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Hartmut Bombach
TU Bergakademie Freiberg
Institut für NE-Metallurgie und Reinststoffe
Lehrmaterial
Theoretische Grundlagen elektrochemischer Prozesse für die Metallgewinnung und
Metallraffination
0. Einleitung
Elektrolyseprozesse spielen sowohl bei der Gewinnung wie auch bei der Raffination von
Metallen eine wichtige Rolle. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über einige wichtige Elektrolyse-
verfahren in der NE-Metallurgie.
Elektrolyseprozesse werden außerdem zur Gewinnung/Raffination von Pb, Sn, Ni, Co, Ga, In
Lanthanoide und weiteren Metallen eingesetzt. Eine wesentliche Rolle spielen Elektrolyse-
prozesse in der Galvanotechnik.
1. Grundlegende Begriffe
Unter Elektrolyse fasst man die Vorgänge zusammen, bei denen durch elektrischen Strom in
einem Elektrolyten (Lösung oder Schmelze) chemische Reaktionen eingeleitet und unterhal-
ten werden. Bei den meisten Elektrolysen wird Gleichstrom verwendet. Dann bezeichnet man
die negativ geladene Elektrode als Kathode und die positiv geladene Elektrode als
Anode. Prinzipiell unterscheidet man in der Metallurgie zwischen Elektrolysen mit löslichen
Anoden und Elektrolysen mit unlöslichen Anoden.
Abb. 1. Schematische Darstellung einer Elektrolysezelle
Bei der Elektrolyse mit löslichen Anoden wird die stark verunreinigte Anode gelöst und an
der Kathode das Zu gewinnende Metall in hoher Reinheit wieder abgeschieden, wie das
Beispiel der Kupferraffinationselektrolyse zeigt:
Bei einer Elektrolyse mit unlöslichen Anoden (Gewinnungselektrolyse) wird an der Kathode
ebenfalls das Metall in reiner Form abgeschieden. Im Unterschied zur Raffinationselektrolyse
wir die Anode nicht gelöst. Bei Elektrolysen in schwefelsauren Elektrolyten erfolgt an der
unlöslichen Anode die Bildung von Sauerstoff:
Dabei sinkt während der Elektrolyse der Metallgehalt im Elektrolyten und der Gehalt an freier
Schwefelsäure steigt an. Als unlösliche Anoden werden u. a. Platin, Graphit sowie verschie-
dene Bleilegierungen eingesetzt. Bei Elektrolysen in salzsauren Elektrolyten wird an der
Anode Chlorid zu elementarem Chlor oder Chlorat bzw. Perchlorat oxidiert. Deshalb werden
in der Metallurgie in der Regel für Gewinnungselektrolysen keine chloridhaltigen Elektrolyte
eingesetzt (Ausnahme: Schmelzflusselektrolyse von Magnesium). Bei der
Schmelzflusselektrolyse von Aluminium entstehen an der Graphitanode als
Reaktionsprodukte CO und CO2.
Die den Faradayschen Gesetzen entsprechend abscheidbare Menge eines Metalls wird unter
Betriebsbedingungen meist nicht erreicht. Gründe sind u. a. Kurzschlüsse, Stromverzweigun-
gen sowie Nebenreaktionen (z.B. Abscheidung von Wasserstoff). Das Maß für den Ausnut-
zungsgrad der verbrauchten Elektrizitätsmenge ist die Stromausbeute:
η = (meff. / mtheor) *100 (Angabe in %) (8)
Der spezifische Energiebedarf (Ws) gibt an, wie groß der elektrische Arbeitsbetrag ist, der
zur Abscheidung einer bestimmten Metallmenge aufgewendet wurde. Er wird meist in kWh
pro Tonne abgeschiedenes Metall angegeben.
