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Wolfgang Ollig

Strategiekonzepte für Biotechnologie-Unternehmen


~ Wirtschaftswissenschaft
Wolfgang Ollig

Strategiekonzepte für
Biotechnologie-Unternehmen
Gründung, Entwicklungspfade, Geschäftsmodelle

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Michael Dowling

Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH


Die Deutsche Bibliathek - CIP-Einheitsaufnahme

Ollig, Wolfgong:
Strategiekanzepte fur Biatechnalagie-Unternehmen : Grundung,
Entwicklungspfade, Geschăftsmadelle / Wolfgang Ollig.
Mit einem Geleitw. van Michael Dawling. -
1. Aufl ..
(DUV : Wirtschaftswissenschaft)
Zugl.: Regensburg, Univ., Diss., 200l
ISBN 978-3-8244-0586-2 ISBN 978-3-663-08987-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-08987-2

1. Auflage Juli 2001

Alle Rechte varbehalten


© Springer Fachmedien Wiesbaden 2001
UrsprOnglich erschienen bei Deutscher Universităts-Veriag GmbH, Wiesbaden, 2001
lektarat: Ute Wrasmann / Dr. Tatjana Rallnik-Manke.
www.duv.de

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dass salche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wăren und daher van jedermann benutzt werden durften.

Gedruckt auf săurefreiem und chlarfrei gebleichtem Papier.

ISBN 978-3-8244-0586-2
Geleitwort

Neu gegründete und wachstumsstarke Innovationsunternehmen sind von hohem


volks-und betriebswirtschaftlichem Interesse. Verschiedene Studien belegen, dass in
den USA die längere Periode des Wirtschaftswachstums auf die hohe Innovations-
kraft von neu gegründeten Firmen in High-tech-Branchen zurückzuführen ist. In
den letzten Jahren wurden auch in Deutschland verschiedene Initiativen gestartet,
um bessere Rahmenbedingungen für Neugründungen in den Bereichen Biotech-
nologie, Multimedia und Informationstechnologie zu schaffen. Gerade die Biotech-
nologie-Branche hat in Deutschland deutlich an Relevanz gewonnen, auch dank der
Initiativen der Bundesregierung, Biotech-Zentren in München, Heidelberg und Köln
aufzubauen. Obwohl erwartet wird, dass die Biotechnologie eine der Schlüssel-
technologien des 21. Jahrhunderts sein wird, ist die Zukunft der jungen Biotech-
Branche nicht unproblematisch. Neue Entwicklungen an den Aktienmärkten zeigen,
dass erfolgreiche Geschäftsmodelle und Wettbewerbsstrategien konsequent auf-
gebaut werden müssen. In der vorliegenden Arbeit untersucht Wolfgang Ollig in
einer detaillierten Studie innovative und wachstumsstarke Unternehmen der Bio-
technologie-Branche, mit besonderem Fokus auf der jüngsten Entwicklung in
Deutschland. Er analysiert spezifische Erfolgsfaktoren und geht insbesondere der
Frage nach, welche langfristigen strategischen Entwicklungspfade für Biotech-Unter-
nehmen existieren und welche Geschäftsmodelle nachhaltig erfolgreich sein können.
Methodisch verwendet er die Fallstudien-Forschungsmethode, die seit einigen
Jahren in den USA erfolgreich praktiziert wird, aber in Deutschland noch relativ
unbekannt ist.
Wolfgang Ollig ist besonders geeignet, sich diesem Thema zu widmen. Nach sehr
erfolgreichem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim ar-
beitet er bei einer der führenden internationalen Managementberatungen. Daneben
hat er über einen längeren Zeitraum mit jungen Firmen aus der Biotech-Branche
zusammen gearbeitet und dadurch sehr spezifische Branchenkenntnisse erworben.
Es ist dem Verfasser gelungen für ein hoch komplexes Problem nicht nur ein
holistisches Theoriekonzept unter Berücksichtigung von bestehenden theoretischen
Ansätzen zu erarbeiten, sondern dieses Konzept auch auf Basis empirischer Daten
mittels Fallstudien in der Praxis zu überprüfen, kritisch zu reflektieren, zu ver-
bessern und auszudehnen. Die daraus resultierenden Forschungsthesen bilden eine
hervorragende Basis für andere Forscher, um tiefergehende empirische statistische
Modelle aufzubauen und zu testen .. Der Hauptbeitrag für die Wissenschaft liegt in
der Ausarbeitung eines umfassenden Orientierungskonzepts für die Entwicklung
von neu gegründeten Firmen in der Biotechnologie-Branche. Ich bin davon über-
zeugt, dass diese Arbeit sowohl in der wissenschaftlichen Welt als auch in der Praxis,
der Biotechnologie- aber auch anderer High-tech-Branchen, in denen Neugrün-
dungen eine wichtige Rolle spielen, positives Aufsehen erregen wird.

Prof. Dr. Michael Dowling

V
Karl-Heinz, für seine Energie
Marlene, für ihre Ratio
Mare, für seine Freundschaft
Judith, für ihre Kreativität

Vorwort

Im Zeitablauf meiner Untersuchung hat es einige signifikante Entwicklungen in der


Biotechnologie gegeben: die vorzeitige Sequenzierung des menschlichen Genom mit
einem Wiederaufleben der ethischen Diskussion über das 'Können', und 'Dürfen' der
Wissenschaft und offenen Fragen über die kommerzielle Nutzung von genetischen
Informationen; den starken Aufschwung der Biotechnologie und von Biotech-Unter-
nehmen in Deutschland in den Jahren 1999 und 2000; die dramatische Wert-
reduzierung von New-Economy-Untern ehmen an den Kapitalmärkten, die ab Mitte
2000 auch die Biotechnologie erfaßte sowie die Nachwehen der Biotech-Boom-Phase
in 2001 mit einer sich andeutenden Konsolidierung bei Unternehmen und Investo-
ren. All diese Indikatoren zeigen, wie dynamisch und schnellehig sich die Bio-
technologie-Branche entwickelt und wie flexibel Unternehmen auf die neuen Rah-
menbedingungen reagieren müssen. Darüber hinaus wird deutlich, wie ambitiös das
Unterfangen ist, in einem solch dynamischen und innovationsgetriebenen Umfeld,
Entwicklungspfade aufzuzeigen und Geschäftsmodelle für Biotech-Unternehmen zu
charakterisieren, die eine längere Halbwertszeit haben, als die augenblickliche Kon-
junktur an den Kapitalmärkten. Trotz dieser Risiken hat mich die Aufgabe gereizt,
das Spannende und Herausfordernde dieses Themengebietes inspiriert und
motiviert, diese Arbeit zu schreiben. Dabei wurde eine starke Neugier geweckt, die
mir auch in Gesprächen mit Unternehmern, Investoren und Industrie-Experten
begegnete, wenn es um die Fragen langfristig erfolgreicher Unternehmensmodelle in
der Biotechnologie ging.
Ich hoffe, daß der Leser in der vorliegenden Untersuchung einige wertvolle
Gedanken findet, neue Aspekte entdeckt, vielleicht auch ein bißchen von der
Faszination 'Biotechnologie' wahrnimmt, die ihm strategische Fragestellungen für
Biotech-Unternehmen näherbringen. Auch wenn einige neuere Entwicklungen in
den Fallstudien nicht mehr berücksichtigt werden konnten, bin ich überzeugt, daß
die grundsätzlichen Aussagen zu den Geschäftsmodellen und den unternehme-
rischen Herausforderungen durch die jüngsten Ereignisse gestützt und die große Be-
deutung von strategischen Entwicklungskonzepte n für den Unternehmenserfolg
sogar unterstrichen wird.
Für das Gelingen der Arbeit möchte ich meinem Doktorvater Professor Dr. Dowling
von der Universität Regensburg danken, der das erste interdisziplinäre 'Disser-
tations-Projekt' zwischen der betriebswirtschaftliehen und der chemisch-physika-
lischen Fakultät initiiert und mir in der Untersuchung große gestalterische Freiheit
eingeräumt hat. Für die Übernahme des Korreferats und die 'hautnahen' Einblicke in
die Höhen und Tiefen eines Startup-Unternehmens bedanke ich mich bei Professor
Dr. Seeger von der Universität Zürich. Für das geduldige Beantworten meiner vielen
Fragen danke ich Dirk Meier, Peter Schubert und Jens Westedt von der MMI GmbH

VII
sowie insbesondere auch meinen Interviewpartnern. Die zuverlässige Literatur-
recherche und die Qualität der graphischen Gestaltung wäre ohne meine Kollegen
Wolfgang Limbeck und Anja Lehnhardt von McKinsey & Company, bei denen ich
mich an dieser Stelle bedanken möchte, nicht möglich gewesen. Mein herzlicher
Dank für die kritische Durchsicht der Arbeit gilt meinen Freunden Alexander Meier,
Andreas Neichel und Achim Zeeb. Besonders bedanken möchte ich mich bei meiner
Freundin Judith Burmann, die mich inhaltlich und gestalterisch unterstützt hat und
deren Einsichten mir soviel geholfen haben. Meinen Eltern und meinem Bruder
möchte ich besonders herzlich danken, denn ohne ihre Unterstützung bis zum
heutigen Tag hätte ich die mir gesetzten Ziele kaum erreicht.

Wolfgang Ollig

VIII
Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................... XV

Tabellenverzeichnis .......................................................................................................... XIX

Abkürzungsverzeichnis .................................................................................................... XXI

I. Evidenz und erste Annäherung an das Themengebiet-offene


Fragestellungen, Struktur und Abgrenzung der Untersuchung ........................ I

1 Problemstellung ................................................................................................ 1

2 Gang der Untersuchung .................................................................................. 9

3 Abgrenzung des Themas ............................................................................... 13

II. Biotechnologie als Technologiekonzept der Life Seiences- Grundlagen,


industriespezifische Anforderungen und strategische
Rahmenbedingungen für Unternehmen .............................................................. 15

1 Grundlagen und Definitionen der Biotechnologie .................................... lS

2 Wertschöpfungsprozeß in der Life-Sciences-Industrie ............................. 23

3 Geschäftsfelder für biotechnologische Produkte und Prozesse .............. 30


3.1 Humanmedizin ................................................................................... 32
3.2 Agro, Lebensmittel und Tierzucht (AgBio) .................................... 37
3.3 Umwelt I Chemie ...............................................................................38
3.4 Marktchancen für die Biotechnologie .............................................. 39

4 Gefahrenpotentiale und Akzeptanzproblematik der modernen


Biotechnologie ................................................................................................. 47

5 Historische Entwicklung von Biotechnologie-Unternehmen .................. 53

6 Industriespezifische Anforderungen und strategische


Rahmenbedingungen der Biotechnologie- Erweiterung der
Erkenntnislage ................................................................................................ 60
6.1 Heterogenität der Biotech-Branche .................................................. 61
6.2 Bedeutung von Kooperationen ......................................................... 62

IX
6.3 Hohe Forschungsintensität ............................................................... 67
6.4 Großer Kapitalbedarf ......................................................................... 69

111. Erklärungsansätze zur Entwicklung einer Strategiekonzeption für


schnell wachsende und innovative Biotech-Untemehmen .............................. 75

1 Innovationsansätze-Innovationsfähigkeit als elementare


strategische Herausforderung für High-tech-Unternehmen ................... 75
1.1 Grundlagen des Innovationsphänomens ........................................ 75
1.2 Innovationsgenerierung als Basis des Unternehmerischen
Erfolgs .................................................................................................. 84

2 Entrepreneurship Ansätze- Konzeptionen, Zielsysteme und


Entwicklungsphasen als Verständnisdimensionen von Startup-
Unternehmen .................................................................................................. 93
2.1 Grundlagen und Definitionen der Gründungsforschung ............ 93
2.2 Typologien von Unternehmensgründungen .................................. 98
2.3 Theoretische Konzeptionen ............................................................. 102
2.3.1 Ökonomische Konzepte ......................................................... 106
2.3.2 Verhaltenswissenschaftliche Konzepte ................................ 112
2.4 Grundfragen von Unternehmerischen Zielsystemen .................. 118
2.4.1 Der 'Satisfier Ansatz'- multifaktorielles Zielsystem mit
begrenzter ökonomischer Erfolgsorientierung ................... 120
2.4.2 Der 'Maximizer Ansatz'- Interessenkonvergenz auf ein
einheitliches organisatorisches Zielsystem zur
Steigerung der ökonomischen Erfolgsorientierung ........... 121
2.4.3 Ansatzpunkte zur Operationalisierung von
ökonomischem Erfolg ............................................................. 123
2.5 Grundlegende Entwicklungsphasen einer Unternehmung ....... 126

3 Market- und Resource-based-View- Grundlegende


Konzeptionalisierungsansätze für strategische Entwicklungspfade
und Geschäftsmodelle ................................................................................. 130
3.1 Market-based-View .......................................................................... 132
3.2 Resource-based-View ....................................................................... 139
3.3 Zwischenfazit-Ansatzpunkte für ein holistisches
strategisches Orientierungskonzept .............................................. 151

X
IV. Konzeptioneller Orientierungsrahmen als Grundlage der explorativen
Untersuchung zu wachstumsstarken und innovativen Biotech-
Untemehmen ............................................................................................•.............. 155

1 Synopsis der industriespezifischen Anforderungen und


strategischen Rahmenbedingungen für Biotech-Unternehmen ............ 155

2 Synopsis der betriebswirtschaftliehen Erklärungsansätze zur


Entwicklung einer Strategiekonzeption .................................................... 158

3 Generierung eines strategischen Orientierungskonzepts für


Unternehmen in der Biotechnologie als Grundlage der explorativen
Untersuchung ................................................................................................ 164

V. Explorative Ansatzpunkte zu einem Strategiekonzept für


wachstumsstarke und innovative Biotech-Unternehmen ............................... 173

1 Methodik der Untersuchung ...................................................................... 173


1.1 Methodische Vorgehensweise ........................................................ 174
1.2 Aufbau des Untersuchungsdesigns ............................................... 177

2 Auswertung Experteninterviews und Sekundäranalyse-


spezifische Erkenntnisse zu strategischen Parametern von Biotech-
Unternehmen ................................................................................................ 184
2.1 Ressourcen-orientierte Strategieparameter .................................. 186
2.1.1 Unternehmensressourcen ...................................................... 186
2.1.2 Technologie .............................................................................. 192
2.1.3 Finanzierung ............................................................................ 198
2.2 Markt-orientierter Strategieparameter: das Produkt-Markt-
Konzept .............................................................................................. 210
2.3 Strategischer Interaktionsparameter: Kooperationen ................ 215
2.4 Holistischer Strategieparameter: Geschäftsmodell ..................... 220
2.4.1 Modelltypen ............................................................................. 220
2.4.2 Strategische Entwicklungspfade ........................................... 222
2.4.3 Implikationen für die Nachhaltigkeit der verschiedenen
Geschäftsmodelle .................................................................... 224
2.4.4 Marktauftritt- Integriertheit des Unternehmens für
Erfolgskonzept ......................................................................... 232
3 Fallstudienanalysen von Biotech-Unternehmen-
Entwicklungspfade und Strategiekonzepte bei unterschiedlichen
Geschäftsmodellen ....................................................................................... 234

XI
3.1 British Biotech- die Chancen und Risiken der vertikalen
Integration zum Produkt-Unternehmen ....................................... 235
3.2 Biogen - der klassische Migrationspfad für Biotech-
Unternehmen der ersten Generation ............................................. 239
3.3 Millennium- vom Target-Lieferanten zum
Technologiepla ttform-Unternehmen mit therapeutischem
Produkt-Know-how ......................................................................... 242
3.4 Incyte Pharmaceuticals- vom Produkt-orientierten zum
bioinformatischen Technologie-Unternehmen ............................ 248
3.5 MMI- vom Technologie-orientierten Startup zum
standardsetzenden Nischenunternehmen .................................... 255
3.6 LION Bioscience- vom Genomik-orientierten Startup zum
integrierten Plattform-Unternehmen mit Produktambitionen .. 269
3.7 MediGene- die vertikale Migration entlang der
Wertschöpfungskette zum biopharmazeutischen
Unternehmen ..................................................................................... 276
3.8 Medigenomix und Gene Alliance- mit innovativen
Organisationsstrukturen zu Wettbewerbsvorteilen im
Commodity Geschäft ....................................................................... 280
3.9 Synopsis der Fallstudienanalyse ausgewählter Biotech-
Unternehmen ..................................................................................... 286
3.9.1 Within-case-Analyse ............................................................... 286
3.9.2 Cross-case-Analyse ................................................................. 294

VI. Modifiziertes strategisches Orientierungskonzept für Unternehmen in


der Biotechnologie .................................................................................................. 305

Kritische Würdigung- Modifizierung des strategischen


Orientierungskonzepts für Biotech-Unternehmen auf Basis der
explorativen Untersuchung ........................................................................ 305
1.1 Ressourcen-orientierte Strategieparameter .................................. 305
1.2 Markt-orientierter Strategieparameter: Produkt-Markt-
Konzept ............................................................................................. 314
1.3 Strategischer Interaktionsparameter: Kooperationen ................ 315
1.4 Holistischer Strategieparameter: Geschäftsmodell ..................... 319

2 Ausblick auf die zukünftige Wettbewerbspositionierung der


Biotech-Unternehmen im Wertschöpfungsprozeß der Life-Sciences ... 327

XII
3 Handlungsempfehlungen für Biotech-Unternehmen auf Basis des
strategischen Orientierungskonzepts ........................................................ 330
3.1 Ressourcen-orientierte Strategieparameter .................................. 330
3.2 Markt-orientierter Strategieparameter: Produkt-Markt-
Konzept .............................................................................................. 333
3.3 Strategischer Interaktionsparameter: Kooperationen ................ 334
3.4 Holistischer Strategieparameter: Geschäftsmodell... .................. 334

4 Anhaltspunkte für weiterführende Forschungsanstrengungen im


Themengebiet wachstumsstarker und innovationsgetriebener
Biotech-Unternehmen .................................................................................. 336

Literaturverzeichnis ............................................................................................................ 341

XIII
Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1.1: Kapitalmarktperformance von Startups und


Großunternehmen ................................................................................... 2
Abbildung !.2: Kapitalmarktperformance von Startups, Biotechs,
Großunternehmen im Jahr 2000 ............................................................ 4
Abbildung !.3: Ansatzpunkte des Themengebietes ...................................................... 5
Abbildung !.4: Offene Geschäftsmodelle für Biotech-Unternehmen ......................... 7
Abbildung !.5: Problemstellung und Untersuchungsziel der Arbeit ......................... 8
Abbildung !.6: Dimensionen wissenschaftlicher Forschungsziele nach
Chmielewicz (1994) ............................................................................... 10
Abbildung !.7: Untersuchungsaufbau der Arbeit... .................................................... 12
Abbildung Il.l: Grundlegende Entwicklungsschritte der modernen
Biotechnologie ....................................................................................... 19
Abbildung II.2: Wertschöpfungsprozess für Life-Sciences-Produkte,
insbesondere Wirkstoffe und Diagnostika ........................................ 24
Abbildung II.3: Anwendungsbereiche und Geschäftsfelder der
kommerziellen Biotechnologie ............................................................ 30
Abbildung II.4: Weltweiter Pharmaumsatz und Anteil gentechnisch
hergestellter Medikamente ................................................................. .41
Abbildung II.5: Neu gegründete 'entrepreneuriale' Bieteeh-Unternehmen in
den USA von 1976 bis 1988 .................................................................. 54
Abbildung II.6: Vergleich des industriellen Entwicklungsstands zwischen
Europa und USA ................................................................................... 56
Abbildung II.7: Marktkapitalisierungsvergleich der führenden Unternehmen
in USA- Europa (in Mio Euro, 10.12.1999; 1 euro= 1,02 USD) ..... 57
Abbildung II.8: Entwicklung der deutschen Biotech-Industrie* ................................ 58
Abbildung II.9: Konzeptionelle Darstellung des industriellen
Entwicklungsgrads der industriellen Biotechnologie in USA,
UK und Deutschland* .......................................................................... 59
Abbildung 11.10: Ansatzpunkte aus der Analyse der biotechnologischen
Industrie für eine Strategiekonzeption und
Thesenentwicklung ............................................................................... 60
Abbildung II.ll: Erste Klassifizierung von Biotech-Unternehmen ............................. 61
Abbildung II.12: Finanzierungsarten für Bieteeh-Unternehmen nach Höhe des
Kapitalbedarfs ....................................................................................... 70
Abbildung III.l: TechnologischeS-Kurve und Paradigmawechsel... ......................... 78
Abbildung III.2: Phasen des Innovationsprozesses ....................................................... 80
Abbildung III.3: Dimensionen einer Innovationsstrategie ........................................... 84
Abbildung III.4: Geschäftsfeldanforderungen nach Innovationsintensitäten ........... 86

XV
Abbildung III.5: Kräfte der Innovationsgenerierung .................................................... 88
Abbildung 111.6: Ansatzpunkte aus der Innovationsdebatte für eine
Strategiekonzeption und Thesenentwicklung .................................. 92
Abbildung 111.7: Typologien von Unternehmensgründungen * ............................... 100
Abbildung III.8: Ökonomische Entrepreneurship Konzepte ..................................... 112
Abbildung III.9: Erfolgskriterien für schnell wachsende innovative
Unternehmen ....................................................................................... 124
Abbildung III.10: Entwicklungsphasen der Unternehmung ....................................... 128
Abbildung 111.11: Ansatzpunkte aus der Entrepreneurship-Oehatte für eine
Strategiekonzeption und Thesenentwicklung ................................ 129
Abbildung III.12: Wettbewerbskräftemodell nach Porter ............................................ 134
Abbildung III.13: Argumentationslogik des Market-based-View .............................. 135
Abbildung III.14: Argumentationslogik des Resource-based-View ........................... 146
Abbildung III.15: Ansatzpunkte aus der Strategiedebatte für eine
Strategiekonzeption und Thesenentwicklung ................................ 152
Abbildung IV.1: Erkenntnisse aus der Analyse industriespezifischer
Rahmenbedingungen für die Generierung des strategischen
Orientierungskonzepts ....................................................................... 158
Abbildung IV.2: Erkenntnisse aus betriebswirtschaftliehen Ansätzen für die
Generierung des strategischen Orientierungskonzepts ................ 163
Abbildung IV.3: Argumentationslogik zur Generierung des strategischen
Orientierungskonzepts ....................................................................... 164
Abbildung V.1: Methodische Vorgehensweise der Untersuchung in
Anlehung an den Fallstudienansatz von Yin .................................. 177
Abbildung V.2: Spezifisches Untersuchungsdesign einer explorativen
Fallstudien- und einer primär- statistischen Interview-
Untersuchung in Anlehnung an Yin (1989) .................................... 178
Abbildung V.3: Struktur des Interviewsamples ......................................................... 180
Abbildung V.4: Top-2-Erfolgsfaktoren für ein Biotech-Unternehmen aus Sicht
der einzelnen Zielgruppen ................................................................ 187
Abbildung V.S: Kernergebnisse Unternehmensressourcen ...................................... 191
Abbildung V.6: Wettbewerbsfähigkeit von Technologien in der
Biotechnologie im Zeitablauf ............................................................ 193
Abbildung V.7: Technologischer Kommoditisierungsdruck am Beispiel der
DNA Sequenzierung .......................................................................... 194
Abbildung V.8: Beispielhafte Innovationssprünge auf neueS-Kurven in der
Wirkstoff-Forschung ........................................................................... 195
Abbildung V.9: Kernergebnisse Technologie ...................... ,...................................... 197
Abbildung V.lO: Änderung der Investoreneinschätzung bei Biotech-
Investments .......................................................................................... 200

XVI
Abbildung V.ll: Jährliche Venture-Capital-Investitionen in die Biotechnologie
in Buropa von 1995 bis 1999 ............................................................. 201
Abbildung V.12: Venture-Capital-Investitionen in die Biotechnologie in UK,
Deutschland und Frankreich in den Jahren 1993, 1997 und
1999 ....................................................................................................... 202
Abbildung V.13: Durchschnittliche Venture-Capital-Investitionssumme
institutioneller Anleger in UK, Deutschland und Frankreich ...... 203
Abbildung V.14: Biotech-Performance in den USA ..................................................... 208
Abbildung V.15: Entwicklung des privaten und öffentlichen
Finanzierungsvolumens in deutschen Biotech-Unternehmen
von 1996 bis 1998 ................................................................................. 209
Abbildung V.16: Kernergebnisse Finanzierung ........................................................... 210
Abbildung V.17: Kernergebnisse Produkt-Markt-Konzept. ...................................... 214
Abbildung V.18: Kernergebnisse Kooperationen ......................................................... 219
Abbildung V.19: Differenzierung der Biotech-Unternehmensmodelle nach
Auswertung der Expertengespräche ............................................... 221
Abbildung V.20: Grundsätzliche Entwicklungsszenarien für Biotech-
Unternehmen ....................................................................................... 223
Abbildung V.21: Außerordentliche Kursanstiege von biopharmazeutischen
Unternehmen nach Pressemitteilungen .......................................... 227
Abbildung V.22: Die verschiedenen Dimensionen eines nachhaltigen
Geschäftsmodells für Biotech-Unternehmen .................................. 233
Abbildung V.23: Kernergebnisse Geschäftsmodell.. .................................................... 234
Abbildung V.24: Ausgewählte Fallstudien nach der Geschäftsmodellstruktur
entrepreneurialer Biotech-Unternehmen ........................................ 235
Abbildung V.25: Entwicklung der Marktkapitalisierung von British Biotech
von Juni 1992 bis Januar 1999 ............................................................ 238
Abbildung V.26: Entwicklung der Marktkapitalisierung von Biogen von Juni
1992 bis Januar 1999 ............................................................................ 242
Abbildung V.27: Kooperationsnetzwerk der Millenium Pharmaceuticals, Inc.,
Herbst 1998 .......................................................................................... 246
Abbildung V.28: Entwicklung der Marktkapitalisierung von Millennium vom
April1996 bis Januar 1999 ................................................................. 247
Abbildung V.29: Entwicklung der Marktkapitalisierung von Incyte von April
1996 bis Januar 1999 ............................................................................ 254
Abbildung V.30: Prinzip der MMI proprietären Oberflächentechnologie,
dargestellt am Beispiel eines Sandwichassays für Proteine
(Antikörper) und Nukleinsäuren (DNA/RNA)* ........................... 257
Abbildung V.31: Netzwerk der MMI GmbH im Herbst 1999 .................................... 263
Abbildung V.32: Entstehungslogik der MMI NewCo ................................................. 265

XVII
Abbildung V.33: Produkte und Kompetenz der LION Bioseience im vertikalen
Wertschöpfungsprozeß ...................................................................... 272
Abbildung V.34: Stand der Produktentwicklungen von MediGene im Winter .
1999/2000 ............................................................................................. 279
Abbildung V.35: Gene Alliance Netzwerk .................................................................... 284
Abbildung V.36: Marktbewertung der Fallstudien-Unternehmen nach
Entwicklungsphasen .......................................................................... 295
Abbildung V.37: Konzeptionelle Darstellung der Evolution in der
Wirkstoffsuche- Vom Zufallsprinzip zum
wissenschaftlichen Ansatz: Biotechnologie als Quelle einer
effektiveren Medizin .......................................................................... 302
Abbildung Vl.l: Cash-flow optimierte Geschäftsstrategie im Lebenszyklus
von Biotech-Unternehmen ................................................................. 311
Abbildung VI.2: Konzeptionelle Darstellung der Nutzenoptimierung eines
eigenen Therapeutikums in den verschiedenen Phasen der
Wertschöpfungsstufen** .................................................................... 316
Abbildung VI.3: Konzeptionelle Darstellung der Nutzenoptimierung für
Technologie-orientierte Biotech-Unternehmen** ........................... 318
Abbildung VI.4: Parameter der strategischen Entwicklungsszenarien .................... 320
Abbildung VI.5: Archetypen der strategischen Entwicklung für Biotech-
Unternehmen ....................................................................................... 322
Abbildung VI.6: Langfristige strategische Entwicklungstendenzen für
Biotech-Unternehmen ........................................................................ 325
Abbildung VI.7: Konzeptionelle Darstellung der Einflußsphären auf den
gesamten Wertschöpfungsprozeß von Biotech, Pharma und
CRO's .................................................................................................... 327
Abbildung VI.8: Parameter des industriellen Wandels in den Life Seiences .......... 329
Abbildung VI.9: Evolution der Geschäftsmodelle in den Life Seiences ................... 330
Abbildung Vl.lO: Handlungsoptionen für Biotech Unternehmen .............................. 336
Abbildung VI.ll: Strategisches Orientierungskonzept für Biotech-
Unternehmen ....................................................................................... 337
Abbildung Vl.12: Ansatzpunkte für weitergehende Forschungsarbeiten ................. 339

XVIII
Tabellenverzeichnis

Tabelle II.l: Historischer Abriß der Biotechnologie .............................................. 16


Tabelle II.2: Auswahl an zugelassenen biopharmazeutischen Produkten
und Diagnostika .................................................................................... 33
Tabelle II.3: Umsatzstärkste biopharmazeutische Produkte im Vergleich
1995- 1999 (in Mio. USD) .................................................................... 40
Tabelle II.4: Mit biotechnologisch verändertem Saatgut bebaute Agro-
Fläche in der Welt (in 1000 ha) ............................................................ 42
Tabelle II.5: Eigenschaften von der EU zugelassener rekombinanter
Organismen ............................................................................................ 43
Tabelle II.6: Geschätztes Marktvolumen biotechnologischer
Anwendungen im Umwelt-Chemie-Bereich (in Mio. USD) ........... 45
Tabelle II.7: Kernzahlen der Biotechnologie-Industrie in Europa und den
USA (Umsatz und F&E-Ausgaben in Mio. Euro) ............................ 55
Tabelle III.1: Gründungsformen nach Szyperski/Nathusius ................................ 98
Tabelle III.2: Phasen der Strategieforschung und der strategischen
Begriffsinhalte ....................................................................................... 131
Tabelle IV.1: Synthese der Strategieparameter des Orientierungskonzepts
und ihre Quellen ................................................................................. 166
Tabelle V.1: Übersichtsprofil der interviewten Biotech-Unternehmen
(Grundgesamtheit n=12)* .................................................................. 185
Tabelle V.2: Bereitschaft der befragten Biotech-Unternehmen Venture
Capital aufzunehmen ......................................................................... 189
Tabelle V.3: Bedeutung der 'Technologie' für den Geschäftserfolg von
Biotech-Unternehmen aus der Sicht von Biotech-
Unternehmen ....................................................................................... 196
Tabelle V.4: Bedeutung der 'Technologie' für den Geschäftserfolg von
Biotech-Unternehmen aus der Sicht von Venture-Capital-
Firmen ................................................................................................... 196
Tabelle V.5: Finanzierungsstrategie von interviewten Biotech-
Unternehmen ....................................................................................... 199
Tabelle V.6: Auswahl von Biotech IPOs in Deutschland bis zum 10.1.2001
(Kurse in Euro, Marktkapitalisierung in Mio. Euro) ..................... 206
Tabelle V.7: Vergleich der erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV's)
an NASDAQ und Neuern Markt sowie in Euro Stoxx Indices .... 207
Tabelle V.8: Geschäftsfeldfokus der Biotech-Unternehmen ............................... 211
Tabelle V.9: Kurseinbrüche innerhalb einer Woche nach
Produktabbrüchen in klinischen Phasen öffentlich notierter
Biotech-Unternehmen im Jahr 1998.................................................. 225

XIX
Abkürzungsverzeichnis

A.d.V. Anmerkung des Verfassers


AgBio Agro-Lebensmittel-Tierzucht, ein biotechnologischer
Geschäftsbereich der Life Seiences
AgChem Chemische Anwendungen/Produkte im Geschäftsfeld
Agro-Lebensmittel-Tierzucht
Biolech Biotechnologie
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung
BMBT Bundesministerium für Bildung und Technologie
BMFT Bundesministerium für Forschung und Technologie,
jetziges Bundesministerium für Bildung und Forschung
BMS Bristol-Myers Squibb
BFuP Betriebliche Forschung und Praxis
bpi Bundesverband der Pharma.. Unternehmen
CA Kalifornien, Bundesstaat der USA
CAGR Compound annual growth rate bzw. jährliche
Wachstumsrate
CEPH Centre d'Etudes du Polymorphisme Humain, Paris,
Frankreich
CMR California Management Review
CMR Center for Medical Research (CMR)
CRO Clinical Research Organization
DBF Dedicated bioetchnology firms bzw. Biotech-
Unternehmen nach der Definition der Untersuchung
DBW Die Betriebswirtschaft
DCB Diversified companies with biotechnology program bzw.
Multinationale Unternehmen mit Biotech-Aktivitäten
DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft
DJWBI Dow Jones W orld Biotechnology Index
DKFZ Deutsches Krebsforschungsinstitut, Beideiberg
DL Dienstleistung
DNA Desoxyribonucleinsäure: stoffliche Grundlage der
Erbinformationen aller Zellen. Sie dient vorwiegend der
Speicherung der genetischen Information (--?RNA).
EAT Earnings after taxes
EBI European Bioinformatics Institute, Hinxton, UK
EBIT Earnings before interests and taxes
EBT Earnings before taxes
e-commerce Elektronischer Handel im Internet

XXI
ELISA Enyzm-Linked-Immuno-Sorbed-Assay
EK Eigenkapital
EMBL European Molecular Biology Laboratory, Heidelberg
EMEA European Medicines Evaluation Agency: EU-Behörde zur
Zulassung von Arzneimitteln
EPO Erythropoietin: Wachstumsfaktor, der für die Bildung
und Reifung speziell der roten Blutzellen verantwortlich
ist
EU Europäische Union
FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung
FCF Free Cash-flow
FCS Fluoresence Confocal Spectroscopy
FDA Food and Drug Administration: US amerikanische
Genehmigungsbehörde für Pharma- und
Diagnostikprodukte. FDA-Zulassung ist Voraussetzung
für Markteinführung eines Produktes.
FhG-ISI Frauenhafer Gesellschaft- Institut für Systemtechnik und
Innovationsforschung
FK Fremdkapital
F&E Forschung und Entwicklung
GenTG Gentechnik Gesetz
GPC Genome Pharmaceuticals Corporation AG
HBM Harvard Business Manager
HBR Harvard Business Review
HGP Human Genome Project: internationales Projekt zur
Sequenzierung des menschlichen Genoms
HGS Human Genome Sciences, Inc.
HMR Hoechst Marion Raussei AG, seit Dezember 1999 mit Rhone-
Poulenc S.A. zu Aventis S.A. fusioniert.
HRB Handelsregisterbucheintrag
HTS High Troughput Screening
HW Handwörterbuch
HWF Handwörterbuch der Führung
HWO Handwörterbuch für Organisation
i.d.R. In der Regel
ifo-Institut Deutsches Wirtschaftsforschungsinstitut, München
IO Industrial organisation bzw. Industrieökonomik
IPO Initial Public Offering bzw. Börsengang
IT Informationstechnologie
i.V. Im Vergleich

XXII
J&J Johnson & Johnson, Inc.
JV JointVenture
KAM Key Account Management
Life Seiences Geschäftsbereiche, die von molekularbiologischer
Forschung beeinflußt werden. Dies sind die
Humanmedizin, Agro-Lebensmittel-Tierzucht und
Umwelt.
LSE-Quote London Stock Exchange Notierung
Mass. Massachusettes, Bundesstaat der USA in Neuengland
MBO Management Buy Out
MbV Market-based-View bzw. marktorientierter Ansatz
MIT Massachusettes Institute of Technology
MPI Max-Planck-Institute
MTP Mikrotiterplatte: Träger- und Aufbewahrungsmedium für
Substanzen in der Pharma-Industrie
NBE New biological entity bzw. neue biologische Substanz
NCE New chemical entity bzw. neue chemische Substanz
NIH National Institute of Health bzw. die amerikanische
Gesundheitsbehörde
NME New Medical Entities bzw. neue medizinische Stoffe
NUK Neues Unternehmertum Köln e.V.
NYSE New York Stock Exchange
o.D. ohne Datum
OECD Organisation for Economic Co-operation and
Development bzw. Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit
o.J. ohne Jahr
o.O. ohne Ort
PDO Product Development Organisations bzw. Produkt-
Entwicklungs-Dienstleister für Wirkstoffe
PCR Polymerase-Kettenreaktion: Ein Verfahren zur
enzymatischen Herstellung von DNA/RNA-Sequenzen.
Durch diese Amplifikation von Nukleotiden kann auch
mit sehr kleinen Strängen von DNA gearbeitet werden.
(Nobelpreis für K.B. Mullis 1993).
Rb V Resource-based-View bzw. ressourcenorientierter Ansatz
RNA Ribonukleinsäure: Sie dienen vorwiegend der
Übertragung der genetischen Informationen. Nach ihren
biologischen Funktionen wird die RNA in Boten-bzw.
Messenger-RNA (mRNA), ribosomale RNA (rRNA),
Transfer-RNA (tRNA) und nukleare RNA (nRNA)
unterschieden.

