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Altorientalische Forschungen 2014; 41(1): 112–124

Krisztián Simkó

Überlegungen zu den symbolischen Rollen


der Steine in Mesopotamien
Abstract: The aim of the present paper is to illustrate the various ways stones were perceived by the peoples
of Ancient Mesopotamia. It will be argued that Mesopotamian peoples, who were not yet influenced by the
achievements of modern natural sciences, regarded this material like any other part of the phenomenal world
from a perspective that can be labelled as symbolic thinking. In order to elucidate this way of thinking, the
first section will deal with its otherness vis-à-vis modern understanding, for which Eliade’s monograph is of
great help. In the second section two notions that are the results of symbolic thinking will be discussed. First,
it will be shown that stones were regarded in Mesopotamia as living entities, and second, using the example
of hematite, the belief that stones had particular immanent powers will be presented. The Sumerian epic
called Lugale stands in the centre of the discussion, while other informative passages regarding the symbolic
roles of stones are taken into consideration.

Keywords: Symbolism, Stones, Lugale, Weights

DOI 10.1515/aofo-2014-0011

To symbolic thinking the world is not only ‘alive’ but also ‘open’: an object is never simply itself
(as is the case with modern consciousness), it is also a sign of, or a repository for, something else.
Mircea Eliade1

I Veränderungen in den Beziehungen des Menschen


zu den Substanzen der Natur
Wie der jeweilige Mensch die verschiedenen Phänomene der ihm bekannten Welt auffasst, wird durch die
Besonderheiten seiner eigenen Kultur beeinflusst. Das Weltbild des heutigen Menschen formen vor allem die
Naturwissenschaften, deren Ergebnisse ausnahmslos auf empirischen Forschungen beruhen und die nach
der Systematisierung der Naturerscheinungen streben. Auch die unbelebten Substanzen der Natur, die den
Gegenstand dieses Beitrags bilden, brachten diese Wissenschaften in ein exaktes System, in dem der Platz
der einzelnen Mineralien, Metalle und Gesteine durch die Art ihrer Entstehung sowie durch ihre chemischen
Eigenschaften bestimmt wird. Allerdings wurden die Beziehungen des Menschen zu den Naturstoffen vor der
Ära der Naturwissenschaften nicht überwiegend durch Empirie beeinflusst, sondern in einem höheren Maße
durch verschiedene Assoziationen und symbolische Vorstellungen, die entsprechend der oben zitierten
Bemerkung von Eliade unter anderem den Mineralien, Metallen und Gesteinen eine Bedeutung jenseits der
wahrnehmbaren Realität zuschrieben.2

1 Eliade (1962: 143–144). Obwohl der Autor dieses Beitrags durch Eliades Monografie The Forge and the Crucible beeinflusst
worden ist, war er über die Kritiken nicht in Unkenntnis, die über die Thesen sowie über die wissenschaftliche Methode von Eliade
formuliert wurden. Für eine zusammenfassende Darstellung dieser Kritiken siehe Dudley (1977) und die kurze Übersicht in Voss
(1986).
2 Vgl. Joseph (2006: 221–222): ‘(…) we can decipher from Eliade’s writings a progressional view of religious experience that begins
with man’s perceptual knowledge of the empirical reality which is the manifest level of hierophany. However, the religious man does
not remain at the empirical level alone but goes further to see a depth level to it which according to Eliade is symbolic in its being.’

Krisztián Simkó: Eötvös Loránd University, Department of Assyriology and Hebrew Studies, Múzeum krt. 4/F, Budapest 1088,
Ungarn, E ˗ Mail: k.simko86@gmail.com

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Krisztián Simkó – Überlegungen zu den symbolischen Rollen der Steine in Mesopotamien 113

Die Art und Weise, wie sich der Mensch den Substanzen der Natur gegenüber vor der Ära der Naturwis-
senschaften verhielt, illustrierte Eliade hauptsächlich durch die Schriften von chinesischen, indischen und
europäischen Alchemisten; zwei Anmerkungen des Autors sind von besonders großer Bedeutung.3 Seine
erste Anmerkung bezieht sich auf die herausragende Rolle, die das Gold in den alchemistischen Vorstellun-
gen spielte: Es war das Metall par excellence, das Symbol der Vollkommenheit, dem die zur Unsterblichkeit
des Menschen notwendige Kraft innewohnte (Eliade 1962: 51–52). Wie wir sehen werden, spielte die imma-
nente Kraft des Materials, die ihm eine bestimmte Bedeutung zuschrieb, auch in den mesopotamischen
Vorstellungen eine sehr wichtige Rolle.
Die zweite Anmerkung von Eliade betrifft jene Überzeugung der Alchemisten, nach der man durch die
„Verbesserung“ des Materials (d.h. durch die Herstellung des Golds aus anderen Substanzen) auch sein
eigenes Wesen verbessern kann (Eliade 1962: 158–159; 1968: 77). Diese Idee scheint auf der Voraussetzung zu
beruhen, dass eine gegenseitige, sympathetische Beziehung zwischen der Natur und dem Menschen exis-
tierte. Auch die Phänomene bzw. Substanzen der Natur stellte man sich als lebendige Entitäten vor, die auf
ihre Umgebung bestimmten Einfluss ausüben konnten. In Bezug auf die antiken Menschen stellte Henri
Frankfort diese abweichende Auffassung der Natur folgendermaßen dar:

,(…) we have moved far from the world of immediate experience in our search for true causes, that is, causes which will
always produce the same effect under the same conditions. (…) Now the primitive mind cannot withdraw to that extent from
perceptual reality. Moreover, it would not be satisfied by our ideas. It looks, not for the “how”, but for the “who”, when it
looks for a cause. Since the phenomenal world is a “Thou” confronting early man, he does not expect to find an impersonal
law regulating a process.‘ (Frankfort et al. 1977: 15).

Diese Auffassung führte dazu, dass der Mensch auf die Substanzen, die zu seiner Umgebung gehörten,
Eigenschaften übertrug, die grundsätzlich für ihn selbst charakteristisch waren. Die Gewohnheit spiegelt sich
zum Beispiel in den den Lebenszyklus der Metalle betreffenden, alchemistischen Vorstellungen wider:
Zunächst werden alle Metalle in den Tiefen des Erdinneren geboren, danach entwickeln sie sich zu Gold
(Eliade 1962: 48). Die Überlegungen zu den Substanzen männlichen und weiblichen Geschlechts sind im
selben Kontext zu interpretieren.4
Die Beziehungen des vor-naturwissenschaftlichen Menschen zu den verschiedenen Substanzen wurden
in höchstem Maße durch seine Ideen über den wahren Charakter der Natur bestimmt. Um die Unterschiede
zu demonstrieren, haben wir einige alchemistische Vorstellungen erwähnt. Im Folgenden werden wir uns
damit beschäftigen, wie die Überlegungen zu der Geburt, der Entwicklung und dem Geschlecht sowie zur
immanenten Kraft der Substanzen in den Quellen des alten Mesopotamiens erwähnt werden.

