492 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 83 (2006), Heft 7
M. A. Dieng · Bestimmungsmethode der Konsistenzgrenzen mittels Wasseraufnahmeversuchen
4 Vergleichsversuche
Bild 2. Wasseraufnahme von nicht bentonitartigen Böden
In einem ersten Schritt wurden die Konsistenzgrenzen der
Fig. 2. Water absorption of soils distinct from bentonite
einzelnen Probenmaterialien gemäß DIN 18122 [1] be-
stimmt. Bei den Probenmaterialien für Wasseraufnahme-
versuche wurden vor allem Bentonite vor der Zermahlung
bei 60 °C im Ofen getrocknet. Die Ofentrocknung bei
105 °C kann die Kristallstruktur von quellfähigen Tonmi-
neralen beschädigen [5] und zur Veränderung des Wasser-
aufnahmevermögens führen [3].
Eigene Wasseraufnahmeversuche an Quarzsand ha-
ben gezeigt, daß der Pulverisierungsgrad nur im Kornbe-
reich > 125 mm auf das Wasseraufnahmevermögen ein-
wirkt (Bild 1).
Darin wurden in den Kornbereichen < 63 mm, > 63 mm
bis < 90 mm sowie > 90 mm bis < 125 mm vergleichbare
Werte um 40 % ermittelt. Dagegen zeigten Proben im
Kornbereich > 125 mm deutlich geringerer Wasseraufnah-
men. Dementsprechend wurden die Restproben eigener Bild 3. Wasseraufnahme von Na-Bentonit
Plastizitätsversuche und solche von anderen Erdbaulabo- Fig. 3. Water absorption of Na-bentonite
ratorien mit der Kugelmühle bzw. mit dem Mörser in der
Kornfraktion < 125 mm pulverisiert und durchgesiebt. Da-
mit wurden die Proben homogen und ohne bedeutsamen aufnahme bezeichnet [4]. Die innerkristalline Wasserauf-
Einfluß des Pulverisierungsgrades auf die Wasseraufnahme nahme vollzieht sich bei der Hydratation von Kationen in
untersucht. der Kristallstruktur quellfähiger Tonminerale. Dabei erfolgt
Die halblogarithmische Darstellung der Wasserauf- eine Volumenzunahme bzw. Quellung.
nahmen in den Bildern 2 und 3 zeigt typische Kurven der Die Dauer und die Intensität der innerkristallinen
untersuchten Probenmaterialien. Darin deutet der Kurven- Wasseraufnahme sind von der Art und Menge quellfähiger
anstieg die Dauer der Wasseraufnahme an. Tonminerale – vor allem Montmorillonit – in den Proben
Die rasche Wasseraufnahme wird als kapillare [4], abhängig. Der steile Kurvenanstieg hält in der Regel bis
[5], und die lang anhaltende als innerkristalline Wasser- maximal 100 Minuten nach Versuchsbeginn an. Die Aus-
nahme stellt Na-Bentonit mit Wasseraufnahmen bis weit
über 24 Stunden dar.
Die kapillare Wasseraufnahme ist nach wenigen Mi-
nuten abgeschlossen. Wasseraufnahmen jenseits von 5 Mi-
nuten bilden den innerkristallinen Anteil des Wasserauf-
nahmevermögens wA. Demnach ist die innerkristalline
Wasseraufnahme nach 100 Minuten (wAi) wie folgt defi-
niert:
net, die dann bei wA + 0,3wAi = 210 % in eine steile Gerade sie in der Bestimmungsmethode gemäß DIN 18122 [1] –
übergeht. bei identischer Fließgrenze – eine niedrigere Plastizitäts-
Die steilere Gerade entspricht der Regreßlinie hoch zahl auf als andere Bodenarten.
quellfähiger Probenkörper, bei denen die Hauptphase der Die steilste Gerade stellt die Regreßlinie von Boden-
Wasseraufnahme nach 100 Minuten nicht abgeschlossen arten mit wA + 0,3wAi > 210 % dar. Entsprechend Bild 5
ist. Na-Bentonit kann aufgrund seines sehr hohen Anteils kann die Plastizitätszahl IP folgendermaßen aus Wasser-
an extrem quellfähigem Na-Montmorillonit bis zu aufnahmeversuchen ermittelt werden:
100 Stunden Wasser aufnehmen (Bild 3). Da die Meß-
ergebnisse auf einer zweckmäßigen Versuchsdauer von Für
maximal 24 Stunden gemäß DIN 18132 [3] basieren, wird
in dieser Zeit bei Na-Bentonit lediglich ein Teil des Was- wA + 0,3wAi £ 210 % (2)
seraufnahmevermögens wA berücksichtigt. Außerdem ent-
spricht die innerkristalline Wasseraufnahme wAi nach wobei wA > 40 % (6)
100 Minuten nur einem Bruchteil der gesamten innerkri-
stallinen Wasseraufnahme. Dadurch fällt das Verhältnis Kaoline IP = 0,28(wA + 0,3wAi) – 5 (7)
wA + 0,3wAi zur Fließgrenze mit steigendem wA + 0,3wAi
niedriger aus und hat eine steilere Anordnung der Meß- andere Böden IP = 0,51(wA + 0,3wAi) – 13 (8)
punkte zur Folge.
