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Hörverstehen, Band B
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in der
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Sprachliche Fertigkeiten
in der
mündlichen Kommunikation
Hörverstehen, Band B
Joachim Theisen
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(Postgraduiertenstudium in Deutsch als Fremdsprache)
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(Sprachliche Fertigkeiten in der mündlichen Kommunikation)
Copyright © 1999
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O‰fi˜ ¶··ÊϤÛÛ· & Y„ËÏ¿ÓÙË, 262 22 ¶¿ÙÚ·
TËÏ.: (061) 314094, 314206 ñ º·Í: (061) 317244
eapjk@pat.forthnet.gr
HÖRVERSTEHEN
Band A
VORWORT: Allgemeine Einführung in die sprachlichen Fertigkeiten
KAPITEL 0: (Einführung): Kommunikation aus der Perspektive des Hörers
KAPITEL 1: Hören – was ist das?
KAPITEL 2: Was hast du verstanden ? (I)
KAPITEL 3: Was hast du verstanden ? (II)
Band B
KAPITEL 4: Freundliche und unfreundliche Texte
KAPITEL 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
MÜNDLICHER AUSDRUCK
Band A
KAPITEL 0: (Einführung): Kommunikation aus der Perspektive des Sprechers
KAPITEL 1: „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“
KAPITEL 2: Kommunikationsprinzipien – Monologe und Dialoge
KAPITEL 3: Sprachliche und kommunikative Kompetenz
Band B
KAPITEL 4: „Das Wort hat ...“ – Wie bringt man die Schüler zum Reden?
KAPITEL 5 Der Ton macht die Musik
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 4:
Freundliche und unfreundliche Texte
Kapitel 5:
Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
8 Inhaltsverzeichnis
Kapitel 4:
Freundliche
und
unfreundliche Texte
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4.1 Einleitung
In diesem Kapitel konzentrieren wir unsere Überlegungen auf die Texte selbst. Wir
gehen von der Unterscheidung zwischen freundlichen und unfreundlichen Texten aus
und werden
freundliche Texte anhören und uns fragen, was ihre Freundlichkeit ausmacht, und
dabei
Die Welt ist nicht immer so freundlich zu uns, wie wir hoffen. Das gilt auch für unsere
AUDIO
akustische Umwelt. Das eine Geräusch ist zu laut und bereitet uns Unbehagen, ein
anderes ist zu leise, als dass es uns wohl tun könnte. Und was wir den Tag über an
sprachlichen Äußerungen hören, ist ebenfalls nicht immer so, dass wir gleich wissen,
was man uns sagen will. Häufig will man uns gar nichts sagen, wir aber wollen wissen,
was da gesprochen wird, ob nun aus Neugier oder aus Interesse. In anderen Fällen
will man uns durchaus etwas sagen, aber wir verstehen es nicht. Thomas bittet Eva,
Zigaretten mitzubringen, doch sie hört es nicht, oder nimmt es jedenfalls nicht wahr.
Und wenn Sie nicht ganz genau zuhören, werden sie von dem Hörtext auch nicht
allzu viel verstehen.
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Oder denken Sie an einen Witz:Wenn der Witzeerzähler selbst so früh und laut lacht,
dass er die Hälfte des Witzes und erst recht die Pointe verschluckt, vergeht einem
der Spaß. Aber auch schon ein schlecht erzählter Witz ist ein Ärgernis (und doch
kommt er vor).
Es gibt gut und schlecht erzählte Witze, gut und schlecht gelesene Nachrichten, gut
und schlecht gehaltene Reden, oder sagen wir lieber und allgemein: es gibt freundliche
und unfreundliche Texte. Die Freundlichkeit eines Textes bezieht sich hier freilich nicht
auf den Inhalt, sondern meint den Grad der Rücksichtnahme auf den Hörer.
Dass der gerade gehörte Streit auch unter dieser Hinsicht nicht sehr freundlich ist,
wissen wir schon. Hören Sie nun Aufnahme 4.2; darin sind verschiedene andere
AUFGABE 1 Texte zusammengestellt. Welchen halten Sie für freundlich, welchen für
unfreundlich? Warum?
AUDIO
(Lösungsteil)
In der Regel sind es freundliche Texte, mit deren Hilfe im Fremdsprachenunterricht das
Hörverstehen trainiert wird. Ich meine die Texte, die als Anschauungs- und
Übungsmaterial eingesetzt werden. Vor allem im monolingualen Unterricht kommen
hingegen jede Menge andere Texte hinzu, die mit Sicherheit nicht immer so freundlich,
so leicht verständlich, so korrekt ausgesprochen und grammatikalisch richtig sind wie die
Hörbeispiele aus dem Kassettenrekorder. Es handelt sich zum einen um diejenigen Texte,
die Sie selbst als Lehrer produzieren, zum anderen um diejenigen, die Ihre Schüler von
sich geben, inkorrekt, schief betont, bruchstückhaft. Bruchstückhaft, schief betont und
inkorrekt sind auch zahlreiche Texte des muttersprachlichen Alltags, aber natürlich sind
muttersprachliche Äußerungen in anderer Weise falsch als fremdsprachliche.
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4.1 Einleitung 13
Hören Sie Text 4.3 auf der Kassette. Es handelt sich um den Ausschnitt aus einer
Fußballreportage im Radio. Sie können ihn unten mitlesen. In Kapitel 2 hatten Sie
schon einmal die Aufgabe, die sprachlichen Abweichungen eines gesprochenen AUFGABE 2
Textes zu analysieren (Paulas Ausführungen über das Hören, Aufgabe 2). Schreiben
Sie nun bitte die Reportage, die Sie gerade gehört haben, so um, dass alle Sätze
grammatikalisch richtig sind. Das ist keine leichte Aufgabe; möglicherweise müssen AUDIO
Sie den Text an einigen Stellen völlig verändern.
Und Rostock kommt, über Fuchs, über
die rechte Seite, frisch im Spiel seit
wenigen Sekunden, versucht sich
durchzusetzen, Querpass in die Mitte,
auf den eingewechselten ..., der macht
sein erstes Bundesligaspiel, Lehmann
mit Unsicherheit, abgepfiffen,
abgepfiffen, abgepfiffen, zählt nicht der
Treffer von Timo Lange, aber der
Kapitän holt sich noch ne gelbe Karte
ab, da bin ich mir ziemlich sicher, au
weia, das ist die rote Karte gegen, jetzt
muss ich gucken, gegen wen? Gegen
Timo Lange, jawohl, der hat sich nämlich
noch spektakulär fallen lassen gegen
Jens Lehmann, was passiert jetzt? Gelb?
Gegen Lange, der hatte auf meinem
Papier schon gelb, und Jens Lehmann hat
die rote Karte bekommen, das war ja
gar nichts, das war ja gar nichts, der hat
ihm nur die Hand auf den Kopf gelegt,
das war überhaupt nichts, und jetzt
wird's ganz interessant, Jens Lehmann
vom Feld, der Schiedsrichter hinterher,
hinter Timo Lange, ja klar, das gibt noch
die gelb-rote Karte, versteht sich, der
Kapitän hat im ersten Durchgang schon
den gelben Karton gesehen, da muss er
ihm die rote Karte zeigen und Wolfgang
de Baer kommt, nachdem er anderthalb
Jahre warten musste, wieder mal zu
einem Bundesligaeinsatz, er steht auf
jeden Fall schon dort unten am
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Lesen Sie nun diesen Text selbst laut vor.Worin bestehen die Unterschiede?
Es ist deutlich: die Freundlichkeit eines Textes besteht nicht unbedingt darin, dass er
in korrektem Deutsch gesprochen wird. Gesprochene Sprache hat ihre eigenen
Regeln, ihre eigene Grammatik. Wenn Sie die Fußballreportage auf der Kassette
streng schrift-sprachlich umgewandelt haben, bleibt wenig von der Erregung des
Reporters übrig. Nicht zufällig folgt emphatisches Schreiben den Regeln
gesprochener Sprache.
Damit kommen wir zu den Kriterien, die wir am Ende des vorangegangenen Kapitels
zusammenstellten und mit deren Hilfe die Kommunikatibilität und die sprachliche
Schwierigkeit eines mündlichen Textes bestimmt werden können: Länge, Kontext,
Textanfang und Vortragsweise sowie Grammatik, Syntax und Lexik.Wir wollen diese
Kriterien unter Berücksichtigung des Fremdsprachenunterrichts diskutieren und
jeweils Merkmale freundlicher und unfreundlicher Texte benennen.
4.2.1 Textlänge
Wie Sie sich erinnern, haben wir schon in Kapitel 1 in einem Schema den
Zusammenhang zwischen Inhalt und Zeit gefasst. Die Zeit oder die Länge ist ein
schwer zu beurteilendes Kriterium für die Freundlichkeit eines Textes. Ein kurzer
Text hat den Vorteil, dass er leicht zu überschauen ist, wenn allerdings ein Thema
entwickelt und ausgeführt werden soll, erfordert dies eben einige Zeit.Worauf es bei
der Auswahl eines Hörtextes ankommt, dürfte das Verhältnis zwischen Inhalt und
Vortragsweise des Textes einerseits und dem Interesse und der
Aufmerksamkeitsfähigkeit der Zuhörer andererseits sein. Versuchen wir dieses
Verhältnis in einer dynamischen Gleichung zu fassen (freilich fließen hier nicht alle
Aspekte ein):
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4.2 Was ist ein freundlicher, was ist ein unfreundlicher Text? / 4.2.2 Kontext 15
Diese Gleichung ist folgendermaßen zu lesen: Je eher der Inhalt auf das Interesse der
Hörer stößt und je mehr die Vortragsweise eines Textes die Aufmerksamkeit der
Hörer wach hält, desto länger kann ein Text sein, und umgekehrt. Damit sind die
Verhältnisse freundlicher Texte beschrieben. Unfreundliche Texte verstoßen gegen
diese Gleichung: sie sind lang, langweilig und aus verschiedenen Gründen ermüdend,
oder umgekehrt: sie sind zu kurz, zu knapp, zu komplex, als dass sie Interesse wecken
könnten. Allerdings kann man derartigen Texten nicht immer aus dem Weg gehen, Sie
kennen das wahrscheinlich von Ihrem Studium. Nicht jeder Redner versteht es,
interessant und fesselnd über sein Thema zu sprechen. Aufgabe des
Fremdsprachenunterrichts sollte es daher auch sein, auf langweilige Texte
vorzubereiten, selbstverständlich unter Berücksichtigung des Alters und der
Aufnahmebereitschaft der Schüler.
4.2.2 Kontext
Wenn wir den Kontext bedenken, müssen wir über die Authentizität sprechen. Im
Band über das Leseverstehen (Kapitel 3) finden Sie dazu einige Ausführungen, die wir
hier für Hörtexte ergänzen wollen.Viele der Texte, die Sie auf den Begleitkassetten
hören, sind in Wirklichkeit keine reinen Hörtexte, sondern Hör- und Sehtexte. Dass
Sie jedoch keine Videokassetten erhalten, liegt hauptsächlich daran, dass der Aufwand
zu groß wäre. Außerdem geht es mir bei diesen Texten nicht hauptsächlich darum,
dass sie authentisch sind, vielmehr können und sollen Situationen aus den Begleit-
und Nebengeräuschen erschlossen werden. Wir verfügen über ein hohes Maß an
auditiver Phantasie. Allerdings sollte man sich darüber im Klaren sein, was durch das
reine Hören eines Textes gegenüber dem Hören und Sehen verloren geht.
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Hören Sie Text 4.4 auf der beiliegenden Kassette. Was würden Sie gerne noch
wissen? Was könnte das Verständnis erleichtern?
AUFGABE 3
AUDIO
(Lösungsteil)
Wie beurteilen Sie unter dem Gesichtspunkt des Kontextes Hörtext 4.5 auf der
beiliegenden Kassette?
AUFGABE 4
AUDIO
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(Lösungsteil)
4.2.3 Textanfang
Neben dem Kontext ist es vor allem der Textanfang, der den Hörer auf den Text
einstellt. Er kann abschreckend oder verlockend sein, Interesse wecken oder
bewirken, dass die Hörer ihre Ohren gleich auf Durchzug stellen. Wie der Anfang
eines freundlichen Textes aussieht, darüber gibt es seit der antiken Rhetorik weit
gehende Übereinkunft: Er teilt dem Hörer mit, warum das Zuhören sich lohnt, macht
damit Appetit auf mehr, ist sprachlich nicht zu schwierig, kann Überraschungen
bereithalten und insgesamt: er nimmt den Hörer ernst.
Eine besondere Art des Textanfangs ist der Titel. Im Hörfunkprogramm ist es wohl
vor allem der Titel der Sendungen, der darüber entscheidet, ob ich einschalte oder
nicht. In Kapitel 5 des Bandes zum Leseverstehen finden Sie als Text 19 eine
Zusammenstellung von Filmtiteln und Kurzbeschreibungen der zugehörigen Filme. Es
dürfte kein großes Problem sein, die zusammengehörigen Bestandteile
zusammenzufügen
Aus dem Programm des Senders SWR2 aus der Woche vom 30.11. bis 6.12.98
habe ich einige Titel zusammengestellt. Skizzieren Sie bitte, was Sie von der
jeweiligen Sendung erwarten. AUFGABE 5
21.00 RadioART
„Gönnt jedermann die Wahrheit
10.05 Profile
Die Zerbrechlichkeit des Glücks
(Lösungsteil)
Titel und Untertitel (diese finden Sie im Lösungsteil) wurden offensichtlich unter
zwei Gesichtspunkten ausgewählt: zum einen soll Interesse geweckt werden, zum
anderen aber will man den potentiellen Hörer nicht im Unklaren darüber lassen, von
was die Sendungen handeln werden. Solche Ankündigungen sind ausgesprochen
hörer-freundlich – vorausgesetzt, sie werden auch erfüllt. Werden sie jedoch nicht
erfüllt, handelt der Text also in Wirklichkeit von etwas ganz anderem, so muss der
Autor sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er den Hörer in die Irre führt; seine
Ankündigungen wären äußerst unfreundlich.
4.2.4 Vortragsweise
Sie erinnern sich an den Text vom Meteoriteneinschlag und das Info-Update aus der
Radiosendung „Computer und Kommunikation“. Hören Sie diese Texte nun noch
AUDIO einmal als Text 4.6 auf der beiliegenden Kassette.
Wie Sie bemerken, habe ich die Entstellung der Texte beim Vortrag sehr weit
getrieben. Inhalt und Vortragsweise stimmen nicht mehr überein. Wahrscheinlich
kennen Sie die Redewendung: „Der Ton macht die Musik.“ Das gilt auch hier, oder in
folgendem Witz:
Brüllt der Hauptmann durch die Kaserne: „In zwei Minuten alle Mann
angetreten auf dem Hof!“ Fragt ein Rekrut zurück, sehr leise und sehr
sanft: „Darf's auch ein bisschen früher sein?“
Der richtige Tonfall zur richtigen Zeit kann Gold wert sein. Jeder weiß das, der einmal
versucht hat, jemanden zu trösten.
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4.2.4 Vortragsweise 19
Hier wollen wir uns kurz mit der Vortragsweise in Dialogen auseinander setzen. Mit
Ausnahme von Hörspielen, Filmen und Theaterstücken werden Dialoge nicht
vorgetragen. Die Dialogpartner – am Gartenzaun, beim Abendessen, am Telefon,
beim Einkauf, auf der Straße usw. – sprechen einfach, ohne sich Gedanken darüber zu
machen, wie sie dieses oder jenes Wort betonen. Die Betonung ergibt sich aus der
Absicht, aus der aktuellen Stimmung, aus der Beziehung zwischen den
Dialogpartnern, aus der Art und Weise, wie der jeweilige Hörer beeinflusst werden
soll und aus vielem anderen mehr.
Um das zu verdeutlichen, greife ich auf ein altbekanntes Schema zurück, auf das so
genannte „Organon-Modell der Sprache“ von Karl Bühler; er entwickelt es in seinem
berühmten Buch „Sprachtheorie“ von 1934. Seine Erläuterung liefere ich gleich mit.
TEXT 1
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Sprechen wir über das Wetter (und erinnern Sie sich bitte auch an die Urlaubskarte,
die Claudia an Renate geschrieben hat. (Kap. 2 im Band zum Leseverstehen)!
Ordnen Sie die drei Äußerungen meiner Bekannten bitte den drei Funktionen zu,
die Bühler in seinem Schema darstellt. Erläutern Sie die Zuordnung. Überlegen Sie
AUFGABE 6 sich bitte auch, wie ich den Satz gegenüber Petra, Klaus und Andrea wohl jeweils
intoniert habe.
(Lösungsteil)
Vielleicht hätte ich mir größere Mühe geben sollen, das zum Ausdruck zu bringen,
was ich wirklich meinte; war meine Äußerung deshalb unfreundlich? Zu meiner
Rechtfertigung will ich sagen, dass ich davon ausging, es wäre selbstverständlich, dass
ich mich über den schönen Tag freue – doch ich gebe gerne zu: eine schwache
Rechtfertigung. Denn dem Hörer kann man keinen Vorwurf machen, wenn er sich auf
das verlässt, was er hört. Dies gilt bei unpersönlichen Texten viel mehr als bei
persönlichen.Vom Nachrichtensprecher im Radio kann man zu Recht erwarten, dass
er den Gewinn von 2 Millionen DM im Lotto, egal ob sein Großvater, er selbst oder
irgendein Fremder das Geld gewonnen hat, in ein und demselben Tonfall vermeldet.
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Lassen wir aber diese Ausflüge ins Märchenhafte und hören Sie sich zur
Verdeutlichung einen wirklich unfreundlichen Text an, wie Sie ihn ähnlich mit
Sicherheit schon einmal gehört haben (Text 4.7). – Natürlich ist die Unfreundlichkeit AUDIO
in diesem Beispiel nicht die richtige Beschreibungskategorie; wenn sie es wäre, hätte
der Film ein gar zu rasches Ende.
4.2.5 Grammatik
Wenn Sie sich die Hörtexte, die wir bisher in diesem Buch besprochen haben, noch
einmal vergegenwärtigen, werden Sie Sätze, die dem Schwierigkeitsgrad des letzten
Beispiels entsprechen, vergeblich suchen. Das heißt nicht, dass man diesen Satz über
den Onkel nicht doch vernünftig und verständlich sprechen könnte, und der Hörer
könnte durchaus verstehen, um was es geht. Denn ebenso, wie es orientierendes
Lesen gibt, gibt es auch orientierendes Hören. Der entscheidende Unterschied
besteht jedoch darin, dass man als Hörer nicht die Möglichkeit hat, das orientierend
Überflogene noch einmal gründlich nachzuhören. Man hinkt dem Text hinterher.
Auch Sie dürften die Erfahrung gemacht haben, dass beim Lernen einer
Fremdsprache die Enttäuschung über einen nur bruchstückhaft verstandenen
Hörtext größer ist als die über einen nur bruchstückhaft verstandenen Lesetext, den
man sich jederzeit mit Hilfe eines Wörterbuches tiefer erschließen kann. Sprechen,
das auf unmittelbare Verständlichkeit angelegt ist, vermeidet grammatikalische
Schwierigkeiten. Diese Rücksicht auf den Hörer wird jedoch häufig von der eigenen
Anteilnahme am Gesagten überdeckt; hinzu kommt die Barriere zwischen Gedanken
und Sprache, die jedes Mal bei der spontanen Formulierung eines Sachverhaltes
überwunden werden muss. Man ringt um das passende Wort, während der
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Formulierung des einen Gedankens drängt sich ein anderer dazwischen, man vergisst
den Satzanfang und setzt die begonnene Konstruktion nicht fort und so weiter. All
das wird uns auch im Buch über den mündlichen Ausdruck beschäftigen. Im
Hörverstehens-Unterricht sollte es darum gehen, auf das Verständnis gesprochener
Sprache jenseits grammatischer Regeln vorzubereiten. Damit befindet man sich als
Lehrer in einer merkwürdigen Situation: einerseits soll man die korrekte Verwendung
des Lexikons und der Grammatik einer Sprache unterrichten, andererseits muss man
das Verständnis fehlerhafter Sprache trainieren. Dieses Dilemma liegt in der Natur
der Sprache: Sie ist nicht so homogen, wie sie in den meisten Wörterbüchern und
Grammatiken dargestellt wird, sondern tritt in unterschiedlichen
Erscheinungsformen auf. Man kann grob von einer schriftlichen und einer mündlichen
Grammatik sprechen. Was in der schriftlichen Grammatik ein Fehler ist, ist in der
mündlichen Grammatik noch lange keiner. Wenn wir nun sortieren wollen, so
können wir sagen, dass völlig grammatisch korrekte Texte möglicherweise sehr
unfreundliche Texte sind und dass andererseits solche, die grammatikalische Fehler
aufweisen, durchaus freundlich sein können (hören Sie sich dazu noch einmal
Aufnahme 0.1 in Kapitel 0 an).
4.2.6 Syntax
Mark Twain beschreibt in einem seiner Romane die syntaktischen Vorlieben der
Deutschen. „Ein Yankee aus Connecticut“ trifft am mittelalterlichen Artushof ein
hübsches Fräulein namens Alisande, die jedoch gar zu geschwätzig ist:
„Sie hatte genau die deutsche Art, was immer sie die Absicht hatte von
sich zu geben, ob es nun eine bloße Bemerkung, eine Predigt, eine ganze
TEXT 3 Enzyklopädie oder die Geschichte eines Krieges war – sie brachte es in
einem Satz unter, und wenn es sie das Leben kosten sollte. Jedes Mal,
wenn der literaturkundige Deutsche in einen Satz taucht, bekommt man
ihn nicht wieder zu sehen, bis er auf der anderen Seite seines
Atlantischen Ozeans mit dem Verb zwischen den Zähnen wieder
auftaucht.“
Die hier angesprochene Eigenart des Deutschen, die Satzklammer, stellt ein
besonders großes Hindernis beim Hörverstehen dar, weil sie ein Verstehen, das sich
AUDIO rein linear entwickelt, verhindert. Übertreiben sollte man diese Schwierigkeit jedoch
nicht, denn nicht immer liegt ein Atlantischer Ozean zwischen dem Beginn und dem
Ende eines Satzes, und die Klammerstellung hat durchaus auch einen Vorteil, den man
nicht vernachlässigen sollte: Häufig bietet ja das am Ende eines Satzes stehende Verb
den Schlüssel zum Verständnis. Die Aufmerksamkeit kann damit bis zum Ende
gespannt werden.Vergleichen Sie bitte die beiden Sätze in Hörtext 4.8.
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4.2.6 Syntax 23
Man soll es freilich nicht übertreiben mit den Einschüben und Verzögerungen; kein
Hörer lässt sich gerne zu sehr auf die Folter spannen. Dieser Satz kann als Anleitung
für Redner verstanden werden und freilich – konkret in unserem Kontext – als
Anleitung, Hörtexte zu erstellen. Darauf werden wir im folgenden Kapitel noch
einmal zurückkommen. Machen wir hier eine umgekehrte Übung, um uns den
Unterschied zwischen Lese- und Hörtexten zu vergegenwärtigen.