II Die Steine in den Vorstellungen des mesopotamischen Menschen


In den keilschriftlichen Quellen sind die Namen einer großen Anzahl von Substanzen verschiedenster Art
überliefert, die aufgrund der Schreibung mit Determinativen in Gruppen eingeteilt werden können. Unsere
Untersuchung konzentriert sich auf die mit dem Determinativ n a 4 (abnu) bezeichnete Gruppe der Substan-
zen,5 zu der vor allem die Steine gehören.6 Die mesopotamische Steinkunde lässt sich anhand vieler Texte
unterschiedlicher Gattungen thematisieren, unter denen einer – namens Lugale („König“) – von besonders

3 Zu einer Behandlung der Thesen von Eliade, die er über die Alchemie formuliert hat, siehe Călian (2010).
4 Zu der „Sexualisierung“ der Welt siehe Eliade (1962: 34–43).
5 Festzuhalten ist, dass die symbolischen Bedeutungen nicht nur den Steinen, sondern auch anderen Substanzen der Natur
zukamen. In diesem Zusammenhang ist die Stelle des Gilgameš-Epos über die Erhaltung und den Verlust des „Krauts (gegen)
Mühe“ (šammu niqittu) zu erklären, das den Alten verjüngen konnte (šību iṣṣaḫir amēlu; Gilgameš-Epos XI 278–307, bearbeitet in
George 2003: 720–723). Vgl. dazu die in den sumerischen literarischen Texten belegte Substanz mit dem Namen „Kraut des
Lebens“ (ú n a m - t i l - l a ), das vermutlich im Akkadischen als „Kraut des Gebärens“ (šammu ša alādi) überliefert wurde; behandelt
in Selz (2013: 63).
6 Außer den Steinen gehörten auch andere Materialien, wie z.B. Muscheln, zur Kategorie der mit n a 4 bezeichneten Substanzen.
Zu den wahrscheinlichen Bedeutungen von na4 siehe Schuster-Brandis (2008: 8–9).

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großer Bedeutung ist.7 Der Lugale-Mythos ist eine komplexe literarische Komposition, die vermutlich aus
mehreren, die Gestalt des kriegerischen Gottes Ninurta behandelnden mythologischen Erzählungen zusam-
mengestellt wurde (vgl. Jacobsen 1987: 235; Black et al. 2004: 163). Solche Einzelerzählungen sind wohl:
Kampf gegen den Asag-Dämon und seine Steinarmee (17–333); Einrichtung des Berglands und Regulierung
der Flüsse für den Ackerbau (334–367); Umbenennung der Muttergöttin Ninmaḫ („große Herrin“) in Ninḫur-
saĝ („Herrin des Gebirges“) (368–410); Bestimmung des „Schicksals“ der Steinarmee (411–644).8
Für uns sind jene Stellen des Mythos von Bedeutung, die sich mit der Entstehung und Schicksalsbestim-
mung der aus verschiedenen Steinen bestehenden Armee des Asag beschäftigen. Da diese Stellen als
Ätiologien aufzufassen sind, die den Ursprung verschiedener Steinsorten und deren Anwendungsweisen
darstellen, stehen sie im Mittelpunkt der folgenden Untersuchungen; dabei werden aber auch weitere Texte
berücksichtigt, wenn sie auf die symbolischen Rollen der Steine schließen lassen. Zunächst geht es um die
menschlichen Eigenschaften der Steine (Geburt, Entwicklung und Gesellschaft sowie Geschlecht), wie sie im
Mythos beschrieben werden, danach wird die mesopotamische Idee über die immanente Kraft der Substan-
zen am Beispiel des Hämatits erläutert werden.

9
II.1 Die Anthropomorphisierung der Steine

II.1.a Die Geburt der Steine

Wie bereits erwähnt, waren die Alchemisten der Meinung, dass die Metalle in den Tiefen des Erdinneren
geboren wurden. Im Lugale-Mythos finden sich ähnliche Überlegungen zu den Steinen, für deren Geburt der
mesopotamische Mensch übernatürliche Kräfte verantwortlich hielt. Die Geburt der Steine ist am Anfang des
Mythos mit dem frühen Lebenslauf des Asag-Dämons verbunden. Die relevante Stelle lautet:

(26)
lugal-ĝu10 an-né ki sig7-ga ĝìš im-ma-dug4
(27)d
n i n - u r t a u r - s aĝ n í n u - z u á - s à g m u - u n - š i - i b - t u - d u
(28)
dumu éme nu-tuš-a nè ga gu7-a
(29)
lugal-ĝu10 bùlug a-a nu-zu gáb-gaz kur-ra-ka
(30)
[šu]l ir-ta è-a igi téš nu-ĝál-la
[ ni]n-urta nita ní íl-íl-i alan-da ḫúl-la
(31) d

(32)
[u]r-saĝ-ĝu10 gud-dam zag-ĝu10 ga-bí-ib-ús-e
(33)
[lu]gal-ĝu10 lú uru-ni-šè gur-˹ra˺ ama-ni-šè ak-a
(34)
˹kur˺-ra šà i-ni-bal numun-bi ba-tál-tál
(35)
téš-ba mu bí-ib-sa4-é[š?] na4ú lugal-bi-šè
(36)
múru-ba am gal-gin7 á ba-ni-ib-íl-íl-i
(37)n a 4
šu-u na4saĝ-kal na4esi na4ú-si-[u]m na4ka-gi-na
(38)
ur-saĝ na4ĝešnu gàr-ra-du-um-bi uruki im-ma-ab-laḫ5

(Die göttliche Waffe, Šarur, spricht zu Ninurta folgendermaßen:)


(26)
Oh mein König! Der Himmel begattete die grüne Erde.
(27)
Oh Ninurta! Sie brachte ihm den furchtlosen Held, Asag, zur Welt;
(28)
Das Kind, das von der Amme nicht gesetzt wurde, (aber) die Kraft der Milch saugte.
(29)
Oh mein König! Er war ein (seinen) Vater nicht kennendes Pflegekind, der Mörder der Gebirge;

7 Editionen des Mythos finden sich bei van Dijk (1983) und Seminara (2001).
8 Weitere Texteinheiten des Mythos sind: Lob an Ninurta (1–16); Rückkehr des Gottes in die Stadt Nippur (645–697); Zusammen-
fassung bzw. Lob an Nisaba (698–723); Lob an Ninurta (724–725).
9 Allerdings ist zu beachten, dass die sumerische Sprache, welche als grammatisches Geschlecht die Personen- und Sachklasse
differenziert, die Steine trotz derer Anthropomorphisierung auf den mythischen und symbolischen Ebenen der Vorstellungen
immer zu der Sachklasse zählt.

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Krisztián Simkó – Überlegungen zu den symbolischen Rollen der Steine in Mesopotamien 115

(30)
Ein Junge, der aus Dreck herauskam,10 (dessen) Blick ohne Lebenskraft war.
(31)
Oh Ninurta! (Er ist) ein Mann, der Schrecken trägt, der über (seine) Gestalt jauchzt.
(32)
Oh mein Held! Er ist ein Wildstier, ich will mich ihm entgegensetzen!11
(33)
Oh mein König, der in seine Stadt zurückkehrte, der seiner Mutter (Gutes) antat!12
(34)
Er (=Asag) erschuf Nachkommen in den Bergen, verbreitete seinen Samen.
(35)
Sie (= die Nachkommen) benannten ihn, den „Pflanzenstein“, einstimmig als ihren König;
(36)
(Und) er erhob (seine) Hörner unter ihnen wie ein großer Stier.
(37)
Der š u - u Stein, der s a ĝ - k a l Stein, der Diorit, der ú - s i - u m (?),13 der Hämatit,
(38)
(Und) der Held Alabaster, diese Helden plünderten für ihn (=Asag) die Städte.