Aus Wasseraufnahmeversuchen mit einer maximalen für
Dauer von 24 Stunden kann die Fließgrenze entsprechend
des Wertes wA + 0,3wAi folgendermaßen ermittelt werden: wA + 0,3wAi > 210 % (4)
4.2 Rechenbeispiele
Bild 6. Einfluß der organischen Substanz auf die neue Be- Beispiel 2 (Tabelle 1): Kaolin
stimmungsmethode (zweiteilig) Probenmenge: 0,5 g
Fig. 6. The effect of organic material on new testing method
wA = [(0,91 – 0,5)/0,5] · 100 = 82 %
wA100 = [(0,88 – 0,5)/0,5] · 100 = 76 %
wA5 = [(0,69 – 0,5)/0,5] · 100 = 38 %
Gemäß (1) wAi = 76 – 38 = 38 %
wA + 0,3wAi = 82 + 0,3 · 38 = 93,4 < 210 %
Gemäß (3) wL = 0,61 · 93,4 = 56,97 %
Gemäß (7) IP = 0,28 · 93,4 – 5 = 21,15 %
Wasseraufnahmeversuche
Wasseraufnahme inkl. Probenmenge (g)
damit auf Eigenschaften, die organisches Material kaum Dauer (min) Beispiel 1 Beispiel 2 Beispiel 3
besitzt. Um die Anwendbarkeit der Bestimmungsmethode
0 0 0 0
auf organisches Material zu prüfen, wurden Probenmate-
rialien mit unterschiedlichen Glühverlusten gemäß DIN 5 1,94 0,69 0,37
18128 [6] untersucht. Bild 6 zeigt die Fließgrenze bzw. die 100 1,99 0,88 0,72
Plastizitätszahl aus Wasseraufnahmeversuchen und nach
1440 2,03 0,91 1,5
DIN 18122 [1] in Abhängigkeit vom organischen Material.
5 Schlußbemerkungen Literatur
Konsistenzgrenzen können bei gleichzeitiger Betrachtung [1] DIN 18122-1, Zustandsgrenzen (Konsistenzgrenzen). Teil 1:
des Wasseraufnahmevermögens wA und der innerkristalli- Bestimmung der Fließ- und Ausrollgrenze 1997.
[2] Atterberg: Die Plastizität der Tone, Internationale Mitteilung
nen Wasseraufnahme wAi effizient und zuverlässig durch
für Bodenkunde (1911), H. 1, S. 10.
Wasseraufnahmeversuche ermittelt werden. Grundlage für
[3] DIN 18132, Bestimmung des Wasseraufnahmevermögens
die Berechnung der Fließgrenze und der Plastizitätszahl 1995.
ist wA + 0,3wAi. Die Ausrollgrenze wird aus der Differenz [4] Dieng, M. A.: Der Wasseraufnahmeversuch nach DIN 18132
zwischen der Fließgrenze und der Plastizitätszahl bestimmt. in einem neu entwickelten Gerät. Bautechnik 82 (2005), H. 1,
Die Ergebnisse basieren auf Probenmaterialien mit S. 28–32.
Kalkgehalten bis zu 40 % sowie Glühverlusten bis 12 %, [5] Böhler, U.: Der Wasseraufnahmeversuch nach ENSLIN/
also auf anorganischen bis leicht organischen Materialien. NEFF zur Qualitätskontrolle im Deponiebau. Müll und Abfall
Die Bestimmungsmethode der Konsistenzgrenzen mit- (1993), Heft 11, S. 813–820.
tels Wasseraufnahmeversuchen ist für Materialien mit Was- [6] DIN 18128, Bestimmung des Glühverlustes 1988.
seraufnahmevermögen wA > 40 % anwendbar. Bei wA £ [7] DIN 18129-G, Kalkgehaltsbestimmung 1996.
40 % liegt nichtplastisches Material vor.