XXIII
SAB Scientific Advisory Board, entspricht dem
Wissenschaftlichen Beirat
SKB SmithKline Beecham plc.
sz Süddeutsche Zeitung
tbg Technologie-Beteiligungs-Gesellschaft
TVM Techno Venture Management, eine führende deutsche
Venture Capital Gesellschaft, die im Januar 2000 mit der
britischen Venture Capital Gesellschaft 3i Europe plc.
fusionierte.
u.a. unter anderem
u.a.T. unter anderem Titel
u.d.T. unter dem Titel
UHTS Ultra-High-Troughput Screening
UPMC University of Pittsburgh Medical Center, USA
UK United Kingdom bzw. Vereinigtes Königreich
vc Venture Capital
VCG Venture Capital Gesellschaft
Vol. Volume bzw. Jahrgang
VP Vice President
WIS Wehrwissenschaftliches Institut für Schutztechnologien,
ABC Schutz, der Bundeswehr
WIST Wirtschaftswissenschaftliches Studium
WKN Wertpapier-Kenn-Nummer
ZEW Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
ZfB Zeitschrift für Betriebswirtschaft
ZfbF Schmalenbachs Zeitschrift für betriebliche Forschung

XXIV
Riesige Unternehmen schließen sich zu noch gigantischeren
Einheiten zusammen während die wirklich spannenden
Ideen bei den kreativen Startups entwickelt werden
Tom Peters

I. Evidenz und erste Annäherung an das Themengebiet-offene


Fragestellungen, Struktur und Abgrenzung der Untersuchung
1 Problemstellung
Die Themenstellung der Untersuchung eröffnet zwei zentrale inhaltliche Ansatz-
punkte für eine tiefergehende Analyse der strategischen Herausforderungen wachs-
tumsstarker Biotechnologie-Unternehmen.! Zum einen hat das Phänomen junger,
innovativer und schnell wachsender Unternehmen stark an Bedeutung gewonnen
und wird auf dem Gebiet der Entrepreneurship Forschung intensiv untersucht. Die
außergewöhnliche Hausse des Nasdaq Indexes ab Mitte der neunziger Jahre, der
Erfolg des Neuen Markts in Deutschland und die stark wachsenden Mittelzuflüsse in
Pre-IPO-Unternehmen sowohl in den USA als auch in Europa in den vergangenen
Jahren belegen die Signifikanz dieser Entwicklung, trotz einiger Rückschläge in
jüngster Zeit (siehe Abbildung 1.1)2 Zum anderen ist die moderne Biotechnologie eine
Querschnittstechnologie mit sehr großem Innovations- und Marktpotential in den
Life Sciences.3 Neben Mikroelektronik und Nanotechnologie gilt die Biotechnologie
als eine der aussichtsreichsten Schlüsseltechnologien der Zukunft, deren entschei-
dender Durchbruch für die wirtschaftliche Nutzung noch bevorsteht.4
Das Verständnis des Phänomens wachstumsstarker und innovationsgetriebener Unter-
nehmen sowie deren Gründungen ist von hohem volks- und betriebswirtschaftliehen
Interesse. 5 Die Unternehmerische Nutzung neuer technologischer Geschäftspoten-
tiale schafft die Grundlage für zukünftiges gesamtwirtschaftliches Wachsturn und
wettbewerbsfähige Arbeitsplätze. Unternehmerische Aktivität legt somit die Basis
für die langfristige technologische Wettbewerbsfähigkeit und die Wohlstands-
generierung einer Volkswirtschaft.6 Eine EU-Studie über die Ursachen des unge-
brochenen amerikanischen Wirtschaftswachstums seit 1991 identifiziert neben einer
angebotsorientierten Fiskalpolitik die hohe Innovationskraft der Unternehmen und
einen schnellen Technologietransfer in marktfähige Produkte. Wesentliche Stimu-
lierung des Wachstums resultiert dabei aus der Gründungsfähigkeit neuer inno-

1 Biotechnologie-Unternehmen werden im weiteren auch als 'Biotech-Unternehmen' bezeichnet.


2 Während sich der Nasdaq Composite Price Index in 4 Jahren vom 18.1.1996 bis zum 20.1.2000 von 1007 auf 4190
Punkten mehr als vervierfachte, bei einem CAGR von 43%, stieg der Dow Jones bzdustrial Price Index im
gleichen Zeitraum nur von 5230 auf 11310 Punkte, ein CAGR von 21%. Auch über einen Zeitraum von 10
Jahren (Jan 1990-Jan 2000) entwickelte sich die Nasdaq mit einem jährlich Wachstum von 25% deutlich posi-
tiver als der Dow Jones mit einem CAGR von 15%, vgl. Abbildung 1.1.
3 Zu Definition von 'Life Sciences' und den Grundlagen der Biotechnologie siehe Kap. II.
4 Vgl. z.B. Technologieprognose 2000' des Battelle-Instituts in o.V. (2000c) S. Wl.; vgl. Joy (2000) S. 49,51; vgl auch
Kurzweil (2000) S. 49.
5 Zu Definitionen und Grundlagen siehe Kap. III.1.1 bzw. 2.1.
6 Vgl. OECD (1998) S. 34-49; vgl. auch die Analyse der Technologie-Beteiligungs-Gesellschaft (tbg), Tochterunter-
nehmen der Deutschen Ausgleichsbank zur Bedeutung Technologie-orientierter Unternehmen in tbg (o.O.) S.
1; vgl. Albach/Hunsdiek (1987) S. 562-563.

1
vativer Unternehmen aus einem forschungsnahen Umfeld? Die Bedeutung junger
wachstumsstarker Unternehmen für qualitativ hochwertige Beschäftigungsmöglich-
keiten und Innovationsaktivitäten einer Volkswirtschaft wurde auch in Deutschland
nachgewiesen.S

Junge technologieorientierte Unternehmen "outperformen"


etablierte Blue Chips

Index
450% 1990-2000
• Nasdaq CAGR 25%
400% Nasdaq Composite
• DowJones CAGR 15%
CAGR43%
350%
300% Biolech S&P 400
," CAGR 30%
250%
, • Dow Jones
200% CAGR 21%

150%
100% -' ......... -......
50%
0%
01/1996 01/2000 Zeit

Abbildung 1.1: Kapitalmarktperformance von Startups und Großunternehmen


Quelle: Datastream

Vor diesem Hintergrund erklärt sich das Bemühen der verschiedenen Akteure in
Deutschland, durch Verbesserung der Rahmenbedingungen Unternehmerische
Gründungen zu stimulieren und zu erleichtern.9 Aus betriebswirtschaftlicher Sicht
interessiert vor allem die Kenntnis der erfolgsdeterminierenden Faktoren und das
tiefere Verständnis von nachhaltigen Strategiekonzepten für wachstumsstarke und
innovationsgetriebene Unternehmen - von der Gründung bis zum ausgereiften Ge-

7 Weitere Faktoren: die intensive Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Forschungseinrichtungen und Unter-
nehmen, hohe Effektivität der Managementfähigkeiten und gründungsfördernde Faktoren wie einen funktio-
nierenden Markt für Risikokapital, unternehmerischen Mentoren etc., vgl. o.V. (1999) S. 17, vgl. EU-Studie
(1999); vgl. auch Kaps (2000) S. 18.
8 Vgl. Nerlinger (1998) S. 27-62.
9 Hier sind insbesondere die lnitiierung bzw. Unterstützung von regionalen High-tech-Clustern, beispielsweise
in Mariinsried (Biotechnologie) oder Köln (Multimedia), vgl. McKinsey (2000) S. 5-39, vgl. Lechner (2000), die
Bereitstellung öffentlicher Fördermittel für Gründungskapital, z.B. die Gründung des Marktplatzes für Wag-
niskapital an der Stmtgarter Wertpapierbörse arr. 10.11.98 als Vorbereitung junger Unternehmen auf den
etablierten Finanzmarkt, (vgl. o.V. (1998) S. 30), der Abbau von bürokratischen Hemmnissen, die geogra-
phische Konzentration von technologischen Ressourcen und das Veranstalten von Business Plan Wettbe-
werben zu nennen, vgl. exemplarisch StartUp (1999/2000), NUK (1999/2000), Science-4-Life (1999/2000),
König (1998) S. 8-11, Burscheidt (1998) S. 43; vgl. auch Oakey (1994).

2
schäftsmodell. Erst eine grundlegende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit
diesem Thema schafft die Voraussetzungen für die Erstellung von Handlungs-
optionen und das Ausarbeiten von Heuristiken)O Für das Erreichen von Wettbe-
werbspositionen mit außerordentlichen Erfolgspotentialen in kritischen Zeitfenstern,
z.B. bei der Nutzung von menschlichen Genom-Informationen für spezifische
diagnostische und therapeutische Anwendungen, haben die gewählten Strategie-
konzepte und verfolgten Geschäftsmodelle der Unternehmen eine erfolgskritische
Bedeutung.l1
Die biotechnologische Industrie ist eine junge, fragmentierte Branche mit einer großen
Zahl an innovativen und schnell wachsenden Unternehmen. Das Potential der
zugrundeliegenden Molekularbiologie erscheint gewaltig - sowohl in technolo-
gischer als auch in kommerzieller Dimension. Als neues grundlegendes Paradigma
in der Humanmedizin, der Agro-Lebensmittel-Tierzucht und dem Umwelt-
/Chemiesektor wird die Biotechnologie diese Geschäftsbereiche in der Zukunft stark
verändern oder sogar revolutionieren.l2 Ihre Bedeutung wurde auch am Kapital-
markt deutlich, insbesondere im Jahr 2000, als sich Biotech Unternehmen signifikant
positiver entwickelten als der Durchschnitt von NASDAQ und Dow Jones (siehe
Abbildung 1.2.)

10 Der Begriff Heuristik bedeutet das Aufstellen von Hypothesen als Mittel wissenschaftlicher Forschung. Sie
stellt eine vorläufige Annahme bis zur Falsifizierung dar (siehe Kap. V.l), die zur Erlangung eines besseren
Verständnisses des Themengebietes eingesetzt wird. ·Heuristische Modelle werden vor allem in sozial-
wissenschaftlichen Forschungsgebieten angewandt, in denen im Gegensatz zu den Naturwissenschaften
'wahre' bzw. 'falsche' Aussagensysteme nur begrenzt eindeutig nachgewiesen werden können.
11 Vgl. Kanter, Kao, Wiersema (1997); vgl. Nesheim (1997); Burmester/Vahs (1999), vgl. Sabisch (1999).
12 Der ,Paradigma'-Begriff findet in der Wissenschaft seit Kuhn (erstmals 1962) vielfach Verwendung, insbeson-
dere in Theorien des wissenschaftlichen Wandels der Geistes-, Natur- und Sozialwissenschaften. (1) Defini-
torisch wird Paradigma als Theoriesystem interpretiert, als Normensystem eines Wissenschaftsbildes, das Ziel
und Methodik des spezifischen Untersuchungsansatzes einbezieht. (2) In ökonomischen Arbeiten findet der
Begriff insbesondere bei entwicklungstheoretischen Themen Anwendung, z.B. in der Theorie wirtschaftlicher
Entwicklung und Zyklen (z.B. Kontratieff, Kuznets, Mensch), der Innovationsforschung (z.B. Dosi, Nelson) oder
der Strategieentwicklung (z.B. Münchner-, St. Gallener-Ansatz, Market-based-View, Resource-based-View).
(3) Kuhn, der den Paradigma-Begriff in seinen verschiedenen Bedeutungsdimensionen entscheidend ent-
wickelt hat, argumentiert, daß in der wissenschaftlichen Entwicklung eine neue Theorie die bestehende er-
setzt, ohne auf ihr aufzubauen oder in einer Synthese weiterzuentwickeln. Wissenschaftliche Dynamik und
Fortschritt wird nicht als Aufbau und Synthese einzelner Wahrheitselemente interpretiert, sondern als Folge
gedanklich festgefügter Perioden - oder Paradigmen -, die sich nacheinander ablösen. Wissenschaftlicher
Fortschritt vollzieht sich nach Kuhn sprunghaft und als revolutionärer Prozeß, der in Krisensituationen ein-
setzt, wenn die alte von der neuen Theorie substituiert wird. Die neue Theorie wird zu Beginn des Umbruchs
als 'Anomalie' zur 'normalen' Wissenschaft verstanden. (4) Evolutionäre Modelle im Geist des Kritischen
Rationalismus nach Popper verstehen dagegen Wissenschaft als kontinuierliche Anhäufung von Wissen, das
durch systematische theoretische und praktische Falsifikationsversuche getestet wird - validiert oder im
negativen Falsifikationsfall verworfen. Wissenschaftlicher Fortschritt in Form der kritischen Auseinander-
setzung mit bestehenden Paradigmen(· im Kritischen Rationalismus ist nur eine vorläufige Verifizierung mög-
lich-) wird in diesem Sinne als eine ständige Annäherung an die Wahrheit verstanden. ln der vorliegenden
Untersuchung wird der Kuhn 'sehe Paradigma Begriff verwendet, der in ökonomischen Entwicklungs- und
Innovationstheorien weit verbreitet ist. Zur Paradigma-Diskussion vgl. Popper (1995) S. 177-183; vgl. Popper
(1996) S. 15-45; vgl. Kuhn (1993) S. 79-89,97-100, 171-185; vgl. Störig (1998) S. 687-694; vgl. Behrend (1998) S.
109-129, vgl. Waldmann (1999) S. 16-55, 85-134; vgl. Schurz (1998) S. 1-51.
3
ln 2000 behaupten sich Bieteeh-Unternehmen besser als die übrigen
Hightech-Unternehmen an der Nasdaq

Index
600%

500%
..
400% ..,:·: ~. ~~~~h S&P 400

300% Nasdaq Composite


235%
200% Dow Jones
21 1%
100%

0%
01/1996 01/2001 Zeit

Abbildung /.2: Kapitalmarktperformance von Startups, Biotechs, Großunternehmen im Jahr 2000


Quelle: Datastream

Trotz dieser grundsätzlich positiven Aussichten ist die Zukunft der jungen Biotech-
Unternehmen nicht unproblematisch. Ähnlichkeiten zur Mikroelektronik und Ver-
gleiche zu Industriestandard-setzenden Unternehmen wie Intel, Microsoft oder Cisco,
Sun stehen spezifische Besonderheiten der Technologie und der relevanten Ge-
schäftsfelder gegenüber, die einfache Analogien von Biotechnologie und IT S tartups
als unzureichend erscheinen lassen. Insbesondere die langen Zyklen der Produkt-
entwicklung, die hohen Kosten und die eingeschränkte Erfolgswahrscheinlichkeit
des Forschungsprozesses sind biotechnologische Charakteristika. In ihrer Gesamt-
heit führen sie zu großen Risiken und verlangen einen hohen externen Kapitalbedarf,
der für kleine ressourcenschwache Unternehmen äußerst problematisch sein kann.l3
Diese unterschiedlichen Faktoren führen zur Fragestellung, welche Bedeutung und
langfristige Relevanz dem Phänomen der wachstums- und innovationsstarken
Biotech-Unternehmen zu kommt (siehe Abbildung 1.3).
Unternehmen aus der Biotechnologie haben sich als originäre Forschungsunterneh-
men sehr häufig auf einzelne Segmente der F&E-Wertschöpfungsstufen spezialisiert.
Pharma- und Chemie-Unternehmen, die traditionellen Wettbewerber in den von der
Biotechnologie veränderten Geschäftsbereichen, decken dagegen die gesamte Breite
der Wertschöpfungskette von der Forschung bis zum Vertrieb kommerzialisierbarer

13 Vg l. Longman (1996) 5.48-55; vp;l. Paulson/ Fröhl ich (1998) S. 85.

4
Produkte ab. Diese Konzerne sind jedoch zunehmend an Forschungsleistungen von
Biotech-Unternehmen interessiert, denn innovative biotechnologische Verfahren
eröffnen Chancen, die Produktivität im F&E-Prozeß signifikant zu erhöhen und die
eigene 'Produktpipeline' substantiell zu ergänzen und zu stärken.I4

Welche Relevanz besitzt die Debatte über wachstumsstarke und innovative


Biotech-Unternehmen?

Zentrale
Ansatzpunkte Kernelemente

• Volkswirtschaftliche Bedeutung
Phänomen schnell
wachsender • Entrepreneurship
Unternehmen • lnnovationsgenerierung
Bedeutung eines
• Strategiekonzepte grundlagenden
wissenschaftlichen
• Paradigmenwechsel Verständnisses für
in Life Seiences innovationsgetriebene
Biotach-Untarnahmen
• Biotechnologie als
Industrielle 'SchiOsseltechnologie'
Biotechnologie
• Dynamisches Wachstum
• Industriestruktur
(David vs. Goliath)

Abbildung /.3: Ansatzpunkte des Themengebietes


Quelle: Eigene Darstellung

Nur ein konstanter Strom von erfolgreichen Produkteinführungen, der die hohen
Anforderungen sowohl in der Quantität neuer Medikamente als auch in der
therapeutischen Qualität erfüllt, sichert den nachhaltigen ökonomischen Erfolg und
die Unabhängigkeit der Unternehmen. 15 Eine F&E-Strategie, die eine aktive
Lizensierungs- und Outsourcingpolitik mit intensiven Austauschbeziehungen zu

14 Vgl. Aitken, Lamarre, Silber (1998) S. 29·31; um die hohen Ertragserwartungen der Kapitalmärkte zu erfüllen,
greifen Life-Sciences-Unternehmen zunehmend auf externe Forschungsergebnisse insbesondere im Rahmen
von Lizensierungen zurück, u m genügend Produkte in der Entwicklungspipeline zu haben; vgl. außerdem
Cavalla (1997) S. 37·43.
15 Während Unternehmen wie Merck & Co., Scherin~:- Piollgh. Pfi:er, /&/ und Eli Lilly als selbständ ige Unter·
nehmen erfolgreiche neue Produkte ein führten und Mark tan teile gewonnen haben, ha ben Unternehmen mit
einer schwachen Produktpipeline und geringer Innovationsrate wie Hoechst, Marion , Mcrrill, G/axo, C iba -Gei~y,
Sm ith- Kline, Beecham , Plrarmacia, Rh6ne Poulenc und We/lcome e ine strategische An twort auf das eigene
Wachstumsproblem in Zusammenschlüssen gesucht. Es scheint, daß in der Pha rma-Industrie unte rnehme-
cisehe Unabhängigkeit nur durch erfolgreiche Produktinnovationen und höheren Marktan teil zu erhalten ist.

5
innovativen Biotech-Unternehmen umfaßt, wird für Life-Sciences-Unternehmen
zunehmend zum kritischen Erfolgsfaktor im Wettbewerb.l6

Für die wachstumsstarken Biotech-Firmen17 stellt sich mit Blick auf die beschriebe-
nen strategischen Herausforderungen in Zukunft die Frage, wie sich das eigene Un-
ternehmen im Wettbewerb positionieren soll und welche Geschäftsmodelle sich lang-
fristig erfolgreich entwickeln werden. Es scheint offen, ob die Biotechnologie eine
Machtverschiebung zugunsten der Biotech-Unternehmen, ein kooperatives Zusam-
menspiel oder eine Konsolidierung durch die Life-Sciences-Unternehmen bringen
wird. Die Ergebnisoffenheit der Entwicklung in den biotechnologisch geprägten In-
dustriebereichen und die hohe Dynamik in den Wettbewerbsbeziehungen machen
eine tiefergehende Analyse in der folgenden Untersuchung interessant. Drei grund-
sätzliche Fragestellungen spiegeln das Spektrum der sich abzeichnenden Ent-
wicklungsszenarien (siehe Abbildung 1.4):

• Werden Biotech-Unternehmen als begrenzt agierende 'Forschungsboutiquen' und


erweiterter 'Pool potentieller Produktkandidaten' von großen Life-Sciences-Kon-
zernen übernommen, wie Genentech oder Gen-Probe?18

• Werden Biotech-Unternehmen die lange Entwicklung zu einem über die gesamte


Wertschöpfungskette integrierten Life-Sciences-Unternehmen erfolgreich ab-
schließen, wie Amgen oder Biogen?19

• Werden Biotech-Unternehmen in einer spezialisierten Technologieposition und


einem intensiven Netz kooperativer und kompetitiver Beziehungen zu Life-
Sciences-Unternehmen im Wettbewerb überleben, wie Millennium oder Incyte?20
Nach einer Vielzahl an Gründungen junger Unternehmen in den USA und UK seit
den achtziger Jahren, entstehen vermehrt seit Mitte der neunziger Jahre auch in
Deutschland Biotech-Startup-Unternehmen.21 Die Anzahl der Unternehmensgrün-
dungen hat sich seit 1995 vervielfacht, Venture Capital Investments waren 1999 in
Deutschland erstmals größer als in UK und die ersten Unternehmen haben einen

16 Vgl. auch PWC (1998) S. 2-3; vgl. hierzu beispielhaft eine Untersuchung der Investmentgesellschaft Bank
Vontobel AG, Zürich, zit. in FAZ (1999) S. 27.
17 Die Begriffe 'Unternehmen' und 'Firma' werden in dieser Arbeit synonym verwendet.
18 Das erste börsennotierte Bieteeh-Unternehmen Genenlech wurde 1990 für 2,1 Mrd. USD zu 60% vom Pharma-
/Diagnostikakonzem Rache übernommen, der eine Option zum 30.6.1999 zur vollständigen Übernahme
ausübte (im Anschluß Floating von 17% an NASDAQ), Gen-Probe wurde 1989 als erstes reines Biotech- von
einem japanischen Pharma-Unternehmen übernommen, der Chugai Pharmaceuticals.
19 Arngen und Biosen sind große integrierte Biolech-Konzerne mit NASDAQ-Notierungen und Marktkapitalisie-
rungen von 22,9 Mrd. USD und 10,9 Mrd. USD im Dezember 1999, zu Biogen siehe Fallstudie in Kap. V.3.2.
20 Beide Unternehmen sind Pioniere der neuen Generation von Biotech-Unternehmen, die in den neunziger
Jahren aus der Genomforschung entstanden sind. Eine ausführliche Diskussion findet in den Fallstudien in
Kap. V.3.3. und .3.4 statt.
21 Vgl. Ernst & Young (1999); eine Ausnahme der bis Mitte der neunziger Jahre enttäuschenden unternehme-
rischen Biotech-Bilanz in Deutschland stellt die Qiagen N. V. dar, das 1984 in Düsseldorf gegründet wurde und
im Juni 1996 als erstes deutsches Bieteeh-Unternehmen an die amerikanische Technologiebörse NASDAQ,
ging. Eine detaillierte Fallstudiendarstellung liefert Zaby (1999) S. 62-77.
erfolgreichen Börsengang (!PO) realisiert.22 Die zunehmende Relevanz des Themen-
gebietes, insbesondere auch für die junge deutsche Unternehmensszenerie, verstärkt
die Suche nach einem tragfähigen konzeptionellen Bezugsrahmen, bei dem die beste-
henden wirtschaftswissenschaftlichen Theorie- und Strategieansätze genutzt werden.

Geschäftsmodelle und Entwicklungsszenarien für Biotech-


Unternehmen sind offen

Beispiele

CD "Forschungsboutique" bzw. • Genenlech


"Pool potentieller Produktkandidaten" • Gen-Probe
für große Life Seiences Konzerne

® "Langer Marsch" durch gesamte • Amgen


Wertschöpfungskette zum • Biogen
integrierten bio-pharmazeutischen/
Life Seiences Unternehmen

@"Spezialisierte Technologie- •Millennium


position" mit intensivem Netz •lncyte
kooperativer und kompetitiver
Wettbewerbsbeziehungen

Abbildung I.4: Offene Geschäftsmodelle f ür Biotech-Unternehmen


Quelle: Eigene Darstellung

Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, erste Lösungsansätze zu identifi-


zieren und auszuarbeiten. Das Management der Unternehmensressourcen sowie das
Erarbeiten sinnvoller Markt- bzw. Kooperationsstrategien während der einzelnen
Entwicklungsphasen bilden die zentralen Ansatzpunkte für strategische Betrach-
tungen biotechnologischer Unternehmen. Hieraus e rg eben sich vielfältige offene
Fragestellungen mit strukturellem und inhaltlichem Untersuchungsbedarf, die
sowohl für die Unternehmensführung als a uch die Wissenschaft relevant sind:23

22 Vgl. Ernst & Young (1999); EVCA (1999); zu den Schw ierigkei ten der Biotechnologie in Deutschland und dem
Umschwung Mitte der neunziger Jahre, siehe Kap. 1/.4-5; erfolgreiche deutsche IP O-Biotech-Unternehmen sind
beispielsweise Morphosys, GPC, MediGene oder LION Bioscience, siehe auch Kap. V.2.1.3
23 Für un ternehmerisch h andelnde Akteure sind d ies insbesondere F ra gestellungen nach zukünftig erfolgver-
sprechenden Unternehmensstrategien für forschungsintensive Firmen sowie F ragen nach der Ausgestaltung
von Kooperationen mit Großunternehmen, vgl. Aussagen Euro Biotech F orum 1998; für d ie Wissenscha ft

7
• Fragen nach den spezifischen Strategieparametern für biotechnologische Startup-
Unternehmen differenziert nach Phasen der Unternehmensentwicklung
• Fragen insbesondere nach der Sinnhaftigkeit und der erfolgreichen Konstruktion
von Kooperationsvereinbarungen von Biotechnologie- und Life-Sciences-Unter-
nehmen
• Fragen nach unterschiedlichen Entwicklungspfaden und daraus ableitbaren
strategischen Optionen junger Biotechnologie-Unternehmen
• Fragen nach einer Generierung von geeigneten Geschäftsmodellen für junge bio-
technologische Unternehmen

Ziel der Untersuchung ist das Erarbeiten eines Orientierungsrahmens


sowie die Generierung und Modifizierung von Thesen zur Strategie-
konzeption von Bieteeh-Unternehmen

Offene Fragestellungen

• Welche Strategieparameter sind für den Ziel der Arbeit


Erfolg von Biolech Unternehmen
• Einordnen des Themenkomplexes in
entscheidend?
den wissenschaftlichen Forschungs-
stand
• Wie sinnvoll sind Kooperationen von
• Erarbeiten eines konzeptionellen
Biolech und Life Seiences Unternehmen?
Orientierungsrahmens für ein
holistisches Verständnis der Biolech
• Welche strategischen Entwicklungspfade spezifischen Strategieparameter
gibt es für Biolech Unternehmen?
• Weiterentwickeln des theoretischen
Kenntnisstandes durch explorativ-
• Können nachhaltige Geschäftsmodelle in empirische Erkenntnisse im Yin'schen
einem dynamischen Wettbewerbsumfeld Sinne und präzisieren von Arbeits-
generiert werden? hypothesen

Abbildung !.5: Problemstellung und Untersuchungsziel der Arbeit


Quelle: Eigene Darstellung

In der vorliegenden Untersuchung soll ein Beitrag zur Beseitigung eines Konzep-
tionalisierungsdefizits geleistet werden. Zur Annäherung an den Untersuchungs-
gegenstand wird eine Sondierung verschiedener theoretischer Ansätze und
Erkenntnisse aus der betriebswirtschaftliehen Forschung vorgenommen, die An-
satzpunkte für ein Strategiekonzept darstellen, das für die spezifischen Herausforde-

wird vor allem die Notwendigkeit der Überwindung eines Theoriedefizits bei der Analyse strategischer Kon-
zepte diagnostiziert, vgl. Langman (1995/1998).

8
rungen biotechnologischer Unternehmen anwendbar ist. Ziel der Untersuchung ist
es, eine konzeptionelle Darstellung des Problemfeldes zu erarbeiten, in der bisherige
Erkenntnisse zum Themenfeld aufgearbeitet und in einen originären Struktur-
ierungsvorschlag integriert werden. Eine explorative empirische Untersuchung
führt zu einer Modifizierung des theoretischen Bezugsrahmens und einer
Präzisierung von Arbeitshypothesen für weiterführende Forschungsarbeiten (siehe
Abbildung 1.5).

2 Gang der Untersuchung


Der Untersuchung zum Problemfeld strategischer Konzeptionen für Biotechnologie-
Unternehmen liegt der wissenschaftliche Kanon eines deskriptiven, theoretischen
und empirischen Forschungsziels zugrunde (siehe Abbildung 1.6).24 Das normative
Forschungsziel ist für Anwendungen in den Wirtschaftswissenschaften sehr proble-
matisch. Im Sinne des 'Wertefreiheitsprinzips' werden in der vorliegenden Unter-
suchung keine normativen Aussagenzusammenhänge gebildet.25 Der empirische
Fokus dieser Arbeit liegt auf einer Exploration des Begründungszusammenhangs des
definierten Themengebietes. Im empirisch-explorativen Untersuchungsabschnitt
wird das Ziel verfolgt, die in der Theoriedebatte generierten Hypothesen, die als em-
pirische Ausgangsfragestellungen dienen, zu modifizieren. Die Untersuchung stellt
somit nicht auf eine explikative Validierung der Thesen ab, die nur in einem groß-
zahligen empirischen Ansatz und bei Existenz ausreichender theoretischer und em-
pirisch-explorativer Arbeiten sinnvoll erscheint. Das explorative Design dient aus-
schließlich der Verbesserung und Modifizierung des theoretischen Bezugsrahmens
ohne eine Falsifizierung des Strategiekonzeptes vorzunehmen.26

Zusätzlich wird der Untersuchung eine klare Anwendungsorientierung im Sinne


Schmalenbachs zugrunde gelegt.27 Theoriebildung und Erkenntnisgewinn stellen
demnach keinen wissenschaftlichen Selbstzweck auf der Suche nach formalen Wahr-
heitssätzerr dar, sondern stehen unter der Prämisse der Gestaltungsrelevanz für die
Unternehmerische Realität.28 Für die vorliegende Untersuchung bedeutet dieser
Anspruch eine signifikante Berücksichtigung und Reflexion der theoretischen

24 Vgl. Chmielewicz (1994) S. 8-18; vgl. Ulrich/Hill (1979) 5.181-186.


25 Die Frage der Werturteilsdimension hat konstitutiven Charakter für eine wissenschaftliche Arbeit, da sich
wertfreie und normative Wissenschaftsansätze in ihrem Anspruch und der inhaltlichen Ausgestaltung grund-
legend unterscheiden. Die vorliegende Untersuchung unterliegt dem Anspruch der Werturteilsfreiheit im Aus-
sagezusammenhang. Das philosophische Wissenschaftsziel wird aus diesem Grund für die vorliegende Unter-
suchung ausgeklammert (siehe Kap. V. 1).
26 Siehe vertiefend Kap. V.l.
27 Neben der gestaltungsorientierten Konzeption von Schmalenbach, auch empirisch und wertfrei in ihrem Selbst-
verständnis, existieren eine normativ-wertende (Nicklisch) und eine theoretische Richtung (Schmidt, Rieger,
Gutenberg) in der Betriebswirtschaftslehre, vgl. Wähe (1990) S. 68-73., vgl. Raffee (1974) S. 64-78.
28 Vgl. Abel (1979a) S. 138-160: "Die Aufgabe der angewandten Wissenschaft ist es, das Wissen so zu struktu-
rieren, daß es zur· Lösung praktischer Probleme direkt verwertbar ist. Diese praktischen Probleme sind die
Befriedigung von kognitiven Bedürfnissen im Rahmen der Aufklärung und die Verbesserung unseres Han-
deins im Rahmen der Gestaltung", derselbe (1979) S. 158; zur Konzeption einer gestaltungsorientierten Be-
triebswirtschaft detailliert bei Raffee (1974) S. 79-144.

9
Erkenntnisse auf ihre praktische Anwendbarkeit. Nur bei klarer Problembezogen-
heil zur realen Unternehmenssituation wird die Sinnhaftigkeit der Untersuchung,
einen Erkenntnisbeitrag zum Erkenntnisobjekt 'innovativer und schnell wachsender
Unternehmen in der Biotech-Industrie' zu leisten, gewährleistet.

