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Antonia M.

Joussen

Retinale Gefäßerkrankungen
Antonia M. Joussen

Retinale
Gefäßerkrankungen

Mit 663 Abbildungen und 47 Tabellen

1 23
Univ.-Prof. Dr. med. Antonia M. Joussen
Charité-Universitätsmedizin Berlin
Klinik für Augenheilkunde
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin

ISBN-13 978-3-642-18020-0 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York

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Planung: Dr. Klaus Richter, Heidelberg


Projektmanagement: Cécile Schütze-Gaukel, Heidelberg
Lektorat: Büro f. Wissensvermittlung Kathrin Nühse, Mannheim
Umschlaggestaltung: deblik Berlin
Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg

SPIN: 80023532

Gedruckt auf säurefreiem Papier 2111 – 5 4 3 2 1 0


V

Vorwort
Obwohl retinale Gefäßerkrankungen zu den häufigsten ophthalmologischen Erkrankungen
zählen und von den Patienten dramatisch erlebt werden, hat sich das Behandlungsspektrum
seit Einführung der Laserkoagulation für lange Zeit kaum geändert.
Mit den neuen antiangiogenen Behandlungsmöglichkeiten erfährt das Interesse an reti-
nalen Gefäßerkrankungen derzeit eine Renaissance. Nicht zuletzt das Interesse der Industrie
führte zu exzellenten Medikamentenstudien insbesondere für das Makulaödem diabetischer
Retinopathie und bei retinalen Venenverschlüssen. Hierbei rücken jedoch nicht nur Volkser-
krankungen wie die diabetische Retinopathie oder die Venenthrombosen in den Fokus des
Interesses, sondern auch seltenere Erkrankungen wie die Frühgeborenenretinopathie oder
vaskuläre Anomalien.
Auch hier gibt es faszinierende neue Behandlungsansätze und Erkenntnisse aus geneti-
schen Untersuchungen, die auf neue zukünftige Therapieansätze hoffen lassen. Die klinische
Anwendung von anti-VEGF-Therapien für vaskuläre Netzhauterkrankungen wird erst die
Spitze des Eisberges sein und weitere Therapieansätze sind zu erwarten.
Dennoch gibt es keine einheitliche Formel gegen eine pathologische Angiogenese oder
eine vaskulär bedingte Ischämie mit ihren Folgen. Trotz der neuen Behandlungsmöglichkei-
ten und des schnell wachsenden Wissens auf dem Gebiet der Gefäßbiologie und der Patho-
physiologie retinaler Gefäßerkrankungen bleiben die Gefäßerkrankungen der Netzhaut die
Haupterblindungsursache aller Altersklassen.
Die deutsche Neuauflage des Buches »Retinal Vascular Disease« umfasst das gesamte Spek-
trum vaskulärer Netzhauterkrankungen von vaskulären Anomalien über entzündliche Erkran-
kungen zu Tumoren. Im ersten Teil des Buches werden moderne diagnostische Verfahren und
Behandlungsstrategien diskutiert. Der zweite Teil umfasst den klinischen Verlauf, die Demo-
grafie sowie die Behandlungsmöglichkeiten der einzelnen vaskulären Netzhauterkrankungen.
Klinische Bildserien, die Langzeitverläufe dokumentieren sind ebenso wie schematische Gra-
fiken Charakteristika der Atlas-ähnlichen Ausstattung des Buches. Dies erlaubt eine Nutzung
durch Kollegen in der Weiterbildung ebenso wie durch erfahrene Netzhautspezialisten.
Die bewährten Autoren der englischen Auflage wurden durch Experten aus dem deutsch-
sprachigen Raum ergänzt. Mehr als 50 Kollegen haben so zum Gelingen dieses Werkes bei-
getragen.
Ein »Vielautorenbuch« kämpft immer mit verschiedenen Schreibstilen und einer gewis-
sen Redundanz. Wir haben diesen Ansatz jedoch bewusst gewählt, um der Leserschaft die
Einschätzung der Thematik durch verschiedene Experten nahezubringen.
Das Gebiet der Gefäßbiologie und der vaskulären Netzhauterkrankungen ist ein sich
derzeit sehr schnell entwickelnder und verändernder Bereich. Das Buch kann daher nur den
Stand der Entwicklung zum Zeitpunkt der Drucklegung widerspiegeln. Auf detaillierte Lite-
raturverzeichnisse haben wir aus eben diesem Grund verzichtet. Sie können für die einzelnen
Kapitel bei den Autoren angefordert werden.
Ich danke allen Autoren, die neben ihrer täglichen klinischen Belastung bereit waren
Kapitel zu erstellen und das Material für die tägliche Verwendung durch die praktisch tätigen
Kollegen aufzubereiten.
Beim Springer Verlag möchte ich die Hilfe von Herrn Dr. Klaus Richter und Frau Dr.
Sabine Ehlenbeck hervorheben, die den Wünschen der Autoren bezüglich Ausstattung und
Darstellung der Kapitel best möglich nachgekommen sind.
Zusammen mit den Autoren hoffe ich, dass dieses Werk allen retinologisch interessierten
Kollegen bei Diagnose und Therapie vaskulärer Netzhauterkrankungen gute Dienste tut.

Berlin, im Dezember 2011


Antonia M. Joussen
VII

Inhaltsverzeichnis

3.2.2 Wirkungsweise der Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37


I Diagnostische und 3.3 Standards und Indikationen für eine
panretinale Laserkoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
therapeutische Konzepte in
3.3.1 Panretinale Full-scatter-Laserkoagulation . . . . . . . . . 37
der Behandlung retinaler 3.3.2 Panretinale Mild-scatter-Laserkoagulation . . . . . . . . 39
Gefäßerkrankungen 3.4 Fokale Laserkoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.5 Subthreshold-Laserkoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
1 Fluoreszeinangiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
H. Heimann, S. Wolf 4 Die Bedeutung der PDT für vaskuläre
1.1 Geschichte der Fluoreszeinangiographie . . . . . . . . . . 4 Erkrankungen der Netzhaut . . . . . . . . . . . . . . . . .47
1.2 Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 B. Jurklies, C. Jurklies
1.3 Durchführung der Fluoreszeinangiographie . . . . . . 12 4.1 Photodynamische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
1.4 Interpretation der Fluoreszeinangiographie . . . . . . 14 4.1.1 Wirkung von Licht auf biologisches
1.5 Quantitative Auswertung der Fluoreszein- Gewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
angiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4.1.2 Unterschiede der PDT zur Laser-
1.6 Vermeidung unnötiger Angiographien . . . . . . . . . . . 17 koagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 4.1.3 Wirkmechanismen der PDT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
4.2 Verteporfin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2 Optische Kohärenztomographie in der 4.2.1 Charakteristische Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen . . . . . .19 4.2.2 Effekte der PDT in tierexperimentellen
F. M. A. Heußen, S. R. Sadda, A. C. Walsh Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4.2.3 Effekte der PDT auf gesundes (humanes)
2.2 Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Gewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
2.2.1 Optische Kohärenztomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4.2.4 Toxische Effekte und Nebenwirkungen der
2.3 Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 PDT mit Verteporfin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
2.3.1 Intraretinale Ödeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 4.3 Behandlungsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
2.3.2 Zystoides Makulaödem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 4.4 Verteprofin bei retinalen Erkrankungen . . . . . . . . . . . 57
2.3.3 Seröse Netzhautabhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 4.4.1 Retinales kapilläres Hämangiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2.3.4 Vitreomakuläres Traktionssyndrom . . . . . . . . . . . . . . . 24 4.4.2 Vasoproliferative Tumore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
2.3.5 Verschiedene Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4.4.3 Parafoveale Teleangiektasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
2.4 Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
2.4.1 Fokale und panretinale Laserkoagulation . . . . . . . . . 27
2.4.2 Pharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 5 Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien . . . . . . . . .67
2.4.3 Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 S. Brunner, S. Binder
2.5 Zukünftige Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 5.1 Einleitung, historischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 68
2.5.1 Aktuelle OCT-Limitationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 5.2 Vorbereitung zur vitreoretinalen Chirurgie:
2.5.2 Die Zukunft der OCT-Hardware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Geräte und Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
2.5.3 Die Zukunft der OCT-Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 5.3 Chirurgische Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 5.3.1 Inzisionstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
5.3.2 Vitrektomieprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
3 Grundkonzepte zur Therapie retinaler 5.3.3 Färbemethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Gefäßerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33 5.3.4 Behandlung ischämischer Netzhautareale . . . . . . . . 72
F. Rüfer, J. Roider 5.3.5 Tamponaden, Wundverschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
3.1 Geschichte der retinalen Lasertherapie . . . . . . . . . . . 34 5.3.6 Kombinierte Kataraktchirurgie und
3.2 Laserquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Vitrektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
3.2.1 Histologische Befunde nach Licht- und 5.4 Ausblick, Zukunftsperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Laserkoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
VIII Inhaltsverzeichnis

6 Behandlung des rubeotischen 8.2.2 Chirurgische Behandlung der proliferativen


Sekundärglaukoms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .77 diabetischen Retinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
T. Schlote, K. U. Bartz-Schmidt 8.3 Diabetisches Makulaödem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
6.1 Stadieneinteilung und Therapieziele . . . . . . . . . . . . . 78 A. M. Joussen, S. Winterhalter, V. Kakkassery
6.2 Therapie des frühen rubeotischen 8.3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Sekundärglaukoms (Offenwinkeltyp) . . . . . . . . . . . . . 79 8.3.2 Pathophysiologie des Diabetischen
6.3 Therapie des fortgeschrittenen rubeotischen Makulaödems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Sekundärglaukoms (Winkelblocktyp) . . . . . . . . . . . . . 82 8.3.3 Klinische Stadien des Makulaödems . . . . . . . . . . . . . 141
6.4 Glaucoma absolutum mit Schmerzen . . . . . . . . . . . . 83 8.3.4 Lasertherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 8.3.5 VEGF-Inhibitoren in der Behandlung der
diabetischen Retinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
7 Pharmakologische Ansätze in der 8.3.6 Anti-inflammatorische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen . . .87 8.3.7 Chirurgische Therapie des diabetischen
F. Ziemssen Makulaödems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
7.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
7.2 Pharmakodynamische Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
7.3 Pharmakokinetik in der Behandlung retinaler 9 Frühgeborenenretinopathie . . . . . . . . . . . . . . 163
Gefäßerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 C. Jandeck, H. Agostini
7.3.1 Glaskörperraum als »Reservoir« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 9.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
7.3.2 Elimination und Verteilung intravitrealer 9.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 9.3 Pathogenese der Frühgeborenenretinopathie . . . 164
7.3.3 Blut-Netzhaut-Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 9.3.1 Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
7.3.4 Moderne Drug-Delivery-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 9.3.2 Physiologische Gefäßentwicklung der
7.4 Intravitreale operative Medikamenten- Netzhaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
applikation (IVOM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 9.4 Pathologische Gefäßentwicklung der Netzhaut . . 165
7.4.1 Leitliniengerechte Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 9.5 Von der Krankheit zum Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
7.4.2 Risiken und Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 9.6 Kommunikation im Rahmen retinaler
7.5 Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Angiogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 9.6.1 VEGF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
9.6.2 Integrine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
9.6.3 Ephrine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
9.6.4 IGF-1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
II Pathologie, klinischer Verlauf 9.7 Serologische Marker der Frühgeborenen-
und Behandlung retinaler retinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Gefäßerkrankungen 9.7.1 IGF-1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
9.7.2 Lösliches E-Selectin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
9.8 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
8 Pathologie, Klinik und Behandlung 9.9 Symptomatik und klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . 170
von diabetischen retinalen Gefäß- 9.10 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .99 9.10.1 Frühgeborenenretinopathie-Screening nach
8.1 Nicht-proliferative diabetische Retinopathie . . . . . 100 den deutschen Screening-Kriterien von 2008 . . . . 173
G. E. Lang, S. J. Lang 9.11 Untersuchungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
8.1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 9.12 Indikationen zur Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
8.1.2 Pathogenese der diabetischen Retinopathie . . . . . 100 9.12.1 Indikationen zur Behandlung mittels
8.1.3 Somatostatin und Somatostatin-Analoga . . . . . . . . 100 Laserkoagulation nach der deutschen Leitlinie
8.1.4 Proteinkinase-C-Inhibitoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (2008) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
8.1.5 Proteinkinase C und diabetische 9.12.2 Indikationen zur Behandlung nach den
Retinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Kriterien der ETROP-Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
8.2 Proliferative diabetische Retinopathie . . . . . . . . . . 110 9.12.3 Sonderform: Zone-I-Erkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
W. Soliman, M. Larsen, H. Helbig 9.13 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
8.2.1 Photokoagulation bei proliferativer 9.13.1 Kryokoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
diabetischer Retinopathie (PDR) . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 9.13.2 Laserkoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
IX
Inhaltsverzeichnis