An der zitierten Textstelle finden wir zuerst Hinweise auf die Geburt (Z. 26–27) sowie auf die einzelnen
Lebensphasen des Asag-Dämons: Säuglingsalter (Z. 28), Kindheit (Z. 29), Jugendalter (Z. 30) und Erwachsen-
sein (Z. 31) (vgl. Seminara 2001: 229–230). Darauf folgen zwei Anmerkungen, die sich auf den voraussichtli-
chen Kampf gegen den als Wildstier bezeichneten Dämon (Z. 32) sowie auf das gute Verhalten des Ninurta
seiner Mutter gegenüber beziehen (Z. 33). Erst danach beginnt, die Textstelle sich mit der nächsten Lebens-
phase des Asag zu beschäftigen, in der er die Steine erschafft (Z. 34). Aus der Darstellung des Mythos geht
hervor, dass man sich die Entstehung der Steine hier, ähnlich der des Menschen, als eine Art Befruchtung
vorstellte, wobei Asag die Rolle des Erzeugers spielte, während seine Samen (n u m u n ) durch die „weibli-
chen“ Gebirge empfangen wurden. In erweitertem Sinne handelt es sich hier also um einen Geschlechtsakt,
welcher zur Geburt der im Bergland in großer Menge und vielfältigen Formen vorkommenden Steine führte.

II.1.b Die Entwicklung und Gesellschaft der Steine

Die oben zitierte Stelle des Lugale-Mythos lässt darauf schließen, dass nicht nur die Geburt der Steine in
Analogie zu der des Menschen gebracht wurde, sondern auch ihre ersten Handlungen: Zunächst bestellten
sie den sogenannten „Pflanzenstein“ (n a 4 ú )14 zu ihrem König (Z. 35–36), und danach begannen sie, die
Städte auszuplündern (Z. 37–38). Festzuhalten ist, dass der „Pflanzenstein“ auch in einer der Hymnen des
Lipit-Eštar als Symbol der Macht gilt, in welcher der König sich – vermutlich auf die obige Textstelle des
Lugale-Mythos anspielend – folgendermaßen bezeichnet:

na4
ú n í ĝ - b ù r u - b ù r u - d è ù ĝ - t a è - a - m e - e n 15

Der „Pflanzenstein“, der alle Dinge durchbohrt, der unter den Menschen herausragend ist, bin ich.

10 Zu der Übersetzung von i r als „Schwitze“ siehe Geller (1985: 216–217) sowie Seminara (2001: 228–229), nach dem dieser Satz
mit dem Wort „Schwitze“ (i r = zu’tu) oder „Exkrement“ (i r = zu’u) jenen Samen bezeichnen soll, aus dem der Asag-Dämon
entstand. Eine andere Interpretationsmöglichkeit bietet G.J. Selz, dessen Meinung nach das Wort i r hier die Gewebe und
Flüssigkeiten der Nachgeburt bezeichnen soll (persönliche Mitteilung).
11 Wörtlich: „ich will (mich mit) meine(r) Seite an ihn (= den Wildstier) anlehnen“. Vermutlich weist diese Aussage auf den
Kampf hin, den Ninurta und Šarur gegen den Dämon führen werden müssen: Asag ist ein Wildstier, den man nicht von vorne,
sondern von der Seite packen muss. Zu ähnlichen Übersetzungen der Zeile siehe Jacobsen (1987: 238) und Rubio (1999: 197);
abweichende Interpretationen finden sich bei van Dijk (1983: 55) „Mon Héros, toi(!) qui es comme un taureau, je veux me mettre de
(ton) côté“; Black et al. (2004: 165) „My hero, you who are like a bull, I will take my stand beside you“; Seminara (2001: 54) „Mio
eroe, voglio congiungere il mio fianco (al tuo) come (se fossi) un bue!“
12 Vgl. PSD A/III S. 75: „my lord, who is full of mercy towards his city, who behaves (well) towards his mother.“
13 Statt eines Steinnamens soll es sich bei ú - s i - u m um die Glosse des vorangehenden Diorits (e s i ) handeln (vgl. van Dijk
1983: 40).
14 Beachte aber die abweichende Auffassung von Jacobsen (1988), nach der es sich in der entsprechenden Zeile des Lugale-
Mythos darum handelt, dass die Pflanzen den Asag-Dämon, der im Mythos nach Jacobsens Meinung als großer Baum dargestellt
ist, zu ihrem König bestellen. Diese Deutung des Autors geht weiterhin aus der Tatsache hervor, dass einige Manuskripte das
Determinativ n a 4 vor ú („Pflanze“) weglassen.
15 Lipiteštar A Z. 87; bearbeitet in Römer (1965: 29–39, 67–69). Zur Behandlung der fraglichen Zeile siehe Simkó (2013).

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Weiter taucht derselbe Stein in einer Königsinschrift des Aššur-aḫḫe-iddina (Asarhaddon) auf, welche die
Ausgabe der Rohstoffe an die Handwerker zur Herstellung der Statue von Aššur schildert.

KUG .SIG 17 e-per šad-di-šú šá mám+ma la ip-ti-qu-šú ana ši-pir ni-kil-ti NA 4 M E Š na-as-qu-ti /
1 7 SA 5
la ki-šit-ti šam-me16

(Ich gab den Handwerkern) rotes Gold, den Staub seines Gebirges, den noch niemand zu kunstvollem
Werk geformt hat; (und) Halbedelsteine, die noch nicht die Eroberungen des šamme (=„Pflanzen-
steins“)17 sind.

In der mythischen Vorstellungswelt scheint die Gesellschaft der Steine ähnlich derjenigen der menschlichen
Gesellschaft konzipiert gewesen zu sein: Ein Stein verfügte über die Macht eines Königs und konnte andere
Steine beherrschen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, warum diese große Bedeutung dem
„Pflanzenstein“ zukam?
Diese Frage lässt sich anhand jener Textstelle des Lugale-Mythos beantworten, die uns auch darüber
informiert, wie man sich die Entwicklung der Steine in Mesopotamien vorstellte.18 Die Handlung der fragli-
chen Stelle spielt nach dem Sieg des Ninurta über den Asag-Dämon, als die Muttergöttin Aruru die Aufmerk-
samkeit des Gottes darauf richtete, dass er das Schicksal der von dem Dämon erschaffenen Steinarmee noch
zu bestimmen habe (Lugale-Mythos Z. 411–415). Die Darstellung dieser Tätigkeit des Gottes, der den ver-
schiedenen Steinsorten ihre Aufgaben zuteilt, ist als eine Ätiologie aufzufassen, die den Ursprung der meso-
potamischen Steinbenutzung erklärt: Die Steine erhielten ihre charakteristischen Funktionen von Ninurta.
Dies lässt darauf schließen, dass die übernatürlichen Kräfte nicht nur in der Geburt, sondern auch in der
Entwicklung der Steine eine wichtige Rolle spielten. Für ihre Entwicklung war aber nunmehr Ninurta statt
ihres Erzeugers, Asag, verantwortlich, der den Steinen, die ja lebendig waren, aber noch keine „Persönlichkei-
ten“ hatten, ihre Eigenschaften zuteilt.19 Die Schicksalsbestimmungen beginnen mit dem „Pflanzenstein“,
dem König der Steine:

