühren
Schlucktraining durch Physiotherapeuten
29.Dehydrationsprophylaxe
2 Hintergrund
Der menschliche Organismus benötigt pro Tag etwa 2,0 bis 2,5 Liter Wasser. Betagte Patienten
oder Patienten mit neurologischen Erkrankungen haben oft ein
eingeschränktes Durstgefühl (Hypodipsie), das zu einer allmählichen Austrocknung führen kann.
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Schläfrigkeit
Tachykardie
Obstipation
reduzierter Hautturgor
starkes Durstgefühl
Fieber
Verschiedene Symptome von Krankheiten wie starkes Schwitzen, Durchfall und Erbrechen, aber
auch Umgebungsfaktoren wie große Hitze und trockene Heizungsluft können eine Dehydration
fördern.
4 Pflegerische Maßnahmen
Risiko erkennen
Aufklärung des Patienten
Trinkplan erstellen
Beim Trinken Unterstützung leisten
Lieblingsgetränke erfragen
Getränke in ausreichenden Mengen und in Griffnähe hinstellen
30. Kontrakturenprophylaxe
Unter Kontrakturenprophylaxe versteht man alle speziellen Maßnahmen und Techniken, die zur
Vermeidung von Kontrakturen dienen. Die Kontrakturenprophylaxe wird
von Physiotherapeuten und Pflegekräften durchgeführt.
2 Hintergund
170
171
Unter einer Kontraktur versteht man die Verkürzung bzw. Schrumpfung eines Muskels,
einer Sehneoder der Bänder. Sie führt zu Bewegungseinschränkungen bzw.
Zwangsfehlstellungen in anliegenden Gelenken. Kontrakturen
können reversibel oder irreversibel sein. Die Ursachen einer Kontraktur sind vielseitig.
3 Elemente
Risiko erkennen
Beobachtung von Gelenkstellungen und Bewegungsabläufen
Frühmobilisation und Mobilisationsförderung
Ausreichende Schmerztherapie zur Vermeidung einer Schonhaltung
Bewegungsübungen:
o Aktive Bewegungsübung: Patient führt Gelenkmobilisationen (unter Aufsicht)
selbst durch
o Passive Bewegungsübung: Physiotherapeut oder Pflegekraft mobilisiert Gelenke
mind. 2x täglich
o Assistive Bewegungsübung: Patient wird bei der Mobilisation vom
Physiotherapeuten oder der Pflegefachkraft unterstützt
o Resistive Bewegungsübung: Gelenke werden gegen einen Widerstand mobilisiert
Bei den Bewegungsübungen ist darauf zu achten, dass Supination und Pronation,
sowie Flexion und Extension in einem ausreichenden Umfang durchgeführt werden.
4 Ziele
Die Beweglichkeit der Gelenke soll durch die Kontrakturenprophylaxe erhalten und gefördert
werden. Ferner sollen Muskelatrophie, Sehnenverkürzung und Gelenkveränderungen
vermieden werden.
Der Patient soll in die Lage versetzt werden, die Prophylaxe möglichst selbstständig
durchzuführen.
Kontrakturenprophylaxe
Eine Kontraktur ist eine fehlerhafte Gelenkstellung infolge einer Inaktivität des
Bewegungsapparates (Gelenke, Bänder, Sehnen, Muskeln). Ein Ausgleich dieser Fehlstellung ist
dann weder aktiv, also vom Betroffenen selbst, noch passiv, also mittels gezielter Übungen eines
Therapeuten, möglich.
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172
Inaktivität
Längere Ruhigstellung
Gelenkzerstörende Prozesse
Muskeln schrumpfen durch eine dauernde Untüchtigkeit. Wenn Gliedmaßen wie im Fall einer
Bettlägerigkeit über längere Zeit in einer Streck- oder Beugehaltung gehalten werden oder
normale Bewegungsabläufe wegen Schmerzen eingeschränkt sind (Schonhaltung), kann als
Folge eine Verkürzung der Muskeln und das Verkleben der Gelenkkapseln auftreten. Die
Bewegungsfähigkeit der Gelenke
wird hierdurch eingeschränkt.