Dimensionen von
Forschungszielen Kernpunkte
-------------------------------------
r------------------------------------
1 Deskriptiv • Klärung von Definitionen, Grundlagen :
I • Basislegung für theoretische Aussagen 1
I I
I
1 Theoretisch • Bildung von Aussagen, Axiomen,
I Modellen, Theoremen
I
• Erklärung von Ursache-Wirkungs-
I
I Zusammenhängen
I
: Empirisch • Exploration des Begründungszusammenhanges
1 und Modifizierung der theoretischen Ausgangs-
~ ____________ ~~:_s~l~~g _________________ _ 1
• Explikative Validierung von Ursache-Wirkungs-
Zusammenhängen in der Realität durch
empirisch quantitative Untersuchungen

Normativ • Formulierung von Werturteilen im Aussage-


zusammenhang
• Abgabe normativer Handlungsempfehlungen für
die Praxis

Abbildung 1.6: Dimensionen wissenschaftlicher Forschungsziele nach Chmielewicz (1994)


Quelle: Eigene Darstellung

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel. Nach einer thematischen Ein-
führung und Klärung der zentralen Fragestellungen der Arbeit in Kapitel I. wird in
Kapitel II. das Technologiekonzept 'Biotechnologie' als industrieller und strategischer
Rahmen für Unternehmen erörtert. Neben einer Grundlagenklärung liegt der Fokus
auf einer Analyse der Wertschöpfungsstufen in den Life Sciences. Ein tieferes Ver-
ständnis der verschiedenen Phasen im F&E-Prozeß liefert die Basis für differenzierte
Aussagenhypothesen und strategische Ansatzpunkte von biotechnologischen Unter-
nehmenskonzepten. Eine Darstellung der Geschäftsfelder und ihre kommerzielle
Bedeutung wird durch eine Risikobetrachtung der Biotechnologie zusätzlich vali-
diert und erweitert. Die Akzeptanzproblematik beeinflußt die Kommerzialisierungs-
chancen von Biotech-Unternehmen und ist folglich für ein holistisches Strategie-
konzept von Bedeutung. Eine Darstellung der industriellen Entwicklung der
Biotechnologie wird durch die Generierung von industriespezifischen Anforde-
rungen und strateeischen Rahmenbedingungen abgeschlossen. Diese bilden eine
differenzierte Untersuchungsgrundlage für ein Orientierungskonzept von Unter-
nehmen dieser Branche.

10
In Kapitel III. werden betriebswirtschaftliche Erklärungsansätze diskutiert, die zur
Entwicklung eines strategischen Orientierungskonzeptes beitragen. Es werden drei
grundlegende Argumentationslinien erörtert: Innovationsansätze, Entrepreneurship-
Ansätze sowie die markt- und ressourcen-orientierten Strategiekonzepte. Innova-
tionsansätze dienen zum Verständnis des Innovationsphänomens und der Innova-
tionsgenerierung als Basis des Erfolgs insbesondere von High-tech-Unternehmen.
Von besonderer Relevanz erscheinen Beiträge zurEntrepreneurship-und Strategie-
debatte. Die Ausprägungsform des für die Biotechnologiedebatte relevanten schnell
wachsenden innovativen Startups auf Basis einer differenzierenden Typologisierung
stellt die Grundlage der weiteren Untersuchung dar. Einen Schwerpunkt der theo-
retischen Entrepreneurship-Analyse nehmen die funktionalen und verhaltenswissen-
schaftlichen Gründungskonzepte, eine Erörterung der relevanten Zielsysteme und
eine Darlegung der unterschiedlichen Entwicklungsphasen von Startup-Unter-
nehmen ein. In der Strategiedebatte werden die unterschiedlichen Konzepte von
Market-based-View (MbV) und Resource-based-View (RbV) intensiv beleuchtet und
auf ihre Konzeptionalisierungsrelevanz für ein zu generierendes Biotech Strategie-
konzept analysiert._ Die markt- und ressourcen-orientierten Argumentationslinien
geben Anhaltspunkte für einen strategischen Orientierungsrahmen für Biotech-
Unternehmen.
In Kapitel IV. werden die bisherigen Erkenntnisse der industriespezifischen Biotech-
nologie und der betriebswirtschaftlich-theoretisch en Perspektive zu einem holisti-
schen Orientierungskonzept zusammengefaßt, das als Grundlage der explorativen
Untersuchung in Kapitel V. dient. Neben ressourcen-und markt-orientierten Strate-
gieparametern, werden 'Kooperationen' und das 'Geschäftsmodell' als weitere Para-
meter des Konzeptes synthetisiert, da ihnen eine spezifische und sehr bedeutsame
Funktion im Strategiekanon von Biotech-Unternehmen zukommt. Entlang der
einzelnen Parameter werden Thesen aufgestellt, die in Kapitel V. an explorativen
Erkenntnissen gespiegelt werden.
In Kapitel V. werden auf den theoretischen Erkenntnissen des erarbeiteten Strategie-
konzeptes aufbauend in einer empirisch-explorativen Analyse konkrete Ansatz-
punkte für die Erweiterung des Kenntnisstandes zu Strategiekonzepten von Biotech-
Unternehmen untersucht. Ein eigenständiger Methodikabschnitt gewährleistet eine
wissenschaftliche Einordnung der explorativen Erkenntnisse. Die empirisch-explo-
rative Arbeit basiert auf einer detaillierten Gründererfahrung bei dem Biotechnologie
Startup-Unternehmen Molecu/ar Machines Industries (MMI GmbH)29, verschiedenen
Betreuer- und Juror-Funktionen in den Business-Plan-Wettbewerben NUK, StartUp
und Science-4-Life, persönlichen Tiefeninterviews mit Entscheidungsträgern aus den
Zielgruppen der Biotechnologie-, Pharma- und Venture Capital Industrie sowie acht
ausführlichen Fallstudien, in denen spezifische Unternehmensentwicklungen analy-
siert werden. Die Erkenntnisse aus den Experteninterviews werden entlang des in
Kapitel IV. generierten Orientierungskonzepts diskutiert. Eine Analyse unternehme-
rischer Fallstudien wird in 'within-' und 'cross-case'-Auswertungen vertieft.

29 Handelsregisterbucheintrag HRB Nr. 5983, Amtsgericht Heidelberg.

11
Zusammenfassung und abschließende Bewertung führt in Kapitel VI. zu einer Modi-
fizierung der entlang des Orientierungskonzeptes aufgestellten Thesen. Neben
einem Ausblick auf zukünftige Wettbewerbsentwicklungen werden auf Basis der
Untersuchung Handlungsempfehlungen für Biotech-Unternehmen gegeben sowie
Anhaltspunkte identifiziert, die für eine weiterführende Forschung im Themengebiet
sinnvoll erscheinen.
Diese Konzeptionalisierung stellt den umfassenden Versuch dar, die Schnittstelle
zwischen Betriebswirtschaft und dem speziellen Themengebiet der Life Seiences mit
Ansatzpunkten zu einem aus theoretischer und explorativer Analyse hervorgegan-
genen holistischen Strategieansatz zu schließen. Mit der Untersuchung wird ein
Beitrag zur Präzisierung des aktuellen theoretischen Kenntnisstandes im Yin 'sehen
Sinne angestrebt, der in weiteren Forschungsanstrengungen als Grundlage für empi-
risch-quantitative Arbeiten dienen kann. Die Exploration des Begründungszusam-
menhangs a ls Z iels etzung der vorliegenden Arbeit unterstützt somit durch Verfeine-
rung und Modifizierung der E i ngangshypothesen eine explikative Validierung von
Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen in nachfolgenden großzahligen Untersu-
chungen (siehe Abbildung 1.7) .

Kap. I Kap. II + 111 Kap. lll +IV Kap. V Kap. VI


Erarbeiten der Speziflache Theoretische Empirische-
zentralen Frage- Rahmenbedln- Erkenntnisse zur exploratlve Analyse Modifizierter
atellungen der gungen der Bio- Hypotheeen- dee strateglachen Bezugsrehman
Untersuchung tech-lnduatrle generlerung K onzeptee

Kernpunkte

• Offene Frage- • Wertschöpfungs- i• Innovationsansatze • Methodik • Modifizierung des


Stellungen prozess i• Entrepreneurship- • Exploratives Design strategischen Orien-
• Struktur der • Geschäftsfelder i Ansätze - Experteninterviews tierungskonzeptes
Untersuchung • Unternehmens- :• Resource-based-View -Fallstudien • Ausb~ck auf zukünf-
• Abgrenzung struktur i• Market·based-View - GrOndererfahrung tige W ettbewerbs-
der Unter- • Biotech-spezifische: • Erster Bezugsrahmen • Synopsis Fallstudien- entwicklungen
suchunQ Rahmen- ' analyse
bedingungen
Z1e le

• Klarung der • Klarung von : • Kritische Würdigung • Exploration des Be- • Generierung von
zentralen industriespezi- i des th eoretischen grOndungszusam- strategischen Hand-
Problem- fischen Anforde- : K enntnisstandes menhangs lungsoptionen
stellung der rungenfür i• Generierung eines "Strategiekonzepte • Erarbeitung von An-
Arbeit strategisches : strategischen Orien- von Biotech- sätzen fOr weiler-
Orientierungs- ' lierungskonzeptes U nternehmen" füh rende Forschung
konzept für Unternehmen in • Präzisierung von
der Biotechnologie Arbeitshypothesen

Abbildun:< 1.7: Unler> uchun:<sa ufbau der Arbeit

Quelle: Eigene Darstellung

12
3 Abgrenzung des Themas
Die vorliegende Arbeit zielt auf eine Erweiterung des theoretischen Kenntnisstandes
zu Strategiekonzepten für wachstumsstarke und innovationsgetriebene Biotech-
Unternehmen. Das Untersuchungsdesign ist nicht quantitativ-explikativ ausge-
richtet und stellt somit auch keine ausreichende Validierung oder Testung von
Hypothesen oder Diskussion von Erfolgsfaktoren dar. Dieses Vorhaben bleibt einer
explikativen großzahligen Untersuchung an anderer Stelle vorbehalten. 3D
Die hohe Spezifizität der Biotech-Branche und die hohe Komplexität der Technologie
erschweren eine Annäherung an dieses Themengebiet und gestalten vereinfachende
Vergleich zu anderen Branchen wie IT /Internet problematisch. Die detaillierte
Diskussion der biotechnologischen Rahmenbedingungen fundiert aus diesem Grund
den Ausgangspunkt für die Konzeptionalisierung der Biotech-spezifischen Ansatz-
punkte, mit der Absicht, Erkenntnisse zu generieren, die deutlich über allgemein-
generische Ansätze hinaus gehen. Im Verlauf der Untersuchung wird deutlich, daß
die Humanmedizin das stark dominierende Geschäftsfeld für Biotech-Unternehmen
darstellt. In der Folge liegt der Schwerpunkt der Untersuchung auf diesem Ge-
schäftsfeld, das die Biotech-Unternehmen auf absehbare Zeit hinaus entscheidend
prägen wird. Erkenntnisse zu den Feldern Agro-Lebensmittel-Tierzucht und
Umwelt/Chemie werden bei Bedarf ergänzt, sie stehen allerdings nicht im Mittel-
punkt der Arbeit.
Die Auswahl der theoretischen Ansätze orientiert sich am Bedeutungsbeitrag und
Erkenntnisfortschritt bei der Erarbeitung eines holistischen Orientierungskonzeptes.
Im Fokus der betriebswirtschaftliehen Erklärungsansätze stehen Innovations-,
Entrepreneurship-, Markt- und Ressourcen-orientierte Ansätze. Aspekte aus netz-
werktheoretischen Überlegungen werden punktuell thematisiert ohne jedoch einen
Schwerpunkt der theoretischen Analyse darzustellen.

30 Siehe Methodik der Untersuchung in Kap. V.l.

13
Die Biotechnologie wird die nächste Kontratieff
Kurve Jiir wirtschaftliche Wertentwicklung sein
Fondsmanager Technologiefonds DWS

li. Biotechnologie als Technologiekonzept der Life Seiences -


Grundlagen, industriespezifische Anforderungen und
strategische Rahmenbedingungen für Unternehmen
In diesem Kapitel wird das spezifische technologische Umfeld analysiert, in dem
Biotech-Unternehmen operieren. Neben einem grundlegenden Verständnis der Bio-
technologie eröffnet die Analyse der Wertschöpfungskette in den Life Seiences sowie
die Darstellung der Geschäftsfelder die Möglichkeit, marktliehe Chancen und unter-
nehmerische Entwicklungsperspektiven profunde zu beurteilen. Nelson/Winter
bezeichnen diesen Rahmen, der die notwendige Basis für die Analyse der spezi-
fischen strategischen Gestaltungsperspektiven der Biotech-Unternehmen bildet, als
'technological regime'.31
Deutlich wird auch die Bedeutung der Ressourcenbasis für Biotech-Unternehmen,
vor allem bei Humankapital, finanziellen und intangiblen Ressourcen. Der Abschnitt
zu den Gefahrenpotentialen und Akzeptanzproblemen in der Gesellschaft erweitert
den Fokus der Technologiebetrachtung. Diese Problemfelder dürfen bei einer nach-
haltigen Unternehmerischen Strategieformulierung nicht ignoriert werden, insbeson-
dere nach den negativen Erfahrungen der kommerziellen Biotechnologie in den
achtziger Jahren in Deutschland.32 Die aktuellen Entwicklungen im Biotech
Geschäftsfeld der 'Agro-Lebensmittel-Tierzucht' (AgBio) zeigen, daß die kritischen
Aspekte der Biotechnologie für den Endkonsumenten bzw. Patienten bei einer
holistischen Betrachtung strategischer Entwicklungsmöglichkeiten nicht unterschätzt
werden darf. Eine Vernachlässigung dieser Perspektive führt zu gefährlichen
Geschäftsrisiken wie das Beispiel Monsanto offenbart.33
Abschließend werden die industriespezifischen Anforderungen für Unternehmen
und ihre strategischen Rahmenbedingungen erörtert. Dies legt die Grundlage für die
differenzierte Erörterung eines Strategiekonzeptes für Biotech-Unternehmen in den
folgenden Kapiteln.

1 Grundlagen und Definitionen der Biotechnologie


(1) Begriffliche Grundlagen
Biotechnologie ist das umfassende Arbeitsgebiet, bei dem "biologische Prozesse im
Rahmen technischer Verfahren und Produktionen <behandelt werden> [A.d.V.]. Sie
ist eine anwendungsorientierte Wissenschaft der Mikrobiologie und Biochemie in

31 Vgl. Nelson/Winter (1982).


32 Vgl. Ollig/Ries (1995).
33 Monsanto bemühte sich lange Zeit vergeblich, seinen AgBio-Geschäftsbereich trotz Marktführerschaft zu
verkaufen, siehe Kap. /I. 3.4.

15
enger Verbindung mit der technischen Chemie und der Verfahrenstechnik"34. Bio-
technologie bedeutet die Nutzung biologischer Systeme zur Gewinnung von Zell-
masse, zur Gewinnung von Stoffwechselprodukten und zur Nutzung von spezifi-
schen Leistungen.35 Einen zeitlichen Überblick der wichtigsten Phasen in der Bio-
technologie bietet Tabelle II.l.
Zeitraum Entwicklungs- Verfahren Produkte
tendenzen
Vor 1865 Traditionelle Nutzung - Alkoholische Gärung -Wein, Bier
Prä- der Biotechnologie bei der -Milchsäure Gärung -Käse, Sauerteig, Joghurt
Pasteur Herstellung von -Essigsäure Gärung -Essig
Nahrungsmitteln
1865- 1940 Biotechnische Verfahren -Fermentation -Butanol, Aceton, Ethanol
Pasteur ohne absoluten Aus- - Oberflächenkultur -Zitronensäure
schluß von Fremdkeimen -Aerobe - Bäckerhefe, Futterhefe
Abwasserklärung
- Biomasse Herstellung
1940- 1960 Biotechnische Verfahren -Steril-Technik -Spezifische Antibiotika
Antibiotika unter Ausschluß von -Submers-Verfahren (z.B. Penicillin)
Fremdkeimen und mit -Tierische Zellkulturen - Breitband Antibiotika
selektionierten Stämmen - Mikrobielle (z.B. Tetracycline)
Stoffumwandlungen - Virus- Impfstoffe
-Steroide (z.B. Cortison)
-Vitamine (z.B. B 12)
-Ovulationshemmer
1960- 1975 Integration und - Mikrobiologische - Einzeller-Protein (SCP)
Post- Anti- Anwendung wichtiger Herstellung von -Enzyme (Waschmittel)
biotika Forschungsergebnisse aus Biopolymeren -Polysaccharide
Naturwissenschaften und - Immobilisierung von (Xanthan)
Technik in der Enzymen - Fructose-Sirup
Biotechnologie und Zellen (Isomerase)
-Anaerobe -Biogas
Abwasserklärung -Industrie-Alkohol
- Alkoholische Gärung (Gasohol)
ab 1975 Konstruktive - Hybridoma-Technik - Monoklonale Antikörper
Moderne Optimierung von Zellen - Gentechnik - Rekombinante
Bio- und vorhersagbare (Genetic Engineering) Impfstoffe
technologie Bioprozeß-Technologie -Therapeutische
Humanproteine

Tabelle II.l: Historischer Abriß der Biotechnologie36


Quelle: In Anlehnung an Fonds der Chemischen Industrie (1989), S. 7

Die der modernen Biotechnologie zugrunde liegende Basiswissenschaft ist die Moleku-
larbiologie. Als Begriff erstmals in den dreißiger Jahren geprägt, eröffnet sie ein
neues wissenschaftliches Feld, bei dem die Anwendung von chemischen und physi-

34 Definition der DECHEI\IA zitiert in Diekmann/Metz (1991) S. 2.


35 Vgl. Diekmann/Metz (1991) S. 6-7.
36 Vgl. Kornberg (1995) S. 5-9; vgl. Diekmann/Metz (1991) S. 9-11, vgl. leitelman (1994) S. 156-160, vgl. Pisano
(1997) s. 52-57.

16
kalischen Methoden bzw. Erkenntnissen zu einer verbesserten Erforschung zentraler
biologischer Fragestellungen führte. Dieser interdisziplinäre Austausch zwischen
Physikern, Chemikern und Biologen gestaltete sich sehr fruchtbar und produktiv. Er
ebnete den Pfad zu den entscheidenden wissenschaftlichen Durchbrüchen, die zur
Entdeckung der DNA (Desoxyribo-Nuclein-Acid) durch Watson und Crick im Jahr
1953 führten.37 Die darauf folgende tiefere Erforschung ihrer chemischen und physi-
kalischen Eigenschaften und Funktionsweisen eröffnete das revolutionäre Möglich-
keitenspektrum einer in den evolutiven Prozeß eingreifenden Schlüsseltechnologie -
der Gentechnologie.38 Die moderne Biotechnologie stellt den Schwerpunkt der
vorliegenden Untersuchung dar. Ihre revolutionären molekularbiologischen Ver-
fahren und die daraus generierbaren Ergebnisse, z.B. monoklonale Antikörper,
rekombinante Impfstoffe, therapeutische Humanproteine und gentherapeutische
Behandlungen, bilden das Kommerzialisierungspotential der Biotechnologie-Unter-
nehmen seit Ende der siebziger Jahre. Das enorme und in seiner Reichweite kaum
abschätzbare wissenschaftliche und wirtschaftliche Potential, macht die Gentechno-
logie und damit die moderne Biotechnologie zu einer elementaren Technologie im
ausgehenden 20. Jahrhundert.39
Die von der molekularbiologischen Forschung beeinflußten, veränderten und neu
definierten Geschäftsbereiche werden als Life Seiences bezeichnet. Der Begriff wird in
dieser Untersuchung nicht als implizite Strategie verstanden, nach der ein Zusam-
menwachsen der biotechnologischen Geschäftsfelder Humanmedizin und Agro tech-
nologische und marktliehe Synergien generiert bzw. die einzig gestalterische Ant-
wort von Unternehmen in diesen Feldern sein kann.40 Sie eröffnen einen weiten

37 Insbesondere die Nutzung der Röntgenuntersuchungen zur Struktur der DNA von Rosalinde Frank/in führten
zu einer quantitativen Verifizierung theoretischer Forschungshypothesen. Wichtige Beiträge lieferten Linus
Pauling, Niels Bohr, Erwin Schrödinger, Leo Szilard, Oswald Avery und insbesondere Max Delbrück und dessen
'Phage Gruppe', vgl. Watson (1997) S. 199-200, vgl. Teileiman (1994) S. 181-182.
38 Watson/Crick gelten als Begründer der modernen Biotechnologie. 1962 erhielten sie zusammen mit M.F.
Wilkins für die Entdeckung der DNS-Struktur den Nobelpreis für Medizin. Den Wettlauf um die Entdeckung
der DNS-Struktur hat Watson erstmals 1968 unter dem Titel "The double helix" dargelegt, vgl. Watson (1997).
Watson betrieb von 1968-1988 das NIH Institut für Molekularbiologie in Cold Spring Harbor, USA. Er war
Mitbegründer und erster Leiter des Human Genom Projects (HGP). Ein von Watson gleichfalls initiiertes
Museum der DNA und Gentechnik hat bereits sehr früh zu einer sachlichen Information über Chancen und
Risiken dieser Technologie beigetragen. Er ist damit gleichfalls ein Pionier unter den Wissenschaftlern, die
sich zu wenig in der Akzeptanzdiskussion der Biotechnologie in der Gesellschaft beteiligt haben. Zur
Akzeptanzdebatte in Deutschland, vgl. Ollig/Ries (1995) S. 9-14.
39 Vgl. OECD (1989) S. 48-49.
40 Diese Integrationsstrategie für Life-Sciences-Geschäftsfelder wurde erstmals von Monsanto in den neunziger
Jahren verfolgt, dann auch von Aventis und Novartis angewandt. Der wirtschaftliche Erfolg gilt aber zuneh-
mend als zweifelhaft: Monsanto schloß sich Ende 1999/2000 mit Pharmacia & Upjohn zusammen, wobei die mit
dem Namen 'Monsanto' verbundenen AgBio-Aktivitäten als 'Belastung' des neu-zusammengeschlossenen
Unternehmens 'Pharmacia' bewertet wurden. Das AgBio-Geschäft stand ab Frühjahr 2000 zur Disposition.
Am 18.10.2000 wurden 14% des Kapitals der neuen Gesellschaft 'Monsanto', in der alle AgBio und AgChem-
Aktivitäten gebündelt wurden, zu einer Bewertung von 5 Mrd. USD wieder an die Börse (NYSE) geführt.
Wachsende öffentliche Proteste gegen die Verwendung von genetisch verändertem Saatgut (siehe Kap. II.4)
hatten zu einem sehr zurückhaltenden Anlegerinteresse geführt, so daß der Emissionspreis mit 20 USO sogar
unterhalb des Zielkorridors von 21-24 USD lag, vgl. o.V. (20001) S. 25, vgl. www.monsanto/investors/news.
Novartis und AstraZeneca haben ihre AgBio und AgChem Geschäftsfelder ebenfalls im Frühjahr 2000 unter
dem Namen 'Syngenta' zusammen gelegt (ca. 7,3 Mrd. USD Umsatz in 1999) und das neue AgBio-
Unternehmen im November 2000 als 'Spin-off' an den Kapitalmarkt gebracht.

17
Anwendungshorizont und umfassen Bereiche aus Humanmedizin, Agro-Lebens-
mittel-Tierzucht (AgBio) und Umwelt/Chemie. Die Gentechnologie- respektive die
moderne Biotechnologie- kann somit als Querschnittstechnologie definiert werden.
Die Gentechnologie als Verfahrenstechnologie innerhalb der Biotechnologie umfaßt
"alle Methoden zur Isolierung, Charakterisierung und gezielten Veränderung und
Übertragung von Erbgut".41 Ziel ist die Veränderung oder Herstellung organischer
Stoffe, Mikroorganismen, pflanzlicher oder tierischer Zellkulturen sowie isolierter
Enzyme in gesteuerten industriellen Produktionsverfahren.42 Dieses Handlungsziel
entstand nicht erst durch die Gentechnologie, sondern ist bereits Grundlage der tra-
ditionellen Biotechnologie bei der Herstellung von Käse, Wein, Bier und Brot sowie
der Züchtung von Pflanzen und Tieren mit gewünschten Merkmalsänderungen nach
den Mendel'schen Vererbungsregeln.43
Die revolutionäre Neuerung der Gentechnologie besteht in der gezielten Isolierung
und Neukombination von Erbmaterial, das durch eingesetzte Trägerorganismen
(i.d.R. Bakterien) in andere Lebewesen übertragen werden kann, ohne an Artgrenzen
der Organismen gebunden zu sein.44 Dieses als ,In-vitro-Neukombination' bezeich-
nete Charakteristikum ermöglicht es, die evolutionären Grundprinzipien, die zu-
fällige Mutation des Erbmaterials und die Selektion erfolgreicher Spezies durch die
Umwelt, zu manipulieren und gezielt einzusetzen. Die DNA-Doppelhelix enthält
den genetischen Bauplan jeder organischen Lebensform, der für Merkmale und bio-
chemische Abläufe im Organismus konstituierend ist. Sie ist die stoffliche Grund-
lage der Erbinformationen in Zellen, aus denen alle Proteinmoleküle unabhängig von
ihrer Funktion synthetisiert werden. Die DNA ist somit der Anfang der molekular-
biologischen Ereignisse in jedem Lebewesen.45

(2) Entwicklungsschritte der modernen Biotechnologie


Gentechnologische Verfahren eröffnen die Möglichkeit, Merkmals- und Ablaufver-
änderungen im Erbgut vorzunehmen und somit gestaltend in evolutive Prozesse
einzugreifen. Gentechnik ermöglicht eine "Evolution in Zeitraffer".46 Die grund-
legenden Entwicklungsschritte, die die Gentechnologie zu einer Schlüsseltechnologie
mit großem kommerziellen Potential gemacht haben, reichen von der Struktur-
aufklärung der DNA durch Watson/Crick 1953 über die Entwicklung der Polymerase-
Kettenreaktion (PCR), einer DNA Amplifikationstechnik, die 1985 von Murris
entwickelt wurde bis zum Human Genome Project (HGP), das 1986 begann und im

41 Schell/Mohr (1995) S. 1.
42 Vgl. Gassen/Bertram (1990) S. 14.
43 Vgl. Rehm/Präve (1987) S. 1-5.
44 Vgl. Gassen/Bertram (1990) S. 15.
45 Vgl. Friemert (1996) S. 39-48.
46 Gassen/Bertram/Martin (1987) S. 28.
18
Jahr 2000 erstmals zur Sequenzierung von rund 90% des menschlichen Genoms
führte (siehe Abbildung II.1).47

Erste signifikante Meilensteine in der Biotech-Forschung wurden


in den Siebziger Jahren erzielt

Meilensteine der modernen


biotechnologischen Wissenschaftler/
Jahr Forschung Institutionen
1953 Strukturaufklärung der DNA Watson/Crick
(USA/UK)

1973 ln-vitro-DNA-Rekombination Cohen/Boyer (USA)


Technologische Basis
1975 Herstellung monoklonaler Köhler/Milstein für Bieteeh-
Antikörper (CH/UK) Unternehmen der
ersten Generation
1977 DNA-Sequenzierung Sanger (USA)

1985 PCR Entwicklung Murris (USA) Technologische Basis


für Biolechs der
1986 Beginn des Human Genome Human Genome aktuellen Generation
Projects (HGP) Organisation (HUGO) • (Functional) Genemies
• Proteemies
2000 Rund 90% des menschlichen Celera • Pharmacogeomics
Genoms entziffert Genomics/HUGO • Bioinformatic

Abbildung 11.1: Grundlegende Entwicklungsschritte der modernen Biotechnologie


Quelle: Eigene Darstellung

Die neuen Techniken, vor allem die DNA Rekombination, DNA Sequenzierung und
monoklonale Antikörperherstellung eröffneten ab Mitte der siebziger Jahre ein riesi-
ges technologisches Anwendungspotential.48 Rekombinante DNA Techniken ermög-
lichten das Einsetzen eines fremden Gens oder Genabschnitts in einen anderen
artfremden Organismus, bei dem die Eigenschaften des fremden Gens in die eigene
genetische Struktur integriert wird. Auf diese Weise kann z.B. anhand des einge-
bauten genetischen Codes ein Protein in dem neuen Organismus, i.d.R. ein Bakte-

47 Zur Geschichte der Gentechnologie vgl. z.B. Brocks/Schulte (1987) S. 13·19; obwohl K. B. Mrmis für seine
Arbeiten zur PCR-Technik 1993 der Nobelpreis verliehen wurde, wird seine eigentliche Urheberschaft dieser
für die moderne Biotechnologie sehr wichtigen Technik bezweifelt. PCR-Amplifikationen wurden bereits
1969 von K. Kleppe angewandt, vgl. Kornberg (1995) S. 236-241. Die kommerziellen Rechte an der PCR-
Technik wurden von der Biolech-Firma Chiron nach Übernahme des biotechnologischen Pionierunternehmens
Cetus für 300 Mio. USO an Roche verkauft. Das Pharma-Unternehmen sicherte sich einen Multi-Milliarden-
Dollar-Markt für seine molekulare Diagnostik. Der Zugang zu dieser Technik wurde durch Roche's Quasi-
Monopol deutlich eingeschränkt, vgl. Diller (1998) S. 45-53.
48 Vgl. Brocks/Schulte (1987) S. 39-43

19
rium, hergestellt werden.49 Das Bakterium als fremder Organismus bildet dann eine
natürliche Produktionsstätte für Proteine eines anderen, des menschlichen Organis-
mus. Bakterien, vor allem das Escherichia coli Bakterium, sind die sehr häufig ver-
wendeten Expressionssysteme für rekombinante Proteine. So können komplexe und
große menschliche Proteinstrukturen wie Humaninsulin, Wachstumshormone oder
Interleukine durch Bakterien produziert werden, die durch konventionelle chemisch-
pharmazeutische Methoden ohne gentechnische Verfahren nicht hergestellt werden
konnten.SO Mit der monoklonalen Antikörper-Technik, bei der mehrere Zellen mit
jeweils spezifischen Eigenschaften verschmolzen werden, können große Mengen an
qualitativ hochwertigen spezifischen Antikörpern produziert werden. Diese
monoklonalen Antikörper erkennen einzelne Antigene frühzeitig im Organismus, so
daß sie als ultrasensitive Diagnose-Kit-Systeme für 'Antigen-verursachte' Krank-
heiten verwendet werden (siehe Tabelle II.3).5! Die DNA-Sequenziertechnik, von Sanger
erstmals praktiziert, ermöglicht es, die Reihenfolge der Basenpaare einer DNA bzw.
eines vollständigen Genoms zu bestimmen und zu kartieren. Sie ist der Schlüssel zu
einer systematischen Analyse des genetischen Erbmaterials des Menschen und ande-
rer Organismen. Das Sequenzieren großer Genabschnitte bzw. Genome wird aller-
dings entscheidend von der Entwicklung neuer automatisierter und leistungsstär-
kerer Arbeitstechniken bestimmt.S2 Insbesondere die Entdeckung und Verbreitung
der Polymerase Chain Reaction (PCR) Technologie war von größter Bedeutung, da
durch diese Amplifikationstechnik kleinste DNA-Sequenzen bearbeitbar wurden.
Das Möglichkeitenspektrum der biotechnologischen Forschungsarbeiten verbreiterte
sich dadurch erheblich.53
Eine vollständige Kartierung des menschlichen Genoms ist das Ziel des Human
Genome Projects (HGP), das 1985 erstmals formuliert und ein Jahr später vom NIH
finanziell gefördert wurde. Die internationale Human Genome Organisation (HUGO),
seit 1988 als Dachorganisation des Projektes zur menschlichen Genomsequenzierung,
war ursprünglich ein biologisch-wissenschaftliches Grundlagenprojekt, mit dem
Ziel, die Ursachen genetisch bedingter und vererbter Krankheiten zu entdecken.54
Die enormen Möglichkeiten, die die Kenntnis des menschlichen Genoms für thera-
peutische und diagnostische Zwecke eröffnete, initiierten allerdings sehr schnell
kommerzielle Interessen zur Patentierung und Vermarktung sequenzierter Genab-
schnitte. Beispielsweise vermarktet das Unternehmen Human Genome Seiences Inc.
(siehe auch Fallstudie Incyte) die Forschungsergebnisse des privaten TIGR-Instituts

49 Boyer und Cohen implantierten 1973 erstmals erfolgreich einen Teil der Frosch-DNA in das Bakterium
Escherichia coli.
50 Vgl. Prevezer (1998) S. 157-159; Proteine, in langen Aminosäureketten kodierte Eiweiße, können in verschiede-
nen Funktionen auftreten. Sie existieren als Hormone (Steuerungsproteine), Enzyme (Stoffwechsel), Anti-
körper (Immunsystem), Rezeptoren (Signaltransmitter); Transportproteine oder Neurotransmitter (Schmerz-
weiterleitung). Gentechnologie ermöglicht es, Proteine gezielt zu therapeutischem Nutzen einzusetzen.
51 Vgl. Dodgson (1991) S. 1-2; vgl. Hacking (1986) S. 246.
52 Vgl. BMFT (1991) S. 31-32; siehe Kap. 11.2.
53 Zur Wirkungsweise und Anwendungsgebieten der PCR-Technologie vgl. Minol (1996) S. 292-319.
54 Vgl. Gassen/König (1994) S. 5; BMFT (1991) S. 53-60; Grundlage der Sequenzierung des HGP sind Genomab-
schnitte, die aus einem Sampie verschiedener Test-Personen stammen. Der Rückschluß auf bestimmte Indi-
viduen ist ausgeschlossen.

20
(Institut for Genomic Research) an interessierte Pharma-Unternehmen.55 Daneben
wurden im Sommer 1999 erstmals Forschungsgelder aus dem Budget des HGP an
private Unternehmen vergeben, die Genome Therapeutics Corp. und als Subunter-
nehmer die Incyte Pharmaceuticals Inc. (siehe auch Fallstudie Incyte). Insgesamt sollen
bis Ende 2002 jährlich rund 100 Mio. USD an öffentlichen Forschungsgeldern für Se-
quenzierleistungen vergeben werden.56 Im Frühjahr 2000 verkündeten sowohl die
HUGO als auch das Biotech-Unternehmen Ce/era Genomics eine erste, allerdings noch
nicht lückenlose Entzifferung des menschlichen Genoms (siehe Kap. 11.3.1).