Ws = (UB * I * t) / meff. (9)
bzw. nach Umformung
Ws = UB / (k * η) (10)
Der spezifische Energiebedarf ist umso größer, je höher die Badspannung (UB) und je kleiner
die Stromausbeute (η) und das elektrische Äquivalent (k) sind. Als Faustregel für die Kupfer-
und Zinkelektrolyse gilt, dass eine Senkung der Badspannung um 100 mV eine Verringerung
des spez. Energiebedarfes um ca. 100 KWh/t bewirkt. Die Badspannung setzt sich dabei
additiv aus folgenden Komponenten zusammen:
• Zersetzungsspannung
• Ohmscher Spannungsabfall über dem Elektrolyten
• Anodische und kathodische Polarisation
• (Spannungsabfall über die Zuleitungen und Kontakte)
Die Zersetzungsspannung ist die Differenz aus den Standardelektrodenpotentialen der Ano-
denreaktion und der Kathodenreaktion und somit für einen bestimmten Prozess thermo-
dynamisch festgelegt. Bei Raffinationselektrolysen ist die Zersetzungsspannung entsprechend
den Gleichungen (1) und (2) Null. Für die Kupfergewinnungselektrolyse ist die Zersetzungs-
spannung entsprechend den Gleichungen (3) und (4) 0,89 V und für die Zinkgewinnungs-
elektrolyse ca. 2 V.
Wesentliche Einflussgrößen auf die Höhe des Ohmschen Spannungsabfalls im Elektrolyten
sind die Stromdichte, die elektrische Leitfähigkeit des Elektrolyten und der Elektrodenab-
stand. Die elektrische Leitfähigkeit des Elektrolyten kann durch die Elektrolyttemperatur und
die Elektrolytzusammensetzung beeinflusst werden (siehe Abschnitt 4). Höhere Temperaturen
führen zu einer höheren elektrischen Leitfähigkeit des Elektrolyten. Eine Verdopplung der
Stromdichte führt entsprechend dem Ohmschen Gesetz zu einer Verdopplung des Ohmschen
Spannungsabfalls. Bei der technischen Kupferraffinationselektrolyse liegt der Ohmsche
Spannungsabfall im Elektrolyten meist zwischen 150 und 250 mV. Die Begriffe anodische
und kathodische Polarisation werden in Abschnitt 3 erläutert.
Dabei ist festzustellen, dass die Metalle eine unterschiedlich große Neigung haben unter
Elektronenabgabe in den Ionenzustand überzugehen. Die Metalle besitzen also unter-
schiedliche elektrochemische Eigenschaften, die sich aus ihren Elektrodenpotentialen
erklären lassen. Das Elektrodenpotential ist ein Ausdruck für die Lage des chemischen
Gleichgewichtes beim Übergang von Ladungsträgern an der Phasengrenze von Elektroden.
Ursache für das Elektrodenpotential ist die Bildung einer elektrochemischen Doppelschicht an
der Phasengrenze Metall/Elektrolyt. Die Phasengrenzschicht führt zu einer elektrischen
Potentialdifferenz zwischen der Phase 1 (Metall) und der Phase 2 (Elektrolyt), die als
Galvanispannung bezeichnet wird. Da Einzelpotentiale (Galvanispannungen) weder experi-
mentell noch mathematisch zugängig sind, werden die Elektrodenpotentiale gegen eine
Bezugselektrode gemessen. Die Kombination von zwei Elektrodensystemen wird als
galvanisches Element bezeichnet.
Nernst schlug als Bezugselektrode die Standardwasserstoff-Elektrode vor. Die Elektrode
besteht aus einem platinierten Platinblech, dass in eine 1 aktive Säure (HCl) taucht, die mit
Wasserstoff mit einem Partialdruck von 1 atm gespült. Das sich an der Elektrode einstellende
Gleichgewicht der Reaktion 2H+ + 2e ⇒ H2 erhält per Definition das Standardelektrodenpo-
tential 0 V. Die auf die Normalwasserstoff-Elektrode bezogenen Einzelpotentiale der Ele-
mente in Lösungen ihrer Salze werden unter Standardbedingungen (Ionenaktivität = 1, 25 °C,
1 atm) als Standardelektrodenpotentiale (auch Standardpotential oder Normalpotential)
bezeichnet. Anhand der Größe der Standardelektrodenpotentiale erfolgt die Einordnung der
Elemente in die Elektrochemische Spannungsreihe.