9.13.3 Behandlung bei Stadium 4 und 5 . . . . . . . . . . . . . . . . 176 10.5 Okuläres Ischämiesyndrom (OIS) . . . . . . . . . . . . . . . . 231
9.13.4 Anti-VEGF-Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 J. M. Rohrbach, H. Heimann
9.13.5 Konservative Therapieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 177 10.5.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
9.14 Spätveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 10.5.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
9.15 Differentialdiagnosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 10.5.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
9.16 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 10.5.4 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 10.5.5 Symptomatik und klinisches Bild/Diagnose . . . . . . 234
10.5.6 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
10 Verschlusserkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 10.5.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
10.1 Plasmaproteine und Gerinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 10.5.8 Prognose/Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 238
L.-O. Hattenbach, C. Hattenbach Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
10.1.1 Störungen der Gerinnung und intraokuläre
Blutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 11 Gefäßabnomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
10.1.2 Disseminierte intravasale Koagulopathie 11.1 Makuläre Teleangiektasien und Lebersche
(DIC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Miliaraneurysmenretinitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
10.1.3 Gerinnungsstörungen als Ursache arterieller M. Zeimer, B. Padge, D. Pauleikhoff
retinaler Gefäßverschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 11.1.1 Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
10.1.4 Gerinnungsstörungen als Ursache venöser 11.1.2 Klassifizierung, klinisches Bild und klinischer
retinaler Gefäßverschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
10.1.5 Hyperviskositätssyndrom und retinale 11.1.3 Elektronmikroskopische und lichtmikroskopische
Gefäßverschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
10.2 Zentralvenenverschluss (ZVV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 11.1.4 Natürlicher Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
L.L. Hansen 11.1.5 Assoziation mit systemischen Erkrankungen
10.2.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 und Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
10.2.2 Ätiologie und Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 11.1.6 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
10.2.3 Klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 11.2 Morbus Coats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
10.2.4 Diagnose und Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . 201 A. Schüler, N. Bornfeld
10.2.5 Medizinische Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 11.2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
10.2.6 Chirurgische und Laserbehandlung . . . . . . . . . . . . . 211 11.2.2 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
10.2.7 Leitlinien zur Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 11.2.3 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
10.3 Retinaler Venenastverschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 11.2.4 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
N. Feltgen, H. Hoerauf 11.2.5 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
10.3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 11.2.6 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
10.3.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 11.3 Familiär exsudative Vitreoretinopathie . . . . . . . . . . . 257
10.3.3 Pathophysiologie und Risikofaktoren . . . . . . . . . . . 215 A. M. Joussen, W. Berger
10.3.4 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 11.3.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
10.3.5 Klinisches Blid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 11.3.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
10.3.6 Spontanverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 11.3.3 Epidemiologie und Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
10.3.7 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 11.3.4 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
10.3.8 Behandlungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 11.3.5 Symptomatik und klinisches Bild/
10.3.9 Systemische Begleiterkrankungen . . . . . . . . . . . . . . 223 Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
10.3.10 Wirksamkeitsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 11.3.6 Klinische Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
10.3.11 Wie sollte behandelt werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 11.3.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
10.4 Retinale arterielle Verschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 11.3.8 Prognose/Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
N. Feltgen 11.4 Wyburn-Mason-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
10.4.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 A. Wessing, A. Lommatzsch
10.4.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 11.4.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
10.4.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 11.4.2 Klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
10.4.4 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 11.4.3 Fluoreszenzangiographie (FAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
10.4.5 Symptomatik und klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . 226 11.4.4 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
10.4.6 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 11.4.5 Natürlicher Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
10.4.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 11.4.6 Histopathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
X Inhaltsverzeichnis

11.4.7 Begleitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 13.3 Retinale Komplikationen nach Knochenmark-


11.4.8 Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 transplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
11.4.9 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 A. Gabel-Pfisterer, M. Doblhofer
11.5 Retinale arterielle Makroaneurysmen (RAM) . . . . . 280 13.3.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
S. Bopp 13.3.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
11.5.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 13.3.3 Symptomatik und klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . 330
11.5.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 13.3.4 Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
11.5.3 Pathomorphologie und Pathogenese . . . . . . . . . . . 280 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
11.5.4 Epidemiologie/Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
11.5.5 Symptomatik und klinisches Bild/ 14 Entzündliche Gefäßerkrankungen . . . . . . . . . 335
Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 14.1 Morbus Eales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
11.5.6 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 S. Gadkari, A. M. Joussen
11.5.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 14.1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
11.5.8 Prognose/Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 297 14.1.2 Klinisches Erscheinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 14.1.3 Natürlicher Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
14.1.4 Klassifikation des Morbus Eales . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
12 Strahlenretinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 14.1.5 Ätiologie und Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
G. Willerding, J. Heufelder, V. Kakkassery, 14.1.6 Diagnostisches Vorgehen: Fluoreszein-
D. Cordini, A. M. Joussen angiographie und Fundusskopie . . . . . . . . . . . . . . . . 345
12.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 14.1.7 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
12.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 14.1.8 Systemische Begleiterkrankungen bei
12.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Morbus Eales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
12.4 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 14.1.9 Therapeutisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
12.5 Klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 14.2 Augenbeteiligung bei systemischem Lupus
12.6 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 erythematodes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
12.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 F. Mackensen, J. T. Rosenbaum, R. Max
12.8 Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 14.2.1 Epidemiologie und Diagnosekriterien des
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 systemischen Lupus erythematodes (SLE) . . . . . . . 351
14.2.2 Häufigkeit von Augenpathologien bei SLE
13 Retinale Gefäßerkrankungen in und ihre Auswirkung auf die Prognose . . . . . . . . . . 352
Assoziation mit Systemerkrankungen . . . . . . 321 14.2.3 Typische pathogenetische und molekulare
13.1 Purtscher Retinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Abläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353
S. Aisenbrey 14.2.4 SLE-assoziierte Retinopathie: klinisches Bild
13.1.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 und Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354
13.1.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 14.2.5 Behandlungsempfehlungen, Untersuchungs-
13.1.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 intervalle und Empfehlungen für Augenroutine-
13.1.4 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 untersuchungen bei SLE-Patienten . . . . . . . . . . . . . . 355
13.1.5 Symptomatik und klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . 323 14.3 Morbus Behçet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
13.1.6 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 C. Deuter, I. Kötter, N. Stübiger, M. Zierhut
13.1.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 14.3.1 Definition und Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
13.1.8 Prognose/Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 14.3.2 Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
13.2 Terson-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 14.3.3 Krankheitsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
T. Neß 14.3.4 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
13.2.1 Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 14.3.5 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
13.2.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 14.4 Vaskulitis bei Multipler Sklerose . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
13.2.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 U. Wiehler, C. Springer, M. Becker
13.2.4 Klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 14.4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
13.2.5 Natürlicher Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 14.4.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
13.2.6 Andere Ursachen als eine Subarachnoidal- 14.4.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
blutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 14.4.4 Klinische Manifestation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
13.2.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 14.4.5 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
13.2.8 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 14.4.6 Therapie der MS-assoziierten Uveitis . . . . . . . . . . . . 367
XI
Inhaltsverzeichnis

14.4.7 Prognose/Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 369 16.2.4 Pathogenese der Vasookklusion . . . . . . . . . . . . . . . . 408


