3. Tunnelbau
im Festgestein und
Lockergestein
(Auflage WS 2016/17)
INHALTSVERZEICHNIS
1. BEGRIFFSDEFINITION
1.1. Allgemeine Definitionen
Abbildung 1-3: Querschnittsunterteilung zweihüftiger Ulmenstollenvortrieb [ÖBB Infrastruktur Bau AG, 2008].
1.2. Definitionen aus der ÖGG – Richtlinie für die Geomechanische Planung von
Untertagebauarbeiten mit zyklischem Vortrieb
GEBIRGE Teil der Erdkruste, zusammengesetzt aus Festgestein (Fels) oder
Lockergestein (Boden), einschließlich der Anisotropien,
Trennflächen und Hohlräume mit Füllungen aus flüssigen oder
gasförmigen Bestandteilen.
GESTEIN Durch natürliche Vorgänge entstandenes Aggregat aus
mineralischen Bestandteilen, gekennzeichnet durch die Art und
Menge der auftretenden Minerale und durch das Korngefüge.
FESTGESTEIN Mineralgemenge, dessen Eigenschaften hauptsächlich durch seine
physikalisch/chemische Bindung bestimmt sind.
LOCKERGESTEIN Anhäufung von anorganischen und verschiedenkörnigen
Feststoffen, fallweise auch mit organischen Beimengungen, deren
Eigenschaften vorwiegend durch die Kornzusammensetzung, die
Lagerungsdichte und den Wassergehalt bestimmt sind.
GESTEINSART Locker- und Festgestein mit gleichartigen Eigenschaften.
TRENNFLÄCHEN Zweidimensional ausgedehnte, i.a. vollständige Unterbrechungen
des mechanischen Zusammenhanges im Festgestein, hervorgerufen
im Zuge der Entstehung und/oder tektonischer, bruchhafter
TÜBBING Fertigteil aus Beton, bewehrtem Beton, Stahl oder Gusseisen für die
Auskleidung von Tunnel, Stollen und Schächten.
TUNNELBOHRMASCHINE Gerät zum mechanischen Abbau von Festgestein im Vollquerschnitt
mit oder ohne Schutz eines Schildes.
TUNNELVORTRIEBS- Gerät zum mechanischen Abbau von Fest- oder Lockergestein im
MASCHINE Vollquer- oder Teilquerschnitt mit oder ohne Schutz eines Schildes
entweder kontinuierlich oder hubweise.
VERKLEBUNGEN Unter Verklebungen versteht man das Anhaften von Bodenteilchen
an Maschinenbauteiloberflächen und das Zusammenhaften von
Bodenteilchen untereinander (Klumpenbildung und in weiterer Folge
auch Brückenbildung) als Folge einer Adhäsionskraft. Das
Verklebungspotential kann durch die Kombination aus
Konsistenzzahl und Plastizitätszahl charakterisiert werden.
ZYKLISCHER, Vortriebsart, bei der die einzelnen Arbeitsvorgänge des Lösens,
KONVENTIONELLER Ladens und des Stützmitteleinbaues im Wesentlichen zeitlich
VORTRIEB nacheinander und mit Hilfe von Einzelgeräten ausgeführt werden.
(siehe auch ÖNORM B 2203-1).
Tabelle 2-1: Die großen Eisenbahntunnel im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Bauwerk Bauzeit Länge [m] Land
Liverpool – Manchester 1826 - 1830 115 England
Dresden – Leipzig 1839 511 Deutschland
Semmeringtunnel 1848 - 1853 1.434 Österreich
Giovitunnel 1850 - 1853 3.275 Italien
Hauensteintunnel I 1853 - 1858 2.495 Schweiz
Fréjustunnel 1857 - 1871 12.234 Italien/Frankreich
Gotthardtunnel 1872 - 1880 14.912 Schweiz
Arlbergtunnel 1880 - 1884 10.250 Österreich
Tendatunnel (stillgelegt) 1883 - 1900 8.099 Italien
Simplontunnel I 1898 - 1905 19.770 Schweiz
Lötschbergtunnel 1906 - 1913 14.612 Schweiz
Für die Bauzeit des Fréjustunnels waren ursprünglich 25 Jahre vorgesehen. Die konventionelle
Bohrtechnik mit einer Vortriebsleistung von ca. 0,75 m/d wurde durch die Entwicklung der ersten
Bohrmaschine durch Sommeiller ersetzt. Durch den Einsatz dieser Bohrmaschine konnte die
Vortriebsleistung auf 3 m/d gesteigert werden und somit die Bauzeit erheblich verkürzt werden. Die
Bohrmaschinen wurden mit Druckluft betrieben. Der Antrieb der Kompressoren, die sich vor dem
Tunnelportal befanden, erfolgte durch Wasserkraft.
Abbildung 2-3: Anordnung der Sommeillerschen Bohrmaschinen für den Fréjustunnels [Betonkalender, 2005].
Abbildung 2-4: Massenbergtunnel (1962 – 1965), links: ursprüngliche Planung nach alten Grundsätzen,
Planung in der Ausführungsphase nach den Grundsätzen der NÖT [50 Years of/ Jahre NATM, 2012].
Der längste in bergmännischer Tunnelbauweise errichtete Straßentunnel ist der Laerdals Tunnelen in
Norwegen (Bauzeit 1995 – 2001), in derartiger Bauweise errichtete Eisenbahntunnel können
wesentlich länger sein. Der in den Jahren 2006 bis 2012 errichtete Lainzer Tunnel ist mit 15,4 km der
längste innerstädtische Eisenbahntunnel.
Durch die technische Weiterentwicklung konnten neue Anwendungsgebiete erschlossen und die
Wirtschaftlichkeit der einzelnen Verfahren gesteigert werden. In offener Bauweise hergestellte Tunnel
bieten heutzutage häufig keine Kostenvorteile mehr gegenüber unterirdisch vorgetriebenen. Da die
geschlossene Bauweise hinsichtlich Trassenführung, Umweltbelastungen und Verkehrsbehinderung
beträchtliche Vorteile aufweist, nimmt ihr Anteil ständig zu.
Der Maschinelle Tunnelvortrieb nahm in den letzten Jahrzehnten gegenüber den anderen Bauweisen
an Bedeutung zu. Große Tunnelbauvorhaben mit Längen bis zu rund 60 km (Basistunnel) bzw. unter
sehr schwierigen Randbedingungen (Untergrundverhältnisse und Grundwasser, geringe
Überlagerungen im innerstädtischen Bereich etc.) erfordern den Einsatz neuer Tunnelbaumethoden.
Beispielhaft seien die in Tabelle 2-2 aufgelisteten im alpinen Raum bereits fertiggestellten bzw. in Bau
befindlichen Basistunnel genannt. Nicht alle Abschnitte wurden bzw. werden maschinell vorgetrieben,
sondern es kamen bzw. kommen bereichsweise auch bergmännische und offene Bauweisen zur
Anwendung.
Tabelle 2-2: Die großen Basistunnel im alpinen Raum am Übergang vom 20. ins 21. Jahrhundert
Bauwerk Bauzeit Länge [m] Land
Lötschberg-Basistunnel 1999 - 2007 34.577 Schweiz
Gotthard-Basistunnel 1993 - 2016 57.104 Schweiz
Brenner Basistunnel seit 2007 64.000 Österreich / Italien
Koralmtunnel seit 2009 32.893 Österreich
Semmering Basistunnel seit 2012 27.300 Österreich
Offene Bauweisen zur Errichtung von Tunnelbauwerken kommen bei geringen Überlagerungshöhen
und in Bereichen ohne bzw. nur mit geringer Bebauung. Erst in den letzten Jahren entstanden in
Ergänzung zur klassischen offenen Bauweise und der Deckelbauweise im Rahmen von
Tunnelprojekten neue bzw. erweiterte Errichtungsstrategien, wie beispielsweise die Trogbauweise und
die Kärntner Deckelbauweise, teilweise unter Anwendung von Sohlabdichtungen,
Unterwasserbetonsohlen, Verdrängung des Grundwassers mittels Druckluft, Bodenvereisung u.v.m.
Beispiel dafür in Österreich sind die Tunnel Rannersdorf und Vösendorf (Schnellstraße S1, Wiener
Südrandstraße) und zahlreiche Tunnel entlang der neuen Eisenbahntrasse im Tiroler Unterinntal.
3. SPANNUNGSZUSTÄNDE IM GEBIRGE
Beim Auffahren eines Tunnels treten aufgrund des entstehenden Hohlraumes Störungen der
ursprünglichen Gebirgsdruckverhältnisse auf. Dieser sog. primäre Spannungszustand ändert sich in
Längs- und Querrichtung um den Hohlraum, der nach dem Ausbruch als sekundärer
Spannungszustand und nach dem Ausbau als tertiärer Spannungszustand bezeichnet wird. Am
Ausbruchsrand entsteht ein einaxialer (ebene Betrachtung) bzw. ein zweiaxialer Spannungszustand
(räumliche Betrachtung). Abbildung 3-1 zeigt schematisch die im Gebirge auftretenden
Spannungszustände während eines Tunnelvortriebes.
Die theoretische Spannungsermittlung wird für den ebenen Fall an einer Scheibe mit unendlicher
Ausdehnung und einer kreisrunden Lochung, der „gelochten Scheibe“, (siehe Kapitel 4.2.3) mittels
Polarkoordinaten durchgeführt.
mit r … Radialspannungen
t … Tangentialspannungen
… Schubspannungen
pv … die in der Richtung der lotrechten Achse = 0° wirkende primäre Druckspannung
ph … die parallel zur Achse = 90° wirkende waagrechte Druckspannung p h p v K 0
Abbildung 3-2: Gelochte Scheibe. Bezeichnungen für die Ermittlung des sekundären Spannungszustandes im
elastisch isotropen Raum („Gebirge“) in Polarkoordinaten.
p v h ü
p h h ü K 0
mit hü … Überlagerungshöhe
K0 … Seitendruckbeiwert
' … Wichte unter Auftrieb (ohne Grundwasser ist ' = )
Primärspannungen sind in den meisten Fällen durch einen primär elastischen Zustand gekennzeichnet.
Das heißt, dass die vorhandenen Schubspannungen kleiner sind als der Scherwiderstand des Gebirges
:
vorh primär elastisch
In geologischen Störzonen, bei Überlagerungshöhen hü > 10.000 m und beispielsweise in Salzstöcken
ist jedoch auch ein primär plastischer Zustand möglich:
vorh plastisch
3.1.1. Seitendruckverhältnis K0
Der Seitendruckbeiwert K0 ist das Verhältnis zwischen horizontalen ph und vertikalen Spannungen pv
(im homogenen Fall: Verhältnis der effektiven Hauptnormalspannungen ꞌx, ꞌz):
p h x
K0
p v z
Das Seitendruckverhältnis und somit der Primärspannungszustand sind abhängig von der Gebirgsart,
den Trennflächen im Gebirge (Schichtung, Schieferung bzw. Klüftung), der Überlagerung, der
Gebirgsentwicklungsgeschichte, der Tektonik und der Topographie (z.B. Hanglage).
Im Lockergestein wird das Seitendruckverhältnis üblicherweise durch den Erdruhedruckbeiwert nach
Jaky (siehe Vorlesung Grundbau und Bodenmechanik) angegeben:
K 0 1 sin
Gerade im Lockergestein ist jedoch der Seitendruckbeiwert keine konstante Größe, sondern auch von
der geologischen Vorbelastung abhängig. In stark überkonsolidierten Böden ist der
Erdruhedruckbeiwert oftmals K0 > 1 (z.B. London Clay bis zu 2).
Im Festgestein wird der Seitendruckbeiwert bei angenommener homogener Isotropie des Gebirges
über die Querdehnzahl m ermittelt:
1 1
K0 m
m 1 1
Wie die Poisson-Zahl bzw. die Querdehnzahl m ermittelt werden kann, ist bereits in Thema 1
(Grundlagen der Felsmechanik) diskutiert worden.
Tabelle 3-1: Anhaltswerte für die Poisson-Zahl und den Seitendruckbeiwert K0 in Abhängigkeit von der
Gesteinsart [adaptiert nach Kastner, 1971].
Festgestein Poisson-Zahl Seitendruckbeiwert K0
Granit 0,14 – 0,10 0,17 – 0,11
Gneis 0,30 – 0,15 0,44 – 0,18
Diabas 0,32 0,48
Marmor 0,27 – 0,23 0,37 – 0,30
Kalkstein 0,34 – 0,30 0,53 – 0,48
Sandstein 0,17 – 0,10 0,20 – 0,11
Lockergestein
dicht gelagerter Sand 0,40 – 0,45
locker gelagerter Sand 0,45 – 0,50
bindiger Boden, teilgesättigt 0,60 – 0,80
Ton, wassergesättigt 1,0
Geologische oder tektonische Einflüsse auf den Seitendruckbeiwert sind beispielhaft in Abbildung 3-4
und Abbildung 3-5 dargestellt. In Sattellage (Antiklinale) können sich aufgrund eines vom Tunnel weg
gerichteten Gebirgsschubs bzw. einer Gewölbewirkung Seitendruckbeiwerte einstellen, die geringer
als K0 sind. Muldenlagen (Synklinale) bewirken dagegen häufig aufgrund des möglichen seitlichen
Schubs deutlich höhere Seitendruckbeiwerte.
Antiklinale:
p v h ü
p h h ü K h ü K 0
Synklinale:
p v h ü
p h h ü K h ü K 0
K0 > 1 ist möglich
Abbildung 3-4: Einfluss der Lage auf den Primärspannungszustand [Vogt, 2009].
Ein ähnlicher Einfluss auf den Gebirgsdruck ist in geklüftetem Gebirge gegeben (Störzonen sind
bevorzugte Gleitzonen). Betrachtet man einen Gebirgsstock, der durch Verwerfungen so unterteilt ist,
dass keilförmige Blöcke entstanden sind, so zeigt sich, dass die nach unten verjüngten Keile A von
den benachbarten Blöcken B gestützt und entlastet werden. Die primären Spannungen werden daher in
diesen Bereichen geringer sein, während die nach oben verjüngten Keile eine zusätzliche Belastung
erfahren.
Abbildung 3-5: Beeinflussung des Überlagerungsdruckes in einem durch Verwerfungen in Schollen geteiltes
Gebirge nach Kastner.
Bei einem Tunnel in Hanglage mit geringer Überlagerung (Lehnentunnel) ist der Seitendruckbeiwert
wesentlich durch den Böschungswinkel beeinflusst. Die Hauptspannungen richten sich normal und
senkrecht zur nächstliegenden Oberfläche aus. In Kriechhängen (Grenzzustand der Tragfähigkeit) ist
zusätzlich der Kriechdruck zu berücksichtigen.
Ist im Gebirge ein ausgeprägtes Trennflächengefüge vorhanden, so verändern sich die Richtungen der
Hauptnormalspannungen. Die Richtung der größeren Hauptnormalspannung 1 weicht von der
Lotrechten ab und neigt sich in Richtung der Trennflächenschar. Je geringer der Scherwiderstand
entlang der Trennfläche ist, desto stärker neigt sich die Hauptnormalspannung 1, bis sie schließlich
bei = 0 parallel zur Trennflächenschar verläuft.
0 p v h ü
h ü
0 pv
sin
Kann das Gebirge homogen idealisiert werden und es stellt sich ein hydrostatischer Spannungszustand
ein, bildet sich eine allseitig gleiche Radialspannung r um den Hohlraum aus:
r ph p v
K0 1
a) b) c) d) e)
Abbildung 3-9: Skizze Überbohrmethode: a) Herstellen des Großbohrloches b) Herstellen der Messbohrung
c) Einsetzen des Messaufnehmers d) Überbohren e) entspannter Kern.
Abbildung 3-10: Verlauf der Spannungstrajektorien (a) vor und (b) nach dem Ausbruch eines kreisförmigen
Hohlraumes [Széchy, 1969].
Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten, wie sich die Spannungen im Gebirge ausbilden können:
primär elastisch – sekundär elastisch (ideal)
primär elastisch – sekundär plastisch (häufigster Fall)
primär plastisch – sekundär plastisch (ungünstig, selten)
Der sekundäre Spannungszustand kann selbst dann, wenn die Spannungen unter der Plastizitätsgrenze
bleiben, nur in Ausnahmefällen messtechnisch genau erfasst werden.
r
pv
2
1 2 1 K 0 1 4 2 3 4 1 K 0 cos 2
t
pv
2
1 2 1 K 0 1 3 4 1 K 0 cos 2
pv
2
1 2 2 3 4 1 K 0 sin 2
r
, a … Zur Festlegung der örtlichen Lage des betrachteten Teilchens, bezogen auf
r
den Tunnelquerschnitt (siehe dazu Abbildung 3-2)
K0 1 p pv ph h m = 2; = 0,5
K0 0 p v h, p h 0 m ~ ; ~0
1
K0 pv
3 p v h, p h m = 4; = 0,25
3
0
ra
Für den Ausbruchsrand r ra 1 errechnen sich für die Spannungen folgende Werte:
r
r 0
t 2p v
0
r
pv
2
1 2 1 4 2 3 4 cos 2
p
t v 1 2 1 3 4 cos 2
2
pv
2
1 2 2 3 4 sin 2
ra
Für die Spannungen am Ausbruchsrand 1 ergeben sich folgende Werte:
r
r 0
2 4 cos 2
pv
t
2
0
Randspannungen Randspannungen
am First und in der Sohle: = 0°, = 180° an den Ulmen: = 90°
r 0 r 0
t p v Zugspannungen! t 3p v
0 0
Abbildung 3-12 und Abbildung 3-13 zeigen den Verlauf der sekundären Radial- und
Tangentialspannungen für = 0° und = 90° ( K 0 0 ).
t ph 0
t ph 0
Im Bereich der Firste und der Sohle treten für K 0 0 Zugspannungen auf!
Für den einachsigen, elastischen primären Spannungszustand (K0 = 0) muss die einaxiale
Druckfestigkeit gd im sekundär elastischen Spannungszustand zumindest folgenden Wert (in den
Ulmen) annehmen:
gd t 3p v
Dies entspricht auch dem maximal möglichen Wert im Verhältnis zu pv bei Betrachtung der
„gelochten Scheibe“ für den homogenen Fall ohne Berücksichtigung von Trennflächen.
1
3.2.1.3. K 0 (Sonderfall, bei dem im First und in der Sohle gerade kein Zug auftritt)
3
Dieser (Sonder-)Fall mit K0 = 1/3 tritt bei sehr stark aufgelockertem Fels bzw. im kohäsionslosen
Lockergestein bei der zugehörigen Querdehnzahl m = 4 bzw. der Poisson-Zahl = 0,25 auf:
r
pv
3
2 1 2 1 4 2 3 4 cos 2
p
t v 2 1 2 1 3 4 cos 2
3
pv
3
1 2 2 3 4 sin 2
ra
Für die Spannungen am Ausbruchsrand 1 ergeben sich folgende Werte:
r
r 0
1 cos 2
4 pv
t
3
0
Randspannungen Randspannungen
am First und in der Sohle: = 0°, = 180° an den Ulmen: = 90°
r 0 r 0
t 0 spannungsfrei! 8
t pv
0 3
0
Für den elastischen primären Spannungszustand (K0 = 1/3) muss die einaxiale Druckfestigkeit gd im
sekundär elastischen Spannungszustand (in den Ulmen) zumindest folgenden Wert annehmen:
8
gd t pv
3
u>0 Konvergenz: Die Ulmen bewegen sich in den Hohlraum hinein, dies gilt für:
2 3 3,73 m 2 bzw. 0,27 0,5
u<0 Divergenz: Die Ulmen werden nach außen gedrückt, dies gilt für:
m 2 3 3,73 bzw. 0 0,27
In der Praxis hängen die tatsächlichen Verformungen wesentlich vom Bauverfahren und von der
Ringschlusszeit ab.
Für den Sonderfall m = 2 bzw. = 0,5 (hydrostatischer Zustand), d.h. für allseitig gleichen Druck
K0 = 1 ergibt sich:
w = u … hydrostatischer Spannungszustand
3.2.2. Primärzustand elastisch – Sekundärzustand plastisch
Der sekundäre plastische Spannungszustand tritt nach Ausbruch eines Hohlraumes in einem Gebirge
mit primär elastischem Spannungszustand auf, wenn der innere Gleitwiderstand des Gesteines örtlich
zur Gänze mobilisiert wird, d.h. wenn sich plastische Bereiche ausbilden. Dies kommt vorwiegend in
schlechtem Gebirge aufgrund des geringen inneren Gleitwiderstandes (z.B. im Mergel oder Sandstein)
vor. Aber auch bei standfestem Gebirge, wenn etwa der Gleitwiderstand bereits im primären
Spannungszustand in einem sehr hohen Maß mobilisiert wurde oder es sich um sehr große Ausbrüche
handelt, kann es zu einem sekundären plastischen Spannungszustand kommen.
Für die theoretische Berechnung wird anstatt eines allmählichen Übergangs von einer scharfen Grenze
zwischen linear elastischer und ideal plastischer Zone ausgegangen.
Das Mohr-Coulomb’sche Versagenskriterium wird durch eine Gerade gebildet, welche durch die
Gebirgsdruckfestigkeit bei einachsiger Beanspruchung gd (= einaxiale Druckfestigkeit) und dem
Winkel des inneren Gleitwiderstandes g (= in Abbildung 3-15) definiert ist, bzw. im Lockergestein
durch die Kohäsion c und den Winkel der inneren Reibung .
Nachfolgende Abbildung zeigt das zur Ableitung der Plastizitätsbedingung herangezogenen Mohr-
Coulomb’schen Versagenskriterium.
Index p … „plastisch“
Plastizitätsbedingung:
tp rp
sin
tp rp 2p k
t r 2 4 2
sin
t r 2p k
p k c cot
mit … Reibungswinkel
c … Kohäsion
pk … Binnendruck
Abbildung 3-15: Mohr-Coulomb'schen Versagenskriterium als Grundlage für die Ermittlung des sekundären
plastischen Spannungszustandes rund um den Ausbruchsquerschnitt.
Abbildung 3-16: Ausbildung der plastische und elastische Zonen beim radialsymmetrischen Spannungszustand
K0 = 1, begrenzt durch einen zum Ausbruchsrand konzentrischen Kreis.
gd r
n k 1
Index „p“ … plastisch
rp 1 gd … Gebirgsdruckfestigkeit bei einachsiger
n k 1 ra
Beanspruchung
gd r
n k 1
nk … Kritisches Hauptspannungsverhältnis
tp n k 1
n k 1 ra (passiver Grenzspannungszustand Kp)
p 0 1 sin
nk tan 2 (45 )
1 sin 2
ra … Ausbruchsradius
Für die Berechnung der Spannungen im elastischen Bereich wird der Grenzkreis zwischen elastischem
und plastischem Bereich als fiktiver Ausbruchsradius angesehen (ra = r0), in welcher jedoch eine
Radialspannung r 0 wirkt. Die Bestimmungsgleichungen lauten wie folgt:
ro 2 ro
2
re p 1 2 ro 2
r r Index „e“ … elastisch
r2 r
2
te p 1 o2 ro o2
r r0 … Grenzradius zwischen elastischem und
r
zufolge der plastischem Bereich
zufolge des allseitig Radialspannung r0
gleichen Druckes p
e 0
Abbildung 3-17: Verlauf der sekundären Spannungen in der Umgebung eines kreisrunden Tunnelausbruches bei
allseitig gleichem primärem Druck (K0 = 1).
Die Tangentialspannung t,1 kann am Ausbruchsrand nicht größer als die Druckfestigkeit gd bei
einachsiger Beanspruchung werden.
Hinweis: An der Grenze zwischen plastischem und elastischem Bereich zeigt der theoretische Verlauf
der Tangentialspannung einen Knick, welcher in der Natur jedoch nicht vorkommt. Die realitätsnahe
Ausrundung der Spannungsspitze zieht nur eine unbedeutende Änderung des Spannungsverlaufes mit
sich.
Bei Sprengarbeiten kommt es im Bereich des Ausbruchrandes zu mehr oder weniger starken
Gefügestörungen, welche eine Verminderung der Festigkeitseigenschaft des Gebirges zur Folge haben
(können). Im vorliegenden Beispiel wurde für den in Abbildung 3-18 dargestellten Fall eine
Auflockerungszone berücksichtigt, in der die Kohäsion c gleich Null ist und welcher den Verlauf der
sekundären Spannungen dargestellt. Am Ausbruchrand ist neben r und auch t Null, da für das
aufgelockerte Material mit c = 0 bei einachsiger Beanspruchung auch die Druckfestigkeit gd = 0 ist.
Abbildung 3-18: Verlauf der sekundären Spannungen für den (fiktiven) Sonderfallmit c=0 in der Umgebung
eines kreisrunden Tunnelausbruches bei allseitig gleichem primären Druck (K0 = 1).
+
=0 cos
tan
- 1 sin
=/2 +
-
Abbildung 3-19: Ermittlung der Gleitflächentangenten in einem Punkt (r, ) im plastischen Bereich rings um
einen kreisrunden Stollenausbruch in einem Gebirge das primär unter allseitig gleichem Druck stand (K0 = 1)
[adaptiert nach Kastner, 1962].
Die Gleichung der Gleitflächen kann daher wie folgt angeschrieben werden:
1 1 sin
r a e k mit k
tan cos
Der in dieser Formel auftretende Parameter a (zugehörige Bogenlänge am Ausbruchsrand) hat auf die
Gestalt der Gleitfläche keinen Einfluss. Nachfolgende Abbildung zeigt den Gleitflächenverlauf
beispielhaft für einen gegebenen Reibungswinkel .
=0
/2
Abbildung 3-20: Gleitflächenverlauf in der plastischen Zone rings um einen kreisrunden Ausbruch bei primär
allseitig gleichem Druck (K0 = 1) [adaptiert nach Kastner, 1962].
t r 2 4 2
sin
t r 2p k
mit pk … Binnendruck
Dieses Näherungsverfahren lässt sich auch umgekehrt anwenden. Dabei werden die
Bestimmungsgleichungen für r , t und (siehe Kapitel 3.2.1) in die Plastizitätsbedingung
eingesetzt, womit sich folgende theoretische Ausdrucke für die Grenzen der plastischen Bereiche
ergeben:
2p
1 K 0 k sin 2
2
cos 2 2
1 K0
4 1 K 0
1 2 2 3 4 h
2 1 K 0
cos 2
2p k
2
2
1 K sin
1 1 K 0 2 1 2 2 3 4 h
0
4 1 K 0 2
4 2
4 2
1 K 2 0
0
2 sin 2 2 3 2
r
a
r
Die Abbildung 3-21 ist ein Beispiel für die Auswertung dieser Näherungsberechnung für bestimmte
Gesteins- bzw. Felskennwerte.
Während sich bei K0 = 1 bekanntlich eine kreisringförmige plastische Zone einstellt, kommt es bei
K0 < 1 zu einer etwa unter 45° geneigten kreuzförmigen plastischen Zone.
Da aufgrund der im Allgemeinen vorherrschenden Gebirgseigenschaften die Querdehnungszahl meist
zwischen m = 3 und 6 variiert, sind für die Praxis vor allem die plastischen Zonen, die sich bei einem
zugehörigen K0 = 0,5 bis 0,2 ausbilden, von Bedeutung. Die Begrenzungen der plastischen Zonen,
welche sich bei einem Seitendruckbeiwert K0 = 0,141 einstellen, erstrecken sich ins Unendliche.
=0
=
Abbildung 3-21: Begrenzung der plastischen Zonen in der Umgebung eines kreisförmigen Tunnelausbruches
bei Überwiegen des lotrechten primären Überlagerungsdruckes für verschiedene Werte des
Seitendruckbeiwerts K0 = 0 / 0,141 / 0,2 und 0,3 [adaptiert nach Kastner, 1962].
Die Ausbildung plastischer Zonen lässt sich auch auf spannungsoptischem Weg untersuchen. Dies
führt zu einer fotografischen Darstellung der Isochromaten (Linien gleicher Hauptspannungsdifferenz
3 – 1), wodurch auch die Grenzlinie zwischen plastischem und elastischem Bereich aufgefunden
werden kann. Die Abbildung 3-23 zeigt ein Beispiel für ein Isochromatenbild für pi = 0 und K0 = 0,4.
Die plastischen Bereiche um den Tunnelausbruch sind – ebenso wie in dem zuvor behandelten Fall der
kreisringförmigen plastischen Zone bei allseitig gleichem primären Druckverhältnissen – von zwei
Gleitflächensystemen durchzogen. Die Form der Gleitflächen lässt sich aber in diesem Fall
rechnerisch nicht ermitteln.
Abbildung 3-24 und Abbildung 3-25 zeigen bei tunnelartig gelochten Probekörpern aus Carrara-
Marmor versuchstechnisch die Ausbildung der Gleitflächen im plastischen Bereich.