Das Folgende ist eine Meldung aus dem Info-Update, das Sie aus dem
vorangegangenen Kapitel kennen. Formulieren Sie sie bitte um, und zwar soll ein
einziger, möglichst verständlicher Satz dabei herauskommen. AUFGABE 7
Da ich Ihre Version des Satzes nicht kenne, wollen wir meinen Vorschlag kurz
diskutieren. Der Satz scheint mir nicht unverständlich zu sein, aber er ist natürlich
entsetzlich lang. Andererseits ist er aber auch leichter zu verstehen, da er
semantische Beziehungen klärt, die im Original nicht so eindeutig sind. Wo man im
Original kombinieren muss, wird in meiner Fassung ein Verständnis vorgegeben.Was
im Original nur nebeneinander gereiht ist, füge ich zusammen und lasse einem
offenem Verständnis wenig Raum. Aber, und das ist der entscheidende Nachteil: mein
– und Ihr – Satz wäre zu lang für einen Hörtext, er ist recht unfreundlich.Wichtig ist
das für uns (und vor allem für Sie), weil Sie vermutlich häufig in die Situation kommen
werden, einen schriftlichen Text zu einem Hörtext aufzubereiten – doch dazu wie
gesagt im nächsten Kapitel. Ich hatte im vorangegangenen Abschnitt schon einen
langen Satz konstruiert, und es sei noch einmal wiederholt, was ich oben feststellte:
Man kann jeden Satz, und ist er noch so lang, vernünftig und verständlich vorlesen,
doch ich würde als Regel aufstellen: Je länger ein Satz, desto schwieriger ist er zu
lesen. Andererseits gilt aber auch: Je kürzer die Sätze sind, umso langweiliger drohen
sie beim Lesen zu werden. Ich habe dazu einige Tests gemacht, die Sie sich auf der
beiliegenden Kassette als Hörtext 4.9 anhören können. Versuchen Sie aber bitte
zuerst selbst, die folgende kurze Geschichte laut zu lesen.
Was meinen Sie: Haben Sie es so hingekriegt, dass es sich einigermaßen interessant
anhörte?
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 25
4.2.7 Lexik 25
4.2.7 Lexik
Wie es lange und kurze Sätze gibt, gibt es auch lange und kurze Wörter. Die
Schwierigkeit von Wörtern bemisst sich jedoch nicht nur nach ihre Länge, sondern
vor allem nach ihrem Bekanntheitsgrad. In besonderer Weise gilt das für Wörter
einer Fremdsprache und wahrscheinlich vor allem für Wörter der deutschen
Sprache, weil es im Deutschen die Möglichkeit gibt, fast beliebig lange Wortungetüme
zu bilden.Wahrscheinlich kennen Sie die
Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänswitwenrente.
Wie viel Inhalt in einem solchen Wort steckt, wird deutlich, wenn man es auflöst:
„Die Rente einer Witwe eines Kapitäns auf einem Dampfschiff der Gesellschaft, die
die Schifffahrt mit Dampfern auf der Donau betreibt.“ Die Regeln, nach denen
derartige Wörter gebildet werden, sind ganz unterschiedlich; kennen Sie sie?
Gartenstuhl AUFGABE 8
Holzstuhl
Stahlrohrstuhl
Kinderstuhl
Beichtstuhl
Schaukelstuhl
Designerstuhl
Lehrstuhl
Stuhlgang
(Lösungsteil)
Ich habe einen Text gefunden, in dem diese besondere Schwierigkeit des Deutschen
in recht amüsanter Weise thematisiert wird. Das will ich Ihnen nicht vorenthalten,
wenn es Sie auch wieder eine Aufgabe kostet.
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Hören Sie bitte Text 4.10 auf der beiliegenden Kassette und stellen Sie die
folgenden mit Hilfe des Genitivs auseinander genommenen Wörter wieder her.
AUFGABE 9
4.2 Was ist ein freundlicher, was ist ein unfreundlicher Text? 27
(Lösungsteil)
Auf Ihre Frage, warum wir uns in einem Buch über Hörverstehen so ausführlich mit
den Wortzusammensetzungen beschäftigen, gebe ich zwei Antworten; vorweg: die
Wortzusammensetzungen stehen hier exemplarisch für alle grammatikalischen
Schwierigkeiten des Deutschen. Unter dieser Voraussetzung:
Die Konsequenz aus diesen Überlegungen für die Auswahl von Hörtexten im
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 28
Fremdsprachenunterricht liegt auf der Hand: Man sollte sie nicht zu leicht machen
und nicht alle grammatikalischen Schwierigkeiten vermeiden, sonst landet man
irgendwann beim „Tag des Namens meines Vaters“. Allgemein: Freundlichkeit
bedeutet nicht, möglichst nur Vertrautes und auf das erste Ohr Bekanntes zu
präsentieren.
Die zweite Hälfte dieses Kapitels stützt sich auf 23 zusammenhängende Minuten
Hörtext. Zum ersten Kennenlernen hören Sie bitte den gesamten Text. Es ist die
AUFGABE 10 Aufnahme 4.11 auf der beiliegenden Kassette.
Schreiben Sie während des Hörens nicht mit. Am besten wäre es ohnehin, wenn
Sie sich nicht mit gespitzten Ohren vor den Kassettenrekorder setzen, um
AUDIO aufmerksam zuzuhören, sondern den Text zum Beispiel während des Essens, des
Spülens, Bügelns oder Aufräumens abspielen. Notieren Sie anschließend, welche
Sendungen Sie gehört haben, was Ihnen an Informationen in Erinnerung geblieben
ist und ganz allgemein, was Ihnen aufgefallen ist.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 29
Bevor wir uns den Text im Einzelnen ansehen, will ich Ihnen erklären, warum ich
ausgerechnet die Aufnahme des 2. Februar 1999 als Beispiel heranziehe.
Selbstverständlich hätte ich zahllose andere Radio-Mitschnitte heranziehen können;
einen musste ich schließlich auswählen. Ausschlaggebend war für mich das
„Zeitwort“ über Bertrand Russell. Der Autor Ludger Lütkehaus sieht sich offenbar
vor der Aufgabe, ein schwieriges Thema verständlich darzustellen und zudem von
Anfang an die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu gewinnen, die sich im Badezimmer,
in der Küche, am Esstisch oder noch im Bett oder schon im Auto befinden.Vor dem
Radio sitzt man üblicherweise nicht wie vor dem Fernsehgerät, sondern man macht
etwas nebenher: Autofahren, Kochen, Bügeln und so weiter. Lütkehaus bedenkt eben
diese Situation und bemüht sich, seinen Text gewissermaßen in das Ohr der Hörer
hineinzuschmuggeln. Diese Vorgehensweise hat mich sehr überzeugt; deshalb fiel
meine Wahl auf den 2. Februar.
Was Sie in den 23 Minuten gehört haben, sieht im Programmheft folgendermaßen aus:
6.53 Zeitwort
6.58 Programmhinweise
7.00 SWR2 Aktuell
7.15 ...
Gehen wir nun die einzelnen Texte durch und achten auf ihre Eigenheiten und
Auffälligkeiten.
Textlänge: Die Lesung des Textes dauert exakt vier Minuten und funfzig Sekunden.
Das scheint nicht viel zu sein, fünf Minuten sind oftmals so gut wie nichts, aber sie
können auch ganz schön anstrengend und ermüdend sein. Fanden Sie das Zeitwort
ermüdend, hat es Sie sehr viel Anstrengung gekostet, ihm bis zum Ende aufmerksam
zuzuhören? Halten Sie solche Erfahrungen bitte fest, um bei ähnlichen
Aufgabenstellungen an Ihre Schüler einen Anhaltspunkt zu haben und die von ihnen
verlangten Leistungen einschätzen zu können.
Kontext: Als Einleitung des Textes wird ein „Zeitwort“ angekündigt. Wer das zum
ersten Mal hört, weiß nicht, dass jeden Morgen um dieselbe Zeit eine ähnliche Glosse
zum Besten gegeben wird. Das anschließende „Heute: der 2.2.1970“ schafft jedoch
weitgehend Klarheit. Aber Vorsicht! Beim zweiten und dritten Hören oder beim
Lesen scheint einem das deutlich zu sein (zumal nach der Ankündigung des
Zeitworts am nächsten Tag); hat man es aber auch wirklich beim ersten Hören
begriffen? Denn wohlgemerkt: Das zu begreifen kostet Zeit und Aufmerksamkeit.
Textanfang: Der Anfang des Textes ist sehr geschickt gewählt: Der Text selbst wird
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problematisiert („Die Zeit des Zeitworts ... Heute Morgen schaffen wir Abhilfe ...“).
Das aktuelle Zeitwort setzt sich von anderen Zeitworten ab; man kann das
folgendermaßen verstehen: 'Heute wird etwas Anspruchsvolles geboten.' Allerdings
– damit werden wir uns später beschäftigen – stehen weite Teile des ganzen Textes
unter der Vorgabe dieses Anfangs. Man kann daraus den Schluss ziehen, dass der
Autor bei der Formulierung seines Textes nicht so sehr von Bertrand Russell ausgeht,
sondern von der Situation, in welcher der Text präsentiert werden soll, und von den
Hörern, für die er gedacht ist. Das ist ein schöner Beleg dafür, dass man in einem
Hörtext den Bezug zum Hörer nicht ernst genug nehmen kann, um ihn „bei der
Stange zu halten“.
Vortragsweise: Ich weiß nicht, wer den Text vorträgt, ob es der Autor selbst ist
oder ein Sprecher des Senders. Jedenfalls scheint mir die Vortragsweise sowohl dem
Inhalt als auch vor allem der Textgattung angemessen zu sein. Es wird sehr ruhig und
leicht, unaufgeregt gesprochen; ohne zu hetzen wird der Text sehr zügig vorgetragen,
vielleicht ein bisschen zu zügig. Einige Pausen an den richtigen Stellen würden
vielleicht nicht schaden. Freilich muss dabei auch bedacht werden, dass es sich nicht
um eine Bildungsveranstaltung handelt. Wie schon gesagt, werden nicht viele Leute
gebannt vor den Lautsprechern sitzen, weil sie ausgerechnet am 2. Februar 1999
etwas über Bertrand Russell erfahren wollen. Der ganze Text ist eher so angelegt,
dass er jedem ein bisschen bietet.
Nicht jeder mündlich vorgetragene Text bedenkt seine Zuhörer. Ein Vortrag, in dem
der Hinweis fällt: „wie wir oben gesehen haben“, wurde mit Sicherheit als Aufsatz
am Schreibtisch entworfen ohne Rücksicht auf die besondere Vortragssituation und
nur eine spätere schriftliche Veröffentlichung im Blick. Wie schon bemerkt, geht
Ludger Lütkehaus in seinem Zeitwort in sehr besonderer Weise auf die Zuhörer als
Hörer ein.
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Markieren Sie bitte im Textabdruck, den Sie im Anhang finden, alle Signale, die
einen Hörerbezug herstellen.
AUFGABE 11
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten des Hörerbezugs. Stellen wir sie hier einmal
zusammen:
b) Sie können floskelhaft angesprochen werden: „Wie Sie sicherlich wissen“, „Auch
Ihnen wird es schon passiert sein, ...“
c) Der Sprecher kann die Hörer auf seine Seite ziehen, indem er sie an der
Entwicklung seiner Gedanken teilhaben lässt. „Wir haben gerade festgestellt“,
„Wir haben gelernt, erkannt“ usw. Dieses „wir“ kann jedoch durchaus
unterschiedlich interpretiert werden.Wenn Lütkehaus sagt, dass „wir“ die Lösung
für unsere geistigen Frühsportprobleme verschweigen, können kaum die Hörer
gemeint sein. Er allein verschweigt sie, und er spricht von „wir“, um als Autor im
Hintergrund zu verschwinden. Er setzt damit seine Autorität herab und tritt
hinter den Text zurück. („die ich hier tunlichst verschweige“ könnte sich ein wenig
danach anhören, als wolle er die Hörer ärgern.) Anders ist es jedoch in dem Satz:
„Unter dieser Voraussetzung hätten auch wir gewiss noch Kapazitäten ... frei.“
Damit sind eindeutig alle gemeint, der Sprecher und die Hörer. Problematischer
ist jedoch der Satz: „Schließlich wollen wir noch geistig gesund und unblutig
rasiert unseren Arbeitsplatz erreichen.“ Sicherlich sind nicht nur Männer ohne
Bart als Hörer zugelassen. Allerdings steckt in diesem Satz eine nette Pointe, die
zudem elegant von den Marterproblemen überleitet zu den Fakten über Bertrand
Russell. Natürlich besitzen wir als Hörer ein Bewusstsein für die Unpersönlichkeit
gesprochener Texte, wir können eine Anrede innerhalb eines mündlich
vorgetragenen Textes durchaus als kommunikative Geste schätzen, die uns das
Zuhören leichter macht. Damit kommen wir zur vierten Möglichkeit, einen
Hörerbezug herzustellen.
d) Sie besteht darin, die – vermutliche – Lebenswelt des Hörers in den Text
einzubeziehen. Lütkehaus tut dies in der zitierten Bemerkung über die unblutige
Rasur. Auch hier gilt: Die Geste als solche ist mehr wert als der ganz exakte
Bezug.
Schlagen Sie bitte eine Interpretation dieses Schemas vor, das für unpersönliche
Texte gelten soll; anders formuliert: Fassen Sie die obigen Bemerkungen anhand
AUFGABE 12 dieses Schemas zusammen.
Der Text stellt sich auf den Hörer ein, nicht auf jeden einzelnen, was auch gar nicht
möglich ist, da die Hörer ja unbekannt sind.Verdeutlicht habe ich das dadurch, dass
ich die Vielzahl der Hörer zur „Hörerschaft“ zusammengefasst habe. Dennoch kann
der Text diese anonyme Masse aufbrechen, indem er die Lebenswelt zumindest
einiger konkreter Hörer aufgreift (die einzelnen Striche, die in die Hörerschaft
hineinragen). Voraussetzung für das Funktionieren dieser kommunikativen Strategie
ist jedoch das Bewusstsein des Hörers, dass er für den Sprecher anonym ist, sowie
die Anerkenntnis des Bemühens des Sprechers, auf den Hörer in einer Weise
einzugehen, die ihn aus der Anonymität heraushebt.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 33
Was den Text so anregend macht, ist die Fülle von Querbezügen sowohl zwischen
Situation und Inhalt als auch zwischen den Informationen und Andeutungen über
Russell. So wird spielerisch von der Morgengymnastik über das Kreta-Paradox zur
modernen Philosophie übergeleitet und im Vorbeigehen ein weiterer Blick auf die
Morgentoilette geworfen. Beides wird dann gebündelt auf Russell hin, ein etwas
sensationell anmutendes Zitat wird gebracht („Ich glaube nämlich, dass in der Welt
zu viel gearbeitet wird.“), das auf vergnügliche Weise erneut den bevorstehenden
Weg zur Arbeit assoziiert und zugleich den Text auf das Lebenswerk des Philosophen
hin öffnet, das ganz summarisch charakterisiert wird. Die Erwähnung der Logik lenkt
zurück zu den anfänglich erwähnten Paradoxa. Der folgende Satz („Die
Erkenntnistheorie, die Sprachphilosophie, die Ethik verdanken ihm bedeutende
Beiträge“) fungiert dann als wichtiges Scharnier: Die „Erkenntnistheorie“ stößt an die
Frühsportprobleme an, die „Ethik“ leitet über zum praktischen Handeln Russells, zu
seinem Kontakt mit den Realitäten. Zugleich, um die Spannweite seines Schaffens
anzudeuten, wird ein weiteres Mal die Logik erwähnt, mit deren Problemen der Text
begann. Der politische Kampf und die Realitäten ermöglichen – mit Rückblick auf den
Titel Russells als „Earl“, der in der Benennung „Aristokrat“ aufgenommen wird – die
konkreten Informationen über die pazifistischen Aktivitäten, die in starkem Kontrast
zu den bisher vermittelten Kenntnissen über den Philosophen stehen. Mit dem Satz
„In seinem geistigen und politischen Temperament ...“, der nicht nur die beiden
Betätigungsfelder Russells – Theorie und Praxis – zusammenfasst, sondern auch auf
einen früheren charakterisierenden Satz zurückgreift („Für was nicht alles ... eines
Genies und Temperaments vom Schlage Einsteins war.“), hebt die Schlusssequenz an,
in der alles bisher Gesagte noch einmal erklärt wird. Das ist recht geschickt gemacht:
Der „Glaube“ erinnert an die Bibel, von der gerade die Rede war, das „Denken“ an
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Russells Tätigkeit als Philosoph, dann jedoch folgt etwas ganz Neues, die
„Leidenschaft“. Sie hat ihre Berechtigung darin, dass sie von Russell selbst genannt
wird, und zwar an prominentem Ort. dem Beginn seiner Autobiographie. Die
Schlusspointe greift dann Inhalt und Form des Textes in nuce zusammen: Russells
wissenschaftliche und politische Tätigkeit und der auf den Hörer bezogene Beginn
des Textes (die „eingangs bemühten logischen Vertracktheiten“).
Wenn Sie meiner Beschreibung des Textes einigermaßen zustimmen können, werden
Sie meine Meinung teilen, dass wir es mit einem ausgezeichneten, sowohl
unterhaltsamen als auch anregenden und informativen Hörtext zu tun haben.
Einwenden ließe sich lediglich, dass nicht allzuviele so genannte harte Fakten
mitgeteilt wurden. Vergleichen wir aber einmal unser Zeitwort mit einem
schriftlichen Text, der ungefähr die eineinhalbfache Länge hat und nur informieren
will. Es handelt sich um einen Eintrag in dem CDROM Lexikon „Encarta“ von 1998.
In den Jahren 1921 und 1922 lehrte Russel an der Universität Peking.Von
1928 bis 1932 leitete er in England eine Privatschule und von 1938 bis
1944 lehrte er an verschiedenen Bildungseinrichtungen in den
Vereinigten Staaten. Die Lehrbefugnis für das College of the City of New
York wurde ihm jedoch vom New York Supreme Court wegen seiner
religionskritischen Schriften wie What I Believe (1925) und seiner
Verteidigung der sexuellen Freiheit in Manners and Morals (1929)
verweigert.
Russell kehrte 1944 abermals nach England zurück und wurde wieder in
das Trinity College aufgenommen. Zwar redete er nicht einem
bedingungslosen Pazifismus das Wort und unterstützte auch das Eingreifen
der Alliierten im 2.Weltkrieg, doch wurde er zu einem leidenschaftlichen
und aktiven Gegner der atomaren Rüstung. 1949 wurde ihm von GeorgVI.
der Verdienstorden verliehen, 1950 erhielt er den Nobelpreis für Literatur
und wurde als „Verfechter der Menschlichkeit und der Gedankenfreiheit“
bezeichnet. Gegen Ende der fünfziger Jahre war er Führer einer Bewegung,
die die einseitige atomare Abrüstung befürwortete. Im Alter von
89 Jahren wurde er nach einer Antiatom-Demonstration nochmals
verhaftet. Er starb am 2. Februar 1970.
Neben seinem früheren Werk lieferte Russell einen wichtigen Beitrag zur
Entwicklung des logischen Positivismus, einer starken philosophischen
Bewegung der dreißiger und vierziger Jahre. Der bedeutende
österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein, der einmal bei Russell in
Cambridge studiert hatte, war stark von dessen ursprünglicher
Vorstellung des logischen Atomismus beeinflusst. In seiner Suche nach
dem Wesen und den Grenzen des Wissens war Russell einer der
Hauptverantwortlichen für das Wiedererstarken der Philosophie des
Empirismus (Erkenntnistheorie). In Our Knowledge of the External World
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(1926) und Inquiry into Meaning and Truth (1962) versuchte er, alles
Tatsachenwissen als aus unmittelbarer Erfahrung gewonnen zu erklären.
Zu seinen weiteren Werken zählen The ABC of Relativity (1925, Das ABC der
Relativitätstheorie,), Education and the Social Order (1932), A History of
Western Philosophy (1945, Philosophie des Abendlandes), The Impact of
Science upon Society (1952), My Philosophical Development (1959, Philosophie.
Die Entwicklung meines Denkens,), War Crimes in Vietnam (1967) und The
Autobiography of Bertrand Russell (Autobiographie, 3 Bde., 1967-1969).
In diesem Artikel wird mit Sicherheit mehr Information geliefert als im Zeitwort.
Andererseits dürfte es keine Frage sein, welcher der beiden Texte für die mündliche
Kommunikation geeigneter ist. Außerdem: wie lange braucht man, um die aneinander
gereihten Informationen aus dem Lexikon in ähnlicher Weise zu ordnen, wie es der
Text von Ludger Lütkehaus tut? Es ist – vorläufig – eine theoretische Frage: Wie
würden Sie vorgehen, wenn Sie aus dem Lexikonartikel einen konsumierbaren
Hörtext anfertigen sollten?
Halten wir fest: Es kann nicht das Anliegen eines Hörtextes sein, möglichst geballte
Informationen zu liefern; sein Hauptaugenmerk muss vielmehr darauf gerichtet sein,
die Informationen auch „rüberzubringen“. Auf das Wesentliche reduziert dargestellt
sieht das folgendermaßen aus:
Oder vereinfacht in einem Satz gesagt: In einem schriftlichen Text steht der Inhalt im
Vordergrund, in einem mündlichen der Hörer. (Dass dies nicht für alle schriftlichen
Kommunikationsformen, schon gar nicht für persönliche wie einen Brief gilt, muss
nicht betont werden.)
Nach diesen ausführlichen Überlegungen und Bemerkungen zum Zeitwort sehen wir
uns nun noch zügig die folgenden 17 Minuten des morgendlichen Radiomitschnitts an
und bedenken dabei die rechte Seite des obigen Schemas: Welchen Einfluss hat der
anzusprechende Hörer auf die Texte?
Hören Sie sich die Programmhinweise noch einmal an. Auf welche Art und Weise
versuchen sie, das Interesse der Hörer zu wecken? Wie gehen sie jeweils vor?
AUFGABE 14
(Lösungsteil)
Wie würden Sie das Zeitwort über Bertrand Russell in einer kurzen Hörnotiz
bewerben? Machen Sie bitte zwei – schriftliche – Vorschläge. Denken Sie bitte
AUFGABE 15
daran, dass keiner Ihrer Hörer Sie kennt und aus lauter Sympathie zu Ihnen um
sieben Minuten vor sieben das Radio anschaltet. (Dass Sie hier zwei appellative
Texte mit informativer Nebenfunktion schreiben sollen, ist Ihnen klar, oder?)
(Lösungsteil)
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 38
Die Nachrichtensendung morgens um sieben in SWR2 ist relativ lang. Die üblichen
Nachrichten im Hörfunk sind nach drei bis höchstens vier Minuten zu Ende. Hier
aber gibt es nicht nur die reinen Meldungen, die im Studio vorgelesen werden,
sondern auch Korrespondentenberichte. Beschränken wir uns auf einen einzigen
Aspekt, dessen Auswahl Ihnen sicherlich einleuchten wird, wenn Sie sich die
Nachrichten noch einmal anhören, oder spätestens, wenn Sie sie im Anhang
nachlesen – beschränken wir uns auf den Satzbau. Wir wollen keine exakte
syntaktische Analyse vornehmen, sondern uns mit einer groben Beschreibung
begnügen. Dazu unterscheiden wir nach einstufigen, zweistufigen ... n-stufigen Sätzen.