14.5 Sarkoidose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 16.3 Klinik der Sichelzellretinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . 409
U. Pleyer, S. Winterhalter 16.3.1 Nicht-proliferative Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . 409
14.5.1 Definition und Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 16.3.2 Proliferative Sichelzellretinopathie . . . . . . . . . . . . . . 414
14.5.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 16.3.3 Chorioideopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421
14.5.3 Ätiologie und Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 16.3.4 Retinale Gefäßverschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421
14.5.4 Genetik und Immunologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 16.4 Differentialdiagnosen der Sichelzell-
14.5.5 Klinik und Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 retinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422
14.5.6 Augenmanifestationen bei Sarkoidose . . . . . . . . . 373 16.5 Therapie der Sichelzellretinopathie . . . . . . . . . . . . . 422
14.5.7 Sarkoidose im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 16.5.1 Prophylaktische Behandlung für die
14.5.8 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Proliferative Sichelzellretinopathie . . . . . . . . . . . . . . 422
14.5.9 Differentialdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 16.5.2 Epiretinale Membranen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
14.5.10 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 16.5.3 Makulaforamina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
14.5.11 Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425
14.6 Nekrotisierende Vaskulitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
S. Winterhalter, F. Hiepe, N. Stübiger, U. Pleyer 17 Vaskuläre Tumoren der Netzhaut . . . . . . . . . . 427
14.6.1 Infektiöse nekrotisierende Vaskulitis . . . . . . . . . . . . 378 17.1 Histopathologie retinal vaskulärer Tumoren . . . . . 428
14.6.2 Immunologisch vermittelte nekrotisierende S. E. Coupland
Vaskulitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 17.1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428
14.7 Systemische Immunsuppression bei Vaskulitis . . 386 17.1.2 Histopathologie von kavernösen
S. Winterhalter, N. Stübiger, U. Pleyer Hämangiomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428
14.7.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 17.1.3 Histopathologie von kapillären
14.7.2 Therapeutische Grundprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . 386 Hämangioblastomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
14.7.3 Kortikosteroide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 17.1.4 Histopathologie von razemösen
14.7.4 Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) . . . . . . . . . 387 Hämangiomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430
14.7.5 Sulfasalazin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 17.1.5 Histopathologie von retinal vasoproliferativen
14.7.6 Immunsuppressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430
14.7.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 17.1.6 Histopathologie von retinal angiomatösen
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Proliferationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432
17.1.7 Histopathologie kombinierter Hamartome
15 Hypertensive Retinopathie . . . . . . . . . . . . . . . 399 des retinalen Pigmentepithels und der Retina . . . 433
S. Wolf 17.2 Kapilläres Hämangiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
15.1 Die Pathophysiologie der retinalen Gefäße J.A. Shields, C.L. Shields, K.U. Löffler
bei arterieller Hypertonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 17.2.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
15.2 Netzhautveränderungen bei arterieller 17.2.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
Hypertonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 17.2.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
15.3 Netzhautveränderungen bei der Retinopathia 17.2.4 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
hypertensiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 17.2.5 Symptomatik und klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . 435
15.4 Klinische Diagnosen bei Retinopathia 17.2.6 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
hypertensiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 17.2.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
15.5 Behandlung der Retinopathia hypertensiva . . . . . 402 17.3 Kavernöses Hämangiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
15.6 Einteilung der Augenhintergrund- B. Jurklies, C. Jurklies
veränderungen bei arterieller Hypertonie . . . . . . . 402 17.3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 17.3.2 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
17.3.3 Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
16 Sichelzellretinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 17.3.4 Klinisches Bild und Charakteristika . . . . . . . . . . . . . 442
J. v. Meurs, A. M. Joussen, G. A. Lutty 17.3.5 Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444
16.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 17.3.6 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
16.2 Pathogenese der Sichelzellretinopathie . . . . . . . . . 406 17.3.7 Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
16.2.1 Normales Hämoglobin und Sichelhämoglobin . . 406 17.4 Vasoproliferative Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
16.2.2 Ursachen der HbS-Polymerisation . . . . . . . . . . . . . . 407 N. Bornfeld
16.2.3 Kombinationen mit Thalassämie . . . . . . . . . . . . . . . . 407 17.4.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
XII Inhaltsverzeichnis

17.4.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446


17.4.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
17.4.4 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
17.4.5 Symptomatik und klinisches Bild/Diagnose . . . . . 446
17.4.6 Histologische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
17.4.7 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
17.4.8 Ophthalmologische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455
XIII

Autorenverzeichnis

Agostini, Hansjürgen, Prof. Dr. Cordini, Dino, Dr.


Augenklinik Charité Universitätsmedizin Berlin
Universitätsklinikum Freiburg, Protonen am Helmholtz-Zentrum Berlin für
Killianstraße 5, 79106 Freiburg Materialien und Energie
Hahn-Meitner-Platz 1, 14109 Berlin
Aisenbrey, Sabine, PD Dr.
Universitäts-Augenklinik Coupland, Sarah, Prof. Dr.
Eberhard Karls Universität Tübingen Consultant Histopathologist, Department of Histopathology,
Schleichstraße 12-16, 72076 Tübingen 5th Floor, Duncan Building, Daulby Street, Liverpool, L69 3GA,
United Kingdom
Bartz-Schmidt, Karl Ulrich, Univ.-Prof. Dr.
Klinikdirektor des Departments für Augenheilkunde Deuter, Christoph, Dr.
Eberhard Karls Universität Tübingen Universitäts-Augenklinik
Schleichstraße 12-16, 72076 Tübingen, Eberhard Karls Universität Tübingen
Schleichstraße 12-16, 72076 Tübingen
Becker, Matthias D., Prof. Dr.
Augenklinik Doblhofer, Miriam, Dr.
Stadtspital Triemli Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Augenheilkunde
Birmensdorferstraße 497, 8063 Zürich, Schweiz (CBF), Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin

Berger, Wolfgang, Univ.-Prof. Dr. Feltgen, Nicolas, PD Dr.


Institut für Medizinische Molekulargenetik Augenklinik u. Poliklinik
Universität Zürich Georg-August-Universität Göttingen
Schorenstraße 16, 8603 Schwerzenbach, Schweiz Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen

Binder, Susanne, Prof. Dr. Gabel-Pfisterer, Amelie, Dr.


Vorstand der Augenabteilung Klinikum Ernst von Bergmann
Rudolfstiftung Charlottenstraße 72, 14467 Potsdam
Juchgasse 25, 1030 Wien, Österreich
Gadkari, Salil S., Dr.
Bopp, Silvia, PD Dr. Speciality Eye Clinics
Augenklinik Karve Road, Pune 411004, India
MVZ Universitätsallee GmbH
Parkallee 301 / Universitätsallee, 28213 Bremen Hansen, Lutz L., Prof. Dr.
Ärztlicher Direktor, Universitäts-Augenklinik,
Bornfeld, Norbert, Univ.-Prof. Dr. Universitätsklinikum Freiburg
Universitäts-Augenklinik Killianstraße 5 , 79106 Freiburg
Universitätsklinikum Essen
Hufelandstraße 55, 45147 Essen Hattenbach, Lars-Olof, Prof. Dr.
Augenklinik
Brunner, Simon, Dr. Klinikum Ludwigshafen
Augenabteilung, Rudolfstiftung Bremserstraße 79, 67063 Ludwigshafen
Juchgasse 25, 1030 Wien, Österreich
Hattenbach, Claudia, Dr.
Klinikum der Johann Wolfgang Goethe Universität
Klinik für Augenheilkunde
Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
XIV Autorenverzeichnis

Heimann, Heinrich, Prof. Dr. Kötter, Ina, Prof. Dr.


Consultant Ophthalmic Surgeon, Royal Liverpool University Medizinische Klinik, Abteilung II
Hospital, Prescot Street, Liverpool L7 8XP, United Kingdom Universitätsklinikum Tübingen
Otfried-Müller-Straße 10, 72076 Tübingen
Helbig, Horst, Univ.-Prof. Dr.
Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Direktor, Lang, Gabriele E., Univ.-Prof. Dr.
Universitätsklinikum Regensburg Augenheilkunde – Sektion Retinologie und Laserchirurgie
Franz-Josef-Strauß-Allee 11, 93053 Regensburg Universitätsklinikum Ulm
Prittwitzstraße 43, 89075 Ulm
Heußen, Florian, Dr.
Charité Universitätsmedizin Berlin Lang, Stefan J., Dr.
Klinik für Augenheilkunde (CVK) Augenklinik
Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Universitätsklinikum Freiburg
Killianstraße 5, 79106 Freiburg
Heufelder, Jens, Dr.
Helmholtz-Zentrum Berlin Larsen, Michael, Prof. MD
Hahn-Meitner-Platz 1, 14109 Berlin Professor of Ophthalmology, Department of Ophthalmology,
Herlev Hospital, University of Copenhagen, Herlev Ringvej 75,
Hiepe, Falk, Prof. Dr. 2730 Herlev, Denmark
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Centrum Innere Medizin und Dermatologie Loeffler, Karin, Prof. Dr.
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Augenklinik des Universitäts-Klinikums
Rheumatologie und Klinische Immunologie Universitätsklinikum Bonn
Charitéplatz 1, 10117 Berlin Ernst-Abbe-Straße 2, 53127 Bonn

Hoerauf, Hans, Univ.-Prof. Dr. Lommatzsch, Albrecht, Dr.


Direktor der Abt. f. Augenheilkunde Augenabteilung
Universitätsmedizin Göttingen St. Franziskus-Hospital Münster
Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen Hohenzollernring 74, 48145 Münster

Jandeck, Claudia, Dr. Lutty, Gerard, PhD


Kennedyallee 55, 60596 Frankfurt The Wilmer Eye Institute
Johns Hopkins Hospital
Joussen, Antonia M., Univ.-Prof. Dr. 600 N. Wolfe Street, Baltimore, USA
Direktorin der Klinik
Charité Universitätsmedizin Berlin Mackensen, Friederike, Dr.
Klinik für Augenheilkunde (CVK) Interdisziplinäres Uveitiszentrum
Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg
Jurklies, Bernhard, Prof. Dr.
Helios-Klinikum Wuppertal, Augenklinik Max, Regina, Dr.
Klinikum der Universität Witten-Herdecke Interdisziplinäres Uveitiszentrum
Heusnerstraße 40, 42283 Essen Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg
Jurklies, Christine, Dr.
Universitäts-Augenklinik Neß, Thomas, Dr.
Universitätsklinikum Essen Augenklinik
Hufelandstraße 55, 45147 Essen Universitätsklinikum Freiburg
Killianstraße 5, 79106 Freiburg
Kakkassery, Vinodh, Dr.
Klinikum Steglitz (CBF) Padge, Björn, Dr.
Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin Brünebrede 47, 48231 Warendorf
XV
Autorenverzeichnis

Pauleikhoff, Daniel, Prof. Dr. Shields, Carol L., MD


Augenheilkunde Ocular Oncology Service, Wills Eye Institute
St. Franziskus Hospital Thomas Jefferson University
Hohenzollernring 74, 48415 Münster Philadelphia, Pennsylvania 19108, USA

Pleyer, Uwe, Prof. Dr. Soliman, Wael, MD


Charité Universitätsmedizin Berlin Department of Ophthalmology, Herlev Hospital
Klinik für Augenheilkunde (CVK) University of Copenhagen
Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Herlev Ringvej 75, 2730 Herlev, Denmark

Rohrbach, Jens Martin, Prof. Dr. Springer, Christina, Dr.


Augenklinik Abt. 1 Augenklinik, Stadtspital Triemli
Universitätsklinikum Tübingen Birmensdorferstraße 497, 8063 Zürich, Schweiz
Schleichstraße 12, 72076 Tübingen
Stübiger, Nicole, Prof. Dr.
Roider, Johann, Univ.-Prof. Dr. Fakultät Gesundheitswesen
Universitätsklinikum Schleswig Holstein Campus Kiel Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften
Klinik für Augenheilkunde, Haus 25 Rothenfelder Straße 10, 38440 Wolfsburg
Arnold-Heller-Straße 3, 24105 Kiel
van Meurs, Jan C., Prof. Dr.
Rosenbaum, James T., MD Professor of Ophthalmology
Casey Eye Institute The Rotterdam Eye Hospital
Oregon Health & Science University Schiedamsevest 180, 3011 BH Rotterdam, Netherlands
Portland, Oregon, USA
Walsh, Alexander, MD
Rüfer, Florian, Dr. Department of Ophthalmology
Klinik für Augenheilkunde Doheny Eye Institute
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel University of Southern California, USA
Arnold-Heller-Straße 3, 24105 Kiel
Wessing, Achim, Prof. Dr. Dr. h.c.
Sadda, Srinivas, MD Horster Straße 115, 45968 Gladbeck
Department of Ophthalmology
Doheny Eye Institute Wiehler, Ute, Dr.
University of Southern California, USA Sagarmartha Choudhary Eye Hospital
Lahan, Siraha District, Nepal
Schlote, Torsten, Prof. Dr.
Tagesklinik Ambimed Willerding, Gregor, Dr.
Klingentalstraße 9, 4057 Basel, Schweiz Charité Universitätsmedizin Berlin
Klinik für Augenheilkunde (CBF)
Schüler, Andreas, PD Dr. Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin
Stell. Ärztlicher Direktor
Augenklinik Universitätsallee, Parkallee 301 / Winterhalter, Sibylle, Dr.
Universitätsallee, 28213 Bremen Charité Universitätsmedizin Berlin
Hochschulambulanz für Augenheilkunde (CVK)
Shields, Jerry A., MD PhD Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Ocular Oncology Service, Wills Eye Institute
Thomas Jefferson University Wolf, Sebastian, Univ.-Prof. Dr. Dr.
Philadelphia, Pennsylvania 19107, USA Universitätsklinik für Augenheilkunde
Inselspital Bern, 3010 Bern, Schweiz
XVI Autorenverzeichnis

Zeimer, Meike, Dr.