(3) Unternehmerische Ursprünge


Die enge Verbindung zwischen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und unter-
nehmerischen Erfolgsgeschichten wird bei der Entstehung der modernen Biotechnologie
deutlich. Die Geschäftsmodelle der ersten Biotech-Unternehmen basierten auf einer
kommerziellen Umsetzung der wissenschaftlichen Durchbrüche, einer lokalen Nähe
zu den führenden Forschungseinrichtungen und persönlichem Engagement der
Forscher bei der Unternehmensgründung.57 Academia selbst hatte sich bis in die
siebziger Jahre hinein auch durch die großen öffentlichen Forschungsförderungen zu
einer breiten und vielfältigen 'Community' entwickelt. "At the top of this scheme
[research organization - A.d.V.] sat the labatory chief, a powerful academic entre-
preneur, a veritable scientific superstar if he had a Nobel, who organized a middle
management of section chiefs and investigators that in turn rested on a working dass
of postdocs, grad students, and technicians."58 Diese etablierte wissenschaftliche
Hierarchie diente als exzellenter Nährboden für die beginnende Unternehmerische
Kommerzialisierung der Biotechnologie. Die ersten führenden Startup-Unter-
nehmen waren eng verknüpft mit führenden Wissenschaftlern und ihren führenden
wissenschaftlichen Einrichtungen: Genentech mit H. Bayer von der UCSF; Biogen mit
W. Gilbert von der Harvard University, P. Sharp vom MIT, Ch. Weissmann und K.
Murray von den Universitäten Zürich und Edinburgh; Genetics Institute mit M.
Ptashne von der Harvard University; Chiron mit W. Rutter von der UCSF und Hybri-
tech mit I. Royston von der UCSD. Insgesamt existierten sehr enge Beziehungen
zwischen den wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen und den jungen Biotech-
nologie Firmen.59
Trotz der breiten Anwendungsmöglichkeiten konzentrierten sich die ersten Ge-
schäftskonzepte der neuen Biotechnologie fast ausschließlich auf den im Gesund-
heitssektor - die Humanmedizin. Der Schwerpunkt lag auf der Herstellung thera-
peutischer Pharmaka. Proteine, die bisher nicht in ausreichender Quantität oder
Qualität von der pharmazeutischen Industrie hergestellt werden konnten, wurden
durch rekombinante DNA-Technologien zu ersten Produkten der neuen Biotechno-

55 Vgl. Bangsow /König (1996) S. 372-373.


56 Vgl. Marshall (1999) S. 310.
57 Vgl. Prevezer (1998) S. 128.
58 Teileiman (1994) S. 185.
59 Vgl. z.B. Komberg (1995) S. 195-216.
21
logie Startups, z.B. menschliche Wachstumshormone, HlJmaninsulin, Erthoprotein
(EPO), Faktor VIII, Interferone und Interleukine.60 Eine große Anzahl 'monoklonaler
Antikörper' wurde in der ersten Hälfte der achtziger Jahre durch die neuen biotech-
nologischen Herstellungsverfahren nach Köhler/Milstein produziert. Neue Platt-
formtechnologien entstanden seit Ende der achtziger Jahre, die vor allem die Effekti-
vität der Wirkstoffsuche und der klinischen Diagnose erheblich steigern konnten.
Die Geschäftsziele der Biotech-Unternehmen veränderten sich und führten zu neuen
Geschäfts- und Entwicklungsmodellen, die sich den gewandelten Rahmenbedingun-
gen anpaßten.

(4) Erste Klassifizierung von Unternehmen in der Biotechnologie


Die wirtschaftlichen Protagonisten der neuen Biotechnologie, die Unternehmen, die
moderne biotechnologische Verfahrensweisen anwenden, können in zwei grund-
legende Kategorien unterteilt werden.
Die erste Kategorie umfaßt etablierte Unternehmen der Chemie- und Pharma-Industrie -
in dieser Arbeit als 'Life-Sciences-Unternehmen' bezeichnet. Ihre Erfolgsgrundlage
beruhte in der Vergangenheit auf der Dominanz chemischer und physikalischer Ver-
fahrensweisen, die in industriellem Maßstab kommerzialisierbare Produkte gene-
rierten, z.B. bei Arzneimitteln, Agroprodukten oder in der Basis-/ Spezialitäten-
chemie. Die moderne Biotechnologie eröffnet für diese Industrien eine neue techno-
logische S-Kurve, die einen großen Einfluß auf Produkte und Prozesse hat und eine
neue Verknüpfung von Gesundheit und AgBio schafft- innerhalb der Life Sciences.
Aus diesem Grund integrieren Großunternehmen biotechnologische Aktivitäten und
Techniken, insbesondere im F&E-Prozeß, und übernehmen die Vermarktung von
Produkten, die von kleineren Biotech-UntPmehmen entwickelt wurden.61 Als
"diversified companies with biotechnology program" (DCB) sind sie ressourcenstarke und
im Wettbewerb etablierte Firmen, die ihre dominierende Marktstellung gegen die
neuen biotechnologischen Herausforderer verteidigen.62
Der zweiten Kategorie gehören Unternehmen an, deren Geschäftsgrundlage ausschließlich
auf der modernen Biotechnologie basiert. Sie haben ihren Ursprung in Unternehmens-
neugründungen, die i.d.R. aus dem Umfeld von Universitäten oder anderen öffent-
lichen Forschungseinrichtungen mit sehr großer Nähe zur wissenschaftlichen
Grundlagenforschung erfolgen.63 Wie die Biotechnologie Firmen der ersten Genera-
tion in den USA, sind diese Unternehmen die Pioniere neuer technologischer Verfah-

60 Einige therapeutische Produkte, z.B. Insulin, Antibiotika etc., können in synthetischen Verfahren nicht in aus-
reichender Menge und mit konstantem Qualitätsniveau, z.B. Reinheit der Verbindung, die bei Naturpro-
dukten nicht vollkommen reproduzierbar ist, hergestellt werden, vgl. Brauer (1991) S. 16, vgl
Gassen/Bertram/Martin (1987) S. 28; das Protein Faktor VIII wird bei der Bluter-Krankheit eingesetzt, Inter-
feronbetabei Multiple Sklerose, G-CSF bei Leukämie, siehe Tabelle I/.2.
61 Vgl. Malerba/Orsenigo (1996) S. 52.
62 Streck/Pieper (1997) S. 3; deutsche Chemie-/Pharma-Unternehmen endeckten biotechnologische Forschung
erst verspätet als neue Schlüsseltechnologie, vgl. Dolata (1995) S. 456-480.
63 Vgl. Streck/Pieper (1997) S. 3-5.
22
rensweisen und Produkte. Sie sind die Protagonisten des neuen biotechnologischen
Paradigmas.64 Diese Unternehmen versuchen, mit ihren wissenschaftlichen Erkennt-
nissen eine kommerzielle Anwendung zu erschließen bzw. das technologische
Potential in einem Unternehmerischen Rahmen umzusetzen. Im Vergleich zu den
etablierten Großunternehmen der Chemie- und Pharma-Industrie sind die Biotech-
Unternehmen sehr jung und sehr klein. Sie werden auch als "Entrepreneurial Life
Seiences Companies" oder "dedicated biotechnology firms" (DBF) bezeichnet. Das Mana-
gement besteht aus einer Kombination von Wissenschaftlern und Unternehmern, sie
sind sehr häufig Venture-Capital-finanziert und haben eine expansive Wachstums-
strategie: sie sind die Herausforderer der dominierenden Akteure insbesondere im
Gesundheitsmarkt, aber zunehmend auch im AgBio-Sektor.65
Im Fokus der Diskussion steht die Kategorie der 'entrepreneurialen' Biotechnologie-
Unternehmen- in dieser Untersuchung als 'Biotech-Unternehmen' bezeichnet.

2 Wertschöpfungsprozeß in der Life-Sciences-Industrie


Für alle biotechnologischen Anwendungsgebiete existiert eine Wertschöpfungskette,
die den Handlungsspielraum der Unternehmen und ihre strategischen Entwick-
lungsmöglichkeiten entscheidend beeinflußt. Insbesondere humanmedizinische Pro-
duktinnovationen, z.B. bei der Wirkstoffsuche und in der klinischen Diagnostik,
sowie rekombinante Produkte im AgBio-Bereich werden durch einen umfang-
reichen, langwierigen und in seiner Erfolgswahrscheinlichkeit sehr volatilen
Forschungs- und Entwicklungsprozeß geprägt.66
Die Komplexität des Verfahrens begründet sich aus der ambitionierten Zielsetzung,
eine neue aktive Substanz zu entdecken und in kommerzialisierbaren Mengen zu
produzieren, die- ohne signifikante Nebenwirkungen für den Menschen- mit einem
im menschlichen Körper vorhandenen Rezeptor reagiert- in therapeutischer, diagno-
stischer oder ernährungsspezifischer Form. Die direkte Produkteinwirkung auf den
menschlichen Organismus führt zu sehr hohen Sicherheitsanforderungen und Quali-
tätsstandards, die in ausführlichen und zeitintensiven Studien, innerhalb der klini-
schen Phasen sowie einer aufwendigen Zulassungsprüfung zu erfüllen sind.67
Grundsätzlich unterscheidet sich die Abfolge der einzelnen Stufen nicht von der bei
anderen konventionellen Arzneimitteln, Diagnostika oder Lebensmitteln.68 Die Bio-
technologie verbessert jedoch entscheidend die Möglichkeiten bei der Wirkstoff-

64 Vgl. Dodgson (1991) S. 2-5.


65 Vgl. z.B. Ernst & Young (1998b) S. 11-12.
66 Die Wertschöpfungskette bei Lebensmitteln beinhaltet nicht die klinischen Phasen der Medikamentenent-
wicklung. Die Schritte der Wirkstoffindung, -validierung und Spezifizierung bezüglich Wirksamkeit der ge-
wünschten Eigenschaft und Sicherheit existieren aber auch in den genannten Anwendungsbereichen.
67 Vgl. Schweitzer (1997) S. 21-30; vgl. Lehman Brothers (1998) S. 6; der gesamte Prozeß der Wirkstaffindung bis
zur Vermarktung eines Medikaments dauert zwischen 8-15 Jahren, kostet zwischen 200-350 Mio. USD. Aus
60.000 getesteten Substanzen wird ein NME.
68 Die Entwicklung der modernen pharmazeutischen Industrie und der amerikanischen Regulierungspraxis seit
den Anfängen um 1900 bei Bogner (1996) S. 53-126.

23
suche. Dies führt zu Veränderungen der knappen Faktoren im Wertschöpfungspro-
zeß, zu einer Verkürzung der Forschungs- und Entwicklungszeiten sowie zu einer
Erhöhung der Wahrscheinlichkeit und Planbarkeit, aus dem gesamten Prozeß ein er-
folgreiches Produkt zu generieren. Beispielsweise haben Biotech-Unternehmen
durch neue genornisehe Technologien eine Vielzahl an vorher knappen potentiellen
Wirkstoff-Targets generiert. Mit dem gesamten technologischen Potential der Bio-
technologie ändern sich die Erfolgsparameter der Life-Sciences-Industrie. Das tra-
dierte Kräfteverhältnis der dominierenden Unternehmen wandelt sich und eröffnet
große Chancen für die neuen innovativen Biotechnologie-Unternehmen.69 Ein tiefe-
res Verständnis des Produktentstehungsprozesses ist für die Beurteilung von strate-
gischen Fragestellungen aus diesem Grund essentiell (siehe Abbildung II.2).

Der gesamte Wertschöpfungsprozess für Biopharmaka/-diagnostika ist


außerordentlich zeit- und kostenintensiv

.. IForschung I

Zeit
Kosten -30-80 -50 -1 00 -250
(in Mio.
USO)
• Gen- • Kombinatorische • Pharmakogenomik
seq uenzieru ng Chemie • -10-17 Jahre von
• Funktionale • Biochips • Epidemiologie der Entdeckung bis
Genomik • Proteomik zur Zulassung eines
• Bioinformatik • HTS/ UHTS Medikaments
• Transgene • -500 Mio. USO
Tiermodellei
Genexpression

Ziel: Rationales Drug Design

Abbildung II.2: Wertschöpfungsprozess für Life-Sciences-Produkte, insbesondere Wirkstoffe und


Diagnostika
Quelle: Eigene Darstellung

(1) Die 'Target'-Forschung


Der Forschungsprozeß beginnt mit der Identifizierung einer aussichtsreichen Sub-
stanz, die eine spezifische Wirkung mit einer anderen Substanz eingeht. Diese neuen
Substanzen werden als New Molecular Entities (NME), die chemische (NCE) und

69 Vgl. Pisano (1997) S. 69.


24
biologische Substanzen (NBE) umfassen. Diese Stufe wird als 'Target Identifikation'
bezeichnet. Ziel in dieser ersten Phase der Wirkstoffsuche ist es, möglichst viele und
aussichtsreiche Substanzen zu entdecken, die im weiteren Prozeß genauer und inten-
siver untersucht werden. Die Targetsubstanzen müssen synthetisiert und isoliert
werden. Neben einer hohen Quantität ist allerdings auch die Qualität der Targets
wichtig, denn jeder Abbruch aufgrund mangelhafter Eigenschaften im weiteren Pro-
zeß verursacht Kosten und Zeitverlust. Die Sequenzierung des menschlichen
Genoms, als 'Genomics' bzw. 'Genomik' bezeichnet, ermöglicht es, die genetischen
Krankheitsursachen als molekularen Ansatzpunkt für die Targetforschung zu
wählen?O Aus einer zufälligen Suche nach natürlichen Substanzen, eröffnet das Feld
der Genomik die Möglichkeit der systematischen und rationalen Wirkstoffsuche. Im
weitergehenden 'Funktionalen Genomik'-Ansatz wird versucht, die für die
Krankheitsprozesse entscheidenden Gene zu untersuchen, anstatt die Gene
schematisch und ohne medizinische Priorisierung zu sequenzieren. Die Identifi-
zierung eines Zielgens kodiert z.B. ein für eine Erkrankung relevantes Rezeptor-
molekül. An diesen Rezeptor bindet dann das biologisch aktive WirkstoffmoleküJ.71
Die fokussierte Genanalyse beschleunigt die Suche nach aussichtsreichen Wirkstoff-
Targets um ein Vielfaches.
In der nächsten Stufe wird die Targetsubstanz grundlegender auf Wechselwirkungen
mit der Zielsubstanz untersucht. Dieser Schritt wird 'Target Validierung' genannt. Es
wird ein funktionales 'Screening' mit anderen Substanzen vorgenommen, ein
Modellsystem aufgebaut und erste Tierversuche aufgesetzt.72 Es besteht ein sehr
hoher Bedarf an aussichtsreichen validierten Targets. In dieser Stufe beginnt die
substantielle Verjüngung des sogenannten "F&E-Trichters" - die Verringerung der
verfügbaren Optionen für die weitere Wirkstoffentwicklung.

(2) Die 'Lead Compound' Forschung und Entwicklung


Wenn das Target erfolgreich die ersten validierenden Tests bestanden hat, wird es
zum 'Lead Compound'- auch Leitsubstanz genannt. Diese wird gegen vorhandene
Substanzbibliotheken gescreent, die natürliche Substanzen enthalten oder aus der
kombinatorischen Chemie hergestellt wurden.73 Die Reaktionsdaten der Substanzen

70 Vg!. Ernst & Young (1998a) S. 27-28.


71 Dies wird auch als Schloßgehäuse-Schlüssel Thema versinnbildlicht. Die molekulare Kenntnis des Rezeptors
(Gehäuse) erlaubt die molekulare Modelierung des Wirkstoffes (Schlüssel). Dieses Prinzip ist der Kern des
'Rational Drug Designs', siehe hierzu die Gründungsgeschichte der amerikanischen Biotech-Firma Vertex, vgl.
Werth (1994); vgl. BMFT (1991) S. 163-165.
72 Der Begriff 'Screening' bezeichnet die systematische Abprüfung von Substanzen auf bestimmte Wirkstoff-
eigenschaften. Bei der Targetsuche werden die untersuchten Zielsubstanzen mit bekannten Substanzen aus
unternehmerischen Substanzdatenbanken 'gescreent'. Dieser Prozeß ist zufällig, Empirie-getrieben und mit
geringen Erfolgsquoten. Er steht im Gegensatz zu einem rationalen 'drug design' Prozeß. Der Begriff
'Functional Screening' bezeichnet den Ansatz 'intelligenter' Screeningmethoden, die hypothesengetrieben
Erkenntnisse aus der Genomforschung nutzen, um systematisch wirkstoffrelevante Targets zu finden.
73 Vgl. Weber (1999): Insbesondere die kombinatorische Chemie ermöglicht es, gezielte und systematische Ver-
änderungen an Molekülstrukturen vorzunehmen. Molekülvariationen werden zur Verbesserung der Wirk-
stoffqualität oder zur Senkung der Nebenwirkungen eingesetzt. Sie entspringen einer Produktdifferenzie-
rungsstrategie, die auf 'me-too'-Produkte abzielt. Unternehmen können dadurch auch eine breite Absiehe-
25
werden ausgewertet und auf Wirksamkeit untersucht. Diese Stufe heißt 'Lead Com-
pound Identifikation'. Dieser Prozeß wird dramatisch beschleunigt durch neue Tech-
niken des 'High- Throughput-Screening' (HTS) bzw. Ultra-HTS (UHTS). Ein automa-
tisiertes und verbessertes Screening ermöglicht es, in kurzer Zeit eine Leitsubstanz
mit umfangreichen Substanzbibliotheken zu screenen.74 Prozesse, die vorher Monate
gedauert haben, können mit neuen Techniken in Tagen absolviert werden. Daneben
kann durch Methoden der kombinatorischen Chemie die Quantität und die Qualität
von Substanzbibliotheken systematisch erweitert und im hohen Durchsatz synthe-
tisiert werden. In Verbindung mit HTS Methoden kann somit in kurzer Zeit eine
große Substanzmenge im Hochdurchsatz untersucht werden.75 Dies führt zu einem
schnelleren Verfahren bei signifikant höherer Testmenge. Für diese Phase des
Wirkstoffindungsprozesses entsteht ein großer Vorteil, da sich das Möglichkei-
tenspektrum für die weitere Optimierung der NME erheblich erweitert: der For-
schungstrichter wird zu Beginn wesentlich breiter, die Informationsvielfalt kann aber
trotzdem verarbeitet werden.
Zur weiteren Validierung der 'Leitsubstanz' können geeignete Tiermodelle ent-
wickelt werden, die als Expressionsmodell Ähnlichkeiten zum menschlichen Orga-
nismus haben. Durch sequenzielle Tests verschiedener gentechnisch veränderter
Tiermodelle kann somit in frühem Stadium vor den eigentlichen menschlichen Test-
reihen die klinische Erfolgswirksamkeit der Substanz geprüft werden. Das Einbrin-
gen von spezifischem medizinischen Wissen bereits in Forschungsphasen erhöht die
Erfolgswahrscheinlichkeit, eine aussichtsreiche Substanz weiterzuentwickeln.
In der Phase der 'Lead Compound Validierung' endet die eigentliche Forschung und es
beginnt der Entwicklungsprozeß. Hier wird zunehmend medizinisches Know-how
aus verschiedenen Fachdisziplinen eingesetzt, um bereits in prä-klinischen Phasen
gute Voraussetzungen für klinische Studien zu erhalten. Es werden Informationen
des 'Lead Compounds' insbesondere über Toxizität, pharmakologische Wirksamkeit
und Pharmakakinetik gesammelt, weitere Tierversuche und Expressionsmodelle
durchgeführt.76 Zusätzlich stellt sich die Frage der optimalen Darreichungsform, der
'Drug Delivery'. Der Prozeß ist in dieser Phase weniger eratisch, zeitlich und
finanziell besser planbar. Es werden die nächsten Schritte der klinischen Studien
festgelegt. Gezieltes Projektmanagement wird für den weiteren Prozeß immer
wichtiger.77 Der gesamte Forschungsprozeß inklusive der präklinischen Untersu-
chungen dauert für eine aussichtsreiche NME rund 5-7 Jahre.78 Die durchschnittliche
Erfolgswahrscheinlichkeit einer Vermarktung beträgt ca. 5%.
Mit dieser Stufe endet der präklinische Wertschöpfungsprozeß. Nach naturwissen-
schaftlichen Forschungs-Know-how wird in den klinischen Phasen vor allem

rung ihrer Produktpatente erzielen, siehe hierzu die Analyse von Temin zu den Ursprüngen der ameri-
kanischen Pharma-Industrie, vgl. Kap. IJ.6.2.
74 Vgl. Herzog (1995) S. 80-83
75 Vgl. Datamonitor (1996) S. 62-64 ..
76 Präklinische Phase enthält Toxokologie und Pharmakologie, vgl. Jäger /Mangold/Gielsdorf (1995) S. 255.
77 Vgl. Mak/Hörrmann/Tiby (1995) S. 132-137.
78 Vgl. Lehman Brothers (1998) S. 6; vgl. Datamonitor (1996) S. 71.
26
medizinisch-pharmazeutisches Know-how benötigt. Im Mittelpunkt stehen die Aus-
wirkungen der jeweiligen Substanz auf den Menschen: das Feststellen von Wirkung,
Nebenwirkung und geeigneter Dosierung der Substanz. Die stark naturwissen-
schaftlich geprägte Forschung - die Identifikation und Validierung der Substanz -
endet dagegen mit dem Beginn der Klinischen Phasen.

(3) Die Klinischen Phasen in der Humanmedizin


In den nächsten Stufen beginnen die klinischen Phasen I, II und III, die über eine er-
folgreiche Zulassung als Wirkstoff oder Diagnostikum entscheiden.79 Die klinischen
Tests umfassen alle Anwendungen am Menschen. Die grundlegenden Unter-
suchungsschwerpunkte sind die Wirksamkeit und Sicherheit des potentiellen Wirk-
stoffes für den menschlichen Organismus. Die klinischen Studien erfordern sehr viel
spezifisches medizinisches Wissen, genaues Projektmanagement und Erfahrung mit
den regulatorischen Aspekten der Zulassung. Dieses gebündelte Know-how zur
Durchführung von klinischen Studien wird von den 'Clinical Research Organisa-
tions' (CRO's) als Dienstleistung zur Verfügung gestellt. Diese haben sich auf das
Abarbeiten klinischer Projekte im Rahmen von Zulassungsverfahren spezialisiert.
Insbesondere für ressourcenschwächere Unternehmen ohne medizinische Infra-
struktur stellen sie eine realistische Outsourcing Option dar.SO Ihre Leistungser-
stellung wird i.d.R. ohne variable Vergütungskomponenten auf den späteren Umsatz
des Wirkstoffes als fixe Dienstleistungsfee bezahlt. Das gesamte Chancenpotential
verbleibt somit dem Wirkstoff entwickelnden Unternehmen. Von einem reinen
Puffer, der Überkapazitäten der pharmazeutischen Industrie bedient, entwickeln
einige CRO's in der Zusammenarbeit mit Biotech-Unternehmen zusätzliche Fähig-
keiten beim Entwicklungsprozeß von Wirkstoffen und positionieren sich neu. Diese
aus der klassischen Rolle evaluierenden Dienstleister, auch "Product Development
Organisations" (PDO's) bezeichnet, erlangen für die Formulierung der strategischen
Optionen biopharmazeutischer Unternehmen eine wichtige Rolle.S1
Die klinischen Phasen dauern zwischen 4-9 Jahre, der Ressourcenaufwand ist in den
vergangenen Jahren stetig gestiegen und beträgt Ende der neunziger Jahre 300 - 400
Mio. USD und ist damit eine enorme Hürde für Biotech Startups.S2 In jeder Phase
wird bei Nichterfüllung der Kriterien durch das NME die klinische Prüfung abge-
brochen. Das NME ist dann als Wirkstoff gescheitert.83 In diesem Zusammenhang
wird die aus der Biotechnologie entstandene 'Pharmacogenomics' bzw.' Pharmako-
genomik' eine große Änderung auslösen.84 Nach diesem technologischen Ansatz

79 Eine ausführliche Beschreibung der einzelnen klinischen Phasen und der Zulassungsvoraussetzungen in den
USA bei Schweitzer (1997) S. 155-160.
80 Vgl. jaeger/Mangold/Gielsdorf (1995) S. 261-262.
81 Vgl. insbesondere Lehman Brothers (1998) S. 3, 13-33.
82 Vgl. Lehrnarr Brothers (1998) S. 6.
83 Für den gesamten klinischen Prozeß vgl. Herzog (1995) S. 120-131.
84 Unter dem Begriff 'Pharmacogenomics/Pharmakogenomik' versteht man, durch Kenntnis der genetischen Krank-
heitsursachenund der individuellen genetischen Veranlagung des Individuums, erblich bedingte Besonder-
heiten an denjenigen Zellstrukturen zu entdecken, die für die Krankheit ursächlich sind. Bei Ausnutzung der

27
werden die individuellen Ausprägungen der Menschen, die Genotypen, differenziert
analysiert. Genotypen reagieren unterschiedlich auf jeweilige Wirkstoffe. Eine
genauere Kenntnis über die Wirksamkeit einer 'Lead substance' auf bestimmte Geno-
typ-Cluster kann das Design der klinischen Studien effektiver bestimmen. Mit neuen
Diagnostika werden die Patientengruppen ausgewählt, für die der Wirkstoff am
besten geeignet ist, so daß das Auftreten von Nebenwirkungen in der Therapie stark
reduziert wird. Diagnostische Methoden werden somit nicht nur zur Krankheits-
diagnose eingesetzt, sondern auch zur Patientenselektion für ein geeignetes thera-
peutisches Präparat. Dies entspricht einem grundsätzlich neuen Ansatz, in dem dia-
gnostische und therapeutische Methoden symbiotisch eingesetzt werden. Die Mißer-
folgsrate klinischer Studien kann somit wesentlich reduziert werden, die Tests
werden leichter prognostizierbar, schneller und billiger. Aktuelle Schätzungen prog-
nostizieren eine erhöhte Therapiewirksamkeit von rund 30%, reduziertes Auftreten
von Nebenwirkungen um rund 25%, so daß Entwicklungskosten pro Produkt um ca.
33 Mio. USD bis zum Jahr 2010 sinken werden.SS
In der Phase I beginnen die menschlichen Testreihen mit dem Wirkstoff. Am gesun-
den Probanden werden die Verträglichkeit, die pharmakologische Bedeutung und
die Pharmakakinetik des Wirkstoffs untersucht. Die Phase I dauert zwischen 9-20
Monaten und kostet ca. 30-50 Mio. USD. Die Erfolgswahrscheinlichkeit beträgt 10%.
In der Phase II werden an kleinen Patientenzahlen der medizinischen Zielindikation,
z.B. Diabetiskranken bei einem neuen Diabetis Therapeutikum, in homogener Stich-
probe therapeutische Wirksamkeitsnachweise, Dosistests, weitere Untersuchungen
zur Pharmakakinetik u.a. durchgeführt. Die Phase II dauert zwischen 19-38 Monaten
und kostet ca. 80-100 Mio. USD. Die Erfolgswahrscheinlichkeit beträgt 30%.
In der Phase III werden die Tests am Patienten in Großversuchsreihen ausgeweitet.
Diese sehr langfristigen Untersuchungen werden mit ausgewählten Kliniken durch-
geführt, die die notwendigen Patienteninformationen bereitstellen. Der große
dokumentatorische Nachweis ist sehr zeit- und ressourcenaufwendig. In der breiten
Anwendung werden Vergleiche mit anderen Präparaten vorgenommen und Ver-
träglichkeitstests in Bezug auf Nebenwirkungen geleistet. Jetzt muß der Wirkstoff
auch im großen Maßstab produziert werden, es muß ein 'Upscaling' von laborartiger
Herstellung hin zur industriellen Fertigung erfolgen. Dafür ist viel Produktions- und
Entwicklungs-Know-how erforderlich. Diese Prozeßstufe ist sehr kostenintensiv und
wirkt fast prohibitiv für kleinere Unternehmen. Die Phase III dauert rund 20-50
Monaten und kostet ca. 200-250 Mio. USD mit der Wahrscheinlichkeit einer
erfolgreichen Vermarktung von 80%.86

Möglichkeiten von Pharmacogenomics werden Behandlungen und Therapeutika immer individueller - die
Segmentierung für den Therapeutikamarkt werden zunehmen: weniger pauschale Blockbuster, dafür mehr
spezifische Medikamente für kleinere Patientengruppen, aber mit höherer Wirksamkeit. Für die Industrie
bedeutet dies, daß es kleinere Märkte für einzelne Produkte geben wird, aber mehr Pro-
dukte/Produktvariationen mit höherer Marktdurchdringung, da die Wirksamkeit der Therapie deutlich
steigt.
85 Vgl. z.B. Diller (1998) S. 50-52, vgl.. Front line Startegic Mgt Consulting/Pharma (04/2001) S. 178.
86 Kostenschätzungen der einzelnen klinischen Phasen aus Lehman Brothers (1998) S. 6. Erfolgswahrscheinlich-
keiten einer Vermarktung in den jeweiligen Phasen aus Datamonitor (1996) S. 71.

28
(4) Die Zulassung als Produkt
Nach erfolgreichen klinischen Studien müssen für die einzelnen Märkte die jewei-
ligen Zulassungsbehörden konsultiert werden, z.B. die amerikanische FDA (Food and
Drug Administration) oder die europäische EMEA (European Agency for the Eva-
luation of Medicinal Products).87 Der Prozeß ist zeitintensiv und determinierend für
die endgültige Zulassung als Wirkstoff in dem jeweiligen Markt.S8 Essentiell für die
Prognostizierbarkeil einer erfolgreichen Zulassung ist die Transparenz des Verfah-
rens, die von den einzelnen Regulierungsbehörden abhängig ist.S9 Neben Arznei-
mitteln gilt dies auch für gentechnisch veränderte Lebensmittel.90 Die durchschnitt-
lichen Zulassungszeiten ('review times') der amerikanischen FDA für neue Wirk-
stoffe haben sich in den neunziger Jahren von 30,3 Monaten in 1991 auf 17,8 Monaten
im Jahr 1996 verringert.91

(5) Die Produktion


In der nächsten Stufe muß die Produktion eine ausreichende Versorgung sicherstellen.
Neben dem technischen Know-how ist dies eine Frage der zur Verfügung stehenden
Kapazitäten. Bei Engpässen kann diese Funktion sehr einfach ausgelagert werden -
als temporäres oder dauerhaftes Outsourcing. Der Wertschöpfungsbeitrag der Pro-
duktion ist gering.

(6) Das Marketing und der Vertrieb


Als abschließende Wertschöpfungsprozeßstufe, Marketing und Vertrieb, muß das
erfolgreich getestete und zugelassene Produkt für die relevanten Zielgruppen z.B.
Spezialkliniken, universelle Kliniken, Spezialisten, Allgemeinärzte, Apotheken und
Patienten vermarktet und vertrieben werden. Die Marketing- und Vertriebsauf-
wendungen für die Produkte sind erheblich, insbesondere wenn eine national
flächendeckende und internationalen Präsenz erreicht werden sol1.92 Für Biotech-
·Unternehmen ist eine eigenständige Vermarktung aus diesen Gründen schwer dar-
stellbar, da sie nur selten bzw. erst nach zeitintensivem Aufbau über die notwendige

87 Zur gestärkten Rolle der FDA seit den sechziger Jahren vgl. Müller (1991) S. 61-63.
88 Vgl. Andersson (1995) S. 266-267, 275-276: Vergleich der Zulassungszeiten und Verbreitung neuer Wirkstoffe
in Multiländerstudie.
89 Von Unternehmen wird der Mangel an Verfahrenstransparenz bei der EMEA kritisiert, die im Gegensatz zur
amerikanischen FDA Unklarheiten über notwendige Endprodukte der Zulassung bestehen läßt, vgl. Ernst &
Young (1998a) S. 22-23.
90 Vgl. o.V. (1999d) S. 17-18: Die Lebensmittelzulassung in Buropa wird durch eine Vielzahl nationaler und
supranationaler Institutionen erschwert. Es existiert keine der EMEA ähnliche Organisation, die den Zulas-
sungsprozeß für medizinische Produkte in der EU regelt.
91 Quelle: US FDA, zit. in Ernst &Young (1998a) S. 16: Die FDA hat durch Reform ihrer Prozeßvorschriften und
einer schnelleren Bearbeitung von Produkten für Haupt-Krankheitsgebiete die Zulassungszeiten verringert.
Eine sechsmonatige Zulassungszeit ist "statutory standard".
92 Marketing und Vertrieb übertreffen die F&E-Ausgaben bei führenden Pharma-Unternehmen: von 1992-94
lagen die F&E-Ausgaben bei Merck, Pfizer und Eli Lilly zwischen 11-15%, für Marketing & Sales und Pro-
motion zwischen 21-40% vom Umsatz, vgl. Schweitzer (1997) S. 43-46.
29
Markting-Infrastruktur verfügen. Strategische Kooperationen mit Pharma-Unter-
nehmen, die über große und schlagkräftige Vertriebs- und Marketingorganisationen
verfügen, stellen für Startups eine Möglichkeit dar, dieses Defizit zu überwinden.93

3 Geschäftsfelder für biotechnologische Produkte und Prozesse


Die relevanten Anwendungsgebiete für Biotech-Unternehmen umfassen die Life-
Sciences-Geschäftsfelder Humanmedizin, AgBio und Umwelt/Chemie (siehe Ab-
bildung II.3).

Die Humanmedizin ist das eindeutig dominierende Anwendungsgebiet für


Biotech-Unternehmen
Anwendungsgebiete
moderner Biotechnologie

Agro-/ Lebensmittel-/ Umwelt/


Humanmedizin
Tierzucht Chemie
Ziel • Neue therapeutische • Nährwertsteigerung in • Abbau umwelt-
Produkte Lebensmitteln belastender Stoffe
• Neue diagnostische • Resistenzsteigerung von • Prozessverbesserungen
Produkte/Methoden Nutzpflanzen gegen chemischer Produktions-
• Kartierung des Krankheiten verfahren
menschlichen Genoms • Herbizidresistente • Produktsubstitution von
Pflanzen chemischen/nicht-
chemischen Substanzen
Produkte •Insulin, Epo, lnterleukine, • Transgene Pflanzen (z.B. • Biopolymere
Interferone, ONA-Tests, Flavor-savor-Tomate) • Neue Enzyme
Gentherapie • Gentechnisch verändertes
• Transgene Tiere (z.B. für Saatgut (z.B. Mais)
Organtransplantationen) • Funktionale Lebensmittel
• Transgene Tiere (z B. für
höheren Nährgehalt)
Prognostiziertes
Marktvolumen, 50- 80 Mrd. USO 5-10 Mrd. USO < 5Mrd. USO
2003
Abbildung II.3: Anwendungsbereiche und Geschäftsfelder der kommerziellen Biotechnologie
Quelle: Eigene Darstellung, Marktforschungsergebnisse und eigene Analyse*

* Für das weltweite biotechnologische Marktpotential existieren vielfältige und divergierende


Prognosen. Die Schätzung für das Jahr 2003 beruht auf der Analyse mehrerer Marktstudien.94

Vorherrschende Bedeutung hat die Humanmedizin mit der therapeutischen Wirk-


stoffsuche, diagnostischen Verfahren oder Iransgenen Tieren. Dies hat vor allem drei
Gründe:

93 Beispielsweise hat Genenlech mit Eli Lilly, Amgen mit J&J und Biogen mit Schering-Plough Vermarktungs-
kooperationen geschlossen, vgl. Tabelle JI.4.
94 Vgl. beispielsweise PWC (1997 /1998/1999), EuropaBio (1997), Prognos (1997), Ernst&Young
(1996/1997 /1998/1999), Burrill (1998/1999), McKinsey (1999).