Um mir und Ihnen ausführliche Definitionen zu sparen, verdeutliche ich an einigen
Beispielen, was damit gemeint ist:
einstufig
zweistufig
1) Adelheid sagt,
2) den ich seit fünf Jahren kenne, weil er gesund bleiben will.
dreistufig
1) Adelheid sagt,
Werten Sie bitte die Nachrichten und die Kommentare aus.Tragen Sie in die unten
stehende Tabelle ein, wie häufig jeweils die verschiedenen Satzformen in den
Meldungen und den Kommentaren auftauchen. Die Ortsangaben zu Beginn der AUFGABE 16
Meldungen und die Namen der Korrespondenten berücksichtigen Sie bitte nicht.
Wahrscheinlich wird es Differenzen zwischen Ihrer und meiner Zählung geben,
aber es lohnt sich in unserem Zusammenhang nicht, hier auf größere Genauigkeit
zu achten.Worauf es ankommt, ist die Tendenz.
vier- und
einstufig zweistufig dreistufig
mehrstufig
Meldungen
Korresponden
tenberichte
(Lösungsteil)
Haben Sie dieses Ergebnis erwartet? Wenn wir annehmen, dass die Leute, die die
Radio-Nachrichten machen, etwas von ihrem Geschäft verstehen, können wir vorerst
zwei Regeln aus diesem Befund ziehen:
1) In Hörtexten sollten die Sätze ein möglichst einfaches Gerüst haben, konkret und
in unserer Terminologie: möglichst einstufig sein.
2) Auch wenn das Gerüst der Sätze einfach ist, so können sie offenbar doch so
gelesen werden, dass sie nicht langweilen – erinnern Sie sich an Hörtext 4.3.
Mit Regel 2 werden wir uns im Band über den mündlichen Ausdruck beschäftigen;
hinterfragen wir hier die erste Regel und sehen uns anhand einer einzigen Meldung
noch einmal genauer an, was es heißt und was es nicht heißt, dass ein Satz ein
einfaches Gerüst hat.
Nehmen wir als Beispiel die kürzeste Meldung der Nachrichten. Schreiben Sie in
die rechte Spalte das Grundgerüst der Sätze. Lassen Sie alles weg, was nicht
unbedingt notwendig ist, damit die Sätze korrekte deutsche Sätze sind. AUFGABE 17
Wenn Sie bei den Kürzungen radikal waren, sind folgende Sätze übrig geblieben:
Diese Sätze, isoliert gehört, sind keine besonders informativen Meldungen. Sie
machen sehr deutlich, was mit dem Begriff „Grundgerüst“ gemeint ist. Das Gerüst –
etwa eines Gebäudes – gibt die Form, die Größe und die Stabilität des Hauses vor,
insofern bestimmt es auch sein Aussehen. Die Ausgestaltung, die Farbe, das sichtbare
Material, die Innenausstattung und von daher auch die Funktion, all das ist frei
veränderbar. Zwischen zwei Pfeilern eines Gerüsts kann eine Wand gespannt werden,
man kann ein Fenster einfügen oder einen Balkon, alles in verschiedener Farbe, von
verschiedenem Material, in unterschiedlicher Form und bis zu einem gewissen Grad
in unterschiedlicher Größe. Man kann über ein und dasselbe Gerüst eine Lagerhalle,
eine Disco, eine Produktionsanlage, mehrere Wohneinheiten, eine Kirche, ein
Rathaus, eine Schule, vielleicht sogar einen kleinen Bahnhof entwerfen. Genau so ist
es auch mit den Sätzen. Interessant und aussagekräftig werden sie durch ihre
„Füllungen“. Natürlich gibt es auch Sätze, die ohne „Füllung“ interessant und
aussagekräftig sind, Paradebeispiel: „Ich liebe dich.“
Aber kehren wir zu den Meldungen zurück und konzentrieren uns nun auf den
zweiten Satz:
Die ..(1).. Praktikantin ..(2).. ..(3).. berichtet ..(4).. ..(5).. über ihre Affäre ..(6)..
Erläutern Sie bitte, welche Informationen Sie durch die Erweiterungen jeweils
gewinnen.
AUFGABE 18
Monica Lewinsky
berichtet dort
Ein ganz anderes Problem wirft die Ortsangabe auf: worauf bezieht sich „dort“? Auf
das „Weiße Haus“, das als Genitiv-Attribut davor steht? Das wäre allerdings ein sehr
ungewöhnlicher Bezug! Was kommt sonst in Frage? Das „Video“ aus dem Satz zuvor
– aber müsste es dann nicht „darin“ heißen? Ich denke schon. Hier sind wir einer
kleinen Ungenauigkeit auf die Spur gekommen, die aber doch ganz schön verwirrend
sein kann, wenn man damit rechnet, dass deutsche Sätze im Radio strikt der
deutschen Grammatik gehorchen, wie man sie im Fremdsprachenunterricht lernt.
An dieser Stelle möchte ich Ihnen zwei Szenen schildern, in denen ich mich
vorgestern wiederfand. Steffen Jacobi, der das Layout dieser Fernstudienbücher
gestaltet, rief mich an, nachdem er mir die Druckfahnen des Buches über das
Leseverstehens zugeschickt hatte, um mir zu erklären, dass „die auf den Seiten
eingezeichneten Linien das griechische DIN A4-Format markieren“.Wenig später rief
Dr. John (diesen Namen habe ich geändert), der seit einigen Jahren als
Naturwissenschaftler in Tübingen tätig ist, in dem Computerladen an, in dem ich
arbeite, um mich zu bitten, ihm für seinen Drucker Endlospapier zu besorgen, das
einen knappen Zentimeter länger ist als DIN A4. Er habe bei allen möglichen
Lieferanten angerufen, aber dort gäbe es nur DIN A4-Papier.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 42
Können Sie diese beiden Situationen erklären? Versuchen Sie bitte auch zu
begründen, warum ich diese beiden Szenen hier erzähle. Zur Information: In
AUFGABE 19 einigen Katalogen ist Endlospapier für Computer-Drucker so beschrieben: Größe:
DIN A4, Höhe: 12“.
(Lösungsteil)
Wenn es schon das DIN A4-Format schwer hat, sich im wahrsten Sinne der
Abkürzung (Deutsche Industrie Norm) durchzusetzen, dann kann man den
AUDIO schriftlich in Grammatiken festgehaltenen „Normen“ der deutschen Sprache nicht
mehr Erfolg zutrauen. Sprache ist vor allem insofern etwas Lebendiges, als sie nicht
um ihrer selbst willen, sondern um der Kommunikation willen da ist, sie ist – sehen
wir von poetischen Texten ab – nichts weiter als ein Mittel zum Zweck, und bei einem
Mittel zum Zweck achtet man nicht so genau auf Korrektheit. Konstruieren wir ein
sehr extremes Beispiel: Hören Sie Aufnahme 4.12 auf der beiliegenden Kassette.
So eine Antwort hört man in Wirklichkeit natürlich nicht, und zwar deshalb, weil
jeder sofort weiß, was gemeint ist, und niemand fragt, ob es auch korrekt gesagt
wurde. (Erinnern Sie sich bitte auch an die beiden Kino-Einladungen in Text 2 aus dem
Vorwort.) Ganz ähnlich ist es auch in den Nachrichten. Selbstverständlich ist der
Sprecher vor dem Mikrophon in keiner Weise erregt, der Redakteur oder der
Mitarbeiter der Nachrichtenagentur, der den Text schrieb, dürfte es hingegen
gewesen sein, wenn auch aus ganz anderen Gründen als der Ertrinkende in der
Szene, die Sie gerade gehört haben. Vermutlich stand er unter Zeitdruck, und dass
einem dabei Fehler unterlaufen, dürfte einsichtig sein.
Vielleicht wundern Sie sich darüber, dass ich so großen Wert auf diesen Aspekt lege,
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 43
nur weil wir in der Nachricht einen doch recht kleinen Fehler entdeckt haben. Dieser
Fehler an sich macht mir keine Sorgen. So etwas geschieht immer wieder.Was mich
jedoch beunruhigt, ist die Tatsache, dass im Fremdsprachenunterricht auf solche
Fehler und auf die Toleranz, die solche immer wieder auftretenden Fehler eigentlich
verdient hätten, viel zu wenig vorbereitet wird.
Das ganz andere Problem, von dem ich ausging, will ich darüber aber nicht aus den
Augen verlieren. Man muss während der kurzen Meldung über den amerikanischen
Senat und das Video sehr viel Wissen aktivieren, wenn man einigermaßen verstehen
will, um was es geht. Und das muss sehr schnell gehen. Erinnern Sie sich: Die
Nachrichten wurden nicht gerade langsam gelesen. Außerdem: In Nachrichten wird
ohne Übergang von einem zum anderen gesprungen. Dass man dabei manches
während des Hörens liegen lässt, kommt immer wieder vor, will heißen: man versteht
nicht alles, was man hört, in jeder Einzelheit, und das muss man ja auch nicht.
Allerdings kommt es auf gewisse Einzelheiten durchaus an, und man braucht schon
einige Übung, um die wichtigen von den unwichtigen unterscheiden zu können.
Wir haben gerade von dem Redakteur gehandelt, der die Nachrichten geschrieben
hat. Kein Nachrichtensprecher setzt sich vor das Mikrophon und erzählt aus dem
hohlen Bauch, was er weiß. Er hat einen schriftlichen Text vor sich, allerdings einen
schriftlich fixierten Text, der für das Ohr geschrieben ist, für das Ohr des Hörers vor
dem Radio. Der Adressat des letzten Teils unseres Hörtextes ist hingegen kein
Hörer, sondern der Leser einer Zeitung. Machen wir wiederum eine Analyse der
Satzstruktur.
Werten Sie bitte die Kommentare der Tagespresse aus. Tragen Sie in die unten
stehende Tabelle ein, wie häufig jeweils die verschiedenen Satzformen in den
zitierten Ausschnitten vorkommen. Die einleitenden Bemerkungen und die AUFGABE 20
Eröffnung vernachlässigen Sie bitte.
vier- und
einstufig zweistufig dreistufig
mehrstufig
Pressestimmen
(Lösungsteil)
erstaunt sind, bedenken Sie, dass wir es hier mit Texten aus Zeitungen zu tun haben
und – um einen komplexen Sachverhalt zu verallgemeinern: Die Sprache der
Tageszeitungen gleicht sich immer mehr der gesprochenen Sprache an. Sie wird
strukturell einfacher mit der Tendenz zur Einstufigkeit. Bei der Auswahl von
Hörverstehenstexten für den Fremdsprachenunterricht sollte man das nicht
vergessen: Wenn man schon auf keine Kassetten zurückgreifen kann, dürfte man in
Zeitungen am ehesten fündig werden. Lesen freilich muss man die dort gefundenen
Texte dann selbst – damit werden wir uns im Buch über den mündlichen Ausdruck
beschäftigen, zumal ja auch Ihre Schüler laut lesen lernen sollten.
4.3 Zusammenfassung
Überblicken wir nun unsere Beobachtungen und Überlegungen und fassen zusammen.
a) Was sind freundliche Hörtexte? Ich erwarte hier keine endgültige Definition;
AUFGABE 21
viel besser wäre es, wenn Sie Ihre Erwartungen, die Sie an einen Hörtext
richten, artikulieren.
b) Beschreiben Sie Vor- und Nachteile des Einsatzes von Hörkassetten gegenüber
Videokassetten im Hörverstehensunterricht.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 45
4.4 Zusammenfassung 45
d) Wie sollte man Ihrer Meinung nach mit grammatikalischen und lexikalischen
Schwierigkeiten in Hörtexten umgehen? Soll man sie in jedem Fall vermeiden,
wenn sie über dem sprachlichen Niveau der Schüler liegen?
(Lösungsteil)
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 46
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe 1:
a) Hierbei handelt es sich um einen recht beliebig gewählten Ausschnitt aus einem
längeren Gespräch über zu ändernde Änderungsverordnungen. Sehr deutlich
gesprochen, insofern freundlich, verständlich ist der Text jedoch nicht, Sie haben
deutlich gehört, warum: wegen der vielen „änder...“-Wortformen.
b) Zweifellos ein freundlicher Text, gut verständlich, eine recht einfache und
nachvollziehbare Syntax, und die Wörter sollten auch nicht allzu schwer, die
genannten Namen bekannt sein. Insofern gibt es kein Problem. Allerdings ist dieser
Text auf ganz anderer Ebene ein wenig unfreundlich, insofern die Fortsetzung
überhaupt nichts mit der ehemaligen Sowjetunion zu tun hat.
c) Ganz entsetzlich unfreundlich und doch sehr komisch. Eine Regierung, die unter
dem Sparzwang dazu übergeht, Buchstaben zu streichen – das ist ein netter Einfall.
An dem Gelächter hören Sie, dass das Publikum keineswegs verärgert ist; es geht
nicht darum, dass dieser Text wörtlich verständlich ist, sondern dass er sich witzig
anhört. Die Kategorie der Freundlichkeit versagt hier insofern, als das Ziel –
innerhalb des gesamten Textes – eben nicht die Verständlichkeit ist, sondern die
Parodie.
d) Dieser Text ist wiederum sehr verständlich, kein Wort entgeht dem Hörer, aber
wie steht er am Ende dieses Ausschnittes da? Wahrscheinlich kann man sich die
Fortsetzung denken (nicht die Zigarrenspitze, sondern das Messer fliegt aus dem
Fenster – und was passiert dann?). Beurteilt man diesen Textausschnitt als freundlich,
dann akzeptiert man, dass es bei „Freundlichkeit“ allein um wörtliches Verständnis
geht – und das hat durchaus Vorteile. Nehme ich einen Textausschnitt, der falsche
Erwartungen weckt (wie in Text b), muss ich mir eher den Vorwurf gefallen lassen, ich
sei unfreundlich – es sei denn, es liegt mir an dem offenem Ende und ich will die
Phantasie meiner Zuhörer aktivieren.
e) Unter dem Aspekt der einfachen Verständlichkeit ein sehr unfreundlicher Text.
Heinz Erhardt spielt hier mit Doppeldeutigkeit, mit Verdrehern („grad halb acht –
acht 'n halb Grad“), Doppeldeutigkeiten („Brillen“), Homonymen („V(W)illen“) und
so weiter.
Aufgabe 2:
Ganz schafft man es wohl nicht, sich vom mündlichen Text zu lösen. Ich habe die
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 47
Anhang 47
Hansa Rostock kommt mit Fuchs über die rechte Seite, der seit wenigen Sekunden
frisch im Spiel ist. Er versucht sich durchzusetzen, schlägt einen Querpass in die
Mitte, auf den eingewechselten ..., der heute sein erstes Bundesligaspiel macht.
Lehmann zeigt eine Unsicherheit, aber das Spiel ist abgepfiffen, der Treffer von Timo
Lange zählt nicht, aber der Kapitän holt sich noch eine gelbe Karte ab, da bin ich
mir ziemlich sicher, oh, das ist sogar die rote Karte gegen Timo Lange; der ließ sich
gegen Jens Lehmann nämlich noch spektakulär fallen. Was passiert jetzt? Gelb?
Gelbe Karte gegen Lange, der nach meinen Aufzeichnungen schon gelb hatte, und
Jens Lehmann hat die rote Karte bekommen, obwohl das doch gar nichts war. Er
hat ihm nur die Hand auf den Kopf gelegt. Jetzt wird's sehr interessant: Jens
Lehmann geht vom Feld, der Schiedsrichter folgt Timo Lange, denn natürlich
bekommt der noch die gelb-rote Karte. Der Kapitän hat im ersten Durchgang
schon die gelbe Karte gesehen, da muss der Schiedsrichter ihm jetzt die rote Karte
zeigen.Wolfgang de Baer kommt wieder mal zu einem Bundesligaeinsatz, nachdem
er anderthalb Jahre warten musste. Er steht auf jeden Fall schon dort unten am
Spielfeldrand, und es wird jetzt viel diskutiert. Schiedsrichter Dr. Helmut Fleischer
hat alle Hände voll zu tun. Ich sortiere hier erst einmal meine Informationen, zwei
zu null, bei dem Stand bleibt es; wer welche Karte bekommen hat, diese
Information reiche ich später nach und gebe erst mal weiter nach Nürnberg zu
Wolfgang Reichmann.
Aufgabe 3:
Dass das Bild helfen würde, ist keine Frage. Darüber hinaus dürfte es aber schon
hilfreich sein, die Geräusche deutlicher zu vernehmen. Natürlich unterstützen sich,
wenn man das Bild sieht und das zugehörige Geräusch hört, beide einander.Wenn Sie
einmal Hörspiele und Filme auf die Deutlichkeit und Dauer ihrer Geräusche
vergleichen, werden Sie feststellen, dass Hörspiele – selbstverständlich – viel
geräuschintensiver sind als Filme. Andererseits legen Filme gegenüber Büchern und
auch Hörspielen die Phantasie fest. „Ein untersetzter Mann mit zusammengekniffenen
Augen und einem hämischen Lächeln um die Mundwinkel“ kann ich mir so und so
vorstellen; in diese Vorstellungen fließt viel meiner eigenen Erfahrung ein. Im Film
sehe ich diesen Mann, und damit ist meine Phantasie abgeblockt. Den daraus sich
ergebenden Vorteil von Hörtexten sollte man nicht unterschätzen. Je mehr das
Gehörte selbständig koloriert wird, desto besser. Sich über die so entstandenen
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 48
Bilder zu unterhalten, dürfte ein sehr interessanter Beitrag zum Unterricht sein,
sowohl unter dem Aspekt des Hörverstehens als auch unter dem Aspekt des
mündlichen Ausdrucks.
Aufgabe 4:
Wenn Sie den Anfang dieses Textes gehört haben, ahnten Sie möglicherweise schon
die Fortsetzung. Die Begleitmusik ist ja nicht gerade unbekannt, und sollten Sie James
Bond-Fan sein, wussten Sie ohnehin, um was es geht. Stellen Sie sich aber nun einmal
diese Szene ohne Begleitgeräusche vor. Lesen Sie nur den Text im Anhang. Würden
Sie darauf kommen, was hier passiert? – Nun drehen wir die Frage um: Stellen Sie
sich jetzt die Szene ohne Text vor oder wegen mir in einer japanischen Fassung, Sie
verstehen kein Wort und können eventuell doch recht genau bestimmen, was
geschieht. Oder nicht? Lasse ich mich bei dieser Annahme zu sehr von meinem
Vorwissen täuschen? Immerhin ist dies grundsätzlich zu bedenken: Bei der
Vorbereitung lernt man einen Text häufig so gut kennen, dass man nicht mehr ohne
weiteres in der Lage ist, sich vor sein eigenes erstes Hören zurückzuversetzen, was
dazu führen kann, dass man seine Schüler überfordert.
Aufgabe 5:
In der rechten Spalte finden Sie die Untertitel der Sendungen, die Ihre
Erwartungshaltung sicherlich bestätigt oder aber korrigiert.
Anhang 49
23.00 Die Welt will betrogen sein Die Geschichte des Apothekers Johann
Caspar Schleicher aus Wengen
21.00 Der Freiherr auf dem Laufrad Das tragische Leben des badischen
Erfinders Karl Friedrich Drais
Aufgabe 6:
Petra versteht meine Aussage als reine Feststellung, für sie erschöpft sich das,
was ich sage, in der Darstellungsfunktion, es ist „Symbol kraft seiner
Zuordnung zu Gegenständen und Sachverhalten“; ich war wohl sehr nüchtern
und sachlich. Klaus gegenüber habe ich mich wohl zu gelangweilt geäußert; er ist
der Meinung, dass er aus meiner Intonation Rückschlüsse auf mein
augenblickliches Befinden ziehen kann, seine Antwort lässt darauf schließen, dass
für ihn die Ausdrucksfunktion im Vordergrund steht; was ich sage, ist für ihn
„Symptom kraft seiner Abhängigkeit vom Sender“. Andrea bezieht meine
Äußerung auf sich selbst als Hörerin und interpretiert sie als „Signal“; unterstützt
wird dieses Verständnis auf die Appellfunktion hin durch die Begeisterung in
meiner Stimme. Wie der Streit um Claudias Urlaubskarte an Renate vermuten
lässt, ergibt sich das Verständnis nicht nur aus der Art und Weise, wie etwas
geäußert wird, sondern auch aus der Befindlichkeit des Hörers, aus dessen
Vorverständnis, dessen Einschätzung des Sprechers, der Situation und jeder
Menge weiterer Faktoren.
Aufgabe 8
ñ ein „Gartenstuhl“ ist ein Stuhl, wie er üblicherweise in einem Garten steht und wie
man ihn üblicherweise im Garten als Sitzmöbel verwendet;
ñ ein „Stahlrohrstuhl“ ist ein Stuhl, der unter anderem aus Stahlrohr gefertigt ist
(wäre er nur aus Stahlrohr, könnte man es sich kaum auf ihm bequem
machen);
ñ ein „Beichtstuhl“ ist ein kleines Gehäuse, in dem ein Katholik einem Priester seine
Sünden bekennt
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 50
ñ ein „Schaukelstuhl“ ist ein Stuhl, mit dem man schaukeln kann;
ñ ein „Designerstuhl“ ist ein Stuhl, der von einem Designer entworfen wurde;
ñ ein „Lehrstuhl“ ist die Bezeichnung für eine Professur an einer Universität;
ñ der „Stuhlgang“ hat nichts mit irgendeinem der bisherigen Stühle zu tun, sondern
mit Verdauung.
Aufgabe 9:
Ich notiere die Auflösungen kommentarlos. Nicht in allen Fällen ist eine reine
Rückverwandlung möglich; natürlich darf nicht vergessen werden, dass der Spaß im
Vordergrund steht, dem die Exaktheit der Verwandlungen geopfert wird.
Noch ein kleiner Tipp: Spielen Sie den Text doch einmal Ihren Schülern vor.Wer diese
– und andere – Veralberungen der Sprache als solche versteht, hat ein beachtliches
sprachliches Niveau erreicht.
Aufgabe 13:
ungelöste Probleme: ganz und gar ungelöste Problem – logischem Problem – Kreta-
Paradox – Marterprobleme – Barbier rasiert alle ... – Psychiatrie – hirnrissige
Exempel – Lösung unlösbar scheinender logischer Probleme – logischen
Vertracktheiten
Anhang 51
Erkenntnis: Antwort auf das gestern Abend ganz und gar ungelöste Problem – antike
Philosophie – Lügt er oder sagt er die Wahrheit? – moderne Philosophie – Lösung
unlösbar scheinender logischer Probleme – Lösung für unsere geistigen
Frühsportprobleme – Erkenntnistheorie
Aufgabe 14:
Der dritte Tipp ist der kürzeste; hier wird nicht geworben, sondern das Thema muss
für sich selbst stehen. Der Unterschied zu den vorher genannten Sendungen ist
evident: Es geht nicht um ein Spezialthema, sondern um aktuelle gesellschaftliche
Erscheinung. So etwas steht für sich selbst.
Aufgabe 15:
sieben vor sieben. – 2) „Es wird zu viel gearbeitet auf der Welt, vier Stunden am Tag
genügen.“ Der diese Ansicht äußerte, war kein Gewerkschaftsfunktionär und kein
weltfremder Phantast, er scheute keine politische Auseinandersetzung und keine
wissenschaftliche, er war Logiker und Mathematiker, Philosoph und politischer
Querkopf, in allem getrieben von dem Verlangen nach Liebe, dem Drang nach
Erkenntnis und dem Mitgefühl für die Leiden der Menschheit: Bertrand Russell,
morgen im Zeitwort, sieben vor sieben.