Bei der Pflege ist besonders auf folgende Faktoren zu achten. Sie begünstigen die Entstehung
einer Kontraktur.
großflächige Hautvernarbungen
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Wenn dem Patienten dies nicht mehr selbständig möglich ist, kann eine helfende Person die
gezeigten Übungen durchführen. Dabei werden alle Gelenke einmal täglich konsequent
durchbewegt. Die Bewegungen sollten langsam und mit beiden Händen ausgeführt werden. Das
A und O bei den Übungen ist die Anleitung, doch ist die individuelle Schmerzgrenze des zu
Pflegenden ist vom Laien nicht zu überschreiten!
Die Erweiterung der momentanen Beweglichkeit des eingeschränkten Gelenkes ist einzig
dem Physiotherapeuten vorbehalten. Zu einem effektiven Verlauf der Übung gehört auch der
richtige Atemrhythmus, der am Anfang so lange vorgegeben und kontrolliert werden muß, bis er
dem Betroffenen in Fleisch und Blut übergegangen ist. Während der Übungen sollten ihre
einzelnen Schritte dem zu Pflegenden stets erläutert und durch Mitmachen der anleitenden
Person gezeigt werden.
Die zweite prophylaktische Maßnahme ist die richtige Lagerung, worauf besonders bei
bettlägerigen Patienten zu achten ist. Wird vom Arzt keine spezielle therapeutische Lagerung
verordnet, so ist die Mittelstellung aller Gelenke zwischen extremer Beugung und Streckung,
das bedeutet in Funktionsstellung, zu wählen. Bei Personen mit halbseitiger Lähmung, ein
häufig nach einem Schlaganfall auftretendes Krankheitsbild, ist darauf zu achten, daß auch die
gelähmte Seite mittels eines Kissens unter dem Oberarm unterstützt wird. Die Gelenke der
Finger sind halbrund zu lagern, in die aufliegende Hand kann eine mittelgroße
zusammengerollte Binde gelegt werden.
Eine besondere Form der Kontraktur ist der sogenannte Spitzfuß. Er entsteht durch das
Eigengewicht des Fußes, durch die Inaktivität des Fußgelenkes und durch das Gewicht der
aufliegenden Bettdecke. Um das zu verhindern, darf die Bettdecke nicht auf dem Fuß aufliegen.
Der Fuß selbst ist senkrecht (Stellung, als ob der Mensch steht) zu lagern. Das erreicht man,
indem zwischen Fußsohle und unterer Bettkante ein fester Gegenstand gelegt wird, so daß der
Fuß in Funktionsstellung ist. Bei täglichen Übungen und sachgerechter Lagerung kann eine
Kontraktur weitestgehend vermieden werden.
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31.Sturzprävention
Sturzprävention
Der Sturz ist der häufigste Unfall im Haushalt, im Garten und in der Freizeit. Jährlich stürzen in
der Schweiz rund 280 000 Personen. Fast 1400 sterben an den Folgen, zu 96 % ältere Personen.
Der Sturz auf gleicher Ebene überwiegt bei allen Altersgruppen. Seniorinnen und Senioren sind
besonders gefährdet und werden durch die Sturzfolgen oft sehr stark in Mitleidenschaft
gezogen. Durch Entfernen von Stolperstellen und baulichen Mängeln sowie durch gezielte
körperliche Aktivität können Stürze verhindert oder deren Folgen vermindert werden.
Tipps
Überprüfen Sie Ihr Heim auf Stolperfallen und andere bauliche Hindernisse.
Versehen Sie Treppen mit Handläufen und markieren Sie Treppenstufen.
Verwenden Sie Seh- und Gehhilfen nach Absprache mit Fachpersonen.
Halten Sie sich mit Gleichgewichtstraining und Übungen zu Kraft, Ausdauer und
Beweglichkeit fit.
Achten Sie auf ausgewogene Ernährung und genügend Bewegung im Alltag.