Je elektronegativer das Standardelektrodenpotential eines Elementes ist, desto größer ist sein
Bestreben unter Abgabe von Elektronen in die Ionenform überzugehen, bzw. desto schwerer
lassen sich die Ionen in den elementaren Zustand überführen.
Die Größe des Standardelektrodenpotentials (E0) kann für einen reversiblen Redoxprozess aus
der Änderung der freien Enthalpie (ΔG) nach folgender Gleichung berechnet werden:
ΔG=z*F*E0 (12)
z: Anzahl der ausgetauschten Elektronen
F: Faraday-Zahl (96500 C).
In der Praxis verlaufen die Reaktionen meist nicht unter Standardbedingungen. Die Abhän-
gigkeit des Potentials von der Konzentration und der Temperatur kann über die Nernstsche
Gleichung berechnet werden.
R ⋅T a z+
E = E0 + ⋅ ln Me (13)
z⋅F a Me
R - Allgemeine Gaskonstante
T - Absolute Temperatur
z - Zahl der ausgetauschten Elektronen
F - Faraday-Konstante
a – Aktivität
Für eine Temperatur von 25 °C und Umwandlung des natürlichen Logarithmus in den
dekadischen Logarithmus gilt:
0,059
E = E0 + ⋅ lg aMe z+ (14)
z
Bei einwertigen Ionen führt somit die Verringerung der Aktivität um eine Zehnerpotenz zu
einer Senkung des Elektrodenpotentials um 59 mV.
Bei Verwendung der Nernstschen Gleichung ist zu beachten, dass die berechneten Potentiale
nur für Gleichgewichtsbedingungen (d.h. stromloser Zustand) gelten. Die aus der Nernstschen
Gleichung berechneten Potentiale gelten somit nicht für die sich während eines Elektrolyse-
prozesses an den Elektroden einstellenden Potentiale.
Die Potentialdifferenz einer Elektrode zwischen stromdurchflossenen Zustand und stromlosen
Zustand bezeichnet man als Überspannung (Einfachelektrode) oder Polarisation (Mehrfach-
elektrode). Ursache der Potentialdifferenz sind gehemmte Teilreaktionen (siehe auch
Abschnitt 5). In der Regel kann die Höhe der Überspannung bzw. Polarisation nur
experimentell bestimmt über. Durch den Stromfluss und den damit verbundenen Stoffumsatz
treten auch außerhalb der elektrochemischen Doppelschicht Konzentrationsunterschiede auf.
So kommt es an der Kathode durch die Abscheidung zu einem Mangel an Kationen und an
der Anode durch die Auflösung zu einem Kationenüberschuss. Das dadurch entstehende
Konzentrationsgefälle gegenüber dem Elektrolytinneren führt zur Ausbildung von Diffusions-
schichten (Diffusionsüberspannung). Die Dicke der Diffusionsschicht und damit der Phasen-
grenzschicht hängt u. a. von der Stromdichte, der Temperatur und den Strömungsbedingungen
(Konvektion, Diffusion, Migration) ab, und liegt meist zwischen 10-2 und 10-8 cm.
Die kathodische Polarisation verschiebt das Elektrodenpotential zu elektronegativeren Wer-
ten, die anodische Polarisation zu elektropositiveren Werten. Die Höhe der kathodischen
Polarisation ist abhängig von den Elektrodenreaktionen, der Stromdichte, der Temperatur, der
Elektrolytzusammensetzung (insbesondere Art und Menge an Inhibitoren) und den
Strömungsbedingungen an der Kathodenoberfläche. Bei der Kupferraffinationselektrolyse
liegt die kathodische Polarisation meist zwischen -40 und -100 mV.