Aufgabe 16:
vier- und
einstufig zweistufig dreistufig
mehrstufig
Meldungen
30 (71,43%) 9 (21,43%) 3 (7,14%) – (0%)
(42)
Korresponden
tenberichte 14 (43,75%) 9 (28,13%) 8 (25%) 1 (3,12%)
(32)
Aufgabe 19:
DIN A4 ist eine genormte Papiergröße, exakt 210 auf 297 Millimeter. Es gibt kein
„griechisches DIN A4“ und das Endlospapier für Computerdrucker hat eine Größe
von 210 auf 305 Millimeter (plus Perforationsstreifen an den Längsseiten). Dass
beides dennoch mit dem Begriff „DIN A4“ belegt wird, liegt offensichtlich daran, dass
„DIN A4“ in gewissen Kontexten auch allgemein für die übliche Papiergröße steht.
Genauer: Das „griechische DIN A4“ meint das Papierformat, das in Griechenland
offenbar ebenso üblich ist wie die 210x297 mm in Deutschland, und wenn in den
Katalogen „DIN A4, Höhe 12 Zoll“ steht, soll das heißen, dass das Computerpapier
eben nicht so hoch ist wie DIN A4-Papier, das als fast allgemein gültiger
Anhaltspunkt dient. – Ich erzähle die beiden Szenen, um noch einmal deutlich zu
machen, dass man sich – auch im Fremdsprachenunterunterricht – nicht immer auf
Regeln und Normen verlassen sollte. Bedenken Sie auch, dass Papier nichts anderes
als ein fast nur zweidimensionales geduldiges Etwas ist.
Aufgabe 20:
vier- und
einstufig zweistufig dreistufig
mehrstufig
Pressestimmen
29 (64,45%) 14 (31,11%) 2 (4,44%)
(45)
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 53
Anhang 53
Aufgabe 21:
a) Was sind freundliche Hörtexte? Ich erwarte hier keine endgültige Definition; viel besser
wäre es, wenn Sie Ihre Erwartungen, die Sie an einen Hörtext richten, artikulieren. –
Freundliche Texte zeichnen sich dadurch aus, dass sie dem Hörer das Hören und
Verstehen leicht machen. Sie sind deutlich gesprochen, ungestört durch
Nebengeräusche, können aber von Begleitgeräuschen gestützt werden. Sie sind
nicht zu langweilig und nicht zu komplex, sie lassen dem Hörer Zeit zum
Verständnis und kauen doch nicht alles vor. Sie wecken vielmehr Interesse und
laden den Hörer zum Mitmachen ein, sind anregend, informativ, unterhaltsam.
b) Beschreiben Sie Vor- und Nachteile des Einsatzes von Hörkassetten gegenüber
Videokassetten im Hörverstehensunterricht. – Der Nachteil ist einfach zu benennen:
Von einer hör- und sichtbaren Szene bleibt auf der Hörkassette nur noch der Text.
Im Hörverstehensunterricht kann diese Reduktion jedoch von Vorteil sein: Sie
ermöglicht zum einen die Konzentration auf die Sprache, zum anderen jedoch
fördert sie die auditive Phantasie.
c) Wie stehen Sie zu kurzen und langen Sätzen in Hörtexten? – Zu lang sollten sie nicht
sein, aber auch nicht zu kurz. Beides ermüdet den Hörer, und zwar besonders,
wenn sie nicht von geschulten Sprechern gesprochen werden. In einem gewissen
Rahmen können lange Sätze ebenso Spannung aufbauen wie kurze, die Länge selbst
ist nicht das Entscheidende.
d) Wie sollte man Ihrer Meinung nach mit grammatikalischen und lexikalischen
Schwierigkeiten in Hörtexten umgehen? Soll man sie in jedem Fall vermeiden, wenn sie
über dem sprachlichen Niveau der Schüler liegen? – Grammatikalische Phänomene
und Wörter, die den Schülern nicht bekannt sind, können einen Text
unverständlich machen. Das sollte jedoch nicht zur Folge haben, dass man jeden
Text genau auf das aktuelle Niveau der Schüler zurückschneidet. Auch
muttersprachliche Texte enthalten ja häufig Wörter und Konstruktionen, die nicht
bekannt sind, und solange sich die Fremdheit in Grenzen hält, sind sie dennoch
verständlich.
e) Charakterisieren Sie die Bedeutung des Hörerbezugs in Hörtexten. – Mehr als der
Leser will der Hörer umworben werden; er erwartet, dass ihm Aufmerksamkeit
und Verständnis entgegengebracht wird; um es in einem Bild zu sagen: der Hörer
will an der Hand genommen werden, und dennoch sollte man ihm nicht das Gefühl
vermitteln, dass er nicht selbst laufen kann. Daher sind Hörerbezüge (wenn auch
nicht in allen Textgattungen) von kaum zu unterschätzender Bedeutung.
Möglichkeiten gibt es viele: Der Hörer kann direkt angesprochen werden, der
Sprecher kann sich mit seinen Hörern solidarisieren und sich bemühen, an der
Lebenswelt der Hörer anzuknüpfen.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 54
Quellen
Text 1: Karl Bühler: Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Mit
einem Geleitwort von Friedrich Kainz, Stuttgart-New York 1982 (Nachdruck der
Ausgabe Jena 1934) [UTB 1159], S. 28.
Text 3: Mark Twain, Ein Yankee aus Connecticut an Koönig Artus' Hof, Frankfurt/M.
1973 [Fischer 1087], S. 141.
Aufnahme 4.1:
Eva und Thomas: Keine Zigaretten
Eva: Wann hast du mir des gesagt, des hab ich nich gehört.
Thomas: Bevor du gangen bisch, hab i gsagt, du sollsch mir Zigaretten bringen,
mitbringen, aber 's isch immer 's gleiche. Immer wenn i was zu dir sag,
dann machs halt einfach net.
Eva: Des stimmt nich. Ich hab's einfach net gehört. Ich weiß nich, wann du mir
des gsagt hasch.
Thomas: Des isch immer deine Ausrede, dass du sag'sch: Ich hab's einfach nich
gehört. Du machst dir's immer leicht.
Eva: Also, ich hab 'se auf jeden Fall nich mitgebracht. Hol dir doch deine
Zigaretten selber.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 55
Anhang 55
Thomas: Um des geht's nich, weil wenn ich dir, wenn ich zu dir was sag, du sollsch's
machen, dann machsch's es bitte auch.
Eva: Wenn ich's nich gehört hab, dann kann ich's auch net machen.
Thomas: Grad hasch dir aber widersprochen, weil vorher hasch gsagt, dass des
gehört hättesch, und jetzt mach'sch auf einmal net.
Eva: Des stimmt nich, ich hab nich gesagt, dass ich's nich gehört hab, ich hab
gsagt, ich hab's net mitgebracht, und deswegen holste 'se dir jetzt selber.
Aufnahme 4.2:
2. Herr: Ja, aber, wir haben noch nicht eine einzige Änderung, geschweige denn die
Änderung einer Änderung beschlossen.
1. Herr: Mein lieber Doktor Stiepel. Nehmen Sie die Ersatzänderung der
übergeordneten bindenden Änderungsverordnung in der geänderten
Fassung, machen Sie aus dem Punkt in Paragraph 3 Absatz 4 Satz 2 ein
Komma und nennen Sie das Ganze die geänderte Ersatzänderung der
überordneten bindenden Änderungsverordnung in der geänderten
Fassung.
b) Gerhard Kluchert: Immer Ärger mit der Jugend? Ein Glück, daß es die
Forschung gibt! SWR2, 06.02.1999, 8.30 Uhr
„Eigentlich wollten wir nur das Beste“, sprach Viktor Tschernomyrdin unlängst in
einem Anflug der Selbstkritik, „aber gekommen ist es dann wie immer“. Den Satz
wird man sich merken müssen. So wie einst den von Gorbi: „Wer zu spät kommt,
den bestraft das Leben“.
(Das dürfen Sie selbst ausknobeln. Den gesamten Text können Sie am Ende dieses
Kapitels als Aufnahme ... nachhören)
Zu diesem Zwecke klappte ich zuerst mein Taschenmesser auf, ein großes Schweizer
Armeemesser, dick und schwer, und schnitt die Zigarrenspitze ab. Dann scheint
meine Absicht gewesen zu sein, die Zigarrenspitze zum Fenster hinaus zu werfen,
aber stattdessen irrte ich mich ...
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 56
e) Heinz Erhardt: Noch ein Gedicht und andere Ungereimtheiten, nach „The
World of Humor & Kabarett“, ZYX Music 1997.
Nachdem ich mich he-ute, nee, Moment, heute, heute, heißt das, ja, also nachdem ich
mich heute um dieses Mikrophon versammelt habe, ergreife ich außer der
Gelegenheit auch noch das Wort, um es an Sie zu richten, richt euch, äh. Also, es war
vor etzlichen Jahren, da erblickte ich das elektrische Licht der Welt. Meine Eltern, es
waren zwei Stück, also waren sehr reich, mein Vater besonders, der hatte zwei
V(W)illen gehabt, einen guten und einen bösen. Er machte Brillen, er war Tischler, er
sagte schon immer: „Des Menschen Leben gleicht der Brille: man macht viel durch.“
Nun, also, der Sommer, in dem ich mich gebar, war sehr trocken, er war so trocken,
dass die Bäume den Hunden nachliefen. Und der Winter, ganz im Geigentiel, der war
also kalt. Es war grad halb acht, es waren acht 'n halb Grad, und ich lag zu Hause rum,
nicht, was sollte ich sonst machen? Ich hatte ja schon Beine, aber ich konnte noch
nicht laufen. Und ich fror so vor mich hin, denn meine Eltern waren ausgegangen, der
Ofen auch. Und, ähm, da beschloss ich dann ein Dichter zu werden, denn alle
berühmten Dichter haben ja in ihrer Jugend gefroren.
Aufnahme 4.4:
Die witzigsten Werbespots der Welt, SAT1, 26. Juni 1999, 19.45 Uhr
1. Herr: Gesundheit!
1. Herr: Sie sollen wirklich mit so einer Erkältung in den Regen raus gehen.
1. Herr: Samsung. Wir sind so fortschrittlich, dass das, was für die einen Zukunft
ist, für uns schon die Vergangenheit bedeutet.
2. Herr: Ich hätte getötet werden können. Sie haben mir das Leben gerettet.
1. Herr: Nein. Heute ist doch Dienstag. Sie sterben nicht an einem Dienstag.
Anhang 57
Aufnahme 4.5:
James Bond – Man lebt nur zweimal; ORF 27. Juni 1999, 16.05 Uhr
1. Herr: Wenn ich mich über der Insel befinde, melde ich mich bei Ihnen.
2. Herr: Okay.
1. Herr: Ich bin über der Insel. Unter mir ist ein Fischerdorf. Bis jetzt nichts
Besonderes. – Hier gibt's 'ne Menge Vulkane. Sonst ist die Gegend ziemlich
trübe. – Hallo, ich bin wieder da. Nelly wurde von vier ausgewachsenen
Luftlümmeln belästigt, aber wir haben uns wacker gehalten. Sie hat ihre
Ehre mit großem Erfolg verteidigt. Ich komm jetzt zum Tee.
2. Herr: Bleiben Sie oben. Gehen Sie auf Kurs vier sechs Grad und erwarten Sie
weitere Instruktionen.Wir sehen uns morgen. Ende.
Aufnahme 4.6:
Aufnahme 4.7:
aus: Alfred Hitchcock: Der Mann, der zuviel wusste (The Man Who Knew Too Much),
USA 1956.
Monsieur McKenna – ich bin Louis Bernard. Ein Mann – ein Staatsmann – soll getötet
werden – ermordet – in London – bald – sehr bald – sagen Sie ihnen – in London –
Ambrose Chappell.
Aufnahme 4.8:
Der Freiburger SC verlor am vergangenen Wochenende nach hartem Kampf das mit
Spannung erwartete Spiel gegen den Hamburger SV, der ebenfalls um den
Klassenerhalt bangt.
Aufnahme 4.10:
Zum Abschluss hab ich noch eine Geschichte für Sie, die mir widerfahren ist, könnte
man fast sagen. Es kam ziemlich oft neulich ein Bekannter zu mir. Der hat einen
schulpflichtigen Sohn, und er hielt da so einen Zettel in der Hand und sagte: „Mensch,
Udo, sag mal, du schreibst doch ne Menge und du kennst dich doch aus in der
deutschen Sprache, kannste, mein Sohn der muss en Aufsatz schreiben, ich blick da
überhaupt nicht durch, kannste helfen?“ „Klar“, sag ich, „komm rüber mit dem Zeug.“
Soll ich noch gesagt haben. Ich hab ihn jetzt dabei, ich les ihn mal vor. Allein der der
der der Titel ist schon so seltsam: es heißt „der Tag des Namens meines Vaters“. Ich
nehme an, der Kleine meint wohl den Namenstag seines Vaters, nich, hat wohl etwas
Schwierigkeiten mit dem zweiten Fall. Also, schau mer jetzt mal: in der vorigen Woche
wurde bei uns der Tag des Namens meines Vaters gefeiert. Schon früh am Morgen des
Sonntages am Tage des Namens meines Vaters begann der Trubel des Festes. Die
Kinder der Nachbarn brachten Sträuße der Veilchen der Alpen und der Mutter
Schachteln der Pralinen. Die Kinder bekamen Torte des Obstes der Beeren des
Johannes. Die Folge war, dass sie unser Klosett des Plumpses eifrig benutzten. Da die
Kapelle der Musik verhindert war, konnte das Konzert des Platzes nicht stattfinden.
Dafür trug meine Schwester ein Stück des Konzertes der Violinen auf der Flöte des
Blockes vor und mein Bruder begleitete sie auf dem Klavier des Schiffes. Zum Essen
des Mittags am Tage des Namens meines Vaters gab es Suppe des Fleisches des Rindes,
Braten des Schweines, Klopse der Königsberger und Salate des Kopfes des Grünen.
Am Nachmittag des Tages am Tage des Namens meines Vaters, des Sohnes und h – halt
nee nee da kommt man da kommt man so unweigerlich rein, nee es ist wahnsinnig. Ich
beginne nochmals. Am Nachmittag des Tages am Tage des Namens meines Vaters
kamen die Brüder des Gesanges des Chores der Kirche und des Kegelns zu uns. Mein
Vater bekam zum Tage des Namens Hemden des Obers und eine Flasche Wein des
Brandes. Mutter lud zum Bleiben ein. Es gab Kaffee der Bohnen und Milch der Büchse.
Dazu aßen wir Kuchen des Napfes und Torte der Creme der Butter. Weiter tischte
Mutter Stiche der Bienen, Winde des Beutels, Köpfe der Mohren und Küsse der
Neger auf. Beim Essen des Abends gab es Salat der Kartoffeln, Gehacktes des Rindes,
Eier der Russen – na he, na so was – und Leber des Käses der Allgäuer.Wir Kinder
tranken Milch der Butter. Die Erwachsenen tranken Wein des Rheines und Wasser der
Kirschen der Wälder des Schwarzen. Dann mussten wir in die Stube des Schlafes und
deckten uns mit der Decke der Steppe zu. Ja. Der Halter des Stammes musste noch
auf den Topf der Nacht. Am anderen Morgen weckte uns der Hahn auf dem Haufen
des Mistes. Mein Vater hatte den Jammer der Katze und das Brummen des Kopfes. Er
aß Möpse der Rolle. Im Halse hatte er das Brennen des Sodes. Er nahm Tabletten des
Spaltes und verschwand im Zimmer des Bades. Dann ging er zur Stelle der Arbeit und
wir Kinder zur Schule der Hilfe.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 59
Anhang 59
Aufnahme 4.11:
Zeitwort
Die Zeit des Zeitworts ist die Zeit des Frühstücks oder der Gymnastik, je nachdem,
aber wo bleibt denn da die geistige Gymnastik, die erste logische Dehnübung, der
erste intellektuelle Streckversuch, wo die morgenfrühe Pointe und die noch
nachtfrische Antwort auf das gestern Abend ganz und gar ungelöste Problem? Soll
das alles sich etwa in der Lektüre der Morgenzeitung oder dem Hören eines
Zeitworts erschöpfen? Heute Morgen schaffen wir Abhilfe, und zwar mit einem
logischen Problem, das uns immer schon zur Weißglut getrieben hat – auf nüchternen
Magen ist es genau das richtige. In der antiken Philosophie ist es als das Kreta-
Paradox bekannt. Aller Kreter lügen – sagt ein Kreter. Lügt er oder sagt er die
Wahrheit? Und was ist mit seinem Satz, wenn er das eine oder das andere tut? Die
moderne Philosophie ist uns ihre Marterprobleme ebenso wenig schuldig geblieben,
etwa von der Art: ein Barbier rasiert alle, die sich nicht selber rasieren. Rasiert er
unter dieser Voraussetzung sich selber oder nicht? Nun lassen wir das. Schließlich
wollen wir noch geistig gesund und unblutig rasiert unseren Arbeitsplatz erreichen
und nicht vor der Zeit enden in der Psychiatrie, obwohl, obwohl wir einräumen
müssen, dass der Philosoph, der für hirnrissige Exempel dieser Art verantwortlich ist,
eigentlich ein ganz gesunder Kopf war und es zu hohen Jahren gebracht hat. Am 2.
Februar 1970 ist er 97-jährig gestorben, er, der dritte Earl of Russell mit dem
Vornamen Bertrand, 1950 Nobelpreisträger für Literatur. Allerdings hat er uns auch
beizeiten versöhnt, als er die Herabsetzung der täglichen Arbeitszeit auf vier Stunden
propagierte und uns auch die triftige Begründung nicht vorenthielt: (Zitat) „Ich
glaube nämlich, dass in der Welt zu viel gearbeitet wird.“ (Zitatende) Unter dieser
Voraussetzung hätten auch wir gewiss noch Kapazitäten für die Lösung unlösbar
scheinender logischer Probleme frei. Die vier Stunden freilich waren nicht Russells
eigene Arbeitszeit. Für was nicht alles hat er in seinem Jahrhundertleben Kraft und
Zeit gefunden, dessen Vitalität und Wandlungsfähigkeit die eines Künstlers vom
Schlage Picassos, dessen Weite und Engagiertheit die eines Genies und Temperaments
vom Schlage Einsteins war. Russell hat mit seinen nach der Jahrhundertwende
entstandenen logischen und mathematischen Grundlagenwerken die moderne Logik
revolutioniert und auch eine Lösung für unsere geistigen Frühsportprobleme
gefunden, die wir hier indessen tunlichst verschweigen. Die Erkenntnistheorie, die
Sprachphilosophie, die Ethik verdanken ihm bedeutende Beiträge. Doch er war alles
andere als bloß ein akademischer Schreibtischtäter.Von der Sozialphilosophie bis zu
Erziehungsfragen, von der Ehe bis zur Moral, vom Glück bis zur Sexualität, von der
Religion bis zum Sozialismus hat ihn kaum ein Thema unberührt gelassen. Zugleich
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 60
war er ein großer Praktiker. Gleich ob als Gründer einer Privatschule oder in seinen
diversen Ehen – insgesamt vier an der Zahl –, als renitenter Professor oder im
politischen Kampf hat dieser logische Atomist den Hautkontakt mit den Realitäten
gesucht. Und welchen Standesdünkel hätte dieser Aristokrat nicht gekränkt, in
welches politische Wespennest hätte er nicht gestochen? 1916 ist er wegen seines
Pazifismus unters Berufsverbot gefallen, wegen seines Aufrufs zur
Kriegsdienstverweigerung saß er 1918 gar für ein halbes Jahr im Gefängnis ein. Noch
1964 hat der 94-jährige gegen den Vietnam-Krieg das Russell-Tribunal initiiert. In
seinem geistigen und politischen Temperament war er durch und durch ein
Oppositioneller. Auf dem Vorsatzblatt der Bibel, die das Kind von seiner Großmutter
geschenkt bekommen hatte, stand der Satz: „du sollst der Menge nicht folgen zum
Bösen.“ Das war eher puritanisch christlich gemeint gewesen, Russell hat es indes
stets als Aufforderung zum Widerstand interpretiert. Fragt man sich aber, woher er
die Kraft für sein überbordend reiches und renitentes Leben gefunden hat, so ist die
Antwort in den Eingangssätzen seiner Autobiographie zu finden: Nicht in einem
Glauben und nicht im Denken, sondern der Leidenschaft. „Wofür ich gelebt habe: drei
einfache doch übermächtige Leidenschaften haben mein Leben bestimmt: das
Verlangen nach Liebe, der Drang nach Erkenntnis und ein unerträgliches Mitgefühl für
die Leiden der Menschheit.“ (Zitatende) Bevor uns nun aber vollends das Pathos und
die Bewunderung überkommen, erinnern wir uns, dass dieser Menschenfreund uns
auch mit den eingangs bemühten logischen Vertracktheiten mitleidlos malträtiert hat.
Sie hörten das Zeitwort von Ludger Lütkehaus. Morgen im Zeitwort: Der 3.2.1722
– Georg Philipp Telemann klagt Urheberrechte ein.
Kulturtips: 8 Uhr 30 SWR2 Wissen. Orthodoxe Mönche beim Gebet in der Tuari, der
Kreuzkirche. Den schönsten Blick auf die alte Hauptstadt hat man von dieser Kirche
aus, auf eine Anhöhe direkt über der Mündung des aus dem Norden kommenden
Araqui Indiqura, den größten Fluss des Landes.Vom Leben in einem vergessenen Land
zwischen Europa und Asien erzählt Elenor Krogmann in „Die georgische
Heeresstraße“. SWR2 Wissen heute 8 Uhr 30 bis 9 Uhr.
14 Uhr 5: Dschungel. Paul Robson? Da fällt mir wirklich nichts ein. Nein, ich weiß
leider nichts zu Paul Robson. Oh, da fällt mir ne Menge ein. Ich weiß, dass es hier in
Berlin ein Archiv gibt, wo man ganz viel über ihn erfahren kann und auch hören kann.
Ich habe selber Platten von ihm, ja, und hör ihn, wenn ich mich entspannen will, sehr
gern, Old men river zum Beispiel. Bis 1943 machte er eine steile Karriere: Paul
Robson, Sohn eines entlaufenden Sklaven und studierter Jurist. Dann wurde ihm sein
Engagement gegen Rassismus und für die sozialistischen Staaten zum Verhängnis. Eine
Stimme, in der dunkle Glocken klingen. Paul Robson war ein Opfer der McCarthy-
Ära – heute in Dschungel, 14 Uhr 5 bis 15 Uhr.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 61
Anhang 61
SWR2 Forum, 17 Uhr 5: „Ist die Ehe kein weltlich Ding mehr?“ Immer mehr
Menschen heiraten, lassen sich aber enttäuscht wieder scheiden. Das Thema in SWR2
Forum, 17 Uhr 5 bis 17 Uhr 50.