Tragen Sie im Haus und ausserhalb des Hauses geeignetes Schuhwerk.
32.Verwirrtheitsprophylaxe
Vorbeugung Eine Verwirrtheit lässt sich manchmal durch eine gezielte Vorbeugung verhindern.
So ist gerade bei älteren Menschen häufig ein Flüssigkeitsmangel für die Verwirrtheit
verantwortlich. Dem kann durch eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme entgegen gewirkt
werden. Ebenfalls sollte auf eine ausgewogene und vitaminreiche Ernährung geachtet werden.
Bei älteren Menschen sind oftmals auch psychische und soziale Ursachen die Auslöser einer
akuten Verwirrtheit. Dem kann in gewissem Umfang durch ein gezieltes Einbinden der älteren
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33.Pneumonieprophylaxe
Eine Pneumonie (Lungenentzündung) ist eine akute oder chronische Entzündung des
Lungengewebes. Sie ist die häufigste Todesursache beim alten Menschen.
Ätiologie
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L = Mobilisation
Atemerleichternde Maßnahmen
Atemübungen
S = erhöhte Flüssigkeitszufuhr
Inhalationen
produktives Abhusten
Einreibung mit ätherischen Ölen
Maßnahmen
=== Atemgymnastik === (intertrigoprophylaxe)
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Drainagelagerungen, bei Patienten mit gutem Allgemeinzustand kann auch die Quincke-
Hängelage angewandt werden
Inhalation mit Wasserdampf, Zugabe von NaCl 0,9% oder ätherischen Ölen möglich
Durch Hochlagerung des Oberkörpers und Sitzen am Bettrand wird das Abhusten
erleichtert. Dem Husten geht eine tiefe Inspiration (Einatmung) voraus. Nach Abdominal-
oder Thoraxoperation Abhusten unterstützen: flache Hand auf Operationswunde legen
2x husten
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Das Patientenzimmer immer gut durchlüften, jedoch Zugluft vermeiden. Die Atemluft
möglichst mit Hilfe eines Luftbefeuchters anfeuchten.
Ist der Patient nicht selbständig in der Lage, Sekret abzuhusten, kann es nötig sein,
dieses abzusaugen. Dies kann über Mund, Nase oder ggf. Tracheostoma geschehen.
Inhalation von Medikamenten, welche die Bronchien erweitern, wie z.B. Berodual oder
Theophyllin, welche die Belüftung der Lungenflügel verbessern. CAVE: Gefahr
einer Tachykardie durch die Belegung der Beta2-Rezeptoren).
Totraumvergrößerer: (Totraum physiologisch ca. 150 ml) Durch das Giebelrohr einatmen.
Dadurch atmet man einen Teil seiner verbrauchten Luft wieder ein. Der Co2- Gehalt im Blut
steigt dadurch an und bewirkt somit im Gehirn eine Steigerung der Atmungsaktivität. Der
Patient atmet tiefer und mit einer höheren Atemfrequenz.
34. Dekubitusprophylaxe
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2. Mobilisation
3. Hautpflege
4. Ernährung
Wir führen mit dem Bewohner aktive und passive Bewegungsübungen durch. Diese
werden nach Möglichkeit in andere Pflegetätigkeiten eingebunden, wie etwa in die
morgendliche Ganzkörperwaschung.
Zudem wird der Bewohner, wann immer möglich, aus dem Liegen in eine andere
Position gebracht. Dazu zählen:
o bewegen im Bett
o aufsetzen im Bett
o sitzen am Bettrand
o sitzen im Sessel
o sitzen im Rollstuhl
o aufstehen
Wir setzen auf das kinästhetische Konzept. Dieses ermöglicht ein schonendes Umlagern,
fördert die Eigenbewegung des Bewohners und schont den Rücken der Pflegekräfte.
Nach Abschluss jeder Lagerung fragen wir den Bewohner, ob er bequem liegt. Wir
kontrollieren, ob die eingenommene Körperhaltung zu Scherkräften führt, weil
Hautschichten gegeneinander verschoben werden.
