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Zeitschrift für Theologie und Kirche
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III.
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Bohlin, Luther, Kierkegaard und die dial. Theologie. 269
den Jahre liest er Luther statt dessen um so eifriger; vor allem ver
tieft er sich in die rein praktischen Erbauungsschriften Luthers, be
sonders in die Kirchen- und Hauspostillen. Was ihn
nach seiner eigenen Aussage im Tagebuch packt, ist, daß er bei Luther
grade das Subjektivitäts- oder Jnnigkeitsprinzip betont findet,
worinEntweder-Oder gipfelt, („nur die Wahrheit, die erbaut,
ist Wahrheit für dich") und das von ihm mit besonderem Nachdruck
weitergebildet wurde. Hiermit stimmt eine Aeußerung in Nachschrift
überein, in der er feststellt, daß das, womit die religiöse Größe Luthers
steht und fällt, die „persönliche Aneignung" oder „die Innigkeit" als die
entscheidende Bestimmung des Christentums ist; Luther hat, so schreibt
er, der Subjektivität den rechten Platz in der Religion gegeben (Pap.
VIII, I V 465, S. V. VII, S. 317). Schon derartige Aeußerungen
zeigen, was eine Analyse des Verhältnisses Kierkegaards zu Luther
völlig bekräftigt, nämlich, daß bei Kierkegaard die religiöse
Erfahrungslinie — nicht der Paradoxstandpunkt — inne
ren Zusammenhang mit der reformatorischen
Anschauung Luthers hat. Kierkegaards Auffassung vom
Glauben und von der Sünde, soweit sie von seinem persönlichen
Gottesverhältnis bestimmt ist, und wie er sie vor allem inKrank
heit zum Tode, Christliche Reden, Reden vor
dem Altargang am Freitag (1849—51) und z.T. in
Einübung im Christentum darstellt, ist unverständlich,
wenn man den direkten Einfluß von Luther unberücksichtigt läßt.
Erteilt Luthers voluntaristisch-irrationelle Bestimmung der Menschen
seele: die Menschenseele ist Aktivität, ein von Natur aus egozen
trischer Jchwille („iuourvatus in se"), und dieser selbstische Jchwille
ist die Grundform der Sünde. Die Voraussetzung, von der sowohl
Luther wie Kierkegaard in ssiner Verkündigung der Erlösung aus
geht, ist, hiermit übereinstimmend, daß ein absoluter ethischer
Gegensatz zwischen Gott als dem Heiligen und dem Menschen als
Sünder besteht, und daß man sich die Erlösung nicht aneignen kann,
ohne daß der Mensch in seinem Gewissen seine Sünde als eine un
endliche Sünde und Schuld erkennt. Aber wenn das Gewissen durch
den Geist vor Gottes Gericht zittert und an sich selbst verzweifelt,
dann wirkt der Heilige Geist im Herzen — diese Gewißheit gehört
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270 Bohlin, Luther, Kierkegaard und die dial. Theologie.
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Bohlin, Luther, Kierkegaard und die dial. Theologie. 271
daß die Angst nicht völlig im Glauben getilgt worden ist, sondern
daß die Angst als ein in Hegelschem Sinne aufgehobenes Moment
in ihm aufgeht, indem der Gläubige immer das Bewußtsein von
dem unendlichen Abstand zwischen dem Heiligen und dem sündigen
Menschenwillen bewahrt, und die Angst ihn gleichzeitig mit Hilfe
des Glaubens erzieht, Ruhe in der Gewißheit von der Fürsorge und
Liebe Gottes zu finden (S. V. IV 427 f.). Während die dialektische
Theologie eigentlich nicht weiter als bis zur H o f fnun g auf Er
lösung kommt und sogar völlig bewußt „eine gewisse letzte Distanz"
gegenüber der persönlichen Erlösungsgewißheit bewahrt (Barth
a. a. O. 178), liegt für den reformatorischen Luther und für Kierke
gaard der Ton auf dem erlösenden „für mi ch" der Offenbarung.