Abbildung 3-24: Plastische Zone in der Abbildung 3-25: Plastische Zone in der
Umgebung eines tunnelartig gelochten Umgebung einer doppelten kreisförmigen
Probekörpers [Kastner, 1962]. Lochung eines Probekörpers [Kastner,
1962].
Abbildung 3-23:
Isochromatenbild
Kastner, 1962].
Abbildung 3-26: Verlauf der Radial- und Tangentialspannungen (K0 = 1, primär elastisch – sekundär plastisch)
im tertiären Spannungszustand nach Aktivierung des Ausbauwiderstandes pa. mit der Sicherheit :
„Spannungsreserve“ gegenüber (rt,1 – r,1)/2 (Radius des Mohr’schen Kreises)
Abbildung 3-27: Wechselwirkung zwischen Gebirge und Ausbau (1 Gebirge entspannt sich (elastische
Verformungen), Gleichgewichtszustand stellt sich ohne Stützmittel bei relativ geringen Verformungen ein; 2
Gebirge lockert sich auf (plastische Verformungen), Gleichgewichtszustand stellt sich auch ohne Stützmittel
ein, jedoch erst bei große Verformungen; 3a, 3b Gebirge lockert sich zunehmend auf (große plastische
Verformungen), Gleichgewichtszustand stellt sich ohne Stützmittel nicht mehr ein, Ausbau ist schnell
einzubringen, um Verformungen gering zu halten; 4 Gebirge lockert sich zunehmend stark auf (sehr große
plastische Verformungen), Gleichgewichtszustand stellt sich ohne Stützmittel nicht mehr ein, Ausbau ist schnell
einzubringen, um Verformungen gering zu halten, Ausbauwiderstands ist bspw. durch Anker zu erhöhen [nach
Striegler, 1993].
Bei Tunneln mit großer Überlagerungshöhe ist es zweckmäßig, die Steifigkeit des Ausbaus und die
zeitliche Abfolge zwischen Ausbruch und Ausbau so abzustimmen, dass sich das Gebirge bereits
entspannt, jedoch noch nicht aufgelockert hat. Damit wird die Belastung auf den Ausbau gering
gehalten. Bei seichten Tunneln, insbesondere unter Bebauung, wird man versuchen, die
Oberflächensetzungen durch ein rasches Einbringen des Ausbaus so gering wie möglich zu halten. Der
Tunnelausbau wird stärker belastet, da sich das Gebirge bzw. der Boden weniger entspannen konnte.
In Abbildung 3-28 sind typische Ausbaukennlinien bei vorhandener Gebirgskennlinie dargestellt.
1 weicher Ausbau – minimal
erforderlicher Ausbauwiderstand
2B
hs hs
Hinweis:
Abbildung 4-1: Belastung des Tunnelmauerwerks nach Kommerell. Links: ohne Seitendruck, rechts: mit
Seitendruck (aktiver Erddruck) [Müller, 1978].
100 s max
Höhe der Druckellipse: h [m]
nb
mit smax … Firstsetzung (gemessen) [m]
nb … bleibende Auflockerung im Bereich des Firstgewölbes (abgeschätzt) [%]
Aus der Literatur sind folgende Richtwerte für die anfängliche und bleibende Auflockerung bekannt:
Tabelle 4-1: Richtwerte für die Gebirgsauflockerung in Abhängigkeit von der Gesteinsart
Auflockerung [%]
anfänglich bleibend
Festgestein na nb
Gebräche Gesteine (z.B. Mergel, weiche Sandsteine, zerklüft. Kalksteine, etc.) 25 – 30 4–8
Leicht sprengbares Gestein (z.B. Kalk- und Kreidegesteine, Konglomerate, etc.) 30 – 35 6 – 12
Schwer sprengbares Gestein (z.B. Granit, Gneis, etc.) 35 – 50 8 – 25
Lockergestein
Sand, Feinkies, sandiger Schluff, etc. 10 – 20 1–3
Grobkies, toniger Schluff (fest), Ton, etc. 20 – 25 2–5
Zusätzlich zur Firstbelastung setzt Kommerell den Seitendruck an, der dem aktiven Erddruck eines auf
der Gleitfläche Ac (gemäß Abbildung 4-1) abrutschenden Prismas entspricht. Für die entspannte Zone
um den Hohlraum im Gebirge ist im bergmännischen Schrifttum auch die Bezeichnung
„Trompeter’sche Zone“ bekannt.
Breite der Druckellipse 2B: 2B 2b 2h s tan(45 )
2
mit b… Ausbruchsradius
hs … Höhe des Ausbruchsquerschnitts
Abbildung 4-2: Tragfähigkeit verschiedener Gewölbestärken für Tunnel von ca. 10 m Durchmesser in
Abhängigkeit von: der Gebirgsklasse G, der Firstsenkung s und der Auflockerung n [Müller, 1978].
4.1.2. Lockergesteinstunnelbau
Bei oberflächennahen Tunneln im Lockergestein wird in der Regel davon ausgegangen, dass die
verbleibende Überdeckung nicht ausreicht, um ein Druckgewölbe auszubilden. Das Gebirge trägt nicht
zur Lastabtragung bei und es wird die gesamte Überlagerung als Belastung auf die Tunnelschale
angesetzt. Neben dem Bodeneigengewicht und dem Wasserdruck müssen auch Lasten aus Gebäuden
und Verkehr etc. berücksichtigt werden.
Bei tiefliegenden Tunneln im Lockergestein darf die Belastung aus der Überlagerung abgemindert
werden. Es wird davon ausgegangen, dass sich im Boden ein Druckgewölbe ausbildet und nur ein Teil
der Vertikallast der Überdeckung auf die Tunnelschale wirkt.
Zur Ermittlung dieser Gewölbewirkung kommt üblicherweise die Silotheorie nach Karl von Terzaghi
zur Anwendung (Herleitung des Siloerddrucks: siehe Vorlesung Grundbau und Bodenmechanik).
Hierbei wird angenommen, dass sich der Boden über dem Rohr zwischen zwei vertikalen Ebenen
abwärts bewegt. Infolge der Reibung in den Scherflächen kommt es zur Aktivierung von nach oben
gerichteten Schubspannungen an den Rändern des betrachteten Bodenkörpers, die mittragend wirken.
Die Gewölbelast (der Silodruck) ergibt sich zu:
2B
z
2 K 0 tan
pz 1 e 2B
2 K 0 tan
mit pz … Druck auf den Tunnelscheitel in der Tiefe z (= Überlagerungshöhe h = hü)
2B … ideelle Silobreite (= Einflussbreite des Bodens über der Tunnelfirste)
… Bodenwichte (bei Wassersättigung: Wichte unter Auftrieb ')
… Wandreibungswinkel (üblicherweise wird = gesetzt)
K0 … Seitendruckbeiwert nach der Silotheorie (auch: KSilo)
q
z
hü h
pz
zꞌ px px
d
Hinweis:
Abbildung 4-3: Belastungsannahmen zur Ermittlung des Siloerddrucks nach Terzaghi für einen kreisförmigen
und rechteckigen Tunnelquerschnitt [Müller, 1978].
Bei Böden mit Kohäsion c und unter Wirkung einer äußeren Last q auf der Geländeoberfläche (GOK)
erweitert sich die Gewölbelast pz zu:
2B 2c
z z
2 K 0 tan 2 K 0 tan
pz 1 e 2B q e 2B
2 K 0 tan
mit c… Kohäsion
q… äußere Last an der GOK
2B … ideelle Silobreite, mit B gemäß Abbildung 4-3, Abbildung 4-4 bzw. Abbildung 4-6
Die auf die Tunnelschale wirkende Horizontalbelastung px kann nach Terzaghi mittels folgender
Gleichung bestimmt werden:
p x (p z ,z h z ) tan 2 2c tan mit 45
2
mit pz,z=h … Druck auf den Tunnelscheitel unmittelbar auf Höhe der Firste mit z = h
Es ist zu beachten, dass z von der Tunnelfirste aus definiert ist, z hingegen von GOK. Die horizontale
Belastung nimmt bei einem kreisförmigen Tunnelquerschnitt nur bis zu einer Grenztiefe von
z r 1 sin zu, darunter bleibt die horizontale Belastung nach Terzaghi konstant.
Der Faktor tan2 entspricht dem aktiven Erddruckbeiwert Ka. Terzaghi geht also davon aus, dass sich
während der Tunnelherstellung Verformungen einstellen können, die den aktiven Zustand
rechtfertigen, was nicht unbedingt der Fall sein muss.
z B B
1
B r tan
cos
45
2
Abbildung 4-4: Belastungsannahmen zur Ermittlung des Siloerddrucks nach Terzaghi für einen kreisförmigen
Tunnelquerschnitt [Vogt, 2009].
z
5·B 5·B
2B 2B
Abbildung 4-5: Verlauf vom Seitendruckbeiwert K0 nach der Silotheorie von Terzaghi und Vertikalspannungen
über der Tunnelfirste [Vogt, 2009].
Die Vertikalspannungen z über der Tunnelfirste nähern sich mit der Tiefe einem Grenzwert an.
Oberhalb von 5B über der Firste wirkt nach Terzaghi kein Gewölbe mehr, sodass die
Vertikalspannung in diesem Bereich linear mit der Tiefe zunimmt (vgl. Abbildung 4-5).
Die ideelle Silobreite 2B über der Tunnelfirste ergibt sich zufolge statischer und kinematischer
Überlegungen, auf deren Grundlagen die Lage der begrenzenden Scherflächen im Boden bestimmt
wird. Dazu wurden von verschiedenen Autoren unterschiedliche Ansätze entwickelt (siehe Abbildung
4-6).
Terzaghi: B d (1 2 tan )
2
Scherle: B d (1 tan )
2
B Terzaghi/Houska: B d 1 tan
2 cos
d 1
B tan *
Houska: 2 cos *
* 2
* 45 tan * tan
2 3
Körner: B d
2
Abbildung 4-6: Ideelle Silobreite (2B) nach verschiedenen Autoren [adaptiert aus Stein, 2003].
J. Houska hat den Ansatz von Terzaghi für kreisrunde Tunnelprofile aufgrund von
Baustellenmessungen weiterentwickelt. Er verteilt die vertikalen Drücke von der Firste zusätzlich auf
die Ulmen und erhält größere seitliche Belastungen als Terzaghi (vergleiche Abbildung 4-7). Bei der
Bestimmung der Silolast nach Houska werden nur 2/3 des Reibungswinkels bzw. der Kohäsion c
angesetzt:
2 2
tan * tan bzw. c* c
3 3
Abbildung 4-7: Belastungsannahmen zur Ermittlung des Siloerddrucks nach Houska für einen kreisförmigen
Tunnelquerschnitt [Vogt, 2009].
Die Belastungsannahme nach Houska führt im Vergleich zur Annahme nach Terzaghi meist zu einer
günstigeren Dimensionierung der Tunnelschale, da sich die Horizontalspannungen erhöhen und die
Vertikalspannungen auf den Tunnelquerschnitt reduzieren. Der Spannungszustand wird damit
„hydrostatischer“.
B B
Abbildung 4-8: Einflussbreite (2B) nach Houska für einen kreisförmigen Tunnelquerschnitt [Vogt, 2009].
Die Modelle zur Bemessung eines Tunnelbauwerks bzw. zur Ermittlung der Tunnelstandsicherheit
entstanden aus mechanischen Modellen der Festigkeitslehre. Sie unterscheiden sich stark nach Art und
Umfang der Vereinfachungen, davon hängt wiederum der Berechnungsaufwand ab.
Die ebenen Berechnungsmodelle sind unter der Vorstellung entstanden, dass der Tunnel als eine
langgestreckte Baukonstruktion betrachtet werden kann und dass die Belastungen über einen längeren
Tunnelabschnitt konstant sind.
Die räumlichen Berechnungsmodelle haben das Ziel, den Tunnel und das Gebirge in den
Tunnelvortriebsbereichen vor der Ortsbrust, an der Ortsbrust und hinter der Ortsbrust mit den
zugehörigen vorläufigen und endgültigen Sicherungen abzubilden, um das gemeinsame Trag- und
Verformungsverhalten während des Bauablaufs zu analysieren. Der räumliche Bauablauf
(dreidimensional) wird auch als quasiräumlich durch mehrere ebene Berechnungen (zweidimensional)
für die örtlich verschiedenen Bauzustände simuliert [Maidl, 1988].
4.2.2. Tunnel als Tragwerk oder gebetteter Stabzug
4.2.2.1. Rahmen- oder Bogentragwerke ohne Verbund zum Gebirge
Die Tunnelschale wird als Rahmen- oder Bogentragwerk idealisiert auf welches die Belastungen
gemäß Kapitel 4.1 aufgebracht werden. Da von keiner Interaktion zwischen Tunnel und Gebirge
ausgegangen wird, muss das Tunneltragwerk für sich alleine im Gleichgewicht stehen.
Es wird lediglich der fertige Tunnel im Endzustand untersucht. Dabei ergeben sich aus der
Berechnung auch Verformungen der Tunnelschale, wobei hier jedoch der Einfluss des Gebirges
unberücksichtigt bleibt. Daher stellt das Ergebnis eines derartigen Rechenmodells nur eine sehr grobe
Näherung dar, welche jedoch zur Abschätzung von Schnittkraftverläufen oder zur
Plausibilitätskontrolle komplexer dreidimensionaler FE-Berechnungen ihre Berechtigung hat. Das
Berechnungsmodell eignet sich nicht zur Bestimmung von zu erwartenden Setzungen.
Beispielhaft ist nachfolgend die Herleitung zur Ermittlung des Momentenverlaufs in der Tunnelschale
angeführt:
Abbildung 4-10 Links: Statisches System. Rechts: Freischneiden der statisch Unbestimmten [Vogt, 2009].
V 0 N U p z rx
1 1
M 0 MF p z rx2 p x rz2
2 2
Die Momenten- und Normalkraftverläufe in der Tunnelschale ergeben sich aus der Überlagerung der
statisch bestimmten Schnittgrößenverläufe mit den entsprechenden Verläufen infolge der statisch
Unbestimmten X = 1. Die Schnittkraftverläufe hängen von den vertikalen und horizontalen
Belastungen pz und px sowie von den vertikalen und horizontalen Halbachsen rz und rx ab. Die
jeweiligen Verhältnisse werden nachfolgend durch die Parameter K bzw. R ausgedrückt.
px r
Mit K , R z und m() 1 K R 2 2 (sin 2 K R 2 cos 2 ) ergibt sich:
pz rx
1
M p z rx2 m()
4
Zur Ermittlung der Normalkraft wird die Tangentengleichung herangezogen:
x x 1 z z1
2 1
a2 b
x rx sin z rz cos
1
rx2 rz2
1
M p z rx2 m()
4
mit m() 1 K 2 (sin 2 K cos 2 )
Für einen kreisrunden Tunnel ergeben sich in Abhängigkeit vom Seitendruckbeiwert K folgende
Momentenverläufe:
K=1 K = 0,5
p z r 2 0,5
1
M
4
Abbildung 4-12: Momentenverläufe für verschiedene Seitendruckbeiwerte bei einem kreisrunden Tunnel.
Bei oberflächennahen Tunneln (jedenfalls, wenn die Überlagerungshöhe kleiner als der
Tunneldurchmesser ist) wird üblicherweise im Bereich der Firste kein Bettungsansatz getroffen und
damit der Umstand berücksichtigt, dass sich infolge der geringen Überlagerung kein Gewölbe
ausbilden kann (siehe Abbildung 4-13 rechts). Bei tiefliegenden Tunneln, bei deren Herstellung keine
übermäßige Auflockerung entsteht, ist eine Bettung in der Firste zumeist gewährleistet (siehe
Abbildung 4-13 links).
Basierend auf den Modellen elastisch gebetteter Tunnelbauwerke wurden verschiedene
Berechnungsverfahren und -diagramme zur Bestimmung der maßgebenden Schnittgrößen erstellt. Sie
unterscheiden sich beispielsweise durch die unterschiedliche Art der Berücksichtigung der
Belastungsansätze, der Annahme tangentialer Bettung und Belastung und in der Erfassung von
Längsverformungen und geometrischen Nichtlinearitäten der Tunnelsicherung.
Abbildung 4-14: Vergleich einiger Berechnungsverfahren für oberflächennahe Tunneln bezüglich Belastung,
Bettung und System [Müller, 1978].
Fast alle Verfahren stützen sich auf das Modell des in Sohle und Ulmen gebetteten Kreisrings, in
dessen Kalotte eine Gleichlast wirkt. Die größten Biegemomente treten im Scheitel des Kreisrings auf
und sind (ebenso wie die übrigen Momente) dem Quadrat des Durchmessers und der Belastung
proportional.
Die Momente im oberen Scheitelabschnitt von Ringträgern, die man unter Berücksichtigung einer
seitlichen Abstützung bemisst, überschreiten die Momente an den Ulmen und an der Sohle wesentlich.
Dies folgt aus der Tatsache, dass der anliegende Boden keine Zugbeanspruchungen aufnehmen kann,
weshalb in diesen Abschnitten keine elastische Erdabstützung vorhanden ist.
Die elastischen Bettungsverhältnisse zwischen Ausbau und Gebirge werden durch die relative
Biegesteifigkeit und die Ring-Dehnsteifigkeit beschrieben:
ks
R4
ER 3
C
ET I ET I
ER
ET A
mit E… Elastizitätsmodul des Gebirges [kN/m²]
R… Radius des Tunnelquerschnitts [m]
ET … Elastizitätsmodul des Ausbaus [kN/m²]
I… Trägheitsmoment des Ausbaus [m4/m]
pro Laufmeter Tunnel (!)
A... Querschnittsfläche des Ausbaues [m²/m]
ks … Bettungsmodul des Gebirges [kN/m³]
C… Beiwert des Bettungsmoduls: 0,5 C 3,0
Der Einfluss der Steifigkeit des Ringträgers geht aus Abbildung 4-16 hervor. Je steifer das Rohr ist,
desto geringer ist der momentenmindernde Einfluss der Rückstellkräfte. Das maximale Moment bei
1
starrster Einbettung m 0 ergibt sich zu ~ 0,032pR2 (mit p = Gleichlast, welche die
Tunnelfirste belastet, R = Tunnelradius). Beim völlig frei stehenden (bettungsfreien) Ring (m = 1)
beträgt das maximale Moment ~ 0,25pR2, also nahezu das Achtfache.
ET I
Während der Wert von m von 0 bis 1 anwächst, nimmt das Moment erheblich zu, für m > 1
k
R4 s
C
wird die Zunahme jedoch immer geringer. Selbst ein niedriger Bettungsmodul ks setzt also das
Moment bereits erheblich herab und nach Széchy „lohnt es somit nicht“ bei einer großen
Ringsteifigkeit, welche mit der vierten Potenz des Tunneldurchmessers zunimmt, die Auswirkung
einer seitlichen Abstützung in Rechnung zu stellen.
Abbildung 4-16: Abhängigkeit der Scheitelmomente von der Ringsteifigkeit, anhand zweier Rechenergebnisse
nach Bugajewa und nach Davidow [Müller, 1978 nach Széchy].
Das Scheitelmoment nimmt mit wachsendem Bettungsmodul ab, jedoch ist die Abminderung ab
kS > 10 kg/cm³ nur mehr gering (vgl. Abbildung 4-17). Im Vergleich zum Zustand ohne seitliche
Abstützung setzen selbst kleine Bettungsmoduln kS < 10 kg/cm³ schon die im Tragwerk auftretenden
Beanspruchungen erheblich herab.
ks
Abbildung 4-17: Abhängigkeit der Scheitelmomente vom Bettungsmodul ks [Müller, 1978 nach Széchy].
Abbildung 4-18: Rechenmodelle im Tunnelbau auf Basis der gelochten Scheibe [Katzenbach/Breth, 1983].
Die in Kapitel 3.2.1 angeführten Formeln in Polarkoordinaten gem. Abbildung 3-2 sowie die
Vereinfachungen für die charakteristischen Seitendruckbeiwerte werden für die Dimensionierung der
Tunnelauskleidung bzw. für die Standsicherheitsbetrachtungen herangezogen.
r
pv
2
1 2 1 K 0 1 4 2 3 4 1 K 0 cos 2
t
pv
2
1 2 1 K 0 1 3 4 1 K 0 cos 2
v 1 2 2 3 4 1 K 0 sin 2
p
2
Mit den Ergebnissen dieser Modellvorstellung lassen sich folgende Auswirkungen des sekundären
Spannungszustandes für einen Kreis- bzw. Ellipsenquerschnitt erklären:
Zusätzliche Belastungen der Ulmen und der Übergang vom dreiachsigen in den zwei- oder
einachsigen Zustand.
Auftreten von Zugzonen im First bei geringem Seitendruckbeiwert (K0 < 1/3) und Entstehen von
Auflockerungszonen bei fehlender Zugfestigkeit des Gebirges (Lockergestein).
Abbildung 4-19: Verlauf der Radial- und Tangentialspannungen der gelochten elastischen Scheibe mit
Seitendruckbeiwert K0 = 1,0 (links) und K0 = 0,25 (rechts) [Maidl, 1988].
Das Modell der elastischen Scheibe entspricht einer Tunnellage in großer Tiefe, für die der
Überlagerungsdruck als äußere Belastung angesetzt wird. Die Analogien beziehen sich auf den
Hohlraum ohne Sicherung und auf den lochrandverstärkten Hohlraum.
Theorie der plastischen Zonen
Die rechnerische tangentiale Spannung t am Kreislochrand kann je nach Seitendruckbeiwert K0
zwischen 2pv t 3pv (Überlagerungsdruck pv = hü) betragen. Wenn t die einachsige
Gebirgsdruckfestigkeit gd übersteigt, entstehen plastische bzw. entfestigte Zonen. Diese plastischen
Zonen werden durch eine Lochrandverstärkung, die einen Tunnelausbau mit Sicherungsmitteln
darstellt, abgemindert. Dabei wird durch den Ausbau ein Ausbauwiderstand pA aktiviert, der die
Verformung zur Lochmitte behindert und einen Gleichgewichtszustand bewirkt.
Durch die Erhöhung des Ausbauwiderstands mittels z.B. einer Spritzbetonsicherung oder einer
Systemankerung entfernt sich der Mohr´sche Spannungskreis von der Bruchgeraden und die (globale)
Sicherheit wird größer.
pA
pA,G
Rechenbeispiel:
Vergleich der Elastizitätstheorie des dickwandigen Rohres und der Kesselformel als
Bemessungsgrundlage für Tunnel- und Stollenauskleidung.
ri … innerer Rohrradius ri = 3,0 m
ra … äußerer Rohrradius ra = 3,6 m
d… Rohrdicke d = 0,6 m
pi … Innendruck (~ Ausbauwiderstand)
pa … Druck auf die äußere Rohrmantelfläche
(~ Gebirgsdruck)
Abbildung 4-21: Maße und Bezeichnungen der Tunnelauskleidung, sowie herrschende Druckverhältnisse.
a ² ² ² 1 a ² ² ² 1
t pa pi ( r p a pi )
a² 1 a² 1 a² 1 a² 1
= 0, wenn pi = 0 kN/m²
ra 3,6 2a ²
r ri a 1,2 ti p a 6,54 p a
ri 3 a² 1
ra 3,6 a² 2
r ri 0,1 1,16 t pa 6,337 p a
ri 0,1 3,1 a² 1
3,6
r ri 0,2 1,125 t 6,15 p a
3,2
3,6
r ri 0,3 1,09 t 5,977 p a
3,3
3,6
r ri 0,4 1,059 t 5,82 p a
3,4
3,6
r ri 0,5 1,028 t 5,678 p a
3,5
a² 1
r ri 0,6 ra 1 ta p a 5,545 p a
a² 1
Abbildung 4-22: Spannungsverlauf errechnet nach der Theorie des dickwandigen Rohres für Außendruck pa.
D 2ra p a 3,6 p a
t 6 pa
d 2d 0,6
Abbildung 4-23: Mittelwert der Spannungsfläche errechnet nach der Theorie des dickwandigen Rohres.
Abbildung 4-24: Spannungsverlauf errechnet nach der Kesselformel für Außendruck pa.
Der Wert aus der Kesselformel und der Mittelwert nach der Theorie des dickwandigen Rohres sind
gleich. Demnach eignet sich die Kesselformel durchaus beispielsweise auch zur raschen Abschätzung
von Bauzuständen etc.
b) Spannungsverlauf bei Innendruck ohne Druck auf die äußere Rohrmantelfläche (pa = 0)
Ermittlung der Spannungen nach der Theorie des dickwandigen Rohres:
² 1
t p i
a² 1
r ri ti 5,545 p i
r ri 0,1 t 5,34 p i
r ri 0,2 t 5,15 p i
r ri 0,3 t 4,977 p i
r ri 0,4 t 4,82 p i
r ri 0,5 t 4,67 p i
r ri 0,6 ra t 4,545 p i
Abbildung 4-25: Spannungsverlauf errechnet nach der Theorie des dickwandigen Rohres für Innendruck pi.
Z r p 3 pi
t i i pi 5 p i
d d 0,6
Abbildung 4-26: Mittelwert der Spannungsfläche errechnet nach der Theorie des dickwandigen Rohres.
Abbildung 4-27: Spannungsverlauf errechnet nach der Kesselformel für Innendruck pi.
Ergebnis:
Wird bei der Kesselformel die Belastung entsprechend den äußeren Lasten pa und inneren Lasten pi
(z.B. Innendruck bei Druckstollen) berücksichtigt, d.h.
p a ra
bei Außendruck ist ta und
d
p i ri
bei Innendruck ist ti ,
d
so ergibt diese Formel Werte für die Außenrandspannung ta und die Innenrandspannung ti, welche
den Mittelwerten der Spannungsfläche nach der Theorie des dickwandigen Rohres entsprechen. Die
Spannungsfläche aus der Kesselformel und dem dickwandigem Rohr ist gleich groß (siehe
Darstellungen in Abbildung 4-22, Abbildung 4-24, Abbildung 4-25, Abbildung 4-27).
Abbildung 4-28: Sequenzen des Versagensmechanismus eines unter richtungsbetontem Primärdruck stehenden
kreisrunden Hohlraums (I: Scherkeile, II: Richtung der vorherrschenden Spannungen, III: Einknicken von
Firste und Sohle) [Rabcewicz, 1964].
Abbildung 4-28: Sequenzen des Versagensmechanismus eines unter richtungsbetontem Primärdruck stehenden
kreisrunden Hohlraums (I: Scherkeile, II: Richtung der vorherrschenden Spannungen, III: Einknicken von
Firste und Sohle) [Rabcewicz, 1964].
Die Feststellung, dass durch die Ausbildung eines Scherkörpers vergleichsweise stabilere Verhältnisse
entstehen, konnte beispielsweise durch Beobachtungen am Arlberg Straßentunnel bestätigt werden.
Der dort aufgetretene Scherbruch wurde mit massiven Holzstämmen abgefangen (Abbildung 4-29).
Beim Entfernen dieser temporären Sicherung im Zuge der Sanierung traten nur vergleichsweise
geringe zusätzliche Verformungen und keine Schwierigkeiten im Abfangen der ungesicherten
Hohlraumleibung auf [Poisel/Preh, 2009].
Als Kirschkernversagen (oder Kirschkerneffekt) wird jenes Schadensbild bezeichnet, bei dem
Versagen im Bereich der Ulmen auftritt und zufolge hoher Vertikalspannungen keilförmige, durch
Scherbrüche begrenzte Bereiche in den Hohlraum gedrückt werden. Dabei werden zerdrückte
Ulmenbereiche („Zwickel“) aufgrund der hohen vertikalen In-situ-Spannungen in den Hohlraum
gedrückt bzw. gequetscht. „Dieses Verhalten ist mit dem Auspressen eines Kirschkerns beim starken
Drücken einer Kirsche vergleichbar“ (überliefert von Leopold Müller).
mit Br … Scherbruchspannung
d… Auskleidungsstärke (Spritzbetondicke) [m]
p aL p SA p St
A
d S
p Sa
b
sin S
2
A St St
a
p St
b
sin S
2
mit p Sa ... Ausbauwiderstand Spritzbeton [kN/m²]
p St
a ... Ausbauwiderstand Stahleinbauten [kN/m²]
p aA p aA1 p aA 2
A St St
p aA1
p
ef
A St St
p a cos
p aA 2
b
ef
2
mit p aA1 ... Ausbauwiderstand Anker in radialer Richtung
St
p ... Spannung an der Streckgrenze [kN/m²]
s R cos s Rn sin
p aR
b d
2 2
mit s… Länge der Scherfläche innerhalb des Gebirgstragrings [m]
R ... Scherfestigkeit des Gebirges [kN/m²]
... Neigung des Mittelpunktes (Achse Gebirgstragring – Scherfläche) des betrachteten
Scherkeilabschnittes zur Horizontalen [°]
Rn ... Normalspannung an der Schergrenze [kN/m²]
b… Höhe der Scherzone in Tunnelachse [m]
d… Auskleidungsstärke [m]
für K 0 1
r a e k
90
Abbildung 4-31: „Ausquetschen“ von Scherkeilen aus den Tunnelulmen in Verbindung mit Scherbruch in der
Tunnelauskleidung [Rabcewicz, 1973 – adaptiert].