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Wir legen ein Betttuch als Bremse unter die Oberschenkel bis an die Sitzbeinhöcker. Wir
verhindern damit, dass der Bewohner bei einer Lagerung mit erhöhtem Oberkörper
ohne korrekte Beckenbeugung nach unten rutscht
Wir erstellen einen individuellen Bewegungsplan und lagern den Bewohner in kurzen
Abständen um.
Wir fordern den Bewohner auf, im Rahmen seiner Fähigkeiten die Lage eigenständig zu
wechseln. Wir stellen ihm dafür entsprechende Hilfsmittel zur Verfügung wie einen
Bettgalgen, eine Bettleiter usw. Wir vermitteln ihm Techniken, wie er die
Gewichtsbelastung eigenständig verändern kann.
Die Gelenke in physiologischer Stellung gelagert. Dieses ist vor allem bei den großen
Gelenken zwingend geboten.
Zweimal täglich erfolgt eine optische Hautkontrolle. Wir überprüfen insbesondere die
Hautbereiche, die beim Sitzen einem erhöhten Auflagedruck ausgesetzt sind. Soweit
möglich sollte der Bewohner die Hautinspektion eigenständig durchführen. Wir bieten
dem Bewohner dafür einen Handspiegel an. Zusätzlich dazu soll der Bewohner die Haut
mit den Fingern abtasten, um krankhafte Veränderungen wie etwa Verhärtungen,
Schwellungen, Überwärmungen oder Bläschenbildung frühzeitig wahrzunehmen.
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Wir achten darauf, dass der Bewohner seine Arme auf einer Armlehne abstützen kann.
Es ist ihm dann möglich, durch Mikrobewegungen eine Gewichtsverlagerung
durchzuführen. Der Bewohner kann insbesondere sein Gesäß mit der Kraft seiner Arme
kurzfristig vom Rollstuhl abheben und in eine etwas andere Sitzposition bringen.
Wir nutzen ein Gesäßkissen, um den Druck gleichmäßiger zu verteilen. Wir animieren
den Bewohner, verschiedene Sitzkissen zu testen. Ein gutes Sitzkissen reduziert nicht nur
den Auflagedruck, sondern stabilisiert gleichzeitig auch die Sitzposition.
Der Bewohner wird aufgefordert, beim Sitzen die Füße auf den Boden zu stellen. Er
verbessert damit den Halt und verhindert Scherkräfte, falls er aus dem Stuhl zu rutschen
droht. Wenn der Bewohner im Rollstuhl sitzt, werden die Füße in gleicher Weise auf den
Fußstützen positioniert. Falls notwendig werden die Einstellungen der Fußstützen
ansprechend angepasst.
Der Bewohner sollte nicht länger als zwei Stunden auf einem Stuhl sitzen. Danach sollte
er sich körperlich bewegen, also etwa einmal den Flur auf und ab gehen.
Für einen etwaigen Mittagsschlaf wird der Bewohner in sein Bett gebracht. Er sollte nicht
sitzend im Rollstuhl schlafen.
5. Ernährung
Der Bewohner sollte 1,5 bis 2 Liter zu sich nehmen. Im Idealfall konsumiert der
Bewohner eineinhalb Liter in Form von Getränken sowie einen Liter durch
flüssigkeitshaltige Nahrungsmittel.
Wir beachten etwaige Beschränkungen der Flüssigkeitszufuhr, etwa bei einer Herz- oder
Niereninsuffizienz.
Wir beraten den Bewohner hinsichtlich einer gesunden Ernährung und empfehlen eine
Änderung des Konsumverhaltens.
Nach Absprache mit dem Hausarzt und mit der Küche erhält der Bewohner eiweiß- und
vitaminreiche Kost.