(423)
kalag-ga šul é-gar8 tuku dirig-ga-me-en alan-zu ḫé-em-ta-ba
(424)
p i r i ĝ g a l u s u - b i - t a n i r -ĝ á l - l a - à m ḫ é - m e - z i - i r - z i - r e - d è
(425)
usu-tuku a-gar5-re šu ḫé-gíd-dè
(426)
ĝuruš na4ú šeš-zu zíd-gin7 ḫé-me-dub-bu-ne
(427)
li-li-a-zu šu ḫa-ba-ab-zi-ge-en ad6-ba zú è-ni-ib
(428)
ĝuruš-me-en gù-dé-zu ḫé-ĝál ḫé-sì-dè ḫé-til-e
(429)
am gal lú šár-re gaz-za-gin7 níĝ-ba-bi ĝar-ra
(432)
en-me-en na4gug me-ri-gul-la-za mu-bi ḫé-sa4
(433)
ì-ne-éš nam tar-ra dnin-urta-ka
(434)
u4-da na4ú ub-tag na4gug bùru-da ur5 ḫé-en-na-nam-ma

(Ninurta spricht zum „Pflanzenstein“ folgendermaßen:)


(423)
Oh Mächtiger, junger Mann! Besitzer einer Gestalt, herausragend bist du. Möge deine Figur zerteilt
werden!

16 Aššur-Babilon A Vs. 30–31. Bearbeitungen der Stelle finden sich bei Borger (1956: 83) und Leichty (2011: 108).
17 Zu der Gleichung na4ú = šammu „Pflanzenstein“ siehe U r 5 - r a = ḫubullu XVI 399 (MSL X, S. 15).
18 Beachte hierzu, dass später auch Theophrastos über die Entwicklung der Steine geschrieben hat, dessen Anmerkungen aber
nicht an die des Lugale-Mythos erinnern, sondern eher an die oben behandelten alchemistischen Vorstellungen, nach denen sich
eine Substanz von einem Zustand zu einem anderen entwickeln konnte; DL §27: „It is said that a stone was once found in Cyprus
half of which was smaragdos and half iaspis, as if it had not yet been entirely changed from the watery state“; zitiert nach der
englischen Übersetzung in Caley / Richards (1956: 108).
19 Beachte aber Postgate (1997: 214): „It is not easy to decide if the poem envisages the acts of blessing (nam … tar) or cursing as
constitutive acts by which Ninurta first assigned the different properties to the different stones, or if they were conceived of as
already possessing their properties, so that Ninurta was only prescribing their function in the future world order.“

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Krisztián Simkó – Überlegungen zu den symbolischen Rollen der Steine in Mesopotamien 117

(424)
Der große Löwe, der seiner Kraft vertraut, möge dich zerbröckeln!
(425)
Oh Besitzer der Kraft! Möge das Blei dich empfangen!
(426)
Oh junger Mann, „Pflanzenstein“! Mögen deine Brüder dich dem Mehl ähnlich aufschütten!
(427)
Mögest du gegen deine Nachkommen die Hand erheben! Beiß20 in ihre Leichen!
(428)
Ein junger Mann bist du. Möge dein Geschrei vorhanden sein! Möge es glätten,21 (und dann) möge es
aufhören!
(429)
Zerlege (deine Nachkommen) in ihre Teile gleich dem Wildstier, der von einer Menge Leute getötet
wurde!
(432)
Ich bin der Herr: „Du hast den Karneol zerstört“ – Möge dieser Name dir gegeben werden!
(433)
Das ist nunmehr das Schicksal, das von Ninurta bestimmt wurde;
(434)
(Von) heute (an): Nachdem der „Pflanzenstein“ ihn berührt hat, ist der Karneol durchbohrt. Möge
das immer so sein!

Aus der Stelle22 geht deutlich hervor, dass, obwohl der „Pflanzenstein“ zunächst über eine herausragende
Figur verfügte (Z. 423), er schließlich in pulverisiertem Zustand Verwendung fand (Z. 424, 426). Dieser
wichtige Hinweis führte Heimpel zur Schlussfolgerung, dass der „Pflanzenstein“ mit dem Schmirgel zu
identifizieren sei (Heimpel et al. 1988: 199–200). Auf die Rolle, die dieses feinkörnige Material beim Schleifen
und Bohren der Steine spielte, deuten mehrere Zeilen des Mythos hin: Zum einen kommt sie in Verbindung
mit dem Karneol explizit zur Sprache, den der „Pflanzenstein“ zerstören und durchbohren konnte (Z. 432,
434); zum anderen spiegelt sich diese Rolle auch in den Zeilen, die sich mit den „Nachkommen“ des
„Pflanzensteins“ beschäftigen. Die vom „Pflanzenstein“ gebissenen und zerlegten „Nachkommen“ sollen
mit jenen Steinen gleichgesetzt werden, die mit der Hilfe des Schmirgels geschnitten wurden.23 In demselben
Kontext sind weiterhin die Hinweise auf das „Blei“ (Z. 425) und das „Geschrei“ (Z. 428) zu interpretieren.
Während das „Geschrei“ sicherlich mit dem lauten Geräusch identisch ist, das beim Reiben verschiedener
Oberflächen während der Steinbearbeitung entstand, so dürfte das „den Pflanzenstein empfangende Blei“
auf jene Bleiplatte hinweisen, in deren Oberfläche die Körner des Schmirgels gedrückt wurden und die somit
als Vorläufer des heutigen Schmirgelpapiers funktionierte (Heimpel et al. 1988: 200, 210).
Aufgrund der im Lugale-Mythos dargestellten Schicksalsbestimmung kann also angenommen werden,
dass der „Pflanzenstein“ wegen der Funktion, die er als Schmirgel auf andere Steine ausübte,24 mit der
königlichen Macht in Verbindung gebracht wurde: Er besaß jene Kraft, welche die als Rohstoff vorhandenen
Steine zu Gegenständen formen konnte. Da er für ihre Bearbeitung verantwortlich war, hing es von ihm ab,
wie sie ihre beabsichtigten Funktionen unter anderem als Rollsiegel oder Schmuckstücke erfüllen konnten.
Diese Bedeutung des „Pflanzensteins“ in der Steinschneidekunst scheint weiterhin dazu geführt zu haben,
dass er nicht nur im Mythos, sondern auch in anderen Texten, wie in der Hymne des Lipit-Eštar und der
Inschrift Aššur-aḫḫe-iddinas, als Symbol der Macht Erwähnung fand.