An löslichen Anoden ist die anodische Polarisation abhängig von den Elektrodenreaktionen,
der Stromdichte, der Temperatur, der Elektrolytzusammensetzung, den Strömungsbe-
dingungen und der Zusammensetzung, Dicke und Struktur der Anodenschlammschicht. Bei
der Kupferraffinationselektrolyse liegt die anodische Polarisation bei störungsfreiem Verlauf
meist zwischen 20 und 50 mV. Durch Deckschichten auf den Anoden kann die anodische
Polarisation stark ansteigen, und es kann zur Passivierung der Anoden kommen (siehe
Abschn. 6.1). Die anodische Polarisation (Sauerstoffüberspannung) an unlöslichen Anoden ist
vor allem vom Elektrodenmaterial und der Stromdichte abhängig. Sie liegt an den für
technische Gewinnungselektrolysen meist eingesetzten Bleilegierungsanoden zwischen 600
und 800 mV und hat somit einen wesentlichen Einfluss auf die Höhe der Badspannung. Im
Unterschied dazu ist die Sauerstoffüberspannung an platinierten Platinblechen sehr niedrig.
Stehen bei einem elektrochemischen Prozess zwei Phasen (Metall/Lösung) mit nur einer
Ionenart in Wechselwirkung, dann wird dieses System als einfache Elektrode bezeichnet.
Stehen die Potential bestimmenden Ionen des Elektrolyten mit einer weiteren festen Phase im
Gleichgewicht, so liegt eine einfache Elektrode 2. Art vor. Elektroden 2. Art haben häufig ein
konstantes Elektrodenpotential und eignen sich deshalb als Referenzelektroden. Ein Beispiel
dafür ist die häufig eingesetzte Kalomelelektrode (Abb. 5). Bei dieser Elektrode wird das
Potential von Hg gegen schwerlösliches Hg2Cl2 in einer chloridhaltigen Lösung gemessen.
Entsprechend der umgeformten Nernstschen Gleichung wird das Potential in diesem System
von dem Löslichkeitsprodukt des Hg2Cl2 und damit von der Chloridkonzentration der Lösung
bestimmt. Das Potential ist somit bei einer konstanten Chloridkonzentration (und konstanter
Temperatur) konstant. In der Praxis verwendet man zur Einstellung einer konstanten
Chloridkonzentration meist eine gesättigte KCl-Lösung.
In der metallurgischen Praxis stehen häufig Elektroden mit mehreren Ionenarten in Wechsel-
wirkung, z.B. bei der Auflösung/Abscheidung von Legierungen oder bei Raffinations-
elektrolysen. Man bezeichnet diese Elektroden als Mehrfachelektroden und das sich an ihnen
einstellende Potential als Mischpotential.
Für stark verdünnte Elektrolyte (Aktivitätskoeffizient=1) berechnet sich die spez. elektrische
Leitfähigkeit nach folgender Gleichung:
c⋅z⋅F
(UK + UA) χ =α (17)
1000
α : Dissoziationsgrad
C: Konzentration in (mol/l)
Z: elektrochemische Wertigkeit des Ions
F: Faraday-Konstante
U: Wanderungsgeschwindigkeit der Ionen in (cm/s)
0,8
spez. elektr. Leitfähigkeit
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Konzentration [%]
Die spezifische elektrische Leitfähigkeit von Elektrolytlösungen ist abhängig von der Kon-
zentration, dem Lösungsmittel, dem Dissoziationsgrad, der Temperatur und der Anzahl der
Elementarladungen der Ionen. Bei Schwefelsäure steigt durch die Erhöhung der Zahl an freien
Ladungsträgern (insbesondere H+-Ionen) bis zu einer Konzentration von ca. 30 % die
Leitfähigkeit stark an. Bei weiterer Erhöhung der Säurekonzentration sinkt der
Dissoziationsgrad so stark, dass die Zahl der H+-Ionen und damit die Leitfähigkeit wieder
sinkt. Konzentrierte Schwefelsäure liegt nahezu undissoziiert vor und hat damit eine sehr
geringe Leitfähigkeit.