Hiermit hängt auch zusammen, daß die Rechtfertigung bei Luther
nicht, wie es innerhalb der dialektischen Theologie der Fall ist,
exklusiv ideell-forensisch aufgefaßt wird, fondern daß sie auch eine
andere Seite aufweist. Denn, wenn Luther auch in verschiedenen
Zusammenhängen — nicht zum wenigsten gerade in der Vor
lesung über den Römerbrief — energisch gegen die
Vorstellung, daß der Mensch sich gerechtfertigt „fühlen" könnte,
polemisiert und stark betont, daß es sich um eine Gewißheit, die
gegen alles „Neinsagen" der Erfahrung angeht, handelt ^), so ist das
zugrundeliegende Motiv wohl letzten Endes das rein seelforgerifche
Interesse, vor aller falschen Selbstbetrachtung zu warnen und den
Blick des Menschen von sich selbst abzulenken und dem Objektiven
in der Offenbarung, dem „Jawort" Gottes in Christus, zuzuwenden
(z. B. Gl. 54, 14 ff.). Aber hiermit will er keineswegs bestreiten oder
in Zweifel stellen, daß die Rechtfertigung mit ihrer forensischen Seite
auch eine reelle Bedeutung hat. Zwischen justikieutio und
Innovativ ist nach dem Reformator ein unlöslicher, innerer Zu
sammenhang, wobei zu betonen ist, daß reuovatio wirklich eine
reale Wiedergeburt des Menschen bedeutet. Im Glauben führt der
Geist Gottes eine beständige Wiedererschaffung aus, durch die das
Herz tatsächlich gereinigt und der Mensch gerechtfertigt wird (wie
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272 Bohlin, Luther, Kierkegaard und die dial. Theologie.
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Bohl in, Luther, Kierkegaard und die dial. Theologie. 273
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274 Bohlin, Luther, Kierkegaard und die dial. Theologie.
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Bohlin, Luther, Kierkegaard und die dial. Theologie. 276
ist, es zu s ein. Diese Sachlage darf indessen nicht die Tatsache ver
drängen, daß Kierkegaard prinzipiell mit Luther übereinstimmend
das stärkste Motiv zu dem christlichen Handeln in der frohen Dank
barkeit über die empfangene Erlösung durch Christus findet; das
sittliche Streben entspringt spontan dem geistigen Kraftüberschuß,
den der lebendige Glaube schenkt; dies ist als der notwendige Aus
druck für das, was Kierkegaard so bezeichnend „Pathos der Dank
barkeit" für die Gabe der Erlösung nennt, zu verstehen (E. P.
1849, S. 487 f.; E. P. 1864—66, S. 66). Aber grade die Dankbar
keit ist, wie oben schon hervorgehoben wurde, der psychologische Aus
druck für das innere Erleben von Gottes neuschaffender, ständig
tätiger Wirksamkeit im Menschen. Es soll jedoch zusammenfassend
betont werden, daß man bei Kierkegaard einer gewissen Unsicher
heit und Unklarheit betreffs der Bestimmung des neuen Lebens des
Glaubens begegnet. Denn während er prinzipiell auf demselben
Standpunkt wie der reformatorische Luther steht, ist er doch nicht
imstande, die Grundauffassung durchzuführen und noch weniger mit
voller Konsequenz und Klarheit darzustellen; insofern nimmt er in
gewissem Sinne einen Zwischen st andpunkt zwischen
dem reformatorischen Luther und der dialek
tischen Theologie ein.
Ein gleicher Schlußsatz muß auch betreffs der Ethik Kierke
gaards gezogen werden, soweit sie nämlich von seiner persönlichen,
religiösen Erfahrung bestimmt wird. Da der unendliche Abstand
zwischen Gott und Mensch in diesem Zusammenhang nicht von
einem abstrakt metaphysischen Standpunkt, sondern rein religiös
bestimmt wird, kann die ethische Aufgabe hier allerdings nicht als
ein „Absterben" in der Bedeutung des Vernichtens des Endlichkeits
moments im Menschen aufgefaßt werden; auch in diesem Zusammen
hang kann Kierkegaard jedoch keine wirklich positive Ethik erreichen.
Auch wenn er in der Darstellung des ethischen Stadiums auf das
Soziale zielt und den „Beruf" als positive Aufgabe darstellt, reicht
er nicht an die Berufslehre im Sinne Luthers heran. Das Soziale
und das Individuelle können sich innerlich niemals finden; das
ethische Stadium zerfällt unfehlbar in zwei prinzipiell getrennte
Sphären. Das Individuum geht hier nicht in der konkreten Wirklich
Z. s. Theol. u. Kirche. N. F. 7. Heft 4. 19
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276 Bohlin, Luther, Kierkegaard und die dial. Theologie.
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Bohlin, Luther, Kierkegaard und die dial. Theologie. 277
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278 Bohlin, Luther, Kierkegaard und die dial. Theologie.
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Bohlin, Luther, Kierkegaard und die dial. Theologie. 279
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