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35.Soor-und Parotitisprophylaxe
Soorprophylax
Durch Antibiotika oder ein schwaches Immunsystem sind oft zu viele Hefebakterien
im Mund vorhanden. (Gestörter Bakterienhaushalt)
Risikofaktoren:
Parotitisprophylaxe[Bearbeiten]
Entzündung der Ohrspeicheldrüse
Risikofaktoren:
Hauptursache: mangelde oder fehlende Kautätigkeit
Magensonde
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Schluckstörung
Tumorerkrankung
Maßnahmen:
angepasster Zahnersatz
ausreichend Flüssigkeit
36. Thromboseprophylaxe
1 Definition
Unter dem Begriff Thromboseprophylaxe fasst man alle medikamentösen und nicht-
medikamentösen Maßnahmen zur Vorbeugung (Prophylaxe) von Thrombosen (Blutgerinnseln)
zusammen. Da hierdurch auch Embolien als Folge von Thrombosen vorgebeugt wird, wird auch
der Begriff Thromboembolieprophylaxe verwendet.
2 Maßnahmen
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2.1 Medikamentös
Heparine
Hirudin
Vitamin-K-Antagonisten
Direkte orale Antikoagulantien
2.2 Nicht-medikamentös
Verkürzung der präoperativen Immobilisation
Frühmobilisation
Physiotherapie (Eigenübungen, Bettfahrrad)
Kompressionsstrümpfe
3 Indikationen
Bei größeren Operationen muss immer eine Thromboseprophylaxe durchgeführt werden. Nach
bereits eingetretenen Thrombosen wird eine Sekundärprophylaxe über mehrere Monate
gegeben. Weitere Indikationen sind künstliche Herzklappen oder Vorhofflimmern.
Es gibt auch Einsatzgebiete außerhalb des unmittelbaren medizinischen Bereiches, z.B. bei
längeren Flugreisen zur Vermeidung des sog. Touristenklasse-Syndroms.
Medikamentöse Prophylaxe
Thrombosespritze
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Bettlägerigkeit ist ein zentrales Phänomen in der Pflege, bei dem die betroffene Person über
einen längeren Zeitraum den überwiegenden Teil des Tages und der Nacht im Bett verbringt.
Dieser Daseinszustand steht am Ende einer Entwicklung über mehrere Phasen (nach Zegelin
2004). Hauptursache für Bettlägerigkeit ist die Einschränkung der Fähigkeit, das Bett aus
eigenem Antrieb verlassen zu können, beispielsweise aufgrund von körperlicher Schwäche,
Beeinträchtigungen der Motorik oder dementieller Erkrankung. Daneben spielen der Gedanke
an Schonung eines Kranken durch Bettruhe oder die Gewährleistung seiner Sicherheit eine
Rolle.
Die Zielformulierungen richten sich danach, ob eine Bettlägerigkeit schon besteht oder
vermieden werden soll. Bei bestehender Bettlägerigkeit wird die Pflegeplanung zur Vermeidung
der sozialen und körperlichen Folgen auf die besonderen Bedürfnisse im Rahmen
der ATL eingehen (Sich bewegen, An sozialen Aktivitäten teilnehmen):
In der Pflegeplanung können zur Mobilisierung zunächst Mobilisierungsversuche in abgestufter
Folge in Form von Lageveränderungen (unter Berücksichtigung eventueller
orthostatischer Hypotonie), Gymnastik zum Muskelerhalt und -aufbau vorgesehen werden. Bei
Erfolg sind angemessene Ziele wie Bett-Stuhl-Transfer, kurzes Stehen, wenige Schritte in
Begleitung, Hilfsmittelversorgung etc. festzulegen. Hilfreiche Konzepte dazu sind bewegungs-
und wahrnehmungsfördernde Methoden wie Basale Stimulation und Kinästhetik.
Nur bei Misslingen dieser ersten Maßnahmen ist durch die Pflege an den Ersatz für
eigenständige Ortsveränderungen zu denken. Dafür kommen verschiedene Möglichkeiten
(alternativ und additiv) in Betracht:
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38.Deprivationsprophylaxe
• Ziel ist es, eine möglichst reizvolle Umgebung schaffen. Abwechslung schafft Reize und ist zusammen
mit einem strukturierten Tagesablauf besonders wichtig.