Abb. 7: Abhängigkeit der Leitfähigkeit konzentrierter und verdünnter Lösungen von der
Konzentration
Prinzipiell kann jeder der oben genannten Reaktionsschritte gehemmt sein. Entsprechend der
Art der Hemmung unterscheidet man deshalb folgende Arten von Überspannungen (Polarisa-
tionen):
• Diffusionsüberspannung
• Reaktionsüberspannung
• Durchtrittsüberspannung
• Kristallisationsüberspannung
Die Gesamtüberspannung setzt sich aus den Teilbeträgen der einzelnen Überspannungsarten
zusammen. Die Aufklärung der kathodischen und anodischen Prozesse kann u. a. durch die
Aufnahme von Stromdichte-Potential-Kurven erfolgen.
Abb. 9: Schematische Darstellung von kathodischen Stromdichte-Potential-Kurven
Bei der Metallabscheidung laufen parallel die Vorgänge Keimbildung und Kristallwachstum
ab. Bei einer Reihe von Metallen läuft das Kristallwachstum bevorzugt ab. Die Folge sind
knospige bzw. dendritische Abscheidungen. Insbesondere durch Bildung größerer Dendriten
kann es zu Kurzschlüssen und damit zu einer Verringerung der Stromausbeute kommen. Der
Einbau von Feststoffen (z.B. Anodenschlamm) oder Elektrolyten in Knospen oder Dendriten
führt zu erhöhten Verunreinigungsgehalten in den Kathoden. Deshalb sollen in der Praxis
möglichst glatte Kathoden erzeugt werden. Durch Zugabe (meist organischer) Additive zum
Elektrolyten kann die kathodische Metallabscheidung beeinflusst werden. Inhibitoren
hemmen die kathodische Abscheidung (insbesondere das Kristallwachstum) und wirken
polarisierend (Erhöhung des Betrages der kathodischen Polarisation). Aktivatoren
beschleunigen die Abscheidung und wirken depolarisierend. In der Praxis werden häufig
Kombinationen aus Inhibitoren und Aktivatoren eingesetzt, die meist umgangssprachlich
unter dem Begriff Inhibitor zusammengefasst werden. So wird bei der Kupferelektrolyse aus
schwefelsauren Elektrolyten meist ein Inhibitorsystem aus Knochenleim, Thioharnstoff und
Chlorid zur Abscheidung von glatten Kathoden verwendet.
Ziel der meisten Elektrolyseprozesse ist die Abscheidung reiner Metalle. Verunreinigungen
können in die Kathoden vor allem durch elektrochemische Mitabscheidung von weiteren
Elektrolytbestandteilen sowie durch den mechanischen Einbau von Feststoffen (Anoden-
schlamm), Kolloiden (mechanisch oder kataphoretisch) und Elektrolyten erfolgen. Zur Ver-
meidung des mechanischen Einbaus von Feststoffen und Elektrolyten sollte die Kathoden-
oberfläche möglichst glatt sein.
Für bestimmte Anwendungen (insbesondere in der Galvanotechnik) werden auch Legierungen
abgeschieden. Grundvoraussetzung für die kathodische Legierungsabscheidung sind ähnliche
Elektrodenpotentiale der Metalle. So können aufgrund der ähnlichen Potentiale aus
verschiedenen Elektrolyten Zinn und Blei gemeinsam z.B. als Lötzinn abgeschieden werden.