SWR2 Aktuell
Die Warnstreiks in der Metallindustrie gehen weiter. – Der Senat beschäftigt sich
heute mit Monica Lewinskys Aussage auf Video. – Arafat und Clinton sprechen über
die palästinensische Staatsgründung. – In den Pressestimmen: Einhundert Tage Rot-
Grün und die Diskussion um den Atomausstieg. Das Wetter: Es wird wieder milder.
Heute ist es bedeckt, gelegentlich Sprühregen, in Baden-Württemberg Glättebildung,
im Schwarzwald Schnee. Die Temperaturen steigen auf bis zu 6 Grad. In der Nacht
bleibt es nasskalt. Die weiteren Aussichten: Es wird weiter wärmer, bei Wolken und
Regen.
Köln – Der Tarifkonflikt in der Metallindustrie gefährdet nach Ansicht des Präsidenten
des Deutschen Industrie- und Handelstages Stihl das Bündnis für Arbeit. Sollte die IG
Metall einen Streik vom Zaun brechen, werde das Treffen möglicherweise nicht
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 62
stattfinden, sagte Stihl der Zeitung „Express“. Er warf der Gewerkschaft vor, sie setze
sich mit ihrer 6,5 Prozent-Forderung über die Interessen der Arbeitslosen hinweg. IG
Metall Vize-chef Peters erklärte dagegen, die Tarifauseinandersetzung und das Bündnis
für Arbeit seien zwei verschiedene Dinge. Die Forderung nach deutlichen
Lohnerhöhungen sei unabhängig vom Bündnis für Arbeit.
Washington – Die Senatoren der Vereinigten Staaten von Amerika werden sich heute
um 14 Uhr mitteleuropäischer Zeit ein Video anschauen, in dem es um Lügen und
Sex geht. Die ehemalige Praktikantin des Weißen Hauses Monica Lewinsky berichtet
dort ein weiteres Mal über ihre Affäre mit US-Präsident Clinton. Clemens
Derenkotte.
Anhang 63
Präsidenten für den Ärger entschuldigten, den das Impeachment-Verfahren der 25-
Jährigen bereitet habe. Diese wohlkalkulierte Zerknirschungsgeste Clintons diente
offenkundig dem Zweck, der bis heute Präsidenten fixierten Lewinsky zu
signalisieren, dass ihr der große mächtige Mann im Weißen Haus immer noch zugetan
sei. Lewinsky verlässt heute wieder Washington in Richtung Los Angeles und macht
die politische Bühne frei für den wohl letzten Aufzug der Clinton-Affäre. Heute und
morgen werden jeweils ein Zeuge vernommen, am Donnerstag entscheiden die
Senatoren, ob die Video-Aufzeichnung der Lewinsky-Affäre veröffentlicht werden
soll, danach erhalten beide Prozess-Seiten die Gelegenheit für ihre Abschluss-
Plädoyers und dann schließlich am Freitag, den 12. Februar dürften die Senatoren bei
ihrer abschließenden Abstimmung feststellen, dass es keine Zweidrittel-Mehrheit für
die Amtsenthebung Clintons gibt.
Der Besuch in den USA ist ein wichtiger Schritt im Bemühen Arafats, Stimmung für
die Palästinenser zu machen und noch mehr internationale Unterstützung gegenüber
Israel zu gewinnen. Konkret geht es um das im Oktober geschlossene Nahost-
Abkommen von Wai, das laut Zeitplan am letzten Wochenende hätte vollzogen sein
sollen, das aber bisher nur zu einem Drittel umgesetzt wurde. Der Friedensprozess
liegt auf Eis. Israel leistet sich seit Bekanntgabe des Wahldatums um Weihnachten
rund fünf Monate inoffiziellen und offiziellen Wahlkampf, und in dieser Zeit geschieht
im Friedensprozess nichts, auch Arafat muss das hinnehmen. Geschickt nutzt er aber
diese Periode, um sich für die Zeit nach der Israel-Wahl eine günstige
Ausgangsposition zu verschaffen. Er wirbt für den Palästinenserstaat und er droht mit
diesem Staat. Der 4. Mai ist das magische Datum, da sind die fünf Jahre vorbei, die in
den Oslo-Verträgen vorgesehen sind, um das Verhältnis zwischen Israel und den
Palästinensern endgültig zu regeln. Danach, so Arafat, sind die Palästinenser frei, ihren
Staat auszurufen, ob Israel zustimmt oder nicht. Die israelische Regierung droht
damit, sie könnte dann die noch israelisch besetzten Gebiete des West-Jordanlandes
annektieren, in jedem Fall: der Friedensprozess wäre zu Ende, wenn der übrigens
kaum lebensfähige Palästinenserstaat am 4. Mai ausgerufen würde, und die
Konfrontation könnte dann sehr leicht in Gewalt enden. Man darf annehmen, dass
Arafat den Staat am 4. Mai nicht ausrufen wird, schon deshalb nicht, weil er damit die
israelischen Wahlen knapp zwei Wochen später entscheiden würde, nämlich
zugunsten Netanjahus und der Rechten. Aber den Verzicht will Arafat sich bezahlen
lassen, wenn die Wahl in Israel vorbei ist, dann möchte er internationalen, vor allem
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 64
amerikanischen Druck auf die neue israelische Regierung, damit erstens das
Abkommen von Wai mit dem weiteren Truppenabzug schnell umgesetzt wird und
damit zweitens in den so genannten Endverhandlungen ganz klar die Weichen für den
Palästinenserstaat gestellt werden, auf den Arafat dann nicht mehr noch einmal fünf
Jahre warten will.
Bonn – Die PDS hat anscheinend SPD und Grünen angeboten, mit einem eigenen
Gesetzentwurf beim Atomausstieg zu helfen. Wenn dann der Bundestag das Verbot
der Wiederaufbereitung von Atommüll beschließe, sei die Regierung nicht
verantwortlich zu machen und damit nicht schadensersatzpflichtig gegenüber den
Energiekonzernen, schreibt die Chemnitzer Zeitung „Freie Presse“. Umweltminister
Trittin von den Grünen und PDS-Fraktionschef Gysi hätten darüber schon
miteinander gesprochen.
Ski alpin – Die 26. Skiweltmeisterschaften in Vail im US-Staat Colorado begannen mit
einem Ausfall. Das Super-G-Rennen der Damen wurde wegen heftiger Schneefälle
und Windböen abgesagt. Die deutschen Teilnehmerinnen Hilde Gerg, Martina Ertl
und Regina Häußl hatten sich Medaillenchancen erhofft. Amerikanische
Meteorologen bezweifeln, dass sich die Wetterlage in den nächsten zwei Wochen
verbessert.
Die Kommentatoren der Tageszeitungen beschäftigten sich heute unter anderem mit
den Äußerungen Wirtschaftministers Müllers, der über einen Wiedereinstieg in die
Atom-Energie nachdachte und über die 100-Tage-Bilanz der Rot-Grünen Regierung.
Elisabeth Brückner.
Der „Mannheimer Morgen“: Das Kabinett Schröder regiert zuweilen wie die
Echternacher Springprozession: drei Schritte vor, zwei zurück. Mit dem Learning by
doing, dem Sich-herantasten, Ausprobieren und Zurückstecken muss allmählich
Schluss sein. Irgendwann wollen die bislang noch geduldigen Wähler wissen, wohin
die Reise geht. Dazu braucht Rot-Grün ein Gesamtpaket, in dem Steuerreform,
Bündnis für Arbeit, Rentensystem und Familienförderung miteinander verschnürt
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 65
Anhang 65
sind.
Die „Deutsche Tagespost“ aus Würzburg: Nach hundert Tagen rot-grünen Regierens
fällt die Bilanz gelinde gesagt miserabel aus. Statt zielstrebiger Reformen erleben wir
wackelige Gehversuche und Bauchlandungen. Der Kanzler indessen verkauft selbst
das Chaos als brillantes Projekt. Dabei schwindet seine Glaubwürdigkeit. Dem
Bündnis für Arbeit droht der Todesstoß durch die Tarifparteien, noch ehe sich
Schröder als Moderator profilieren konnte. Die Steuerreform enttäuscht Wirtschaft
und Privathaushalte, dass sie mehr Arbeitsplätze bringt, glaubt selbst Arbeitsminister
Riester nicht. Statt klarer Linie gibt es Rhetorik, statt Planung Populismus, statt
Verantwortung saloppe Sprüche. So lassen sich Wahlen gewinnen, regieren kann man
damit nicht.Wenig geleistet, viel Vertrauen verspielt.
Die „Saarbrücker Zeitung“ schreibt: Nein, diese Koalition hat ihren Tritt noch lange
nicht gefunden. Dabei wird immer stärker sichtbar, wo die eigentlichen Schwächen
von Gerhard Schröder liegen, nämlich nach wie vor in der Detailkenntnis bei
wichtigen Themen. Immer deutlicher zeigt sich zudem sein ziemlich autoritärer
Führungsstil, mit dem vor allem der grüne Koalitionspartner wiederholt öffentlich
böse gedeckelt wurde. Das kann selbst das ewig smarte Lächeln des kalten
Machtmenschen Schröder nicht verbergen.
im Getriebe und Atomgegner und -befürworter fragen staunend: Ja, wohin denn nun?
Die „Nürnberger Nachrichten“: Bezeichnend ist, wie genüsslich der frühere Veba-
Manager den grünen Koalitionspartner und vor allem seinen Kabinettskollegen Trittin
hin und wieder reizt. Dieses Spiel, offenkundig auch zum Gefallen Schröders
aufgeführt, dient nicht der reinen Unterhaltung des Publikums, dahinter steckt Kalkül.
Durch ein Szenario eines Wiederausstiegs aus dem Atomausstieg sollen die Grünen
gefügig gemacht werden. Das ist der Preis der Regierungsbeteiligung.
Auch das „Offenburger Tageblatt“ kommentiert die Atompolitik: Man wischt sich
verdutzt die Augen, ob man auch richtig gelesen hat. Erst die Atomkraftwerke
abstellen, dann wieder neue bauen? Die Bürger von Schilda könnten das nicht besser
ausbaldowern. Wenn es denn so ist, dass Energiesparen und regenerative Energien
langfristig die Atomkraft nicht ersetzen können, dann ist das Bekenntnis zur
Atomkraft unumgänglich. Ist dem nicht so, dann benötigt Deutschland, in welchem
Zeitrahmen auch immer, die Kernspaltung nicht mehr. Haarspaltung ist jedoch auch
nicht nötig.
Aufnahme 4.12:
2. Herr:Ja bitte? Hallo! Was wollen Sie? Was wollen Sie? Was wollen Sie? Drücken Sie
sich klar aus, bitte! Um was geht es? Hallo! Um was geht es?
1. Herr:H...
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 67
Anhang 67
Kapitel 5:
Hörverstehen im
Fremdsprachenunterricht
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 70
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 71
5.1 Einleitung
Das Ziel dieses Kapitels ist es,
Wenn Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, sollten Sie in der Lage sein,
Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergangen ist; vielleicht haben Sie die vorangegangenen
Seiten sehr ungeduldig durchgearbeitet, in der Hoffnung, dass endlich auch solche
Texte besprochen werden, wie Sie sie im Unterricht einsetzen wollen. Zum Beispiel:
wenn Sie eher Anfängerunterricht für Kinder geben, sind Sie – was die Textauswahl
angeht – bisher nicht auf Ihre Kosten gekommen.
Auch aus einem zweiten Grund stelle ich die bisherigen Hörtexte hier, zu Beginn des
letzten Kapitels über das Hörverstehen, zusammen: Es wäre gut, wenn Sie sich
anhand dieser Texte noch einmal vergegenwärtigen, welche Aspekte des
Hörverstehens wir bisher besprochen haben. Erinnern Sie sich noch an alles, auch
warum einige Texte mehr als einmal vorkommen? Machen Sie sich Notizen.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 72
0.6: Buchtipp
0.9: Party-Treffen
0.12: Gebrauchsanweisung
1.2: Geräusche
4.1: Familienstreit
4.3: Fußballreportage
4.4: Filmausschnitt
4.12: „Hi-hi-hilfe!“
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 74
AUFGABE 1
Es fällt natürlich auf, dass der längste zusammenhängende Text Uli Keulers „Dialog“
über Geli ist; er dauert – inklusive Gelächter und Geklatsche – ungefähr elf Minuten.
Das ist nicht sehr viel. Für alle längeren Textgattungen haben wir keine Beispiele, kein
Vortrag, kein Hörspiel, keine Podiumsdiskussion. Ist es notwendig, solche langen Texte
hier zu besprechen? Meines Erachtens nur, um das Gedächtnis und die
Aufmerksamkeit zu trainieren, aber dazu gibt es auch andere Möglichkeiten, wie wir
später sehen werden.
Was fehlt sonst noch? Eine Lücke habe ich oben schon benannt: Der einzige Text für
Kinder ist die „Geburtstagstorte“.Text 4.9 ist zwar sprachlich sehr einfach, aber nicht
gerade ein Kindertext. Lieder fehlen auch; was wir behandelt haben, sind nur
gesprochene Texte, und es sind auch keine Gedichte dabei. Wir werden dem im
Folgenden wenigstens eine kleine Abhilfe schaffen.
Außerdem haben wir eine ganze Menge von Textgattungen und Textsorten nicht
besprochen, denen wir täglich begegnen.Wäre das sinnvoll gewesen? Durchaus, und
zwar unter der Fragestellung, wie diese Texte funktionieren. Es ist klar, dass ein
Verkaufsgespräch anders funktioniert als ein Telefonat unter Freundinnen, eine
Plauderei am Gartenzaun anders als ein Interview, eine Bundestagsrede anders als ein
Vortrag über „die Reisegeschwindigkeit von Weinbergschnecken“. Ist aber auch das
Hörverhalten in unterschiedlichen Sprachen ein anderes? Selbstverständlich, weil die
Erwartungshaltung jeweils eine andere ist. Allerdings dürfte es dabei relativ wenige
und nur mit sehr differenzierten Methoden feststellbare sprachspezifische
Eigenheiten geben. Nur im weit fortgeschrittenen Unterricht wird man auf diese
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 75
Wir müssen hier also nicht alle Lücken füllen; einige verdienen es aber doch. Dabei
soll jedoch weiterhin nicht die Gattungstypologie im Zentrum stehen, sondern die
Übungsformen. Obwohl diese nicht so ohne weiteres zu systematisieren sind, wollen
wir zwischen Gedächtnisübungen, Aufmerksamkeitsübungen und
Verständnisübungen unterscheiden.
5.3 Gedächtnisübungen
Wissen Sie noch, welche Sätze Sie gestern nach dem Aufstehen als erstes hörten?
Wahrscheinlich nicht. Achten Sie doch morgen früh einmal darauf und fragen Sie sich
übermorgen, welche Sätze es waren. Der Unterschied liegt auf der Hand.
a) Sie erinnern sich doch noch an Geli? Falls Sie auf Anhieb nicht wissen, wen und
was ich damit meine, lesen Sie sich bitte zunächst die Fragen durch, die ich Ihnen
dazu stellen will; es wird Ihnen dann schon wieder einfallen. Lassen Sie sich so AUFGABE 2
viel Zeit, wie Sie wollen.
b) Welche meiner Fragen halten Sie für sinnvoll, welche nicht? Begründen Sie bitte
Ihre Entscheidung.
Ich kann natürlich nicht sagen, welche Fragen ich hätte beantworten können; eine
jedoch mit Sicherheit nicht, nämlich die nach der Anzahl der Wörter. Auch dass es
der 11. Hörtext war, wusste ich nicht mehr (an Kapitel 0 konnte ich mich erinnern).
– Die Fragen zielen auf ganz verschiedene Dinge, auf Wichtiges und auf Unwichtiges.
Sich an die Anzahl der Wörter eines Textes zu erinnern, wäre ein blödsinniges
Lernziel – es sei denn, man wolle als skurriles Gedächtnisgenie auftreten. Frage a)
trifft eher in das Zentrum des Textes als b). Bleiben wir einmal bei dieser zweiten
Frage. Die entsprechende Textstelle lautet:
Für mich ist der Messner viel mehr als Bergsteiger. Einer Gefahr ins Auge
sehen, wenn wirklich nur die Ränder des Bewusstseins die Wirklichkeit
streifen. Ich glaub, ich hab so was bloß einmal vorher erlebt, das war, wie
ich mit meinem Schwager seinem BMW mit sieben Halbe und fünf
Metaxa im Bauch in Schwäbisch Gmünd durch so eine Kaufhaus-Passage
gefahren bin. Das war halt ganz spontan, nicht wiederholbar. Du hättest
meinen Schwager hinten im Auto erleben sollen.
Ob es ein BMW oder ein Mercedes oder sonst ein Auto war, mit der „er“ in
Schwäbisch Gmünd, in Schwäbisch Hall oder in Hannover oder wo auch immer
durch die Kaufhaus-Passage gefahren ist, spielt wirklich keine Rolle. Soll man
tatsächlich trainieren, solche Informationen im Gedächtnis zu behalten?
In dem Abschnitt kommen außer BMW und Schwäbisch Hall noch zwei andere
Namen vor: Messner und Metaxa. Welcher Name sollte Ihrer Meinung nach am
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 77
5.3 Gedächtnisübungen 77
ehesten erinnert werden? Ich denke, es ist „Messner“, zumal dieser Name mehrmals
im Text vorkommt. Allerdings kann man überlegen, ob man ihn nicht besser zum
Gegenstand einer Verständnisübung statt nur einer Gedächtnisübung macht.
Wir scheinen in einer Sackgasse gelandet zu sein. Es hat wenig Sinn, auf diese Weise
das Gedächtnis zu trainieren, zumal im Fremdsprachenunterricht.Wie dann? Das ist
eine Frage mit einer banalen Antwort: So, dass die Spezifika der Fremdsprache im
Gedächtnis behalten werden. Der Grammatikunterricht ist voll mit
Gedächtnisübungen: Regeln werden auswendig gelernt oder derart eingeschliffen,
dass sie durch wiederholte Anwendungen im Gedächtnis haften. Dasselbe gilt freilich
für das Erschließen des Wortschatzes. Braucht man im Hörverstehen eigene
Gedächtnisübungen und wenn ja, wofür und wie können Sie aussehen?
Beschränken wir uns auf die erste Meldung aus den Computer-Nachrichten. Ich
präsentiere Ihnen dazu einige Fragen und würde gerne von Ihnen wissen, welcher
Art diese Fragen sind.
Beantworten Sie die Fragen a) – d) und kommentieren Sie die Fragen bitte im
Anschluss. Den zugrundeliegenden Text können Sie sich noch einmal als Hörtext
5.1 auf der Kassette anhören. AUFGABE 3
Um 8,5 Prozent
a) Um wie viel Prozent hat der Halbleiterbereich der
AUDIO
Siemens AG im vergangenen Jahr den Umsatz Um 12 Prozent
gesteigert?
Um 15 Prozent
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 78
(Lösungsteil)
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 79
5.3 Gedächtnisübungen 79
So gestellt lassen sich die Fragen wahrscheinlich beantworten, und es gibt zahlreiche
Unterrichtssituationen, in denen sie ihren Sinn haben, gerade im Unterricht für
Anfänger. Aber wie alt sind die Schüler, denen Sie einen solchen Text präsentieren? Es
werden wohl keine Kinder sein. Erwachsene Schüler jedoch dürften sich an der Nase
herum geführt vorkommen, wenn Sie ihnen die von mir vorgeschlagenen Antworten
stellen würden. Zudem sollte man sich über die fremdsprachliche Relevanz des
abgefragten Wissens im Klaren sein.Warum muss man sich in einem fremdsprachlichen
Text an Informationen erinnern, die man in einem muttersprachlichen Text ohne
weiteres überhören würde? Gedächtnisübungen dieser Art spiegeln ein Wissen vor,
das mit der Fremdsprachenkenntnis herzlich wenig zu tun hat.
Damit komme ich zur zweiten Antwort und zu einer ganz anderen Art von
Gedächtnisübungen. Das Verständnis eines Textes hängt mitunter wesentlich davon
ab, ob man in der Lage ist, Beziehungen zwischen verschiedenen Textpassagen
herzustellen. Diese Feststellung ist sehr banal, wir bauten immer wieder auf ihr auf,
hier ebenso wie im Buch über das Leseverstehen, wenn wir von der Wiederaufnahme
handelten. Wiederaufnahme ist jedoch ein allgemeinsprachliches Phänomen. Immer,
wenn ich über etwas spreche, egal in welcher Sprache, nehme ich den Gegenstand,
über den ich spreche, wieder auf. Pedro wird als „er“, als „mein Freund“, als „der
junge Mann“, als „der Krankenpfleger“, als „der Spanier“ usw. bezeichnet, und es ist
doch jedes Mal Pedro gemeint. Muss man das einüben? Ja, zum Beispiel, wenn es um
Personalpronomina geht. Wird im Text „sie“ verwendet, muss man aus seiner
Erinnerung das letzte Substantiv mit weiblichem grammatischen Geschlecht
herausfinden, das einen Sinn ergibt. In der Regel ist das nicht schwierig, unterschätzen
sollte man die notwendige Verstehensleistung jedoch nicht. Eine Aussage wie die
folgende kann schon einige Probleme aufgeben: „Petra lieh sich von ihrer Tante eine
Gießkanne. Sie brachte sie ihr eine Woche später zurück.“ Die Bezüge sind
selbstverständlich klar (sie1 = Petra; sie2 = Tante, ihr = Gießkanne), doch darf man
nicht vergessen, dass diese Bezüge erst einmal realisiert werden müssen, und zwar
(wie es in der EDV-Branche heißt) in Echtzeit, das heißt: unmittelbar während der
auditiven Rezeption. Wir hatten das ja schön öfters: das kostet Zeit und zieht die
Aufmerksamkeit vom weiteren Text ab. Zwei Aspekte dürften hierbei jedoch eine
Rolle spielen: Zum einen die Geläufigkeit, mit der Pronomina inhaltlich verstanden
werden, und zum anderen die rein lautliche Geläufigkeit der Pronomina, zu der auch
die Häufigkeit ihres Vorkommens in einem Text gehört.Wir wollen uns das an einem
sehr vereinfachten Schema verdeutlichen:
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 80
1) Petra, Tante und Gießkanne beziehen sich auf zwei verschiedene Menschen und
einen Gegenstand der realen Welt. Man muss wissen, dass „Petra“ ein Frauenname
ist, „Tante“ eine Verwandtschaftsbeziehung bezeichnet und „Gießkanne“ ein Gefäß
zum Blumengießen ist.
2) „Brachte zurück“ versteht sich aus „lieh sich“. Es handelt sich zwar um keine Eins-
zu-eins-Beziehung (ich kann auch etwas zurückbringen, was ich gekauft habe), die
semantische Relation ist jedoch eindeutig.
3) Die Pronomina (ihrer, sie, sie, ihr) beziehen sich innerhalb des Textes zweimal auf
Petra, auf die Tante, die Gießkanne und noch einmal auf die Tante; ansonsten sind
sie jedoch offen, das heißt, sie könnten sich auf alles Mögliche beziehen.