30
(1) Es besteht ein hoher Bedarf an neuen Wirkstoffen und Diagnostika. Existierende
Wirkstoffe wurden bisher durch reinen Empirismus (massives Screenen von in der
Natur gefundenen Substanzen nach besonderen Reaktionseigenschaften) oder Zufall
entdeckt.95 Ein rationaler Prozeß der Wirkstoffsuche in der Pharmaindustrie ist bis
heute nicht erreicht, ein wirkliches Ursachenverständnis von Krankheiten vielfach
noch unbekannt. Biotechnologische Verfahren haben das Potential, diesen unzu-
reichenden Zustand zu ändern und eröffnen große Kommerzialisierungschancen für
Unternehmen. In der Anfangsphase der kommerziellen Biotechnologie war das
große Interesse etablierter Pharma-Unternehmen nach den rekombinant herge-
stellten Proteinen essentiell für den schnellen wirtschaftlichen Erfolg.
(2) Neben dem wissenschaftlichen Bedarf besteht ein hohes kommerzielles Anreizpoten-
tial, in der Gesundheitsbranche präsent zu sein. Der Markt ist sehr groß, wächst
stetig, ohne daß eine Saturierung abzusehen wäre und ist sehr profitabeJ.96 Dieser
Anreiz wird zusätzlich gesteigert durch die Möglichkeit mit neuen biotechnolo-
gischen Methoden den Gesundheitsmarkt zu revolutionieren und zu gestaltenden
Akteuren der wirtschaftlichen Neuordnung zu werden. Akzeptanzprobleme, die
eine Kommerzialisierung behindern könnten, bestehen z.Zt. nur noch bei genthera-
peutischen oder Keimbahn-Eingriffen. Der Nutzenvorteil einer besseren gesundheit-
lichen Versorgung überwiegt die kritischen Bedenken.97
(3) Die Nähe biotechnologischer Forschung zur kommerziellen Produktanwendung führt zu
schnelleren 'Proofs of Principle'.98 Biotechnologische Forschungsergebnisse konnten
in der Medizin wesentlich schneller in Produkte umgesetzt werden als in anderen
Gebieten. Durch Klonierung hergestellte rekombinante Proteine oder spezifische
Antikörper-Diagnose-Kits mit signifikant bessere Produkt- bzw. Wirkungseigen-
schaften gingen direkt auf die bahnbrechende Entdeckungen der biotechnologischen
Grundlagenforschung bei Rekombination und Sequenzierung von DNA in den Sieb-
ziger Jahren zurück (siehe Abbildung II.l). Rekombinantes Humaninsulin wurde 1982,
bereits vier Jahre nach der Klonierung des ersten gentechnischen Insulins 1978, als
erstes biopharmazeutisches Produkt von der FDA zugelassen. 99
·Die Kombination dieser drei Aspekte macht das Geschäftsfeld der Humanmedizin
zum attraktiven und dominierenden Wettbewerbsumfeld für Biotech-Unterneh-
men)OO Dies schließt auch die nicht-kommerzielle Forschung ein, denn die Perspek-

95 Vgl. beispielsweise Werth (1994) S. 113-132, 215-224.


96 Siehe Kap. /I. 3.4.
97 Siehe Kap. /I. 5.
98 Der Begriff 'Proof of Principle' bezeichnet im biotechnologischen Zusammenhang den Beweis einer efolgrei-
chen Umsetzung eines wissenschaftlichen Konzeptes in eine funktionsfähige Technologie oder ein Produkt.
99 Durchschnittliche Entwicklungen von Medikamenten dauern zwischen 8-15 Jahren, siehe Kap. /I. 2. Weitere
Beispiele für die sehr schnelle Umsetzung von Forschungsprojekten in medizinische Produkte waren das
menschliche Wachstumshormon (hGH), das sechs Jahre später 1985, oder auch tPA, eine Substanz zur Auflö-
sung von Blutgerinseln bei Herzinfakt-Patienten, das nur fünf Jahre nach der ersten Klonierung im Jahr 1987
von der amerikanischen FDA zugelassen wurde (siehe Tabelle II.3). Diese Produkte wurden von Genenlech
entwickelt, vgl. König/Bangsow (1996) S. 445-449.
100 Vgl. auch Gassei (1998) S. 33.

31
tiven für Drittmittel-Einwerbungen und die Verwertung von Patenten sind auch für
Wissenschaftler und Forschungseinrichtungen aus der Academia sehr interessant.l01

3.1 Humanmedizin
Humanmedizin umfaßt die Wirkstoffentwicklung in der Pharmaindustrie, die Verbes-
serung diagnostischer Methoden und neue medizinische Behandlungsmethoden wie
die Gentherapie. Die wesentlichen kommerziellen biotechnologischen Durchbrüche
wurden bisher auf dem Gebiet der Therapeutika und Diagnostika erzielt

(1) Einfluß der Biotechnologie auf die Bereiche der Humanmedizin


Die moderne Biotechnologie hat die Wirkstoffentwicklung revolutioniert. Bis in die
siebziger Jahre wurden neue Wirkstoffe nach strukturchemischen Überlegungen ge-
sucht. Zufällig durch Screening Verfahren gefundene Substanzen wurden in den
pharmakologischen und klinischen Untersuchungen getestet. Die Entdeckung er-
folgte empirisch, war stark zufallsgetrieben und orientierte sich an den Krankheits-
auswirkungen und -symptomen. Auf diese Weise wurden die Sulphonamide, Anti-
biotika, Antihypertensia und Psychopharmaka entdeckt. Durch biotechnologische
Methoden ist es nun möglich, Wirkstoffe als Ergebnis zellbiologischer Erkenntnisse
zu formulieren. Genetische Ursachen von Krankheiten und die biochemische Reak-
tionskette dienen als Ansatzpunkt eines idealerweise rational ausgerichteten Wirk-
stoffentdeckungsverfahrens, das insbesondere durch die Kenntnisse aus den 'Geno-
mik'-Technologiefeldern gestützt wird.102 Medikamentenforschung und -entwick-
lung als 'rationaler drug design' - Prozeß. Die auf reinem Empirismus beruhende
Pharma- und Diagnoseforschung kann durch die Biotechnologie auf eine naturwis-
senschaftlich fundierte und breite Basis gestellt werden. Prüfbare Ursache-Wir-
kungs-Kreisläufe ermöglichen - soweit das idealtypische Prinzip - ein logisches
Krankheitsverständnis, bei dem die Komplexität des menschlichen Organismus um-
fassend abgebildet wird.103
Rekombinant hergestellte Proteine stellen eine neue Generation von Therapeutika dar,
die mit konventionellen chemisch-pharmazeutischen Methoden nicht hergestellt
werden konnten. Die bedeutendsten biotechnologischen Produkte sind z.Zt.
Humaninsulin für Diabetispatienten, EPO, zur Erhöhung der roten Blutzellen für
Dialysepatienten, Interferone und Interleukine, als Wirkstoffe gegen Krebs sowie

101 Drittmittel für öffentliche Forschung sind staatliche oder private Fördergelder, die i.d.R. projektbezogen ver-
geben werden und einen großen Teil der Forschungskapazitäten der Academia (Pure Wissenschaft) finanzie-
ren. Staatliche Mittel umfassen in Deutschland beispielsweise BMBF- und in den USA NIH-Fördermittel,
private Finanzierungsmittel stammen von Unternehmen, z.B. aus der Pharmaindustrie.
102 Vgl. Seid! (1995) S. 160-162.
103 Vgl. Teitelman (1994) S. 157; problematisch für ein rationales Drug Design sind multikausale Ursachen und
die Komplexität der auftretenden Krankheitsbilder. Voraussetzung ist daneben das vollständige Verständnis
einer Krankheit und der pharmakologisch wirksamen Substanzen.

32
rekombinate Vakzine wie z.B. das Hepatitis-B-Vakzin (siehe Tabelle II.2))04 Die Ent-
wicklung eines Therapeutikums ist sehr komplex und langwierig (siehe Kap. II.2).
Zeit- und kostenintensive klinische Untersuchungen müssen vor der Zulassung zum
Medikament erfolgreich durchgeführt werden.

Biotechnologisches Produkt Substanzklasse Jahr Patentherkunft


Monoklonaler Schwangerschaftstest In-vitra-Diagnostik 1980 Europa
Insulin (Eli Lilly /Novo Nordisk) Biopharmaka 1982 Europa/USA
hGH Biopharmaka 1985 USA
Interferon-alpha 2c Biopharmaka 1985 Europa
Anti-T-Ceil (CD 3) Biopharmaka 1986 USA
Hepatitis B Vakzin Biopharmaka 1986 USA
Interferon-beta Biopharmaka 1986 Europa
t-PA Biopharmaka 1987 USA
EPO Biopharmaka 1989 USA
Interleukin-2 Biopharmaka 1989 USA
Interferon-gamma lb Biopharmaka 1990 USA
Antikörpertest Darmkarzenome In-vivo-Diagnostik 1992 USA
Monoklonale Antikörper sept. Schock Biopharmaka 1992 USA
Faktor VIII/IX Biopharmaka 1992 USA
Interferon-beta (MS) Biopharmaka 1993 USA
Ceredase (Typ 1 Gaueher Krankheit) Biopharmaka 1994 USA
BioTropin (Kinder Wachstumhormon) Biopharmaka 1995 USA
Interferon beta I-alpha Biopharmaka 1996 USA
Factor VII (Antihemophilic) Biopharmaka 1997 USA
Hepatitis C Biopharmaka 1997 USA
Immuneglobin IV Biopharmaka 1998 USA
rekombinantes Ospa A (Lyme) Biopharmaka 1998 USA
Herceptin (Brustkrebs) Biopharmaka 1998 USA
Remicade (Crohn's Krankheit) Biopharmaka 1998 USA
Agenerase (HIV I AIDS) Biopharmaka 1999 USA
Prosorba (Rheumatische Arthritis) Biopharmaka 1999 USA

Tabelle 11.2: Auswahl an zugelassenen biopharmazeutischen Produkten und Diagnostika


Quelle: In Anlehnung an Webpage 'The Biotechnology lndustry Organization, Biotech-
nology State of the Industry Report 1998, BioWorld Publishing Group'; vgl.
Burrill (1999) S.ll; vgl. König/Bangsow (1996) S. 449

104 Vgl. König/Bangsow (1996) S. 442-449.

33
Der Zulassungsprozeß als Voraussetzung für die Vermarktung dauert zwischen 17
und 30 Monaten. Insgesamt wurden bis Anfang 1998 rund 100 biopharmazeutische
Therapeutika für den Arzneimittelmarkt in den USA zugelassen, ca. 200 Produkt-
kandidaten standen vor der FDA Marktzulassung.105

Diagnostika sind Methoden bzw. Indikatoren zum frühzeitigen Erkennen von Krank-
heitssymptomen. Moderne biotechnologische Verfahren ermöglichen mono- und
polykonale bzw. rekombinate Antikörpertests, die in-vitro (außerhalb des Körpers)
in Immunoassays oder in-vivo (im Körper) praktiziert werden. Angewandt wird
insbesondere die PCR sowie weitere molekularbiologische Detektionsmethoden. Der
Diagnostika-Geschäftsbereich erwirtschaftet bisher wesentlich niedrigere Margen als
das Pharma-Geschäft.

Durch gezielte Verbindung von diagnostischen und therapeutischen Anwendungen


beispielsweise in der Pharmakogenomik könnte diese Margenverteilung allerdings
verändert werden. Mit neuen diagnostischen Tools können unterschiedliche
Segmente in Patientengruppen aktiv differenziert werden, so daß effizientere und
schnellere klinische Studien sowie wirksamere Therapien in Zukunft möglich
werden.106

(2) Aktuelle Entwicklungen und Perspektiven der Biotechnologie für die Humanmedizin
Neben der Herstellung biopharmazeutischer Produkte durch gentechnologische Ver-
fahren, ermöglicht die DNA-Sequenzierungstechnik darüber hinaus die molekulare
Analyse und Erforschung des Genoms, des genetischen Bauplans jeder Spezies. Die
Sequenzierung und Kartierung der gesamten DNA eines Lebewesens, legt die mole-
kularbiologischen Grundlagen offen - den genetischen Code. Die Gene sind der
Ausgangspunkt biochemischer Prozesse im Körper. In den 50.000-100.000 Genen des
menschlichen Genoms, das aus 23 Chromosomen besteht, werden alle Proteine des
Körpers definiert und die wichtigen Regulationen der einzelnen Genabschnitte fest-
gelegt, die zur Aktivierung oder Deaktivierung bestimmter Funktionen führen.
Jedes Gen stellt eine bestimmt Reihenfolge der Basenpaare- Adenin, Cytosin, Guanin
und Thymin - dar, die Informationen für die Bildung eines Proteins enthalten.107
Das ursprüngliche Ziel, bis zum Jahr 2005 das gesamte Genom mit 2,9x 109 Basen-
paaren (bp) zu entschlüsseln, konnte durch die Fortschritte bei den Arbeitstechniken
der Genomanalyse und stärkerer Berücksichtigung von qualitativ hochwertiger
Sequenzierleistung bei der Mittelvergabe von Forschungsgeldern entscheidend
beschleunigt werden, so daß im Jahr 1999 noch davon ausgegangen wurde, bis zum
Frühjahr 2002 rund 90% und bis 2003 rund 99,99% des menschlichen Genoms zu

105 Vgl. Ernst & Young LLP (1998a) S. 14.


106 Vgl. Diller (1998) S. 50-56; siehe Kap. 11.2.
107 Vgl. BMFT (1991) S. 25-27. jedes Gen besteht aus drei Abschnitten: (1) einem die Aktivität des Gens regu-
lierenden, (2) einem informationstragenden und (3) einem informationslosen. Der informationstragende
DNA-Abschnitt enthält die Informationen zur Bildung eines biologisch aktiven Eiweißmoleküls (des Pro-
teins), der regulierende Teil definiert als Steuerbereich, wann die information abgelesen wird. Beide Funk-
tionen werden als duale Struktur des Gens bezeichnet, vgl. BMFT (1991) S. 35-38.

34
sequenzieren.108 Durch massiven Einsatz von Sequenzier-Maschinen und Informa-
tionstechnologie bei der Auswertung der Genomdaten verkündete das Unternehmen
Celera Genomics, das in Konkurrenz zum staatlich finanzierten HGP bei der Genom-
sequenzierung steht, eine erste vollständige Entzifferung der menschlichen DNA
bereits im April 2000. Das HGP folgte einige Tage später mit dem Ergebnis einer
vorläufigen Genomsequenzierung, die rund 90% der Erbinformationen umfaßte)09
Eine lückenlose und fehlerfreie Sequenzierung der Basenpaare muß allerdings erst
noch erzielt werden, denn die von Celera verwendete Technik ist sehr grob und un-
genau, so daß die genauemenschliche DNA-Sequenz weiterhin offen ist.llO Dieses
Ereignis der ersten menschlichen Genomsequenzierung, das schneller eintrat, als
selbst von Experten erwartet, macht allerdings deutlich, wie sehr der Leistungsfort-
schritt bei der Informations- und miniaturisierten Automationstechnologie den
Erkenntnisgewinn in der Biotechnologie beschleunigt.lll
Dieser genetische Code ist allerdings - obwohl in seine molekularen Bausteine, die
Nukleinsäuren, zerlegt - noch nicht entschlüsselt, d.h. interpretierbar. Die Auswer-
tung der Ergebnisse und Verwertung der immensen Datenmengen aus der Genom-
sequenzierung steht noch am Anfang. Die Verbindung molekularbiologischer
Erkenntnisse mit den technischen Möglichkeiten der Informatik eröffnet ein weites
Spektrum hinsichtlich Miniaturisierung, automatisierter Genanalyse und Bearbei-
tung komplexer Datenmengen des Genoms (siehe Fallstudien Incyte, LION). Die Kon-
struktion von Biochips oder DNA Chips, auf denen große Datenmengen an gene-
tischer Information, Peptiden oder anderen Biomolekülen komprimiert werden, hat
sich Ende der neunziger Jahre sehr schnell weiter entwickelt.112 Miniaturisierung
und schnellere Analysemethoden werden in der Biotechnologie immer bedeutsamer
(siehe auch Fallstudie MMI).l13 Eine noch futuristisch anmutende Vorstellung jenseits
medizinischer Anwendungen liegt in einer weiteren Integration von Bio- und Infor-
mationswissenschaften, die bis zu Konzeptionen eines molekularen Computer reicht:
Nukleinsäuren als neues technologisches Paradigma für Mikrochips erscheinen
möglich,ll4

108 Vgl. Marshall (1999) S. 310.


I09 Vgl. Krägenow (2000) S. I.
110 Vgl. beispielhaft o.V. (2000g) 5. 21, vgl. Rademacher (2000) S. 3; den Celera-Daten liegt darüberhinaus nur die
DNA eines einzeinen Probanden zu Grunde. Um individuelle genetische Eigenarten auszuschließen, müssen
diese Ergebnisse allerdings mit den DNAs von mindestens fünf Personen verglichen werden.
111 Vgl. Müller (2000) S. 13, vgl. Müller-Jung (2000a) 5. Nl-N2.
112 Das Prinzip der Biochips beruht auf der engen molekularen Verbindung passender Moleküle der
DNA/RNA. Mit Fluoreszenz gemarkerte DNA/RNA-Sequenzen, sog. Oligonukleotide, in bekannter Reihen-
folge können zur Identifikation von passenden Genabschnitten in einer großen Menge von genetischer Infor-
mation auf einem Chip verwendet werden. Bei Fortschritt der Chiptechnologie, die ersten Diagnose-Chips
werden z.Zt. klinisch getestet, wird es spezielle Nachweischips für Krankheiten geben, beispielsweise für das
Brustkrebsgen 'BRCAI' mit seinen bekannten 400 Mutationen, so daß in einem sehr frühen Stadium, bereits
vor Krankheitsausbruch, das individuelle Krankheitsrisiko des Patienten abgeschätzt werden kann (siehe auch
das Kooperationsprojekt in Fallstudie MMI).
113 Vgl. Müller-Jung (2000b) 5. Nl-N2.
114 Vgl. Port (1999) S. 81; vgl. Rifkin (1998) 5. 266-288.
35
Trotz bereits identifizierter und funktional interpretierter Gensequenzen muß ein
umfassendes Verständnis für Krankheitsursachen und physiologische Zusammen-
hänge im menschlichen Organismus zuerst noch entstehen. Dies wird dann aber
eine Entwicklung einleiten, bei der therapeutische Maßnahmen nicht mehr an Symp-
tomen und Wirkungen ansetzen, sondern die wirklichen genetischen Ursachen von
Krankheiten adressieren.llS Eine ursachenspezifische und eine am Genotyp anset-
zende individuelle Therapierung ist das Fernziel medizinischer Forschung, die sich
der modernen biotechnologischen Techniken bedient. Die Genomsequenzierung ist
somit eine notwendige Grundlagenarbeit, die zukünftig ein außerordentliches Hand-
lungsspektrum eröffnet: die Möglichkeit genetische Abläufe zu verstehen, zu anti-
zipieren und krankhafte Fehlfunktionen zu beheben. Dieses wissenschaftliche
Potential des als Genomics bezeichneten Technologiefeldes, verspricht sehr große und
aussichtsreiche wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten, insbesondere in 'Funktionale
Genomik', 'Protenomik', 'Pharmakogenomik' und in der 'Bioinformatik',l16
Eine weiteres Forschungsziel der Genomforschung ist die Entschlüsselung und the-
rapeutische Nutzung von Mikroorganismen. Das Entschlüsseln und Analysieren
mikrobieller Erbmoleküle eröffnet die Möglichkeit, interessante Erbanlagen zu
patentieren und kommerziell zu verwenden. Z.B. wurde in Deutschland das Genom
eines Erregers für Lungenentzündung entschlüsselt. Die Kenntnis der genetischen
Bausteine und die Interpretation der Informationen in den Funktionsanalysen führt
zu neuen Möglichkeiten in der diagnostischen und therapeutischen
Produktentwicklung. Anstatt morphologische bzw. physiologische Eigenschaften
für die einzelnen Mikroorganismen zu identifizieren, kann die Genomkenntnis eine
gezieltere Bearbeitung und Veränderung der Erbinformationen bewirken - eine
deutlich präzisere und schnellere Methode. Wissenschaftler sprechen deswegen
auch von einem "Paradigmawechsel in der Mikrobiologie".l17

115 Z.T. konnten bereits erste Erfolge bei somatischen gentherapeutischen Behandlungsmethoden erzielt werden,
insbesondere bei der auf einem Gendefekt beruhenden Immunschwächekrankheit der ADA-Deficiency: auf-
grund des defekten Adenosin-Desaminase Enzyms entwickelt sich kein intaktes Immunsystem, vgl. z.B.
Ryser/Weber (1991) S. 16-17.
116 Unter dem Begriff 'Protenomics' versteht man den Bereich der Biotechnologie, in dem durch Kenntnis des
Genoms die Herstellung, der Aufbau und die Veränderung von Proteinen im Organismus ursachenspezfisch
untersucht wird. Der Begriff 'Bioinformatik' bezeichnet die Schnittstelle zwischen der Molekularbiologie und
der Informatik. Das Anwendungspotential entsteht, da im Rahmen der Genomprojekte und diversen verbun-
denen Forschungsprojekten der Bedarf für Datenspeicherung, -bearbeitung und -integration sehr stark
wächst, siehe auch Fallstudien lncyte und LJON. Die Begriffe 'Functional Genomics' und 'Pharmacogenomics'
wurden bereits in Kap. II.2 erläutert.
117 o.V. (1999f) S. 32.

36
Bei der Biotechnologie im medizinischen Bereich kann der Patient noch
mitentscheiden. Man kann direkt mit dem Arzt kommunizieren. Bei der
'grünen' Biotechnologie kenne ich denjenigen nicht, der Hand anlegt. Der
Akteur, der Prozeß und das Produkt sind anonym. Diese psychologische
Hürde gilt es zu überwinden. Es braucht Transparenz darüber, was in der
'grünen' Biotechnologie getan und wie es kommuniziert wird.
Friedrich v. Bohlen, CEO LION Bioscience

3.2 Agro, Lebensmittel und Tierzucht (Agßio)


Ein weiteres Anwendungsgebiet stellt der Agro-/Lebensmittel- und Tierzucht-Bereich
(Ag Bio) dar. Die Herstellung von niedermolekularen Zusatzstoffen, z.B. Zucker oder
Aromastoffen, rekombinanten Enzymen als Katalysatoren der Nahrungsmittelpro-
duktion, genetisch veränderten Herbiziden für effektiveren und umweltschonen-
deren Pflanzenschutz, transgenen Pflanzen als nachwachsender Rohstoff sowie die
Klonierung transgener Pflanzen und Tiere, z.B. als "Functional Food" wird durch
biotechnologische Verfahrensweisen ermöglicht.l18 Z.B. könnten Lebensmittel mit
höherem Nährwert oder mit kombinierten therapeutischen Wirkstoffunktionen aus-
gestattet werden, Stickstoffbindung aus der Luft von Nutzpflanzen könnte eine
Reduzierung der Kunstdüngung nach sich ziehen und durch gentechnisch verän-
dertes Saatgut könnten Herbizid-resistente Pflanzen weniger Pflanzenschutz benö-
tigen.119 Eine Zäsur bedeutete 1997 die erste Klonierung eines Säugetiers, des Schafs
Dolly, am Roslin Institut, UK.120 Transgene Tiere könnten z.B. als Großproduzenten
von therapeutischen Proteinen oder als Lieferant für menschliche Organe zur Trans-
plantation dienen.121 In diesem Sinne gehören transgene Tiere' zum Anwendungs-
gebiet der Humanmedizin. Weitergehende Anwendungen für die Tierzucht sind
allerdings dem AgBio-Bereich zuzurechnen, wie beispielsweise die transgene Züch-
tung von Tieren mit höherem Nährwert oder verkürztem Wachstumszyklus bis zur
"Nutzung" durch den Menschen.
Viele Anwendungen sind bisher großteils noch Zukunftsvisionen. Sie sollten jedoch
im Kontext der damit verbundenen wirtschaftlichen Interessen kritisch hinterfragt
werden.122 Die momentane Nutzung von biotechnologischen Produkten in AgBio
steht erst am Anfang der möglichen Entwicklung und wird in erheblichem Ausmaß
von der gesellschaftlichen Akzeptanz beeinflußt. Insbesondere Freilandversuche

118 Zum Entwicklungsstand angebotener biotechnologischer Produkte im Agro-/Lebensmittel-1 Tierzucht-Bereich


vgl. ausführlich Streck/Pieper (1997) S. 39-80; vgl. Wimmers (1996) S. 146-147, vgl. Geldermann/Momm
(1995) S. 244-271; Fischheck (1995) S. 189-197.
119 Vgl. Gassen (1993) S. 27-32; im Juli 1999 wird z.B. der erste Freilandversuch mit gentechnisch veränderten
Reben in Deutschland durchgeführt, die eine genetische Resistenz gegen häufigen Pilzbefall der Weinrebe
haben, vgl. Aberle (1999) S. 11.
120 Das Unternehmen PPL Therapeutics of Sealland klonte das Iransgene Schaf Dolly mit dem menschlichen Gen
Faktor IX, vgl. Ernst & Young LLP (1998a) S. 28; es ist offen, ob sich Iransgene Tiere i.V. zu bakteriellen
Kulturen, in-vitro-Säugetierzellen oder Pflanzenzellen als kommerzielle Proteinproduktionsstätten durch-
setzen werden.
121 Zu den Problemen bei Organtransplantationen von Tieren auf den Menschen, sog. Xenotransplantationen,
vgl. Hobom (2000) S. 14.
122 Siehe auch Kap. V.S.; zur rechtlichen Situation in der EU nach dem Novel-Food-Gesetz vom 15.5.1997 vgl. u.a.
Paulson/Fröhlich (1998) S. 88-89; beispielhafte Darstellung der Auseinandersetzung von Befürwortern und
Kritikern bei der Züchtung gentechnisch hergestellter rizomaniaresistenter Zuckerüben (gentechnisch
bewirkte Virusresistenz für Zuckerrüben) bei Ollig/Ries (1995) S. V-VII.
37
gentechnisch veränderter Substanzen sind umstritten und schwer zu realisieren,l23
In Japan beispielsweise, dem größten Importeur gentechnisch veränderter Soja-
bohnen und Mais, soll die Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Nah-
rungsmittel eingeführt werden. Rund 25% der Importe beruhen auf gentechnisch
verändertem Saatgut. Schwierigkeiten bereitet der Nachweis, denn durch vielfältige
Zusammenführung der Grundstoffe und mehrstufige Verarbeitungsprozesse können
modifizierte Basisstoffe in Nahrungsmitteln kaum oder nur unter sehr großem Auf-
wand identifiziert werden.J24 Die Widerstände bei den Konsumenten werden durch
die abwehrende Haltung der Industrie zur Kennzeichnung weiter verstärkt. Lang-
fristig ergeben sich allerdings für die AgBio große wirtschaftliche Chancen, denn das
weltweite Bevölkerungswachsturn wird zu einer Verknappung von landwirtschaft-
lichen Nahrungsprodukten führen. Biotechnologisch veränderte Nutzpflanzen
können durch größere Toleranz gegenüber der Versalzung von Böden, Trockenheit
und Schädlingsresistenz zu höheren Produktivitäten von landwirtschaftlichen Pro-
dukten führen und dem Ernährungsproblern somit entgegen wirken.

3.3 Umwelt I Chemie


Das dritte Anwendungsgebiet ist der Umwelt-Chemie-Bereich. Neu entwickelte bio-
technologische Produkte, wie z.B. Biopolymere können traditionelle chemische
Polymere substituieren, beispielsweise Kunststoffe wie Polyethylene (PE, PPT, PET
etc.) oder künstliche Textilstoffe wie Nylon oder Polyester.125 Biopolymere haben
das Potential sowohl kostengünstiger zu sein, beispielsweise gegenüber künstlichen
Textilstoffen, als auch zusätzlichen Mehrwert bezüglich Abbaubarkeit, Verträglich-
keit, wiederholter Nutzbarkeit oder anderen verbesserten Leistungsmerkmalen zu
generieren.l26 Daneben eröffnen neue biotechnologische Produktionsverfahren, die
effizienter einsetzbar und auch effektiver sind, neue wirtschaftliche Möglichkeiten,
beispielsweise durch enzymatische und auf genetisch veränderten Mikroorganismen
beruhende Verfahren in der Abfallbeseitigung.J27 Neueste Verfahren pilotieren z.B.
eine Sanierung von Rüstungs- und Militärstandorten durch biologischen Abbau von
TNT und anderer Sprengstoffe durch Bakterien in Bioreaktoren.l 28

Weitere Möglichkeiten der kommerziellen Nutzung bestehen im Energiesektor. Bio-


technologische Verfahren können zur Gewinnung neuer Energiequellen aus Bio-

123 In Deutschland werden Äcker mit gentechnisch veränderte Pflanzen von militanten Gegnern häufig zerstört,
so daß neben langwierigen Genehmigungsverfahren eine weitere Verzögerung für die wirtschaftliche Nut-
zung eintritt. Zur Bedeutung von gesellschaftlicher Akzeptanz und geeigneten Handlungsmaßnahmen der
Biotechnologie-Unternehmen, vgl. Ernst & Young LLP (1998a) S. 26.
124 Vgl. o. V. (1999h) S. 18.
125 Vgl. Bachmann/Bastianelli/Riese/Schlenzka (2000) S. 93-98.
126 Aussichtsreiche Biopolymere wie 'Poly-lactic-acid' (PLA), 'Poly-hydroxy-alcanoates' (PHA), 'Polytrinethylene-
terephthalate' (PTT) haben durch bessere Leistungsmerkmale versus traditionellen chemischen Produkten
mittel-/langfristig (2005-2010) großes Wachstumspotential, vgl. McKinsey (1999b).
127 Vgl. Malinowsky/Dombach/Tiby (1992) S. 6; vgl. McKinsey (1999b), vgl. Deutscher Bundestag (1987) S. 100;
beispielsweise können Mikroorganismen in der Gewässer- oder Bodenreinigung anorganische Stoffe auf-
nehmen, verarbeiten und somit der Umwelt entziehen; für konkrete Projektbeschreibung einer Grundwasser-
sanierung am Gaswerkstandort Düsseldorf-Flingern vgl. Raphael (1997) S. 161-167.
128 Vgl. Raphael (1997) S. 168-174.

38
masse eingesetzt werden. Das Gebiet der Umwelt/Chemie i.w.S. inklusive basis-
/spezialchemischer und energiespezifischer Anwendungen ist das bislang am
geringsten penetrierte Aktionsfeld sowohl von reinen Biotech-Unternehmen als auch
von dominierenden Marktspielern in der Chemieindustrie,l29

Auch wenn nach Prognosen ca. 30% aller chemischen Prozesse und Produkte im Jahr
2010 durch die Biotechnologie beeinflußt werden, sind die dominierenden Unter-
nehmen in der Chemieindustrie noch sehr zurückhaltend gegenüber biotechnolo-
gischen Anwendungen 'inhouse' bzw. gegenüber Kooperationen mit führenden Bio-
·tech-Unternehmen,l30 Geringes Interesse der großen Unternehmen sowie vielfach
noch nachzuweisende Vorteile der biotechnologischer gegenüber existierenden Pro-
dukten und Prozessen, führt kurzfristig zu einem sehr kleinen Marktvolumen im
Umwelt-/Chemie-Bereich (siehe Abbildung II.2). Viele Projekte, auch die Umsetzung
der in der öffentlichen Diskussion propagierten Sanierungsanwendungen, befinden
sich noch im Ideen- bzw. frühen Forschungsstadium. Wirtschaftliche Nutzenpoten-
tiale erscheinen erst mittel- bis langfristig realisierbar, zumal auch rechtliche Rah-
menbedingungen für Zulassung und Vermarktung noch nicht abschließend geregelt
sind,l31

3.4 Marktchancen für die Biotechnologie


Es existieren vielfältige Aussagen und divergierende Zahlenmodelle zum Marktvo-
lumen biotechnologischer Anwendungen. Volumen und Potential der kommer-
ziellen Nutzung sind sehr stark von Zukunftserwartungen und der Abschätzung von
Unsicherheitsfaktoren, z.B. Zulassungsfristen und klinischen Entwicklungserfolgen,
abhängig. In der Vergangenheit wurde in vielen Untersuchungen das bestehende
Volumen und die daraus prognostizierte zukünftige Entwicklung deutlich positiver
beurteilt, als sich in der Realität herausstellte.132 In den letzten Jahren wich die stark
von visionären Zukunftsvorstellungen geprägte Sichtweise einer realistischeren Ein-
schätzung. Die Marktperspektiven unternehmerischer Aktivitäten erscheinen lang-
fristig sehr aussichtsreich, allerdings nach Geschäftsfeld differenziert. Die Genauig-
keit der verfügbaren kurz- und mittelfristigen Marktdaten und -prognosen ist aber
problematisch.

(1) Marktabschätzungen des Geschäftsfelds 'Humanmedizin'


Die Humanmedizin ist der größte und wirtschaftlich interessanteste Markt für bio-
technologische Unternehmen in Europa, aber insbesondere auch in den USA.133

129 Vgl. McKinsey (1999b), vgl. Freeman (1990) S. 88.


130 Vgl. McKinsey (1999b).
131 Vgl. Wimmers (1996) S.l48;vgl. Streck/Pieper (1997) S. 203-204.
132 Die Senior Avisory Group Biotechnology (SAGB), die Lobbygruppe der Industrie der EU prognostizierte An-
fang der neunziger Jahre ein Weltmarktvolumen 170 Mrd. DM im Jahr 2000; vgl. Streck/Pieper (1997) S. 195,
vgl. Kireher (1993) S. 17, vgl. Müller (1991) S. 50-51; diese Prognose dient den Gegnern als Beweis einer deut-
lichen Überschätzung des wirtschaftlichen Potentials der Biotechnologie, vgl. z.B. Dolata (1999) S. 247-250.
133 Die größten Biotech-Unternehmen (siehe Tabelle ll.B) sind vorwiegend in der Humanmedizin tätig. Nach
Schätzungen beträgt ihr Anteil rund 90% des Weltmarktes für biotechnologische Produkte und DL.