Zeichenerklärung: … Ankerneigungswinkel [°], w … Stärke des Gebirgstragrings
Die Gleichung für den Verlauf der Gleitflächen bei radialsymmetrischem Primärspannungszustand
(K0 = 1, logarithmische Spirale) wurde in Kapitel 3.2.2 abgeleitet:
1 1 sin
r a e k mit k
tan cos
mit … Reibungswinkel [°]
a… Parameter ohne Einfluss auf die Form der Gleitfläche
u0 … Vorverformungen (zufolge
Entspannung des Gebirges vor der Ortsbrust
und Verformungen bis zum vollständigen
Einbau des Ausbaus)
Bei der rechnerischen Ermittlung der Gebirgskennlinie muss unterschieden werden, ob sich das
Gebirge in Abhängigkeit von der Verformung im elastischen oder im plastischen Bereich befindet.
Der elastische Bereich der Gebirgskennlinie wird beschrieben durch:
p p E
u r ra ra (1 A ) Schubmodul: G
2G p 2 (1 )
mit ra … Ausbruchsradius
E… Elastizitätsmodul
pA … Ausbauwiderstand
… Querdehnzahl
Wenn mit steigender Verformung die Grenztragfähigkeit überschritten wird, treten Plastifizierungen
auf. Im plastischen Bereich können die Verformungen u am Ausbruchsrand r = ra folgendermaßen
ermittelt werden:
2 b
p 2 p ( n k 1)(1b )
u r ra ra sin
2G n k 1 p A
mit … Reibungswinkel
b… Stoffkonstante, welche die Dilatanz (Auflockerung) des Materials beschreibt.
Die Ausbaukennlinie kann als Beziehung zwischen der Verschiebung u und dem Ausbauwiderstand
pA verstanden werden. Der Umfang des (Spritzbeton-)Ausbaus verkürzt sich um 2 ra , d.h. der
Radius verkürzt sich um u SpC ra . Daraus folgt:
a d E d p ra2
p A ,max 2 u SpC und u SpC
ra ra Ed
E… Elastizitätsmodul Spritzbeton
d… Dicke der Spritzbetonschale
a … Druckfestigkeit des Spritzbetons
ra
p ra2
a , a
d E
Da der E-Modul der Spritzbetonschale mit der Zeit zunimmt, ist hier ein mittlerer Wert abzuschätzen,
der die relevante Standzeit berücksichtigt. Wenn die Grenztragfähigkeit des Spritzbetons erreicht ist,
kommt es zur Plastifizierung der Tunnelschale. Es ist keine weitere Erhöhung des Ausbauwiderstands
pa,max möglich.
Der Grenzradius zwischen elastischem und plastischem Bereich (plastischer Radius re) kann berechnet
werden, indem für den Ausbauwiderstand pa die Spannung im Gleichgewicht eingesetzt wird. Somit
lässt sich aus den Kontinuumsberechnungen der gelochten Scheibe mit plastifiziertem Ring,
zusammen mit dem Kennlinienverfahren unter vereinfachten Berechnungsannahmen, auf das
Verhalten von Gebirge und Ausbau schließen.
r0 … plastischer Radius
ra … Ausbruchsradius
.
r0
.uSpC p .u a
. u r ra ra r=r
2G
Abbildung 4-34: Gleichgewicht zwischen Gebirgskennlinie und Ausbaukennlinie [Vogt, 2009].
Eine wesentliche Vereinfachung beim Kennlinienverfahren ist, dass die Gebirgskennlinie als
zeitunabhängige Größe eingeht. Tatsächlich ist diese jedoch sowohl vom Bauzustand, als auch von der
Zeit abhängig. Weiters kann nur durch eine grobe Abschätzung berücksichtigt werden, dass die
Ausbaukennlinie im Wesentlichen von der Festigkeitsentwicklung des Spritzbetons (bzw. der
Sicherung im Allgemeinen) abhängt. Je schneller der Spritzbeton ansteift, desto geringer sind die
Verformungen während des Abbindens. Daneben hängen die Verformungen der Tunnelleibung und
der damit verbundene, von der Sicherung aufzunehmende Ausbauwiderstand ebenfalls maßgeblich
von der Einbauzeit der Sicherung ab.
4.2.4. Räumliche Berechnungsmodelle
Wie in Kapitel 4.2.3 wird auch bei den räumlichen Berechnungsmodellen von einem ausgehöhlten
Vollraum ausgegangen. Um beliebige Tunnelquerschnitte im Kontinuum berechnen zu können, wird
derzeit überwiegend die Methode der Finiten Elemente (FEM) eingesetzt. Weniger häufig werden die
Boundary-Element-Methode (BEM) und die Distinct-Element-Methode (DEM) eingesetzt.
Bei der FE-Berechnung wird das betrachtete System in „finite“ (begrenzte) Elemente, die nur an den
Knoten zusammen gehalten werden, gegliedert. Durch die Einhaltung der Gleichgewichtsbedingungen
an den Knoten wird das Zusammenwirken der einzelnen Elemente im globalen System erreicht. Die
Spannungs- und Verzerrungsbeziehungen belasteter elastischer Kontinua sind zu ermitteln. Dabei
können vom zweidimensionalen, d.h. ebenen, bis zum vollständigen räumlichen Spannungs- und
Verformungszustand zahlreiche praktische Fälle auftreten.
Abbildung 4-35: Prinzip für den Aufbau eines räumlichen Elementnetzes [Wittke, 1984].
Die Anzahl der auftretenden Verbindungspunkte zwischen den finiten Elementen ist beliebig groß.
Zur Diskretisierung sind folgende Näherungen erforderlich:
Zerlegung des Kontinuums durch gedachte Linien oder Flächen in eine Anzahl von finiten
Elementen ( FE-Netz). Die Feinheit des FE-Netzes hat großen Einfluss auf die Genauigkeit der
Berechnung.
Knotenpunkte stellen die Verbindung der Elemente dar, deren Verschiebungen werden als
grundlegende Unbekannte aufgefasst.
Der Verschiebungszustand innerhalb eines jeden Elements wird mit Hilfe eines Systems gewählter
Funktionen in Abhängigkeit von den Knotenverschiebungen eindeutig festgelegt.
Aus den Verzerrungen kann unter Anwendung von Anfangsverzerrungen mit dem Stoffgesetz des
Materials die Spannungsverteilung im Element und an den Rändern ermittelt werden.
Nachdem die Steifigkeitsmatrix für alle Elemente vorliegt, kann durch Zusammenfügen der Elemente
zum globalen System ein lineares Gleichungssystem aufgestellt werden. Die Auflösung des
Gleichungssystems liefert die Knotenverschiebungen.
Beim Auffahren eines Tunnels tritt eine Spannungsumlagerung ein. Die Lasten aus dem überlagernden
Gebirge müssen nach dem Aufbruch um den Hohlraum umgeleitet werden. Daraus ergeben sich für
die FE-Methode folgende Besonderheiten:
1. Die Größe und Form des Berechnungsausschnittes hängen vom Gebirgsdruck, von der
Anisotropie des Gebirges, von der Ausbildung der plastischen Zonen und von den
Inhomogenitäten ab. In der Regel sollte mindestens ein Bereich in der Größenordnung des
Tunneldurchmessers um den gesamten Umfang des Tunnels herum diskretisiert werden.
2. Die Randbedingungen sind so zu wählen, dass der im ungestörten Zustand des Gebirges
herrschende Primärspannungszustand zutreffend simuliert wird.
3. Für die Erfassung von Bauzuständen ist ein besonderer Nachweis erforderlich, der vielfach als
zweidimensionale oder pseudoräumliche Berechnung ausgeführt wird.
4. Das Elementenetz wird sinnvollerweise dort feinmaschiger gewählt, wo große
Spannungsänderungen zu erwarten sind (bspw. rund um die Hohlraumkontur).
Stoffmodelle (auch: Stoffgesetze) sind mathematische Formulierungen, die das Spannungs-
Verformungsverhalten der Materialien mehr oder weniger idealisiert darstellen. In Abhängigkeit von
den zur Verfügung stehenden Rechenprogrammen kann das Verhalten des Gebirges wie folgt
idealisiert werden:
Lockergestein
Der Boden besitzt ein ausgeprägt nicht-lineares Spannungs-Verformungsverhalten, das heißt
elastische und plastische Formänderungen ohne definierbaren Bereich.
Dilatanz- oder Kontraktanzverhalten unter Scherbeanspruchung in Abhängigkeit von der Belastung
Anisotropie des Ausgangszustandes
Verformungsentfestigung bei Bruchvorgängen
Festgestein
Bei Fels muss von der Annahme einer elastisch-viskoplastischen Spannungs-Dehnungsbeziehung
ausgegangen werden.
Durch Korn- und Trennflächengefüge bedingte Anisotropie der Verformbarkeit und Festigkeit ist
zu berücksichtigen. Die Festigkeit von Trennflächen kann im Allgemeinen durch das Mohr-
Coulomb´sche Bruchkriterium beschrieben werden.
Bei richtungslosem Korngefüge des Gesteins: elastische Dehnungen sind bei ein- oder
mehrachsiger Belastung unabhängig von der Belastungsrichtung. Elastizitätsmodul und
Querdehnzahl reichen für das linear-elastische Spannungs-Verformungsverhalten aus.
Bei flächigem Gefüge muss transversal isotropes Verhalten angenommen werden, sodass fünf
voneinander unabhängige Elastizitätskonstanten verwendet werden.
Abbildung 4-37: Einfluss des Stoffgesetzes auf die berechnete Geländesetzung, Vergleich von Messung mit
Berechnungen für den Frankfurter Ton [Katzenbach/Breth, 1983].
Die Problematik der richtigen Erfassung der Gebirgs- bzw. Bodenparameter von der Probenentnahme
oder der In-situ-Messung bis zum Übertragen der Werte in ein Berechnungsmodell eines ebenen oder
räumlichen Trag- und Verformungsverhaltens wird durch die Einflüsse des Bauvorganges erheblich
vergrößert.
Katzenbach empfiehlt daher vor der Wertung von FE-Berechnungen und der Übernahme der
Ergebnisse die Berechnungen wie folgt zu hinterfragen:
1. Welchen Einfluss hat das Elementnetz auf die Rechenergebnisse? Netzdichte,
Verschiebungsansatz, Anzahl der Stützstellen etc.
2. Wie wird der Primärspannungszustand angenommen?
3. Mit welchem Stoffgesetz wird gerechnet und wie empfindlich reagieren die Rechenergebnisse auf
eine Streuung der Bodenkennwerte?
4. Wie wird der Ausbruch simuliert?
5. Zu welchem Zeitpunkt werden die Sicherungselemente in der Berechnung aktiviert?
6. Was ist das Ziel der Berechnung? Setzungsprognose, Bemessung des Ausbaus, Abschätzung
der Gebirgsbeanspruchung, Abschätzung der Tunnelstandsicherheit.
4.2.4.1. Quasi-räumliche Berechnungsverfahren
Räumliche Berechnungsmodelle sind der derzeitige Stand der Technik für Berechnungen von
komplexen Tunnelkonstruktionen, wie z.B. räumliche Querungen und Verschneidungen von Tunneln,
Durchbrüche, etc. Allerdings erfordert die räumliche Modellierung einen sehr hohen Ingenieur- und
Rechenzeitaufwand und ist mit sehr großen Datenmengen verbunden. Deshalb werden insbesondere
bei der Berechnung von Streckenvortrieben quasi-räumliche (zweidimensionale) Berechnungen
durchgeführt.
Bei der quasi-räumlichen Berechnung von Tunnelquerschnitten wird an einer ebenen Scheibe der
Bauablauf vor, während und nach dem Einbringen der Sicherung simuliert. Neben dem primären
Spannungszustand werden auch die Festigkeits- und Verformungseigenschaften des Gebirges und der
Auskleidung sowie die Art des Vortriebs berücksichtigt.
Beim -Verfahren wird der räumliche Einfluss des Vortriebs durch Veränderung des
Steifigkeitsverhaltens des Bodens abgebildet. Im ersten Berechnungsschritt wird der
Primärspannungszustand im Boden/ Gebirge berechnet und daraus die entsprechenden Kontaktkräfte
an der Tunnelkontur ermittelt. Im zweiten Schritt wird der Tunnel nahe der Ortsbrust betrachtet. Unter
der Berücksichtigung, dass sich die Ortsbrust zum Tunnel hin verformen kann, werden die
Kontaktkräfte um den Faktor reduziert. Gleichzeitig wird im späteren Ausbruchsquerschnitt nur
noch der -fache Elastizitätsmodul des Primärspannungszustandes angesetzt. Da zu diesem Zeitpunkt
noch keine Sicherung eingebracht ist, verformt sich der entfestigte Bereich. Durch die
Spannungsumlagerung wird der umliegende Boden durch Ringtragwirkung zur Stützung mit
herangezogen. Im dritten Schritt wird gleichzeitig mit dem Entfernen des entfestigten Bodens aus dem
Hohlraum eine Randverstärkung als Sicherung (Tunnelschale) eingeführt. Die Abtragung der Lasten
erfolgt dann durch das Zusammenwirken des ausgebildeten Gebirgstragrings und der eingeführten
Sicherung.
Die -Werte sind abhängig von den Untergrundverhältnissen und der Art des Vortriebs zu wählen und
im Zuge der Baugrunduntersuchungen mit Planer und Gutachter festzulegen. Häufig werden auf der
sicheren Seite liegend für die Berechnung der Tunnelschale und für die Ermittlung von
Oberflächensetzungen jeweils unterschiedliche Werte angesetzt. Geringe -Werte führen zu größeren
Abbildung 4-39: Modellbildung für die Ermittlung der Ortsbrustbeanspruchung infolge Silodruck pz [adaptiert
nach Schad et al., 2003]. … Gleitflächenwinkel, S … Stützkraft, W … Wasserdruckkraft
Bei tiefliegenden Tunneln (Überdeckungshöhe von mehr als dem 2- bis 3-fachen
Tunneldurchmesser) wirkt nicht das gesamte Bodenprisma auf den Gleitkörper, sondern es können
begünstigende Gewölbebildungen berücksichtigt werden. Man geht davon aus, dass sich ab einem
bestimmten Abstand oberhalb der Tunnelfirste ein Stützgewölbe im Gebirge ausbildet. Sämtliche
Lasten oberhalb dieses Stützgewölbes werden seitlich abgetragen, sodass die vertikalen Lasten
oberhalb des Gewölbes nicht mehr auf den Gleitkeil wirken. Allerdings müssen sämtliche vertikalen
Kräfte unterhalb des Gewölbes auf den Gleitkeil als Belastung angesetzt werden.
Zur Ermittlung der vertikalen Belastung auf den Gleitkörper kann wieder die Silotheorie nach
Terzaghi (ggf. Erweiterungen nach Houska etc.) verwendet werden (siehe Kapitel 4.1). Allerdings sind
die geometrischen Randbedingungen anzupassen. Bei der Ermittlung der Ortsbruststandsicherheit wird
die ideelle Silobreite 2B dem unmittelbar hinter der Ortsbrust stehenden Bruchkörper mit der Breite
des Ausbruchsdurchmessers DA (siehe Abbildung 4-39) gleichgesetzt: 2B = DA
Dementsprechend ist die vertikale Auflast auf den Gleitkeil pz:
D A 2c
h h
2 K 0 tan 0 2 K tan 0
pz 1 e DA qe 0 DA
[kN/m²]
2 K 0 tan
mit c… Kohäsion
q… zusätzliche äußere Belastung an der Geländeoberfläche
h0 … Höhe der Überdeckung über der Tunnelfirste
K0 … Seitendruckbeiwert nach der Silotheorie [-]
1
K 0 1 sin bzw. K 0
m 1 1
DA … Ausbruchsdurchmesser
Die seitlich auf den Gleitkeil wirkenden Spannungen px können ebenfalls wie in Kapitel 4.1 erläutert
ermittelt werden:
p x ( h 0 q z ) tan 2 2c tan
mit 45 und z … von der Tunnelfirste aus definiert
2
4.3.2. Standsicherheitsnachweis
Der Standsicherheitsnachweis wird über den an der Ortsbrust anstehenden Gleitkörper auf einer
zumeist geraden oder ggf. auch einer gekrümmten Gleitfläche (entsprechend ÖNORM B 4434)
geführt. Dabei ist in der Regel durch eine Extremwertbetrachtung die ungünstigste Neigung der
Gleitfläche zu ermitteln. Als brauchbarer Ausgangswert wird üblicherweise die Neigung der
Gleitfläche zur Horizontalen mit = 45° + /2 angesetzt. (siehe dazu auch Vorlesung Grundbau und
Bodenmechanik – Thema Erddruck.) Die Belastung des Gleitkörpers durch den Boden bzw.
zusätzlicher Gebäude- oder Verkehrslasten erfolgt je nach der Tiefenlage des Tunnels in der zuvor
beschriebenen Weise. In besonderen Fällen empfiehlt es sich, die Standsicherheit über
dreidimensionale FE-Berechnungen nachzuweisen.
Abbildung 4-40: Vergleich verschiedener Verfahren zur Ermittlung des Stützdruckes an der Ortsbrust pE [Brandl,
2006]. H … Überdeckung; D … Ausbruchsdurchmesser
Nachfolgend wird ein Gleitkörper mit gerader Gleitfläche betrachtet (siehe Abbildung 4-39). Der
Nachweis der Ortsbruststandsicherheit kann durch einen Vergleich der angreifenden und der
rückhaltenden Kräfte geführt werden.
Vz p z D 2A tan(90 )
mit DA … Ausbruchsdurchmesser
Vz (G 2R S )
Q
sin(90 )
mit G… Gewichtskraft des Gleitkeils
RS … Reibungskraft an den Flanken des
Gleitkeils:
D A sin(90 )
RS c p x tan
2
Abbildung 4-41: Kräftegleichgewicht für die Ermittlung des Stützdrucks S [Schad et al., 2003].
Da der Anteil der angesetzten Horizontalspannung auf den Gleitkeil die Standsicherheit der Ortsbrust
stark beeinflussen kann, sollten bei Ansatz derartiger einfacher Bruchkörperbetrachtungen immer
Parametervariationen durchgeführt werden. Der Einfluss kritischer Parameter auf das
Berechnungsergebnis kann dadurch besser abgeschätzt und somit das Ergebnis besser beurteilt
werden.
Die Stützkraft S ergibt sich auch aus Integration des Stütz-, oder Bruchdrucks pf über die Fläche der
Ortsbrust. Für kreisförmige Ausbruchsquerschnitte gilt:
D 2A
S pf
4
Ist in kohäsivem Boden mit > 20° kein Grundwasserdruck anstehend, so ist der Bruchdruck nach
Vermeer/Ruse unabhängig von der Tiefenlage des Tunnels. Er hängt nur von den Scherparametern, der
Bodenwichte und dem Tunneldurchmesser ab und lässt sich angeben durch:
pf DA N D c N C
1
mit ND … Durchmesserbeiwert ergibt sich empirisch zu: N D 0,05
9 tan
1
NC … Kohäsionsbeiwert N C
tan
Unter Beaufschlagung der Scherparameter mit einem Sicherheitsbeiwert ergibt sich somit für
einfache Fälle (kein Grundwasser, dränierte Verhältnisse, keine Schichtung des Baugrunds, etc.):
c
p f D A 0,05
9 tan tan
Durch Umformulieren der Gleichung erhält man für die Standsicherheit der Ortsbrust:
9
(c p f tan ) 0,45 tan
DA
Ist der Stützdruck pf = 0 (z.B. atmosphärischer NATM-Vortrieb ohne Stützkern), so vereinfacht sich
die Gleichung nach Vermeer und Ruse entsprechend zu:
9c
0,45 tan
DA
mit DA … Ausbruchsdurchmesser
h0 … Höhe der Überdeckung über der Tunnelfirste
Bergmännische
Tunnelbauweisen
Abbildung 5-2: Abfolge der Teilausbrüche bei der Deutschen Bauweise (Kernbauweise) [Széchy,1969].
Abbildung 5-3: Bauphasen der Deutschen Bauweise (Kernbauweise) ohne Kämpferstollen [Széchy,1969].
Die Herstellung der Widerlager steht an erster Stelle vor allen anderen Bauvorgängen. Es wird mit
dem Vortrieb von zwei Sohlstollen entlang der Widerlagerfüße begonnen. In den beiden Sohlstollen
wird die endgültige Sicherung aufgemauert. Nach Fertigstellung der Widerlager werden in
Kämpferhöhe zwei weitere Stollen vorgetrieben. Abbildung 5-2 und Abbildung 5-3 zeigen, wie nach
und nach ein in Teilbereichen das hergestellte Gewölbe entsteht. Der Kern in der Mitte bleibt stehen.
Nachdem das Gewölbe seine vollständige Tragwirkung erreicht hat und eine Abstützung des
temporären Stützgewölbes auf den Kern nicht mehr notwendig ist, kann mit dem Kernabbau begonnen
werden. Abschließend wird das Sohlgewölbe eingezogen.
Vorteile der Kernbauweise sind:
Die Sohlstollen dienen als Erkundungsstollen.
Der Kern stützt den Brustbereich ab.
Nur geringe Setzungen treten auf, durch Abstützmöglichkeiten auf dem Kern und Aufsetzen des
Kalottengewölbes auf ein bereits bestehendes festes Widerlager.
Der Holzverbrauch für die Zimmerung ist gering.
Nachteile der Kernbauweise sind:
Es erfolgt erst ein spätes Einbringen des Sohlgewölbes.
Schwierigkeiten treten beim Förderbetrieb aufgrund der engen Stollen auf.
Der Zeitaufwand ist vergleichsweise groß.
Abbildung 5-5: Längenschnitt eines nach der Englischen Bauweise (Längsträgerbauweise) völlig
ausgebrochenen Abschnittes mit schräger Brustabstützung [Széchy,1969].
endgültige Mauerung gesichert. Es wird meist auf eine provisorische Jochzimmerung zur temporären
Sicherung der Firste verzichtet. Der Name „Unterfangungsbauweise“ resultiert aus dem nächsten
Arbeitsschritt. Die Kalottenschale wird erst nach dem Abbau der Strosse unterfangen. Dabei wird
abschnittsweise einseitig der Bereich der Ulmen durch Einschlitzen freigelegt und ein Widerlager in
den Schlitz gemauert. Das Kalottengewölbe wird vom aufgemauerten Widerlager unterfangen.
Abbildung 5-6 Belgische Bauweise (Unterfangungsbauweise): a) Schema ohne Sohlstollen und b) mit
Sohlstollen als Förderbasis; c) bis f) Bauphasen [Müller, 1978].
Abbildung 5-8: Doppelspuriger Lehnentunnel der Lötschbergbahn, errichtet nach Alter Österreichischer
Bauweise [Martak, 2009].
Abbildung 5-11: Wechselbeziehung zwischen sr, r, r/R und T: schematische Darstellung für verschiedene
Ausbauwiderstände 1 und 2 und verschiedene Einbauzeitpunkte nach Fenner und Pacher [Brandl, 2006].
Die tatsächlich im Zuge der Baudurchführung festzulegenden notwendigen Stützmaßnahmen sind eine
Funktion folgender Parameter:
Geologische Bedingungen wie Zerlegungsgrad, Schichtung, Klüftung etc.
Gesteinsfestigkeiten und Verformbarkeit
Überlagerung auch in Abhängigkeit von der Geländegestaltung
Tektonische Restspannungen
Baumethode
Zeitfaktor
Veränderung der Festigkeitseigenschaften infolge der Ausbruchsmethode
Entfestigung durch Wasser
Abnahme des Reibungswinkels
Der erzielbare Ausbauwiderstand der Stützmittel ist hingegen eine Funktion der Güte und Menge der
verwendeten Baustoffe und deren Kombination. Er hängt also ab von:
Ankertragfähigkeit,
Ankerlänge,
Ankerdichte,
Art, Menge und Verteilung des Injektionsgutes,
sowie von der Qualität des Gebirges:
Grad der Inhomogenität und Anisotropie,
Größe des Reibungswinkels und der Kohäsion.
Die Neue österreichische Tunnelbauweise ist eine semi-empirische Bauweise, bei der in erster Linie
die Messergebnisse an der Baustelle für die Art und den Umfang der Sicherungs- und
Ausbaumaßnahmen maßgebend sind. Dafür muss ein umfangreiches Messprogramm an der
Oberfläche, im Boden und im Tunnel mit Oberflächennivellement, Gleitmikrometer, Druckmessdosen
und Konvergenzmessungen etc. erstellt werden. Die Gebirgsverformung und der Spannungsverlauf
zwischen Gebirge und Ausbau muss im Sinne der Beobachtungsmethode laufend gemessen werden,
wodurch die Messergebnisse sofort im laufenden Vortrieb berücksichtigt werden können. Dieses
Iterationsverfahren führt zu einem umso wirtschaftlicheren und sicheren Ausbau, je dichter das Netz
der Messungen gewählt wird. Dies gilt besonders bei stark druckhaftem Gebirge bzw. stark
wechselhaften Gebirge. Bei standfestem, annähernd homogenem Gebirge können die Messungen auf
wenige Punkte beschränkt werden.
1. Grundsatz: Der wesentlich tragende Bauteil eines Tunnels ist das umliegende Gebirge.
2. Grundsatz: Die ursprüngliche Gebirgsfestigkeit muss erhalten bleiben und darf durch die
Massen- und Spannungsumlagerung, welche das Auffahren eines Hohlraums mit sich bringt, nicht
vermindert werden.
6. Grundsatz: Der Verbau muss rechtzeitig eingebaut werden, daher nicht so früh wie möglich,
sondern nicht zu früh und nicht zu spät. Der Ausbauwiderstand darf auch nicht zu stark oder zu
schwach gewählt werden.
7. Grundsatz: Der spezifische Zeitfaktor für das jeweilige Gebirge muss berücksichtigt und richtig
eingeschätzt werden.
9. Grundsatz: Die Sicherung ist kraftschlüssig mit dem Gebirge auszubilden. Die Kombination aus
Spritzbeton, Bewehrungsnetzen, Tunnelbögen und Ankern bildet eine Gebirgsversiegelung, die
kraftschlüssig mit dem Gebirge verbunden ist, aber nicht als Gebirgstragring wirkt.
10. Grundsatz: Verbau und Innenausbau sind möglichst dünnschalig und daher biegeschlaff
auszuführen, weil so die Aufnahme von Biegemomenten und das Auftreten von Biegebrüchen
minimiert wird. Die Spritzbetonschale wirkt als dünne, biegeschlaffe Außenschale.
11. Grundsatz: Verstärkungen der Innen- und Außenschale werden nicht durch Verdickung
vorgenommen, sondern durch Bewehrungsnetze, Tunnelbögen und Anker. Der Einbau von
Ankern führt zu einer Bewehrung des Gebirgstragringes und somit zu einer Verstärkung der
Außenschale.
12. Grundsatz: Nach Konvergenz- und Verschiebungsmessungen in der Tunnelumgebung kann die
Sicherheit der Stabilisierung des Gesamtsystems beurteilt werden. Verstärkungen oder
Abminderungen der Ausbaustärke können daraus ermittelt werden.
13. Grundsatz: Statisch wird der Tunnel als (dickwandiges) Rohr, bestehend aus Gebirgstragring und
Verbau bzw. Ausbau, betrachtet.
14. Grundsatz: Weil ein Rohr statisch nur dann als solches wirkt, wenn es nicht geschlitzt ist, kommt
dem Ringschluss (Sohlschluss) besondere Bedeutung zu.
15. Grundsatz: Die Ringschlusszeit ist ein wesentlicher Faktor beim Bau eines Tunnels. Sie wird vor
dem Baubeginn abgeschätzt und während des Vortriebes gegebenenfalls an die tatsächlich
auftretenden geologischen Verhältnisse angepasst. Weit voreilende Kalotten verlängern die
Ringschlusszeit, setzen die vorkragende Tunnelhalbschale großen Biegewirkungen in
Tunnellängsrichtung und das Gebirge unter den Kalottenfüßen hohen Belastungen aus.
16. Grundsatz: Es ist tunlichst ein Vollprofilvortrieb anzustreben um die Anzahl der
Spannungsumlagerungen zu minimieren. Kleine Teilvortriebe lockern das Gebirge unnötig oft auf.
17. Grundsatz: Die Vortriebsweise kann für die Sicherheit des Bauwerks entscheidend sein, da sie
den Zeitfaktor des Gebirges beeinflusst. Variierung von Angriffstiefe, Verbauzeit, Sohlschlusszeit,
Kalottenlänge und Ausbauwiderstand werden systematisch zur Steuerung des
Stabilisierungsvorganges im System Gebirge und Verbau benutzt.