Wortbedeutungen kann man jederzeit und an jedem Ort lernen, die einzelnen
Wörter bedürfen nicht einmal eines inneren Zusammenhangs, wenn sich der auch
– wie bei „ausleihen“ und „zurückbringen“ – selbstverständlich ergibt; die Bezüge
von Pronomina innerhalb eines Textes können jedoch nicht ein für alle Mal gelernt
werden. Es handelt sich um horizontale Bezüge im Gegensatz zu den vertikalen
Bezügen zwischen Wort und Bedeutung. Es sind demnach zwei unterschiedliche
Gedächtnisleistungen, die beim Verständnis eines Textes zu erbringen sind; wir
wollen Sie „Wortgedächtnis“ und „Textgedächtnis“ nennen. Das Wortgedächtnis
speichert Wissen, das textunabhängig ist, das Textgedächtnis stellt sich auf den
jeweiligen Äußerungszusammenhang ein. Das obige Schema vereinfachend, sieht
das so aus:
Von hier aus kann ich nun noch einmal den Teil unserer Ausgangsfrage stellen, der
bislang noch nicht beantwortet ist: Wie können Gedächtnisübungen im
Hörverstehensunterricht aussehen? Die Bezüge von Pronomina abzufragen, dürfte
nicht sehr spannend sein. Zudem sollten die Übungen die spezifischen Lautmerkmale
des Deutschen trainieren, denn es ist klar, dass gehörte Texte zunächst einmal lautlich
entschlüsselt werden müssen.Versuchen wir es spielerisch.
Nicht zufällig zeichnen sich viele Kinderlieder dadurch aus, dass einzelne Wörter,
Satzteile oder ganze Sätze wiederholt werden. Diese Eigenart kann man
hervorragend nutzen, um Lautfolgen erinnernd einzuüben.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 81
5.3 Gedächtnisübungen 81
Können Sie singen? Hören Sie Text 5.2 auf der Kassette.
Mein Vorschlag für eine Übung, die sich an dieses Lied anschließt, sieht so aus:
AUDIO
Nachdem Sie das Lied ein oder zwei Mal gehört haben, singen Sie es gemeinsam mit
Ihren Schülern und zwar zum Beispiel mit folgender Textverteilung:
LEHRER SCHüLER
Sie erkennen, um was es geht: Die Schüler sollen Wörter und Satzteile wiederholend
artikulieren. Dazu müssen sie sich an den Lauteindruck erinnern und reproduzieren.
– Die obige Textverteilung ist freilich nur ein Vorschlag; bei der Realisierung einer
solchen Aufgabe muss man flexibel bleiben und man darf das Lernziel nicht aus den
Augen verlieren. Dass hiermit nur ein kleiner Schritt zu einem besseren
Textgedächtnis geschieht, ist klar, aber man sollte solche Spiele nicht nur als Tänzelei
begreifen, denn diese Tanzschritte sind sehr wichtig, gerade im Anfängerunterricht.
Darüber hinaus ist natürlich das Miteinanderartikulieren im Gesang überaus
förderlich für die Einübung sprachlicher Lautmuster.
Auch mit anderen Texten, vor allem mit Gedichten kann man jede Menge derartiger
Übungen zum Trainieren des Textgedächtnisses machen. „Herz“ reimt sich auf
AUDIO „Schmerz“, auf „Sonne“ reimt sich „Wonne“ und auf „recht“ „schlecht“. Finden Sie
die Reimwörter heraus, die in Text 5.3 auf der Kassette fehlen?
Haben Sie alle richtig getroffen? In die Lücken passen nicht allzu viele Wörter;
dennoch muss man im Gegensatz zur vorangegangenen Aufgabe den Text
AUDIO einigermaßen verstehen, und man muss über ein gewisses Repertoire an Wörtern
verfügen.Wie sieht es bei folgendem Beispiel aus? Hören Sie Text 5.4.
Sie erinnern sich vielleicht auch noch an die mittelalterlichen Zaubersprüche aus
Kapitel 3 des Bandes zum Leseverstehen. Kriegen Sie so was Ähnliches auch hin?
AUDIO Beschwören Sie doch einmal einen Kuli oder ein Blatt Papier; lassen Sie die
Reimwörter offen und machen Sie Ihre Schüler zu Ihren Zauberlehrlingen. Das kann
sich ungefähr so anhören wie in Text 5.5 auf der Kassette.
Das sind keine bedeutenden dichterischen Ergüsse, aber das spielt auch keine Rolle.
Gelingen können solche Spiele allerdings nur, wenn man gemeinsam mit seinen
Schülern Spaß an der Sprache entwickelt. Denn Sprache ist ja nicht nur Bedeutung,
sondern sie ist Ton, Melodie und Rhythmus. Diese Seite der Sprache muss gerade im
Hörverstehen – ebenso wie freilich im mündlichen Ausdruck – bedacht und eingeübt
werden. Nicht nur Wörter müssen also erkannt werden, wie in den bisherigen
Übungen, sondern auch der Rhythmus und die Satzmelodie. Sie kennen vielleicht die
berühmte Rede, die Charlie Chaplin in seinem Film „Modern Times“ hält und mit der
er Hitler nachahmt. Man versteht kein Wort; das keifernde Bellen sagt jedoch alles.
Wir kommen später noch einmal darauf zurück.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 83
5.4 Aufmerksamkeitsübungen 83
5.4 Aufmerksamkeitsübungen
Erinnern Sie sich noch an die Frage, die ich zu Beginn dieses Kapitels stellte? Vielleicht
sind ja seither zwei Tage vergangen und Sie können die Frage beantworten, welche
Sätze Sie gestern als erste hörten. Wenn wir den Unterschied zwischen der ersten
und dieser zweiten Frage benennen wollen, so handelt es sich das eine Mal um die
Frage nach Ihrem Gedächtnis, das andere Mal um eine Frage nach Ihrer
Aufmerksamkeit. Dass es sich bei dieser Unterscheidung um eine starke
Vereinfachung handelt, brauche ich nicht noch einmal zu wiederholen. Sie hilft uns
jedoch – zumindest in der Darstellung – Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsübungen
auseinander zu halten.
Hören Sie Text 5.6 auf der beiliegenden Kassette und notieren Sie während des
Hörens alle Zahlen, die im Text vorkommen.
AUFGABE 4
AUDIO
Haben Sie alle herausgehört? Das ist recht leicht gewesen, oder? Für Ihre Schüler, die
die Zahlen gerade im Unterricht behandelt haben, dürfte es jedoch schon
schwieriger sein. – Wie steht es mit folgenden Aufgaben:
Das sind natürlich alberne Fragen, die mit dem Inhalt des Textes nicht das Geringste
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 84
zu tun haben. Aber stellen wir uns folgende Unterrichtssituation vor: Sie lassen Ihre
Schülern den Text einmal hören; dann teilen Sie die Klasse in vier Gruppen ein. Beim
zweiten Vorspielen soll Gruppe A bei jeder Zahl, die im Text vorkommt, aufstehen
bzw. sich hinsetzen; Gruppe B macht dasselbe bei den Fragen, Gruppe C bei den
Sätzen, die mit „der/die/das“ beginnen, und Gruppe D bei den Wörtern mit „B“.
Man kann solche Tests auf alle möglichen Textmerkmale ausdehnen (Relativsätze,
Alliterationen [aufeinander folgende Wörter, die mit demselben Laut beginnen],
Vergangenheitsformen, zusammengesetzte Substantive, Adjektive, usw.). Wozu sind
derartige Aufgaben gut? Niemand muss wissen, wie viele Wörter mit „b“ beginnen
oder wie viele Zahlen in einem Text vorkommen. Andererseits stellen Zahlen jedoch
ein besonderes Problem im Fremdsprachenunterricht dar, und die anderen Aufgaben
schulen das Gehör. Eine Frageintonation herauszuhören ist durchaus von Bedeutung,
und wenn man einmal gelernt hat, sich auf Wort- und Satzanfänge zu konzentrieren,
hört man bewusster die sprachlichen Eigenschaften eines Textes heraus, und dass die
deutschen Vergangenheitsformen ziemlich unregelmäßig sind, brauche ich Ihnen nicht
zu sagen.
All das ist jedoch nicht das Entscheidende; aus einem anderen Grund lohnen sich
derartige Aufgaben. Eine der Hauptschwierigkeiten beim Hören, zumal eines
AUDIO fremdsprachigen Textes, ergibt sich aus der Tatsache, dass das Verständnis von keiner
visuellen Vorstellung gestützt wird. Hören Sie bitte Text 5.7 auf der beiliegenden
Kassette. Haben Sie die Sätze auf Anhieb verstanden?
Dass es in der Nacht gewindet hatte, ließ das Platanenblatt ahnen, das auf dem
Weg lag.
Wenn a Laus am Ohr is, pack sie, druck sie, bis sie tot is.
5.4 Aufmerksamkeitsübungen 85
Wenn Sie mir zustimmen, dass ein Verständnis der Texte beim Lesen leichter fällt als
beim Hören, sehen Sie ein, wozu Aufmerksamkeitsübungen gut sind. Eine etwas
ausgefallene Art will ich Ihnen noch kurz vorstellen:
Zwei Schülern wird ein beliebiger Satz vorgegeben, etwa: „Am Anfang der Kultur
stand die Musik.“ Diesen Satz sollen sie derart in eine Rede oder eine Szene
verpacken, dass die Wörter aus dem sonstigen syntaktischen und grammatischen
Rahmen herausfallen. Dazu müssen sie deutlich sprechen. Das kann sich ungefähr
folgendermaßen anhören:
Man kann diese Übung beliebig abändern, einfache und schwierige Sätze nehmen,
einen oder mehrere Sprecher, gerade neu gelernte Wörter unterbringen usw.
AUFGABE 5
Wörter kann man jedoch auch raffinierter verstecken. Welche Länder- und
Städtenamen hören Sie aus Aufnahme 5.8 heraus?
AUDIO
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 86
Nicht alles geht so kunstvoll, aber es gibt doch eine ganze Reihe Wörter, die man
ebenso – möglichst unerkannt – in einem Text unterbringen kann. Das sind zum einen
AUDIO Wörter, die man zusammensetzen kann (Spiel: Spielplatz, Ballspiel, Ballspielhalle) und
zum anderen solche, deren Silben in verschiedene Wörter trennbar sind. Es ist eine
kleine Kunst, sie herauszuhören; versuchen Sie es einmal. Eva liest sie als Hörtext 5.9
auf der beiliegenden Kassette vor.
Schreiben Sie bitte die Sätze, die Sie gehört haben, auf und markieren Sie die
zusätzlichen Wörter, die darin verborgen sind.
AUFGABE 6
Es gibt selbstverständlich unzählige andere Übungen, mit deren Hilfe die sprachliche
Aufmerksamkeit trainiert werden kann – werden Sie nicht müde, sie zu finden und
anzuwenden! Je spielerischer sie sind, desto besser!
Im Zentrum des Unterrichts im Hörverstehen steht aber ohne Zweifel die Einübung
in das Verständnis eines Textes.
5.5 Verständnisübungen
Wir haben schon früh über den Kontext gesprochen.Werfen wir zu Beginn unserer
Besprechung der Verständnisübungen einen Blick gewissermaßen auf den „internen
AUFGABE 7 Kontext“ und hören wir uns einige Textmelodien an. Was wird in den
Textausschnitten, die
ich zu Hörtext 5.10 zusammengefasst habe, gesagt? Charlie Chaplin ist es nicht, doch
AUDIO ich habe mein Bestes gegeben. Um was geht es?
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 87
5.5 Verständnisübungen 87
Ich gebe zu, dass ich die Schemata sehr übertrieben habe. Das erste, das für kurze Texte
steht, ist folgendermaßen zu lesen: Das Gedächtnis, in dem die bisher aufgenommenen
Informationen gespeichert werden, greift bei kurzen Texten, vor allem, wenn mehrere
aneinander gereiht sind, über den jeweiligen Text hinaus, da es vom vorangegangenen
Text noch blockiert ist. Dass man bei der Erinnerung die verschiedenen Texte
durcheinanderwirft, ist da nicht verwunderlich. Außerdem kommen sich die
verschiedenen Gedächtnisinhalte in die Quere und überfahren sich gegenseitig. Damit
hängt es zum Beispiel zusammen, dass man sich nach einem Witze-Abend häufig nur an
relativ wenige Witze erinnert. Andererseits schießt die Aufmerksamkeit, die dem Text
entgegengebracht wird, über dessen Grenzen hinaus, oder anders gesagt: Hat man sich
gerade auf ihn eingestellt, ist er schon zu Ende und es beginnt möglicherweise ein
anderer. Wenn Erinnern und Erwarten sich jedoch derart gegenseitig ins Gehege
kommen und das Hören von so wenigen Erfolgserlebnissen begleitet wird, dann kann
man sich nicht böse sein, wenn man das Gehörte ganz schnell wieder vergisst.
Bei längeren Texten hingegen können sich sowohl Gedächtnis als auch Aufmerksamkeit
immer wieder auf dem Text abstützen: das bisher Gehörte wird immer neu
angereichert, es schränkt den Erwartungshorizont ein, die Aufmerksamkeit wird
belohnt. Erfolgserlebnisse solcher Art (das Gehörte wird bestätigt, die Erwartung
erfüllt) erleichtern und fördern selbstverständlich das Verständnis.
Die wichtigste Regel, die sich aus diesen Feststellungen für den
Hörverstehensunterricht ergibt, lautet: Die Texte sollten nicht zu kurz sein. (Natürlich
gibt's in bestimmten Situationen auch sinnvolle kurze Texte, am besten:Witze!)
Kommen wir zu der Frage, wie man das Verständnis schulen kann. Mit langen Texten
allein ist es ja nicht getan. Sie erinnern sich vermutlich noch an die Verständnisinseln,
von denen früher einmal die Rede war. Von diesen Inseln aus kann ein Text
erschlossen werden.Wenn es nun darum geht, das Verständnis zu fördern, dürfte es
angebracht sein, einige Inseln vorzuzeichnen, um das Verständnis vorzustrukturieren.
Das entspricht auch den gerade angestellten Überlegungen. Gedächtnis und
Aufmerksamkeit sollten sich abstützen können auf dem Text, und natürlich tun sie das
am ehesten auf den Verständnisinseln. Denken wir nun noch an die
Erwartungshaltung, die etwa durch eine Überschrift geweckt wird, und an den
Kontext, dann können wir abschließend folgendes Modell formulieren:
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 89
5.5 Verständnisübungen 89
Erläutern Sie bitte das oben stehende Modell. Der Strich unterschiedlicher Stärke
in der Mitte stellt den Text dar. Erklären Sie den Zusammenhang der einzelnen
Komponenten, wie er durch die Pfeile realisiert ist.Welche Folgerungen ziehen Sie AUFGABE 8
daraus für den Einsatz von Texten im Hörverstehensunterricht?
(Lösungsteil)
a) Hören Sie Text 5.11 auf der beiliegenden Kassette. Lesen Sie ihn bitte nicht mit.
Notieren Sie sich im Anschluss an das Hören zunächst die Schwierigkeiten, die Sie
selbst beim Verständnis hatten. Formulieren Sie danach eine kurze Einleitung, die AUFGABE 9
Ihre Schüler auf den Text vorbereiten soll. Sie können selbstverständlich auch
Hinweise geben, wie zum Beispiel: „Achten Sie mal auf ...“
AUDIO
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 90
1)
2)
3)
4)
5)
(Lösungsteil)
Wir kommen gleich auf die Fragen, die an einen Text gestellt werden, zurück, wollen
jedoch zuvor einen kleinen Umweg über die artikulatorische Verständlichkeit eines
Textes machen. Der Text, den Sie soeben gehört und aufbereitet haben, ist
artikulatorisch nicht zu beanstanden. Er ist sehr gut und verständlich gelesen. Ich
nehme nicht an, dass Sie es für nötig hielten, in Ihrer Einleitung auf die Aussprache
hinzuweisen. – Wie würden Sie jedoch zu Uli Keulers Text über „Geli“ hinführen?
Man kann den Schülern makellos gesprochene Texte bieten, wie Sie einen als Text
5.12 auf der beiliegenden Kassette hören. So werden sie zum Beispiel in Prüfungen
AUDIO geboten, und es spricht nichts dagegen, auf solche Prüfungen vorzubereiten. Im
wirklichen Leben sind solche Texte jedoch nicht zu finden, auch nicht auf den
Kassetten, die dieses Studienbuch begleiten.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 91
Wie Sie – mal wieder – feststellen, sind die wirklich gesprochenen Sätze keineswegs
so makellos wie die in der Prüfung. Es sind nicht nur die grammatischen Fehler, die
jemanden, der Deutsch strikt nach dem Wörterbuch und der Grammatik gelernt hat,
verzweifeln lassen. Trotzdem soll man die Sätze verstehen, und sie sind ja auch
verständlich.
Fragen wir also nach dem Verständnis. Ich schlage Ihnen eine ganze Menge – und
insgesamt doch nur eine kleine Auswahl aller möglichen – Fragen vor. Lassen Sie sich
nicht von der Zahl der Fragen beeindrucken.
Ihre Aufgabe ist es zunächst, zu bewerten, welche dieser Fragen Sie für sinnvoll
und welche Sie für sinnlos halten.
AUFGABE 11
sinn-
voll los
i) Weil Marcel Reif schon lang im Sport dabei ist, hat er was
gelernt?
l) Was bedeutet es, wenn der Moderator sagt: „Murdoch hat 200
Millionen gezahlt, mehr oder weniger.“
n) Was meint Marcel Reif, wenn er sagt, dass „die Verluste, die man
mit der Geschichte einfährt, gar nicht mehr darstellbar sind“?
Ich will nun versuchen, die Fragen zu kommentieren und daraus Schlüsse für die
Formulierung von Fragen an Hörtexte zu ziehen.
a) Wie teuer waren die deutschen Rechte an der Ausstrahlung der Champions
League?
Blödsinnige Frage. Natürlich ist es nicht untergegangen, aber auf die Idee kommt auch
niemand.
c) Wer hat die deutschen Rechte an der Übertragung der Champions League
gekauft?
Diese Frage lässt sich auf unterschiedliche Weise beantworten: Mit dem Namen
(Rupert Murdoch) (das wäre die Antwort auf eine Gedächtnisfrage) oder aber –
besser: mit einer Erklärung darüber, dass jemand die Rechte kaufte, mit dem niemand
gerechnet hat. Will man jedoch eine solche Antwort, sollte man die Frage anders
formulieren, zum Beispiel so:Warum hat es der deutschen Medienwelt einen Schock
versetzt, dass Robert Murdoch die deutschen Rechte an der Übertragung der
Champions League gekauft hat?
Ist das wirklich wichtig? Wichtiger wäre es doch zu fragen, was die Gäste beruflich
machen. Von der Kenntnis ihres Berufes her lässt sich die Relevanz der Diskussion
erst einschätzen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich nach dem ersten Hören auch
nicht mehr genau angeben konnte, wie die exakten Berufsbezeichnungen lauten.
Meines Erachtens wäre es sinnvoller, eine Multiple-Choice-Frage etwa folgender Art
zu stellen:
Eine andere Möglichkeit wäre es, die Frage nach den Berufen der
Diskussionsteilnehmer vor dem Hören des Textes zu stellen („Achten Sie einmal
darauf, welche Berufe die Teilnehmer der Diskussion ausüben.“). Derartige
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 95
texterschließende Fragen vor dem Hören haben durchaus ihren Sinn als
Aufmerksamkeitsübung; sie nachträglich als Verständnisfragen zu stellen, halte ich für
unlauter, da sie vorspiegeln, als käme es darauf an, jede einzelne Information des
Textes exakt wiedergeben zu können. Mit Verständnis hat das jedoch wenig zu tun;
dazu gehört lediglich, sagen zu können, dass sie alle beruflich mit Fußball oder den
Medien zu tun haben.
Auch hier gilt: Als Aufmerksamkeitsfrage vor dem Hören des Textes okay, als
Verständnisfrage albern.
Nein, er war nicht dabei. Die Frage zielt zwar auf ein Detail der Textaussage, aber
dieses Detail wird doch recht breit ausgetreten. Warum ist die Antwort Reifs so
ausführlich? Warum sagt er nicht einfach: „Tut mir leid, ich war nicht dabei. Keine
Ahnung.“? Eine so gestellte Frage würde jedoch über den reinen Text hinausgreifen.
Ich könnte mir vorstellen, dass man darüber eine eigene ausführliche Diskussion
führt. Dabei wäre es möglich, zum Beispiel auf die Diskrepanz einzugehen zwischen
dem, was ins Mikrophon gesagt wird, und dem, was man weiß, aber – aus welchen
Gründen auch immer – besser nicht öffentlich äußert.
g) Wie ist Marcel Reifs Aussage zu verstehen: „Es spricht einiges dafür, dass es (das
Abendland) jetzt wieder nicht untergehen wird.“?
Hier sind eine Menge Antworten möglich, von „Wer die Champions League
überträgt, ist doch eigentlich unwichtig“ bis „Verdammt noch mal, dass wir (RTL) die
Rechte nicht gekriegt haben, aber irgendwie geht das Leben schon weiter.“ Will man
eine bestimmte Antwort, muss man die Frage anders formulieren. Fragt man zum
Beispiel: „Warum bringt Marcel Reif die Übertragung von Fußballspielen mit dem
Untergang des Abendlandes in Zusammenhang?“, könnte man mit einem ganzen
Essay rechnen, einerseits über die Stellung von Fußball in der deutschen Gesellschaft
und andererseits über die Stürme im Wasserglas, die – wahrscheinlich nicht nur in
Deutschland – entstehen, wenn die Medienlandschaft durcheinander gerät. Natürlich
führt diese Frage sehr weit über den Text hinaus, mit Hörverstehen hat das nicht
mehr viel zu tun, der Text wäre eher ein Anlass für mündlichen Ausdruck.
h) Hätten die Verhandlungsführer von RTL noch höher gehen können oder haben sie
gemeint: Bis hierher und nicht weiter?
Das geht aus dem Text nicht hervor. Solche Fragen sind ziemlich fies, besonders wenn
man von seinen Schülern annimmt, dass sie der Meinung sind, eindeutige Antworten
geben zu müssen.Vagheit oder Unentschiedenheit wird häufig für Unwissen gehalten.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 96
Außerdem wäre die Frage in dieser Form recht unfair; sie übernimmt eine
Formulierung des Textes („noch höher gehen“), die, aus ihrem Kontext gelöst, nicht
ohne weiteres verständlich ist.
i) Weil Marcel Reif schon lang im Sport dabei ist, hat er was gelernt?
Die Frage ist ungeschickt formuliert; besser wäre: „Was hat Marcel Reif während
seiner langjährigen Berufstätigkeit im Zusammenhang mit dem Sport gelernt?“ Auch
diese Version ist nicht sehr elegant – fällt Ihnen was Besseres ein?