Häufig erfolgt die Abscheidung von Legierungen aus Elektrolyten, in denen die Metalle kom-
plex gebunden vorliegen (z.B. als Cyanide). Die Abscheidung von Metallen aus Komplexen
ist meist stark gehemmt und erfolgt deshalb bei hohen Polarisationen. So können z.B. auf-
grund der unterschiedlichen Stabilität ihrer Cyanokomplexe Cu und Zn aus cyanidischen
Elektrolyten gemeinsam (als Messing) abgeschieden werden, obwohl die Differenz der Stan-
dardelektrodenpotentiale ihrer zweiwertigen Ionen in schwefelsauren Lösungen 1,1 V beträgt.
Die Abscheidung von Wasserstoff an Metallelektroden erfolgt in sauren Lösungen über
folgende Teilreaktionen, die in Abhängigkeit von den Elektrolysebedingungen unterschied-
lich stark gehemmt sein können und die Ursache für die Wasserstoffüberspannung sind:
1. Transport der H+-Ionen zur elektrochemischen Doppelschicht
2. Entladung der H+-Ionen
An freien Stellen der Elektrodenoberfläche unter Bildung von adsorbierten H-Atomen
(Volmer Reaktion)
H+ + e ⇒ Hads. (18)
Oder an mit adsorbierten H-Atomen besetzten Stellen unter Bildung von adsorbierten H2-
Molekülen (Heyrovsky-Reaktion)
H+ + Hads. ⇒ H2ads (19)
3. Rekombination von zwei adsorbierten H-Atomen zu adsorbierten H2-Molekülen
(Tafel-Reaktion)
Hads. + Hads. ⇒ H2ads. (20)
4. Desorption der adsorbierten H2-Moleküle
5. Abtransport der H2-Moleküle durch Diffusion oder als Gasblase
Die Geschwindigkeit bestimmende Reaktion ist entgegen früheren Annahmen die Volmer
Reaktion (Reaktion 18).
Die wichtigsten Einflussgrößen auf die Wasserstoffüberspannung sind die Stromdichte, die
Art des Elektrodenmaterials, die Beschaffenheit der Elektrodenoberfläche, der pH-Wert sowie
die Elektrolytzusammensetzung und –temperatur. Den Zusammenhang zwischen der
Wasserstoffüberspannung (η) und der Stromdichte (i) beschreibt die Tafel-Gleichung:
⏐η⏐ = a + b lg ⏐i⏐ (21)
Die Konstante a hängt vor allem vom Elektrodenmaterial und der Beschaffenheit der Elektro-
denoberfläche, sowie vom pH-Wert und der Elektrolytzusammensetzung ab. Die Konstante b
ist u. a. von der Temperatur und dem Durchtrittsfaktor abhängig. Die Wasserstoffüberspan-
nung ist die Ursache, dass auch eine Reihe von Metallen mit elektronegativen Potentialen
kathodisch aus wässrigen Elektrolyten abgeschieden werden können. Ihr Wert liegt in Abhän-
gigkeit vom Metall und der Stromdichte zwischen 0 und –1 V, so dass Zn mit einem Stan-
dardelektrodenpotential von ca. –0,8 V noch an Elektroden mit einer hohen Wasserstoff-
überspannung kathodisch abgeschieden werden kann.
Tabelle 5: Abhängigkeit der Wasserstoffüberspannung vom Elektrodenmaterial und der
Stromdichte
6. Anodenreaktionen
Wie bereits beschrieben, unterscheidet man zwischen Prozessen mit löslichen Anoden und
Prozessen mit unlöslichen Anoden. Auf die Prozesse mit löslichen Anoden wird bei der Kup-
ferraffinationselektrolyse näher eingegangen. Eine wesentliche Eigenschaft der Anoden ist die
Anodenpassivierung, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.