Augenheilkunde
St. Franziskus Hospital
Hohenzollernring 74, 48415 Münster

Ziemssen, Focke, PD Dr.


Universitäts-Augenklinik
Eberhard Karls Universität Tübingen
Schleichstraße 12-16, 72076 Tübingen,

Zierhut, Manfred, Prof. Dr.


Department für Augenheilkunde
Eberhard Karls Universität Tübingen
Schleichstraße 12-16, 72076 Tübingen
XVII

Abkürzungsverzeichnis

AAV adenoassoziierte Viren DM Diabetes mellitus


AAV Arterienastverschluss DMÖ diabetisches Makulaödem
ACE Angiotensin-konvertierende Enzym DRS Diabetic Retinopathy Study
ACI Arteria carotis interna EAE experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis
ACR American College of Rheumatology ECLAM European Consensus Lupus Activity Measurement
AEG Glyzierungsendprodukte (»early glycation end eNOS endotheliale Stickoxidsynthetase/Nitric Oxide
products«) Synthase
AION anteriore ischämische Optikusneuropathie ERG Elektroretinogramm
AMD altersabhängige Makuladegeneration ERM epiretinale Membran
ANA antinukleäre Antikörper ETDRS Early Treatment Diabetic Retinopathy Study
ANV Kammerwinkelneovaskularisation EVR familial exudative vitreoretinopathy
aPTT aktivierte partielle Thromboplastinzeit FA Fluoreszeinangiographie
ARN akute retinale Nekrose FAI Fluozinolone Acetonid Implantat
AT III Antithrombin-III FEVR familiäre exsudative Vitreoretinopathie
AVI invertiertes Bild FFP fresh frozen plasma
AVT retinale Astvenenthrombose FGF fibroblast growth factor
BAL Bronchoalveolarlavage fRAT familiäre retinale arterielle Tortuosität
bFGF basic fibroblast growth factor GAP glial fibrillary acidic protein
BPD-MA Benzoporphyrinderivat-Monoacid GH Wachstumshormon
BRVO branch retinal vein occlusion GvHD graft versus host disease
BSG Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit GWK Goldmann-Witmer-Koeffizient
BVA Berufsverband der Augenärzte (BVA) HIF Hypoxie-induzierbarer Faktor
CCM zerebrale kavernöse Malformation HREs hypoxia-responsive elements
CCS Chorioretinopathia centralis serosa HRG histidinreiches Glykoprotein
CCS Churg-Strauss-Syndrom HSV Herpes-simplex-Virus
CDMS klinisch definierte Multipe Sklerose ICAM intercellular adhesion molecule
CEA Carotis-Endarterektomie ICG Indozyaningrün
CGE Cobalt Gray Equivalent IFDA Initiativgruppe »Früherkennung diabetischer
CHAMPS Controlled High-Risk Subjects Avonex Multiple Augenerkrankungen« (IFDA)
Sclerosis Prevention Study IGF Insulin like growth factor
CME zystoides Makulaödem (»cystoid macular IL Interleukin
edema«) ILM Membrana limitans interna
CMV Zytomegalievirus INR international normalization ratio
CNV choroidale Neovaskularisation INV Irisneovaskularisation
cPAN klassische Panarteriitis nodosa IOD Intraokulardruck
cpm cuts per minute IOL Intraokularlinse
CRA chorioretinale Anastomose IRMA intraretinale mikrovaskuläre Anomalie
CRLR calcitonin receptor like receptor IVA Ausgangssehschärfe
ct centistokes IVOM intravitreale operative Medikamentenapplikation
CT Computertomogramm IVTA intravitreales Triamcinolon
CTGF connective tissue growth factor JAM junctional adhesion molecule
CVID common variable immunodeficiency KMT Knochenmarktransplantation
DAG Diacylglycerol LE Lupus erythematodes
DD Differentialdiagnose LIA Licht-induzierte Amaurose
DDG Deutsche Diabetesgesellschaft (DDG) LRP5 low-density lipoprotein receptor-related protein 5
DDS Dexamethason slow-release System MCP macrophage chemoattractant protein
DIC disseminierte intravasale Koagulopathie MIP macrophage inflammatory protein
XVIII Abkürzungsverzeichnis

mPAN mikroskopische Panarteriitis nodosa TNF tumor necrose factor


MRA MR-Angiographie t-PA Gewebsplasminogenaktivator (tissue
MRT Magnetresonanztomogramm plasminogen activator)
MS Multiple Sklerose TPZ Thromboplastinzeit
NAION nicht-arteriitische anteriore ischämische TTE transthorakales Herzecho
Optikusneuropathie TTP thrombotische thrombozytopenische
ND Norrie-Erkrankung Purpura
NF-κB nuclear factor κ B TZ Thrombinzeit
NVD Neovaskularisation auf oder neben der UTR untranslated regions
Papille VE-cadherin vascular endothelium cadherin
NVE Neovaskularisation andernorts am Fundus VEGF vascular endothelial growth factor
NVG neovaskuläres Glaukom vHL von Hippel-Lindau-Erkrankung
OCT Optische Kohärenztomographie VPF vascular permeability factor
OIR-Modell Oxygen induced retinopathy-model VTR vasoproliferativer Tumor der Retina
OIS Okuläres Ischämiesyndrom VZV Varicella-zoster-Virus
ON Optikusneuritis XL-FEVR X-linked familial exudative vitreoretinopathy
OPL äußere plexiforme Schicht ZAV Zentralarterienverschluss
OPPG-Syndrom Osteoporosis-pseudoglioma syndrome ZVT Zentralvenenthrombosen
PAI plasminogen activator inhibitor ZVV Zentralvenenverschluss
PCR polymerase chain reaction
PDT photodynamische Therapie
PEDF pigment epithelial derived factor
PFCL Perfluorcarbone
PHPV persistierende hyperplastische primäre
Glaskörper
PKC Proteinkinase C
POE Polyorthoesthern
PORN progressive äußere Netzhautnekrose
PPD purifiziertes Proteinderivat
PRP panretinale Photokoagulation
PVR proliferative Vitreoretinopathie
RAP retinal angiomatöse Proliferation
RAPD relativer afferenter Pupillendefekt
RCH retinales kapilläres Hämangiom
RON radiären Optikusneurotomie
ROP retinopathy of prematurity
RPE retinales Pigmentepithel
RPM Retinopathia praematurorum
rtPA rekombinierter Gewebsplasminaktivator
(recombinant tissue-like plasminogen
activator)
sE-Selectin soluble E-Selectin
SiO Silikonöl (SiO)
siRNA small interference-RNA
SLE systemischen Lupus erythematodes
SLEDAI Systemic Lupus Erythematosus Disease
Activity Index
SRD seröse Netzhautabhebung (»serous retinal
detachment«)
SRT selektiven Retinatherapie
SSTR1-5 5 Somatostatin-Rezeptor-Subtypen
TGF transforming growth factor
I

I Diagnostische und therapeutische


Konzepte in der Behandlung
retinaler Gefäßerkrankungen

1 Fluoreszeinangiographie – 3
H. Heimann, S. Wolf

2 Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler


Gefäßerkrankungen – 19
F. M. A. Heußen, S. R. Sadda, A. C. Walsh

3 Grundkonzepte zur Therapie retinaler Gefäßerkrankungen – 33


F. Rüfer, J. Roider

4 Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen


der Netzhaut – 47
B. Jurklies, C. Jurklies

5 Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien – 67


S. Brunner, S. Binder

6 Behandlung des rubeotischen Sekundärglaukoms – 77


T. Schlote, K. U. Bartz-Schmidt

7 Pharmakologische Ansätze in der Behandlung retinaler


Gefäßerkrankungen – 87
F. Ziemssen
3 1

Fluoreszeinangiographie
H. Heimann, S. Wolf

1.1 Geschichte der Fluoreszeinangiographie – 4

1.2 Konzept – 12

1.3 Durchführung der Fluoreszeinangiographie – 12

1.4 Interpretation der Fluoreszeinangiographie – 14

1.5 Quantitative Auswertung der Fluoreszeinangiographie – 17

1.6 Vermeidung unnötiger Angiographien – 17

Literatur – 18

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_1,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
4 Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