20 Wörtlich: „Lass den Zahn in ihren Leichen herausgehen“; zu der Übersetzung vgl. Seminara (2001: 152, 324) „Addenta i loro
cadaveri!“
21 Zu der Lesung als ḫ é - s ì - d é („möge es glätten“) statt der früheren GAN.SUM-g i m (van Dijk 1983: 106) siehe Heimpel et al.
(1988: 197, Anm. 5). Anders gelesen von Geller (1985: 218): ḫ é - s u m - g i n 7 , „(when your shout has indeed occured), or has been
given, (may it be ended)“. Für die letztere Auffassung argumentiert auch Seminara (2001: 325).
22 Die Deutung der Stelle folgt Heimpel et al. (1988: 195–198).
23 Z. 427: Diese Zeile scheint auf den Körper der zu bearbeitenden Steine mit dem Wort „Leiche“ (a d 6 ) und auf die Körner des
Schmirgels mit dem Wort „Zahn“ (z ú ) hinzuweisen. Z. 429: Auch diese Zeile hat vermutlich eine wörtliche und eine metaphorische
Bedeutungsschicht. Wörtlich scheint sie auf die Tätigkeit hinzuweisen, bei der die Jäger (d.h. „die Menge Leute“) das getötete Wild
(d.h. „den Wildstier“) nach der Jagd in Portionen aufteilen (vgl. Seminara 2001: 325). Zu dieser Bedeutung der Zusammensetzung
n í ĝ - b a ĝ a r siehe auch Heirat des Gottes Martu Z. 19–25 // 34–39, wo es um die Aufteilung der getöteten Gazellen unter den
Männern der Stadt Inab geht. Im metaphorischen Sinne sind die Jäger mit dem „Pflanzenstein“ und das Wild mit den „Nachkom-
men“ dieses Steins gleichzusetzen: Die Zerteilung des Wildes durch die Jäger und die der „Nachkommen“ durch den „Pflanzen-
stein“ passieren auf dieselbe Weise.
24 Zum Gebrauch des Schmirgels siehe Gwinnett / Gorelick (1987); Moorey (1994: 82, 108).

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II.1.c Das Geschlecht der Steine

Bisher haben wir uns mit jenen mythologischen Vorstellungen beschäftigt, die den Steinen menschliche
Eigenschaften zuschreiben (Geburt, Entwicklung und Gesellschaft der Steine). Demselben Zusammenhang
gehört auch die Überzeugung des mesopotamischen Menschen an, dass Steine männlichen und weiblichen
Geschlechts existieren.
Während die „Sexualisierung“ der Steine auch aus klassischen Quellen bekannt ist, die zeigen, dass die
männlichen Varietäten stets dunkler waren und stärker leuchteten als die weiblichen,25 lassen die entspre-
chenden keilschriftlichen Texte die Gesichtspunkte, anhand derer die mesopotamischen Menschen ihre
„männlichen“ und „weiblichen“ Steine klassifizierten, nicht mit Sicherheit erkennen (vgl. Reiner 1995: 34,
126–127). Auch der Lugale-Mythos enthält in Verbindung mit dem Geschlecht der Halbedelsteine eine Aus-
sage, die aber grammatisch schwer deutbar ist:

(531)
lugal-ĝu10 na4du8-ši-a ba-gub
(532)n a 4
n í r n a 4 g u g n a 4 z a - g ì n - n a g ù b a - a n - d é (Var. [ b a - d ] é - e )
(533)n a 4
amaš-pa-è na4ša-b[a na4]ḫu-rí-zum na4mar-ḫa-li na4gug-gazi
(534)n a 4
e-gi-zag-ga na4gi-rín-ḫi-li-ba na4an-zú-gul-me na4nír-muš-ĝír
(535)
e n - e k a (Var. z i ) k u š u m m u d - e
(536)d
nin-urta dumu den-líl-lá-ke4 nam àm-mi-ib-tar-re
(537)
a-na ba-du-un nita munus dím-ma ù za-e-gin7 ki-ĝu10-šè

(531)
Mein König (= Ninurta) trat an den d u 8 - š i - a -Stein;
(532)
Er schrie (Var. schreit) den Achat, den Karneol (und) den Lasurstein an;
(533)
Chalzedon, den Steinen š a - b a , ḫ u - r í - z u (und) m a r - ḫ a - l i (sowie) g a z i -Karneol,
(534)
Den Steinen e - g i - z a g - g a , g i - r í n - ḫ i - l i - b a (und) a n - z ú - g u l - m e (sowie) Sardonyx,
(535)
Der Herr bei dem Mund (Var. Atem?) des Wasserschlauchs,26
(536)
Ninurta, der Sohn des Enlil, bestimmt ihnen das Schicksal:
(537)
„Was gehst du weg? Männlich (und) weiblich (seid ihr) geschaffen und eine wie du (gehört) an
meinen Platz!“

Gleich am Anfang dieser Schicksalsbestimmung finden wir den wichtigen Hinweis auf das Geschlecht der
Halbedelsteine: Sowohl die männlichen als auch die weiblichen Varietäten von ihnen27 sind nach Mesopo-
tamien, dem Platz des Ninurta, transportiert worden. Wir erfahren aber nicht, wie sie klassifiziert wurden.
Kaum informativer in Bezug auf die charakteristischen Eigenschaften der männlichen und weiblichen
Varietäten sind die Amulettsteinlisten28 und die Abnu šikinšu Liste,29 weil die fraglichen Ausdrücke in

25 Hinweise auf die Steine männlichen und weiblichen Geschlechts finden sich in NH 37.25 (Rubin), 37.28 (sandastros), 37.31
(Karneol), 37.38 (Lasurstein), 37.39 (Saphir) und 37.57 (diphyes), sowie in DL §30–31 (Karneol, lyngourion, Lasurstein).
26 Zu k a / z i u m m u d - e siehe Geller (1985: 219), nach dem der fragliche Ausdruck als „at the opening/mouth of the leather
pouch“ zu übersetzen ist. Festzuhalten ist aber, dass die Übersetzung wegen der Abwesenheit des Genitivsuffixes /ak/ fraglich ist.
Allerdings spielten die nassen Lederbeutel eine wichtige Rolle während der letzten Phase der Perlenherstellung. Aus kulturan-
thropologischen Beispielen geht hervor, dass die Perlen von Halbedelsteinen, die ihren Glanz während der Bearbeitung verloren
haben, zusammen mit Quarzsand in nasse Lederbeutel gesetzt und für einige Tage darin aufbewahrt wurden; so bekamen sie ihren
Glanz zurück (siehe RlA V, S. 452). Diese Zeile des Mythos scheint auf diese Technik hinzuweisen: Die Halbedelsteine, die an der
Öffnung („Mund“ oder „Atem“, d.h. jener Teil des Beutels, wo die Luft herausgeht) des Wasserschlauchs ihr Schicksal erhalten,
entsprechen den in den nassen Lederbeuteln aufbewahrten Perlen.
27 Beachte aber die Übersetzungsmöglichkeit: „(…), der für Männer und Frauen erschaffen ist, (…)“ (persönliche Mitteilung von
G.J. Selz). Geht man von dieser Übersetzung aus, so hat die Zeile nichts mit dem Geschlecht der Steine zu tun, sondern deutet auf
die Besitzer der Halbedelsteinschmuckstücke hin.
28 Zu der Edition und ausführlichen Behandlung der Amulettsteinlisten siehe Schuster-Brandis (2008).
29 Zu der Bearbeitung dieser Liste, die sich mit den äußeren Eigenschaften der Steine beschäftigt, siehe Landsberger (1967: 153–
154); Horowitz (1992); Schuster (2003); Schuster-Brandis (2008: 17–48).