6.1 Anodenpassivierung
Der Begriff der Anodenpassivierung wird in der Fachliteratur nicht immer einheitlich behan-
delt. Meist versteht man unter Passivierung einen plötzlichen starken Abfall der anodischen
Stromdichte und/oder steilen Anstieg der anodischen Polarisation bei gleichzeitiger Unterbre-
chung des Lösevorganges. An einer Elektrode, die zwischen Aktivität und Passivität wechseln
kann, sind danach mindestens zwei Potential bestimmende Vorgänge thermodynamisch
möglich. Gewöhnlich ist aber einer der beiden Vorgänge so gehemmt, dass er nicht ablaufen
kann. Beim Übergang vom aktiven in den passiven Zustand wird der 1. Vorgang zunehmend
gehemmt, während sich die Hemmung des 2. Vorganges vermindert. Im Übergangszustand
laufen beide Vorgänge nebeneinander ab. Wird im weiteren Elektrolyseverlauf die erste Re-
aktion praktisch vollständig gehemmt, und die zweite Reaktion läuft ab, so entsteht wieder
eine quasi einfache Elektrode, die sich jetzt im passiven Zustand befindet. Die zweite
Reaktion kann die anodische Auflösung einer elektropositiveren Komponente oder die
Abscheidung von Sauerstoff sein. Unter dem Übergang einer Elektrode aus dem aktiven in
den passiven Zustand und umgekehrt versteht man nach dieser Definition also den Wechsel
der Potential bestimmenden Elektrodenreaktionen. Als Vorgänge sind dabei sowohl der
Übergang unterschiedlicher Metallionen aus der Metallphase in die Elektrolytphase als auch
ein Übertritt von Elektronen möglich.
Abb. 13: Anodische Strom-Spannungskurve einer passivierbaren Metallelektrode
Es gilt heute als gesichert, dass der passive Zustand eines Metalls durch eine porenfreie Deck-
schicht aus einem festen Salz bzw. Oxid, eines anderen elektropositiveren Metalls oder durch
eine vollständige Bedeckung der Oberfläche mit chemisorbiertem Sauerstoff hervorgerufen
wird. Diese Deckschicht behindert den unmittelbaren Übergang der Metallionen vom Metall
in die Lösung. Die passivierende Deckschicht entsteht in der Regel dadurch, dass die
Auflösungsgeschwindigkeit des Metalls größer ist als die Abtransportgeschwindigkeit der
gelösten Ionen. Dadurch wird das Löslichkeitsprodukt eines Salzes, Hydroxides oder Oxides
in unmittelbarer Nähe der Elektrodengrenzfläche oder in der Anodenschlammschicht
überschritten und es bilden sich feste Verbindungen auf der Elektrodenoberfläche. Auch eine
direkte Reaktion des Metalls mit den in der Lösung vorhandenen Anionen bzw. direkt mit
dem Lösungsmittel kann zur Bildung derartiger Deckschichten führen.
Das Wachstumsverhalten und die Eigenschaften der Deckschicht hängen in bedeutendem
Maße von ihrer elektrischen Leitfähigkeit und dem Leitungsmechanismus ab. Die Schicht
kann praktisch nicht leitend, vorwiegend Ionen leitend oder vorwiegend Elektronen leitend
sein.
Bei nicht leitenden Schichten steigt bei konstantem Strom die Stromdichte auf den noch freien
Teilen der Oberfläche mit zunehmender Bedeckung an. Dadurch tritt dort eine ständig größer
werdende Polarisation auf, die zu einem neuen Elektrodenvorgang führen kann (Übergang des
Metalls in eine höhere Wertigkeitsstufe, Auflösung eines elektropositiveren Anodenbe-
standteils, Sauerstoffentwicklung). Bei vollständiger Bedeckung der Anodenoberfläche mit
einer nicht leitenden Deckschicht kommt es bei sehr hohen anodischen Polarisationen
letztendlich zum Funkendurchschlag.