18. Grundsatz: Um dem Umstand Rechnung tragen zu können, dass der Tunnel statisch betrachtet
eine Röhre darstellt, sind möglichst runde, kreisförmige oder ovale Querschnitte bevorzugt. Es
kann damit zu keinen Spannungskonzentrationen an einzelnen Ecken und Kanten kommen.
19. Grundsatz: Auch die Innenschale ist schlank zu halten. Sie soll mit der Außenschale
kraftschlüssig verbunden sein, aber keinen Reibungsschluss oder Schwerverbund mit der
Außenschale haben.
20. Grundsatz: Das Gesamtsystem Gebirge plus Schale soll im Wesentlichen schon durch den
Verbau stabilisiert werden. Die Innenschale dient dann zur Erhöhung der Sicherheit. (Bei
Anwesenheit von aggressivem Bergwasser muss die Innenschale allein zur vollen Stabilisierung
befähigt sein.) Die Verformung u darf nach dem Einbau der Innenschale nicht mehr zunehmen.
Abbildung 5-33: 22. Grundsatz der NATM: Wasserableitung in Schläuchen aus nachträglich durch die
Betonverkleidung gebohrten Bohrlochdrainagen [Müller, 1978].
5.3.3. Stützmittel
5.3.3.1. Anker
Anker werden im Stollen und Tunnelbau als vorübergehende Sicherung des Ausbruchsquerschnittes
bis zum Zeitpunkt des endgültigen Ausbaues verwendet. Größere Verformungen und Ausbrüche
werden dadurch verhindert und die Tragwirkung des Gebirges erhöht sich. Sie sind ein wichtiges
Bauelement der Neuen Österreichischen Tunnelbauweise. Bei der Dimensionierung der Anker ist
besonders darauf zu achten, dass sie nicht nur entsprechend dicht gesetzt werden, sondern auch tief
genug in das Gebirge reichen, um eine möglichst große wirksame Tragringstärke zu erzielen.
Hinsichtlich der Wirkungsweise und des Tragverhaltens wird zwischen Einzel- und Systemankerung
unterschieden.
Einzelanker dienen zur individuellen Sicherung einzelner Gesteinsblöcke, -keile oder -platten (siehe
Abbildung 5-34). In stark geklüftetem Gebirge dienen sie zur Sicherung der Mannschaft und der
Erhaltung der geometrisch geforderten Ausbruchsform bezüglich der Tragwirkung und des
Mehrausbruchs.
Die Systemankerung besteht aus einem System mehrerer Ankertypen nach Abstand, Ankerlänge und
Vorspannung, um neben dem Aufbau eines Gebirgstragringes einen zusätzlichen Verdübelungseffekt
zu erzielen (siehe Abbildung 5-35).
Beim Auffahren eines Hohlraumes tritt eine Spannungsumlagerung im Gebirge auf. Der dreiaxiale
Spannungszustand wandelt sich durch das Fehlen der Radialspannungen am Ausbruchsrand in einen
zweiaxialen Spannungszustand. Die Tangentialspannungen werden größer und können bei fehlender
Randverstärkung des Gebirges die einaxiale Gebirgsdruckfestigkeit überschreiten. Durch den sich
bildenden Gebirgstragring wandern die Spannungen tiefer in das Gebirge, es entsteht jedoch eine
entfestigte Zone. Die Abbildung 5-36 zeigt die Spannungsverteilung nach dem Ausbruch des
Hohlraumes.
Abbildung 5-36: Spannungsverteilung nach dem Ausbruch und nach Sicherung [Maidl,1984].
Das schnelle Einbringen einer Systemankerung in Kombination mit Spritzbeton wirkt als
Ausbauwiderstand. Durch den Ausbauwiderstand kann sich am Hohlraumrand ein quasi-dreiaxialer
Spannungszustand einstellen, welcher der Gebirgsentfestigung entgegen wirkt und Auflockerungen
verhindert. Je schneller sich Gleichgewicht zwischen der Tunnelsicherung und dem Gebirgstragring
einstellt, desto geringere Kräfte können sich entwickeln. Berücksichtigt man die räumlichen
Verhältnisse, bildet sich ein mit dem Ausbruch nach vorne wanderndes Gewölbe aus. Abbildung 5-35
zeigt eine einfache Analogie nach Rabcewicz. Die Ankerlänge wird sehr überschlägig mit t =
Abschlagslänge angegeben. Die Höhe des Auflockerungsbereiches beträgt zwischen 1/2 und 2/3 der
Abschlagstiefe t. Insbesondere bei Tunneln mit großen Querschnitten ist die Ankerlänge jedoch zu
gering. Auch bei weniger standfestem Gebirge, bei dem geringere Abschlagslängen gewählt werden,
ist die Annahme von Rabcewicz nicht anwendbar, da in einem solchen Gebirge längere Ankerungen
erforderlich sind.
Bei stark asymmetrischer Belastung eines Tunnelquerschnittes, daher bei einer sehr ungleichmäßigen
Verteilung der Verformungen um den Umfang, hat die Praxis gelehrt, Ankerlänge und Ankerdichte
über den Tunnelumfang zu variieren. Der potenzielle Scherbruch nach Rabcewicz wird dabei gezielt
verhindert. Dort wo der Scherbruch unter kleinem Winkel die Tunnellaibung trifft, werden kurze
Anker mit hoher Ankerdichte versetzt. Diese werden im Sinne einer Bruchbewehrung nur auf
Abscheren beansprucht. In der Mitte des Bruchkeiles liegen die langen Anker mit geringer
Ankerdichte, die ins unzerstörte Gebirge reichen und ausschließlich auf Zug beansprucht werden. Die
Erhöhung der Ankerdichte ist ab einem gewissen Grenzwert nicht mehr sinnvoll. Die
Gewölbewirkung zwischen den einzelnen Ankern nimmt nicht mehr wesentlich zu, gleichzeitig wird
aber die Ausnützung der Anker geringer. Bei einer Verlängerung der Anker hingegen wird der
Tragring vergrößert, da mehr Gebirge zum Mittragen herangezogen wird. Der Ausbauwiderstand
steigt somit noch wesentlich an.
Bei der Anordnung der Anker ist darauf zu achten, dass sie nicht parallel zu Schichtflächen verlaufen.
Die Anker sind möglichst im Winkel von 45 bis 90°, aber keinesfalls unter 30° zur Schichtung zu
setzen.
Abbildung 5-37: Systemankerung: Anordnung der Anker möglichst senkrecht zu Schichten und Klüften
[Maidl,1984].
Die (Vor-)Spannkraft bei vorgespannten Ankern kann entweder von außen oder auch natürlich durch
die Differenz der Bewegung von Ausbruchlaibung und Verankerungsstrecke im Gebirge
hervorgerufen werden. Die Vorspannkraft wird von außen mittels Drehmomentenschlüssel,
Spannpressen oder Schlagschrauber aufgebracht und überprüft. Die Vorspannung darf natürlich erst
nach der Erhärtung des Mörtels in der Verpressstrecke erfolgen. Vorgespannte Anker können als
Freispielanker, d.h. dauernd nachspannbar und prüfbar ausgeführt werden, oder als blockierte Anker.
Der Korrosionsschutz spielt bei Freispielankern eine wichtige Rolle. Beim Einbau ist daher auf den
Korrosionsschutz zu achten. Abbildung 5-39 zeigt zwei verschiedene Arten der Kraftübertragung von
Freispielankern in das umgebende Gebirge.
Blockierte Anker werden verwendet, wenn keine weiteren Gebirgsbewegungen mehr zu erwarten
sind. Dabei wird das Ankerbohrloch nach Einbau des Ankers auf der gesamten Länge mit Mörtel
verfüllt.
Ankertypen
Tabelle 5-1: Ankertypen [SIA Zürich, 2004]
Mörtelanker,
Bezeichnung Verpressanker Spreizanker Selbstbohranker Reibrohranker
Verpressanker
Einbettung des Zugglieds Freispiel Vollverbund
Haftanker:
Füllmörtelanker (SN-Anker): In das Bohrloch wird mittels eines Schlauches Zementmörtel
eingebracht. Die Schläuche müssen im Bohrlochtiefsten angesetzt und während des Mörtelfüllens
zurückgezogen werden. Bevor der Zementmörtel erhärtet, wird der Ankerstab eingeschoben. Der
SN-Anker wird meist schlaff ausgeführt. Das Aufbringen einer Vorspannung ist erst nach
vollständiger Erhärtung des Mörtels möglich, daher wird schnell härtender Mörtel eingesetzt. Die
Ausführung von SN-Ankern über Kopf wird durch das Auslaufen des Mörtels erschwert.
Mörtel verwendet wird, der nicht zum Auslaufen neigt. Der Nachteil dieses Ankertyps ist der
erhöhte Arbeitsaufwand und der daraus resultierende hohe Preis.
Kunstharzanker: Eine Patrone mit zwei Komponenten, der Grundmasse und der Härter werden in
das Bohrloch eingeführt. Durch einschlagen oder eindrehen des Ankerstabes wird die Patrone
zerstört und die beiden Komponenten vermischen sich. Dadurch wird der Aushärtungsprozess
gestartet.
Spreizanker:
Spreizanker werden nur zur vorübergehenden Sicherung eingesetzt. Spreizanker sind immer als
Vorspannanker zu verwenden. Man unterscheidet zwischen den folgenden Typen.
Schlitzkeilanker: In einem achsparallelen Schlitz am Ankerstangenende steckt ein Keil, der am
Bohrlochtiefsten aufsitzt. Durch Schläge auf den Ankerkopf wird der Keil in den Schlitz getrieben,
dieser weitet sich dementsprechend auf und verspannt so die Ankerstange gegen das Gebirge.
Gleitkeilanker: Am Ankerstangenende ist ein ringförmiger Keil am Stab befestigt. Auf diesem ist
ein ebenfalls ringförmiger Konus aufgebracht. Beim Ziehen des Ankerstabs verkeilt sich der Anker
mit dem Konus, der dabei durch den Keil auseinandergedrückt wird und sich so gegen das Gebirge
verspannt.
Spreizhülsenanker: Am Ankerende befindet sich ein Gewinde, auf dem ein konusförmiges Stück
aufgeschraubt ist. Durch Drehen der Ankerstange wird der Konus weiter auf das Gewinde gedreht.
Der Konus spreizt sich in der Folge auseinander und verspannt sich so gegen die
Bohrlochwandung.
Doppelkeilanker: Am Ankerende sitzen zwei Keile, von denen einer über einen Haken am Ende
der Ankerstange festgehalten wird. Der zweite Keil wird durch Drehen der Ankerstange entlang
dieser bewegt, wobei er den ersten gegen das Gebirge verspannt.
Abbildung 5-43: Von links nach rechts: Schlitzkeilanker, Spreizhülsenanker, Doppelkeilanker [Maidl, 1984].
Reibungsanker:
Swellex-Anker: Ein gefaltetes Stahlrohr wird in das Bohrloch eingebracht. Dort wird es mittels
Hochdruckwasserpumpe aufgefaltet. Das Rohr passt sich dem Bohrloch an und überträgt die
Ankerkraft über Reibung an das umliegende Gebirge. Ein Vorteil des Swellex- Ankers ist die
sofortige Tragwirkung nach dem Auffalten.
Abbildung 5-44: Funktionsprinzip Swellex- Anker [Diadatenbank Institut für Geotechnik und Tunnelbau UIBK,
2009].
Selbstbohrende Anker:
Selbstbohrende Anker dienen gleichzeitig zum Herstellen des Bohrloches und sind daher mit
einer Bohrkrone versehen. Nachdem der Anker im Bohrloch bleibt, wird die Bohrkrone auch als
verlorene Bohrkrone bezeichnet. Nach dem Bohrvorgang wird das Rohr und der umgebende
Baugrund mit Zementmörtel verpresst. Diese Anker werden häufig im Lockergestein eingesetzt.
Örtliche Bedingungen
Auftragsfläche (Rauhigkeit, Neigung)
Entfernung Düse - Fläche
Umgebungstemperatur, Luftbewegungen
Innendruck (bei Arbeiten unter Druckluft)
Menschliche Faktoren
Akkordarbeit
Schutzausrüstung
Ausbildungsstand
Nassspritzverfahren
Beim Nassspritzverfahren wird der fertige Beton pneumatisch oder mit Pumpen zur Spritzdüse
transportiert. Es wird zwischen einer Dünnstrom- und einer Dichtstromförderung unterschieden. Bei
der Dünnstromförderung erfolgt die Förderung pneumatisch. Die Ausgangsmischung wird in einem
Luftstrom schwebend durch die Leitung transportiert. Bei der Dichtstromförderung wird die
Ausgangsmischung mittels Pumpen zur Spritzdüse transportiert. Durch die größeren Reibungskräfte in
der Schlauchleitung kann die Reichweite der Dünnstromförderung nicht erreicht werden.
Vorteile des Nassspritzverfahrens:
Konstante Spritzbetonqualität
Geringerer Rückprall
Geringere Staubbelastung geringerer Luftmengenbedarf
Hohe Spritzleistung
Trockenspritzverfahren
Beim Trockenspritzverfahren wird das Trockengemisch aus Zement, Zuschlagstoff und
gegebenenfalls Erstarrungsbeschleunigern pneumatisch zur Spritzdüse transportiert, wo das
Anmachwasser hinzukommt. Das Gemisch wird mit 20 bis 30 m/s an die Einbaustelle aufgespritzt und
gleichzeitig verdichtet.
Spritztechnik
Die Auftragung des Spritzbetons über den Querschnitt erfolgt immer von unten nach oben. Über den
gesamten Querschnitt entsteht so ein gleichmäßiges und dichtes Gefüge. Bei standfestem Gebirge wird
meist nur eine 3 bis 5 cm dicke Oberflächenversiegelung aus Spritzbeton aufgebracht, während im
druckhaften Gebirge die Spritzbetonschicht bis zu 20 cm erreichen kann.
Abbildung 5-47: Rückprall abhängig von der Neigung Abbildung 5-48: Rückprall abhängig von der Neigung
der Spritzdüse gegen die Wand [Vogt, 2009]. der Spritzdüse gegen die Horizontale [Vogt, 2009].
Bei Aufbringung des Spritzbetons entsteht ein Rückprall des Mischgutes. Die Menge des Rückpralls
hängt von mehreren Faktoren ab. Der Winkel der Düse zur zu bespritzenden Fläche sollte möglichst
senkrecht sein und der Abstand sollte dabei in etwa 1,5 m betragen. Bei einem geringeren
Düsenabstand kann es zu Gefügeauflockerungen infolge des hohen Druckes kommen und wird der
Abstand zu groß gewählt, ist die Haftung des Spritzbetons nicht mehr gewährleistet. Darüber hinaus
erhöht sich in beiden Fällen der Rückprall. Der Einsatz von Spritzmanipulatoren eignet sich besonders
bei großen Querschnitten. Die Spritzleistung dieser Geräte ist hoch und daher verkürzt sich die Zeit für
die Spritzabläufe. Die Düsenführung kann optimal gesteuert werden und somit erhöht sich die
Sicherheit für Mensch und Gerätschaft.
Spritzbeton der Klasse J1 eignet sich für den Auftrag von dünnen Lagen auf trockenem Untergrund
ohne besondere statische Anforderungen und hat den Vorteil von wenig Staubentwicklung und
Rückprall.
Die Anforderung der Klasse J2 ist gegeben, wenn Spritzbeton in dicken Lagen (auch über Kopf) mit
hoher Leistung aufgetragen werden soll; weiters bei leichtem Wasserandrang und bei Beanspruchung
durch unmittelbar nachfolgende Arbeitsvorgänge (z.B. Bohren von Ankerlöchern, Eintreiben von
Dielen, Erschütterungen durch Sprengschlag). Die Anforderung J2 ist auch gegeben bei rasch
auftretenden Einwirkungen aus Gebirgsdruck, Erddruck oder nachdrängenden Lasten. Die Festlegung
des Bereichs richtet sich nach dem Auslastungsgrad des jungen Spritzbetons. Untersuchungen zeigen,
dass bei einem Auslastungsgrad bis 40% für den jungen Spritzbeton ein lineares Kriechverhalten, bei
einem Auslastungsgrad über 80% ein stark progressives Kriechverhalten mit Gefügestörungen zu
erwarten ist.
Spritzbeton der Klasse J3 sollte wegen erhöhter Staubentwicklung und vermehrtem Rückprall nur bei
echtem Bedarf vorgeschrieben werden (z.B. bei großem Wasserandrang).
Faserspritzbeton
Spritzbeton weist eine sehr gute Druckfestigkeit auf, seine Zug- und Biegezugfestigkeit ist jedoch sehr
gering. Durch den Einbau von Bewehrungsmatten wird die geringe Zug- und Biegezugfestigkeit
verbessert, was jedoch Zeit kostet. Daher wird versucht mit Stahlfaserbeton oder auch mittels Beton
mit Kunststoff-, Glas-, oder Kohlenstofffasern die Zug- und Biegezugfestigkeit des Spritzbetons zu
verbessern. Die Faserlängen variieren je nach System des Spritzgerätes (Düsenverstopfung) zwischen
1 und 5 cm. Das Arbeitsvermögen ist bei Faserspritzbeton wesentlich größer. Aufgrund dessen kann
die Dicke des Spritzbetons deutlich reduziert werden. Der Einsatz von Faserspritzbeton bringt einen
zeitlichen und arbeitstechnischen Gewinn.
5.3.3.3. Tunnelbögen
Tunnelbögen dienen nach dem Ausbruch zur sofortigen wirksamen Abstützung des Gebirges und
zum Schutz des Arbeitsraumes. Sie kommen daher bei nachbrüchigem, nicht standfestem,
druckhaftem Gebirge zum Einsatz. Die Tragwirkung der Tunnelbögen beruht auf der Bogenwirkung.
Sie müssen eine hohe Normalkraftaufnahmefähigkeit und Biegetragfähigkeit aufweisen. Der Verbund
zwischen Stahlbogen und Spritzbetonschale muss ebenfalls gewährleistet sein. Bei der Profilwahl ist
daher auf eine gute Einspritzbarkeit hinsichtlich des Spritzschattens und des Rückpralls zu achten. Die
unterschiedlichen Profilformen sind in Abbildung 5-51 dargestellt.
Die Bögen werden meist in mehreren Teilen auf die Baustelle transportiert und dort gestoßen. Die
Stoßverbindungen können je nach Anforderung starr oder nachgiebig ausgeführt werden. Bei
besonders druckhaftem Gebirge werden die Stoßverbindungen nachgiebig ausgeführt, um dem
Gebirge die Möglichkeit zu geben sich zu verformen. Die Tunnelbögen werden senkrecht zur
Vortriebsrichtung aufgestellt. Sie erreichen sofort ihre vollständige Tragfähigkeit. Erfolgt der
Ausbruch des Tunnels in Teilquerschnitten (Kalotte, Strosse, Sohle), werden die Kalottenbögen auf
temporäre Auflager im Bereich der Kalottensohle gestellt. Diese Fußauflager können erforderlich
werden, damit die Kräfte aus dem Tunnelbogen ohne Gefahr eines Grundbruchs in die Sohle
eingeleitet werden. Abbildung 5-52 zeigt Beispiele für Fußauflager.
Durch sofortiges Einbetten der Stahlbögen mittels Spritzbeton kommt es zu einem guten
Gebirgskontakt. Die wandartige Tragwirkung und der Kontakt zum Gebirge bilden eine
zusammenhängende Verbundwirkung.
5.3.4. Voraussicherungsmaßnahmen
5.3.4.1. Spieße und Pfändbleche/Dielen
Die einfachste Möglichkeit, das Gebirge voraus zu sichern, bildet der Einsatz von Spießen und
Pfändblechen. In nichtbindigem Lockergestein eignen sich Pfändbleche/Dielen besonders gut, da sie
eine flächenhafte Sicherung darstellen. Dies verhindert das Auflockern des Gebirges vor dem Einbau
der Spritzbetonsicherung. Der Einbau von Pfändblechen erfolgt mittels Pressluft- oder
Hydraulikhämmern. Die Pfändbleche werden dabei 2 bis 4 m tief, entweder mit einem geringen
Abstand zueinander oder überlappend, ins Gebirge eingeschlagen. Aus herstellungstechnischen
Gründen werden die Pfändbleche mit einer Neigung von etwa 10° bis 15° zur Tunnelachse eingebaut.
Die Voraussicherung mit Spießen kommt in zerklüftetem Gebirge, wie zum Beispiel bei mit
Harnischflächen durchzogenen Tonen und Schluffen, zum Einsatz. Die Spieße führen zu einer
Verdübelung des Gebirges und somit kann sich ein vorauseilender Tragring ausbilden. Spieße sind
Rohre mit geringem Durchmesser und werden hauptsächlich auf Abscheren beansprucht. Der Einbau
erfolgt entweder bohrend oder rammend. Die Länge eines Spießes beträgt zwischen 3 und 5 m. Der
Abstand zwischen den einzelnen Spießen variiert je nach den geologischen Verhältnissen
üblicherweise zwischen 30 und 50 cm. Wie bei den Pfändblechen werden die Spieße mit einer
Neigung zwischen 10° und 15° zur Tunnelachse eingebaut.
In rolligem Gebirge kann noch ein zusätzliches Verpressen der Spieße erforderlich werden. Dabei
wird Injektionsgut in die Spieße gepresst, welches durch Perforationen der Spieße in das umgebende
Gebirge eindringt und somit einen Injektionskörper erzeugt.
Abbildung 5-55: Beispiel für Anordnung der Spieße im Abbildung 5-56: Anordnung der Spieße im
Querschnitt [Schikora, 2003]. Längenschnitt [Schikora, 2003].
5.3.4.2. Rohrschirm
Der Tunnel wird im Schutz einer, aus einer Vielzahl von Rohren gebildeten, temporären Sicherung
hergestellt. Diese Sicherung wird als Rohrschirm bezeichnet. Die Rohre werden von der Ortsbrust in
Längsrichtung des zu errichteten Tunnels vorgetrieben.
Rohrschirme kommen bei kohäsionslosem und verwittertem Gebirge mit kurzer Standzeit oder zur
Setzungsminimierung im Lockergestein zum Einsatz. Mittels Injektionen kann ein geschlossenes
Schirmgewölbe hergestellt werden. Gegenüber Spießschirmen haben Rohrschirme den Vorteil der
wesentlich größeren Trägheitsmomente. Ein weiterer Vorteil des Rohrschirmverfahrens ist die größere
Einbaulänge (12 - 15 m). Der Rohrschirm muss somit weniger oft nachgesetzt werden. Der weit
vorauseilende Rohrschirm verhindert Gebirgs- bzw. Bodenentspannungen, welche durch den Vortrieb
entstehen können, schon weit vor der Ortsbrust.
Abbildung 5-57: Beispiel für die Anordnung eines Rohrschirmes im Querschnitt [Züblin, 2009].
Zur Herstellung des DSV-Schirmes werden Bohrlängen bis ca. 25 m in Tunnellängsrichtung erreicht.
Die Bohrlänge hängt jedoch stark von der gewünschten Bohrgenauigkeit ab, da mit der Länge die
Abweichungen zunehmen. Es kann beim Bohren von einer Abweichung von ca. 1-2% ausgegangen
werden. Geringere Abweichungen erfordern einen höheren Aufwand. Genauere Bohrungen können
zum Beispiel durch steifere Bohrwerkzeuge und mit einem erhöhten Vermessungsaufwand erreicht
werden. In der Regel betragen die Durchmesser der einzelnen DSV-Säulen zwischen 50 und 100 cm,
in Abhängigkeit vom gewählten Verfahren und vom anstehenden Boden. Die Herstellung von
horizontalen Düsenstrahlschirmen oder nach oben verlaufenden ist äußerst schwierig, da zur
Vermeidung von Hebungen die Suspension jederzeit kontrolliert aus dem Bohrloch abfließen können
soll, aber keinesfalls zu viel Suspension aus dem Bohrloch ausfließen darf. Um diese gegensätzliche
Bedingung erfüllen zu können, müssen insbesondere in nichtbindigen Böden Zusatzmaßnahmen
(Packer etc.) ergriffen werden.
5.3.4.4. Injektionsschirm
Eine weitere Möglichkeit zur Stabilisierung der Ortsbrust stellen Injektionen dar. Dabei werden die
Poren im Boden mit Injektionsgut verpresst und nicht wie bei dem Düsenstrahlverfahren geschnitten
(Verfahrensbeschreibung im Detail siehe Vorlesung Grundbau und Bodenmechanik). Durch die
Verfüllung der Poren im Boden wird die Tragfähigkeit erhöht und die Durchlässigkeit geringer. Eine
Verringerung der Durchlässigkeit kann z.B. einen Druckluftvortrieb ermöglichen. Um die Ortsbrust zu
sichern, werden die Injektionen, wie auch beim Düsenstrahlverfahren, von der Oberfläche aus oder
von der Ortsbrust aus eingebracht. Die Länge der vorauseilenden Sicherung von der Ortsbrust aus
beträgt ungefähr 10 bis 15 m und wird durch die Bohrungenauigkeit beschränkt. Ein Nachteil bei der
Herstellung eines Injektionsschirmes ist analog zum Düsenstrahlverfahren die Erfordernis eines
sogenannten Sägezahnprofils (siehe Abbildung 5-60) beim Ausbruch.
Der erforderliche Abstand zwischen den Bohrungen für die Einbringung des Injektionsgutes und die
erzielbare Festigkeitserhöhung ist abhängig vom Injektionsgut und vom Baugrund. Abbildung 5-61
zeigt verschiedene Injektionsmittel und ihre Einsatzbereiche.
5.3.4.5. Bodenvereisung
Die Bodenvereisung ist eine weitere vorauseilende Sicherungsmethode, die im
Lockergesteinstunnelbau zum Einsatz kommt. Durch einen temporären Vereisungsschirm kann
vorübergehend die Tragfähigkeit des Bodens erhöht werden und die Durchlässigkeit des Bodens wird
temporär reduziert. Diese Sicherungsmethode kann und soll daher auch im Grundwasser angewendet
werden. Die Herstellung des Vereisungsschirmes kann entweder durch Bohrungen von der
Geländeoberfläche, von der Ortsbrust oder von einem Pilotstollen aus erfolgen.
Abbildung 5-62: Gewölbevereisung. Vorstollen mit Abbildung 5-63: Herstellung der Gefrierwände von
Quergefrierung [Maidl,1984]. der Oberfläche aus [Maidl, 1984].
Der Abstand der Gefrierrohre und ihre Lagegenauigkeit beeinflussen die Größe des
Vereisungskörpers. Wenn ein durchgängiger, dichter Schirm erforderlich ist, muss besonders auf die
Lagegenauigkeit der Bohrungen geachtet werden. Der Boden muss auch bestimmte Voraussetzungen
erfüllen, damit sich ein Gefrierkörper ausbilden kann. Es muss ausreichend Porenwasser vorhanden
sein und die Strömungsgeschwindigkeit des Grundwassers muss gering sein.
Untersuchungen des Einflusses einer Grundwasserströmung auf den Gefrierprozess haben gezeigt,
dass für größere Filtergeschwindigkeiten das Frostkörperwachstum an kritischen Stellen zum Erliegen
kommt, sodass kein vollständiger Frostkörperschutz erzielt werden kann. Die tatsächliche
Grundwassersituation ist daher schon in der Planungsphase zu berücksichtigen. Abbildung 5-64 zeigt
den Frostkörperfortschritt nach 20 Tagen. Für den nicht durchströmten Fall ist zu diesem Zeitpunkt
der gesamte Gefriervorgang beendet. Erwartungsgemäß hat sich die angeströmte Seite unabhängig von
der Fließgeschwindigkeit als gefrierzeitbestimmend herausgestellt. Ab einer kritischen
Fließgeschwindigkeit des Grundwassers geht die Gefrierzeit gegen unendlich und der Frostkörper
schließt sich nicht.
Abbildung 5-65: Gefrierphasen am modifizierten System mit zusätzlichen Gefrierrohren im Zustrom für
f=0,75 m/d [Ziegler, 2009].
Abbildung 5-67: Ausbauarten der Tunnel; a) hinterpacktes Gewölbe mit Widerlagern, b) einschaliger Ausbau,
c) zweischaliger Ausbau, d) nicht ausgebaut [Striegler, 1993].
Abdichtungen
Die Aufgabe einer Tunnelabdichtung ist, das Eindringen des Bergwassers in den Tunnel zu
verhindern. Folgende verschiedene Anforderungen an die Abdichtung sowie unterschiedliche
Randbedingungen beeinflussen den Abdichtungsaufwand:
Trockenhalten des Tunnels (auch geringfügige Nässe schränkt die Nutzung ein)
Schutz der Auskleidung vor Beschädigungen infolge Wasserwirkung
Verhinderung von Frostbildung zufolge Wasserzutritten (der Betrieb könnte dadurch gefährdet
werden)
Der Bergwasserhaushalt ist so gering wie möglich zu stören, um z.B. die Quellnutzung im
Einzugsgebiet zu sichern.