Die Fluoreszeinangiographie (FA) stellt neben der Oph- kunde, der »Medical Retina«, gelegt. Die ersten bahn-
1 thalmoskopie weiterhin eine wichtige Untersuchungs- brechenden großen Multizenterstudien in diesem neuen
methode bei Diagnose und Therapie der häufigsten Spezialgebiet basieren auf fluoreszenzangiographischen
Netzhauterkrankungen dar. Trotz der Weiterentwicklun- Befunden und haben so in den letzten 20 Jahren neue
gen von optischer Kohärenztomographie (OCT) und der Standards für die Behandlung von exsudativer AMD,
Indiozyaningrün-Angiographie können frühe Schädigun- diabetischer Retinopathie und retinalen Gefäßerkran-
gen der Netzhautgefäße, Neovaskularisationen bei exsu- kungen definiert.
dativer AMD sowie Netzhaut-Ischämien bei diabetischer Als wesentlicher technischer Fortschritt ist die Ein-
Retinopathie oder nach Gefäßverschlüssen zuverlässig führung digitaler Photographiesysteme anzusehen, die
nur mit der Fluoreszeinangiographie diagnostiziert wer- klassische filmbasierte Techniken seit etwa 10 Jahren
den. Daher wird diese Methode auf absehbare Zeit ein überholt und ersetzt haben. Die Vorteile dieser Metho-
wichtiger Bestandteil der Untersuchungen von Patienten den sind in einer sofortigen Verfügbarkeit der Bilder
mit retinalen und choroidalen Erkrankungen bleiben an mehreren Arbeitsplätzen innerhalb einer Klinik, der
(⊡ Abb. 1.1). Möglichkeit der digitalen Nachbearbeitung und Verbes-
serung der Aufnahmen, der vereinfachten Archivierung,
der Pseudo-Stereobetrachtung am Monitor und dem
1.1 Geschichte der Nutzen für telemedizinische Konsultationen zu sehen.
Fluoreszeinangiographie Diese hat in den letzten Jahren zur Etablierung mehre-
rer »Reading Centres« weltweit geführt, in denen Netz-
Fluoreszein ist einer der stärksten künstlichen Farbstoffe. hautspezialisten standardisierte Auswertungen und Be-
Es wurde erstmals 1871 von Adolf von Baeyer, einem urteilungen von bildgebenden Verfahren und Befunden
deutschen Chemiker, dem 1906 den Nobelpreis für Che- für Studienzwecke oder auch zur klinischen Behandlung
mie für die Entwicklung organischer Farbstoffe verliehen vornehmen.
wurde, synthetisiert. Eine Anreicherung von Fluoreszein Trotz der wichtigen neueren Untersuchungstechni-
in der Vorderkammer nach intravenöser Injektion des ken wie den elektrophysiologischen Untersuchungsme-
Farbstoffs wurde erstmals von Paul Ehrlich im Jahre 1882 thoden, der ICG-Angiographie und insbesondere der
beschrieben. Weitere Meilensteine waren die Beschrei- optischen Kohärenztomographie (OCT) bleibt die FA
bung einer Fluoreszein-Leckage in chorioretinischen auch weiterhin ein essentieller Bestandteil in der Di-
Herden durch Burk 1910 sowie 1955 die Anreicherung agnose und Behandlung der wichtigsten Netzhauter-
in Aderhauttumoren nach intravenöser Injektion durch krankungen. Eine zweifelsfreie Diagnose der häufigsten
MacLean und Maumenee. Erkrankungen (z.B. der exsudativen AMD) oder die Be-
Das Konzept der heute angewendeten Fluoreszeinan- urteilung der Netzhautperfusion bei diabetischem Ma-
giographie (FA) wurde erstmals 1959 von Flocks, Miller kulaödem und retinalen Gefäßerkrankungen kann nur
und Chao nach tierexperimentellen Studien an Katzen anhand der FA erfolgen. Dieser Methode kommt daher
beschrieben. Die erste FA am Menschen wurde kurz dar- auch weiterhin eine wichtige Rolle bei der Therapieent-
auf von Novotny und Alvis durchgeführt. Ein Meilenstein scheidung und Finanzierung der Behandlung retinaler
in der Interpretation der fluoreszenzangiographischen Erkrankungen zu.
Befunde und Standardwerk bis heute ist der »Stereosco- Durch die neuen Behandlungsoptionen in der Thera-
pic Atlas of Macular Diseases« von Donald Gass, der erst- pie der exsudativen AMD und nun auch der vaskulären
mals 1969 herausgegeben wurde. In Deutschland wurde retinalen Erkrankungen hat die Anzahl der durchzufüh-
die FA durch Achim Wessing und sein Lehrbuch »Flu- renden FA in den letzten 5 Jahren deutlich zugenommen.
oreszeinangiographie der Retina«, das 1968 publiziert Da es sich bei der FA um ein invasives und relativ zeitauf-
wurde, als fester Bestandteil der modernen Retinologie wendiges Verfahren handelt, sind die größeren Zentren
etabliert. nunmehr darauf bedacht, die Anzahl der durchgeführten
Die FA wird nun seit über 40 Jahren routinemä- FA auf das notwendige Minimum zu reduzieren. In den
ßig weltweit in allen Kliniken, die auf die Behand- vergangenen Jahren geht der Trend daher in die Rich-
lung der Erkrankungen des hinteren Augenabschnitts tung, die FA vor allem bei der Diagnosestellung und
spezialisiert sind, angewendet. Sie hat enorm zu dem initialen Therapieempfehlung einzusetzen. Der Thera-
Verständnis und zur Entwicklung neuer Therapiestrate- pieverlauf wird nunmehr meist durch sequentielle OCT
gien in der Behandlung dieser Erkrankungen beigetra- beurteilt. Die Bedeutung der FA hat hier in den letzten
gen. Zusammen mit der etwa zeitgleichen Einführung Jahren abgenommen und sie wird, z.B. im Rahmen der
der Laserkoagulation wurden so der Grundstein für Anti-VEGF Therapie der exsudativen AMD, nur noch in
ein eigenständiges neues Fachgebiet in der Augenheil- Einzelfällen durchgeführt.
Erkrankung Lokalisation Klinischer Befund Frühe arteriovenöse Phase Arteriovenöse Phase Spätphase Kernpunkte

AMD

Klassische CNV Zentrale Makula GraueVerdickung zentrale Frühe, gut abgrenzbare Zunehmende Hy- Persistierende Frühe, gut abgrenzbare
Retina/RPE/ Makula Hyperfluoreszenz perfluoreszenz mit Hyperfluoreszenz Hyperfluoreszenz mit zuneh-
Choriokapillaris ± intraretinale Blutung Leckage vom Rand mender Leckage.
± Exsudate der CNV Speichenartige Gefäßstruktur
± RPE Veränderungen der CNV in einigen Fällen
± umgebender Pigment- sichtbar
ring

Okkulte CNV Zentrale Makula GraueVerdickung zentrale Hypofluoreszenz im Bereich Punktförmige oder Zunehmende Keine Hyperfluoreszenz in
Retina/RPE/ Makula des Netzhautödems größere Hyperfluo- Leckage, deren der Frühphase, dann zuneh-
1.1 · Geschichte der Fluoreszeinangiographie

Choriokapillaris ± intraretinale Blutung reszenzen, die erst in Herkunft nicht mende, nicht sicher zu lokali-
± Exsudate der arteriovenösen sicher lokalisiert sierende Leckage im Verlauf.
± RPE Veränderungen Phase auftreten werden kann, oder Stereo-Betrachtung wichtig
fibrovaskuläre RPE-
Abhebung

Pigmentepithel-Abhebung Makula Orang-gelbliche, kuppel- Hypofluoreszenz im Bereich Beginnende und Zunehmende und Eine nierenförmige Einker-
Retina/RPE artige Vorwölbung des Netzhautödems zunehmende Leckage persistierende bung der RPE-Abhebung
innerhalb der Abhe- Leckage, die die kann die Lokalisation einer
bung Grenzen der Abhe- CNV anzeigen.
bung nicht über- ICG-Angiographie zum Nach-
schreitet weis einer CNV oder polypoi-
daler Läsionen

RAP (Retinale angiomatöse Proli- Makula meist Exzentrische retinale Frühe, lokalisierte Hyperflu- Zunehmende Lecka- Persistierende Video-Angiographie verdeut-
feration) para-/juxtafo- Blutung mit umgebenden oreszenz ge im Bereich des Leckage im Bereich licht Kommunikation retinaler
veal Lipidexsudaten. Kommunikation der CNV Gefäßkomplexes des Gefäßkom- und choroidaler Gefäße.
Retina/RPE/ Retinale Gefäße, die sich mit dem retinalen Gefäß- plexes ICG-Angiographie sinnvoll
Choriokapillaris nicht verjüngen und in die komplex ± RPE-Abhebung
Aderhaut abtauchen
±RPE-Abhebung
5

⊡ Abb. 1.1 Übersicht typischer fluoreszenzangiographischer Befunde


1
1
6

Erkrankung Lokalisation Klinischer Befund Frühe arteriovenöse Phase Arteriovenöse Phase Spätphase Kernpunkte

Einriss des Pigmentepithels Makula, meist Gut abgrenzbare, meist Frühe, gut abgrenzbare Zunehmende Hyper- Persistierende Treten spontan oder häufiger
juxta-/extra- L-förmiges aufgehelltes Hyperfluoreszenz im De- fluoreszenz im De- Hyperfluoreszenz nach Therapie von CNV mit
foveal Areal, an einer Seite von fektbereich (Fensterdefekt ± fektbereich / CNV RPE-Abhebungen auf.
RPE dem dunkleren aufgeroll- CNV-Leckage), Hypofluores- Identifikation noch aktiver
ten RPE begrenzt zenz im Areal des aufgeroll- CNV für Entscheidung zur
ten RPEs Wiederbehandlung wichtig

Drusen Makula / hinte- Gelbliche Vorwölbungeun Überwiegend hypofluores- Zunehmende Hyper- Persistierende Keine Leckage über den
rer Pol unterschiedlicher Größe zent, einige Drusen können fluoreszenz, keine oder abnehmende Randbereich der Drusen
Retina/RPE jedoch vereinzelt eine frühe, Leckage Hyperfluoreszenz, hinaus
Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

gut abgrenzbare Hyperfluo- keine Leckage


reszenz aufweisen

Makuläre Teleangiektasien Juxtafoveal, Lokalisierte Gefäßerwei- Füllung der retinalen Telean- Leckage über den Leckage mit teilwei- Stereoangiographie zur
meist temporal terungen, schollige Pig- giektasien Teleangiektasien se zystoidem Ödem räumlichen Zuordnung der
inferior mentverschiebungen. Läsion wichtig.
Verlust der Netzhauttrans- OCT zeigt meist weniger
parenz Netzhautverdickung als nach
± RAP-ähnliche Verände- Angiographie zu erwarten
rungen mit CNV wäre.
Oft bilateral

Geographische Atrophie Zentrale Maku- Gut abgrenzbares Areal Frühre, gut abgrenzbare Zunehmende Hyper- Abnehmende Keine Leckage, kein Netz-
la, initial meist mit Fensterdefekt Hyperfluoreszenz mit sicht- fluoreszenz parallel Hyperfluoreszenz hautödem Autofluoreszenz
juxta-/extrafo- baren Aderhautgefäßen zur Aderhautfüllung parallel zum Nach- besser zur Untersuchung /
veal (Fensterdefekt) Keine Hyperfluores- lassen der Ader- Dokumentation geeignet
zenz über den Rand- hautfluoreszenz
bereich des Fenster-
defekts hinaus

⊡ Abb. 1.1 Fortsetzung


Erkrankung Lokalisation Klinischer Befund Frühe arteriovenöse Phase Arteriovenöse Phase Spätphase Kernpunkte

Diabetische Retinopathie

Fokales Ödem Meist extrafo- Lokalisierte Mikroaneu- Hypofluoreszenz durch Zunehmende Füllung Zunehmende Spätaufnahme nach 10 min
veal beginnend rysmen mit umgebendem Netzhautödem, Füllung der und Leckage der Leckage zeigt oft deutlich mehr Le-
Retina Netzhautödem, Lipid- Mikroaneurysmen Mikroaneurysmen ckage.
Exsudaten und Blutungen FA zur Identifikation von
Mirkoaneurysmen und ischä-
mischen Arealen

Diffuses Ödem Zentrale Makula Diffuse Netzhautverdi- Hypofluoreszenz durch Diffuse Leckage über Zunehmende Le- OCT zur Verlaufsbeobachtung
Retina ckung Netzhautödem, Füllung von geschädigten Netz- ckage, oft zystoide
1.1 · Geschichte der Fluoreszeinangiographie