Eine bevorzugte Elektronenleitfähigkeit (ca. 103 -mal größer als die Ionenleitfähigkeit) haben
metallische Deckschichten und bestimmte Oxidschichten (z.B. Oxide von Fe, Ni, Co, Pb und
Edelmetallen). Die Bildung der Oxidschichten erfolgt häufig durch eine unmittelbare elektro-
chemische Reaktion des Metalls mit OH--Ionen oder H2O-Molekülen. Das Standardelektro-
denpotential dieser Reaktionen ist häufig um mehrere Hundert mV positiver als das des
direkten Metallionenübergangs. Bei entsprechendem Potentialanstieg kommt es entweder zur
Wiederauflösung der metallischen Deckschicht oder bei oxidischen Deckschichten zur Sauer-
stoffentwicklung.
Die anodische Passivierung hat eine große technische Bedeutung. Sie führt bei gezieltem
Einsatz zu einer erheblichen Verringerung der Korrosion von Metallen (z.B. Einsatz
unlöslicher Anoden in Gewinnungselektrolysen und in der Galvanotechnik).
Demgegenüber sind Passivierungserscheinungen bei Raffinationselektrolysen aufgrund
folgender Auswirkungen unerwünscht:
• Erhöhung der anodischen Polarisation und damit der Badspannung und des spez. Energie-
bedarfes
• Unterbrechung des Lösevorganges bei einzelnen Anoden im Bad bzw. ungleichmäßige
Auflösung der Anoden (erhöhter Anodenrestanfall)
• Ungleichmäßige Verteilung der Stromdichte innerhalb des Elektrolysebades
• Gefahr des elektrochemischen Lösens elektropositiverer Anodenbestandteile mit nachfol-
gender Anreicherung im Elektrolyten bzw. kathodischer Mitabscheidung
• Änderung der chemischen Zusammensetzung des Elektrolyten
• Gefahr der anodischen Sauerstoffentwicklung (Aufwirblung von Anodenschlamm, Be-
schleunigung von Oxidationsreaktionen im Elektrolyten, Verringerung der
Metallionenkonzentration)
• Verringerung der anodischen Stromausbeute und der Raum-Zeit-Ausbeute
• Verschlechterung der Kathodenqualität
• Unterbrechung des gesamten Elektrolyseprozesses
Anodenwerkstoff für
Akkumulatorengitter
die Gewinnungselektrolyse
Dabei bilden sich an der Oberfläche über mehrere Teilreaktionen elektrisch leitende
Bleioxidschichten unterschiedlicher Zusammensetzung (α-PbO2, β-PbO2) sowie PbSO4. Die
Oxidschichten verhindern eine weitere Korrosion der Anode. Die Korrosionsbeständigkeit der
Anoden wird von den Elektrolysebedingungen und den Eigenschaften der gebildeten
Oxiddeckschicht (Phasenzusammensetzung, mechanische Stabilität und Porosität) wesentlich
beeinflusst.
Die mechanischen Eigenschaften vieler Bleilegierungen, insbesondere aber das Kriechver-
halten, sind für den Einsatz als Anoden häufig ungenügend. Sie können jedoch durch entspre-
chende Gefügeausbildung bzw. Legierungszusätze sowie mechanische Umformung verbessert
werden. Das Kriechen des Materials unter der eigenen Last kann zu Kurzschlüssen und zu
einem Aufbrechen der spröden Bleioxiddeckschicht und damit zu einer verstärkten Korrosion
der Anoden führen.
Die gewachsenen Anforderungen der Anwender an die Bleilegierungsanoden lassen sich im
Wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
¾ hohe mechanische Festigkeit und Formstabilität und damit die Vermeidung von
Verwerfungen und Kurzschlüssen
¾ gute Korrosionsbeständigkeit und damit höhere Anodenlebensdauer
¾ niedrige Sauerstoffüberspannung und damit verringerter spezifischer Energieverbrauch
¾ geringe Herstellungskosten und damit hohe Konkurrenzfähigkeit auf dem Markt