Verhinderung des Wasserzutrittes, um Kosten für die Ableitung und Behandlung zu minimieren.
Abdichtungssysteme:
Drucklose Abdichtung („Regenschirm-Abdichtung“)
Die drucklose Abdichtung wird verwendet, um Wassereintritte im Nutzraum zu vermeiden. Im alpinen
Raum ist die drucklose Abdichtung die gebräulichste Methode zur Abdichtung von
Verkehrstunnelbauten. Es handelt sich dabei um ein zweilagiges Abdichtungssystem, bestehend aus
einem Geotextil zur Ableitung von Bergwässern und einer Isolierfolie, die die Abdichtung gegen den
Hohlraum darstellt. Die anfallenden Bergwässer werden durch die Drainagewirkung des Geotextils in
die Ulmendrainage eingeleitet. Aus der Ulmendrainage werden die Bergwässer entweder direkt oder
über eine Hauptdrainage in die Vorflut eingeleitet. Abbildung 5-68 zeigt die Abfolge der einzelnen
Schichten eines zweilagigen Abdichtungssystems.
Das Geotextil erfüllt dabei eine Doppelfunktion: auf der einen Seite dient es als Drainage und
ermöglicht eine weitgehend drucklose Ableitung des Bergwassers, auf der anderen Seite bietet das
Geotextil der Dichtungsbahn einen Schutz vor Beschädigungen durch die raue Oberfläche der
Spritzbetonschale.
Die Drainagebahn wird in der Regel mit Kunststoffrondellen mittels Nagel und Beilagscheibe an der
Spritzbetonschale angebracht. An den Rondellen wird die Abdichtungsbahn mittels
Heißluftschweißung befestigt. Die Abdichtungsbahnen weisen meist eine Stärke zwischen 1,5 und
2 mm auf. Dicken über 3 mm sind aufgrund der zunehmenden Bahnsteifigkeit im Allgemeinen nicht
zu empfehlen. Die Anzahl der Rondellen zur Befestigung der Dichtungsbahn sollte im Sohlbereich
mindestens ein Stück, im Ulmenbereich mindestens zwei Stück und im Kalottenbereich mindestens
drei Stück pro Quadratmeter betragen. Die Abdichtungsbahnen bestehen meist aus Polyvinylchlorid
(PVC), Polyäthylen (PE) oder Äthylencopolymerisat (ECB).
Die einzelnen Bahnen werden an den Rändern um mindestens 5 cm überlappt, um die Dichtigkeit
sicherzustellen. Die Bahnen werden anschließend mittels einer Doppelschweißnaht miteinander
verbunden. Durch die Doppelschweißung ist eine Dichtigkeitskontrolle der Schweißnähte möglich.
Dafür wird in den Kanal zwischen den beiden Schweißnähten Druckluft eingebracht. Entweicht diese
Luft, ist die Schweißnaht fehlerhaft.
Die Ulmendrainage besteht in der Regel aus geschlitzten PVC-Rohren. Das Drainagerohr wird
entweder durch Drainagekies oder Filterbeton ummantelt. Aufgrund der Gefahr der Versinterung des
Drainagerohrs müssen in regelmäßigen Abständen Putzschächte angeordnet werden. Der
Drainagendurchmesser richtet sich nach dem prognostizierten anfallenden Bergwasser und dem
Reinigungsgerät. Eine Ulmendrainage hat einen Durchmesser von mindestens 150 mm.
Druckwasserdichte Abdichtungssysteme
Ist eine Ableitung der Wässer aufgrund der Erhaltung des ursprünglichen Wasserhaushaltes nicht
erwünscht oder wirtschaftlich, müssen die Tunnelschalen druckwasserdicht ausgeführt werden.
Bei einem zweischaligen Ausbau kann entweder eine Auskleidung mit wasserundurchlässigem Beton
oder eine Rundumabdichtung mit Dichtungsfolien zur Anwendung kommen. Die Innenschale muss
auf den resultierenden Wasserdruck bemessen werden. Diese Art der Abdichtung ist somit nur für
oberflächennahe Tunnel geeignet, da ansonsten die auf die Innenschale wirkenden Kräfte zu groß
werden.
Bei der Anwendung von wasserundurchlässigem Beton (WU-Beton) sind die besonderen
Anforderungen an den Beton und besonders an die Fugenabdichtung zu stellen.
Rissbreitenbeschränkungen, Korrosionsgefahr der Bewehrung und eventuell Stoffe im Grundwasser,
die den Beton angreifen könnten, sind bei der Bemessung der Betonstärke und der Bewehrung zu
berücksichtigen. In allen Block- und Arbeitsfugen sind Bleche oder Fugenbänder einzubauen. Weiters
sind die unterschiedlichen Schwindverhalten von zu verschiedenen Zeiten betonierten Bauteilen, die
miteinander verbunden werden, zu beachten.
Kommen Rundumabdichtungsfolien zum Einsatz, ist darauf zu achten, dass Querabschottungen in
regelmäßigen Abständen eingebaut werden. Durch diese Querabschottungen können Fehlstellen in der
Abdichtung lokalisiert und nachträglich abgedichtet werden.
In der Abbildung 5-72 sind verschiedene Möglichkeiten der Tunnelabdichtung abgebildet. In den
beiden unteren Zeichnungen ist jeweils eine Rundumabdichtung zu erkennen.
Sondermaßnahmen:
Injektionen
Quellfassung
Innenschale
Bei den alten Bauweisen erfolgte der Ausbau vorwiegend mit Naturstein- oder Mischmauerwerk.
Später wurden Ziegelklinker, Betonformsteine, Beton und Stahlbeton verwendet.
Ortbetonausbau
Ein großer Vorteil des Ortbetonausbaus ist, dass er sich den Unebenheiten des Ausbruchsprofiles
anpasst. Dies ist für das Gewölbe und das Widerlager günstig.
Zur Betonierung werden fahrbare Schalungen aus Stahl oder Leichtmetall verwendet. Die Betonierung
erfolgt in Abschnitten oder kontinuierlich. Der flüssige Beton wird durch Fenster in den
Schalungselementen eingebracht und mit Innenrüttlern verdichtet. Ist die Betondicke gering, können
auch Außenrüttler verwendet werden.
In den folgenden Bildern wird die Herstellung der Innenschale mit WU-Beton am Beispiel des Lainzer
Tunnels, Baulos LT 31, Wien [ÖBB- Infrastruktur AG, 2009] gezeigt:
Abschlagstiefe, Abschlagslänge
Die Tiefe eines Abschlages hängt vor allem vom Ausbruchsquerschnitt und von den
Gebirgseigenschaften ab. Die größte Abschlagstiefe beträgt in etwa 4 m, da größere Abschlagslängen
meistens an der zu großen Verspannung des Gebirges scheitern.
Der Einbruch ist für den Sprengerfolg sehr wichtig. Er schafft zur einzig vorhandenen freien Fläche
(Ortsbrust) eine zweite freie Fläche. Auf die Optimierung des Einbruches ist besonderer Wert zulegen,
da ein „stehengebliebener“ Einbruch zur Folge hat, dass die Folgeschüsse meist ebenfalls nicht
auswerfen. Dies führt nicht nur zu einem Zeit- und Materialverlust, sondern trägt auch noch zur
Gebirgszerrüttung und zu hohen Erschütterungen bei, die unnötige Auflockerungen hervorrufen.
Besonders bei den Kranzlöchern ist auf schonendes Sprengen zu achten. Die Auswirkungen der
Sprengung sollen sich möglichst auf den Ausbruchsbereich beschränken, um unnötige
Auflockerungen zu vermeiden.
Durch die Anordnung einer künstlichen Schwächezone, in Form von in kurzen Abständen
aneinandergereihten Bohrlöchern, kann eine schonende Wirkung der Sprengladung erzielt werden. Die
Bohrlöcher werden nur mit einer geringen Sprengstoffmenge geladen, deren Energie zu niedrig ist, um
die Löcher zu zerstören, und das Gebirge zu lösen. Die Sprengung soll lediglich einen Trennspalt
zwischen den Bohrlöchern herstellen. So kann eine maßgenaue Begrenzung ohne zusätzlichen
Mehrausbruch hergestellt werden und das umliegende Gebirge wird geschont.
5.3.6.2. NÖT/NATM im druckhaften Gebirge
Druckhaftes Gebirge entsteht durch eine Kombination aus einer hohen Überlagerung (tiefliegende
Tunnel), tektonischen Spannungen und ungünstigen Gesteinseigenschaften. Es stellen sich ohne
Gegenmaßnahmen große langanhaltende Verformungen ein. Der Hohlraum tendiert dazu, sich wieder
zu schließen. Die Spritzbetonschale kann den vom Gebirgsdruck hervorgerufenen Bewegungen nur
eine gewisse Zeit entgegenwirken. Drückt das Gebirge weiter gegen die Spritzbetonschale, kann diese
dem Druck nicht mehr standhalten und versagt.
Um eine Schädigung der Spritzbetonschale zu vermeiden, werden sogenannte Kontraktionsschlitze
in die Spritzbetonschale eingebaut. Die Schale kann sich somit entlang der vorgegebenen
Schwächungszone verformen, ohne in anderen Bereichen Schaden zu nehmen. Die
Kontraktionsschlitze werden nicht zugespritzt und bei besonders druckhaftem Gebirge werden
zusätzliche Stauchelemente in die Kontraktionsschlitze eingebaut, um die Spannungen kontrolliert
abbauen zu können. Die Stoßverbindungen der Tunnelbögen werden ebenfalls beweglich ausgeführt.
Die Laschenverbindungen werden nach dem Einbau der Tunnelbögen wieder geöffnet.
Schutterschleuse
Materialschleuse
Personenschleuse
Abbildung 5-77: Baustelleneinrichtung bei Vortrieb mit Druckluftstützung [Wiener Linien, 2000].
Werden bei einem Druckluftvortrieb Bereiche mit stärker luftdurchlässigem Boden durchfahren,
müssen diese vorher mittels Injektionen abgedichtet werden.
5.3.6.4. NÖT/NATM im Lockergestein
Auch (nahezu) kohäsionslose Böden können nach den Grundsätzen der Neuen Österreichischen
Tunnelbauweise durchfahren werden. Stahlbögen und Stollendielen bilden in Kombination mit einer
bewehrten Spritzbetonschale ein tragfähiges Gewölbe. Dieses Außengewölbe wird auch am Ulm bis
zur Betonsohle heruntergezogen und mit dieser zu einem geschlossenen Ring verbunden. Allerdings
treten bei kohäsionslosem Material größere Setzungen auf, da Hohlräume über der Firste durch
Materialverluste unvermeidlich sind. Da sich kein Gewölbetragring ausbilden kann, wirkt hier oft die
gesamte Überlagerung als Auflast. Die Bauweise mit Stollendielen im Lockergestein ist daher im
bebauten Gebiet nicht anwendbar. Damit sich rund um den Hohlraum dennoch ein Tragring ausbilden
kann, muss das umliegende Gebirge z.B. mittels Injektions- oder DSV-Schirmen vergütet werden. Im
Ton und Schluff werden Stahlspieße zur Firstsicherung herangezogen (vgl. Kapitel 5.3.4.1).
5.3.6.5. NÖT/NATM im innerstädtischen Raum
Im besiedelten Gebiet unterliegen oberflächennahe Hohlraumbauten meist strengen
Verformungsbeschränkungen und es ist für größtmögliche Sicherheit zu sorgen. Die Setzungs- und
Verformungsbeschränkungen sollen Schäden an Gebäuden und an der Infrastruktur vermeiden. Der
Baugrund ist oft gering kohäsiv und sehr weich. Diese Randbedingungen zwingen zu einer
Mehrfachunterteilung des Ausbruchsquerschnittes. Durch die Teilung des Ausbruchsquerschnittes,
und damit eine Begrenzung des Ausbruchsvolumens, sowie durch den sofortigen Einbau von
Stützmitteln wird die Entspannung des Gebirges verringert. Durch die Verkleinerung der
Ausbruchsquerschnitte wird die Gefahr der Ortsbrustinstabilität vermindert. Bei seicht liegenden
Hohlraumbauten würde aufgrund der Ortsbrustinstabilität die Gefahr von Tagbrüchen bestehen.
Ein Bespiel für die Querschnittsunterteilung ist der Ulmenstollenvortrieb. Der Ulmenstollenvortrieb
wird näher im Kapitel 5.3.7.1 erläutert.
5.3.6.6. NÖT/NATM im Hochgebirge
Im Hochgebirge kann es insbesondere zu Frost-Taubeanspruchungen in der Tunnelstrecke kommen.
Besonders die Portalbereiche sind gefährdet, da die kalte Umgebungsluft dort in den Tunnel eindringt.
Das anstehende Gebirge ist daher auf das Verhalten bei Frost-Tauwechseln zu untersuchen.
Vollausbruch
Beim Vollausbruch wird das gesamte Profil in einem Arbeitsgang ausgebrochen. Dieses Verfahren
kommt meist nur bei Tunnelbauwerken mit Querschnittsflächen von maximal 100 m² und geeigneten
Baugrundverhältnissen zur Anwendung. Dabei können mechanische Lösemethoden und
Vollschnittmaschinen zum Einsatz kommen oder der Vortrieb erfolgt mittels Sprengen.
Die Vorteile des Vollausbruchs sind, dass der Einsatz von größeren Geräten möglich ist und es zu
einem raschen Ringschluss der Auskleidung kommt. Weiters kommt es nur zu einer einmaligen
Spannungsumlagerung im Gebirge. Ein großer Nachteil des Vollausbruchs ist die Instabilität der
Ortsbrust. Es kommt zu großen Verformungen, teilweise schon vor dem Ausbruch. Durch die langen
Zykluszeiten können die Stützmittel erst sehr spät eingebaut werden. Die langen Zykluszeiten
resultieren aus der großen Querschnittsfläche, da das Bohren, Laden, Schuttern und Sichern relativ
lange dauert. Eine ausreichende Standzeit des Gebirges ist für die Anwendung des Vollausbruches
daher eine Grundvoraussetzung. Ein weiterer Nachteil des Vollausbruches ist die geringe
Anpassungsmöglichkeit bei variierenden Gebirgsverhältnissen. Dies führt häufig zum Einsatz von
Zusatzmaßnahmen.
Kalotte
Strosse
Sohle
Ulmenstollenvortrieb (side-wall-drift)
Der Ulmenstollenvortrieb kommt hauptsächlich dort zum Einsatz, wo Setzungen des Überbaues zu
minimieren sind.
Ein Nachteil dieser Querschnittsunterteilung ist die große Zahl an verloren gehenden Stützmitteln. Die
innere Wand der Ulmenstollen wird nach Fertigstellung des Kernes entfernt. Die beschränkten
Platzverhältnisse in den Ulmen und im Kern beschränken die Größe der Baugeräte.
Man unterscheidet zwischen einhüftigem und zweihüftigem Ulmenstollenvortrieb.
Zweihüftiger Ulmenstollen
Es werden zwei symmetrische Ulmenstollen aufgefahren, wobei der eine Stollen dem anderen
vorauseilt.
Einhüftiger Ulmenstollen
Abbildung 5-82: Bauphase eines einhüftigen Abbildung 5-83: Auffahren eines einhüftigen Ulmenstollens
Ulmenstollens [Wiener Linien, 2000]. [Wiener Linien, 2000].
Zwillingsröhren
Abbildung 5-85: Ausbruchsfolgen der in NÖT hergestellten dreiröhrigen U3-Station "Westbahnhof" [Wiener Linien, 2000].
Abzweigung Brenner
5.3.7.2. Querschnittsformen
Abbildung 5-87: Querschnittsformen der Tunnel: a) Kreisprofil, b) Kreisprofil mit abgeflachter Sohle
(Maulprofil), c) Hufeisenprofil, d) nordisches Profil, e) Rechteckprofil, f) Trapezprofil, g) Doppelröhrenprofil,
h) Zwillingsröhren [Striegler, 1993].
Abbildung 5-88: Querschnitt zweigleisiger Abbildung 5-89: Dreigleisiger Querschnitt mit seitlichen
Streckentunnel [Schimetta, 2007]. Pfeilerstollen [Schimetta, 2007].
5.3.7.3. Querschläge
Unter einem Querschlag versteht man einen Verbindungstunnel, z.B. zwischen zwei Tunnelröhren
oder zwischen einem Tunnel und einem Sonderbauwerk. Bei zwei parallelen Tunnelröhren (z.B. U-
Bahn) werden Querschläge als Fluchtwege genutzt. Personen können im Bedarfsfall aus der einen
Röhre über den Querschlag in die andere Röhre fliehen. Baubetrieblich können Querschläge ebenfalls
genutzt werden, indem beispielsweise das Schuttern durch den Paralleltunnel erfolgt.
Es gibt zwei Möglichkeiten, wie sich das Gewölbe bei engstehenden Tunneln ausbildet (siehe
Abbildung 5-91). Bilden sich zwei Einzelgewölbe aus, so entsteht zwischen den beiden Röhren ein
Bereich (Abbildung 5-91, Fall 1), in dem sich die Spannungen konzentrieren. Im kritischen Zustand
berührt der Spannungskreis die Bruchgerade. Bildet sich nur ein Gewölbe über beide Tunnelröhren
aus (Abbildung 5-91, Fall 2), kommt es an den äußeren Seiten der beiden Tunnelröhren zu
Spannungskonzentrationen.
Ein Einzelgewölbe kann sich nur bei ausreichender Überdeckung ausbilden, da dieses eine große
Gewölbehöhe aufweist.
Welcher Spannungszustand sich ausbildet ist abhängig von:
den Fels- und Bodeneigenschaften,
der Überdeckungshöhe,
dem Abstand zwischen den beiden Tunnelröhren,
dem Bauablauf.
Der Bauablauf spielt eine entscheidende Rolle. Bei synchronem Vortrieb der beiden Röhren bilden
sich häufig zwei Einzelgewölbe aus. Bei schlechtem Gebirge ist die Ausbildung von zwei
Einzelgewölben zu vermeiden und der Bauablauf auf einen asynchronen Vortrieb umzustellen, sodass
sich ein größeres Einzelgewölbe ausbildet. Falls dies nicht möglich ist, sollte der Bereich zwischen
den beiden Tunnelröhren, z.B. durch Injektionen bzw. mit dem Düsenstrahlverfahren, verbessert
werden.
Abbildung 5-91: Tragverhalten des Zwischenstützkörpers bei engstehenden Tunneln [adaptiert nach Brandl,
2006].
Abbildung 5-93: Übergang von einem zweiröhrigen Tunnel zu einem einröhrigen Tunnel [Brandl, 2006].
Abbildung 5-95: Anordnung bei einem großen Hohlraum mit ringförmigen Stollen für Spannglieder und einem
perimetrischen Stollen [Brandl, 2006].
Ringschlitz-Methode
Abbildung 5-96: Ausbruchschema nach dem Ringschlitzverfahren im unteren Kuppelbereich [Brandl, 2006].
Ein Ringschlitz wird spiralförmig ansteigend ausgebrochen und die Sicherung einschließlich des
bewehrten Betons der Innenschale wird sofort eingebaut (Kaverne). Die Kalotte wird hingegen mit
radial zum Scheitel führenden Einzelstollen aufgefahren.
Spiralstollen-Methode
Zur Lösung dieser Aufgabe wird vorgeschlagen, einen Stollen spiralförmig an der Peripherie des
zukünftigen Hohlraums von einem Zugangsstollen aus hochzuführen. Als Beispiel zu diesem
Ausbruchsverfahren ist eine kreisförmige Kaverne mit 65 m Durchmesser und 70 m Höhe in
Abbildung 5-97 und Abbildung 5-98 dargestellt. Zwei Bauzustände sind aufgezeigt.
Kavernenabmessungen: Spiralstollenabmessungen:
Kavernendurchmesser 65 m Querschnitt 25 m²
Kavernenhöhe 70 m Länge 1300 m
Gesamtausbruch 200.000 m³ Steigerung 4,8-5,5 %
Schutterschacht 20 m²
Abbildung 5-97: Auffahren des Spiralstollens zur Abbildung 5-98: Betriebsweise beim Kernausbruch
Erschließung und Sicherung [Brandl, 2006]. [Brandl, 2006].
5.4. Richtlinien
5.4.1. ÖGG Richtlinie für die geotechnische Planung von Untertagebauten mit zyklischem
Vortrieb
Ziel der geotechnischen Planung ist die wirtschaftliche Optimierung der bautechnischen Maßnahmen
unter Berücksichtigung der jeweils vor Ort anstehenden Gebirgsverhältnisse bei Gewährleistung der
Sicherheit, der Umwelterfordernisse und der Langzeitstabilität.
Die Richtlinie der Österreichischen Gesellschaft für Geomechanik (ÖGG) gibt ein klar strukturiertes
geotechnisches Dimensionierungskonzept mit der bestmöglichen Anpassung der Baumaßnahmen an
die jeweiligen Verhältnisse des Untergrundes vor Ort.
Die geotechnische Planung setzt sich aus zwei Phasen zusammen:
Phase 1: Planung
Die Phase 1 umfasst die Bestimmung der Gebirgsarten und des Gebirgsverhaltens, die Wahl eines
tunnelbautechnischen Konzeptes, die Abschätzung des Systemverhaltens und die Erstellung eines
tunnelbautechnischen Rahmenplanes.
Phase 2: Bauausführung
Die geotechnisch relevanten Gebirgsparameter zur Bestimmung der aktuellen Gebirgsart werden
während des Baues erfasst und ausgewertet. Auf Basis dieser Auswertung wird unter
Berücksichtigung der Einflussfaktoren das aktuelle Systemverhalten im Ausbruchsbereich
abgeschätzt. Unter Beachtung des tunnelbautechnischen Rahmenplans werden die bautechnischen
Maßnahmen für das prognostizierte Systemverhalten festgelegt.
Definitionen aus der ÖGG Richtlinie:
Gebirgsart (GA): Gebirge mit gleichartigen Eigenschaften
Gebirgsverhalten (GV): Reaktion des Gebirges auf den Ausbruch ohne Berücksichtigung von
Stützung oder Querschnittsunterteilung
Gebirgsverhaltenstyp (GVT): Übergeordnete Kategorien von ähnlichen Gebirgsverhalten in
Bezug auf Verformungscharakteristika und Versagensmechanismen
Systemverhalten (SV): Verhalten des Systems aus Gebirge und gewählten Baumaßnahmen,
unterteilt in:
Systemverhalten im jeweiligen Ausbruchsbereich
Systemverhalten im gesicherten Bereich
Systemverhalten im Endzustand
Abbildung 5-99: Unterteilung der Bereiche für das Systemverhalten [ÖGG-Richtlinie, 2008].
Abbildung 5-100: Schematischer Ablauf der geotechnischen Planung (Phase 1) [ÖGG- Richtlinie, 2008].
Abbildung 5-102: Grundsätzlicher Ablauf der Festlegung und Überprüfung von Baumaßnahmen während der
Ausführung (SVp= prognostiziertes Systemverhalten, SVb=beobachtetes Systemverhalten) [ÖGG- Richtlinie,
2008].
Abbildung 5-103: Vortriebsklassenmatrix für den Vortrieb der Kalotte, der Strosse oder der Kalotte mit Strosse
[ÖNORM B 2203-1, 2001].
Darauf aufbauend soll folgende Übersicht die systematische Einteilung der Tunnelvortriebsmaschinen
erläutern. Die Tabelle ist im ÖVBB-Arbeitsausschuss zur Erstellung der Richtlinie Schildvortrieb
entstanden und in etwas abgeänderter Form auch im Anhang der Richtlinie enthalten.
Schildmaschinentypen, welche gegenwärtig in der Praxis kaum Verwendung finden, sind in der
Auflistung nicht enthalten.
Tabelle 6-1: Tunnelvortriebsmaschinen – Systeme [ÖVBB-Richtline Schildvortrieb, 2009 – adaptiert]
Kurz-
Sicherung Beschreibung, beispielhafte
Maschinen- bezeichnung Einsatzbereich
des Arbeits- TVM Systeme Abbau Darstellung
typ gemäß RVS (Baugrund)
bereichs
09.01.31
Richtlinie Schild
Keine
TBM
Festgestein mit
Gripper TBM / voll-
TBM-O geringer
Main-beam TBM flächig
Nachbrüchigkeit
Einfachschild / Ortsbrust im
Single shield Stillstand
möglich.
Ableitung der Vorschubkräfte
Tunnellaibung
Kurz-
Sicherung Beschreibung, beispielhafte
Maschinen- bezeichnung Einsatzbereich
des Arbeits- TVM Systeme Abbau Darstellung
typ gemäß RVS (Baugrund)
bereichs
09.01.31
Ortsbruststützung durch
Stützung der Ortsbrust
(mit atmosphärischen
horizontale Zwischenbühnen
Druckverhältnissen)
(aktive Stützung)
und/oder segmentweises
offene Schilde
wie SM-T1,
jedoch mit Druckwand;
Schildschwanzdichtung
Grob- bis
feinkörniges
Stützdruckregelung über Lockergestein,
Penetration und Drehzahl der wenn es in der
mit Erddruck / Förderschnecke bei gefüllter Abbaukammer zu
voll-
earth pressure SM-V5 Abbaukammer; einer weichen bis
flächig
balance Schildschwanzdichtung; steif-plastischen
Förderschnecke Masse verarbeitet
werden kann. Auch
mit Festgesteins-
abschnitten.
Kombination
unter-
schiedlicher
Abschnittsweise
Betriebsmodi
unterschiedliche
voll- erfordert
veränderbar / mixed SM-V-M Böden, von
flächig zumeist
Lockergestein bis
teilweisen
hin zum Festgestein
Umbau der
TVM; Schildschwanzdichtung
Schild werden bei brüchigen Felsformationen oder weichem Gestein eingesetzt. Sie weisen ein sehr
großes Einsatzspektrum im Festgestein auf.
6.1.1.1. Geschildete Teilschnittmaschinen
Die besondere Flexibilität der Schilde mit Teilflächenabbau wird anhand der Möglichkeit des
schnellen Wechsels der Abbautechnik sichtbar. Auf einem Basisgerät können verschiedene
Abbauwerkzeuge installiert werden, der Wechsel ist mit nur geringem Aufwand verbunden und kann
in kürzester Zeit realisiert werden.
Teilschnittmaschinen können aufgrund ihrer offenen Bauweise an der Ortsbrust keinen Stützdruck
über ein Stützmedium aufbauen. Daher werden verschiedene andere Verfahren angewendet, um eine
Stützung der anstehenden Geologie zu erreichen. Eine Möglichkeit ist der Einsatz eines
Haubenschildes, bei dem die Firste des Schildmantels verlängert (nach vorne auskragend) ist. Dabei
wird die Schildschneide an den Reibungswinkel des Bodens angepasst, um einen permanenten
Kontakt zur Ortsbrust zu realisieren. Dadurch kann kein Boden von oben nachbrechen und
übermäßige Setzungen werden vermieden. Als weitere Maßnahme kann über eine oder mehrere
Querbühnen der Schuttwinkel zusätzlich verkürzt werden.
Abbildung 6-2: Ortsbruststützung mittels waagrechter Brustlamellen im rolligen Boden [Széchy, 1961].
Steine oder Blöcke im Untergrund sind für ein Haubenschild oftmals problematisch, da diese –
insbesondere bei Lage in der Firste oder in den Ulmen – ein Hindernis für die Schildschneide
darstellen können.
Bei offenen Teilschnittmaschinen können zudem ausfahrbare Verbauplatten installiert werden, die bei
Bedarf als weitere Sicherheitsmaßnahme hydraulisch gegen die Ortsbrust gedrückt werden.
Bei Messerschilden wird der Schildmantel in einzelne „Messer“ aufgelöst, welche sich – ähnlich dem
Haubenschild – dem Vortrieb voreilend in den Untergrund drücken.
Abbildung 6-5: Aufweitungs-TBM, Schemaschnitt durch eine zweistufige Erweiterungsbohrmaschine Fa. Wirth [Maidl,
1984].
Die Aufweitungs-TBM ergänzt in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht den Einsatzbereich der
Vollschnittmaschinen. Sie eignet sich besonders in Gebirgsverhältnissen, in denen durch
Sondierstollen besondere Risikofaktoren erfasst werden sollen.
L1*-Arbeitsbereich
7
2
5
6
4
3
Abbildung 6-9: Prinzip der Druckluftstützung (links) im Gegensatz zur Ortsbruststützung mittels Erdbrei oder
Suspension (rechts) [Maidl, 1994].
Eine Weiterentwicklung des Druckluftschilds ist der sog. Membranschild, bei dem in der
Abbaukammer Bentonitsuspension auf die Ortsbrust gespritzt wird. Dadurch entsteht eine einige
Millimeter dicke, undurchlässige „Membran“, wodurch der aufgebrachte Luft-Überdruck auch dem
Erddruck entgegenwirkt.