± Exudate Mikroaneurysmen hautgefäßen und von Konfiguration


± Mikroaneurysmen Mikroaneurysmen

Ischämische Retinopathie Zentrale Makula Diffuse Verdickung Hypofluoreszenz in den Persistierende Hypo- Persistierende Ausmaß der Ischämie beein-
Retina ± »Ghost Vessels« Verschlussarealen fluoreszenz Hypofluoreszenz flusst Therapieentscheidung
± IRMA oder Neovaskula- Hyperfluoreszenz in
risationen im Randbereich den Randbereichen
der Ischämieareale über IRMA oder
± tiefe Netzhautblutungen Neovaskularisati-
onen

Proliferative Retinopathie An der Papille Sichtbare Neovaskulari- Frühe Füllung der Neovas- Leckage über den Persistierende Kleinere Neovaskularisatio-
oder entlang sationen kularisationen parallel zur Neovaskularisationen diffuse Leckage nen können oft nur mit der FA
der großen ± Fibrose Füllung der Netzhautgefäße über den Neovasku- identifiziert werden
Gefäßbögen ± Traktion larisationen
Epiretinal ± Makulaödem
7

⊡ Abb. 1.1 Fortsetzung


1
1
8

Erkrankung Lokalisation Klinischer Befund Frühe arteriovenöse Phase Arteriovenöse Phase Spätphase Kernpunkte

Tumoren

Aderhautmelanom Gesamter Pigmentierter oder nicht- Hypofluoreszenz durch Hyperfluoreszenz Persistierende Tumoreigenes Gefäßsystem
Fundus pigmentierter Aderhaut- Tumor und Netzhautödem innerhalb des Tumors Hyperfluoreszenz unterstützt die Diagnose,
Aderhaut tumor Teilweise sichtbare Füllung ± lokalisierte Lecka- innerhalb des ist jedoch nicht immer zu
Gelegentlich Durchbruch eines tumoreigenen Gefäß- gen Tumors identifizieren und ist nicht
durch Bruch´sche Mem- systems ± zunehmende beweisend
bran und Netzhautinfil- Leckagen der Tumor-
tration gefäße
± Lipofuzin (»orange
pigment«)
± tumoreigenes Gefäß-
system
Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

± subretinale Blutungen
± Drusen
± Netzhautödem / exsu-
dative Ablatio

Aderhauthämangiom Hinterer Pol Rötlicher oder gräulicher Sehr frühe Füllung der Zunehmende, deutli- Persistierende Gute Aufnahmen der Früh-
Aderhaut Tumor mit Netzhautödem Tumorgefäße mit der Ader- che Hyperfluoreszenz Leckage innerhalb phase wichtig
oder exsudativer Ablatio hautfüllung (meist kurz vor innerhalb des Tumors des Tumors ICG-Angiographie hilfreich
Füllung der Netzhautge-
fäße)

Varia

Retinopathia centralis serosa Makula Gelbliche Läsionen und Hypofluoreszenz in Bereich Punktförmige Hy- Persistierende Multiple Läsionen möglich
Gelegentlich RPE-Veränderungen in der des Netzhautödems perfluoreszenz, die Leckage im Bereich Neurosensorische Abhebung
außerhalb der Makula sich langsam zu einer der neurosenso- meist nur im OCT erkennbar
Makula Makulaödem größeren Leckage rischen- / RPE- ICG Angiografie sinnvoll
RPE ± extrafoveale neurosen- ausweitet (»Rauch- Abhebung
sorische und RPE-Abhe- fahne«)
bungen

⊡ Abb. 1.1 Fortsetzung


Erkrankung Lokalisation Klinischer Befund Frühe arteriovenöse Phase Arteriovenöse Phase Spätphase Kernpunkte

Chronische Retinopathia centralis Makula Pigmentveränderungen in Frühe Fensterdefekte des Fensterdefekte Persistierende Wichtige Differentialdiagnose
serosa Gelegentlich der Makula RPE ± Leckagen in aktiven Fensterdefekte zur okkulten CNV
außerhalb der ± aktive Läsionen wie oben Läsionen ± Leckagen in Stereoangiografie, OCT und
Makula beschrieben aktiven Läsionen ICG Angiografie in der Diffe-
RPE rentialdiagnose hilfreich

Zystoides Makulaödem Zentrale Makula Zystoide Netzhautver- Hypofluoreszenz durch Langsam zunehmen- Zunehmende OCT zur Verlaufskontrolle
1.1 · Geschichte der Fluoreszeinangiographie

Retina änderungen (»Honigwa- Netzhauödem de Hyperfluoreszenz Leckages (Pooling) und Ausschluß vitreoretinaler
ben«) innerhalb der zystoi- in den zystoiden Traktionen
den Hohlräume Hohlräumen

Makulaforamen Zentrale Makula Punktförmige gelbliche Hypofluoreszenz im Bereich Gelegentlich geringe Gelegentlich zuneh- FA normalerweise nicht
Veränderung oder rundli- des Defekts Hyperfluoreszenz mende Hyperfluo- indiziert.
cher Netzhautdefekt mit innerhalb bzw. im reszenz im Randbe- Diagnose durch klinischen
punktförmigen gelblichen Randbereich des reich des Lochs Befund und OCT
Veränderungen innerhalb Lochs
des Defektes (»Salamisch-
eibe«)

Makular pucker Makula Verziehung der makulären Füllung der verzerrten Geringe Hyperfluo- Zunehmende FA normalerweise nicht
Retina Netzhautgefäße Netzhautgefäße reszenz der verzerr- Hyperfluoreszenz indiziert.
Sichtbare Gliose / Fibrose ten Netzhautgefäße über den verzerrten Diagnose durch klinischen
Gefäßen Befund und OCT
Gelegentlich zystoi-
de Leckage
9

⊡ Abb. 1.1 Fortsetzung


1
1
10

Erkrankung Lokalisation Klinischer Befund Frühe arteriovenöse Phase Arteriovenöse Phase Spätphase Kernpunkte

Retinale Vasculitis Segmental oder Gefäßeinscheidungen, Verlangsamte Füllung der Zunehmende Hyper- Zunehmende Hy- Umfangreiche Differentialdi-
generalisiert Vitritis. betroffenen Netzhautgefä- fluoreszenz über ge- perfluoreszenz. agnose.
Kann gesamten Retinale Ödem und Blu- ße (Arterien und Venen) schädigten Gefäßen Späte Hyperfluo- FA gelegentlich zur Identifika-
Fundus betref- tungen Schwache Hyperfluoreszenz ± Füllungsdefekte reszenz über der tion von betroffenen Arealen
fen über geschädigten Gefäßen ± zystoides Makula- Papille und Neovaskularisationen
Retina ± Cho- ödem sinnvoll
roidea ± Leckage über
epiretinalen Neovas-
kularisationen
Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

Choroidale Vasculitis Segemental Pigmentveränderungen Hypofluoreszenzen in den Meist Übergang von Hyperfluoreszenz Umfangreiche Differentialdi-
oder genera- ± »weiße Flecken« betroffenen Arealen Hypofluoreszenz zu über den betrof- agnose.
lisiert ± Vitritis Hyperfluoreszenz fenen Aderhauta- ICG Angiografie hilfreich
Kann gesamten in den betroffenen realen.
Fundus betref- Aderhautarealen Späte Hyperfluo-
fen reszenz über der
Choroidea ± Papille
Retina

Retinale Gefäßverschlüsse

Zentralvenen-Verschluss Gesamter Intra- und präretinale Hypofluoreszenz über der Verzögerte Füllung Diffuse Leckage FA zur Identifikation von
Fundus Blutungen. ödematösen Netzhaut und der gestauten Netz- durch generalisierte Ischämiearealen und Neovas-
± Makulaödem Gestaute Netzhautvenen den Blutungen hautvenen Hypoflu- Schrankenstörung kularisationen.
Retina zystoides Makulaödem- oreszenz in Ischämie- der betroffenen OCT zur Verlaufsbeobachtung
Cotton-wool-Herde. arealen. Gefäße.
Bei älteren Verschlüssen: Leckage über Neo- ± zystoides Maku-
± retinale Teleangiek- vaskularisationen und laödem
tasien Teleangiektasien. ± Leckage über
± retinochoroidale Shunt- Keine Leckagen über Teleangiektasien
gefäße Shuntgefäßen und Neovaskularisa-
± Neovaskularisationen tionen

⊡ Abb. 1.1 Fortsetzung


Erkrankung Lokalisation Klinischer Befund Frühe arteriovenöse Phase Arteriovenöse Phase Spätphase Kernpunkte

Venenast-Verschluss Ein bis zwei Wie Zentralvenen- Hypofluoreszenz über der Verzögerte Füllung Diffuse Leckage FA zur Identifikation von
Netzhautquad- Verschluss, jedoch auf ödematösen Netzhaut und der gestauten Netz- durch generalisierte Leckage und Ischämien vor
ranten ein bis zwei Quadranten den Blutungen hautvenen Hypoflu- Schrankenstörung Laserkoagulation.
± Makulaödem begrenzt oreszenz in Ischämie- der betroffenen OCT zur Verlaufsbeobachtung
arealen. Gefäße
Leckage über Neo- ± zystoides Maku-
vaskularisationen und laödem
Teleangiektasien. ± Leckage über
Keine Leckagen über Teleangiektasien
Shuntgefäßen und Neovaskularisa-
tionen

Zentralarterienverschluss / Retina Netzhautödem Verzögerte und segmentale Stark verzögerte Fül- Diffuse Leckage in FA gelegentlich in frischen
Arterienastverschluss Alle Quadran- Kirschroter Fleck der Füllung der betroffenen lung der betroffenen den betroffenen Fällen hilfreich, da noch kein
1.1 · Geschichte der Fluoreszeinangiographie

ten oder loka- Fovea Netzhautareale Choroidale Gefäße Quadranten auf- ausgeprägtes Netzhautödem
lisiert ± sichtbare intraarterielle Füllung erhalten falls Arteria ± Segmentierung des grund eine genera- vorliegt
Emboli ophthalmica noch durch- Fluoreszeinstroms lisierten Endothel- /
blutet, ansonsten fehlende in den betroffenen Schrankenstörung
Aderhautfüllung Gefäßen
Gelegentlich erhaltene Zir-
kulation eines zilioretinalen
Gefäßes and er Papille

Okuläres Ischämiesyndrom Retina Mikroaneurysmen, Maku- Deutlich verzögerte und Verlängert Arteriove- Diffuse Leckage Carotis-Doppler zur Diagno-
Gesamter laödem, Verengte Netz- ungleichmäßige Aderhaut- nöse Passagezeit. über Mikroaneurys- sesicherung erforderlich.
Fundus hautarterien füllung. Füllung der Mikro- men und geschä-
Deutlich verzögerte Füllung aneurysmen digten Netzhautge-
der Netzhautgefäße fäßen.
Leckage über der
Papille