39
Neue Methoden haben das Spektrum der traditionell chemisch-pharmazeutischen
Forschungsinhalte radikal erweitert und zu neuen biopharmazeutischen Produkten,
den rekombinanten Proteinen, geführt. Diese haben sich erfolgreich am Markt
durchgesetzt und sind mit Umsätzen konventioneller Medikamente vergleichbar,
auch wenn die größten Blockbusterprodukte noch dominanter sind, beispielsweise
erzielte allein das Produkt 'Lipitor' 1999 einen Umsatz von rund 3,6 Mrd. USD (siehe
Tabelle 11.3).

Produkt Entwickler Marketing Umsatz Umsatz Umsatz


1995 1997 1999
EPO Amgen Amgen 662 984 1.760
Procrit/EPO Amgen Ortho 551 991 1.505
Biotech (J&J)
Neupogen Amgen Amgen 762 895 1.260
Humulin Genentech Eli Lilly 611 793 1.088
Interferon A Biogen Schering- 391 507 655
Plough
Avonex Biogen Biogen - n.a. 621
Engerix-B Genentech SKB 536 495 540
Rebetran ICN Pharma./ Sehering - - 530
Schering-Plough
Ceredase Genzyme Genzyme n.a. 282 500
Tabelle !1.3: Umsatzstärkste biopharmazeutische Produkte im Vergleich 1995- 1999 (in Mio. USO)

Quelle: In Anlehnung an Ernst & Young LLP (1998/1999/2000); MedAd News

Die Bedeutung rekombinanter Produkte wird bei neuen Entwicklungen noch weiter
zunehmen, denn ihre klinische Erfolgsquote ist mit 63-68% mehr als doppelt so hoch
wie bei konventionellen Pharmaka (25-32%). Auch therapeutische monoklonale
Antikörper (35-48%) und diagnostische monoklonale Antikörper (73-80%) haben eine
höhere Erfolgswahrscheinlichkeit, in klinischen Phasen zu bestehen. In den letzten
Jahren nimmt die Anzahl der in den klinischen Phasen getesteten biopharmazeu-
tischen Produkte weiter zu. Im Jahr 1999 befanden sich 350 biotechnisch hergestellte
Produktkandidaten in der klinischen Entwicklung. Davon richten sich 151 gegen
Krebserkrankungen, 29 gegen HIV und AIDS-bedingte Krankheiten, 19 gegen Auto-
immun- und 8 gegen Blutkrankheiten.J34 Im Jahr 2003 sollen diese rund 10-15% des
gesamten pharmazeutischen Marktes von rund 400 Mrd. USD stellen.J35 Der Anteil
biopharmazeutischer Produkte steigt demnach sowohl absolut als auch prozentual

l:\4 Vgl. webpagevon PhMmaceutical Research and Mar.ufacturers of America (PhRMA).


13'i Vgl. Kimig/Bangsow (1996) S. 446-447.

40
mit einem riesigen zu verteilenden Marktpotential für Unternehmen in der nächsten
Dekade (siehe Abbildung II.4) .
Im Diagnostikamarkt haben sich biotechnologische Verfahren sehr schnell durch-
gesetzt. Z.Zt. basieren die meisten neuen Diagnosemethoden auf molekular-bioche-
mischen Funktionsweisen.136 Dieneuesten technologischen Entwicklungen, die sich
aus dem 'Genomik-Ansatz' ergeben, werden die zukünftige Therapeutika- und
Diagnostika-Entwicklung noch grundsätzlicher wandeln, als dies die erste und
zweite Generation der biopharmazeutischen Produkte erreicht hat. Trotz prognos-
tizierter Verkürzung des Forschungs- und Entwicklungsprozesses, wird eine
nachhaltige Beurteilung frühestens in 10-20 Jahren möglich sein.

Wachsender Anteil von gentechnisch hergestellten Medikamenten


am weltweiten Pharmaumsatz
in Prozent, (Mrd. USO)

Ende der 90'er Jahre SCHÄTZUNG


haben bei Neuzulassungen
6 von 10 Präparaten
einen Biolech-Ursprung
(- 9ao·)

Ca. 100 Pharmaka auf


Basis von Biotechnologie
existieren seit den 70er
Jahren (-500)

1998 2005 2015

Abbildung 1/.4 : Weltweiter Pharmaumsatz und Anteil gentechnisch hergestellter Medikamente


Quelle: BIO Januar 2001 , IMSHealth 2001 , eigene Berechnungen•
(•Annahme: 7% jährliches Wachstum des Pharmamarktes ab 2005)

(2) Marktabschätzungen des Geschäftsfelds 'Agro-Lebensmittel-Tierzucht'


Die Erwartungen an die AgBio wurden auf wirtschaftlichem Niveau von den Unter-
nehmen nicht erfüllt. Entwicklungszeiten für neue Technologien waren länger, die
Vermarktung von Agroprodukten durch regulatorische Anforderungen schwieriger
und die Adaptionszeiten der nachfragenden Farmer wesentlich länger als prognosti-
ziert. Zusätzlich entwickelte sich der Markt für wertschöpfungsintensive Produkte

136 Vgl. Prognos-Studie von Streck / Pieper (1997) S. 198-199.

41
grundsätzlich langsamer bzw. stellte sich nach kurzer Zeit als preissensitiver 'Com-
modity Markt' heraus.137 In Europa werden die Kommerzialisierungsprobleme
durch die außerordentlich langen und intransparenten Zulassungsverfahren der EU
weiter verstärkt, so daß trotz guter technologischer Positionierung der Unternehmen
ein erheblicher Rückstand zu der US-amerikanischen Marktentwicklung besteht.138
Akzeptanzprobleme bei Farmern und Konsumenten in den USA, Japan und Europa,
die von den Unternehmen lange unterschätzt und negiert wurden, belasten die
kommerzielle Verbreitung erheblich.l39 In dieser Diskussion wird deutlich, daß die
Herausstellung eines klaren Konsumentennutzens für Farmer und Verbraucher von
der Biotech und Life-Sciences-Industrie stark vernachlässigt wurde.J40
Neben den dominanten Anbietern der agrochemischen Unternehmen konnte sich,
anders als im Gesundheitssektor, nur sehr begrenzt ein Kreis unabhängiger agrobio-
technologischer Unternehmen etablieren. Der biotechnologische Mehrwert existiert
gerade im gentechnisch verbesserten Saatgut. Speziell die USA, die im Jahr 1998
rund 81% der gesamten Agro-Biotechnologie ausmachten, substituieren konven-
tionelles Saatgut und bauen gentechnisch veränderte Pflanzen an (siehe Tabelle Il.4).

Produktart Land 1996 1997 1998 Anteil an Gesamt-


fläche (1998)
Soja USA 500 4.450 13.000 28%
Argentinien - 1.000 2.000 k.A.
Mais USA 300 3.200 8.000 21%
Europa - - 100 k.A.
Argentinien - - 100 k.A.
Baumwolle USA 800 1.320 2.000 53%
Australien - 200 300 k.A.
Raps/Tabak USA/Kanada 1.300 2.560 3.900 k.A.
/Gemüse /China
SUMME 2.900 12.730 29.400
Tabelle II.4: Mit biotechnologisch verändertem Saatgut bebaute Agro-Fläche in der Welt
(in 1000 ha)
Quelle: Eigene Berechnungen, basierend auf CHEManager 6/99 nach ISAAA (int.
Service for the Acquisation of Agri-biotech Applications), Schätzungen der FIS,
IV A auf http:/ /www.dechema.de/deutsch/isb/zahlen.htm und 'The Wall
Street Journal,' 3.4.1998 zitiert in Paulson/Fröhlich (1998) S. 103

137 Vgl. Ernst & Young LLP (1998a) S. 17.


138 Vgl. Ernst & Young (1998a) S. 31.
139 Vgl. Krenzler/Landwehr (2000) S. 35.
140 Siehe Kap. ll. 5.
42
Die hohen Wachstumsraten und das große noch unerschlossene Potential für die
Märkte in Europa und der restlichen Welt haben zu einem starken Interesse der
agrochemischen Industrie geführt. Große Unternehmen der Branche haben sich seit
1996 an den unabhängigen Saatgutunternehmen beteiligt oder diese ganz aufgekauft:
Du Pont erwarb 20% von Pioneer Hi-Breed, Empreses La Moderna kaufte DNA Plant
Technologies, Agrevo erwarb Plant Genetic Systems, Monsanto erwarb die restlichen 45%
von Ca/gene für 217 Mio. USD, BASF beteiligte sich an der schwedischen Svalöf
Weibuli, Novartis kaufte 27% von SyStemix für 76 Mio. USD.141 Die Akquisitions-
preise stiegen bis auf Werte von 18-20fachen Umsatzmultiples, so daß nach
finanziellen Gesichtspunkten diese Akquisitionen kurz- bis mittelfristig nicht wirt-
schaftlich sein konnten. Nur ein strategisches Investment rechtfertigt wenn über-
haupt Kaufpreise in dieser Größenordnung. Daneben investieren die traditionellen
Großunternehmen massiv in organisches Wachstum bzw. Kooperationen mit
Instituten und kleineren Biotech-Unternehmen,l42
Diese Saatgutunternehmen haben die ersten biotechnologischen Produktgenera-
tionen gerade realisiert, im wesentlichen produktionsfördernde Verbesserungen im
Saatgut, wie Herbizid- oder Virusresistenz (siehe Tabelle II.5). Dies sind Produkt-,
insbesondere Kostenvorteile, die weniger den Endkonsumenten interessieren, als die
Farmer und die Agro- bzw. Nahrungsmittelindustrie selbst,l43

Prozentualer Anteil
Herbizid relevante Eigenschaften 58%
Krankheitsresistenzen (Virus, Pilze etc.) 15%
Sonstige Eigenschaften (Zusatzstoffe, Marker, etc.) 27%
Gesamte Anzahl 1.086
zugelassener rekombinanter Organismen
Tabelle II.S: Eigenschaften von der EU zugelassener rekombinanter Organismen
Quelle: Robert Koch Institut, Ernst & Young (1998b), Eigene Berechnungen

Eine prägnante Analyse zur Problematik der Agro Biotechnologie liefert Erickson:
"Agricultural biotechnology has yet to produce much of commercial value. Aside
from seed crops engineered to withstand herbicides and to produce a naturally-
occurring insect toxin, a bovine hormone protested today, and a slow-to-rot tomato

141 Vgl. Ernst & Young LLP (1998a) S. 17-18.


142 Die BASF Plant Science GmbH plant bis 2005 für die Pflanzenbiotechnologie Investitionenvon 700 Mio. EUR,
vgl. o.V. (2000e) S. 20.
143 Beispielsweise sparen nach Angaben der Herstellerfirmen Agro-Produzenten bei Soya (Monsanto) rund 30
USO/ha, bei Mais (Novartis) rund 42 USO/ha und bei Baumwolle 133 USO/ha an vermindertem Herbizid-
einsatz, vgl. http:/ /www.dechema.de/deutsch/isb/zahlen.htm.
43
no longer marketed, the major products of ag biotech have been controversies over
the merits of genetically manipulating the world's food supply."144
Die eigentlichen Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Nutzung ergeben sich erst,
wenn bestimmte Produkteigenschaften, die den Wert für den Konsumenten signifi-
kant steigern und ihm dann auch vermittelbar sind, von innovativen Unternehmen
umgesetzt werden, wie z.B. geringerer Fettgehalt in Kartoffeln, höherer Vitaminan-
teil bei Gemüsesorten etc. bis zu medizinisch vorbeugenden therapeutischen Pro-
dukteigenschaften. Eine am direkten Nutzen der Konsumenten orientierte Agro-
Biotechnologie könnte in der gesellschaftlichen Akzeptanzdebatte auch eine argu-
mentativ stärkere Position einnehmen)45 In diesem Umfeld ergeben sich Chancen
für AgBio-Unternehmen, die die neuesten biotechnologischen Techniken wie Funkti-
onale Genomik, Kombinatorische Chemiedatenbanken etc. auf die Bedürfnisse des
AgBio-Sektors übertragen. Marktprognosen gehen davon aus, daß mit Zeitverzöge-
rung, ähnlich wie die pharmazeutische Industrie, auch die Agro-Chemie-Unterneh-
men erhöhten Bedarf an externen Forschungsergebnissen entwickeln, Forschungs-
allianzen mit technologisch führenden Unternehmerischen AgBio-Startups eingehen
sowie Technologien, Produkte und Produktkandidaten einsourcen werden)46

(3) Marktabschätzungen des Geschäftsfelds 'Umwelt/Chemie'


Wirtschaftliche Anwendungen im Umwelt-Chemie-Bereich haben die geringste
Bedeutung. Ähnlich den Anwendungen in der Landwirtschaft wurden kommerz-
ielle Erfolge moderner biotechnologischer Verfahren in Prognosen sehr lange
deutlich überzeichnet. Darüber hinaus gestaltet sich die Abgrenzung des erhobenen
Zahlenbestandes problematisch, da häufig nicht zwischen chemischen, traditionell
biologischen und modernen biotechnologischen Verfahren unterschieden wird)47
Biotechnologische Verfahren stellen nur einen sehr geringen Anteil am Marktvo-
lumen, während der überwiegende Teil auf traditionellen biologischen Verfahren
beruht.148 Zusätzlich bestehen Unsicherheiten, weil in diesem sehr jungen Geschäfts-
bereich erst seit einigen Jahren wirtschaftliche Aktivitäten bestehen. Trotz dieser
Beschränkungen des Zahlenmaterials wird bei der Analyse deutlich, daß das Markt-
volumen der Umwelt-/Chemie-Biotechnologie viel geringer ist, als in den Bereichen
Humanmedizin und AgBio. Die Wachstumsraten signalisieren zwar eine kontinu-
ierliche Steigerung der Bedeutungsfähigkeit, bleiben allerdings hinter den anderen
Geschäftsbereichen zurück, zumal die Ausgangsbasis sehr klein ist (siehe Tabelle II.6) ..

144 Erickson (1998) S. 48.


145 Der Akzeptanzdurchbruch für medizinische Anwendungsbereiche der Biotechnologie kam mit der direkten
Nutzenstiftung "bessere Medikamente, bessere Behandlungsmethoden für den Menschen" der biotechnolo-
gischen Produkte. Anwendungsnähe erhöht die Technologieakzeptanz, vgl. Jaulmann (1991) S. 71-74, Renn
(1987) s. 67-68.
146 Vgl. Ernst & Young (1998a) S. 29.
147 Vgl. hierzu beispielsweise Raphael (1997) S. 152-153.
148 Die OECD schätzt den Weltmarkt im Jahr 2000 auf 300 Mrd. USO, vgl. Streck/Pieper (1997) S. 203-204.

44
1994 1997 2000 2003 CAGR
(geschätzt) 1994-2000
USA 160-210 225-325 350-600 1.000-2.500 ~16%

Europa 105-175 180-300 375-600 750-1200 ~24%

Deutschland 70-100 100-150 250-350 500-800 ~24%

Welt insgesamt 290-440 450-700 800-1.350 2.500-4.500 ~21%

tabeHe 11.6: Geschätztes Marktvolumen biotechnologischer Anwendungen im Umwelt-Chemie-


Bereich (in Mio. USO)
Quelle: Eigene Darstellung, Marktforschungsergebnisse und eigene Analyse*

* Für das weltweite biotechnologische Marktpotential in Umwelt und Chemie werden vielfältige und
sehr unterschiedliche Prognosen erstellt. Die Marktschätzung für das Jahr 2003 beruht auf der Aus-
wertung mehrerer Marktstudien.149

(4) Zwischenfazit-Bedeutung der Geschäftsfelder für Biotech-Unternehmen


Insgesamt sind in der AgBio das Markt- und Ergebnispotential geringer, der Bedarf
und der Nutzenvorteil von biotechnologisch veränderten Nahrungsmitteln in den
Industrienationen kleiner und die Akzeptanzprobleme beim Konsumenten wesent-
lich höher als in der Humanmedizin. Das Geschäftsfeld mit Perspektiven in der
biotechnologischen Nahrungsmittelerzeugung hat für die Herausbildung eigenstän-
diger junger Biotech-Unternehmen bis dato eine nachrangige Bedeutung gespielt.
Biotechnologische Innovationen wurden insbesondere in der Saatgutindustrie reali-
siert. Die dominierenden Unternehmen sind große multinationale Konzerne, die sich
in erster Linie auf ihre traditionelle Kundenklientel, die Bauern, konzentriert haben.
Endkonsumenten-Interessen wurden weitgehend ausgeblendet.
Die Problematik einer Strategie, die ausschließlich auf den Farmer als Kundenziel-
gTuppe setzt und den Konsumenten von Nahrungsmitteln relativ vernachlässigt, ma-
nifestiert sich beim Pionier und Marktführer einer Life Seiences orientierten Agro-
chemie - dem amerikanischen Unternehmen Monsanto. Hohe Investitionen (rund 8
Mrd. USD) in biotechnologische Produktentwicklungen haben nach anfänglicher
Begeisterung bei Investoren und nachahmenden Konkurrenten nur zu unterdurch-
schnittlichem Ertragswachstum geführt. Seit 1998 stagniert die Marktkapitalisierung
und bei Fusionsplänen mit AHP, DuPont, Novartis und seit Dezember 1999 mit Phar-
macia & Upjohn wurde das Life-Sciences-Agrogeschäft eher als Belastung denn als
'Asset' eingeschätzt.150 Die Abspaltung des Agro-Geschäfts und die Aufgabe des
negativ belasteten Namens 'Monsanto' für das Pharma-Unternehmen verdeutlicht

149 Vgl. beispielsweise PWC (1997 /1998/1999), BuropaBio (1997), Prognos (1997), Emst&Young
(1996/1997 /1998/1999), Burrill (1998/1999), McKinsey (1999/1999b), Raphael (1997).
150 Vgl. o.V. (1999j) S. 18; o.V. (2000b) S. 22: Die 'Fusion unter Gleichen' führt zu einer Marktbewert-ung von
rund 43 Mrd. USD. Der derzeitige Börsenwert von Monsanto ist kaum höher als der Wert seiner Pharma-
sparte G.D. Searle- dies ist Ausdruck der Skepsis gegenüber der AgBio-Strategie von Monsanto.

45
dies. Verantwortlich für diese Wahrnehmung sind die Verbraucherproteste in
Europa, Japan und zunehmend auch in den USA,151 Große Nahrungsmittelhersteller
reagieren auf diesen Widerstand mit der Zusicherung, ohne genveränderte Grund-
stoffe zu arbeiten. Seit Dezember 1999 formiert sich auch der Protest der amerikani-
schen und europäischen Farmer, die die Marktmacht bei gentechnologisch veränder-
tem Saatgut von Monsanto als Bedrohung empfinden und eine Kartellrechtsklage
formuliert haben. Als Zwischenfazit erscheint die Entwicklung von Monsanto als Ex-
emplarbeispiel für eine rein Technologie bestimmte Strategie. Die Umsetzung tech-
nologischer Neuerungen und Produktinnovationen wurde dabei ohne Berücksich-
tigung des Endkonsumenten und seiner Bedürfnisse realisiert. Die Stigmatisierung
des Namens Monsanto mit den Gefahren von genetisch veränderten Lebensmitteln
manifestiert deutlich das Scheitern des zwar ambitiösen, aber am Markt und den
Konsumenten vorbeigehenden integrierten Life-Sciences-Strategiekonzepts.
Der grundsätzliche Durchbruch kommerzieller Nutzung in der Ag Bio steht noch aus.
Mittel- bis langfristig werden sich Bieteeh-Unternehmen allerdings Chancen-
potentiale eröffnen, wenn sie die Nutzenaspekte für den Konsumenten klar in den
Mittelpunkt ihrer Forschung stellen. Der zeitliche Entwicklungsrückstand zum wirt-
schaftlichen Marktvolumen der Biopharmazeutik beträgt ca. 10-15 Jahre.
Im Umwelt-/Chemiebereich ist das Marktpotential klein und der Nutzenvorteil bio-
technologischer gegenüber konventionellen Verfahren z. Zt. noch nicht realisiert, so
daß dieser Bereich bisher eine untergeordnete Rolle für Bieteeh-Unternehmen ge-
spielt hat. Im Vergleich zu den Geschäftsfeldern Humanmedizin und AgBio bietet
die Biotechnologie in Umwelt/Chemie in naher Zukunft die geringsten kommer-
ziellen Erfolgschancen. Allerdings stellt die Umwelt und Chemie mittel- bis lang-
fristig ein immer wichtiger werdendes Anwendungsgebiet dar, bei dem sowohl der
Bedarf an Reinigung, Sanierung, Recycling als auch die Vorteile gegenüber
chemisch-physikalischen Verfahren vorhanden sind.
Für die schwache Marktentwicklung im Geschäftsfeld Umwelt/Chemie gibt es
einige Ursachen. Die Effizienz biotechnologischer Verfahren zur Vermeidung von
Umweltverschmutzung einerseits, und der Beseitigung von Umweltverschmutzung
andererseits, ist noch nicht ausgereift, so daß chemische Verfahren vielfach kosten-
günstiger sind. Viele neue Verfahren, die Anfang der neunziger Jahre vermarktet
wurden, hielten der wissenschaftlichen Prüfung nicht stand und haben als Mißer-
folge die weitere Entwicklung belastet.152 Auch der Markt für rekombinant herge-
stellte industrielle Enzyme, die insbesondere in der Waschmittelindustrie eingesetzt
werden, blieb auf relativ geringem Niveau,l53 Neben geringerer Nachfrage der wirt-
schaftlichen Akteure, behindern die dominanten Oligopolistischen Marktstrukturen
von großen multinationalen Unternehmen in der Chemieindustrie ein schnelles Ver-

151 Vgl. beispielsweise o.V. (2000d) S. 20.


152 Vgl. Raphael (1997) S. 150.
153 Vgl. Streck/Pieper (1997) S. 202.

46
ändern der Nachfragestruktur bzw. einen Durchbruch neuer biotechnologischer
Verfahren.l54
Im Fokus der weiteren Untersuchung steht das Geschäftsfeld der 'Humanmedizin'. Der
Bedeutungsgrad des erreichten Kenntnisstandes, das marktliehe Volumen und zu-
künftige Potential von Pharma und Diagnostika dominieren die wirtschaftlichen
Aktivitäten von Biotech-Unternehmen sowohl kurz- als auch mittelfristig. Aller-
dings ergeben sich für einige Biotech-Unternehmen Kommerzialisierungschancen in
den anderen Geschäftsfeldern, insbesondere in der 'AgBio'. In der weiteren Analyse
werden deswegen die FelderAgBio und Umwelt/Chemie für die strategische Aus-
richtung von Biotech-Unternehmen nur berücksichtigt, wenn ein zusätzlicher Er-
kenntnisgewinn erzielt werden kann.

We have to believe in free will - we have got no choice


Issac B. Singer

Wenn das Humangenomprojekt abgeschlossen sein wird,


wird es in unserer Macht stehen, die grundlegenden genetischen
Eigenschaften zu erkennen, die uns zu Menschen machen
James D. Watson

Wir sind eine zweifelhafte Mischung aus Nukleinsäuren und


Erinnerungen, aus Begierden und Proteinen. Das zu Ende gehende
Jahrhundert hat sich eingehend mit Nukleinsäuren und Proteinen
beschäftigt. Das kommende wird sich auf die Erinnerungen und die
Begierden konzentrieren. Wird es solche Fragen zu lösen vermögen?
Fran~ois Jacob, Genetiker, Nobelpreisträger für Medizin 1965

4 Gefahrenpotentiale und Akzeptanzproblematik der modernen


Biotechnologie
Das große Möglichkeitenspektrum - der hohe Wirkungsgrad - der modernen Bio-
technologie, eröffnet allerdings auch ein Feld mit Gefahrenpotentialen und Risiken -
den möglichen Nebenwirkungen - der Technologie. Diese Risiken sind nicht nur
technologischer Natur, sondern leiten sich auch aus einem durch die Technologie
gewandelten gesellschaftlichen und ethischen Verständnis ab. Biotechnologische
Eingriffe in bisher evolutiv, vom Menschen nicht beeinflußbare Parameter des Le-
bens, verändern das Selbstverständnis des Menschen von der Einzigartigkeit, dem
Wert und der Würde des Lebens.155 Diese Gefahrenpotentiale haben zu einer
intensiven Akzeptanzdebatte um die Art und Weise biotechnologischer Forschung
und Anwendungen geführt, die die gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmen-
bedingungen beeinflußt hat. Die sehr kontrovers geführte Diskussion prägt auch die
Wahrnehmung der Biotechnologie in der Öffentlichkeit und schafft damit gesell-

154 Vgl. Prevezer (1998) S. 173,183-184:Es besteht auch eine geringere Bindung zwischen den wissenschaftlichen
Institutionen und den Unternehmen der Branche zur Erschließung des biotechnologischen Innovationspo-
tentials.
155 Eine kompetente Einführung in elementare Fragestellungen der modernen Biotechnologie gibt jacob (1998),
vgl. auch Watson (2000) S. 55, Protagonisten einer Biotechnologie ohne gesetzliche Restriktionen.

47
schaftliehe Bedingungen, die Forscher und Unternehmen gleichermaßen beein-
flussen.

(1) Technologische Gefahrenpotentiale


Technologische Gefahrenpotentiale umfassen alle Probleme bei der Kontrolle und
Beherrschung der Folgen biotechnologischer Forschung und Anwendung.

- Durch biotechnologische Verfahren können Organismen oder Viren hergestellt


werden, die neue bzw. eine Kombination von neuen Eigenschaften aufweisen, die
bisher im Ökosystem nicht existierten. Da molekularbiologische Verfahren nicht an
Artgrenzen von Organismen gebunden sind, können die Auswirkungen sehr bedeut-
sam sein. Eine beabsichtigte oder unbeabsichtigte Freisetzung könnte unabsehbare
Folgen haben, z.B. das Entstehen neuer Krankheitserreger für den Menschen, Anti-
biotikaresistenzen oder eine gravierende Veränderung des Ökosystems.156

- Gentechnisch veränderte Lebensmittel mit neuen Eigenschaften, wie z.B. ,Func-


tional Foods', können zum Zeitpunkt der Freigabe als Lebensmittel ebenfalls nicht
absehbare Folgen haben. Beispielsweise könnten im Zusammenwirken mit anderen
in der Umwelt bereits existenten Stoffen eine nicht vorhergesehene Reaktion bei der
Konsumption durch den Menschen hervorgerufen werden, die z.B. zu Allergien
führen_l57 Unsicherheiten über die Folgen biotechnologisch veränderter Stoffe in
Lebensmitteln führte selbst in Großbritannien, einem der kommerziellen Biotechno-
logie sehr aufgeschlossenen Land, im Frühjahr 1999 zu massiven Umsatzeinbußen
von nicht gekennzeichneten Nahrungsmitteln.l58

- Menschen, die in gentechnischen Labors arbeiten, können sich im Kontakt mit


neuen Stoffen infizieren.159

(2) Ethisch-moralische Gefahrenpotentiale


Ethisch-moralische Fragestellungen um Risiken entzünden sich an einem unkontrol-
lierten und ausschließlich kommerziellen Interessen unterworfenem Einsatz moder-
ner biotechnologischer Methoden.160 Gefahren werden insbesondere für die Unan-
tastbarkeit und Integrität der Persönlichkeitsrechte des Menschen gesehen.161 Insbe-

156 Vgl. z.B. Breyer (1999) S. 156-167; vgl. Skorupinski (1999) S. 131-145.
157 Diese Gefahren werden in den Medien z.T. unkritisch recherchiert und dargestellt. Z.B. würde das als
Problemlall oft zitierte transgenere Soja mit einem Paranuß-Allergen bei den bestehenden Lebensmittel-
kontrollen keine Marktzulassung erhalten, vgl. o.V. (1999b) S. 23.
158 Kritische Position bei Beck (1999) S.l7.
159 Allerdings kann gerade auch durch die Gentechnologie das Infektionsrisiko gesenkt werden: z.B. konnte die
molekularbiologische Analyse der extrem gefährlichen Filo-Viren (z.B. Ebola, Lassa Virus) durch Klonierung
und Sequenzanalyse ohne Infektionsrisiko durchgeführt werden, vgl. Flöhl (1999) S. 9.
160 Gesammelte Argumente von Gentechnikgegnern in einer Aulsatzsammlung, Emmerich (1999); zu Tech-
nologiefolgeabschätzung und insbesondere zu Aufklärungsmaßnahmen vgl. Schallies/Wachlin (1999).
161 Vgl. beispielsweise BMFT (1991) S. 65-73, 100-154.

48
sondere die Definition von "Krankheit" ist nicht ausschließlich objektiv begründbar.
Wenn Krankheit als "Abweichung einer Struktur oder Funktion vom Normalen" de-
finiert wird, erscheinen bei der Frage nach den Bestimmungsgrößen des Normalen
diese nicht eindeutig medizinisch, sondern auch gesellschaftlich geprägt. Eine Ab-
grenzung zwischen "normal" und "krank" ist nur bei starken Abweichungen von
der durch Menschen definierten Norm klar definierbar. Zwischentöne sind offen für
vielfältige Interpretationen. In diesem grundsätzlichen Problemkreis medizinischer
Krankheitsforschung befindet sich insbesondere die moderne Biotechnologie, deren
Methoden in bisher nicht gekanntem Ausmaß den Definitionsbereich von Krankheit
verschieben können.J62
- Das Klonieren von Lebewesen sowie das Patentieren dieser gentechnisch verän-
derten transgenenPflanzen und Tiere, stellt das bestehende Verhältnis des Menschen
zu seiner lebenden Umwelt in Frage. Spätestens seit dem Genschaf Dolly im Jahr
1997 sind diese ethischen Problembereiche sichtbar, denn durch Klonierungen und
Patentierung immer neuer Gattungen werden Präzedenzfälle geschaffen, die nicht
mehr umkehrbar sind. Daneben stellt sich auch die Frage des Besitzes und der Nut-
zung der ausgestellten Patente auf transgene Lebewesen. Müssen z.B. Bauern in der
Dritten Welt für das von ihnen genutzte Saatgut Lizenzen an multinationale Unter-
nehmen zahlen? Wem gehört der Genschatz der Lebewesen auf der Erde?163
- Die Möglichkeiten gezielter DNA-Nachweise beim Menschen in Kombination mit
kommerziellen Interessen könnte zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aus-
grenzung führen. Z.B. könnte ein verpflichtender Genpaß Grundlage für Versiche-
rungspolicen oder Arbeitsverhältnisse werden. Schlechte Risiken, Menschen mit be-
stimmten Krankheitspräpositionen oder Veranlagungen könnten auf diese Weise
ausgegrenzt werden. Der wirtschaftlichen S~lektion könnte eine gesellschaftliche
folgen, wenn solche Praktiken der Risikoselektion auch in anderen Bereichen ange-
wandt werden.J64
- Moderne biotechnologische Methoden ermöglichen gezielte Eingriffe in die geneti-
schen Grundlage des Menschen. Dies kann durch eine somatische Gentherapie (Ein-
griff in Körperzelle mit doppeltem Chromosomensatz) geschehen. Hierbei ist es das
Ziel, auf Gendefekten beruhende Krankheiten auf der genetischen Grundlage zu hei-
len. Kritiker befürchten, daß neben unstrittigen positiven Anwendungen, z.B. bei
der Behandlung von Krankheiten wie der ADA-Defizienz, die Medizin entscheidend
in menschliche Schicksale und Wertevorstellungen eingreift und eine inflationie-
rende Wirkung des Verständnisses von "Krankheit" bzw. "Behinderung" entsteht.
Fragen, ob neue von gesellschaftlichen Vorstellungen geschaffene ,Idealmenschen'
das Produkt von gentherapeutischen Maßnahmen sein werden und eine Ausgren-
zung von Menschen, die diesem Typus nicht entsprechen, stattfinden wird, bleiben
ohne abschließende Antwort.

162 Vgl. z.B. BMFT (1991) S. 74-78; speziell in Deutschland mit dem Erbe nationalsozialistischer Rassenlehre,
Eugenik- und Euthanasieprogrammen ist eine Diskussion zu diesem Thema komplex und schwierig.
163 Siehe die Stellungnahme zur Genforschung und Patentierung der DFG, vgl. DFG (1997) S. 21-40.
164 Vgl. Bahl (1999) S. 45- 54; zur rechtlichen Problematik in Deutschland vgl. Kienle (1998) S. 77-84; vgl. BMFT
(1991) s. 204-221.
49
- Diese Problematik wird noch deutlicher, wenn gentechnische Eingriffe in die
menschliche Keimbahn diskutiert werden. Keimbahneingriffe (Eingriff in Fortpflan-
zungszellen mit einfachem Chromosomensatz) beeinflussen die Vererbung und
damit das Genom zukünftiger Generationen. Themen wie Eugenik und gezielte
Züchtungen von Eigenschaften, fordern Fragen der gesellschaftlichen Behandlung
und Wertschätzung andersartiger Menschen heraus.l65

- Ein weiteres Problemfeld ergibt sich durch die Möglichkeit, mit menschlichen Em-
bryonen zu forschen. Der Mensch an sich ist nicht mehr ausschließlich Adressat und
Profiteur neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Produkte, sondern wird durch
die Biotechnologie zugleich Objekt und Medium neuer weitergehender Forschungs-
anstrengungen und Therapiemöglichkeiten. Ethische Schranken, religiöse Bedenken
und gesetzgeberische Rahmensetzung werden durch die technologischen Möglich-
keiten herausgefordert.166

Die Auseinandersetzung um die revolutionäre Veränderungskraft der Biotechno-


logie für das Menschenbild dominiert auch die aktuelle philosophische Debatte in den
USA und Deutschland.l67 Kritiker wie Sloterdijk sehen in ihr das Instrumentarium
einer utopischen Renaissance in der Philosophie. Das Konzept des "neuen Men-
schen", seit Plato ein Grundmotiv der Philosophie zur Erschaffung einer idealen Ge-
sellschaft, erscheint mit biotechnologischen Anthropotechniken erstmals realisierbar.
Von den eugenischen und rassischen Verbrechen des Nationalsozialismus überlagert
wird die Diskussion in Deutschland auch als in Frage Stellung der 'Kritischen Theo-
rie' als dominierendes philosophisches Paradigma verstanden.168 Historisch unbe-
lastet und weniger polemisch wird die Debatte in den USA geführt, obwohl auch
dort ähnliche Konfliktlinien erkennbar sind. Fukuyama diagnostiziert eine philoso-
phische Grauzone zwischen Therapie und Züchtung, die auch durch Verbote nicht
gebannt oder ausgeschlossen werden könne_l69 Ethische Handlungsmaximen
würden dem "open-ended character of modern natural science" unterliegen und
"knowledge and technology ... will allow us to accomplish what social engineers of
the past failed to do." Für ihn endet dann die menschliche Geschichte und "a new
posthuman history will begin."170 Kritiker wenden sich gegen diese perzipierte
Omnipotenz der Biotechnologie. Die Komplexität der Gene sowie die prägenden

165 Vgl. hierzu Rifkin (1998) S. 180-223: Rifkin ist der herausragende amerikanische Kritiker der modernen
Biotechnologie.
166 Vgl. Kollek (1999) S. 125- 136; in der deutschen Gentechnologiedebatte haben beispielsweise die beiden christ-
lichen Kirchen auf eine restriktive Gesetzgebung in der Reproduktionsmedizin, des Embryonenschutzes und
der Humangenetik hingewirkt, vgl. EKD (1988) S. 119-127, vgl. Theisen (1991) S. 78, Döring (1988) S. 96-100,
Hoffmann (1985) S. 142. Zur aktueJlen rechtlichen Situation prädikativer gentechnologischer Methoden in
Deutschland und Europa vgl. Kienle (1998).
167 Vgl. z.B. Sloterdijk (1999), vgl. Chargaff (1999) S.49, vgl. Spaemann (1999) S. 53, vgl. Jäger (1999) S. 51.
168 Die 'Kritische Theorie' geht auf die Arbeiten der 'Frankfurter Schule' zurück, mit den Hauptvertretern Adorno,
Horkheimer, Marcuse und in jüngster Zeit Habermas.
169 Vgl. Fukuyama (1999) S. 16-33.
170 Fukuyama (1999) S. 33.