Die Förderschnecke übergibt den Abraum an das erste Förderband der Förderband-Kaskade. Über
diese Bänder gelangt das abgebaute Material zum so genannten Reversierband, über welches die
Abraumtransportwagen in den Nachläufern im Reversierbetrieb beladen werden.
Der Boden wird an der Ortsbrust vollflächig durch das in der Bentonitsuspension rotierende
Schneidrad (i.d.R. mit Schälmessern und Rollenmeißeln bestückt) gelöst und vermischt sich mit der
Suspension. Der Schildbereich in dem das Schneidrad rotiert wird als Arbeitskammer bezeichnet und
ist vom unter atmosphärischem Druck stehenden Schildabschnitt durch die Druckwand getrennt.
Die durch die Speiseleitung zugeführte Bentonitsuspension wird in der Arbeitskammer über eine
Luftblase mit Druckluft beaufschlagt, der dem anstehenden Erd- und Wasserdruck entspricht und
somit ein unkontrolliertes Eindringen des Bodens bzw. einen Stabilitätsverlust an der Ortsbrust
verhindert. Die Steuerung des Stützdruckes in der Abbaukammer erfolgt nicht direkt über den
Suspensionsdruck, sondern über ein kompressibles Luftpolster. Aus diesem Grund ist die
Abbaukammer hinter dem Schneidrad durch eine sogenannte Tauchwand von der Druckwand
getrennt. Der Bereich Tauch- und Druckwand wird als Druck- bzw. Arbeitskammer bezeichnet.
Zusammen mit der Suspension wird der gelöste Boden durch eine Förderleitung herausgepumpt.
Größere Steine oder Blöcke zerkleinert ein Steinbrecher (Backen-, Kasten-, Greifer- oder
Konusbrecher). Außerhalb des Tunnels werden Boden und Suspension in einer Separieranlage
voneinander getrennt und die gereinigte Bentonitsuspension wird anschließend durch die Speiseleitung
der Maschine wieder zugeführt.
Im Unterschied zum Hydro-Schild verfügt ein sog. Slurry-Schild über keine Luftblase zur aktiven
Stützdruckregelung. Der Stützdruck wird beim Slurry-Schild über die Zu- und Abfuhrmenge der
Fördersuspension gesteuert, was vergleichsweise ungenau ist. Der Einsatz beschränkt sich daher auf
Vortriebe mit kleinerem Durchmesser (Rohrvortriebe).
Beim sog. Thixschild wird eine Teilschnittmaschine innerhalb der suspensionsgefüllten
Abbaukammer zum Bodenabbau eingesetzt.
Die in Tabelle 6-2 angegebenen Eignungen der Schildmaschinen beziehen sich ausschließlich auf die
Boden- und Grundwasserverhältnisse, jedoch nicht auf die Anforderungen aus speziellen
Anlageverhältnissen und Nutzungen aus dem Umfeld. Für die Beurteilung der Eignung ist auch die
Größe des Ausbruchsquerschnitts einzubeziehen.
Bei Suspensions-Schildmaschinen (SM-V4) muss das Ausbruchsmaterial nach der Abförderung von
der Stützflüssigkeit separiert (getrennt) werden. Je feinkörniger der Boden ist, umso aufwändiger
gestaltet sich dieser Vorgang. Bei feinkörnigen Böden besteht in Abhängigkeit von der Plastizität auch
die Gefahr von Verklebungen im Abbaubereich, die den Vortrieb stark beeinträchtigen können.
Schilde mit flüssigkeitsgestützter Ortsbrust werden daher hauptsächlich bei Sanden und Kiesen
angewendet. Die Durchlässigkeit des anstehenden Bodens darf dabei i.d.R. nicht mehr als ca. 1x10-
3
m/s betragen, damit nicht zu viel Stützflüssigkeit durch die Ortsbrust entweicht. Bei größerer
Durchlässigkeit sind Zusatzmaßnahmen (z.B. Porenrauminjektionen) erforderlich.
Erddruckschilde (SM-V5) können in bindigen Böden mit breiiger bis weicher Konsistenz gut und
vorteilhaft eingesetzt werden. Günstig sind relativ undurchlässige Böden (kf < 1x10-5 m/s), deren
Konsistenz die Bildung eines Erdbreies möglichst ohne Wasserzugabe ermöglicht. In feinkörnigen
Böden hoher Konsistenz mit geringem Wassergehalt wird viel Energie zur Verbreiung des Bodens
benötigt. Unterhalb der Grenz-Körnungslinie steigen die Wasserdurchlässigkeit und die innere
Reibung des Bodens stark an. Die Anwendbarkeit von Erddruckschilden hängt hier stark vom
anstehenden Grundwasser ab. Gegebenenfalls ist bei diesen Böden die Zugabe von
Konditionierungsmitteln vorzusehen, sodass noch ein stützender Erdbrei hergestellt werden kann.
Der Einsatz von Druckluftschilden (SM-T3, SM-V3) beschränkt sich im Wesentlichen auf Sande,
bzw. Wechselschichten aus Sanden mit feinkörnigen Böden. Da die Luftdurchlässigkeit von Boden
rund 70-mal höher ist als die Wasserdurchlässigkeit, ist bei stark durchlässigen Böden mit etwa
kf > 1x10-4 m/s der Druckluftverbrauch zu groß, sodass nur nach vorheriger Reduzierung der
Durchlässigkeit (z.B. durch Injektionen) eine Druckluftstützung möglich ist.
Über der Tunnelfirste ist in homogenen Untergrundverhältnissen eine Mindestüberdeckung von ca.
dem zweifachen Schilddurchmesser zur Gewährleistung der Ausbläsersicherheit (siehe Kapitel 6.1.1.6
und 6.5.6) zu berücksichtigen.
Ist eine mechanische Stützung der Ortsbrust nicht erforderlich, kann das Schneidrad als Speichenrad
ausgebildet werden. Auf diese Weise wird eine gute Zugänglichkeit zu den installierten Werkzeugen
erreicht. Der gelöste Boden kann zwischen den Speichen hindurch nach hinten fallen. Da jede einzelne
Speiche in der Lage sein muss, den auftretenden Kräften aus Drehung und Vorschub zu widerstehen,
ist eine stabile Konstruktion erforderlich.
Bei inhomogenen Schichten oder beim Auftreten von Vortriebshindernissen ist dagegen ein
Felgenspeichenrad vorzuziehen, da es einseitige Überbeanspruchungen verhindert, indem es die
örtlich angreifenden Kräfte über eine umlaufende Felge auf mehrere Speichen verteilt. Bei
entsprechend großem Schilddurchmesser können die Speichen begehbar gestaltet werden, sodass ein
Auswechseln der Abbauwerkzeuge möglich ist.
Eine geschlossene Schürfscheibe – mit vergleichsweise schmalen Durchlassschlitzen für den
abgebauten Boden – bietet den Vorteil, dass eine gewisse mechanische Stützwirkung durch das
Schneidrad auf die Ortsbrust aufgebracht werden kann. Weiters bietet die Schürfscheibe ausreichend
Platz für die Unterbringung der erforderlichen Abbauwerkzeuge. Als nachteilig sind das große
erforderliche Antriebsdrehmoment und die klassifizierende Wirkung (es wird nur Abbaumaterial das
kleiner ist als die Durchlassöffnungen abtransportiert) zu nennen.
6.3.1. Abbauwerkzeuge
Der Bohrkopf bzw. das Schneidrad einer Schildmaschine ist mit jeweils auf den zu erwartenden
Boden abgestimmten Abbauwerkzeugen bestückt. Für den Bodenabbau kommen im Regelfall
folgende Werkzeugtypen bzw. Kombinationen daraus in Betracht:
Rollende (Rollmeißel)
Ritzende (Reißzähne)
Schälende (Rundschaftmeißel, Schälmesser)
Einen Überblick über mögliche Werkzeugbestückungen soll Tabelle 6-3 verschaffen.
Tabelle 6-3: Abbauwerkzeuge in Abhängigkeit der Bodenklasse [Girmscheid, 1997 – adaptiert]
Nr. Bodenklasse Abbauwerkzeug / konstruktive Gestaltung
1 Leicht lösbare Bodenarten Schälmesser
Nicht bis schwach bindige Sande, Kiese, etc. Durchgehende Schneidkante
2 Mittelschwer lösbare Bodenarten
Bindige Böden leichter bis mittlerer Plastizität
Sande, Kiese Schälmesser, Stichel
Schluffe, Tone Zusätzlich vorauseilender Zentrumsschneider
3 Schwer lösbare Bodenarten
Wie 1 und 2, jedoch Korngröße > 63 mm, Wie bei 2 sowie Rollendisken und kleine
Steine bis 0,1 m³, Findlinge bis 1 m³ Steinbrecher
4 Leicht lösbarer Fels oder vergleichbare Bodenarten
o Fels, bröckelig, schiefrig, weich, verwittert Disken
o Vergleichbare verfestigte, nichtbindige sowie Rollenmeißel
bindige Böden Meißel
Abräumzähne
5 Schwer lösbarer Fels, Disken
hohe Gefügefestigkeit Rollenmeißel
Meißel
Rollenmeißel zerstören das Gestein durch Druck, den die hohen punktförmigen Warzen oder
linienförmigen Disken ausüben. Es kommt zu örtlichen Überbeanspruchungen im Gestein, dadurch
entstehen Zugspannungen (radiale Risse, siehe Abbildung 6-20) die zu Abplatzungen führen. Die
Abplatzungen sind in der Regel scheibenartig und werden Chips genannt.
1,5
1,4 fest
fest
1,3
1,2 Hohes
halb-
halb- Verklebungspotential
hohes
1,1 fest
Konsistenzzahl Ic
fest Verklebungspotential
1
0,9 steif
steif
0,8 Tunnel Westerschelde
0,7
weich mittleres Verklebungspotential
0,6 w eich
0,5
breiig Niedriges
niedriges Verklebungspotential
Verklebungspotential
0,4
breiig
0,3
0 10 20 30 40 50 60 70
Plastizitätszahl lp [%]
Abbildung 6-21: Beurteilung der Klebrigkeit von Böden (Thewes, 1999) Hinweis: Nach neuer Definition
Konsistenzzahl 0,25 < Ic < 0,5 „sehr weich“, Ic < 0,25 breiig.
Abrasivität wird in der ÖN B2203-2 definiert als die „den Werkzeugverschleiß bestimmende
Gesteinseigenschaft“. Der Werkzeugverschleiß (Abrasivverschleiß aber auch Gewaltverschleiß) ist
mittlerweile bei maschinellen Vortrieben sowohl im Festgestein als auch im Lockergestein ein
wesentlicher Leistungs- und damit Kostenparameter.
Nachfolgende Tabellen sollen einen Überblick über mögliche Einflüsse der Boden- bzw.
Felseigenschaften auf die wesentlichen Verfahrensprozesse des maschinellen Vortriebs verschaffen.
Tabelle 6-4: Zu erkundende Baugrundeigenschaften und Angabe ihrer Einflüsse auf den Schildvortrieb im
Festgestein [ÖVBB-Richtline Schildvortrieb, 2009]
Einfluss auf
Verformungs-
Eigenschaften im
entsorgung
Separation
Förderung
Ortsbrust-
sicherheit
Material-
verhalten
Festgestein
stützung
Arbeits-
Abbau
Gesteinsfestigkeit x x x x x x
Mineralogischer Aufbau x x x
Mineralhärte x
Abrasivität x x
Zähigkeit x x x x
Trennflächen x x x x
Klüftigkeit x x x
Wasseranfall x x x x x x
Durchlässigkeit x x x
Gase x x x x x
Wasser- und Bodenchemismus x x x x x
Tabelle 6-5: Zu erkundende Baugrundeigenschaften und Angabe ihrer Einflüsse auf den Schildvortrieb im
Lockergestein [ÖVBB-Richtline Schildvortrieb, 2009]
Einfluss auf
Verformungs-
Eigenschaften im
entsorgung
Separation
Förderung
Ortsbrust-
sicherheit
Material-
verhalten
Lockergestein
stützung
Arbeits-
Abbau
Kornverteilung x x x x x x x
Kornform x x x x x x x
Steine x x x x
Lagerungsdichte x x x
Konsistenz x x x x x x
mineralogische Zusammensetzung x x x
Chem./mineralogische Verfestigungen x x x x
Klebrigkeit x x x x
Abrasivität x x
Grundwasser x x x x x
Durchlässigkeit x x x
Bodenschichtung x x x x
Scherfestigkeit x x
Natürlicher Wassergehalt x x x x x
Gase x x x x x
Wasser- und Bodenchemismus x x x x x
Unabhängig von dem gewählten statischen Ansatz der Kräfte übernimmt die Spannung aus
Bodenauflast beim Nachweis der Aufbruch- und Ausbläsersicherheit eine wichtige stützende
Funktion.
6.5.2. Aus- und Einfahrsicherung
Zu Beginn eines maschinellen Vortriebs im Festgestein liegt aufgrund der Gebirgstopografie zumeist
eine grundsätzlich andere Anfahrsituation vor als im Lockergestein. Oberflächennah anstehende
instabile Gebirgsformationen (z.B. Hangschutt) sind bei der Projektplanung ebenso zu beachten, wie
die Forderung einer ausreichenden Firstüberdeckung. Derartige Randbedingungen können es unter
Umständen erforderlich machen, den Anfahrbereich (bzw. ggf. auch den Durchschlagsbereich) vorab
konventionell (nach den Grundsätzen der NATM) oder mittels Voreinschnitt in offener Bauweise
herzustellen.
Im Lockergestein wird ein Schildvortrieb üblicherweise von einem Startschacht aus begonnen bzw. in
einem Zielschacht beendet. Liegt die Vortriebstrasse unter dem Grundwasserspiegel, sodass der
Einsatz einer geschlossenen Schildmaschine erfolgt, sind gesonderte Maßnahmen zur Aus- bzw.
Einfahrsicherung erforderlich, um den Gradient des Wasserdrucks zu beherrschen. Der
Grundwasserdruck hinter der Baugrubenwand steht den atmosphärischen Bedingungen im Schacht
gegenüber.
Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass Stahlbewehrung der Schachtumschließung oder
Stahlspundbohlen etc. üblicherweise nicht vom Abbauwerkzeug der Schildmaschinen durchörtert
werden können. Aus diesem Grund muss der Aus- bzw. Einfahrquerschnitt frei von Stahlteilen
gehalten werden, wodurch insbesondere bei tiefen Schächten Sondermaßnahmen zur Aufnahme des
anstehenden Erd- und Wasserdrucks erforderlich sind.
Eine praxiserprobte Möglichkeit zur Aus- bzw. Einfahrsicherung bei Schildvortrieben stellen erdseitig
angeordnete Dichtblöcke dar, die die auftretenden Erd- und Wasserdrücke nach dem („händischen“)
Öffnen der Schachtwand und Entfernen der statischen Bewehrung aufnehmen und gleichzeitig die
erforderliche Abdichtfunktion erfüllen, bis der hergestellte Tübbingtunnel ausreichende Länge dafür
besitzt.
Eine andere Möglichkeit ist der Einbau von Glasfaserbewehrung (GFK-Bewehrung) in den zu
durchörternden Bereichen der Baugrubenwand. Die Glasfaser-Stabbewehrung hat ähnliche
Zugfestigkeitseigenschaften wie Stahl, bringt jedoch den wesentlichen Vorteil der Spanbarkeit mit
sich. Somit ist es den Schneidwerkzeugen der Tunnelvortriebsmaschine möglich, die Schlitzwand-
Außenschale rotierend zu durchörtern. Zusätzlich sind zumeist innen liegende Dichtkonstruktionen
(z.B. Anfahrbrille, unbewehrter Dichtblock) erforderlich.
Schließlich sind auch Sonderverfahren, wie beispielsweise ein vorgesetzter Dichttopf zum Aufbrechen
der Schachtwand unter Druckluft oder eine Grundwasserabsenkung zur alleinigen oder ergänzenden
Aus- bzw. Einfahrsicherung, möglich.
Möglichkeiten für außenliegende Dichtblöcke zur Aus- bzw. Einfahrsicherung
Die Unstetigkeitsstelle, die entsteht, wenn sich die Schildmaschine durch die Schachtwandung in den
Boden arbeitet, bis die ersten Tübbingringe gegen die Schachtwand hin abgedichtet werden können
(i.d.R. mittels Injektionen), muss überbrückt werden, wofür verschiedene Möglichkeiten bestehen.
Bei erosionsstabilen Böden und geringem Wasserdruck kann eine Bodenverbesserung (z.B. mittels
Rütteldruckverfahren, Niederdruckinjektionen usw. (siehe dazu Vorlesung Grundbau und
Bodenmechanik) hinter der Ausfahrwand bereits ausreichend sein.
Bei hohen Wasserdrücken und erosionsgefährdeten Böden ist es Stand der Technik, dass in jeder
Phase der Anfahrsituation zwei unabhängige redundante Dichtebenen wirksam sind. Die erste
Sicherheitsebene ist ein erdseitig angeordneter Dichtkörper, welcher durch eine im Schacht
angeordnete sog. Anfahrbrille (Lippendichtung) unterstützt wird.
Bei allen Verfahren zur Herstellung eines Dichtblocks muss berücksichtigt werden, dass ein
unbeabsichtigt verbleibender Stahlteil im Ausfahrquerschnitt (z.B. verlorenes Bohrgestänge, nicht
mehr zu ziehende Spundbohle etc.) zu massiven Problemen beim Anfahr- (bzw. Einfahr-)vorgang
führt!
Einfahren in einen Zielschacht (unterhalb des Grundwasserspiegels)
Für das Einfahren in den Zielschacht stehen im Prinzip dieselben Maßnahmen zur Verfügung wie
beim Ausfahren aus dem Startschacht. Atmosphärische Bedingungen im Zielschacht sind während des
Einfahrvorganges jedoch nicht zwingend notwendig. Ist der Einfahrquerschnitt der Schachtwand frei
von Stahlteilen (z.B. indem in diesem Bereich GFK-Bewehrung vorgesehen wurde), kann in den
aufgefüllten und/oder gefluteten Zielschacht eingefahren werden und der Grundwasserdruckgradient
wird somit ausgeglichen bzw. zumindest reduziert. Der „Vortrieb“ erfolgt dann im Zielschacht so
lange, bis der letzte Tübbingring gegen die Schachtwandung abgedichtet werden kann (z.B. mittels
Injektionen vom Schild aus). Anschließend wird der Schacht ausgehoben bzw. gelenzt und die
Schildmaschine kann geborgen werden.
Abbildung 6-24: Beispiele für Schildeinfahren in Zielschächte [Japanese Standard for Shield Tunneling, 2001].
Dichtungssysteme
Einfachdichtung Verwendung bei größeren Tunneldurchmessern
Vorteile:
Geringeres Gewicht der Dichtung, Stahlbau zur Befestigung der Dichtung ist nicht so stabil
ausgebildet.
Ausgleich größerer Toleranzen im Stahlbau der Anfahrdichtung bei der TBM und bei der
Anfahrsituation der Maschine ist erforderlich.
Nachteile:
Zwei separate Dichtungsaufnahmen im Stahlbau werden benötigt.
Montageaufwand ist größer.
Doppellippendichtung Verwendung bei kleineren Tunneldurchmessern
Vorteile:
Es wird nur eine Dichtungsaufnahme (Stahlbau) benötigt, dadurch geringerer Stahlbauaufwand.
Montageaufwand der Dichtung ist geringer.
Nachteile:
Der Abstand der einzelnen Lippen ist geometrisch vorgegeben, d.h. nur dieser Abstand kann zum
Toleranzausgleich genutzt werden
Das Gewicht ist höher.
6.5.3. Massen-/Volumenbilanz zur Aushubkontrolle
Bei der Volumen- oder Massenbilanz, die ein wesentliches Kontrollsystem im maschinellen
Tunnelbau ist, wird der tatsächliche Aushub (z.B. pro Hub) der theoretisch hergestellten
Hohlraumkubatur im selben Abschnitt gegenüber gestellt. Auf diese Weise lassen sich unerwünschte
Auswirkungen des Tunnelvortriebs (z.B. Hohlraumbildung außerhalb der Tunnelauskleidung und ggf.
daraus resultierende Geländesetzungen bei Mehraushub bzw. Geländehebungen bei Minderaushub)
rechtzeitig erkennen und im Vortrieb können ggf. entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Die Aufzeichnung der Aushubmengen (Massen- oder Volumenstrom) während der Schildfahrt ist,
neben anderen wesentlichen Maschinendaten, als Teil der Qualitätssicherung und -dokumentation des
Vortriebs zu betrachten.
Alle Bilanzierungssysteme zur Aushubkontrolle vergleichen einen Zahlenwert für den effektiv
geförderten Boden mit einem theoretischen Sollwert. Derartige Bilanzen können jedoch nur so genau
sein, wie es gelingt, den theoretischen Sollwert exakt zu ermitteln, der im Lockergestein ganz
entscheidend von der Lagerungsdichte abhängig ist und im Festgestein von der Kluftgröße, -anzahl
etc.
6.5.3.1. Möglichkeiten der Volumenbilanz
Bei allen Varianten einer Volumenbilanz bei Erddruckschilden kann als Zahlenwert für das
eindringende Volumen nur ein oberer Grenzwert angegeben werden. Dieser Grenzwert ergibt sich aus
dem Ausbruchsquerschnitt multipliziert mit der Vortriebsgeschwindigkeit. Er entspricht damit dem
Volumen der Bodenkörner und dem Porenvolumen, auch wenn gemäß dem Stützprinzip der abgebaute
Boden in der Förderschnecke so undurchlässig sein soll, dass nur Boden ausgetragen und eventuelles
Grundwasser zurück gehalten wird. Gegebenenfalls ist die Zugabe von Konditionierungsmittel mit zu
berücksichtigen.
Eine Volumenbilanz über die Messung der Umdrehungen der Förderschnecke sollte aufgrund zu hoher
Unsicherheiten unterlassen werden.
Volumenbilanz über Durchflussmessungen
Bei Tunnelvortriebsmaschinen mit flüssigkeitsgestützter Ortsbrust (oder auch nur mit Nassförderung
des Bohrguts) werden sowohl in der Speiseleitung als auch in der Förderleitung
Durchflussmengenzähler installiert. Bei der Bilanzierung wird für jeden Vortriebszyklus die Differenz
der zu- und abgeführten Volumenströme ermittelt.
Die Volumenbilanz beinhaltet die grundsätzliche Problematik, die in den umgebenden Boden
abfließende Suspensionsmenge nicht zu kennen. Gleichzeitig tritt auch Grundwasser über die
Ortsbrust in die Abbaukammer ein. Die Menge ist abhängig von der Eindringtiefe der Stützsuspension
und von der Penetrationstiefe der Abbauwerkzeuge, jedoch nicht eindeutig quantifizierbar. Die
Aussagekraft der Volumenbilanz beim flüssigkeitsgestützten Schildvortrieb wird deshalb geringer als
die einer Massenbilanz (Wägung des separierten Aushubmaterials) erachtet.
Volumenbilanz über Zählung der gefüllten Aushubwagen
Die Zählung der gefüllten Aushubwagen ist eine gängige Vorgehensweise beim Vortrieb mit offenen
Schilden und bei Erddruckschilden. Üblicherweise sind die Wagen an der Innenwand mit einer
Markierung versehen, bis zu der sie mit Aushub befüllt werden. Auflockerungsfaktor (Schüttdichte),
Quelleffekt und Bodenkonditionierung beeinflussen das Ergebnis, können aber bei vergleichenden
Analysen der Ringwerte, bei gleichbleibenden Bodenverhältnissen, vorsichtig abgeschätzt werden.
Volumenbilanz über Zählung der Kolbenhübe bei Verwendung von Dickstoffpumpen
Bei Anordnung einer Dickstoffpumpe als Verschlussorgan am Austrag des Schneckenförderers kann
aus den Hubzahlen der Pumpe pro Vortrieb auf das geförderte Volumen unter der Voraussetzung
geschlossen werden, dass das mögliche Fördervolumen der Pumpe vollständig genutzt werden kann.
Der Förderzustand der Dickstoffpumpe ist abhängig von der vorgeschalteten Förderschnecke, der
momentanen Bodenbeschaffenheit und den Druckverhältnissen.
6.5.3.2. Möglichkeiten der Massenbilanz
Alle Varianten der Massenbilanz beim Erddruckschild basieren auf einer Wägung des
Aushubmaterials. Es wird der komplette Aushub erfasst, ein eventuell mit ausgetragener Wasseranteil
geht in das Messergebnis mit ein. Als Zahlenwert für die in die Abbaukammer eindringende Masse
können deshalb nur Grenzwerte angegeben werden. Als unterer Grenzwert fungiert die Feststoffmasse
der Bodenkörner. Den oberen Grenzwert stellt die Feststoffmasse des Aushubs zuzüglich der Masse
des Wassers für den Vortriebszyklus dar.
der Schildkonizität, der Dicke des Schildmantels sowie der Dicke der Schildschwanzfuge zusammen
und kann zwischen 8 cm bis 25 cm dick sein. Verformungen des Tübbingrings können die
Ringspaltdicke ebenfalls beeinflussen.
Ziel ist es, beim Auffahren eines Tunnels den ursprünglichen Spannungszustand im umgebenden
Gebirge weitgehend zu erhalten, bis die Tunnelauskleidung kraftschlüssig mit dem Gebirge eingebaut
ist. Dazu muss die Schildschwanzfuge zeitgleich mit dem Vorschub der Vortriebsmaschine unter
einem vorbestimmten auf den Primärspannungszustand abgestimmten und konstanten Druck verpresst
werden. Dadurch wird verhindert, dass sich das Gebirge in den Ringspalt hinein verformt, wodurch es
sich entspannen und auflockern würde.
Das Verpressmaterial wird während des Vorschubs durch mehrere am Umfang des Schildmantels
verteilte Öffnungen in den Ringspalt eingepresst. Die elastische Schildschwanzdichtung (Gummi-
oder Bürstendichtung) hindert das Verpressmaterial am Eindringen in die Schildmaschine zwischen
Tübbingaußenseite und Schildmantel. Wird zu wenig Verpressmaterial zugeführt, fällt der
Verpressdruck ab, wobei Boden und Grundwasser in den Ringspalt eindringen können, was Setzungen
an der Geländeoberfläche zur Folge hätte. Wird zu viel zugeführt, steigt der Verpressdruck über das
vorgesehene Maß an und Hebungen können entstehen. Aus diesem Grund erfolgt die
Ringspaltverpressung i.d.R. volumen- und druckgeregelt. Als Verpressmaterial können Zementmörtel,
Zweikomponenten-Mörtel (mit Härter) oder Trockengranulat (sog. Perlkies) verwendet werden.
6.5.5. Vortriebsunterbrechungen
Vortriebsunterbrechungen sind Stillstandszeiten, die nicht dem Vortrieb bzw. Ringbau zuzuordnen
sind. Es sind planmäßige und unplanmäßige Unterbrechungen zu unterscheiden.
Als planmäßige Vortriebsunterbrechungen sind gemäß ÖVBB-Richtlinie Schildvortrieb folgende,
stetig wiederkehrende Ereignisse definiert:
Wartungs- und Reinigungsarbeiten
Geplante Reparaturarbeiten
Logistikarbeiten (Band-, Hochspannungskabelverlängerung etc.)
Begehung der Abbaukammer (Werkzeugkontrolle etc.)
Umrüsten der TVM, Wechsel des Vortriebsverfahrens und der Betriebsweise
Als unplanmäßige Vortriebsunterbrechungen sind ebendort als nicht im Vorhinein erkennbare
Stillstände definiert. Als Ursachen kommen in Betracht:
Bewältigung von Vortriebshindernissen
Instabilitäten der Ortsbrust und der Tunnelleibung, Festfahren der TVM
Unzulässige Setzungen
Wasser-, Schlammeinbruch, Gasvorkommen
Die Vorteile eines Tübbingausbaues liegen in der sofort nach dem Einbau zur Verfügung stehenden
Tragfähigkeit, der Geometrietreue und der einfach zu kontrollierbaren Qualität. Als Nachteile sind die
praktisch nicht gegebene Flexibilität in der Geometrie, der fehlende Schubverbund zum Gebirge und
die wegen des Produktionsvorlaufes geringe Abstimmbarkeit auf die jeweiligen Gebirgsverhältnisse
zu nennen.
Der Tübbingeinbau in der Schildmaschine erfolgt mit Hilfe eines sog. Erektors, welcher zumeist mit
Vakuumsaugplatten die einzelnen Tübbingsteine aufnimmt und positioniert.