Wenn diese Frage schon gestellt wird, sollte man auch sie vor dem Hören stellen,
denn dass der Moderator an einer Stelle „mitpokert“ sagt, ist für das Verständnis
wohl nicht entscheidend. Und muss man annehmen, dass jeder Schüler weiß, dass
Poker ein Kartenspiel ist? Mit der deutschen Sprache hat das jedenfalls wenig zu tun.
k) Von den wievielten Mainzer Tagen der Fernsehkritik ist die Rede?
l) Was bedeutet es, wenn der Moderator sagt: „Murdoch hat 200 Millionen gezahlt,
mehr oder weniger.“
Natürlich ist folgende Antwort richtig: „Murdoch hat ungefähr 200 Millionen
gezahlt.“ Diese Antwort ist vom Text her jedoch nicht intendiert, sie ist nicht
gemeint; da sie dennoch zutreffend ist, muss ich zugestehen, dass die Frage falsch
gestellt ist. Auch die Antwort, dass der Moderator nicht genau weiß, wie viel
Murdoch gezahlt hat, wäre mir zu unpräzise. Die Aussage bezieht sich innerhalb des
Textes ja auf die doch recht wichtige Bemerkung, dass in der Öffentlichkeit zwar
Preise genannt werden, dass man ihnen aber nicht unbedingt Vertrauen schenken
kann. Wörtlich heißt die Bemerkung im Text: „Man weiß ja nie so genau, ähm, wie
stimmig diese Summen sind.“ Dazu ist zu sagen: Von Summen ist nicht die Rede,
sondern von einem Betrag; und mit „stimmig“ greift der Moderator lexikologisch
daneben, er meint: „Man weiß ja nicht so genau, ob der genannte Betrag stimmt.“ Um
diese Ungenauigkeit der Formulierung, die für spontane mündliche Rede durchaus
typisch ist, bewusst zu machen, könnte man fragen:
„Was meint der Moderator, wenn er sagt: 'Man weiß ja nie so genau, ähm, wie stimmig
diese Summen sind.'? Erklären Sie von da aus auch die folgende Aussage: 'Murdoch
hat 200 Millionen gezahlt, mehr oder weniger.'“
Sehen Sie nun aber, wo wir mit dem Versuch, Frage l) zu retten, gelandet sind? Das
hat eher etwas mit Lese- als mit Hörverstehen zu tun. Dagegen wäre nichts
einzuwenden, wenn die Prüfung unter dem Thema stünde: Charakterisieren Sie die
Merkmale mündlicher Texte?
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 97
Diese Frage finde ich gar nicht übel. Erstens ermuntert sie dazu, einen deutschen Text
auch von seinen fremdsprachlichen Komponenten her zu verstehen, zweitens ist das
Prinzip ja direkt im Text erklärt, drittens kann man aber die Übersetzung innerhalb
des Textes („Dass also von draußen keiner reinkommt“) nicht wörtlich als Antwort
benutzen.
n) Was meint Marcel Reif, wenn er sagt, dass „die Verluste, die man mit der
Geschichte einfährt, gar nicht mehr darstellbar sind“?
Wahrscheinlich meint er, dass man die Verluste nicht mehr verantworten kann. In
diese Aussage spielt die Tatsache hinein, dass die Übertragung von wichtigen
Fußballspielen einerseits ein Prestigeobjekt der Sender sind, andererseits jedoch eine
Menge Geld kosten, die über die Werbeeinnahmen nicht zu decken sind. Um eine
solche Antwort geben zu können, muss man der Aussage gegenüber jedoch sehr
tolerant sein. Denn was genau bedeutet „darstellbar“? Es ist eines jener Modewörter,
deren genaue Bedeutung eigentlich keine Rolle spielt. Natürlich könnte man die
Verluste „darstellen“, indem man Ausgaben und Einnahmen einander gegenüber
stellt. Am nächsten kommt dem Gesagten wohl die Aussage, dass die Verluste so
enorm hoch sind, dass man sie sich nicht vorstellen kann.
Nach meinem Geschmack hängt diese Frage zu sehr in der Luft, ich halte sie für
unfair. Die korrekte Antwort wäre: „Dass er hier in diesen Markt investieren will.“
Wären Sie damit zufrieden? Man müsste meines Erachtens übersetzen: „Er hat
angekündigt, dass er in Deutschland in den Markt der Sportübertragungen
investieren will.“ Wenn ich das schon wissen will, würde ich die Frage vom Text her
abstützen: „Viele Leute waren überrascht davon, dass der australische Medienmogul
Robert Murdoch die Übertragungsrechte gekauft hat. Ist diese Überraschung
nachzuvollziehen?“
Mit der „Öffnung des Fernsehsystems“ ist die Aufhebung des Monopols öffentlich-
rechtlicher Sender (= ARD und ZDF sowie die Dritten Programme) und die
Zulassung von Privatsendern in Deutschland gemeint. Aus dem Text ist das nicht zu
erfahren, es handelt sich vielmehr um eine komplexe Aussage, deren Bedeutung über
die Summe der Bedeutungen ihrer Bestandteile hinausgeht. Wenn Sie eine
Unterrichtseinheit über die deutsche Medienlandschaft oder über den deutschen
Sportjournalismus gemacht haben, können Sie möglicherweise eine solche Frage
stellen; dann handelt es sich um eine Frage nach dem kulturellen Kontext. So etwas
kann ganz sinnvoll sein, auch im Hörverstehensunterricht; man testet damit, ob die
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 98
Hörer in der kurzen Zeit, die ihnen zur Verfügung steht, auch komplexe Aussagen
entschlüsseln können.
Eine schwierige Frage. Natürlich kann man antworten: „Der Coup, nicht jeden Preis
zu bezahlen, konnte nicht durchgeführt werden.“ Ein „Coup“ setzt jedoch voraus,
dass etwas geplant ist, in diesem Fall: dass gemeinsam etwas geplant ist. Man kann also
vermuten, dass mehrere Fernsehsender sich zusammengetan haben, um den Preis für
die Übertragungsrechte nicht ins Unermessliche steigen zu lassen. Das einzige
Problem könnte man darin sehen, dass „Coup“ kein deutsches Wort ist, aber gehören
die Fremdwörter nicht zur deutschen Sprache?
Dasselbe: überflüssig. – Wenn man hingegen Wert darauf legt, dass die Schüler mit
Hilfe dieses Hörtextes etwas über die Geschichte der Sportübertragungen in
Deutschland erfahren, dann sollten sie dazu aufgefordert werden, sich während des
Hörens Notizen zu machen.
„Ja.“ Lohnt sich jedoch diese Frage? Sinnvoller erschiene mir die Frage: „Gibt es
Anhaltspunkte dafür, dass es Marel Reif unverständlich ist, von dem Deal überrascht
worden zu sein?“ Das wäre dann freilich eine sehr schwierige Frage.
u) Was meint der Moderator, wenn er von „der Deutschen höchstes Sportgut“
spricht?
Fußball.Wenn ich mehr wissen will, sollte ich anders fragen, etwa so: „Warum spricht
der Moderator von 'der Deutschen höchstes Sportgut' und nicht einfach von
'Fußball'? Achten Sie bitte genau auf die Formulierung.“ Mit dieser Frage kann ich
eher herausfinden, ob die Schüler verstehen, dass „der Deutschen höchstes
Sportgut“ eine durchaus ungewöhnliche Formulierung ist, mit deren Hilfe der
Moderator sich von dem, was er sagt, distanziert. Allerdings stellt sich auch hier die
Frage, was das gerade mit Hörverstehen zu tun hat.
Ebenfalls eine ungeschickt gestellte Frage, denn die Antwort „nichts“ wäre kaum zu
korrigieren.Warum soll man nicht fragen: „Was antwortet Marcel Reif auf die Frage
nach den Verhandlungen, die RTL um die Champions League-Rechte geführt hat?“
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 99
Auf diese Weise könnte man zumindest herausfinden, ob von der nervösen Antwort
Marcel Reifs etwas verstanden wurde. Und vielleicht könnte man auch noch
nachfragen, warum er so nervös reagiert. (Sagt er wirklich die Wahrheit? Oder tritt
er als Sprecher von RTL auf? Oder will er den Sender, für den er arbeitet, nicht
bloßstellen?)
Ich weiß das, weil es seit 1992 noch schwerer fällt, die Bundesliga-Berichterstattung
im Fernsehen – bei SAT 1! – zu verfolgen, aber man braucht schon ein sehr gutes
Gedächtnis, sich an die entsprechende Aussage des Textes zu erinnern. Wer diese
Frage richtig beantwortet, hat möglicherweise den Text nicht besser verstanden,
sondern hat nur mehr Weltwissen. Das ist an sich nichts Schlechtes, doch es muss bei
der Bewertung der Antwort bedacht werden.
Diese Frage ist nicht ganz so sinnlos, wie sie sich beim ersten Lesen anhört.Vielleicht
verdient sie jedoch einen kleinen Zusatz: „Nennen Sie nicht nur den Namen.“ Dann
könnte man als Antwort nicht nur „TM3“ erwarten, sondern auch, dass es sich um
den „Frauensender“ handelt. Darauf basiert ja die ganze Aufregung!
Welche Folgerungen können wir nun aus dieser langen Liste ziehen? Wie Sie sehen,
kann man an allen Fragen etwas aussetzen. Bei dieser Diskussion ging es mir darum,
die Fragen, die man an einen Hörtext stellen kann, zu problematisieren. Man muss
sich vor ihrer Formulierung sehr genau überlegen, welche Antworten man will, und
das heißt: ob man wirklich das Verständnis des Textes abfragt oder nur einzelne,
möglicherweise belanglose Angaben. Denken Sie stets daran, dass die Antworten
nicht sinnvoller sein können als die Fragen!
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 100
Welche Art Fragen sollten gestellt werden und wie sollten die Fragen gestellt
werden? Auf welche Aussagen eines Textes sollten sich die Fragen konzentrieren?
AUFGABE 12
(Lösungsteil)
1) Machen Sie Aufnahmen aus dem deutschen Hörfunk oder aus dem Fernseher. Ich
weiß nicht, ob deutsche Fernsehsender über Satellit in Griechenland noch zu
empfangen sind, mit einem einigermaßen guten Radio bekommen Sie aber mit
Sicherheit zumindest den „Deutschlandfunk“, zur Not auf Mittel- oder Kurzwelle.
2) Warum soll man die Tatsache nicht nutzen, dass Griechenland ein so beliebtes
Urlaubsland der Deutschen ist? Würden Sie sich scheuen, mit Kassettenrekorder und
Mikrophon auf Interviewjagd zu gehen? Legen Sie sich einige Fragen zurecht, oder
bitten Sie die deutschen Touristen, von ihren Urlaubserlebnissen oder was auch
immer zu erzählen. Der unschätzbare Vorteil bestünde darin, dass Sie (und Ihre
Schüler) wahrscheinlich alle möglichen dialektalen Einfärbungen des Deutschen zu
hören bekommen werden.
3) Wenn beides nicht möglich ist, bleibt immer noch die Möglichkeit, Hörtexte selbst
anzufertigen. Ich hoffe, Sie sind, nachdem Sie dieses Buch durchgearbeitet haben, nicht
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 101
der Meinung, man könne doch jeden x-beliebigen Text nehmen und ihn vorlesen. In
einigen Fällen ist das durchaus möglich, ja, es gibt schriftliche Textsorten, die eigens
für das Vorlesen oder eine mündliche Darbietung gedacht sind. Dazu gehören
Kinderbücher und Dramentexte. Wahrscheinlich gibt es aber doch sehr viele
Situationen, in denen Sie weder ein Kinderbuch noch ein Dramenausschnitt als
Hörtext einsetzen wollen. Was darüber hinaus am ehesten geeignet ist, sind
Kommentare aus Zeitungen – denken Sie an die Pressestimmen, die wir in Kapitel 4
besprochen haben. Natürlich können Sie auch eine literarische Lesung veranstalten;
damit, wie überhaupt mit dem Thema Vorlesen werden wir uns im Band über den
mündlichen Ausdruck beschäftigen.
Abschließend wollen wir uns nun aber doch anhand wenigstens eines Textes
vergegenwärtigen, wie man aus einem schriftlichen Text einen Hörtext anfertigt und
was dabei zu beachten ist.
Nehmen wir an, Sie machen mit jugendlichen oder erwachsenen Schülern gerade
eine Unterrichtseinheit über Universitäten und Studium in Deutschland. Beim Surfen
im Internet stoßen Sie auf folgenden Artikel:
Ganz anders sieht das Sonja Hilbert, Physikstudentin im 12. Semester, die
sich „in dem Männerfach gut aufgehoben fühlt“. Sie hat kein Bedürfnis
nach Frauensolidarität. Die Geschlechterfrage spielt für sie keine allzu
große Rolle. Klassische Vorurteile oder diskriminierendes Verhalten
schlugen der 26-jährigen bisher nicht entgegen, sondern vielmehr das
Gefühl, in ihrem Fach akzeptiert zu werden. Da werde, so Hilbert, das
Frausein sogar zum Bonus, „weil alle dein Gesicht kennen“. Oder gar zur
Herausforderung. Denn: „Es macht Spaß, sich als Minderheit von der
Masse abzuheben und sich unter all den Männern zu behaupten.“
stört sich nicht daran, dass lediglich eine Professorin in ihrem Fach zu
finden ist. Eine Benachteiligung als Frau hat die 26-jährige an der
Universität nie zu spüren bekommen, die strukturellen Missverhältnisse
belasten sie in keiner Weise. Eines ist der angehenden Lehrerin allerdings
klar: Der Stress kommt nach dem Studium. Als Frau hätte sie es in der
freien Wirtschaft wesentlich schwerer unterzukommen, und die
Aufstiegschancen seien geringer.
Vorweg, denn dies ist das Wichtigste: Im Horizont der Textumwandlung muss stets
der Hörer stehen; denken Sie an das Schema aus Seite ... in Kapitel 4.
1) Kontext
Den Kontext haben wir bereits grob geklärt: Ihre Unterrichtseinheit über Universitäten
und Studium in Deutschland. Natürlich muss von da aus zum speziellen Thema des
Artikels übergeleitet werden. Am sinnvollsten wäre es, Sie können Informationen über
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 104
2) Textanfang
Selbstverständlich – Sie kennen das – kämpft man auch beim Schreiben eines Textes
mit der Eröffnung, es ist nicht nur unter Schriftstellern eine Binsenweisheit, dass der
erste Satz der schwierigste ist, oder poetischer: nicht nur die Dichter packt die
Furcht vor dem weißen Blatt (oder dem weißen Bildschirm). Für ihren schriftlichen
Text hat die Autorin einen ganz guten Anfang gewählt.Wir sollten anders vorgehen.
Für uns dürfte sich der beste Anfang aus der Einbindung in den Kontext ergeben.
Einige Vorschläge: „Haben Sie als Frau schon einmal daran gedacht, in Deutschland
Informatik oder Physik zu studieren?“ – „Wenn Sie Informatik oder Physik studieren
wollen – was meinen Sie: Wie viele Studentinnen gibt es unter 100 Studenten?“ –
„Naturwissenschaften sind auch hier ja nicht gerade die Standardfächer für Frauen.
Aber meinen Sie, dass es in Deutschland anders ist?“
3) Länge
Der Text ist meines Erachtens zu lang. So spannend ist er ja auch nicht, dass man
erwarten kann, mit ihm unbegrenztes Interesse zu wecken. Man kann ja nicht davon
ausgehen, dass die Schüler tatsächlich einen persönlichen Bezug zum Thema
herstellen können. Und so intelligent und beziehungsreich wie das Zeitwort über
Bertrand Russell wird uns der Text wohl doch nicht gelingen. (Wenn Sie dennoch den
Ehrgeiz haben, will ich Sie freilich dazu ermuntern, doch unterschätzen Sie die
Aufgabe nicht. Denken Sie an die dynamische Gleichung, mit deren Hilfe wir uns in
Kapitel 4 den Zusammenhang zwischen Inhalt und Vortragsweise einerseits und
Interesse und Aufmerksamkeit andererseits klar gemacht haben.)
Kürzen kann man auf verschiedene Weise: Zusammenfassen und Abschneiden. Aus
einem 90-minütigen Fußballspiel, dessen Übertragung auf fünf Minuten gekürzt
werden muss, werden wohl nur in Ausnahmefällen fünf zusammenhängende Minuten
herausgeschnitten; normalerweise fasst man diejenigen Szenen zusammen, die am
interessantesten sind. Wie gehen wir vor? Ich schätze, das ist zu 50%
Geschmackssache und zu 50% Einschätzung des Publikums, das heißt:Was halten Sie
für wichtig und interessant? Und was halten Ihrer Meinung nach Ihre Schüler für
wichtig und interessant? Die erste Frage ist von Bedeutung, weil es viel leichter ist,
das interessant und anregend zu formulieren, was uns selbst interessiert; die zweite
ist wichtig, weil wir – gerade bei Hörtexten – das Interesse der Hörers nicht aus den
Augen verlieren dürfen.
4) Lexik
Welche Wörter sind Ihren Schülern vermutlich unbekannt? Wie kann man sie
ersetzen oder umschreiben? Nehmen wir einen recht kurzen Satz, hier aus dem
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 105
5) Grammatik
Der Text enthält an vielen Stellen indirekte Rede und damit Konjunktive. Muss das
sein? Nein. Mündliche Rede verwendet den Konjunktiv viel seltener als die
Schriftsprache. Lassen Sie sich also nicht zu sehr beeindrucken! Allerdings (und das
ist sehr ernst zu nehmen): Zwar darf das meiste, was grammatikalisch schwer ist,
mündlich – umgangssprachlich – vereinfacht werden, aber man muss schon wissen
wie. Bevor Sie ein grammatikalisches Phänomen umgehen, von dem Sie meinen oder
wissen, dass Ihre Schüler sie nicht verstehen, fragen Sie sich, ob die Aussage nicht
trotzdem verständlich ist. Ansonsten formen Sie um; auch hier gilt: keine
Hemmungen!
6) Syntax
Natürlich müssen wir nicht die prozentualen Verhältnisse zwischen ein-, zwei-, drei-
und mehrstufigen Sätzen einhalten, die wir in den Nachrichten festgestellt haben.
Ohnehin sind mehr als dreistufige Sätze in nicht-wissenschaftlichen Texten vom
Aussterben bedroht. Auch in unserem Text fehlen sie. Muss man also gar nicht
eingreifen? Nehmen wir als Beispiel folgenden Satz:
Dieser Satz ist als Satz nicht schwierig, dennoch ist er nicht leicht vorzutragen.Wäre
es nicht sinnvoll, zwei Sätze daraus zu machen und gleichzeitig zu ergänzen:
Seien Sie sich darüber im Klaren, dass eine Vereinfachung des Satzbaus häufig mit
einer Erweiterung verbunden ist. Bedenken Sie das bei der Textkürzung.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 106
7) Vortragsweise
Sprechen Sie frei! Wenn das nicht geht – zum Beispiel aus Nervosität – und Sie sich
lieber an eine Vorlage halten, gestalten Sie diese so, dass Sie sich darauf verlassen
können. Markieren Sie Betonungen, Verzögerungen, Beschleunigungen, tragen Sie
Pausen ein. Passen Sie am besten auch das Schriftbild an, es schreibt Ihnen ja niemand
vor, die Zeilen ganz zu füllen und den Text einzeilig zu setzen. Lesen Sie einmal den
gerade umgewandelten Satz laut vor, wie er oben steht.
Minderwertigkeitsgefühle
hemmten lange ihr Interesse an einem Informatikstudium.
Außerdem scheute sie sich vor dem ersten Schritt
in die männerbeherrschte Technikwelt.
Doch dann durchschaute sie
„den großen Bluff“
Für alles Weitere, was die Vortragsweise angeht, verweise ich auf den Band über den
mündlichen Ausdruck.
5.8 Zusammenfassung
a) Auf was sollten sich Gedächtnisübungen im Hörverstehensunterricht
sinnvollerweise konzentrieren?
AUFGABE 11
b) Welche Bedeutung kann das gemeinsame Singen von Liedern für das
Hörverstehen haben?
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 107
c) Skizzieren Sie einige Übungen, mit deren Hilfe Sie die Aufmerksamkeit Ihrer
Schüler trainieren wollen.
f) Warum lohnt es sich, einen geschriebenen Text vor der Präsentation als Hörtext
umzuarbeiten?
(Lösungsteil)
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 108
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe 3:
Welche Variante richtig ist, können Sie anhand des Hörtextes oder der Transkription
im Anhang zu Kapitel 3 nachprüfen.
Aufgabe 8:
Das Verständnis des Textes wird zunächst durch einige außerhalb des Textes liegende
Faktoren vorgeprägt: durch den Kontext, den Titel des Textes und/oder die
Ankündigung, die insgesamt den Erwartungshorizont ergeben.Titel und Ankündigung
geben zudem einige Verständnisinseln vor, von denen aus auch unverständliche Stellen
im Text erschlossen werden können. Zusätzliche Verständnishilfe bietet das
Gedächtnis, das das Gehörte und Verstandene immer wieder vom bisher Gehörten
und Verstandenen sowie von Titel und Ankündigung her überprüfen und als richtig
oder falsch bewerten kann. Andererseits kann sich der Hörer – von den oben
genannten Faktoren, vor allem von der Ankündigung her – in spezifischer Weise auf
den Text konzentrieren. Für den Hörverstehensunterricht kann daraus gefolgert
werden, dass es sinnvoll ist, einen Text gut einzuführen, um möglichst viel
Verständnismöglichkeiten bei den Schülern freizusetzen.
Aufgabe 9:
Mein Vorschlag für die Einleitung: „Sind wir wirklich allein in der Welt? Oder gibt es
doch anderes Leben, irgendwo auf fernen Planeten? Beobachten diese fremden
Wesen uns vielleicht sogar? Wie beurteilen sie uns? Würden sie uns verstehen? Oder
würde ihnen manches nicht ganz schön verrückt vorkommen?“
Mein Vorschlag für die Fragen: 1) Welche Perspektive nimmt der Außerirdische ein?
Wie sieht er menschliche Gewohnheiten? 2) Essen und danach: Worin besteht der
Witz in der Art und Weise der Beschreibung? 3) „Geräuschmaschinen“, „Lärm“ und
„kunstvolle Dachgitter“ – wie schätzt der Außerirdische die irdische
Unterhaltungsindustrie ein? 4) Wozu dient Benzin laut dieses „Rapports“? 5) Wie
sieht der „Außerirdische“ uns Menschen? Für was hält er uns?
Aufgabe 12:
Die Fragen sollten nicht zu sehr ins Detail gehen; sich Details merken zu können, hat
nichts damit zu tun, ob man eine Fremdsprache beherrscht oder nicht. Die Fragen
müssen natürlich exakt formuliert und unmissverständlich sein. Nebensächliche
Aussagen kann man – in einem Gespräch – in Nachfragen erschließen; im
Vordergrund sollten die Hauptaussagen des Textes stehen.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 109
Anhang 109
Aufgabe 13:
Welche Bedeutung kann das gemeinsame Singen von Liedern für das Hörverstehen haben? –
Wenn man schon nicht – wie in Aufnahme 2 – mit verteilten Stimmen singt, so kann
man sich die Tatsache zu Nutze machen, dass im Chor einer für den anderen singt.
Die Artikulation des fremdsprachigen Textes fällt umso leichter, je mehr sie durch die
Stimmen anderer Mitsänger getragen wird.
Skizzieren Sie einige Übungen, mit deren Hilfe Sie die Aufmerksamkeit Ihrer Schüler
trainieren wollen. – Das ist allein Ihre Aufgabe!
Warum empfiehlt sich – gerade bei schwierigeren Texten – eine kurze Einleitung? Worauf
würden Sie darin hinweisen? – Die Einleitung verstärkt die Erwartungshaltung auf einen
Text und strukturiert ihn inhaltlich vor. Es ist gut zu wissen, um was es gehen wird,
man kann sich darauf einstellen und besser verstehen. Daher ist es sinnvoll, auf die
wirklich markanten Aussagen des Textes vorzubereiten, sei es, dass man sie
verallgemeinernd vorwegnimmt, sei es, dass man mit Hilfe von Fragen oder
Andeutungen auf sie hinführt.
