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Universität Hamburg. Institut für Politikwissenschaft WS 2010/11.

Lektürekurs
Demokratietheorie gegen Demokratie? Parlamentarismuskritik im Vergleich
Lehrender: Harald Teßmer
Schmitt, Carl, 1933: Weiterentwicklung des totalen Staats in Deutschland In: Positionen und Begriffe
im Kampf mit Weimar-Genf-Versailles 1923-1939, Hamburg 1940, S. 185-190.
Lese-/Exzerpierdatum: 14. November 2010 von Harry Horstmann
Vorbemerkung:
Schmitt sieht das vorherrschende Dilemma seiner Zeit in der Schwächung des Staates durch
einen gesellschaftlichen Individualismus und Pluralismus.
In der liberalen Gedankenfreiheit und der daraus resultierenden Heterogenität der
(pluralistischen) Gesellschaft, meint Schmitt die Negation des liberalen Staates entdeckt zu
haben, der bereits in Hobbes’ Leviathan angelegt sei. Denn in einer wirklichen Demokratie geht
es für Schmitt nicht nur darum, Gleiches gleich zu behandeln, sondern auch Ungleiches
ungleich. Zur Demokratie gehöre also notwendig, „erstens Homogenität und zweitens –
nötigenfalls – die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen“1.
Exzerpt:
S. 186 Um diese beiden Aufgaben zu erfüllen, müsse der Staat ein totaler Staat sein. Er soll die
neuen Machtmittel (Massenmedien) monopolisieren und sie seiner Machtsteigerung zu
Diensten machen. In seinem Inneren lässt er „keinerlei staatsfeindliche,
staatshemmende oder staatszerspaltende Kräfte aufkommen“, die Heterogenität der
individuellen Meinungen wie sie der Liberalismus propagiert, macht den Staat
dementsprechend nur unfähig, seine erste politische Funktion wahrzunehmen, nämlich
zwischen Freund und Feind in voller Konsequenz zu unterscheiden. Dazu müsste es
einer beliebigen pluralistischen Gruppe gelingen, z.B. nach Vorbild der Faschisten,
allein in den Besitz der Macht zu gelangen und die innenpolitische Verzerrung zu
beseitigen. Schmitt bezeichnet den seiner Ansicht nach idealen Staat als „totalen Staat
aus Stärke“.
S. 187 Durch die Herrschaft von pluralistischen Parteien und Interessenverbänden verlagere
sich die Gegnerschaft, die zum Wesen des Politischen zähle, in die Innenpolitik und
zerstöre die politische Einheit. Erst durch die Bestimmung des Feindes wird eine
Gruppierung zu einer politischen Einheit. Die politische Einheit ist für Schmitt die
höchste Einheit, „weil die entscheidet und innerhalb ihrer selbst alle anderen
gegensätzlichen Gruppierungen daran hindern kann, sich bis zur extremen Feindschaft
(d.h. bis zum Bürgerkrieg) zu dissoziieren.“2 Der pluralistische Parteienstaat sei „total
                                                                                                               
1
Schmitt, Carl: Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus. 4. Auflage, Berlin 1969, S. 14.
2
Schmitt Carl: Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar-Genf-Versailles 1923-39. Hamburg 1940, S. 141.
aus Schwäche und Widerstandslosigkeit, aus der Unfähigkeit heraus dem Ansturm der
Parteien und der organisierten Interessen standzuhalten“. Der totale Staat hingegen
interveniere in alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens, um die an ihn herangetragenen
Ansprüche befriedigen zu können. Dem Druck der Totalität können sich nach Ansicht
Schmitts auch die politischen Parteien nicht entziehen. Die Mitglieder einer solchen
Partei würden von dieser indoktriniert, indem sie ihnen „die richtige Weltanschauung,
die richtige Staatsform, das richtige Wirtschaftssystem“ zur Verfügung stelle und damit
das gesellschaftliche Leben politisiere.
S. 188 Deutlichster Ausdruck des Niedergangs demokratischer Ideen sei das
Verhältniswahlsystem, dem die Aufstellung fester Kandidatenlisten entspricht. „Der
Abgeordnete wird von der Partei ernannt, nicht vom Volke gewählt“.
S. 189 Der Staat wird so zum Spielball staatszersetzender Kräfte und damit in Schmidts
Terminologie zu einem „totalen Staat aus Schwäche“. Einem solchen Staat könne es
nicht gelingen, eine politische Einheit herzustellen. „Der Volkswille (...) kann niemals
zu einem Strom zusammenfließen.“
S. 190 Nach Schmidts Ansicht erweist sich das parlamentarische System im modernen totalen,
pluralistischen Staat als de facto labiles Gebilde. Die Akteure würden kein Interesse
daran haben aus der „Entpolitisierung“ herauszutreten.

Aus diesen Ausführungen wird klar, warum Carl Schmitt die Homogenität des Volkes als
unerlässlich ansieht. Die nationale Homogenität ist für ihn die Voraussetzung nationalstaatlicher
Demokratie.

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