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Krisztián Simkó – Überlegungen zu den symbolischen Rollen der Steine in Mesopotamien 119

Zusammenhang mit den Steinen namens š u - u ,30 aban lilî31 und šubû32 auch in diesen Quellen ohne
Spezifizierungen vorkommen. Keine präzise Bestimmung erlaubt auch eine altbabylonische Geburtsbe-
schwörung, die jedoch einschlägig scheint, weil sie auf die „Sexualisierung“ der Steine schließen lässt. Die
fragliche Beschwörung vergleicht eine schwangere Frau mit einem Boot, das die wertvollsten Materialien
liefert. So ist es kaum überraschend, dass der Karneol und der Lasurstein, die mesopotamischen Edelsteine
par excellence, unter diesen Materialien wie folgt erwähnt sind:

ma gu-ug za-gi-na gu-ug za-gi-na im-mi-i[n-si]


ki-ma e-le-ep sa-am-tim ù uq-ni-im sa-am-t[a-am ù uq-na-am ma-li-a-at]
ù gu-ug nu-zu ù za-gi-i[n nu-zu]
ù sa-am-tum ú-ul i-di ù uq-nu-ú-um ú-u[l i-di]33

(Die schwangere Frau) ist voller Karneol und Lasurstein wie das Boot des Karneols und des Lasursteins.
Sie weiß aber nicht, ob (das Kind) Karneol (ist); sie weiß nicht, ob (es) Lasurstein ist.

Allem Anschein nach symbolisieren der Karneol und der Lasurstein an dieser Stelle das Geschlecht des noch
nicht geborenen Kindes, wobei sich der in der akkadischen Sprache feminine Karneol, sāmtu, auf das
weibliche Geschlecht, und der maskuline Lasurstein, uqnû, auf das männliche Geschlecht beziehen sollen.34
Für diese Deutung argumentierte André-Salvini (1999: 376–377), die in der vermutlichen Beziehung des roten
Karneols zu der monatlichen Blutung der Frauen den Grund für sein Auftauchen als Symbol des weiblichen
Geschlechts sah. Der blaue Lasurstein, auf der anderen Seite, war in der Bildhauerei als wichtigstes Material
für den Bart von Götter- und Tierstatuen in Gebrauch; dabei begegnen wir den Göttern und Tieren, die einen
Lasursteinbart haben, auch in literarischen Texten. Diese zwei Steine kommen also als Symbole der zwei
Geschlechter vor, weil sie mit den charakteristischen Eigenschaften der Männer und Frauen, dem Bart und
der monatlichen Blutung, eng verbunden waren, wobei ihre typischen Grundfarben, das Blau und das Rot,35
von Bedeutung gewesen sein sollen.36

30 Zu den fraglichen Belegen siehe CAD Š/III s.v. šû b) 1’; Schuster-Brandis (2008: 449).
31 Diesen wenig bekannten Stein behandelte Schuster-Brandis (2008: 429).
32 Vermutlich kommt er an der obigen Textstelle des Lugale-Mythos in der Form š a - b a vor. Zu seinen Varietäten siehe BAM 112:
10, zitiert nach CAD Š/III s.v. šubû c) 3’. Vgl. dazu Reiner (1995: 34, Anm. 139).
33 AUAM 73.3094 Vs. 18–21, bearbeitet in Cohen (1976: 133–140). Zu Parallelen siehe van Dijk (1975: 66, MLC 1207 = YOS 11 85 Vs.
7–9); Farber (1984: 314, E 47.190 Vs. 6); Civil (1974: 331, 11N-T3: 1–4; zu diesem Text siehe ferner Cavigneaux 1987: 252–253); Wilcke
(1973: 13, Text Nr. 4 Vs. 7′); Veldhuis (1989: 241, i 9).
34 Siehe Farber (1984: 312, Anm. 6); Scurlock (1991: 144); Stol (2000: 62). Zum Lasurstein siehe ferner Winter (1999; neu
erschienen in 2010: 291–306).
35 Interessanterweise sind diese zwei Farben auch heute mit dem Geschlecht des Kindes verbunden. Dieselbe Farbverteilung
wie die mesopotamische lässt sich z.B. in Ungarn bei der Zimmerfarbe des Neugeborenen erkennen. Während das Zimmer eines
Mädchens im Allgemeinen rosafarbig ist, bekommt ein Junge fast immer ein blaues Zimmer.
36 Nach André-Salvini (1999: 384–385) spielte die Grundfarbe auch bei jener Kette von Amulettsteinen eine wichtige Rolle, deren
Aufgabe es war, den Zorn des Sîn, des Mondgottes, zu besänftigen. Diese Kette bestand aus einem hellen und einem dunklen
Stein, die als Gegensatzpaar den hellen Vollmond und den dunklen, mondlosen Himmel, den Neumond, symbolisiert haben
dürften. Beachte aber dazu Schuster-Brandis (2008: 81, Anm. 253), die die Aufmerksamkeit darauf richtete, dass, während der
helle Stein namens ašpû wirklich mit dem hellen Chalzedon zu identifizieren sei, die vermutliche Identifizierung von z ú g e 6 , dem
dunklen Stein, mit dem Bergkristall dem Vorschlag von André-Salvini widerspreche. Der Hämatit und der Kalkstein/Alabaster,
zwei weitere Steine mit heller und dunkler Grundfarbe, wurden als Hilfsmittel in einem divinatorischen Ritual (LKA 137)
eingesetzt, in dem sie vermutlich mit den günstigen und ungünstigen Antworten auf Orakelanfragen verbunden waren. Zur
Behandlung dieses Textes siehe Horowitz / Hurowitz (1992); Finkel (1995); Schuster-Brandis (2008: 56).

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120 Altorientalische Forschungen 2014; 41(1)

II.2 Die immanente Kraft der Steine: der Hämatit

In der Anthropomorphisierung der Steine spiegeln sich die mesopotamischen Ideen, welche die komplexen
Beziehungen des Menschen zu den Substanzen der Natur vor der Ära der Naturwissenschaften bestimmten,
nur teilweise wider; weitere Beispiele für diese Beziehungen liefert die antike Überzeugung, nach der ein
Stein wegen seiner eigenen immanenten Kraft einen bestimmten Einfluss auf seine Umgebung ausüben
konnte. Wie schon in Abschnitt I dargestellt, glaubten die Alchemisten vom Gold, dem Symbol der Voll-
kommenheit, dass es zur Erhaltung des ewigen Lebens notwendig war. Ähnlichen Ideen begegnen wir in den
keilschriftlichen Quellen,37 die zeigen, dass die Bedeutungen der einzelnen Steine in Mesopotamien oft ihre
empirischen Eigenschaften (z.B. Farbe, Härte, Transparenz und Muster)38 transzendierten. Um dies näher zu
erläutern, werden hier die mit dem Hämatit in Verbindung stehenden Ideen kurz besprochen.
Abgesehen von seiner Verwendung als häufigstes Material für Rollsiegel in der ersten Hälfte des zweiten
Jahrtausends v. Chr. (Moorey 1994: 75) hat man aus Hämatit auch Präzisionsgewichte geschnitten, mit denen
vorzugsweise Edelmetalle gewogen wurden.39 Diese Funktion des Hämatits ergab sich aus der immanenten
Kraft, die ihm in Mesopotamien zugeschrieben wurde, und über die der Lugale-Mythos wie folgt spricht:

505
kalam-ma ĝìri-˹zu˺ ba-ab-si-ge-en
506
mar-za dutu me-zu ḫé-a
507
di-ku5-gin7 ku[r] si sá-e
508
[š]u-gal-an-zu pag-d[ù níĝ]-nam-ma-ka
509
nam-kug-g[e-éš] ḫé-[en-n]a-kal-le-en

(Ninurta spricht zu dem Hämatit folgendermaßen:)


505
In dem Land wirst du deinen Dienst annehmen.
506
Utus Amt möge dein eigenes Wesen sein,
507
(Mit dem) du, wie ein Richter, die Länder in Ordnung halten wirst.
508
Für die geschickte Hand, die mit allem Möglichen betraut ist,40
509
Mögest du so wertvoll sein wie das Gold!