Worauf sollte man bei der Formulierung von Verständnisfragen besonders achten? –
Zunächst selbstverständlich, dass die Antworten wirklich zu erkennen geben können,
ob der Text verstanden wurde. Darüber hinaus müssen sie unmissverständlich sein,
damit der – möglicherweise unsichere, nervöse – Schüler nicht noch mehr
verunsichert wird.
Warum lohnt es sich, einen geschriebenen Text vor der Präsentation als Hörtext
umzuarbeiten? – Es ist notwendig, sich der Schwierigkeiten, die man beim Lesen
möglicherweise überliest, bewusst zu werden und von daher die schrift-schrachlichen
Eigenheiten des Textes zu vermeiden. Der Text muss auf den Hörer hin geöffnet
werden, salopp gesagt: man muss versuchen, den Hörer „bei der Stange zu halten“.
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 110
Quellen
Text 1: http://www.uni-tuebingen.de/uni/qvo/at/attempto6/text6/att6-28.html am
25. Mai 1999.
Aufnahme 5.2: „Erika Klose“, aus: Die Sendung mit der Maus – Lieder 4; den Text
finden Sie oben im Text.
Aufnahme 5.3: Wilhelm Busch: Max und Moritz, nach: Das goldene Wilhelm
Busch-Album, Hannover 131975, S. 19.
Anhang 111
Kroklokwafzi? Semememi!
Seiokrontro – prafriplo:
Bifzi, bafzi; hulalemi:
quasti basti bo ...
Lalu lalu lalu lalu la!
Hontraruru miromente
zasku zes rü rü?
Entepente, leiolente
klekwapufzi lü?
Lalu lalu lalu lalu la!
Kamisuli
Trampoleder
Jeder Kuli
hat eine Feder.
Mascheline
Wondilarbe
aus der Mine
kommt die Farbe.
Drubisatt
Bagileiten
nur ein Blatt
doch zwei Seiten.
Manoleiß
Hunzipecken
blütenweiß
mit vier Ecken.
Aufnahme 5.6: Käpt'n Blaubär: Das wandelnde Lexikon, aus: Käpt'n Blaubärs
Seemannsgarn 3: Schwertfischkampf, Ravensburg 1991.
Zur Information: Käpt'n Blaubär ist der Großvater der drei Bärchen; er malträtiert
sie – einmal in der Woche in der „Sendung mit der Maus“ – mit seinen
Lügengeschichten. Hein Blöd (eine Ratte) ist der ehemalige Matrose des Käpt'ns und
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 112
Bärchen: Okay, Hein. Hier ist deine Frage:Wie hoch ist der Kilimandscharo?
Hein Blöd: Äh. 400 g Zucker, 2 Eigelb und 200 g Weizenmehl. Gut durchkneten,
über Nacht stehen lassen.
Käpt'n Blaubär: Scho- schon gut, Hein, lass man sein. Wir haben verstanden. Lasst
euch nichts anmerken, Kinders. Das ist 'n Schaden, den hat er sich
damals geholt, mhm, aber das ist 'ne lange Geschichte.
Käpt'n Blaubär: Schon gut, schon gut, ja, ja, wer ist dran?
Bärchen: Wie heißt der Begründer der Iranistik? Und wann ist er gestorben?
Bärchen: Äh – nein.
Bärchen: Das ist ja unheimlich. Du bist immer noch dran. Das ist die
Masterfrage.
Anhang 113
Bärchen: Das ist jetzt schon das dritte Spiel, das du gewonnen hast.
Käpt'n Blaubär: Tja, ich bin nun mal 'n wandelndes Lexikon, da machste nix dran.
Käpt'n Blaubär: Nicht ganz. Aber so ähnlich war das damals schon. Ich war also
zusammen mit Hein Blöd auf dem Weg zu den bibliothekarischen
Inseln. Da leben ja bekanntlich die Leseratten. Für die hatten wir
dicke Stapel Bücher an Bord geladen. Und wie wir da so lang
schippern, fahren wir doch glatt Piraten in die Arme. Das waren die
Videopiraten vom analphabetischen Ozean. Die Videopiraten sind
ganz heiß darauf,Videokassetten zu erbeuten, damit die den ganzen
Tag Video gucken können. Das ist für die das Größte. Weiß der
Teufel, warum. Na ja. Und wie die sehen, dass wir nix anderes an
Bord hatten als Bücher, da wurden die stinksauer.Vom Bücherlesen
halten die Videopiraten nun mal gar nix. Aus Wut darüber haben die
mein Schiff versenkt und mich zusammen mit Hein Blöd in 'ner
Schaluppe ausgesetzt ohne Nahrung und Trinkwasser. Bloß die
blöden Bücher hatten sie uns mitgegeben. Da trieben wir also
steuerlos im analphabetischen Ozean: Hein Blöd, ich, ein Lexikon
mit 25 Bänden und 46 Kochbücher. Nach wenigen Tagen fingen wir
an, uns aus den Büchern vorzulesen, um uns vom Hunger
abzulenken. Aber insbesondere die Rezepte aus den Kochbüchern
machten uns fast wahnsinnig. In unserer letzten Verzweiflung
beschlossen wir, die Bücher zu essen. Innerhalb von 14 Tagen
verspeiste ich also das komplette Konversationslexikon. Gott sei
Dank sind wir dann von 'nem vorbeikommenden Dampfer gerettet
worden.Tja, und seitdem bin ich eben 'n wandelndes Lexikon. Haha,
was soll ich da machen?
Käpt'n Blaubär: Der Hein? Haha. Der hat die Kochbücher gegessen.Weil er dachte,
hahaha, die hätten mehr Vitamine. Und seitdem ist er ein
wandelndes Kochbuch. Auf jede Frage gibt er 'n Rezept von sich.
Soll ich's euch beweisen? Hein? Sag mal:Wie hoch ist der Eiffelturm?
Aufnahme 5.8: (Bei der Transkription des folgenden Textes hatte ich mich
[ebenso wie bei „Geli“] zwischen einer lautgetreuen Wiedergabe und einer
schriftsprachlichen Version zu entscheiden. Ich habe die schriftsprachliche Version
gewählt, musste aber trotzdem einige Kompromisse eingehen; am Ende des Textes
finden Sie alle ausgesprochenen oder angelauteten Länder- und Städtenamen, die ich
erkannt habe. Wo bayrische Lautung und hochdeutsche Schreibung zu sehr von
einander abweichen, behelfe ich mich mit einer Klammer. Habe ich gar nichts
Sinnvolles verstanden, setze ich ein Fragezeichen in Klammern.)
Sie, ich komm gerade aus Tralien. Ich weiß nicht, kennen Sie Birien? Da haben wir's
wieder. Ich mein, Sie waren doch bestimmt schon mal in Donesien. Sie, da hören Sie
den ganzen Tag die Fidschi winseln. Ich bin nicht immer auf Reisen, ich bin auch schon
einmal da geblieben (da blibn). In Asien, Sie, in Asien, da gibt es ein Gebiet, das
besteht aus zwei Teilen Wasser und einem Teil Land. Da hat mich mal einer gefragt,
ob ich mich mit ihm auf eine Bank hock. Sag ich: „Nein, wegen einem Erdbeben.“ Sagt
er: „Hast Angst?“ Sag ich: „Ja, panisch.“ Er hat die ganze Zeit auf mich eingequatscht,
und ich dachte mir: „Mei, was soll ich jetzt mit dem Laberer dort?“ Sein Name war
Ludwig und er wollte unbedingt bei mir landen. Sag ich: „Das ist jetzt schad.Weil ich
bin leider kein Homolulu. Und schau: du bist bestimmt ein ganz lieber Nese. Und eins
muss ich sagen: Ich mag dich schon, aber ich werde heute Abend noch mit der Lisa
bon (?).“ Die Lisa kommt aus einem Land, wo man Briefmarken nicht mit dem Mund
befeuchtet, nein, da tut man das Porto gießen. Aber bei uns ist es auch lustig. In
Hessen zum Beispiel sagt man zu Männerunterhose „Rüssels Heim“. Alles hat
angefangen in München, als ich meine Capppuccino-Maschine abstauben wollte. Hab
ich mir gedacht: Nimmst du jetzt einen kleinen Hadern oder einen Großlappen.
Wohnen tu ich momentan in der Beringstraße, und zwar bei Ruth. Ach kennen Sie's
(kenn's 'es)? Wobei ich auch ab und zu in Pnom penn. Das ist also jetzt eine reine
Männer-WG, also lauter Burm ha, ist aber selten wer zu Hause. Okay, ab und zu ist
der Flori da. Aber letztes Jahr zum Beispiel, da war gar keiner da. Aber das macht
nichts, weil heuer ist wer da. Manchmal treffen wir uns alle beim Zähneputzen, sag
512.™ÂÏȉÔÔ›ËÛË 17-01-00 21:02 ™ÂÏ›‰· 115
Anhang 115
ich neulich: „Geh, leih mir doch mal deinen Kamm, Bodscha.“ Er gibt ihn mir. Neulich,
Sie, bin ich erschrocken, geh ich in den Waschraum, liegt so eine Art Kamel im
Whirlpool drin, sag ich: „Was ist denn nachher [typisch süddeutsch] das. Dann sagt
das Vieh: „Islam (?) ein Bad.“ Ansonsten wird bei uns wenig gesprochen, schau, der
Braun schweigt, der Martin nickt, ganz zu schweigen von Karls Ruhe. Und unter dem
Dach, Sie, da liegt seit drei Jahren ein kranker Narier, der heißt Mülheim und leidet
an der Ruhr. Sie, ich kenne ein Lokal, da kann man unglaublich gut essen, zum Beispiel
Salat, meine Mama sagt, das ist gut für die Verdauung, wenn ich ab und zu mal ein
Moos kau. Aber neulich hab ich mir gedacht: „Nein, heute isst du einen Bullen.“ Eine
halbe Stunde nach meiner Bestellung kommt der Koch zu mir an den Tisch und
meint: er wollte gerade den Bull' garen, dreht sich um und plötzlich war der Ochs
fort. Sag ich: „Das war bestimmt die Sau, die arabische.“ Was gibt's denn sonst noch?“
Sagt er: „Ja, ein Joko (Joghurt) haben wir.“ Sag ich: „Nein, den habe ich das letzte Mal
gegessen, der war so scharf, dass ich gedacht habe, ich bell fast.“ Sag ich: „Nein. Dann
hätte ich lieber diesen südamerikanischen Gebirgszug.“ Sagt er: „Tut mir leid, Anden
sind aus.“ Ich habe mich dann zu einem kleinen Omelett entschlossen, und genau in
dem Moment fällt dem Küchenlehrling das letzte Ei oa (runter). – So, ich glaube, da
war jetzt für jeden was dabei, und ich meine, die paar Namen, die paar Namen, die
kann man sich merken. Und noch was in eigener Sache: wenn ihr demnächst vorhabt,
ins Gebirge zu fahren, dann dürft ihr Folgendes nicht vergessen: Festes Schuhwerk,
sonst kann man nämlich abrutschen. Das hat bis jetzt noch keiner bereut. Ich danke
für eure Aufmerksamkeit – Warschau!
Aufnahme 5.9: Berta geht nach Hause. - Erna sehnt sich nach Klaus. - Selbst Papa
pierct sich den Bauchnabel. - Ich habe die Kur verlassen, um früher nach Turin zu
kommen. - Der Schrei Bennos brachte mich ganz aus der Fassung. – Er schrie laut:
„Oh!“ – Ich will nicht beim Laufen sterben. – Jetzt wird's aber Zeit, ungeliebte Gäste
rauszuschmeißen. – Das ist fast ein bisschen viel. – Rasch erholte er sich von seiner
Krankheit.
Aufnahme 5.10: Es war einmal ein Müller, der war arm, aber er hatte eine
schöne Tochter. Nun traf es sich, daß er mit dem König zu sprechen kam, und um sich
ein Ansehen zu geben, sagte er zu ihm: „Ich habe eine Tochter, die kann Stroh zu Gold
spinnen.“ Der König sprach zum Müller: „Das ist eine Kunst, die mir wohl gefällt.
Wenn deine Tochter so geschickt ist, wie du sagst, so bring sie morgen in mein
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Schloß, da will ich sie auf die Probe stellen.“ Als nun das Mädchen zu ihm gebracht
ward, führte er es in eine Kammer, die ganz voll Stroh lag, gab ihr Rad und Haspel
und sprach: „Jetzt mache dich an die Arbeit, und wenn du diese Nacht durch bis
morgen früh dieses Stroh nicht zu Gold versponnen hast, so mußt du sterben.“
Darauf schloß er die Kammer selbst zu, und sie blieb allein darin.
Die Bewohner des Planeten selbst nennen sich Menschen, sind sehr unruhig und
unterteilen ihre Bewegungen in Arbeit und Sport. Das Vertrauen in ihre
Fortpflanzungstechnik scheint nicht sehr groß zu sein, deshalb praktizieren sie sie
ganzjährig, nicht selten unter Zuhilfenahme von Bild- und Filmmaterial, das ihre
Artgenossen bei der Paarung zeigt. Der Mensch ist ein Allesfresser. Oft zwingt er
sich, Dinge zu essen, nur weil sie selten sind. Die Nahrungsaufnahme findet in der
Regel kollektiv statt. Für die Ausscheidung seiner Mahlzeiten zieht der einzelne
Erdling sich in kleine Lesekabinette zurück, die bisweilen mit aufwendigen
Wandmalereien und Inschriften verziert sind. Tritt ein Mensch in die bewusst
verstreuten Exkremente der mit ihm durch eine Schnur verbundenen Vierbeiner, die
sich vor allem durch das Fehlen von Nachnamen von den etwas größeren Erdlingen
unterscheiden, so kann man stark ritualisierte Tänze und Beschwörungen
beobachten.
Haben ausgewachsene Erdbewohner eine Distanz von mehr als hundert Metern
zurückzulegen, so bedienen sie sich so genannter Automobile, die über eine auffällig
schlechte Treffsicherheit verfügen und oft weit über das anvisierte Ziel
hinausschießen, da sie in den seltensten Fällen über den erforderlichen Anker
beziehungsweise Parkplatz verfügen. Angetrieben werden diese Fahrzeuge durch
einen Saft, den die Menschen durch das Anstechen ihres Planeten gewinnen.
Überschüssige Mengen dieser glitzernden Flüssigkeit nutzen sie gern als bunte
Wanderteppiche, die sie auf ihren Gewässern auslegen.
Ihre Anführer heißen Politiker. Sie sprechen nur mit Mikrophon und können ihre
Automobile weder selbst lenken noch öffnen. Besuchen sich zwei Politiker, so hat sich
der Ankömmling an einer Reihe von grimmigen Helmträgern vorbeizuschummeln,
denen er selten den Rücken zukehrt. Nach Bestehen dieser Mutprobe gratuliert ihm
der Gastgeber und belohnt den Besuch mit dessen Lieblingsmusik.
Nichts fürchtet der Mensch mehr als die Ruhe.Verlässt ihn die Kraft, selbst Lärm zu
schlagen, macht er von zahlreichen Geräuschmaschinen Gebrauch, die ihn schon
morgens aus dem Schlaf reißen. Spätestens nach Eintreten der Dämmerung kann man
sie in mehr oder weniger großen Rudeln vor bunten Schaukästen (!), bis diese ihnen
die Erlaubnis zum nächtlichen Rückzug erteilen. Ist der Erdling getrennt von
Frischgeräuschen, mit denen jeder Bau durch kunstvolle Dachgitter zentral beliefert
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wird, so nutzt er Lautkonserven, die ihm den Aufenthalt im Freien bis zu mehreren
Stunden erlauben. Besonders abgelegene Landstriche und Inseln, deren Versorgung
mit Lärm unterentwickelt ist, werden in Abständen mit recht nachhaltigen Tests
durchgerüttelt, die über- und unterirdisch veranstaltet werden können.
Es ist bekannt, dass die Berufsaussichten für Jugendliche nicht besonders rosig sind.
Wir wollen hören, wie Leute, die diese Situation direkt betrifft, darüber denken.
Zuerst frage ich Christine.
Christine, Sie sind jetzt mit dem Studium fertig. Was ist Ihr Traumberuf? Und was
haben Sie alles gemacht, um diesen Traum zu verwirklichen?
In der Schule habe ich an einer Schülerzeitung mitgearbeitet. Das hat mir viel Spaß
gemacht. Deshalb wollte ich Journalistin werden. Nach der Schule habe ich deshalb
einen Job bei einer Tageszeitung angenommen. Ich wollte sehen, ob der Beruf, von
dem ich träumte, mir auch liegt.
Ich durfte nur Material sammeln und ich wurde dauernd rumgeschickt, von der
Kulturredaktion in die Sportredaktion, von der Sportredaktion in die
Anzeigenabteilung und so weiter. Das einzige, was ich in dem halben Jahr selbst
geschrieben habe, war eine Filmkritik über einen blöden Krimi. Aber der Artikel
wurde dann nicht mal veröffentlicht. Man sagte mir: Nur mit einem Diplom kannst du
Journalistin werden. Danach habe ich dann fünf Jahre lang Soziologie studiert.
Leider nicht. Ich habe nun zwar mein Diplom in Soziologie, aber ich bin bis jetzt noch
nicht bei einer Zeitung oder im Rundfunk oder Fernsehen untergekommen.
Inzwischen gibt es weit mehr Journalisten als entsprechende Stellen.
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Als Soziologin kann ich vielleicht in einer Schule unterrichten oder bei einer Firma
arbeiten. Aber ich wollte nie Lehrerin werden. Außerdem gibt es heute nur wenige
freie Stellen in der Schule. Und welche Firmen stellen schon Diplomsoziologen ein?
Ich werde mich weiterhin bewerben. Aber wenn ich sehe, dass ich keine passende
Stelle finde, dann mach ich eine Ausbildung als Stewardess.
Man hat mir auf dem Arbeitsamt gesagt, dass der Tourismus und der Flugverkehr
immer mehr zunehmen. Ich glaube, dass ich als Stewardess eher Arbeit finden kann.
Und da ich auch gerne etwas von der Welt sehen möchte, wäre das für mich eine
Alternative.
Aufnahme 5.14: Forum regional – SWR 2 (12.5.99, 17:05 Uhr): Die 32. Mainzer
Tage der Fernsehkritik
Heute von den 32. Mainzer Tagen der Fernsehkritik der Kampf um die Spiele oder das
Recht im Fernsehen Sport zu senden. Rupert Murdoch hat der deutschen Medienwelt
einen Schock versetzt, er hat sich für die Rekordsumme von über 200 Millionen Mark
die deutschen Rechte an der Ausstrahlung der Fußball-Champions League gesichert,
im Frauensender, in TM3 soll jetzt der Deutschen höchstes Sportgut gezeigt werden.
Mit dem Fußball macht man Quote, vielleicht macht man damit auch Gewinn, aber
immer höher werden die Summen, die gefordert und die auch gezahlt werden, und
auch die öffentlich-rechtlichen Sender zahlen mittlerweile auch immer mehr für die
Zweitverwertung, für Olympia, für Tennis, für Formel 1. Gäste im Studio sind: Marcel
Reif, der als Reporter und vorübergehender Redaktionsleiter bei RTL die Champions
League betreute; der Medienwissenschaftler Professor Josef Hackford, ausgewiesener
Sportpublizistik-Experte, und Michael Amsing, der für ARD und ZDF die Geschäfte
der gemeinsamen Sportrechtagentur Sportart führt.
RTL, Marcel Reif, hat, wie man hört, 160 Millionen geboten. Man weiß ja nie so genau,
ähm, wie stimmig diese Summen sind. Murdoch hat 200 Millionen gezahlt, mehr oder
weniger, ähm, was hat Ihre Firma da getan, RTL hat sich offensichtlich heftig
verspekuliert beim Handel um die Champions League-Rechte.
Das weiß ich nich, ich, nich, mag ja sein, dass man an einer Stelle gesagt hat, mehr
zahlen wir nich, jetzt können Sie drüber spekulieren und ich auch nur drüber
spekulieren, weil ich wirklich nicht dabei war und ich war auch nicht eingebunden in
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die, in die Verhandlung, das heißt, Sie können jetzt sagen, okay, die haben gezockt und
wollten noch höher gehen, hätten noch höher gehen können, oder die haben gesagt:
Nein, an der Stelle, mehr können, wollen wir nich, weil die Verluste, die man mit der
Geschichte einfährt, sonst gar nich mehr darstellbar sind.
Mhm.
Das ist das, was ich definitiv weiß. Alles andere is, wie gesagt, da können wir herzhaft
drüber spekulieren, aber ich hab gelernt, weil ich ziemlich lang im Sport dabei bin,
auch mit Anstand zu verlieren.
Ich frag gleich mal den Rechtehändler: Ähm, hat man denn in Ihren Kreisen nicht
zumindest geahnt, dass der Murdoch mitpotert, mitpokert?
So konkret und an dieser Stelle nich, würd ich mal denken, haben's die wenigstens
erwartet, obwohl es an sich, äh, nachvollziehbar war, wenn man alles zusammen
nimmt, was vorher war, es konnte und kann niemand ausgehen, dass äh Deutschland
nach dem closed shop-Prinzip äh Rechte vergibt -
Er hat angekündigt, dass er hier in diesen Markt investieren will, ein paar Zeichen
zusammen gelesen, die offensichtlich keiner oder fast keiner gelesen hat, hätte man
nach all den Abfuhren, die (stotternd) man ihm in anderen Ländern ähm erteilt hat, in
der Tat glauben können, dass so etwas irgendwann passieren wird.
Natürlich nicht, äh, ich habe aber im Gegensatz zu vielen Ihrer Kollegen die
Aufregung in der vergangenen Woche nicht verstanden, weil wir seit 1984, seit der
Öffnung unseres Fernsehsystems, nach einem Marktmodell schon häufiger einen
solchen Wechsel erlebt haben. Ich erinnere an 1988, als RTL von der ARD sprich
ZDF die Bundesliga-Rechte erwarb, dann an 1992, als ISPR bzw. SAT 1 die Bundesliga-
Rechte übernahm. Die Argumentationen, die veröffentlicht worden sind, waren
erschreckend gleich lautend, und weil wir das schon zweimal erlebt haben und viele
Ähnlichkeiten jetzt wieder auftauchen, bin ich nicht so erstaunt gewesen, wiewohl
überrascht über den schnellen Zugriff und vor allen Dingen, dass der Coup ganz
offensichtlich, nicht jeden Preis zu bezahlen, hier nicht durchgeführt werden konnte.
Marcel Reif, wie überrascht waren Sie von der Geschichte, von dem Deal?
Ja, genau so wie viele andere auch, aber noch mal, da kann ich Hackford nur
bestätigen, ich mein, es hat keinen Zweck, dieses alte wohl bekannte Wehklagen
auszubrechen. Das Abendland ist in den letzten zehn, fünfzehn Jahren bei diesen
diversen äh Wechseln von von Rechten nicht untergegangen. Es spricht einiges dafür,
dass es jetzt wieder nicht untergehen wird. ...
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Der Autor
Persönliche Notizen
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