Tübbingtunnel haben grundsätzlich (aufgrund des fixen Schilddurchmessers) einen über die gesamte
Länge gleichbleibenden Durchmesser. Variable Durchmesser können in Ausnahmefällen durch ein
Spreiztübbingsystem realisiert werden, wobei als Schlussstein ein Spreizelement eingesetzt wird,
welches den Tübbingring an das umgebende Gebirge anpresst.
Doppelte Dichtungsbahnen
Erektor
Verschraubungslöcher
Der Schlussstein ist das Segment welches beim Ringbau zuletzt eingesetzt wird und somit den
kompletten Ring schließt und zentriert. Er ist i.d.R. keilförmig. Es gibt auch Tübbingkonstruktionen
bei denen auf einen Schlussstein verzichtet wird (siehe Abbildung 6-29).
Zur Lagesicherung werden die Tübbinge temporär gegenseitig verschraubt, die Verschraubungen
können i.d.R. im Nachläuferbereich wieder gelöst werden. Nur in den Portalbereichen und bei
Sonderbauwerken (Querschläge, Nischen, etc.) bleiben die Tübbinge gegebenenfalls permanent
verschraubt.
Zur dauerhaften Übertragung von Querkräften werden sog. „Topf-Nocke-Systeme“ ausgebildet.
Der verbleibende Spalt zwischen Tübbingaußenseite und Gebirge wird über Injektionsöffnungen im
Schildschwanz oder direkt über Öffnungen im Tübbing kontinuierlich z.B. mit Mörtel verpresst (siehe
Kapitel 6.5.4).
Bei Tunnelvortrieben unterhalb des Grundwasserspiegels sind spezielle Dichtkonstruktionen an den
Tübbingfugen vorzusehen.
Eine zweischalige Ausführung eines maschinell aufgefahrenen Tunnels ist ebenfalls möglich.
Hinsichtlich der Innenschalenausbildung sind die Ausführungen in Kapitel 5 sinngemäß zu beachten.
6.6.1. Tübbingherstellung
Stahlbetontübbinge werden als Betonfertigteile im Werk vorgefertigt. In Bezug auf den Tübbing-
Beton werden Anforderungen an die Festigkeitsklasse und Expositionsklassen, sowie – je nach
Herstellungsverfahren – an die Frühfestigkeitsentwicklung gestellt. Neben den Anforderungen an den
Baustoff Beton werden auch Qualitätskriterien an die Oberfläche von Tübbingen gestellt.
Die ÖVBB-Richtlinie Tübbingsysteme aus Beton legt darüber hinaus weitere Anforderungen an die
Produktion fest, z.B. hinsichtlich Schalungen, Manipulation und Lagerung im Werk, sowie Prüfungen
und Produktionskontrollen. Üblicherweise kann jeder einzelne Stein vom Zementwerk, bzw.
Steinbruch der Zuschlagstoffe, über den Tag und die Stunde der Betonierung bis hin zum Einbau in
den Tunnel nachverfolgt werden. Diese aufwendige Qualitätssicherung ist – insbesondere beim
einschaligen Tübbingausbau – dadurch zu begründen, dass ein einmal eingebauter, schadhafter
Tübbingstein nur mit größtem Aufwand saniert oder sogar ausgetauscht werden kann.
6.6.2. Tübbingformen
Gemäß ÖVBB-Richtlinie „Tübbingsysteme aus Beton“ werden rechteckige, trapezförmige,
rhomboidale und hexagonale Tübbinggeometrien unterschieden. In Abbildung 6-27 sind
Blocktübbinge schematisch dargestellt, weitere mögliche – jedoch seltener eingesetzte –
Tübbingformen sind in Abbildung 6-29 gezeigt.
Zur Realisierung von Raumkurven der Tunneltrasse gibt es ebenfalls verschiedene Möglichkeiten.
Bei Parallelringen können Richtungskorrekturen und Kurvenfahrten (eingeschränkt) durch Beilagen in
den Ringfugen, oder durch Einbau von Korrekturringen bewerkstelligt werden.
Tübbingdichtungssysteme sind dann nur mehr aufwendig realisierbar.
Häufiger werden planmäßige Raumkurven der Tunneltrasse durch den Einsatz von sog. Rechts-Links-
Tübbingsystemen oder durch Universalring-Systeme realisiert. Hierbei ist die Tübbinggeometrie
derart, dass die Ringfuge beidseitig oder einseitig zur Orthogonalen der Tunnelachse abgewinkelt ist.
Durch Rotation des Tübbingrings kann eine beliebige Raumkurve, mit gegebenem minimalen
Systemradius realisiert werden.
Abbildung 6-30: Möglichkeiten der gekrümmten Tunnelführung mit Tübbingauskleidung, schematisch. Links:
Uni-Ring. Rechts: Parallel-, Rechts- und Linksring. [STUVA, 2001].
Die Vorteile der Uni-Ring bzw. Links-Rechts-Ringsysteme liegen in der vergleichbaren hohen
Flexibilität (z.B. hinsichtlich Korrekturfahrten) und insbesondere sind gedichtete Tübbingschalen
ausführbar. Als nachteilig kann sich der erhöhte Logistik-Aufwand herausstellen (Gefahr von
Fehlversatz), bei Links-Rechts-Ringen sind verschiedene Schalungssätze bei der Tübbingherstellung
notwendig.
Sohltübbinge
Bei maschinellen Vortrieben im Festgestein mit konventionellem Ausbau (Spritzbeton, etc.) werden
häufig sog. Sohltübbinge eingesetzt, die während der Bauphase dem Nachläufer als Gleisfahrbahn
dienen und für das endgültige Bauwerk bereits die Einbauten enthalten (z.B. Sohldrainage etc.).
6.6.3. Tübbingbemessung
Zur Bemessung der Tunnelauskleidung kommen grundsätzlich analytische Verfahren, Kontinuums-
oder Diskontinuumsmodelle sowie gebettete Stabwerksmodelle (siehe Kapitel 4) in Frage. Der Einsatz
von Schildmaschinen macht es jedoch i.d.R. erforderlich, dass die Vortriebs- und Steuerkräfte in den
Tübbingring eingeleitet werden. Die Tübbingringe sind daher in jedem Fall für diese Kräfte zu
bemessen (ausgenommen Doppelschild TBM, wenn die Einleitung der Vortriebskräfte über die
Gripperverspannung radial in das umliegende Gebirge erfolgt).
Die RVS 09.01.31 gibt beispielsweise folgende zusätzliche Einwirkungen an, welche bei einer
Tübbingauskleidung zu berücksichtigen sind:
Anpressdrücke der Vortriebspressen
Lasten aus der Ringspaltverpressung
Lasten aus Zusammendrückung der Dichtungen
Lasten beim Transport der Tübbinge
Lasten aus dem Einbau der Tübbinge
6.6.4. Fugenausbildung
Die Wahl der Tübbinggeometrie bestimmt die Fugenausbildung und Einbaubedingungen.
Tabelle 6-6: Tübbinggeometrie [RVS 09.01.31]
Abbildung 6-32: Herstellung des Querschlags zwischen zwei Tunnelröhren, schematisch [STUVA, 2001].
Bei Anordnung und Ausbildung von Nischen und dem Anschluss von Querschlägen ist darauf zu
achten, dass:
das Tragsystem der Tübbingauskleidung zur Aufnahme der Lasten erhalten bleibt,
die Bettung der verbleibenden Tübbinge erhalten bleibt, d.h. im Falle einer Kiesbettung diese durch
Injektionen gewährleistet wird und
die Spannungsumlagerungen im Tübbinggewölbe zufolge Öffnungen in der Auskleidung mit
ausreichender Sicherheit aufgenommen werden können.
In der Regel werden die Tübbinge rund um die Öffnung und auch einige Ringe vor und nach der
Öffnung gegenseitig verschraubt und ggf. werden zusätzliche Abstütz- oder Zugverbindungen
angebracht.
Abbildung 6-33: Herstellung eines Querschlags mit Vereisung Herrentunnel Lübeck [Weigl, 2005].
Abbildung 6-34: Vorgangsweise zur Ermittlung der Penetration nach dem Gehring-Modell [Leitner, 2004].
In der folgenden Formel ist die Basisfunktion p200 nach Gehring dargestellt, die für folgende
Randbedingungen gültig ist (c … Schneidring bzw. Meißel):
Schneidspurabstand s = 80 mm
Schneidringdurchmesser DC = 17´´
Schneidringbreite BC = 5/8´´
Mittlere Andruckkraft eines Meißels FN = 200 kN
p 200 a d b
mit p200… Penetration in mm/rev bei einer Andruckkraft eines Schneidringes von FN = 200 kN/c
a… Koeffizient gemäß Tabelle 6-8
b… Exponent gemäß Tabelle 6-8
d … einaxiale Gesteinsdruckfestigkeit in MPa
Tabelle 6-8: Funktionsparameter für die Basisfunktion auf Basis der Ansätze verschiedener Autoren [Leitner,
2004]
Die Basisfunktion mit den Parametern a und b aus Tabelle 6-8 gilt für den Bereich der einaxialen
Gesteinsdruckfestigkeiten zwischen d = 100 – 250 MPa. In diesem Bereich liefern die
Untersuchungen der verschiedenen Autoren sehr ähnliche Ergebnisse.
Gehring hat aus den zuvor dargelegten Zusammenhängen folgende Basispenetration p unter
Berücksichtigung der Andruckkraft FN=200 kN pro Meißel abgeleitet, wobei hier auch schon die
Anwendung der verschiedenen Korrekturfaktoren ki (durch Linearkombination) mit eingearbeitet ist:
4 FN
p k 1 k 2 ... k n
d Korrekturfaktoren
Basispenetration
mit p… Penetration in mm/rev bei einer Andruckkraft eines Meißels von FN = 200 kN/c
FN … Andruckkraft eines Meißels in kN/c
d … einaxiale Gesteinsdruckfestigkeit in MPa
k1…n… Korrekturfaktoren zur Berücksichtigung von Abweichungen der Modellbildung
6.8. Richtlinien
6.8.1. ÖGG Richtlinie für die geotechnische Planung von Untertagebauten mit
kontinuierlichem Vortrieb
Ziel der geomechanischen Planung ist die wirtschaftliche Optimierung der bautechnischen
Maßnahmen unter Berücksichtigung der jeweils vor Ort anstehenden Gebirgsverhältnisse bei
Gewährleistung der Sicherheit, der Umwelterfordernisse und der Langzeitstabilität.
Die Richtlinie der Österreichischen Gesellschaft für Geomechanik (ÖGG) gibt ein klar strukturiertes
geotechnisches Dimensionierungskonzept mit der bestmöglichen Anpassung der Baumaßnahmen an
die jeweiligen Verhältnisse des Untergrundes vor Ort.
Die geotechnische Planung setzt sich aus drei Phasen zusammen:
Phase 1: Planung
Phase 1 umfasst die Bestimmung der Gebirgsarten (GA) und des Gebirgsverhaltens (GV), die Wahl
der TVM, die Festlegung der bau- und maschinentechnischen Maßnahmen unter Berücksichtigung der
Randbedingungen, die Abschätzung des Systemverhaltens (SV) und die Ermittlung der
Vortriebsklassen nach ÖN B 2203-02.
Phase 2: Planung TVM für die Bauausführung
Seitens des Bieters ist im Rahmen der Angebotsbearbeitung ein maschinentechnisches Konzept der
vorgesehenen Tunnelvortriebsmaschine (TVM) auszuarbeiten.
Die maschinentechnische Detailplanung der TVM erfolgt für die Bauausführung durch den
Auftragnehmer unter Berücksichtigung des Bauvertrages und der geotechnischen Planung.
Phase 3: Bauausführung
Die geotechnisch relevanten Gebirgsparameter zur Bestimmung der aktuellen Gebirgsart (GA), bau-
und maschinentechnische Maßnahmen sowie TVM-betriebstechnische Daten werden während des
Baues erfasst und ausgewertet. Auf Basis dieser Auswertung wird unter Berücksichtigung der
Einflussfaktoren das aktuelle Systemverhalten (SV) im Ausbruchsbereich abgeschätzt. Unter
Beachtung des Tunnelbautechnischen Rahmenplans werden die bautechnischen Maßnahmen für das
prognostizierte Systemverhalten (SV) festgelegt.
6.8.1.1. Phase 1 – Planung
Abbildung 6-35 zeigt ein Flussdiagramm, welches den grundsätzlichen Ablauf der geotechnischen
Planung von der Bestimmung der Gebirgsart bis zur Erstellung des Ausschreibungsunterlagen zeigt.
Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Dietmar ADAM 165
Tunnelbau im Festgestein und Lockergestein
Abbildung 6-35: Schematischer Ablauf der geotechnischen Planung (Phase 1) [ÖGG- Richtlinie, 2013].
Abbildung 6-36: Schematischer Ablauf der Geotechnischen Planung, Phase 3 Bauausführung [ÖGG-
Richtlinie, 2013].
Baugrubenumschließung
geböschte verbleibende
temporäre Sicherung
Baugrube Sicherung
Um einen Tunnel in offener Bauweise errichten zu können, müssen folgende Aspekte berücksichtigt
werden:
Die Baugrundverhältnisse beeinflussen die Rammbarkeit langer Träger, vor allem in von Geröll
und Gesteinen durchsetztem Baugrund. Die Rammträger müssen gegebenenfalls in vorgebohrte
Löcher gesetzt und anschließend noch einige Meter gerammt werden.
Um die Baugrube trocken zu legen, kann eine großflächige Absenkung des Grundwasserspiegels
erforderlich sein. Während des Absenkvorganges muss die geförderte Wassermenge die
zuströmende Grundwassermenge übersteigen. Dafür müssen ausreichend bemessene
Regenwasserkanäle und Rohrleitungen vorhanden sein. Die Wasserhaltung ist ein maßgebender
Kostenfaktor bei der offenen Tunnelbauweise. Durch die großen anfallenden Wassermengen
infolge großer Baugrubentiefen ist bei etwa 20 m Tiefe die Wirtschaftlichkeit der offenen
Bauweise erreicht.
Die Auftriebssicherheit des im Grundwasser liegenden Tunnelkörpers muss durch eine
ausreichende Überdeckung oder durch zusätzlichen Ballast-Beton sichergestellt sein.
Die Grundwasserfließrichtung wird durch dichte bauzeitliche Baugrubenwände, durch den
Tunnelkörper, aber auch durch die Grundwasserabsenkung beeinflusst. Aufgrund dessen sind
Filterschichten um den Tunnelkörper zum Ausgleich der Grundwasserströmung anzuordnen.
Abbildung 7-1: Vergleich Kosten pro lfm an Abhängigkeit von der Überdeckung bei bergmännischer und
offener Tunnelbauweise [Spang, 2006].
In den meisten einfachen Fällen wird zunächst die entsprechende Baugrubenwand hergestellt und
anschließend wird mit dem Baugrubenaushub begonnen. Dabei können je nach Bedarf und
Möglichkeit begleitende Maßnahmen, wie Verankerungen der Baugrubenwände, (mit Zugpfählen
verankerte) Unterwasserbetonsohlen etc., gesetzt werden. Nach Herstellen der (dichten)
Baugrubensohle kann mit dem Aufbau der Bauwerkskonstruktion begonnen werden.
Abbildung 7-2: Herstellungsschritte eines Tunnels in offener Baugrube mit Schlitzwänden und einer verankerten
Unterwasser-Betonsohle.
Die Herstellung des Tunnels kann entweder mit Ortbeton oder mit Fertigteilen erfolgen. Der große
Vorteil der offenen Bauweise ist, dass auf einfache Weise ein Rechteckquerschnitt hergestellt werden
kann. Das Lichtraumprofil der Eisenbahn oder einer Straße entspricht eher einem Rechteckquerschnitt
als einem Kreis.
Abbildung 7-3: Bauphasen der Berliner und der Hamburger Bauweise [Striegler,1993].
Vorteile:
Die Tunneldecke und die seitlichen Baugrubenwände sind eine gute Aussteifung der Baugrube.
Es gibt keine Behinderungen des Erdaushubes durch die Aussteifungen.
Der Verkehr wird nur teilweise gestört. Eine völlige Sperrung der Oberfläche ist nur für die Zeit
des Aushubes des oberen Bereiches der Baugrube und der Herstellung der Tunneldecke
erforderlich.
Felsige, harte Schichten können durchfahren werden.
Nennenswerte seitliche Verformungen und Erschütterungen können weitestgehend vermieden
werden.
Bei einer sorgfältigen Herstellung der Baugrubenwände aus Stahlbeton können diese als Teil der
Tunnelauskleidung herangezogen werden.
Die Beeinträchtigung von Anrainern ist gering.
Nachteile:
In Bereichen mit Grundwasser müssen die Baugrubenwände auf den vollen Wasserdruck bemessen
werden.
Durch zahlreiche Leitungsbauten im Untergrund kann es zu einer teuren Verlegung dieser
Rohrleitungen kommen.
Der Einbau von Unterstützungen für Behelfsfahrbahnen während des Baues ist teuer und
schwierig.
Abbildung 7-6: Kärntner Deckel: oben: in geböschter Baugrube, unten: mit Bohrpfahlwand [www.tk-
perschling.at, 2009].
7.3. Baugrubenumschließungen
7.3.1. Geböschte Baugrube
Auf freien unbebauten Flächen außerhalb der städtischen Bebauung kann der Tunnel in geböschten,
nicht eingefassten Baugruben errichtet werden (siehe Abbildung 7-7 a). Eine geböschte Baugrube
benötigt jedoch viel Platz. Weiters ist das Aushubvolumen und dadurch der Umfang an Transport-,
Zwischenlagerungs- und Verfüllarbeiten sehr groß. Die Reichweite der Hebezeuge und
Baumaschinen, die außerhalb der Baugrube arbeiten, muss daher größer sein. Demgegenüber wirken
sich der Wegfall der Verbauarbeiten und die dadurch fehlende Behinderung in der Baugrube positiv
auf die Tunnelherstellung und den Bauablauf aus.
Als Alternative können teilweise geböschte Baugruben ausgeführt werden (siehe Abbildung 7-7 b,
c). Dies führt zu einer Einsparung des Platzbedarfs und zu einer Verringerung des notwendigen
Erdaushubs.
Zur Stabilisierung steiler, erosionsgefährdeter Böschungen können Spritzbeton, Vernagelungen oder
Geotextilien Anwendung finden. Man spricht in diesen Fällen von einer mittels
Spezialtiefbaumaßnahmen gesicherten Böschung.
7.4. Grundwasserhaltung
(siehe Vorlesung Grundbau und Bodenmechanik)
Wenn der natürliche Grundwasserspiegel oberhalb der Aushubsohle einer Baugrube liegt, würde –
ohne weitere Maßnahmen zur Beherrschung des Grundwassers – Wasser in die Baugrube eintreten
und die Baugrube geflutet werden. Maßnahmen, um dies zu vermeiden, sind:
Wasserhaltung: Grundwasserabsenkung durch offene Wasserhaltung bzw. geschlossene
(Brunnen-)Wasserhaltung, Grundwasserentspannung, Elektroosmose.
GW GW
kf1
hd
hd
hd
Abbildung 7-9: Ansatz der Kräfte beim Nachweis der Sicherheit gegen Aufschwimmen [EAB, 2006].
Abbildung 7-10: Schemabilder von Injektionssohlen. Links: verankerte mitteltief liegende DSV-Sohle; rechts:
tiefliegenden Sohldichtung [Vogt, 2001].
Grundwasserabschirmung:
Tunnelbau in offener Bauweise:
Wasserundurchlässige Baugrubenumschließung (z.B. Spundwand, Schlitzwand, überschnittene
Bohrpfahlwand), welche in einen natürlichen Grundwasserstauhorizont einbindet oder an eine
dichte Baugrubensohle anschließt; erforderlichenfalls mit einer Grundwasserentspannung zur
Vermeidung von Aufschwimmen der Baugrubensohle kombiniert.
Tunnelbau in geschlossener Bauweise:
Unmittelbar außerhalb des Ausbruchsprofils werden Dichtkörper beispielsweise mittels DSV
oder Vereisung angeordnet. Diese Sondermaßnahmen können je nach örtlicher Zugänglichkeit,
der Tiefenlage des Tunnels oder anderer maßgebender Projektrandbedingungen von der
Geländeoberfläche aus durchgeführt werden oder von einem Schacht aus bzw. unmittelbar vom
Vortrieb aus.
Grundwasserverdrängung: aus geschlossenen Arbeitsräumen durch Druckluft
Druckluftvortriebe werden sowohl bei der geschlossenen Bauweise (NATM) als auch bei der
offenen Bauweise eingesetzt. Weiters lassen sich druckhaltende Schildmaschinen (EPB-Schild,
Hydro-Schild, Druckluft-Schild) dieser Kategorie zur Grundwasserbeherrschung mittels
Verdrängung zuordnen.
Beherrschung des
Grundwassers beim
Tunnelbau im Lockergestein
Sohlabdichtung Grundwasser-
entspannung
Abbildung 8-2 Übersicht der Möglichkeiten zur Beherrschung des Grundwassers im Lockergesteinstunnelbau.
Welche der Möglichkeiten zur Beherrschung des Grundwassers zur Anwendung kommt, hängt in der
Praxis von den Projektrandbedingungen ab. Neben dem hydrogeologischen Gegebenheiten
(Vorerkundung!) sind zumeist das zu errichtende Bauwerk selbst (Tunnelnivellette,
Querschnittsgestaltung, Sonderbauwerke etc.), das Projektumfeld (benachbarte Bebauung,
Naturschutz etc.), bauverfahrenstechnische sowie bauzeitliche Überlegungen maßgebend.
Unter Sickerwasser werden unterirdische Wässer verstanden, welche sich üblicherweise durch
Niederschläge bilden und entlang einer stauenden Bodenschicht sammeln. Im Unterschied zum
Grundwasser ist der Wassernachschub begrenzt und von der Witterung abhängig. Eine vorlaufende
Grundwasserabsenkung wird bei Sickerwasserandrang nicht unbedingt zweckmäßig sein, da die
Brunnensituierung und -dimensionierung, aufgrund der schwankenden Wasserzufuhr und dadurch
kaum prognostizierbaren hydraulischen Verhältnisse, kaum sinnvoll möglich ist. Im Tunnelbau
werden daher Sickerwässer üblicherweise vor Ort (im Zuge des Vortriebs) gefasst.
Abbildung 9-1: Beispiel für einen Messquerschnitt [Firmenprospekt GLÖTZL – adaptiert, 2010].
Zur Darstellung von Einflusslinien werden die zu einem bestimmten Zeitpunkt erhobenen Messwerte
entlang der Tunnelachse an einer Messlinie (z.B. Firste oder Ulme) verbunden. Mehrere Messepochen
können auf einem Diagramm dargestellt werden, wodurch sich nach Vavrovsky (1994) sowohl ein
guter räumlicher als auch zeitlicher Überblick über das Verformungsgeschehen ergibt.
Abbildung 9-3: Veränderungen der Einflusslinien der Setzung (rechter Ulmenpunkt) zufolge Gebirgsstörungen
am Beispiel Inntaltunnel [Schubert, 2007].
Die vortriebsorientierte Darstellung von Einzelkomponenten bietet einen sehr guten Überblick über
das Verformungsgeschehen eines größeren Bereiches. In einem Bereich mit weitgehend
gleichmäßigem Gebirgsverhalten sind die einzelnen Einflusslinien in Form und Größe gleich. Eine
Änderung im Gebirgsverhalten zeigt sich in dieser Darstellung durch eine Veränderung der Form der
Einflusslinie. Damit ist die rasche Identifikation von Problemzonen möglich.
9.1.2. Konvergenzmessungen
(siehe auch Thema Felsbau)
Es wird bei der Konvergenzmessung die Relativverschiebung zwischen zwei Punkten gemessen.
Gegenüber der Absolutmessung hat diese Methode den Vorteil, dass der gerätemäßige Aufwand
geringer ist, den Nachteil, dass nur Relativverschiebungen gemessen werden und bei einer Vielzahl
von Messstrecken der zeitliche Aufwand und die Behinderung des Betriebes beträchtlich sind.
9.1.3. Extensometer
(siehe auch Thema Felsbau)
Der Einsatz von Extensometern dient dazu, die Relativverschiebung zwischen zwei oder mehreren
Punkten im Gebirge zu messen. Extensometer können von der Geländeoberfläche aus eingebaut
werden, um bspw. die Auswirkungen vor, während und nach dem Vortriebsdurchgang beobachten zu
können, oder sie werden radial vom Vortrieb aus eingebaut.
Messanker
Der Messanker ist die Kombination eines vollwertigen Systemankers mit einem
Präzisionsextensometer. Er besteht aus einer hohlen Ankerstange, deren Querschnitt und Werkstoff
dem projektspezifischen Systemankertyp entspricht. Im Inneren sind die Messgestänge des
Extennometers fest mit den Verankerungspunkten verbunden. Die Gestänge führen zum Messkopf,
der den Referenzpunkt darstellt, zu dem die Verschiebungen gemessen werden. Mittels Messuhr
werden die Längenänderungen zwischen den einzelnen Messpunkten bestimmt.
Durch Umrechnen der Dehnung in Spannung und Kräfte lässt sich die jeweilige Beanspruchung des
Messankers in verschiedenen Teufenintervallen ermitteln, sofern sich die Dehnung im linear
elastischen Bereich des Messankerwerkstoffes befindet.
Darüber hinaus können mit den gewonnenen Messdaten Rückschlüsse auf den Auslastungsgrad der
Ankerung gezogen werden. Diese Erkenntnisse dienen sowohl der Optimierung der Ankerlänge als
auch des Rasters der Systemankerung.
9.1.4. Ring-Konvergenz-Messsystem
Beim maschinellen Tunnelvortrieb kann zur permanenten Verformungsüberwachung ausgewählter
Tübbingringe ein sog. Ring-Konvergenz-Messsystem eingesetzt werden (z.B. beim Citytunnel
Leipzig, 2007). Beim Ring-Konvergenz-Messsystem wird in dem zu beobachtenden Ring ein
Inklinometer pro Segment positioniert. Dabei wird angenommen, dass sich die Segmente des Rings
wie eine Gliederkette verhalten, bei der jedes einzelne Glied in sich starr bleibt. Bewegungen können
allerdings in den Längsfugen stattfinden, deshalb werden sie als Gelenke betrachtet. Ausgehend von
den beobachteten Neigungsänderungen der Inklinometer an den Segmenten werden die Verformungen
des Gesamtringes abgeleitet. Für jeden Datensatz wird ein Ringpolygon in einem lokalen
Koordinatensystem berechnet. Die dabei ermittelten Koordinaten der Gelenkpunkte erlauben die
Berechnung sämtlicher Konvergenzstrecken, die zur Beobachtung von Interesse sein können. Die
Differenzen der interessierenden Strecken zwischen zwei beliebigen Zeitpunkten ergeben die
gesuchten Konvergenzen bzw. Divergenzen.
1 Querelement
2 Silikonkautschuk
3 Bolzen
4 Profil aus biegesteifem Material
5 Kunststoffhülle
6 Tragkörper
7 Dehnungsmessstreifen
8 Kompensations-Dehnungsmessstreifen
9 Plättchen
10 Abdeckmaterial
11 Kunststoffrohr
12 Querschnittsfläche
13 Spritzbeton
14 Gerade Achse
Druckmessdosen
Das Haupteinsatzgebiet der Druckmessdosen liegt in der Beobachtung der Spannungsentwicklung in
Spritzbeton- und Betonauskleidungen. Druckdosen werden zur Messung der Radial- bzw.
Tangentialdrücke im Ausbau gewöhnlich paarweise installiert.
Funktionsprinzip: Eine Druckdose besteht aus zwei, meist rechteckigen Blechen, die an den Rändern
zusammengeschweißt sind. Der auf die Dose wirkende Druck wird über die Füllflüssigkeit auf einen
elektrischen Drucksensor übertragen. Um den möglicherweise ausgebildeten Schwindspalt zwischen
Beton und Dose kraftschlüssig zu überbrücken, können Betondruckdosen nachträglich “aufgepumpt”
(= nachgespannt) werden.
Abbildung 9-7: Kombination einer Druckdose mit Dehnungsgebern [Firmenprospekt Geodata, 2010].
Abbildung 9-9: Lainzer Tunnel: Monitoring an einem unterfahrenem Gebäudekomplex [Moritz et al., 2008].
Abbildung 9-10: Lainzer Tunnel: Konturplot der Oberflächensetzungen , räumlicher Verlauf, Verteilung und
Gesamtausmaß der Oberflächensetzungen [Moritz et al., 2008].
Abbildung 9-11: Lainzer Tunnel: Setzungsanteile der Teilvortriebe (Ulmenstollen U9, U7 und Kern I, Kern II)
an den gemessenen Gesamtoberflächensetzungen entlang der Tunnelachse in den Versuchsfeldern und
Gegenüberstellung zu den dokumentierten geologischen Verhältnissen im Längsschnitt [Moritz et al., 2008].