Diese Stelle enthält fast alle Ideen mesopotamischer Menschen, die mit dem Hämatit verbunden waren und
die auch in anderen Texten Erwähnung finden. Als Stein des Utu/Šamaš, des Gottes der Sonne und der
Gerechtigkeit, stellt ihn z.B. die erste Zeile einer fragmentarisch erhaltenen Beschwörung dar:

ÉN
NA4
KA .GI .NA šad-da-an-nu na-ra-am dUTU DI .KUD ˹x˺ [ ]41

Beschwörung: Oh k a - g i - n a ! Oh šadânu! Oh Geliebter von Utu, dem Richter, [ ]!

Seine enge Beziehung zu Utu/Šamaš und der Gerechtigkeit kommt weiter in einem der Manuskripte von Abnu
šikinšu folgendermaßen zum Ausdruck:

?
NA 4 GAR -šú G E 6 -šú SA 5
GE pe-lu-ú-ti ú-kal N A 4 KA .GI .NA DAB 5
MU -šú NA 4 ki-na-a-ti GAR -šú GI .NA lid-bu-ub
mim+ma šá ina KA -šú È kit-tú u sa-ar-tú ana dUTU

37 Zu der Pflanze, welche die Unsterblichkeit nach mesopotamischer Auffassung herbeiführen konnte, siehe Anm. 5.
38 Zu den Eigenschaften der Steine, die in den keilschriftlichen Quellen behandelt werden, siehe Schuster-Brandis (2008: 4–8).
39 Zu bei archäologischen Grabungen gefundenen Exemplaren siehe z.B. Arnaud et al. (1979: 10, Abb. 14–25) und Veenhof
(1991: 23).
40 Die Übersetzung beruht auf dem Vorschlag von G.J. Selz, nach dem das sumerische p a g - d ù als Lehnwort des akkadischen
pāqidu „Betreuer“ aufgefasst werden kann (persönliche Mitteilung).
41 Rm 2 160 Vs. 20; siehe Mullo-Weir (1929: 284).

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Krisztián Simkó – Überlegungen zu den symbolischen Rollen der Steine in Mesopotamien 121

ú-šá-an-na LÚ na-a’-du-ma GAR -šú iḫ-zi-šú


KUG .BABBAR ḪÚB . TIL -šú ˹KUG ˺.BABBAR -ma
42

Packender Hämatit ist der Name des Steins, dessen Gestaltung (folgendermaßen ist): Sein Schwarz
enthält rote Flecken.
Der Stein der Wahrheit: Der ihn trägt, möge nur die Wahrheit sprechen;
alles, was aus seinem Mund herauskommt, Wahrheit oder Lüge, berichtet er Šamaš.
Der fromme Mensch trägt ihn, dessen Fassung
43
Silber ist, dessen ḪÚB . TTIL
IL Silber ist.

Warum der Hämatit der für die Gerechtigkeit verantwortliche Stein des Utu/Šamaš war, lässt sich nicht mit
Sicherheit beantworten. Allerdings ist hier die 500. Zeile des Lugale-Mythos zu berücksichtigen, die über
diese Rolle des Steins Aufschluss geben kann:

500
šul ní-tuku ĝiš-nu11 bar-šè ĝál

(Ninurta spricht zu dem Hämatit folgendermaßen:)


500
Oh frommer Junge, (der) das Licht nach außen richtet!44

Die Aussage des Mythos scheint sich auf eine der typischen Eigenschaften des Hämatits zu beziehen: Wenn
er gut poliert ist, kann seine Oberfläche das Licht bzw. die Sonnenstrahlen reflektieren. Diese Naturerschei-
nung war mit dem Sonnengott Utu/Šamaš eng verbunden, und deshalb wird auch der Hämatit, der das Licht
zurückwerfen konnte, mit ihm in Verbindung gebracht worden sein. Es scheint sich hier also um eine
Assoziation zu handeln, die zur Bestimmung der immanenten Kraft des Steins führte: Da er das Licht des
Utu/Šamaš nach außen richten konnte, nahm man an, dass die notwendige Kraft zur Erfüllung der wichtigen
Funktion des Gottes als Richter seinem Wesen (sumerisch: m e ) innewohnte.
Neben seiner Bedeutung als der für die Gerechtigkeit verantwortliche Stein des Utu/Šamaš wird der
Hämatit in einer altbabylonischen administrativen Urkunde dem Lugale-Mythos ähnlich mit Edelmetallen
verbunden; diese Beziehung findet in dem Text folgendermaßen Erwähnung:45

ina NA 4 DIDLI ša N A 4 KA .GI .NA ša a-wi-lim KUG .SIG 17 is-sà-ni-iq46

(Die Masse) des Gold(s) wurde mit den Hämatitgewichten des Awīlum geprüft.

Mit Hilfe dieser Stelle lassen sich auch die Zeilen 508–509 des Lugale-Mythos, die sich auf den Wert des
Hämatits sowie auf die „geschickte Hand“ (š u - g a l - a n - z u ) beziehen, erklären. Der Wert des Steins ergab
sich möglicherweise aus der Tatsache, dass mit Hämatitgewichten auch Gold gewogen werden konnte. Da
die ungenauen Gewichte zu großem Verlust führen konnten (siehe unten), war ihre Herstellung eine wichtige
Aufgabe. Der Handwerker musste Geduld und vor allem viel Erfahrung haben, um genaue Gewichte zu