⊡ Abb. 1.1 Fortsetzung


1 11
12 Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

1.2 Konzept Fluoreszein nach intravenöser Injektion frei in allen


1 Geweben.
Die Fluorezenz ist ein physikalisches Phänomen, bei dem Die intravenöse Injektion ist zumeist gut verträg-
absorbiertes Licht einer bestimmten Wellenlänge eine lich. Leichte Nebenwirkungen, wie z.B. Übelkeit, kom-
spontane Emission von elektromagnetischer Strahlung men bei etwa 1:20 Fällen vor. Mittelschwere Neben-
der gleichen oder unterschiedlicher Wellenlänge hervor- wirkungen wie Urtikaria oder Dyspnoe sind bei etwa
ruft. In der Praxis macht man sich dieses Phänomen zu 1:60 Fällen zu beobachten. Schwere Komplikationen wie
Nutzen, in dem man das erregende Licht durch Filter auf schwere allergische Reaktionen oder ein anaphylakti-
ein bestimmtes Wellenlängenspektrum beschränkt und scher Schock können bei etwa 1:2.000 Fällen auftreten.
das neu emittierte Licht wiederum durch selektive Filter Das Risiko für letale Komplikationen wird in der Lite-
aufnimmt. In der Praxis wirken die nicht an Proteine ratur mit 1:220.000 angegeben. Die FA ist bei Patienten
gebundenen Fluoreszeinmoleküle nach Anregung durch mit vorherigen allergischen Reaktionen auf Fluoreszein
das einfallende Licht wie unzählige Lichtquellen, die nun kontraindiziert. Es bestehen keine wissenschaftlichen
im Gewebe lokalisiert bzw. photographiert werden kön- Erkenntnisse, die gegen die Durchführung einer Angio-
nen und durch die fluoreszierenden Eigenschaften einen graphie während einer Schwangerschaft sprechen wür-
viel stärkeren Kontrast zu dem umgebenden Gewebe er- den. Jedoch wird diese in der Regel, zumal durch die
zeugen als dieses durch die reinen Färbeigenschaften des nun weit verbreitete nicht-invasive Untersuchungsme-
Farbstoffes möglich wäre. thode der OCT, meist erst nach der Geburt des Kindes
Natrium-Fluoreszein (C20H10O5Na2, MW 376) ist vorgenommen.
der am häufigsten für eine Fluoreszenzangiographie
angewendete Farbstoff. Indiozyaningrün (ICG) ist ein
zweiter, routinemäßig in der Fluroeszenzangiographie 1.3 Durchführung der
eingesetzter Farbstoff. Aufgrund der unterschiedlichen Fluoreszeinangiographie
Eigenschaften der beiden Farbstoffe werden sie bei un-
terschiedlichen Fragestellungen eingesetzt. Während ICG Vor der Angiographie ist eine Aufklärung des Patienten
überwiegend bei Diagnose der Erkrankungen der Ader- über die Gründe für die Angiographie und mögliche
haut von Bedeutung ist, ist Fluoreszein diesem Farbstoff Nebenwirkungen erforderlich. Da es sich um ein inva-
bei der Darstellung der Erkrankungen der Netzhaut und sives Untersuchungsverfahren handelt, ist in den meis-
des retino-choroidalen Interfaces überlegen. Die über- ten Ländern und Institutionen eine schriftliche Einver-
ragende Bedeutung des Fluoreszeins leitet sich von der ständniserklärung des Patienten vor Durchführung der
engen Beziehung zur Integrität der inneren und äußeren Angiographie Voraussetzung für die Durchführung der
Blut-Retina-Schranke ab (retinale Gefäßendothelien bzw. Untersuchung. Die Aufnahmen werden in der Regel von
retinale Pigmentepithelzellen). Sind diese intakt, so ver- einem spezialisierten Fotografen oder einem Augenarzt
lässt Fluoreszein die retinalen Gefäße praktisch nicht und vorgenommen, deren Fähigkeiten von entscheidender
kreuzt auch nicht die Barriere zwischen der Choriokapil- Bedeutung für die Qualität der Aufnahmen sind. Da z.B.
laris und den retinalen Pigmentepithelzellen. Doch schon für die Anfertigung der sehr wichtigen Aufnahmen der
geringgradige Störungen der Blut-Retina-Schranke re- arteriovenösen Frühaufnahmen nur ein kleines Zeitfens-
sultieren in einer abnormen Lokalisation und Ansamm- ter von einigen Sekunden zur Verfügung steht, ist es von
lung von Fluorezeinmolekülen, die mit der FA detektiert essentieller Bedeutung, dass sich der Fotograf über die
werden können. Durch die intravasale Lokalisation des zu untersuchenden Strukturen im Klaren ist und vorab
Fluoreszeins nach intravenöser Injektion können darü- informiert wurde. Werden die zu untersuchenden Struk-
ber hinaus Neovaskularisationen oder Gefäßverschlüsse turen nicht in der arteriovenösen Phase erfasst oder sind
sichtbar gemacht werden. die Aufnahmen von minderer Qualität, so sind die Unter-
Absorption- und Emmissionsspektren des Fluores- suchungsergebnisse in aller Regel völlig wertlos.
zeins sind von verscheidenden Faktoren abhängig. Bei
! Cave!
intravenöser Applikation liegen sie bei 465 nm (Absorp-
Da das sich noch im Körper befindliche Fluores-
tion) und 525 nm (Emission). Etwa 70-80% des injizier-
zein bei der Auswertung einer Folgeangiographie
ten Fluoreszeins werden an Proteine gebunden; 20-30%
stört, kann eine FA dann erst nach Ablauf von ei-
sind daher nicht gebunden. Injiziertes Fluoreszein wird
nigen Stunden, für Studienzwecke meist erst nach
nach intravenöser Injektion etwa um den Faktor 600
48 Stunden wiederholt werden.
im Blutstrom verdünnt und verteilt sich im gesamten
Körper. Mit der Ausnahme des Zentralnervensystems, Die Untersuchung wird in medikamentöser Mydriasis
der Retina und in gewissem Umfang der Iris findet sich vorgenommen. Ein sicherer intravenöser Zugang ist Vo-
1.3 · Durchführung der Fluoreszeinangiographie
13 1
raussetzung. Auch nach Injektion des Fluoreszeins wird in der Angiographie auffällige Strukturen besser zuord-
dieser Zugang zunächst belassen bis der Patient die Ins- nen zu können (z.B. Blutungen oder Hyperpigmentierun-
titution verlässt, um eine eventuell notwendige schnelle gen, die in den s/w Aufnahmen der FA leicht verwechselt
Medikamentenapplikation bei Notfällen zu erleichtern. werden können). Auch zusätzliche bildgebende Unter-
Aufgrund der potentiellen Nebenwirkungen sind eine suchungstechniken bei bestimmten Fragestellungen, z.B.
regelmäßige Schulung des Personals zur Behandlung von die immer wichtiger werdenden Autofluoreszenz-Auf-
Notfallsituationen notwendig sowie entsprechende Medi- nahmen oder Infrarot-Aufnahmen, sollten vor Beginn
kamente vorzuhalten. der Angiographie angefertigt werden.
Die apparative Ausstattung erfolgt heutzutage mit Die Angiographie beginnt mit einer intravenösen
einer digitalen Funduskamera mit Blitzlicht oder ei- Bolus-Injektion von 5 ml einer 10%-igen Natrium-Flu-
nem so genannten »Scanning-Laser-Ophthalmoskop«. oreszein Lösung (2,5 ml bei Patienten mit Nierenin-
Diese beinhalten Filter von 465-490 nm im blau-grünen suffizienz). Je schneller injiziert wird, desto besser ist
Spektrum für das erregende Licht sowie 520-530 nm im der Kontrast in den Frühaufnahmen der Angiographie
grün-gelben Spektrum zur Aufnahme des emittierten (aber desto häufiger tritt auch eine Übelkeit auf). Mit
Lichts. Pseudo-Stereoaufnahmen werden durch seitliches Beginn der Injektion wird eine Stoppuhr gestartet, die
Schwenken der Kamera zwischen den Einzelaufnahmen eine zeitliche Zuordnung der Aufnahmen der FA er-
angefertigt, bedürfen jedoch einer speziellen Software möglicht.
und Betrachtungseinheiten zur Erstellung und Auswer- Der Farbstoff tritt in der Regel etwa 10 bis 15 s nach
tung. Beginn der intravenösen Injektion in die Aderhaut- und
Von zunehmender klinischer Bedeutung ist auch die Netzhautzirkulation ein. Die ersten Aufnahmen werden
Anfertigung von Videosequenzen in der Frühphase der daher zu diesem Zeitpunkt zur Darstellung der arterio-
Angiographie, die auch als »dynamische Angiographie« venösen Frühphase gemacht. Danach werden etwa 1 bis
bezeichnet wird. Mit dieser Technik lassen sich bestimmte 2 Aufnahmen pro Sekunde angefertigt, bis der maximale
Krankheitsbilder, z.B. retinale angiomatöse Proliferatio- Kontrast der Fluoreszenzdarstellung nach etwa 25–35 s in
nen (»RAP-Läsionen«), leichter identifizieren. der arteriovenösen Übergangsphase erreicht ist. Darauf
Mit modernen Geräten ist die parallele oder kurz auf- folgend können, je nach Fragestellung und untersuchtem
einander folgende Durchführung von Fluoreszein- und Krankheitsbild, Aufnahmen der Fundusperipherie und
Indiozyaningrün-Angiographien möglich. Ein wichtiger des Partnerauges vorgenommen werden. Schließlich wird
Aspekt der modernen Digitaltechnik, der vor Anschaf- die Angiographie mit Spätaufnahmen nach 5 min bzw.
fung einer neuen Untersuchungseinheit bedacht werden 10 min, gelegentlich auch nach 15 min, beendet. Zwi-
muss, sind die inzwischen deutlich gestiegenen Anforde- schen der arteriovenösen Phase und den Spätaufnahmen
rungen an die Netzwerksstruktur und den notwendigen kann entweder eine IICG-Angiographie gestartet oder
Speicherplatz für die generierten digitalen Aufnahmen auch Fundusaufnahmen von anderen Patienten durchge-
und Daten. führt werden.
! Cave!
Bei geringen Speicherkapazitäten und einer lang-
Praxistipp I I
samen Netzwerkstruktur stoßen die moderneren Es existieren keine universellen Standardprotokolle
Angiographieeinheiten schnell an ihre Grenzen. für die Durchführung der FA. Die Etablierung stan-
Dieses kann unter Umständen die Anfertigung, dardisierter Protokolle bei bestimmten Erkrankungen
Archivierung und Interpretation der FA erheblich (z.B. exsudativer AMD oder diabetischer Retinopathie)
erschweren. ist empfehlenswert, um so die Anzahl der nicht aus-
sagekräftigen Angiographien auf ein Minimum zu
Die meisten Aufnahmeeinheiten verfügen über mehrere reduzieren.
Objektive, die einen Standardbildausschnitt von 30° des
hinteren Augenpols sowie 20°-Aufnahmen zur vergrö-
ßerten Darstellung, z.B. der Makula, und Weitwinkelauf- Im Rahmen von Therapiestudien werden in der Regel
nahmen von 50° oder 60° ermöglichen. Durch vorgesetzte festgelegte Untersuchungsprotokolle vorgegeben. Eine
Kontaktlinsen oder mit speziellen Weitwinkelkamerasys- Studienteilnahme ist zumeist auch an eine Zertifizierung
temen lassen sich inzwischen auch Weitwinkelangiogra- der Fotografen und der apparativen Ausstattung gebun-
phien des gesamten Fundus durchführen. den. Sollte man in der Zukunft an Behandlungsstudien
Vor Beginn der eigentlichen Angiographie sollte der teilnehmen wollen ist es daher ratsam, sich vor Anschaf-
Ausgangsbefund photodokumentiert werden. Dieses fung einer Angiographie-Einheit über die gängigen und
sollte eine Farbfundusphotographie beinhalten, um ggf. für Studien zugelassenen Systeme zu informieren.
14 Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