Abbildung 9-12: Funktionsprinzip einer Schlauchwaage: Prinzip der kommunizierenden Gefäße [www.getec-
ac.de, 2009].
10. ROHRVORTRIEB
Für die Leitungs- und Kollektorherstellung in geschlossener Bauweise sind nur vergleichsweise kleine
Ausbruchsdurchmesser erforderlich, welche überwiegend – bei nicht mehr begehbaren Querschnitten
– ausschließlich maschinell aufgefahren werden.
Der Rohrvortrieb im heutigen Sinne begann in den 60-er bis 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts mit
Nennweiten von 1,0 bis 2,0 m, bei Vortriebslängen von mehreren hundert Metern. Daran anschließend
setzte ein deutlicher Entwicklungsschub ein; heute werden Vortriebslängen bis mehrere tausend Meter
und Nennweiten bis zu 4,0 m und darüber ausgeführt.
Abbildung 10-1: Schema eines Rohrvortriebs mit Teilschnittmaschine [Schad et al., 2003].
Beim Rohrberst- und beim Rohrauszieh-Verfahren handelt es sich um Technologien zum Insitu-
Austausch vorhandener Leitungen. Die vorhandene, sanierungsbedürftige Rohrleitung wird entweder
von innen aufgebrochen und zusammen mit dem umgebenden Boden durch ein Aufweitungsteil
verdrängt (Rohrberst-Verfahren), oder durch Ziehen und Pressen aus dem Untergrund entfernt.
Gleichzeitig wird – dem Aufweitungsteil bzw. der herausbeförderten alten Leitung folgend – die neue
Rohrleitung eingebracht, welche auch einen größeren Durchmesser als die vorhandene Leitung haben
kann.
Abbildung 10-5: Übersicht der unbemannt arbeitenden, steuerbaren Verfahren nach dem Prinzip der
Bodenentnahme [Stein, 2003].
Beim sog. Pipe-Eating wird eine vorhandene Rohrleitung, gemeinsam mit dem umgebenden Boden
mittels Mikrotunneling, abgebaut.
In der ÖNORM EN 12889 wird Mikrotunnelbau (Microtunneling) definiert als steuerbares,
einstufiges Verfahren zum Vortrieb von Rohren mit üblicherweise bis zu 1 m innerem Durchmesser,
von einem Steuerstand außerhalb des Tunnels ferngelenkt. Die Rohrleitung folgt der
Tunnelbaumaschine. Auch größere Durchmesser als DN 1000 sind möglich.
Beim Mikrotunnelbau mit Bodenentnahme kann nach Art der Förderung des Bohrguts unterschieden
werden zwischen:
Schneckenförderung AVT … Automatische Vortriebsmaschine mit Trockenförderung
Hydraulischer Förderung AVN … Automat. Vortriebsmaschine mit Nassförderung
Pneumatischer Förderung (Spülmittel Luft) AVP
Andere mechanische Förderungen (z.B. Schrapperanlage)
1 Schneidrad, 2 Hartmetallwerkzeuge,
3 Brecherkammer, 4 Brecherschnecke,
5 Wasserdüse, 6 Hauptlager,
7 Drehantrieb, 8 Steuerzylinder,
9 Förderschnecke, 10 Zieltafel,
11 Laserstrahl, 12 Ventilblock
1 Schneidrad, 2 Hartmetallwerkzeuge,
3 Abbau- und Brecherkammer,
4 Einspritzdüsen, 5 Hauptlager,
6 Drehantrieb, 7 Gelenkdichtung,
8 Steuerzylinder, 9 Abbauförderung,
10 Zuförderleitung, 11 Zieltafel,
12 Laserstrahl, 13 Bypass,
14 Ventilblock
Abbildung 10-8: Übersicht der unbemannt arbeitenden, steuerbaren Verfahren nach dem Prinzip der
Bodenverdrängung [Stein, 2003].
Abbildung 10-9: Blick auf die Ortsbrust eines Rohrvortriebs mit Teilschnittmaschine in einem Haubenschild mit
Zwischenbühne [Firmenprospekt PORR Tunnelbau].
Rohrvortriebe sind nicht auf den Kreisquerschnitt beschränkt, auch wenn Sonderquerschnitte nur
selten ausgeführt werden.
Abbildung 10-10: Links: Ansicht einer DPLEX-Schildmaschine (H/B ~ 4 / 4,5 m). Rechts: Prinzipskizze der
exzentrischen Rotation des Schneidrahmens.
In Abbildung 10-11 sind Möglichkeiten der Ortsbruststützungen beim Rohrvortrieb gezeigt, welche
im Prinzip mit jenen des maschinellen Tunnelvortriebs übereinstimmen.
Abbildung 10-11: Prinzipien der Ortsbruststützung bei druckhaltenden Maschinen [Schad et al., 2003].
Weitere bemannte Verfahren sind z.B. Einbringen eines Liners oder vorgefertigter Rohre in einen
(z.B. konventionell aufgefahrenen) Tunnel.
Verkehrsbelastung
Bebauung
Vor- Baugrund +
bebauung Grundwasser
Insbesondere im städtischen Umfeld wird der Baugrund hinsichtlich der Trassenentscheidung zumeist
nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die spezifischen Anforderungen an den Betrieb der
projektierten Infrastrukturleitung sowie die zahlreichen Einschränkungen aus dem Projektumfeld sind
innerstädtisch üblicherweise maßgebend für die Leitungstrassierung. Ausreichende Informationen über
die Untergrundverhältnisse werden aber nichtsdestoweniger für die Konzeption der Vortriebsmaschine
bzw. der Abbaugeräte, die grundbautechnische Planung und erdstatische Bemessung der Schächte, der
Bauhilfsmaßnahmen und der Pressrohre (und schlussendlich auch als Grundlage für den Bauvertrag)
benötigt.
In Tabelle 10-1 werden die Empfehlungen verschiedener einschlägiger Regelwerke bezüglich Abstand
und Tiefe von vorlaufenden Baugrunderkundungen für Linienbauwerke, bzw. Rohrleitungen
gegenüber gestellt.
Tabelle 10-1: Empfehlungen für die Baugrunderkundung (Untergrundaufschluss) von Leitungsbauwerken
ÖNORM EN 1997-2
ÖNORM B 4402 DWA–A125
(Anhang B – informativ)
Abstände der
50 – 200 m 20 – 200 m 50 m
Aufschlusspunkte
Untersuchungstiefen Ausbruchsbreite, 1 bis 2 mal die 2 m (oberhalb GW)
unter Ausbruchsohle jedoch mind. 5,0 m Ausbruchsbreite bzw. 3 m (unter GW)
Abgesehen von den Widersprüchen zwischen den einzelnen Regelwerken, die sich bei den
vorgeschlagenen Untersuchungstiefen ergeben, ist im bebauten Gebiet oft auch ein Maximalabstand
der Aufschlusspunkte von ca. 200 m nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand realisierbar.
Entsprechend ÖNORM B 4402 darf jedoch bei gleich bleibenden geologischen Verhältnissen auch ein
größerer Abstand der Aufschlüsse gewählt werden. Für Rohrvortriebe werden letztendlich
Erkundungsbohrungen bei allen Start-, Ziel- und Zwischenschächten unverzichtbar sein und je nach
technischer und wirtschaftlicher Möglichkeit wird der Untergrundaufschluss längs der Trasse
verdichtet.
Grundsätzlich gilt für alle grabenlosen Verfahren: je kleiner der Durchmesser ist, desto kleiner ist
i.d.R. auch das maßgebende (geogen bedingte) Hindernis (z.B. Steine, Blöcke, Holzstämme) und die
Aufschlussdichte ist dieser Forderung anzupassen. Der in der DWA-A 125 geforderte Mindestabstand
der Aufschlusspunkte ist daher unter dem Gesichtspunkt der für die Wasserver- und
Wasserentsorgungsleitungen üblichen Rohrdurchmesser zu sehen.
In der DWA-A 125 ist darüber hinaus festgehalten, dass je nach den Erfordernissen des Einzelfalls die
in Tabelle 10-2 angeführten Eigenschaften und Merkmale des Untergrundes zu untersuchen sind.
Die Schachtabmessungen ergeben sich entsprechend entweder aus der späteren Schachtnutzung oder
aber mindestens aufgrund der zum Einsatz vorgesehenen Vortriebsmaschine bzw. Länge der
Pressrohre und Länge der (eingefahrenen) Hauptpressen – und damit wesentlich in Abhängigkeit vom
Vortriebsdurchmesser.
Vortriebsrichtung
Schildmaschine
DN 2200
Anfahrbrille
Presswand
Hauptpressen Druckring
(4 Stk.)
Die Schachtformen betreffend findet man bei tiefen Schächten häufig kreisförmige, elliptische oder
polygonale (z.B. achteckige) Grundrisse, da diese aufgrund ihrer räumlichen Tragwirkung ohne
Aussteifungshorizonte auskommen.
Hinsichtlich der Verbauarten von Schächten sei auf die Vorlesung Grundbau und Bodenmechanik
verwiesen. Wesentlichste Besonderheit beim Schachtverbau für Pressschächte ist die
Berücksichtigung des Aus- und Einfahrquerschnitts in der Schachtwandung.
Abbildung 10-15: Schematische Darstellung der Situation im Startschacht einer unbemannten Rohrpressung
[Brandl, 2006].
In rolligen Böden werden auch Passstücke (z.B. aus Schalplatten) eingesetzt, die das Nachbrechen des
Bodens neben dem Vortriebsquerschnitt in den Schacht hinein verhindern sollen. Auch
Bodenverbesserungsmaßnahmen, z.B. Injektionen oder DSV-Körper, können hinter der Aus-
/Einfahrwand zu diesem Zweck hergestellt werden. Derartige Maßnahmen werden auch oft zur
Herabsetzung der Durchlässigkeit als zusätzliche Dichtmaßnahmen (siehe weiter unten) eingesetzt.
Bei Rohrpressungen mit größerer Überdeckung müssen Ersatzmaßnahmen zur Übertragung des
Erddrucks oberhalb der Öffnung in der Schachtwand auf die Nachbarbereiche vorgesehen werden. Bei
Spundwänden wird dies in der Regel mittels Abfangungen über Querträger erreicht, bei
Spritzbetonschächten kann aber auch eine Schirmkonstruktion, z.B. mit Bodennägeln, ausgeführt
werden.
Bei Vortrieben unterhalb des Grundwasserspiegels sind Sondermaßnahmen notwendig, die das
Einströmen von Grundwasser und den damit verbundenen Bodeneintrag verhindern müssen. Aufgrund
der Besonderheit des Rohrvortriebs, dass der gesamte Rohrstrang bis Vortriebsende in Bewegung
bleibt, ist eine flexible Dichtkonstruktion erforderlich. Diese sog. Anfahr- oder Dichtbrille wird vor
die Aus-/Einfahrwand gesetzt und dichtet die Schachtwandung zuerst gegen den Vortriebsschild und
in der Folge gegen das jeweilige aus dem Schacht hinaus gedrückte Vortriebsrohr ab. Die Dichtbrille
muss somit bis Vortriebsende funktionstüchtig bleiben.
Das Einfahren in den Zielschacht kann entweder in gleicher Weise mit einer Dichtbrille erfolgen oder
aber es wird in den aufgefüllten oder gefluteten Zielschacht eingefahren. Der Ringspalt zur
Schachtwandung wird dann, wenn der Rohrstrang die Endposition erreicht hat, mittels Injektionen
abgedichtet, bevor der Schacht wieder ausgehoben/gelenzt und die Maschine geborgen werden.
Dichtblöcke sind bei Rohrpressungen üblicherweise nur in Ausnahmefällen erforderlich, z.B. wenn ein
Bestandsschacht als Press- oder Zielschacht dienen soll. In solchen Fällen ist wie in Kapitel 6.5.2
beschrieben vorzugehen sein.
Abbildung 10-17: Beispiel für eine Einfach-Elastomerdichtung einer Dichtbrille [Schad, 2003].
Abbildung 10-18: Vortriebskraft FV setzt sich aus Brustwiderstand FBW und Mantelreibung FM zusammen.
Scherle/Rößler geben folgende Erfahrungswerte für den Brustwiderstand FBW und den Widerstand
zufolge Mantelreibung FM von Rohrvortrieben an (genaue Ermittlung siehe Kapitel 10.5):
d a2
FBW B
4
mit da … Ausbruchsdurchmesser
B = 500 – 1.500 kN/m²
FM d a L M
mit L … Vortriebslänge
M = 1 – 25 kN/m²
Auf den Ansatz eines etwaigen Außenwasserdruckes als stützende Kraft für das Pressenwiderlager
sollte verzichtet werden.
Die Oberkante der Presswand ist wegen des über die Tiefe linear zunehmenden Erddrucks als
maßgebender Punkt für den Standsicherheitsnachweis anzusehen (Punkt NP in Abbildung 10-19).
FV
Abbildung 10-19: Annahme der Spannungsverteilung infolge Vortriebskraft FV hinter dem Schachtverbau
[Stein, 2003].
Im Punkt NP muss gelten (die Belastungslinie muss innerhalb der Linie des Erdwiderstands liegen):
e p K p h 1 p red
mit Kp … passiver Erddruckbeiwert; für ebenes Gelände und ebene Mauerrückwand gilt:
K p tan 2 (45 )
2
… (globaler) Sicherheitsfaktor (z.B. = 1,5)
FV
Die Vortriebskraft FV wirkt über die Fläche der Presswand verteilt auf den Boden: p . Die
b h2
tatsächliche Belastungslinie wird mit hinreichender Genauigkeit durch die flächengleiche Figur in
Abbildung 10-19 ersetzt. Es gilt:
p red h 1 p h
p h2 p red h 2 red 3
2 2
Daraus folgt:
2h 2
p red p
h 1 2h 2 h 3
Die zulässige Vortriebskraft FV,zul ergibt sich somit zu:
K p b h1
FV ,zul ( h 1 2h 2 h 3 )
2
Die vom Schacht aufnehmbare Vortriebskraft ist demnach wesentlich abhängig von:
b… Breite der Presswand
h1 … Überlagerungshöhe der Presswand
Schachttiefe h = h1 + h2
h2 … Höhe der Presswand
h3 … Einbindetiefe des Schachtverbaus
Abbildung 10-20: Standsicherheitsnachweis der Druckwand bei einstufigem Verbau des Pressschachtes:
a) Sicherheitsbeiwert > 1 ausreichend standsicher b) Sicherheitsbeiwert = 1 noch standsicher
c) Sicherheitsbeiwert < 1 nicht standsicher! [Scherle, 1977]
Abbildung 10-21: Diagramm zur Abschätzung der Tragfähigkeit des Pressenwiderlagers [Schad, 2003 nach SIA
195, 1992, adaptiert].
In der SIA 195, Ausgabe 1992, war ein Diagramm enthalten, mit dessen Hilfe eine genauere
Abschätzung der Widerlagertragfähigkeit möglich war. Zusätzlich zum Kräftegleichgewicht fand
hierbei die bei der Einleitung der Vortriebskraft auftretende horizontale Verschiebung des Widerlagers
Berücksichtigung.
Kann der Schacht die einzuleitenden Vortriebskräfte nicht aufnehmen, sind entweder Maßnahmen zur
weiteren Reduzierung der Pressenkräfte (insbesondere Mantelreibung) und/oder Maßnahmen zur
Erhöhung des Erdwiderstands hinter der Schachtwand zu treffen.
Bei Doppelpressschächten (Doppelstartbaugruben) erfolgt der Vortrieb aus einem Startschacht in zwei
zumeist entgegengesetzten Richtungen. Dazu sind zwei Druckwände erforderlich, da es unzulässig ist,
die zuerst vorgepresste Rohrstrecke nach Abschluss des Vortriebes als Widerlager für den Vortrieb in
entgegengesetzter Richtung in Anspruch zu nehmen.
10.4.3. Rohrbremse (Rücklaufsperre) im Startschacht
Eine weitere für den Rohrvortrieb typische Einrichtung im Startschacht ist die sog. Rohrbremse,
welche zur Aufgabe hat, das zuletzt eingebaute Rohr nach dem Zurückziehen der Hauptpresse
festzuhalten. Die ölhydraulisch wirksame Rohrbremse wird an der Ausfahrwand montiert, sie spannt
das Pressrohr zangenartig ein und leitet die Kräfte, welche nicht durch die Mantelreibung
aufgenommen werden können, in die Baugrubenwand ein.
Folgende Kräfte in Rohrachse können nach Entlastung durch Rückziehen der Hauptpressen wirksam
werden:
a) Reaktionskraft der Ortsbruststützung bei druckhaltenden Schildmaschinen. Diese kann bei
ausreichend langem Vortrieb durch die Mantelreibung entlang des Rohrstrangs abgetragen
werden, die Reaktionskraft der Ortsbruststützung nimmt also mit der Vortriebslänge ab.
b) Rückfederung der Rohrstrecke infolge elastischer Entspannung der Druckausgleichsringe
(siehe Kapitel 10.6). Als Richtwert kann angenommen werden:
Rückfederweg = 0,05 d Ausgleichsringe Anzahl Rohre
10.5. Vortriebskraft FV
Die Vortriebskraft FV dient zur Überwindung des Brustwiderstands der Vortriebsmaschine bzw. des
Schneidschuhs FBW und der Reibungswiderstände der Mantelfläche der Vortriebsmaschine sowie des
Rohrstrangs FM:
FV FBW FM
Die richtige Einschätzung der Vortriebskraft im jeweiligen Anwendungsfall ist nicht nur für die
Bemessung der Vortriebsrohre (siehe Kapitel 10.6.2) von großer Bedeutung, sondern auch für die
Festlegung der Vortriebslänge bzw. Anzahl und Abstand der Zwischenpressstationen (siehe Kapitel
10.6.1) und für die Ausbildung des Startschachts und der Presswand (siehe Kapitel 10.4.2).
10.5.1. Brustwiderstand (Eindringwiderstand) FBW
Der Brustwiderstand FBW (auch: Eindringwiderstand, wenn ein Schneidenwiderstand vorhanden ist)
setzt sich entsprechend Tabelle 10-3, je nach Vortriebsverfahren, zusammen aus:
FBW FS FA FSt
mit FS … Schneidenwiderstand [kN]
FA … Andrückkraft des Abbauwerkzeugs [kN]
FSt … Stützkraft = Ortsbrustfläche da2·/4 · Stützdruck pf (z.B. gemäß Kapitel 4.3)
Die Größe der Mantelreibung lässt sich durch Verwendung von Gleitmitteln deutlich herabsetzen. So
reduziert sich der Reibungskoeffizient bei Verwendung von Bentonitsuspension als Stütz- und
Gleitmittel auf Werte = 0,1 – 0,3, abhängig auch von der dynamischen Fließgrenze der Suspension
(siehe Vorlesung Grundbau und Bodenmechanik).
Der mit Gleitmittel ausgefüllte Spalt zwischen Rohr und Boden, als Ringspalt bezeichnet, muss
während des gesamten Vortriebes aufrechterhalten werden. Um dies zu ermöglichen, muss das
Gleitmittel den Boden daran hindern, sich an das Rohr anzulegen. Das heißt, das Gleitmittel muss den
Boden gegen den jeweils herrschenden Bodendruck abstützen. Daraus folgt, dass im Gleitmittel
ständig ein Flüssigkeitsdruck aufrechterhalten werden muss, der dem Druck des Bodens entspricht.
Damit wird das Gleitmittel gleichzeitig zum Stützmittel. Die Reaktionskraft für den Stützdruck
übernimmt das Vortriebsrohr (siehe Abbildung 10-22).
Abbildung 10-22: Schema der Stützung des Ringspalts [nach Scherle/Rößler, 2003].
Damit der zwischen Rohr und Boden erforderliche Spalt entstehen kann, wird der Durchmesser des
Schildes (bzw. des Schneidrads) um ein geringes Maß größer ausgeführt als der Durchmesser der
Rohre, der als Überschnitt bezeichnet wird.
Da die Größe der Mantelreibung bei Verwendung von Gleitmitteln von zahlreichen
baustellenspezifischen, geotechnischen und schmiertechnischen Faktoren abhängt, können
zuverlässige Zahlenwerte oft erst im Zuge des Pressvorganges bestimmt werden. Für die Planung und
Dimensionierung der Pressrohre muss üblicherweise auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden.
Es ist zu beachten, dass auch baubetriebliche Aspekte einen entscheidenden Einfluss auf die
Mantelreibung beim Rohrvortrieb haben. So wird bei einem Durchlaufbetrieb der Rohrstrang laufend
bewegt und geschmiert, was sich minimierend auf die Mantelreibung auswirkt. Bei Einschichtbetrieb
oder bei längeren Vortriebsunterbrechungen besteht jedoch das Risiko, dass die Schmiersuspension in
den Boden verdriftet und der stützende Ringraum verbricht. Das Wiederanfahren kann in diesen Fällen
problematisch werden.
10.6. Pressrohre
Wesentliches Element bei jeder Rohrvorpressung ist, dass der gesamte Rohrstrang zwischen Start- und
Zielschacht während der gesamten Vortriebsdauer in Bewegung bleiben muss. Dadurch ergeben sich
spezielle Anforderungen an die Pressrohre und an die Verfahrenstechnologie.
Die Pressrohre (inkl. Sonderrohre) werden in den meisten Fällen als Stahlbetonfertigteile im
Betonwerk vorgefertigt. Es kommen aber auch andere Werkstoffe beim Rohrpressverfahren zum
Einsatz, so sind Pressrohre aus Gusseisen, Stahl, Glasfieber (GFK), Steinzeug, Faserzement etc.
durchaus üblich. Darüber hinaus kann auch eine Vielzahl an möglichen Querschnittsformen realisiert
werden.
Abbildung 10-24: Prinzipskizze einer Rohrverbindung mit einseitig befestigtem Führungsring bei
Vortriebsrohren aus Beton, Stahlfaserbeton und Stahlbeton [DWA-A 125].
Druckübertragungsringe (Druckausgleichsringe)
Die zentrale Problematik bei der Übertragung der Vortriebskräfte von Rohr zu Rohr besteht darin,
dass sich bei Kurvenfahrten und Steuerbewegungen der Rohrstrang nicht kontinuierlich krümmt,
sondern dass das recht steife Rohr weitgehend gerade bleibt und in den Rohrverbindungen
Abwinkelungen entstehen. Dabei kann sich eine sogenannte klaffende Fuge ausbilden, wodurch sich
die Druckübertragungsfläche verkleinert und die Kontaktdruckspannungen zwangsläufig ansteigen.
Dieser unerwünschte Effekt wird in der Regel durch die Verwendung von Druckübertragungsringen
aus Holz oder Holzprodukten gemildert, die sich unter Last infolge ihrer geringeren Steifigkeit
verformen und beidseitig an die Rohrspiegel anlegen, den Kontaktbereich vergrößern und somit
spannungsreduzierend wirken.
Abbildung 10-25: Lastverteilende Wirkung des Druckübertragungsringes bei Abwinklung der Rohrfuge
(sD … ursprüngliche Dicke, max … maximale Stauchung, pl … bleibende Stauchung als Funktion der
Vorbelastung 1) [Firmenprospekt CoJack, 2007].
Dabei wird infolge der großen Kräfte der Werkstoff Holz weit über seine Elastizitätsgrenze hinaus
beansprucht. Es entstehen plastische Stauchungen, die nicht reversibel sind und somit auch nach einer
Entlastung bestehen bleiben. Im Laufe eines räumlich gekrümmten Vortriebs wird jeder
Druckübertragungsring vielfach be- und entlastet, wobei sich zudem ständig die Abwinkelung ändert.
Er verliert zunehmend seine lastverteilende Wirkung und „verhärtet“. Mit gut ausgeführten
Rohrvortrieben mit mäßigen Pressenkräften und guter Steuerung lässt sich dieses Phänomen zwar in
der Auswirkung mildern, aber nicht vermeiden.
10.6.1. Zwischendehner
Zwischenpressstationen, oder Dehner(-stationen) bestehen aus mehreren Vorschubzylindern, die
gleichmäßig verteilt im Schutze eines speziellen Stahlführungsringes zwischen den Rohrstirnflächen
zweier Sonderrohre – sog. (Dehner-)Vorlauf- und Nachlaufrohre – eingebaut werden.
Durch die Zwischendehner wird der Rohrstrang in separate Vortriebsabschnitte unterteilt, die bei
Bedarf taktweise mit entsprechend reduzierter Mantelreibung vorgedrückt werden.
1 Ausgangsstellung
2 Vortrieb der Schildmaschine,
Vorpressen bei C um das Maß a
3 Vorpressen bei B um das Maß a,
Zusammenfahren des Dehners bei C
4 Vorpressen bei A (Hauptstation) um
das Maß a, Zusammenfahren des
Dehners bei B
10.6.2. Rohrbemessung
Wie bei jedem unterirdischen Hohlraumbauwerk wird auch der Pressrohrstrang normal zur Rohrachse
belastet. Die für diesen Bemessungsfall verwendeten Belastungsansätze und Rechenverfahren wurden
bereits im Kapitel 4 vorgestellt.
Als Besonderheit muss jedoch beim Rohrvortriebsverfahren auch der Bauzustand mit den
maßgebenden Belastungen in Richtung der Rohrachse untersucht werden. Die Pressrohre müssen auf
die zu erwartenden Vortriebskraft (siehe Kapitel 10.5) dimensioniert werden, oder anders ausgedrückt,
die zulässigen Pressenkräfte sind auf die von den Rohren schadlos aufnehmbaren Normalkräfte zu
beschränken.
Abbildung 10-28: Typische Überlastungsschäden an Vortriebsrohren – fatal für die Dauerhaftigkeit, jedoch von
innen nicht erkennbar [Firmenprospekt].
Schließlich müssen die Pressrohre, insbesondere die Rohrlängen, auf die aufzufahrenden
Kurvenradien dimensioniert sein.
Die maximal zulässige Vorpresskraft für Pressrohre wird auf der Grundlage des Arbeitsblattes
ATV-A 161 (Arbeitsblatt der Abwassertechnischen Vereinigung Deutschlands) festgelegt. Sie wird
für eine theoretische Rohrverwinkelung z/da ermittelt.
z a 0 a min s m a max a min
mit m
d a a max a min 2 s m di
mit a0 … Dicke des Druckübertragungsringes im vorbelasteten Ruhezustand [mm]
amin … kleinste Fugenspaltweite [mm]
amax … größte Fugenspaltweite [mm]
s… Rohrwanddicke am Spitzende [mm]
da … Rohraußendurchmesser [mm]
di … Rohrinnendurchmesser [mm]
z
Bei geradem Rohrvortrieb ist 1.
da
Abbildung 10-29: Schematische Darstellung zur Ableitung des Kennwertes z/da [Scherle/Rößler, 2004].
Die Berechnung der Vortriebskraft ist nach DIN EN 1916 abhängig von der vom Rohrhersteller
angegebenen charakteristischen Betondruckfestigkeit fck (abgemindert mit einem Sicherheitsfaktor von
0,6) und von der auf Druck beanspruchten Stirnfläche Ac.
da
Abbildung 10-30: Auf Druck beanspruchter Bereich der Stirnfläche und Spannungsdiagramm bei Abwinkelung
[DIN EN 1916].
Die maximale theoretische Vortriebskraft ist mit der Annahme zu berechnen, dass die Vortriebskraft
rechtwinkelig zu den Stirnflächen wirkt (ohne Abwinkelung und mit vollkommen rechtwinkligen
Rohstirnflächen):
Fzul,max 0,6 f ck A c
Rand 0,6 f ck
Auch die Druckübertragungsringe müssen in der Lage sein, die Spannung Rand aufzunehmen.
Kurvenfahrt
Anlass von Steuerungen beim Rohrvortrieb können geplante und/oder ungeplante (Korrekturfahrt)
Änderungen der Vortriebsgradiente sein. Geplante Änderungen ergeben sich im Allgemeinen aus den
örtlichen Planungsvorgaben. Ihre Ausführung erfolgt meist auf Grundlage von Kreisbögen deren
Radien Grenzen gesetzt sind.
Das Maß der Rohrklaffung begrenzt den möglichen Kurvenradius bei Rohrvortrieben:
l di
k
R
mit k… Differenz der Fugenspaltweiten zweier gegenüberliegender Fugen
l… Länge der beidseitigen Rohre einer Fuge
di … Innendurchmesser der beidseitigen Rohre einer Fuge
R… Radius der beidseitigen Rohre einer Fuge, bezogen auf deren Achsen
di
R R
2
ABC ist ähnlich CEM k
di l
R cos 2 d i k d i
k 1 R l R
ABD ist ähnlich ABC
k
k 2
cos
11. LITERATURVERZEICHNIS
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1: Allgemeine Regeln
ÖNORM B 1997-1-1: 2013 Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik Teil
1: Allgemeine Regeln, Nationale Ergänzungen
ÖNORM EN 12889: 2000 06 01 Grabenlose Verlegung und Prüfung von Abwasserleitungen und -
kanälen.