• Bereits deprivierte Menschen sollten schrittweise und ausreichend geschützt an ein möglichst
normales Leben herangeführt werden.
• Vor allem Elemente aus der Basalen Stimulation können bei Deprivation helfen Gezielte Maßnahmen •
Angehörige in die tägliche Pflege einbinden, Besuche sooft es geht ermöglichen.
• Wasserkontakt herstellen und die Eigenschaften dieses tragenden Elements nutzen, z. B. für ihn Fuß-,
Hand- und Ganzkörperbad, Gleiches gilt für Bällchen- und Bohnenbäder.
• Beruhigende oder anregende Massagen mit ätherischen Ölen durchführen. ARBEITSAUFTRAG Kennen
Sie Patientengruppen, die besonders deprivationsgefährdet sind? Gibt es bestimmte Zeitpunkte für ein
erhöhtes Deprivationsrisiko? Diskutieren Sie in der Gruppe. Ergänzen Sie die Abbildung „Folgen der
Reizarmut“. Welche 2 Kategorien könnten hier passen? Überlegen Sie sich Beispielfragen für die 4
Kategorien zum Deprivationsrisiko. Was können Sie als Pflegefachkraft z.B. zum Thema „Bewegung“
beobachten? Welche weiteren Pflegemaßnahmen zur Deprivationsprophylaxe fallen Ihnen ein?
Diskutieren Sie zu zweit oder in der Gruppe. 1 2 3 4 stereotype Bewegungen, Passivität, Reizbarkeit,
depressive Verstimmungen fehlende Geborgenheit Deprivation reizarme, stereotype Umwelt keine
konstante emotionale Zuwendung ungenügend wahrnehmbare Reize Wahrnehmungsstörungen akute
Verwirrtheit (Delir) fehlendes Selbstvertrauen Entwicklungsverzögerungen (Kind), Verlust kognitiver und
körperlicher (Rest-)Fähigkeiten (älterer Mensch) psychischer Hospitalismus in stationären Einrichtungen
sensorische soziale Auslöser für Deprivation. Definition Deprivation Deprivation (lat. „Beraubung“) ist
der Zustand der Reizverarmung bzw. der fehlenden Befriedigung von wesentlichen Bedürfnissen. Eine
Person ist depriviert, wenn ihre objektiven (sozioökonomischer Status, soziale Eingebundenheit,
Gesundheitszustand) und subjektiven Lebensumstände (physischer bzw. psychischer Zustand,
zwischenmenschliche Beziehungen, Berufszufriedenheit, Freizeitgestaltung) schlecht sind.
Deprivationsrisiko einschätzen
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Pflegende sollten ermitteln, ob Patienten bzw. Bewohner, aber auch allein lebende Klienten in der
ambulanten Pflege jeden Tag genügend Zuspruch erfahren, damit sie geistig und körperlich möglichst fit
bleiben. Standardisierte Assessmentinstrumente zur Frage, inwieweit im täglichen Betreuungsprozess
Deprivationen auftreten könnten, sind bisher keine bekannt. Sinnvollerweise kann ein Screening mit
Ja/Nein-Fragen erfolgen:
• Bewegung
• Berührung
• Kognitive Herausforderungen
• Soziale Kontakte
Lässt sich bereits eine dieser Fragen mit Nein beantworten, besteht ein Deprivationsrisiko.
Ziel ist es, eine möglichst reizvolle Umgebung schaffen. Abwechslung schafft Reize und ist zusammen mit
einem strukturierten Tagesablauf besonders wichtig.
• Bereits deprivierte Menschen sollten schrittweise und ausreichend geschützt an ein möglichst
normales Leben herangeführt werden.
• Vor allem Elemente aus der Basalen Stimulation können bei Deprivation helfen.
Gezielte Maßnahmen
• Wasserkontakt herstellen und die Eigenschaften dieses tragenden Elements nutzen, z. B. für ihn Fuß-,
Hand- und Ganzkörperbad, Gleiches gilt für Bällchen- und Bohnenbäder.
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