50
Erfahrungen der Sozialisierung und Erziehung stellen ihrer Meinung nach die auf-
gestellten Thesen grundsätzlich in Frage.171
Die Debatte hat gerade erst begonnen und ihr Ausgang ist offen. Sie ist für eine um-
fassende Akzeptanz in der Bevölkerung notwendig. Sie wird die weitere Entwick-
lung der wissenschaftlichen und kommerziellen Biotechnologie begleiten und beein-
flussen. Ignoranz und Gleichgültigkeit von Unternehmen gegenüber diesen Themen
ist gefährlich. Sie kann zu einer starken Beeinträchtigung der Geschäftstätigkeit und
sogar zur in Frage Stellung des grundsätzlichen kommerziellen Geschäftsmodells
führen. Folgen dieser Art deuten sich beispielsweise in der Ag-Biotechnologie an,
mit negativen Konsequenzen für die Unternehmerischen Protagonisten, z.B.
Monsanto.

(3) Akzeptanzproblematik und -debatte


Grundsätzlich bestehen neben den großen Möglichkeiten der modernen Biotechno-
logie auch die skizzierten Gefahrenpotentiale. Die Wissenschaftler selbst haben
dieses Gefahrenpotential erkannt und auf der Konferenz von Asilomar, USA 1975,
versucht, in einem sehr frühen Stadium Maßstäbe für Sicherheitsvorkehrungen und
den verantwortungsvollen Umgang mit der Biotechnologie zu setzen.172 Es war der
Versuch der molekularbiologischen Wissenschaft insgesamt, ein Koordinatensystem
für das eigene Handeln, einen paradigmatischen Leitfaden zu entwickeln, der um
den Kern kreiste "to define and then alter its [academic molecular biology- A.d.V.]
view of itself and its place in the world", und damit den Fragen nach Selbstbeschrän-
kung, Selbstregulierung und offener Kommunikation, auch mit einer nicht wissen-
schaftlichen Öffentlichkeit.J73 Das Potential an revolutionären Möglichkeiten der
Molekularbiologie leitete eine Entwicklung ein, die - aus heutiger Perspektive wahr-
genommen - zu einer ,Demokratisierung' der Wissenschaft selbst und ihrer kom-
merziellen Nutzungschancen führte. Prägnant formuliert: "Biology, even in acade-
mia, no Ionger belongs to biologists alone."174 Die Wissenschaftler realisierten dies
erst sehr spät und teilweise nach einem sehr schwierigen und mühevollen Erkennt-
nisprozeß in den nachfolgenden gesellschaftlichen Debatten - vergleichbar ist dies
mit der Situation der Atomphysiker nach Hiroshima, die zuerst auch glaubten, ihre
folgenschweren Erkenntnisse kontrollieren und verantwortungsvoll nutzen zu
können.175
Die gesellschaftliche Diskussion um die Chancen und Risiken begann mit zeitlicher
und länderspezifischer Verzögerung in den achtziger Jahren. Die argumentative

171 Vgl. Mansfield et al. (1999) S. 34-44.


172 Konferenz von Asilomar, USA vom 24.-27.2.1975, von den international führenden Genforschern angeregt.
Die Richtlinien der Wissenschaftler wurden von der NlH und dem BMBT 1978 übernommen, vgl. Sehering
(o.j.), vgl. Radkau (1988) S. 334.
173 Teitelman (1994) S. 185.
174 Teitelman (1994) S. 185.
175 Die literarische Behandlung des Themas ähnlich Dürrenmatts 'Die Physiker' steht für die Biotechnologie noch
aus.

51
Tiefe der Debatte und die emotionale Betroffenheit der Beteiligten, insbesondere der
Gentechnologiegegner, variierte sehr stark zwischen den einzelnen Ländern.l76 Ins-
besondere in Deutschland und der Schweiz wurde eine stark emotionalisierte
Debatte geführt, bei der Kritiker versuchten, ein spezifisches Risiko der Biotechno-
logie deutlich zu machen, ähnlich der Kernenergie. In der Akzeptanzdebatte, die mit
zunehmender Intensität von einer rein wissenschaftlich-technologischen zu einer
Wertesystemdebatte transformierte, konvergierten neben substantiellen Kritikpunk-
ten an biotechnologischen Forschungsinhalten auch allgemein wissenschafts-, tech-
nologie- und gesellschaftskritische Positionen.l77 Eine allgemein kritische Haltung,
die in den Massenmedien ein Forum fand und durch diese weiter verstärkt wurde,
gepaart mit dem Wunsch der politisch Handelnden, mögliche Risiken gesetzgebe-
risch zu bannen und zu kontrollieren, führten in Deutschland zum Gentechnologie-
gesetz (GenTG) vom 1.7.1990.178 Dieses Gesetz wirkte insbesondere in seiner admi-
nistrativen Auslegung und im Schaffen eines risikobannenden geistigen Klimas sehr
restriktiv für das Entstehen einer unternehmerisch-biotechnologischen Szene in
Deutschland ähnlich den East- bzw. West-Coast-Clustern in den USA.
Erst die Novellierung des GenTG zum 1.1.1994 und der gewandelte politische Wille,
für die wirtschaftliche Nutzung der modernen Biotechnologie positive Rahmenbe-
dingungen zu schaffen, verkörpert durch die Förderinstrumente des BioRegio-Wett-
bewerbs seit 1995, änderte diese Grundstimmung in Deutschland,l79 Die Debatte hat
an öffentlicher Aufmerksamkeit verloren und an Objektivität gewonnen. Es wird
nicht mehr von einem grundsätzlichen Risiko der Biotechnologie ausgegangen, son-
dern das Risikopotential in Abhängigkeit vom spezifischen Forschungsobjekt und
Anwendungsgebiet stärker rationaler beurteilt, z.B. aktuell die Verwendung von
embryonalen Stammzellen für neue Therapien,l80 Während medizinische und
pharmakologische Anwendungsgebiete positiver bewertet werden und eine höhere
Akzeptanz erreichen, wird aber insbesondere der Einsatz im Agro-, Lebensmittel-
und Tierzuchtbereich weiter kritisch gesehen. Die Einstellung in Buropa ist insbe-
sondere bei Lebensmittelanwendungen wesentlich negativer als in den USA
(24% versus 38% Unterstützung). Ursächlich hierfür könnten die intensivere

176 Für einen ausführlichen empirischen Vergleich der gesellschaftlichen Akzeptanz bei der modernen Biotech-
nologie Anfang der neunziger Jahre in Europa, vgl. Marlier (1992) S. 58-108.
177 Für eine ausführliche Analyse der gentechnologischen Akzeptanzdebatte in Deutschland, vgl. Ollig/Ries
(1995) s. 9-45.
178 Politische Grundlage des Gentechnikgesetzes waren die Benda Kommission 1984 und die Enquetekom-
mission des Deutschen Bundestages 'Chancen und Risiken der Gentechnik' von 1984-86; zum GenTG und den
Sicherheitmaßnahmen in Deutschland und Europa, vgl. Wimmers (1996) S. 124-134.
179 Im Oktober 1995 wird vom BMBF der BioRegionen Wettbewerb ausgeschrieben. Die Regionen München,
Rheinland und Rhein-Neckar-Dreieck gewinnen und werden mit BMBF Mitteln als BioRegionen spezifisch
gefördert. Ziel ist die Herausbildung von spezifischen Biotechnologie-Clustern, bei denen eine enge Verzah-
nung und Netzwerkbildung zwischen Institutionen und Personen aus Forschung und Unternehmen zu einer
biotechnologischen Infrastruktur führt. Dies soll insbesondere die Zahl von Ausgründungen junger Biotech-
nologie-Startups aus akademischen Forschungsinstituten führen. Zu den Zielen des BioRegio Wettbewerbs
und dem Konzept der ausgewählten Bio-Region Rhein-Neckar, vgl. Abshagen (1999) S. 15-23.
180 Bemerkenswert ist die Evolution der Positionen zu diesem Thema, z.B. der DFG, vgl. o.V. (2001) S.2; Die
Problematik grundsätzlicher Barrieren für die Forschung, z.B. in der Embryonenforschung, besteht darin,
dauerhaft utilitaristischen Argumenten, z.B. Fortschritten in der medizinischen Therapie, ausgesetzt zu sein.
Dies führt im Zeitablauf zu immer weiter gehenden Brüchen ehemals feststehender Tabus.

52
Medienberichterstattung, eine selektivere Wahrnehmung von gentechnischen
Methoden und auch ein geringes Vertrauen in die Regulationsinstanzen der EU sein,
vor allem seit den BSE Erkrankungen britischer Rinder und in jüngster Zeit durch
unkontrollierte Dioxin Verseuchungen von Geflügelprodukten in Belgien.181 Die EU
stärkte im Jahr 1999 diese Vorbehalten durch einen Genehmigungsstop zum Anbau
transgener Pflanzen und deren Nutzung in Lebensmitteln, obwohl die wissen-
schaftliche Grundlage der Entscheidung äußerst umstritten war.182

Eine große Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der wahrgenommene Grad der
Nutzenstiftung und die Anwendungsnähe für den Konsumenten.183 Unternehmen
müssen eine effektive Kommunikationspolitik, die informiert, Glaubwürdigkeit ver-
mittelt und über Gefahren.und Nutzenstiftung gleichermaßen aufklärt, in ihre Hand-
lungsstrategien integrieren, um die wirtschaftlichen Erfolgspotentiale zu heben. Dies
gilt insbesondere für Agro-Biotech-Produkte und die Thematik transgener Tiere.l84
Die Kommunikationspolitik im Zusammenhang mit der Klonierung des Genschafes
"Dolly" schaffte es z.B. trotz der Befürchtungen um gentechnisch herstellbare
'Monsterkreaturen' in der Öffentlichkeit ein Image aufzubauen, das die großen wis-
senschaftlichen Möglichkeiten und Nutzenpotentiale für den Menschen in der Medi-
zin verdeutlichte. Hierbei zeigte sich die besondere Sensibilität des britischen Unter-
nehmens PPL Therapeutics, das eine in der Branche professionelle Agentur, HCC De
Facta Group, mit dieser Thematik betraute. Die erfolgreiche Kommunikation war
nicht nur für das Unternehmen bemerkenswert, sondern hatte auch Implikationen
auf die Mediendarstellung und öffentliche Wahrnehmung der gesamten Branche.l85

Grundsätzlich sind Akzeptanzdiskussion und Technologiefolgenabschätzung für


eine sinnvolle und verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit einer neuen Tech-
nologie notwendig. Sie belegen die Reife und Nachhaltigkeil der gesellschaftlichen
und politischen Meinungsbildung. In diesem Sinne ist auch das gewandelte Bild der
modernen Biotechnologie, eine positive Wahrnehmung des Möglichkeitenspektrums
und das geschaffene Akzeptanzniveau in Deutschland ein positiver Faktor für bio-
technologische Unternehmen.

5 Historische Entwicklung von Biotechnologie-Unternehmen


In die industrielle Entwicklung der modernen Biotechnologie wurden von Beginn an
große Erwartungen gesetzt. Das kommerzielle Produktpotential in den verschie-

181 Vgl. Gaskell/Bauer/Durant/ Allum (1999) S. 384-387; vgl. hierzu auch o.V. (1999b) S. 23: Skepsis der Ver-
braucher führt zu Problemen, wenn Nahrungsmittelhersteller in ihren Produkten gentechnisch veränderte
Substanzen als Vorprodukte verarbeiten; Akzeptanzbewertungen in deutschen Schulen vgl. Keck/Renn
(1999) s. 117-130.
182 Vgl. Hobom (1999) S. N1-N2.
183 Der Nutzen gentechnisch veränderter Lebensmittel ist bei einem durch die Agroindustrie produzierten Über-
fluß an Nahrungsmitteln schwer zu vermitteln. Tatsächlich gründet der Anreiz für biotechnologische Agro-
produkte bisher auf Kostensenkung für die Produzenten. Zusätzlich entsteht Mißtrauen, wenn die Industrie
die Kennzeichnung gentechnologisch veränderter Produkte ablehnt, vgl. o.V. (1999c) S. 23-27.
184 Vgl. Ollig/Ries (1995) S. 45-74.
185 Vgl. Ranchhod/Gurau (1999) S. 6-7.

53
denen Anwendungsgebieten und damit die Unternehmerische Perspektive erschie-
nen sehr aussichtsreich. Viele Prognosen über biotechnologische 'Wunderpharma-
zeutika' und den Sturz der dominierenden Pharma-Unternehmen durch junge Bio-
teeh-Unternehmen waren allerdings stark übertrieben. Ein Großteil der Erwartun-
gen blieb bis heute unerfüllt - sowohl in medizinischer Hinsicht als auch in wirt-
schaftlichen Erfolgsgrößen der Biotech-Unternehmen, so daß einige Beobachter bis-
her ernüchtert "the biotechnology revolution as a disappointment, even a failure"
ansehen.l86 Problematisch waren insbesondere die zeitlichen Vorstellungen bis zum
Erreichen der prognostizierten Ergebnisse. Im Gegensatz zur IT, in der die grundle-
genden wissenschaftlichen Paradigmen in der Physik bereits erschlossen waren
bevor Transistor und Halbleiter entwickelt wurden, sind die wissenschaftlichen
Grundlagen in der Gentechnologie, z.B. in den Genomics, noch lange nicht abschlie-
ßend erforscht. Wirtschaftliche Konzepte beinhalten aus diesem Grund ein deutlich
höheres Risiko.

Gründung von Bieteeh-Unternehmen

60

50

40

30

20

10

0
1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988

Abbildung II.5: Neu gegründete 'entrepreneuriale' Biotech-Unternehmen in den USA von 1976 bis
1988

Quelle: In Anlehnung an Dibner (1988)

(1) USA
Als unternehmerisches Rollenbeispiel fungierte das erste rein biotechnologische
Unternehmen Genentech, das 1976 mit 100.000 USD gegründet wurde, als erstes

186 Pisano (1997) S. 68-69.

54
Unternehmen 1980 mit einer Zeichnungsmarktbewertung von 260 Mio. USD an die
Börse ging, die sich in den ersten Handelsminuten auf 660 Mio. USD fast verdrei-
fachte.187
Die Zahl der Gründungen 'entrepreneurialer' Biotech-Unternehmen in den USA er-
höhte sich Ende der siebziger Jahre signifikant mit einem vorläufigen Höhepunkt in
1981 und weiteren Zwischenhochs in 1983 und in 1987 (siehe Abbildung II.5). Die
genaue Anzahl der Biotech-Unternehmen differiert nach dem jeweiligen definito-
rischen und statistischen Ansatz.l88 Bei Berücksichtigung der unterschiedlichen
Studien, kann für die Jahre 1976 bis 1988 von rund 400 neu gegründeten Biotech-
Unternehmen, die meisten (rund 65%) mit Schwerpunkt in Humanmedizin,
ausgegangen werden
Dieser große Optimismus verursachte einen regelrechten ,Biotech Hype', der aller-
dings nach Ausbleiben oder Verzögerungen der Ergebnisse zu großen Enttäuschun-
gen führte. Seit den achtziger Jahren haben Biotech-Aktien eine außerordentlich
hohe Volatilität- euphorische Einschätzungen wechseln mit gänzlich ernüchterten
Urteilen.189 Ende des Jahres 1999 existierten in den USA rund 1.300 Biotechnologie-
Unternehmen, davon waren rund 25% börsennotiert, während in Europa bei rund
1.200 Unternehmen nur 6% öffentlich notiert werden (siehe Tabelle 11.7).

Europäische u.s.
Biolech-Industrie Biolech-Industrie
1997 1998 1999 1997 1998 1999
-Anzahl Unternehmen 716 1.036 1.178 1.287 1.274 1.283
- Mitarbeiter 27.500 39.045 45.823 118.000 140.000 153.000
-Umsatz 1.721 2.725 3.709 13.413 15.985 15.777
- F&E-Ausgaben 1.508 1.910 2.334 7.258 8.268 8.398
- börsennotiert 49 61 68 294 317 327

Tabelle II.7: Kernzahlen der Biotechnologie-Industrie in Europa und den USA


(Umsatz und F&E-Ausgaben in Mio. Euro)
Quelle: Ernst &Young (1998/1999 /2000)

(2) Europa
Trotz der verstärkten Gründungen in Europq. wird bei genauerer Kennzahlen
analyse erkennbar, daß zwischen den USA und Europa ein deutliches Entwick-
lungsgefälle besteht. Neben der höheren Anzahl an börsennotierten und damit
tendenziell größeren Unternehmen, sind im Vergleichsjahr 1999 insbesondere das

187 Vgl. z.B. Hacking (1986) S. 252; vgl. Teileiman (1989) S. 11-13.
188 Einen Überblick der unterschiedlichen Studien gibt Müller (1991) S. 125-138.
189 Für einen Überblick der Anfänge der amerikanischen Biolech-Industrie in den achtziger Jahre vgl. Teileiman
(1989) und Hall (1987).
55
Umsatzverhältnis von durchschnittlich 3,15 Mio. EUR zu 12,3 Mio. EUR, die Höhe
der Forschungsausgaben von 1,98 Mio. EUR zu 6,6 Mio. EUR und die Mitarbeiter-
zahl von 39 zu 120 klare Indikatoren für den höheren Reifegrad der amerikanischen
Industrie. In den USA hatten im Jahr 1999 bereits 16 Unternehmen mehr als 100 Mio.
USD Umsatz, während in Europa noch kein Biotech-Unternehmen diese Größen-
ordnung erreichte. Hierin manifestiert sich die noch rudimentäre Marktorientierung
europäischer Unternehmen, die erst am Anfang der zwischen 7 und 15 Jahren dau-
ernden Produktinkubationszeiten stehen, nach denen signifikante Umsätze erwirt-
schaftet werden. Der zeitliche Entwicklungsvorsprung der amerikanischen Unter-
nehmen wird auch bei den marktreifen biopharmazeutischen Produkten deutlich:
während in den USA jährlich mehrere neue Medikamente von Bieteeh-Unternehmen
zugelassen werden - neun im Jahr 1997 und sieben im Jahr 1999 - gab es in Europa
erst ein Produkt im Jahr 1999 (siehe Abbildung II.6). Andere Biolech Präparate
wurden von Pharma- bzw. amerikanischen Biotech-Unternehmen in Europa
genehmigt.190

Während sich die bio-pharmazeutische Branche in den USA stabilisiert,


wächst sie in Europa schnell, aber auf niedrigerem Niveau
USA
Anzahl der öffentlichen Unternehmen mit Umsatz
_,U:.cn,_"te"'-r_,_,_ne""h""m,_,_e""n_,____ _ _ _ _ _ Neu zugelassene Medikamente >100 Mio. USO

1995 1265
1-------'

1997 1294
1--------'

1999 1327 17 116


~--------' ~-----~ ~-----~

1995 0

1997 0

1999

Abbildung ll.6: Vergleich des industriellen Entwicklungsstands zwischen Europa und USA
Quelle: BIO, McKinsey

190 Von den durch die EMEA 22 genehmigten therapeutischen Produkten in Europa im Jahr 1998, waren 11
biotechnologisch, davon 7 von Pharma- und 4 von amerikanischen Biotech-Unternehmen, vgl. Ernst & Young
(1998) S. 20; vgl. Ernst & Young (1999).
56
Die unterschiedlichen Entwicklungsstadien spiegeln sich auch in den Markt-
kapitalisierungen der jeweils führenden Unternehmen wider. Insgesamt haben nur
wenige Biotech-Unternehmen eine Marktkapitalisierung über 5 Mrd. USD. . Der
Vergleich zu den Marktkapitalisierungen der etablierten Unternehmen in der
Pharmaindustrie wie z.B. Merck & Co. (130 Mrd. Euro), Glaxo Wellcome (97 Mrd. Euro),
Bayer (30 Mrd. Euro) und BASF (30 Mrd. Euro) zeigt klar die unterschiedlichen
Dimensionen, nach denen Biotech und Life-Sciences-Untert nehmen beurteilt werden
müssen (siehe Abbildung II.7).191

Marktkapitalisierungen zeigen den Entwicklungsunterschied zwischen


USA und Europa deutlich auf
Marktkapitalisierungen in Mrd. EUR im Dezember 1999

USA Europa

Amgen 122,4 Qiagen 2,6

Biogen 110,7 lnnogenetics 0,4

Millennium 03,6 British Biotech 0,3

lncyte ~0,9 Genset 0,3

Führende Pharma-Unternehmen sind


kaum vergleichbar
• Merck & Co. -130 Mrd. EUR
• Glaxo Wellcome -100 Mrd. EUR
• Bayer -30 Mrd. EUR

Abbildung 1!.7: Marktkapitalisierungsvergleich der führenden Unternehmen in USA- Europa


(in Mio Euro, 10.12.1999; 1 euro= 1,02 USD)

Qvelle: Datastream, Burrill (1999)

Diese Zahlen verdeutlichen, daß trotz der Begeisterung über die Zukunftstechnolo-
gie 'Biotech', das erreichte industrielle Niveau der Unternehmen in Europa noch sehr
niedrig ist. Eine Führungsposition in Europa nimmt UK ein, sowohl hinsichtlich
Anzahl der Unternehmen, Börsennotierungen und verfügbarem Venture Capital.
Seit 1998 konnte Deutschland allerdings diese Kluft verringern. Verstärkt wird
dieser Aufholeffekt durch die negative Stimmung für die Biotech-Szene in UK, aus-
gelöst durch große Enttäuschungen von Phase III Therapeutikakandidaten bei British
Biotech seit Mitte 1997 (siehe Fallstudie 'British Biotech'), während in Deutschland ver-

191 Marktkapitalisierungen im Dezember 1999, Quelle: Datastream, onvista.de.

57
stärkt Unternehmen gegründet werden und sehr viel Venture Capital in diesen bis
dato wenig entwickelten Beteiligungsmarkt fließt.192

(3) Deutschland
Die Ursprünge der Unternehmerischen Landschaft in Deutschland sind vergleichs-
weise bescheiden. Biotechnologie wurde in den achtziger Jahren vor allem in den
etablierten Pharmakonzernen kommerziell angewandt, dagegen blieben die 'entre-
preneurialen' Biotech-Unternehmen relativ unbedeutend.193 Eine deutliche Wende
setzte Mitte der neunziger Jahre ein, als mit der Novellierung des GenTG sowie des
BioRegionen-Wettbewerbs und der Entstehung eines Pre-IPO-Beteiligungsmarktes
veränderte positive Rahmenbedingungen geschaffen wurden. Obwohl die deutsche
Biotech-Industrie im Jahr 1997 in Buropa noch deutlich hinter der in UK positioniert
war, haben die Jahre 1998 und 1999 der deutschen Biotech Szene einen starken
Impuls gegeben (siehe Abbildung II.B). Die Anzahl der Gründungen und die Höhe
des investierten Venture Capitals stiegen 1999 deutlich.

Die deutsche Biotech-lndustrie wächst stark und erreicht bald


"kritische Masse"

Anzahl der Anzahl der


Unternehmen Umsatz F&E-Ausgaben Börsenno-
(reine Biotech) in Mio. EUR in Mio. EUR Mitarbeiter tierungen
-----------------

\-------''8.100 6

Abbildung Il.B: Entwicklung der deutschen Biotech-industrie•


Quelle: Ernst & Young

192 Vgl. Ernst & Young (1998) S. 3.


193 Müller identifiziert ausgehend von der BMFT Statistik (1989) rund 33 Biotech-Unternehmen für den Zeitraum
1980 bis 1989 in Deutschland. Von diesen Pionieren war nur die Diagen GmbH, später Qiagen N.V., mit ameri-
kanischen Biolechs vergleichbar erfolgreich. Rhein Biolech GmbH ging 1999 mit einer geringen Bewertung von
rund SO Mio. DM an den Neuen Markt. Andere Unternehmen wie die Progen GmbH oder Denagen GmbH ver-
schwanden, vgl. Müller (1991) S. 155-172, vgl. BMFT (1989).

58
Im Vergleich zu den USA ist die deutsche Biotech-Industrie noch nahezu am Beginn
des Industrielebenszykluses. In Deutschland waren bis April1999 alle Unternehmen
außer dem Biotechnologiepionier Qiagen privat finanziert, die meisten befanden sich
in der Startup- und Wachstums-Phase. Die Entwicklung der Technologien und neue
Perspektiven in den wirtschaftlichen Genomik-Feldern, geben den Unternehmen
aber die Chance, den industriellen Rückstand zu verkürzen. Gemessen am Grad der
industriellen Entwicklung der Biotech-Branche existiert ein deutliches Gefälle von
den USA zu UK und Deutschland (siehe Abbildung II.9). Einzelne deutsche Unterneh-
men sind allerdings in einigen Geschäftsfeldern, z.B. der Bioinformatik, mit US-Un-
ternehmen trotz eines allgemeinen Entwicklungsrückstandes konkurrenzfähig.

Unternehmerische Entwicklung in starker Abhängigkeit vom Kapitalmarkt


bzw. der VC-Industrie sowie regulatorischen Rahmenbedingungen
'"'K"""O'"'Nz=E=:P=-:T"'IO-:::-:-cNE=L,..,..L

Grad der industriellen


Entwicklung von
Biotechnologie

-·· -··-· -·
1970 1975 1980 1985 1990 1995 1999

Abbildung II.9: Konzeptionelle Darstellung des industriellen Entwicklungsgrads der industriellen


Biotechnologie in USA, UK und Deutschland*
Quelle: Eigene Darstellung

* Der Grad der 'industriellen Entwicklung' umfaßt insbesondere die Anzahl der Biolech Gründungen,
VC-Investments, Biolech IPO's und die Stimmung am Kapitalmarkt für die Biotechnologie. Die vor-
liegende Darstellung hat ausschließlich konzeptionellen Charakter.

In den USA wurden die Biotech-Unternehmen der ersten Generation in den neun-
ziger Jahren zu großen biopharmazeutischen Unternehmen. Für viele "dedicated bio-
technology firms" (DBF) sind diese biotechnologischen Pionierunternehmen das
Rollenmodell einer erfolgreichen Entwicklung. Der Weg von einem forschungsinten-
siven kleinen Startup-Unternehmen zum integrierten biopharmazeutischen Konzern,

59
wie er von Amgen, Biogen und Genentech als ersten erfolgreich beschritten wurde,
erscheint als idealtypisches Entwicklungsszenario. Im weiteren Verlauf der Unter-
suchung stellt sich die Frage, ob und in welchem situativen Umfeld dieser ausge-
wählte Entwicklungspfad im aktuellen Wettbewerbskontext, für ein nachhaltiges
Geschäftsmodell biotechnologischer Unternehmen weiterhin geeignet und realisier-
bar erscheint.
Zusammenfassend führt die bisherige Analyse zu ersten Erkenntnissen und Ansatz-
punkten eines Strategiekonzepts für Biotech-Unternehmen (siehe Abbildung 11.10).

Ansatzpunkte für Strategiekonzept und Thesenentwicklung

• Die moderne Biotechnologie ist mit den grundlegenden Entwicklungen in


den Siebziger Jahren eine junge Wissenschaft.
• Der Wertschöpfungsprozess bei der Generierung von Produkten ist sehr
komplex. zeitintensiv und kostenintensiv.
• Biotechnologische Innovationen verändern den Forschungsprozess und
bieten in diesen WertschöpfungsstufenAnsatzpunkte für neue und
innovative Unternehmenskonzepte.

• Die verschiedenen Geschäftsfelder der Life Seiences sind für Biotech-


Unternehmen unterschiedlich entwickeH.
• Die Humanmedizin ist das attraktivste und am weitesten entwickeHe
Geschäftsfeld; mit weitem Abstand folgt die Agro-Lebensmitte~ Tierzucht
und weitgehend im embryonalen Stadium befindet sich der UmweHbereich.

• Biotechnologie ist eine umstrittene Technologie. Akzeptanzdebatten


prägen entscheidend das gesellschaftliche und marktliehe Umfeld, in dem
Biotech-Unternehmen agieren (Bsp. Deutschland bis 1995).
• Die hohe Sensibilität der Konsumenten macht die Herausarbeitung eines
eindeutigen Kundennutzensvon biotechnologischen Produkten
erfolgsentscheidend (Problembereich Agro-Lebensmittel).
• DNA-Sequenzierung, -Kionierung und Monoklonale Antikörper
T echnologien waren die Grundlagen der ersten Generation der Biotech-
Unternehmen Ende 1970 bis Anfang 1990.
• Entwicklungen im Bereich der .Genomik' ergeben neue Perspektiven für
Biotech-Unternehmen zum Ende der neunziger Jahre.
• Es existieren unterschiedliche Entwicklungsstufen der industriellen
Biotechnologie in den USA, Europa und Deutschland.

Abbildungl/.10: Ansatzpunkte aus derAnalyseder biotechnologischen Industrie für eine Strategie-


konzeption und Thesenentwicklung

Quelle: Eigene Darstellung

6 Industriespezifische Anforderungen und strategische Rahmenbedingungen


der Biotechnologie- Erweiterung der Erkenntnislage
Die Analyse der technologischen Spezifika der Akzeptanzproblematik, des Wert-
schöpfungsprozesses, der Geschäftsfelder und der industriellen Entwicklung liefert
eine breite und tiefgehende Faktenbasis zur weiteren Erörterung biotechnologischer
Unternehmen. Es werden einige Ansatzpunkte deutlich, die als Grundlage für ein
strategisches Orientierungskonzept dienen, das den Ausgangspunkt für die explo-
rative Untersuchung in Kap. V darstellt. Es manifestieren sich differenzierende

60
Aspekte in den Punkten Branchenheterogenität, Bedeutung von Kooperationen, For-
schung und Kapitalbedarf, die die kommerzielle Biotechnologie von anderen Bran-
chen unterscheidet und spezifisch macht. Im folgenden Abschnitt werden diese
differenzierenden Punkten, in denen sich die industriespezifischen Anforderungen
und besonderen strategischen Rahmenbedingungen kristallisieren, ausführlicher
analysiert.

6.1 Heterogenität der Biolech-Branche


Der umfangreiche Wertschöpfungsprozeß in der Forschung, Entwicklung und Ge-
nehmigung von Gesundheitsprodukten sowie die technologischen Möglichkeiten der
Biotechnologie haben zu unterschiedlichen Unternehmerischen Entwicklungs- und
Geschäftsmodellen geführt. Die Biolech-Industrie ist nicht homogen und verfolgt
keine einheitlichen Unternehmerischen Konzeptionen, vielmehr existiert eine große
Diversität innerhalb der jungen Branche. Es bestehen unterschiedliche Muster zur
Klassifizierung, sehr häufig handelt es sich um eine einfache Einteiiung in therapeu-
tische Produkt-Unternehmen und reine Technologie-Unternehmen.194

Geschäftsmode II-Typen Beschreibung

n Wirkstoff I
Therapeutische Wirkstoffindung
Positionierung in Wertschöpfungsstufen
des F&E-Prozesses

Gesamtheit der
'entrepreneurialen'
Biotech
Unternehmen
~ Technologie I Produktivnätssteigerende Technologie-
ansätze, die mittelbar in den Forschungs-
prozessder Humanmedizin e n i gebunden
sind

~ Instrumente
I Hardware (Geräte, Instrumente) für alle
Unternehmen in Life Seiences

Abbildung 1/.11: Erste Klassifizierung von Biotech-Un ternehmen


Quelle: Eigene Konzeption und Darstellung

Eine Segmentierung in dieser Arbeit dient als Grundlage für eine differenzierte
Betrachtung der Erfolgsparameter und Entwicklungsszenarien. Sie fungiert als
'Eingangshypothese' für die explorative Untersuchung. In der weiteren Analyse
stellen die einzelnen Geschäftsmodell-Typen strukturelle Ansatzpunkte dar, die
Aussagen und Thesen über die Gesamtheit der Biotech-Unternehmen klarer und
spezifischer werden lassen. Im ersten Ansatz werden drei Segmente unterschieden:
(1) das Wirkstoff-Unternehmen, (2) das Technologie-Unternehmen und (3) das
Instrumente-Unternehmen (siehe Abbildung 11.1 1).

194 Vgl. z.B. Ernst & Young (1999).


61
Die verschiedenen Unternehmenstypen haben spezifische Charakteristika:

(1) Wirkstoff-Unternehmen

Wirkstoff-Unternehmen verfolgen das Ziel, therapeutische (oder auch diagnostische)


Produkte zu entwickeln. Sie sind in den Forschungs- und Entwicklungsstufen der
Wertschöpfungskette positioniert und versuchen aus ,Targets' und ,Lead Com-
pounds' neue Produktkandidaten für die klinische Entwicklung zu generieren. Sie
verfolgen die Entwicklung eines integrierten biopharmazeutischen Unternehmens.

(2) Technologie-Unternehmen
Technologie-Unternehmen sind nur indirekt am Wertschöpfungsprozeß für Wirk-
stoffe oder Diagnostika beteiligt. Sie entwickeln und vermarkten Technologien, die
einen produktivitätssteigerenden Einfluß auf den F&E-Prozeß haben. Sie entwickeln
kein Produkt für den Endkonsumenten (bzw. den Patienten), sondern positionieren
sich als Lieferanten im Business-ta-Business-Geschäft mit Pharma- oder Biotech-Un-
ternehmen, die Wirkstoffe bzw. Diagnostika entwickeln.