42 Ms. E 14′–17′ (= KAR 185/BAM 194, vii′ 14′–17′), bearbeitet in Schuster-Brandis (2008: 33, 39).
43 ḪÚB . TIL bezeichnet einen nicht mit Sicherheit bestimmbaren Gegenstand, der in der unveröffentlichten Serie BAM 194, viii′ 9′–
14′ // K 4212 // Rm 320 // 81–7–27, 281 in Zusammenhang mit Rollsiegeln gebraucht wird (vgl. Schuster-Brandis 2008: 47).
44 Zu der Übersetzung dieser Zeile vgl. Falkenstein (1959: 28); Jacobsen (1987: 260); Seminara (2001: 174).
45 Es sind nur wenige Texte bekannt, die den Hämatit als Grundstoff von Gewichten darstellen: StrKt 38 Rs. 6 (DCS Nr. 102) 6 n a 4
n í ĝ - n a 4 k a - g i - n a „Beutel (mit) sechs Hämatit (Gewichts)steinen“; CT 45 75 Vs. 13 [ x n ] a 4 n í ĝ - n a 4 n a 4 k a - g i - n a „Beutel mit
x Hämatit (Gewichts)steinen“. Beide Texte sind Erbteilungslisten aus der altbabylonischen Zeit. Festzuhalten ist, dass auch
U r 5 - r a = ḫubullu XVI 2–11 (MSL X, S. 5) keinen Hinweis auf den Gebrauch des Hämatits als Gewichtstein enthält. Ferner soll in
diesem Zusammenhang CUSAS 3 1372, eine dem Garšana-Archiv angehörende Ur III-zeitliche (IS 3 viii) administrative Urkunde,
berücksichtigt werden, die Gewichtssteine von 1 Talent bis zu ¼ Sekel Gewicht auflistet und statt des Hämatits den Dolerit/Diorit
als deren Rohstoff (n a 4 e s i - k a m ) angibt (i 6–25, iii 1–20).
46 Sanati-Müller (1990: 140, Text Nr. 90 Vs. 1–3). Für eine Neubehandlung der Stelle siehe Veenhof (1991: 23–24).

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122 Altorientalische Forschungen 2014; 41(1)

schaffen. Allem Anschein nach deutet der Mythos mit dem Ausdruck šu-gal-an-zu p a g - d ù n í ĝ - n a m - m a -
k a „(Person mit) geschickten Händen, die mit allem Möglichen betraut ist“ (d.h. ein besonders geschickter
Handwerker) auf diese Tatsache hin.47
Aus der Untersuchung von Powell geht hervor, dass die mesopotamischen Gewichte im Allgemeinen
ungenau waren. Diese Ungenauigkeit spielte, wie der Autor zeigt, besonders in der Messung von Edelmetal-
len eine wichtige Rolle:

‚(…) the data indicates that Mesopotamian precision weights tolerated an inaccuracy of about 3% of the mass of the object
being weighed (…) Operating with a mina/shekel/barleycorn norm of 504/8.4/0.046 grams, this means an inaccuracy of
0.252g at the shekel. This does not appear to be a great deal, but it does, in fact, represent approximately a day’s pay in silver,
according to the wage scale in the code of Hammurapi.‘ (Powell 1979: 82–83).48

Diese Anmerkung von Powell lässt auf die wichtige Rolle schließen, welche die Gewichte in Mesopotamien
spielten. Wegen ihrer Bedeutsamkeit durften sie nicht aus irgendeinem Stein geschnitten werden, sondern
nur aus demjenigen, dem die notwendige Kraft zur Erfüllung der relevanten Ausgabe innewohnte. Im Fall
des Hämatits weisen sowohl sein sumerischer Name (n a 4 k a - g i - n a „Der der wahren Rede“) (vgl. Reiner 1995:
122), als auch die oben behandelten Stellen darauf hin, dass der mesopotamische Mensch diese Kraft dem
Hämatit zugeschrieben hat:49 Da er der Stein des Utu/Šamaš war, zeigte er als Gewicht immer die genauen
Massen der Edelmetalle an und schützte dadurch, wie ein Richter, die (wirtschaftliche) Ordnung des
Landes.50

III Schlussbemerkungen
In Zusammenhang mit den Steinen haben wir kurz einige jener Ideen mesopotamischer Menschen bespro-
chen, die zeigen, welch großen Einfluss das symbolische Denken auf die Beziehungen der Menschen zu den
Substanzen der Natur ausübte. Als Ausgangspunkt haben wir die Monografie von M. Eliade gewählt, die
diese Art des Denkens in Bezug auf die indische, chinesische und europäische Alchemie ausführlich be-
handelt. Allerdings ist festzuhalten, dass wir nicht das unmittelbare Weiterleben mesopotamischer Ideen
nachweisen wollten.51 Die Arbeit von Eliade lieferte nur den nötigen theoretischen Hintergrund.
Im Mittelpunkt dieser Abhandlung stand der Lugale-Mythos, aus dem hervorgeht, dass die Steine in der
mythischen Vorstellungswelt als lebendige Entitäten betrachtet wurden: Während Asag und die Gebirge sie
gezeugt haben, spielte Ninurta bei ihrer weiteren Entwicklung eine wichtige Rolle. Aus dem Mythos erfahren
wir auch, dass die Steinsorten während ihrer Entwicklung unterschiedliche Eigenschaften bekamen, auf-
grund derer ihnen die unterschiedlichsten Aufgaben zugewiesen wurden. Bei dem „Pflanzenstein“ haben wir
gesehen, dass seine Eigenschaften ihn zum König der Steine gemacht haben. Das symbolische Denken führte
auch zur „Sexualisierung“ der Steine, die am Beispiel des Karneols und Lasursteins erläutert wurde. Der
Glaube der mesopotamischen Menschen an die immanente Kraft der Steine konnte am Beispiel des Hämatits
aufgezeigt werden.

47 Zu š u - g a l - a n - z u siehe Sallaberger (1996: 5–7).


48 Eine der genannten Stellen lautet (KH §273): „Wenn ein Bürger einen Mietling mietet, so soll er ihm vom Jahresanfang bis zum
fünften Monat pro Tag sechs Gran Silber (0,281 Gramm) geben; vom sechsten Monat bis zum Jahresende soll er ihm pro Tag fünf
Gran Silber (0,234 Gramm) geben“; zitiert nach Borger / Kaiser (1982: 74).
49 Festzuhalten ist, dass die materiale Kultur Mesopotamiens kein einheitliches Bild zeigt. Obwohl der Gebrauch des Hämatits
archäologisch gut belegt ist, sind neben diesem auch andere Steine bekannt, die als Grundstoff für Gewichte fungieren: In diesem
Kontext tauchen u.a. der Diorit (Aruz et al. 2008: 371), der Magnetit (George 1979: 134), der Goethit (Fink 2012) und die ver-
schiedenen Halbedelsteine, wie z.B. Achat (Hafford 2005a), auf. Für die Behandlung der als Gewicht gebrauchten Steine siehe
Moorey (1994: 73); für die Auswertung der aus Nippur und Ur stammenden Gewichte siehe Hafford (2005b; 2012).
50 Beachte, dass die wichtige Rolle des Hämatits als Stein der Gerechtigkeit, wie aus der Anmerkung von Plinius in NH 37.60 zu
schließen ist, zumindest bis ins erste Jahrhundert n. Chr. bekannt war; siehe hierzu Dalley (1998: 48).
51 Für die mesopotamische Herkunft der Alchemie argumentierten neuerdings Martelli / Rumor (2014).

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Krisztián Simkó – Überlegungen zu den symbolischen Rollen der Steine in Mesopotamien 123

Danksagung: Ich bedanke mich herzlich bei Professor G.J. Selz für seine zum Nachdenken anregenden
Bemerkungen zu dem Beitrag (für den Inhalt meines Aufsatzes bleibe ich aber allein verantwortlich).

Literaturverzeichnis
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Hinweis: Die Abkürzungen folgen dem Verzeichnis des Reallexikons der Assyriologie und Vorderasiatischen Archäologie; die sich
nicht in jenem Verzeichnis befindenden Abkürzungen sind wie folgt: DL = Theophrastos, De Lapidibus; NH = Plinius, Naturalis
historia.

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