(3) Instrumente-Unternehmen
Instrumente-Unternehmen bieten die 'Hardware' für Unternehmen, die mit biotech-
nologischen Verfahren arbeiten. Sie sind somit auch nur indirekt am Wert-
schöpfungsprozeß beteiligt. Im Unterschied zu Technologie-Unternehmen bieten sie
physische Produkte an, die einer geringeren technologischen Erneuerbarkeit
unterliegen. Diese Produkte werden sowohl von Biotech-Unternehmen als auch von
Life-Sciences-Unternehmen nachgefragt. Instrumente-Unternehmen sind die ,Infra-
struktur-Unternehmen, die biotechnologische Arbeit ermöglichen. Im übertragen-
den Sinn sind sie 'die Verkäufer der Hacken und Schaufeln für die biotechnolo-
gischen Goldgräber'.

6.2 Bedeutung von Kooperationen


Zwischen Pharma- und Biotech-Unternehmen existieren seit Beginn der industriellen
Biotechnologie eine große Anzahl an Kooperationen.J95 Die Schwerpunkte der Zu-
sammenarbeit und die Intensität haben sich seit den frühen achtziger Jahren gewan-
delt. In den ersten Phasen der Biotechnologie wurden vor allem Entwicklungs- und

195 Der Begriff 'Kooperation' wird in dieser Untersuchung als eine auf "vertraglicher Vereinbarung beruhende
Zusammenarbeit zwischen rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmen durch Funktionsabstim-
mung, Funktionsausgliederung oder -Übertragung auf einen Kooperationspartner" ( Rüdiger (1998) S. 26.)
verstanden. Diese Zusammenarbeit entspricht nicht der routinemäßigen Geschäftstätigkeit. Die empirische
Relevanz von Kooperationen zwischen entrepreneurialen' Bieteeh-Unternehmen und Life-Sciences-Unter-
nehmen belegt Shan (1990).

62
Vermarktungsvereinbarungen geschlossen, beispielsweise zwischen Genentech und
Eli Lilly (Insulin), Biogen und Schering-Plough (Interferon), Amgen und J&J (EPO).
Biotech-Unternehmen waren auf therapeutische Produktinnovationen fokussiert.196
Die Zusammenarbeit mit Pharma-Unternehmen basierte ausschließlich auf produkt-
spezifischen Partnerschaften. Als große forschungsorientierte Organisationsein-
heiten verfügten die Pharma Firmen über eine vollständig internalisierte vertikale
Wertschöpfungskette.197 Erst in den neunziger Jahren haben sich die Kooperationen
auf technologische Verfahrenskompetenzen, von geschlossenen Plattformen bis zu
speziellen Tools, sowie umfangreiche Forschungspartnerschaften erweitert. Die Zu-
sammenarbeit gestaltet sich vielfältiger, von kurzen nicht-exklusiven Marktkon-
takten bis zu intensiven, langfristig angelegten und exklusiven Kooperationen. Diese
unterschiedlichen Kooperationsansätze entspringen divergierenden Strategie-
ansätzen, deren Relevanz und nachhaltige Erfolgsfähigkeit im explorativen
Abschnitt der Untersuchung näher beleuchtet wird.

(1) Die Pharma-Perspektive

Ein Hauptgrund für das verstärkte Interesse der Life-Sciences-Unternehmen an


neuen Produktansätzen und Verfahrenstechnologien von Biotech-Unternehmen liegt
in dem auf der Branche lastenden enormen Innovationsdruck.l98 Die Markt-
kapitalisierungen der großen Unternehmen besteht zu 70 bis 90% aus Ergeb-
niserwartungen jenseits der 10-Jahres-Planzahlen: d.h. der Unternehmenswert beruht
auf den Erfolgserwartungen potentieller Produkteinführungen jenseits des 10-Jahres-
Horizonts.199 Diese Produktkandidaten befinden sich z.Zt. in der klinischen Phase I
oder werden als Leitsubstanz in der präklinischen Forschung getestet (ausführlich
siehe hierzu Kap. II.2). Der mögliche Erfolg dieser zeitlich sehr weit von einer poten-
tiellen Vermarktung entfernten Forschungsprodukte ist in der aktuellen Markt-
bewertung bereits enthalten. Daneben reduziert sich der exklusive Wettbewerbs-
vorteil bei der Markteinführung eines Therapeutikums seit den siebziger Jahren
stetig - von 10 Jahren bei dem Produkt 'Inderal', 4 Jahren bei 'Seldane', 'AZT' und

196 Vgl. beispielsweise Brockhoff (1990) S 451-472.


197 Temin analysiert am Beispiel des Medikaments 'Streptomycin' von Merck &Co. die Ursprünge der amerika-
nischen Pharmaindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg. Er argumentiert, daß die Patentvergabe der FDA auf
'drugs', aber nicht auf den spezifischen pharmakologischen Syntheseprozeß, zu Produktimitationen führte.
Geringe Variationen in der Molekülstruktur führten zu ähnlich wirkungsvollen Substanzen, ohne das Patent
zu verletzen, (vgl. auch Weber (1999)). Die nicht inklusive Patentierungsmöglichkeiten führten zu ausgeprägten
Produktdifferenzierungsstrategien. Die Unternehmen investierten daraufhin intensiv in Marketing- und
Vetriebskapazitäten, um den Absatz ihrer Produkte bei Ärzten sicherzustellen. Die Produktionsverfahren
wurden nicht mehr lizensiert sondern exklusiv im Unternehmen gehalten. Die Patentbedingungen führten
somit zu einer absatzseitigen vertikalen Integration der Pharma-Unternehmen, vgl. Temin (1979) S. 429-446,
Teece (1987) S. 212-213.
198 Vgl. PWC (1998) S. 3-4: Ende 1996 hatten 41 große Pharma-Unternehmen 350 aktive Substanzen (new
moelcular entities (NME)) in den klinischen Phasen II oder III. Bei Annahme der aktuellen Abbruchrate führt
dies bis zum Jahr 2001 zu 167 neuen Wirkstoffen. Dies bedeutet aber weniger als ein (0,81) Wirkstoff pro Jahr
pro Unternehmen. Diese Forschungsprognosen liegen weit hinter den ambitösen Strategiezielen der ein-
zelnen Unternehmen, die deutlich mehr als zwei Wirkstoffe pro Jahr entwickeln wollen.
199 Vgl. McKinsey (1999c).

63
'Prozak' auf weniger als 2 Jahre bei Diflucan und Invirase in den neunziger Jahren.200
Die Innovationsführerschaft und schnelle Time-to-market Zeiten erhalten für die
Pharma- und Diagnostik-Unternehmen eine immer stärkere Bedeutung.
Ein weiterer Handlungsdruck für Pharma-Unternehmen zur Innovationssteigerung
durch kooperative Zusammenarbeit mit Biotech-Unternehmen entsteht aus der gro-
ßen Anzahl 'Blockbuster'-Produkte mit hohen Deckungsbeiträgen, die in den
nächsten Jahren stark gefährdet sind. Bis zum Jahr 2006 endet für mehr als 100
wichtige exklusive Therapeutika mit einem Umsatz von rund 37 Mrd. USD der
Patentschutz.201 Nachahmerprodukte (Generika) werden bei den Unternehmen zu
Umsatz- und Rentabilitätseinbußen führen, die dann nur durch eine gesteigerte und
kontinuierliche Folge neuer Produktentwicklungen kompensiert werden können.
Die langen Entwicklungszeiten und hohen Abbruchraten im F&E-Prozeß bedingen,
daß frühzeitig eine entsprechende Anzahl aussichtsreicher Produktkandidaten in
den Entwicklungspipelines der forschenden Unternehmen vorhanden sein muß. Ein
Großteil dieser neuen Produkte kann nur über innovative biotechnologische Ver-
fahren und Erkenntnisse aus der Genomforschung generiert werden, in der Biotech-
Unternehmen führend sind. 202 Beispielsweise ermöglicht es die 'kombinatorische
Synthese', neue Targetsubstanzen wesentlich schneller und in größeren Mengen zu
synthetisieren - somit erweitert sich das Spektrum aussichtsreicher Produktkandi-
daten. Die Umsetzung der genomischen Erkenntnisse (HUGO) auf die Proteinebene
(Proteomics) wird zu vielen spezifisch auf die Ursachen der jeweiligen Krankheiten
ausgerichteten Proteintherapeutika führen. Nur die Anwendung der Biotechnologie
kann die Produktivität des bisher durch ein 'trial and error'-Verfahren geprägten For-
schungsprozesses dramatisch verbessern und Produkte generieren, die nicht mehr
symptom- sondern ursachenspezifisch wirken. Bieteeh-Unternehmen sind somit für
die Pharma-Unternehmen eine essentielle Quelle innovativer Technologien und
neuer Produktkandidaten.

(2) Die Biotech-Perspektive


Auch Biotech-Unternehmen haben großes Interesse an Kooperationen mit Life-
Sciences-Unternehmen. Mit ihnen erzielen sie einen großen Teil ihrer Einnahmen
und sichern sich einen originären Cash-flow, bis ein eigenes Produkt die Marktreife
erlangt hat und direkt vertrieben werden kann. Zahlungen können fix oder variabel,
an das Erreichen von Meilensteinen geknüpft oder unabhängig von Erfolg gestaltet
sein. Neben der Finanzierungsfunktion erfüllen Kooperationen auch einen markt-

200 Vgl. bpi (1999) S. 22.


201 Der Begriff 'Blockbuster'-Produkte bezeichnet therapeutische Produkte, die einen großen Markterfolg von
mehreren Hundert Mio. USD darstellen; Zahlen aus der Marktstudie von Med Ad News 1997, zitiert in
Business Plan MMI NewCo.
202 Vgl. PWC (1998) S. 6-8; bis Ende der achtziger Jahre hat die Produktivität bei der Forschung und Entwicklung
neuer Wirkstoffe abgenommen. Sinkende Wirkstoffinnovationsquoten stehen steigende F&E-Ausgaben der
Unternehmen gegenüber, die aus höheren Faktorpreisen, intensiveren gesetzlichen Regulierungsanforde-
rungen und in der Folge längeren Produktentwicklungszeiten resultieren, vgl. Müller (1991) 5. 77-79; die
Biotechnologie stellt für die Unternehmen die einzige Möglichkeit dar, die Innovationslücke zu überwinden.

64
liehen Test der vorhandenen Technologie bzw. des verfolgten Produktansatzes. Sie
erlauben eine externe Validierung der internen Fähigkeiten. Die Interaktion und der
Austausch mit anderen Markteilnehmern erscheint als eine wichtige Komponente
der eigenen Marktpositionierung. Eine intensivere Diskussion der Kooperationsziele
von Biotech-Unternehmen findet in der explorativen Untersuchung statt.
Daneben haben Biotech-Firmen auch Kooperationen mit öffentlichen Forschungsein-
richtungen oder Krankenhäusern mit dem Ziel, das eigene wissenschaftliche Know-
how abzusichern, zu ergänzen oder weiterzuentwickeln. Denn bei der Erforschung
neuer Therapeutika und Diagnostika besteht eine natürliche Verbindung zu den wis-
senschaftlichen Disziplinen, die die grundlegenden Funktionsweisen des mensch-
lichen Organismus erforschen. Neue Erkenntnisse bieten Ansatzpunkte zur Ent-
wicklung neuer Produkte.
Komplexere Aufgabenstellungen oder umfangreiche Outsourcing-Projekte großer
Life-Sciences-Unternehmen können auch intensive und multiple Zusammenarbeiten
zwischen mehreren Partnern erforderlich machen. Gerade für kleinere Biotech-
Unternehmen entstehen durch das integrierte Wirken in einem Netzwerk mit an-
deren Unternehmen sinnvolle Strategien, die den eigenen marktliehen Auftritt er-
leichtern und den Ressourcenengpaß verringern. Die Bedeutung von Netzwerken
für Unternehmerische Geschäftsmodelle wird in der explorativen Untersuchung
eingehender analysiert.203
Die sehr hohe Kooperationsintensität in dem frühen industriellen Stadium der Bio-
technologie widerspricht dem traditionellen theoretisch entwickelten Verständnis
von Branchenentwicklungen und Skalenerträgen.204 Für neue Industrien wird in
ihrer Entstehung eine Phase des internen Wachstums und der Integration von vor-
und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen angenommen. Mit zunehmender Reife
und vertikaler Integration der Industrie, bei der die Skalenerträge innerhalb des
Unternehmens realisiert werden, erschöpfen sich die synergetischen Potentiale und
die Zusammenarbeit mit externen Einheiten tritt ein. Die jungen Unternehmen
wachsen demnach zuerst ausschließlich intern, bevor sie als reife und etablierte
Akteure externe Beziehungen zu Konkurrenten oder Zulieferem aufnehmen. Diese
Konzeption einer erst im Reifegrad der Branche einsetzenden externen Leistungs-
verknüpfung - einer Kooperations- oder Netzwerkbildung mit anderen Marktteil-
nehmern - scheint für die wachstumsstarken Branchen IT und Biotech nicht durch-

203 Der Begriff 'Netzwerk' wird in Analogie zu Jarillo definiert. Sie sind "a mode of organization that can be used
by managers or entrepreneurs to position their firms in a stronger competitive stance." (Jarillo (1988) S. 32.)
Einige Autoren verwenden den Begriff 'network govemance' anstatt 'network organization', um den Unter-
schied zu einer strukturell und prozessual festgefügten Einheit einer Unternehmensorganisation aufzuzeigen,
vgl. Jones/Hesterly /Borgatti (1997) S. 914-916. Strategische Netzwerke sind "long-term, purposeful
arrangements among distinct but related for-profit organizations that allow those firms in them to gain or
sustain competitive advantage vis-a-vis their competitors outside the network." (Jarillo (1988) S. 32.) Unter·
nehmen in einem Netzwerk sind in einigen Funktionen unabhängig von anderen Partnern, ansonsten
entstehe eine 'vertikale quasi-integration', vgl. Jarillo (1988) S. 31-41.
204 Vgl. Stigler (1951) S. 185-193; Grundlegende Annahme dieser Theorie ist die Idee von Skalenerträgen, die
zuerst in Unternehmen realisiert werden können (vertikales Wachstum), bei zunehmender Reife der Industrie
aber ausgeschöpft sind (Outsourcing/Kooperationen); allerdings unklare empirische Nachweisbarkeit der
Stigler- These, vgl. Wright/Thompson (1986) S. 141-144.

65
gängig haltbar zu sein.205 Gerade in diesen Industrien haben Kooperationsbe-
ziehungen eine entscheidende strategische Bedeutung für die Entwicklungsper-
spektiven und den Erfolg von jungen Unternehmen.206 Die Wichtigkeit von strate-
gischen Partnerschaften und eingegangen Kooperationen erhöht sich, wenn
bestimmte Stufen des Wertschöpfungsprozesses bzw. Funktionen im Forschungs-
vorgehen ausgelagert werden.207 Eine Konzentration auf Kernkompetenzen hat in
der Gesundheitsbranche zu einem stärkeren Beziehungsgeflecht der Unternehmen
insgesamt geführt.
Die Verbindungen zwischen Biotech- und Pharma-Unternehmen haben sich kontinu-
ierlich entwickelt. Sie haben nicht mehr die eindimensionalen Stoßrichtungen der
achtziger Jahre und Biotech-Unternehmen nehmen nicht mehr ausschließlich eine
untergeordnete Zulieferfunktion für die dominierenden Pharma-Unternehmen ein.
Das Beziehungsgeflecht wurde komplexer und mehrdimensional_208 Während der
von den Pharma-Unternehmen extern bezogene Anteil der Wertschöpfungskette
stark zugenommen hat, haben sich parallel Biotech-Unternehmen zu vertikal inte-
grierten biopharmazeutischen Unternehmen entwicke1t.209 Bei gleichzeitigen
Abhängigkeiten und Konkurrenzverhältnissen wird der erreichbare Geschäftserfolg
für alle Unternehmen in den Life Seiences zunehmend von einer intelligenten Stra-
tegie der 'Coopetition' bestimmt - gleichzeitige Kooperation und Konkurrenz, auf
der Suche nach gemeinsamen 'win-win'-Situationen für die beteiligten Unter-
nehmen.210
Die Knappheit von Ressourcen für das einzelne Unternehmen kann eine wesentliche
Wachsturnsgrenze darstellen. Dies umfaßt sowohl finanzielle und tangible als auch
Managementressourcen und -know-how.211 Die Zusammenarbeit mit anderen Fir-
men kann zur Überwindung kritischer Engpässe führen. Kooperation mit ergänzen-

205 Im Überblick zu dieser Diskussion vgl. Sydow (1992) S. 287-289; in einer Untersuchung zu Halbleiter-Un-
ternehmen in den USA, die zwischen 1978-85 gegründet wurden, stellten Eisenhardt/Schoonhoven allerdings im
Jahr 1996 fest, daß in der gleichen Industrie reifere Unternehmen eine höhere Kooperationsrate aufwiesen.
Dies könnte an der personellen Ressourcenknappheit der jungen Unternehmen liegen, die bei komplexen
Produkt- oder Technologie-Entwicklungskooperationen notwendig sind. Gleiche Ergebnisse könnten für die
Biolech-Industrie angenommen werden, vgl. Eisenhardt/Schoonhoven (1996) S. 136-150.
206 Vgl. z.B. Arora/Gambarella (1990) S. 361-379; Sydow hebt insbesondere den Grad der technologischen und
marktliehen Unsicherheit sowie die Wettbewerbsintensität als wichtige Parameter hervor, die die Bedeutung
und Häufigkeit von Kooperationen in einer Branche beeinflussen, vgl. Sydow (1992) S. 287-295; vgl. auch Kay
(1998) S. 222-241; vgl. auch Corsten/Will (1995) S. 12-29; McGee/Dowling/Megginson weisen empirisch nach,
daß zunehmende Erfahrung des Managements und eine explizite strategische Ausrichtung des Unter-
nehmens einen positiven Einfluß auf den Erfolg von kooperativen Strategien hat, vgl.
McGee/Dowling/Megginson (1995) S. 565-580.
207 Vgl. Zahn (1991) S. 42-47; problematisch erscheint eine Auslagerung von Wertschöpfung, wenn ein oberfläch-
liches und nur am Moment ausgerichtetes Produkt-Markt-Denken existiert, bei dem klare Schnittstellen
zwischen Bereichen zu spät als neue sich formierende Geschäftsfelder erkannt werden, beispielsweise
zwischen Telekommunikation, Software, Internet, die zu E-commerce führen oder Genetik und Pharma-
kaentwicklung, die in Pharmakogenomik zusammen wachsen.
208 Vgl. Powell (1998) S. 228-240.
209 Siehe Kap. V.
210 Grundlegende Verwendung des Begriffs 'Coopetition' bei Nalebuff/Brandenburger (1996), vgl.
Nalebuff/Brandenburger (1996) S. 23-51.
211 Vgl. McGee/Dowling/Megginson (1995) S. 565-580.

66
den Biotech-Unternehmen sind in diesem Verständnis das Vehikel einer Wachstums-
strategie. Der Erfolg von Kooperationen scheint eine erhebliche Bedeutung für die
Entwicklungsdynamik und den Erfolg des Geschäftsmodells eines Biotech-Unterneh-
mens zu haben. Insbesondere die Auswahl des strategischen Partners, die gemein-
same Zieldefinition, die Ausgestaltung der Zusammenarbeit und die Entscheidungs-
tindung scheinen für ein erfolgreiches Ergebnis der Kooperation determinierend.212
Diese Elemente werden im explorativen Teil eingehender untersucht.

6.3 Hohe Forschungsintensität


Ein besonderes Charakteristikum der Biotech-Industrie ist ihre außerordentlich hohe
Forschungsintensität Grundsätzlich ist die Entdeckung von therapeutischen und
diagnostischen Wirkstoffen sehr forschungsintensiv. Die durchschnittlichen F&E-
Ausgaben von amerikanischen forschungsorientierten Pharma-Unternehmen
steigerte sich prozentual von 12% in 1980 auf 21% vom Umsatz in 1999- absolut eine
Erhöhung von 2,5 Mrd. USD auf 24 Mrd. USD mit einem CAGR von 13% über zwei
Dekaden.213 Weltweit werden die Forschungsausgaben auf rund 45 Mrd. USD ge-
schätzt.214 Ein großer Teil des Forschungsbudgets, schätzungsweise rund 20-30%,
wird extern an andere Unternehmen vergeben, insbesondere Biotech-Unternehmen.
Insgesamt konnten die 'entrepreneurialen' Biotech-Unternehmen im Jahr 1998 rund
7,6 Mrd. USD für F&E ausgeben. Zunehmend versuchen die Life-Sciences-Unter-
nehmen, die hohe Innovationsproduktivität und die Flexibilität bei schnelleren Time-
to-market-Zeiten der Biotech-Unternehmen zu nutzen.215 Gleichzeitig entlasten sie
sich vom fixen Kostendruck ihrer großen internen F&E-Einheiten.
Biotech-Unternehmen weisen einen noch wesentlich stärkeren Forschungsanteil auf.
Sie sind fast ausschließlich Ausgründungen von wissenschaftlichen Einrichtungen-
Universitäten, Instituten - oder Forschungsabteilungen von großen Unternehmen.
Ziel der jungen Unternehmen ist es, kommerzielle Anwendungen von in der Aca-
demia entwickelten neuen biotechnologischen Verfahren und Möglichkeiten zu ver-
folgen. Die revolutioniere:1de Kraft der Biotechnologie liegt insbesondere im For-
schungsprozeß von Life-Sciences-Produkten, z.B. von Therapeutika und Diagnostika,
so daß sich Unternehmen vor allem in den Stufen der Target- und 'Lead Compound'-
Suche, in der präklinischen Forschung und Entwicklung, positionieren. Diese Unter-
~ehmen sind somit ausschließliche Forschungsunternehmen. Eine Vermarktung fin-
det nur als Business-ta-Business-Geschäft mit anderen Life-Sciences-Unternehmen
oder Business-ta-Research-Beziehung mit Forschungseinrichtungen statt, sehr häufig
im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen.

212 Zum theoretischen Problembereich der Auswahl eines geeigneten Kooperationspartners vgl. Linne (1993) S.
176-215.
213 Vgl. McKinsey (1999c), vgl. Burrill (1999) S. 8-10.
214 Vgl. McKinsey (1999c).
215 Zum Problembereich des Managements von bedeutenden Innovationen in großen internationalen Unter-
nehmen vgl. Gerybadze (1997) S. 38-81; Unternehmen, insbesondere in den Life Sciences, nutzen global
sowohl interne als auch externe F&E-Sourcing Möglichkeiten.
67
Biotechnologische Anwendungen haben für eine kommerzielle Nutzung bzw. ein
ökonomisches Geschäftskonzept eine außerordentliche Nähe zur Grundlagenfor-
schung. Viele Sachverhalte sind wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt,
z.T. nicht einmal ansatzweise.216 Aus dieser Nähe entspringt eine große Volatilität
der erreichbaren Ergebnisse. Die Unsicherheit von Forschungsprozessen wird auf
diese Weise Teil des unternehmerischen Modells. Im Gegensatz zur IT oder
Telekommunikation, bei der die grundlegenden wissenschaftlich physikalischen
Prinzipien bekannt sind (z.B. Halbleiter, Integrierte Schaltkreise, Datentransmission)
ist die Biotechnologie noch eine 'Grenzwissenschaft', bei der viele fundamentale
Funktionsweisen des komplexen organischen Lebens noch unbekannt sind. Dieser
Zusammenhang ist für das Verständnis biotechnologischer Unternehmen außeror-
dentlich wichtig.
Die hohe Unsicherheit der grundlagennahen Forschung eröffnet aber auch ein außer-
ordentlich interessantes Innovationspotential für die Unternehmen. Deutlich wird
dies beispielsweise in den Feldern der Genomics, Protenornies und Functional Geno-
mics, in denen aufbauend auf der Entschlüsselung des menschlichen Genoms, die
kausalen Ursachen von Krankheiten erkannt und entsprechende diagnostische bzw.
therapeutische Produkte entwickelt werden könnten. Das Erkennen und kontrol-
lierte Nutzen genetischer und proteomischer Wirkungsweisen eröffnet eine grund-
sätzlich andere Qualität der Krankheitsversorgung - ein neues Paradigma für die
Gesundheitsindustrie, eine fundamental neue S-Kurve.
Die Intensität der Forschungsanstrengungen macht die proprietäre Wahrung der Er-
gebnisse für die kommerzielle Anwendungen außerordentlich wichtig.217 Gerade
kleine Unternehmen mit einem spezifischen Technologiefokus müssen ihre originä-
ren Arbeitsresultate schützen und eine aktive Patentpolitik verfolgen, wenn sie ihre
Existenzberechtigung behaupten wollen. Dies gilt sowohl für therapeutische 'Leads'
als auch für technologische Zwischenprodukte oder Plattformen. Seit der Ent-
stehung von Biotech-Firmen sind Auseinandersetzungen um exklusive Nutzungs-
rechte ein konstituierendes Element der Industrie. Streitigkeiten wie bei Amgen-f&J
um das Epo-Patent, Chiron-DuPont um die Nutzung der PCR Technologie oder bei
Morphosys-Cambridge Antibody Technology um eine Bibliothekstechnologie machen die
Brisanz und den Wert dieser Nutzungsrechte für die betroffenen Unternehmen
deutlich. Für die Biotech-Unternehmen stellt eine durch Patente abgesicherte Exklu-
sivität sehr häufig die notwendige Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung dar,
eröffnet (Amgen, Chiron-Roche) oder verschließt (J&J, DuPont) ganze Produkt- oder
Nutzungsfelder.218 Trotzdem stellen Strategien 'des alles oder nichts' bei Patent-

216 Technologischer Fortschritt und kommerzielle Nutzung sind in hohem Maß von Unsicherheit und Zufall
geprägt. Dies trifft insbesondere auf fundamental neue Technologien zu, wie den Transistor oder die
Biotechnologie, vgl. Nelson/Rosenberg (1998) S. 46-57. Die Biotechnologie hat im Gegensatz zur Mikro-
elektronik dieses Stadium der hohen Entwicklungsunsicherheit und Zufälligkeit noch nicht endgültig ver-
lassen.
217 In einer OECD-Studie werden die Schwierigkeiten, intellektuelles Kapital wirkungsvoll zu schützen, als ein
Hindernis für untemehmerische Aktivitäten diagnostiziert. Die Kosten für ein europäisches Patent sind drei-
mal höher als in USA und Japan, vgl. OECD (1998) S. 67-69.
218 Vgl. Kronberg (1995) S. 236-241.

68
streitigkeiten z.T. enorme Risiken dar, die Biotech-Unternehmen schwer belasten
oder sogar zerstören können. Beispielsweise führte der Streit um ein Patent für
Antikörper gegen den Septischen Schock zu existentiellen Problemen für die beiden
Biotech-Firmen Centocor Corp. und XOMA Corp., zu einer verspäteten Therapeutika-
zulassung und einer negativen Perzeption des gesamten Biotech Sektors aus
Investorensich t. 219

6.4 Großer Kapitalbedarf


(1) Unterschiedliche Arten der Finanzierung
Die intensive Forschungsorientierung der Biotech-Unternehmen erfordert einen sehr
hohen Kapitalbedarf. Ein Grund liegt in der ressourcenintensiven Ausstattung mit
Personal, Geräten und forschungsadequaten Räumen, die für eine funktions- und er-
gebnisorientierte Arbeitsweise notwendig ist.220 Die Forschung an Technologien
bzw. Produkten als Hauptbeschäftigung einer kommerziellen Unternehmung
signalisiert allerdings ein weiteres grundsätzlicheres Problemfeld: den weitge-
henden Verzicht auf durch eigene Geschäftstätigkeit generierten regelmäßigen Cash-
flow.
Teilweise werden Einnahmen durch Zahlungen aus Kooperationen erzielt, die mit
Unternehmen abgeschlossen werden, die ein Verwertungsinteresse an den Ergeb-
nissen der Forschung haben. Die Nutzung solcher Kooperationen als reine Finanzie-
rungsquelle und ihre sinnvolle Ausgestaltung sind allerdings nicht unproblema-
tisch.221 Außerdem ist bereits der Abschluß einer Kooperation ein unternehme-
rischer Erfolg, der selten ohne vorhergehende Forschungsergebnisse auf Seiten des
Biotech-Unternehmens erreicht wird.
Als bedeutende Finanzierungsquelle bleiben externe Kapitalgeber: institutionelle
Investoren, für Venture Capital bzw. Private Equity, private Investoren, Fremd-
kapitalgeber oder private Ersparnisse aus dem Unternehmensumfeld. 222 Bis zur

219 Vgl. Kronberg (1994) S. 253.


220 Die Ausgaben werden auch als 'Burn rate' des Unternehmens bezeichnet. Sie ist die Grundlage der Kapi-
talbedarfsplanung bis zu einerneuen Finanzierungsrunde.
221 Siehe Kap VI. 2.5 und 4.
222 Die Begriffe 'Private Equity' und 'Venture Capital' werden in dieser Untersuchung synonym verwendet und
bezeichnen privates Eigenkapital, das von privaten oder institutionellen Investoren in nicht-öffentliche Un-
ternehmen investiert wird. Die deutsche Übersetzung "Risiko- bzw. Wagniskapital-(gesellschaften)" entspricht
der tatsächlichen Bedeutung und Aufgabe von VCG nur unzureichend. Die Begriffsassoziationen kon-
zentrieren sich zu stark auf das risikohaltige und zu wenig auf das unternehmerische, schaffende Element.
Aus diesem Grund soll in dieser Untersuchung die Bezeichnung "Venture Capital" verwendet werden. 'Pri-
vate Equity' bzw. 'Venture Capital' Investments stellen den privaten Kapitalmarkt dar, der eine Vorstufe zum
öffentlichen Kapitalmarkt ist. Der deutsche Begriff Beteiligungskapital' wird nicht verwendet, da er durch
die traditionelle Arbeitsweise der deutschen Beteiligungsgesellschaften besetzt ist, die Investments nicht aus
einer unternehmefischen und ertragsorientierten Investorensicht verfolgten, sondern eine stark
risikominimierende (Femdkapital-) Perspektive zum Leitmotiv ihrer Entscheidungen machten. Ein aus-
reichend liquider und funktionierender privater Kapitalmarkt entstand in Deutschland erst Mitte der neun-
ziger Jahre.

69
Schaffung eines das Unternehmen tragenden originären Umsatzes bzw. eines IPO's
sind i.d.R. mehrere private Finanzierungsrunden notwendig (siehe Abbildung 1!.12).

Bedeutung für Durchschnittlicher


Biotech Finanzbedarf eines Biotech Unter-
Finanzierungen nehmens in der ersten Runde zwischen
2 · 5 Mio. DM

Venture Capital

Business Angels

Fremdkapital
=====================:
Private Ersparnisse
-----------------·

50 TOM 250 TOM 500 TOM 1 Mio. DM 2 Mio. DM

Abbildung 11.12: Finanzierungsarten für Biotech-Unternehmen nach Höhe des Kapitalbedarfs


Quelle: Eigene Analyse, EVCA

Private Ersparnisse scheinen aufgrund der Höhe des bis zum Marktauftritt notwen·
digen Kapitalbedarfs nur begrenzt und unzureichend als Finanzierungsquelle auszu-
reichen.223 Auch für Fremdkapitalgeber scheint die Natur des Geschäftes, der hohe
mehrjährige Kapitalbedarf und das Risiko für eine substantielle Finanzierung des
Aufbaus und der Expansion der Unternehmung nur sehr begrenzt geeignet.224
Eine andere EK-Form stellen die privaten Investoren dar, sog. 'Business Angels'. Sie
investieren in Unternehmen und übernehmen auch eine aktive Rolle des 'Coachings'
für Gründer und Management. In vielen Fällen sind sie ehemalige Unternehmer
oder haben in einem verwandten Umfeld gearbeitet, z.B. als Anwälte, Banker etc. In
ihrer Idealform sind Business Angels eine kompetente Verbindung von Finanzier
und Berater. In diesem Sinne ist ihre Bedeutung komplementär zU: den institutio-
nellen Investoren, den VC Gesellschaften. Ihre Investments sind i.d.R. höher als das

223 Roberts zeigt in seiner Untersuchung über 'High-tech'-Unternehmer, daß in der ersten Phase der Unterneh-
mensgründung rund 80% der finanziellen Mittel auch aus eigenen oder befreundeten Quellen stammen, vgl.
Roberts (1991) S. 143, allerdings bewegen sich die Kapitalbedürfnisse zum überwiegenden Teil unter 50.000
USO, die für mehrjährige Biotech Investitionen von mehr als 1 Mio. DM ohne immanenten Cash-flow-Zufluß
nicht ausreichen.
224 Die Bedeutung der Fremdkapital-Finanzierungwird eingehender in Kap. V.2.1.3 untersucht.

70
Potential der Gründerersparnisse, aber kleiner als die der Venture Capitalisten.
Business Angels decken somit ein Finanzierungssegment ab, das unterhalb des Mini-
malinvestments von VC-Firmen liegt. Ihre Bedeutung wächst in dem Ausmaß, in
dem die institutionellen Investoren höher dotierte Beteiligungen annehmen und 'zu
kleine' Investments ablehnen. Diese Unternehmen sind dann ohne private Investo-
ren in einer sehr schwierigen Position.
In den USA ist der Stellenwert der Business Angels in der 'Business Community' sehr
hoch. Viele erfolgreiche Unternehmer betätigen sich als private Investoren und
haben ein hohes professionelles Renome. Nach einigen Quellen verfügen sie in den
USA über wesentlich mehr zu investierendes Kapital als die institutionalisierten VC-
Firmen.225 In Deutschland ist dieses Segment der professionellen, aber privaten
Business Angels noch sehr klein und in transparent. Im Jahr 1999 wurden mit Unter-
stützung der KfW, der Deutschen Börse und anderen Finanzinstitutionen ein Netz-
werk gegründet, die das Entstehen eines Marktplatzes zwischen Unternehmern und
privaten Finanziers zur Unternehmensfinanzierungen stimulieren soll.226 Die wich-
tigsten Elemente einer breiten und qualifizierten Finanzierung durch Business
Angels stellen die Transparenz des Marktes, die Professionalität der Investment-
entscheidungen sowie die kompetente Betreuung der jungen Unternehmen dar. In
diesen Feldern liegt gleichzeitig die größte Problematik privater Investorenfinanzie-
rung.
Die wichtigste und wesentlichste Kapitalressource für junge Biotech-Unternehmen
vor dem Gang an die öffentlichen Kapitalmärkte ist Venture Capital,227

(2) Venture Capital und Hiateeh-Unternehmen


Venture Capital war der Katalysator und Geburt