1.4 Interpretation der


1 Fluoreszeinangiographie

Die Interpretation der FA ist von unterschiedlichen


Faktoren wie Erfahrung und Können des befundenden
Arztes sowie der Qualität der Aufnahmen abhängig.
Abweichende Interpretationen zwischen individuellen
Befundern, aber auch zwischen Bewertungen eines Be-
funders zu unterschiedlichen Zeitpunkten sind in der
Praxis durchaus zu beobachten; das Ausmaß der Abwei-
chungen entspricht in etwa den Abweichungen, die bei
der Interpretation eines Routine-Röntgenbildes erhoben
wurden. Im Zweifelsfall ist eine Rücksprache mit einem
erfahrenen Kollegen empfehlenswert. Dieses ist heute a
aufgrund der digitalen Aufnahmetechniken per Internet
und E-Mail relativ unkompliziert durchzuführen.
Grundsätzlich sollten die Angiographien an einem
möglichst großen, hochauflösenden Bildschirm be-
trachtet werden. Wenn vorhanden, liefert die Pseudo-
Stereobetrachtung zusätzliche wertvolle Informationen,
da sie eine räumliche Zuordnung der Veränderungen
ermöglicht (z.B. Lokalisationen von Leckagequellen in
der Netzhaut, in der Ebene des retinalen Pigmentepithels
oder in der Aderhaut). Sie gehört daher in den etablierten
»Reading Centres« zum Standard der Angiographieaus-
wertung.
Die Befundung sollte bei gleichzeitiger Betrachtung
des klinischen Befundes im Rahmen der Patientenunter-
b
suchung erfolgen. Alternativ sollte, bei späterer Auswer-
tung, eine Farbaufnahme des Fundusbefundes vorhanden
sein, da diese die Zuordnung von Befunden in der s/w
Angiographie erleichtern kann. Die klinischen Befunde
(Anamnese, Visus, Vorbehandlung, Befund des Part-
nerauges) sollten bei der Auswertung der Angiographie
vorliegen. Eventuell zuvor durchgeführte Angiographien
älteren Datums und zusätzliche Untersuchungsergeb-
nisse wie OCT oder ICG-Angiographie können ebenfalls
eine wertvolle Hilfestellung bei der Interpretation leisten
(⊡ Abb. 1.2).
Ein standardisiertes Befundungsschema existiert
nicht. Allerdings erfolgt die Interpretation in den meisten
Zentren relativ übereinstimmend anhand der zeitlichen
Zuordnung der Veränderungen während der Angiogra-
c
phien. Meist werden die Leeraufnahme vor der Farb-
stoffinjektion, die arteriovenöse Frühphase (ca. 12-15 s),
⊡ Abb. 1.2 a Fundusphoto des hinteren Pols (Normalbefund). Die
die arteriovenöse Übergangsphase (ca. 25-35 s) und eine Fovea erscheint aufgrund des höheren Pigmentgehalts dunkler.
Spätphase gesondert betrachtet und die auftretenden flu- b Fundusphoto bei Patientin nach Entfernung einer choroidalen Neo-
oreszenzangiographischen Veränderungen zeitlich zuge- vaskularisation. Teile des RPE und der Choriokapillaris wurden zusam-
ordnet. Daraus ergeben sich schließlich die Diagnose und, men mit der Membran entfernt. Dieses ermöglicht die Identifizierung
der unterschiedlichen Gefäßsysteme in der nachfolgenden Fluores-
in Abhängigkeit vom klinischen Befund und Verlauf, die
zeinangiographie. c Graphische Darstellung der unterschiedlichen
Therapieempfehlung (⊡ Abb. 1.3, ⊡ Abb. 1.11, ⊡ Abb. 1.12). Schichten des Befundes in b. A Choriokapillaris und RPE entfernt, tiefe
Bei der Befundung werden zwei wesentliche fluo- Aderhautgefäße noch vorhanden. B Choriokapillaris noch vorhanden,
reszenzangiographische Phänomene unterschieden und aber RPE entfernt. (Aus Heimann H u. Wolf S 2007)
1.4 · Interpretation der Fluoreszeinangiographie
15 1

a a

b b

⊡ Abb. 1.3 Frühphase (10-15 s). a Nach Füllung der tiefen Netzhaut-
gefäße (nicht sichtbar) kommt es zu einer schnellen und gleichmä-
ßigen Füllung der Choriokapillaris. Das schnelle Ausströmen des
Farbstoffs in die Choriokapillaris und die Streuung von einfallendem
und emittierten Licht durch das RPE resultieren in einer diffusen
Hintergrund-Hyperfluoreszenz. Diese wird durch das Makulapigment
teilweise blockiert. Die Netzhautarterien füllen sich mit Fluoreszein.
b Die Füllung einer posterioren Ziliararterie kann im Abschnitt A be-
obachtet werden, da hier Choriokapillaris und RPE fehlen. Fluoreszein
leckt nicht aus diesen tiefen Aderhautgefäßen. Diese Gefäße füllen
zügig das feine Gefäßnetzwerk der Choriokapillaris, aus welchen
Fluoreszein durch die fenestrierten Kapillaren früh herausdiffundiert
(Abschnitt B). Der Weichzeichnereffekt des RPE wird in den Randbe-
reichen deutlich, in denen die Choriokapillaris noch von einer dün-
nen RPE-Schicht bedeckt ist. (Aus Heimann H u. Wolf S 2007) c

⊡ Abb. 1.4 Arteriovenöse Phase (15-30 s). a Initial zeigt sich eine
laminäre Füllung der Netzhautvenen. b Gleichmäßige Füllung von
räumlich und zeitlich zugeordnet: Hyperfluoreszenz und Arterien und Venen. c Hypofluoreszenz in Abschnitt A aufgrund der
Hypofluoreszenz. fehlenden Choriokapillaris. (Aus Heimann H u. Wolf S 2007)
Bei der Hyperfluoreszenz handelt es sich um eine
vermehrte Fluoreszeinansammlung im Vergleich zu dem
Normalbefund einer Standardangiographie oder nicht Störungen der Blut-Retina-Schranke), Gewebsneubil-
pathologisch veränderten Arealen des Fundus. Eine Hy- dungen (z.B. Neovaskularisationen oder Fibrosen) oder
perfluoreszenz kann mehrere unterschiedliche Ursachen durch das Wegfallen einer optischen Schranke im Ge-
haben und z.B. durch eine erhöhte Permeabilität (z.B. webe hervorgerufen werden (z.B. so genannter »Fens-
16 Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

a a

b b

⊡ Abb. 1.5 Spätphase (1-10 min). a Auswaschen des Fluoreszeins aus ⊡ Abb. 1.6 a Klinischer Befund eines Patienten mit peripherer diszifor-
den Netzhaut- und Aderhautgefäßen. Die Aderhautgefäße können mer Chorioretinopathie nach Kryotherapie mit Vernarbung in der tem-
als Schatten gegen den Hintergrundfluoreszenz in Aderhaut und poralen Peripherie. b Weitwinkel-Fluoreszeinangiographie mit dem
Sklera erfasst werden. b Diese Abbildung zeigt die persistierende Optos-System. Der Fensterdefekt in der Peripherie nach Kryotherapie
Hintergrundfluoreszenz in der Choriokapillaris im Randbereich der ist ebenso darstellbar wie eine detailreiche Angiographie des hinteren
Abschnitte A und B. (Aus Heimann H u. Wolf S 2007) Pols und sogar der nasalen Netzhaut. (Aus Heimann H u. Wolf S 2007)

terdefekt« durch Schädigungen des retinalen Pigmen- AMD oder der proliferativen diabetischen Retinopathie.
tepithels, bei dem die normale Fluoreszeinanfärbung Eine Unterform der Leckage wird auch als »Pooling«
der Aderhautgefäße durch das Fenster des geschädigten bezeichnet. Hierbei handelt es sich um eine Ansamm-
Pigmentepithels besser sichtbar ist und heller erscheint) lung von Fluoreszein in präformierten Hohlräumen, z.B.
(⊡ Abb. 1.13). Ein wichtiger Begriff bei der Identifikation einer Pigmentepithel-Abhebung. Von der Leckage wird
von Hyperfluorezenzen ist die so genannte »Leckage«. auch das »Staining« unterschieden. Darunter versteht
Dabei handelt es sich um einen deutlich sichtbaren und man eine Fluoreszeinansammlung in solidem Gewebe,
im Verlauf der Angiographie zunehmenden Übertritt z.B. fibrotischem Gewebe in Abgrenzung zu Neovas-
von Fluoreszein in umgebende Gewebeschichten. Ty- kularisationen. Für das Staining ist typisch, dass es die
pisch ist, dass der Farbstoffaustritt aus den Gefäßen in Hyperfluoreszenz wie bei einer Leckage von der Früh-
der Frühphase oder der arteriovenösen Übergangsphase phase oder arteriovenösen Phase zur Spätphase nach
beginnt und dann bis zur Spätphase weiter zunimmt, 5 min zunimmt, sich dann jedoch in der Aufnahme nach
wobei typischerweise die Grenzen der Leckagequellen 10 min wieder vermindert; bei der Leckage ist keine Ver-
wie Wasserfarbe verwischen. Leckagen geben oft Hin- ringerung der Intensität der Hyperfluoreszenz zwischen
weise auf Neovaskularisationen, z.B. bei der exsudativen 5 und 10 min zu beobachten (⊡ Abb. 1.14).
1.6 · Vermeidung unnötiger Angiographien
17 1
1.5 Quantitative Auswertung
der Fluoreszeinangiographie

Fluoreszenzangiographische Phänomene können auch


quantitativ ausgewertet werden. Diese Analysen werden
jedoch nur bei bestimmten Erkrankungen und Frage-
stellungen durchgeführt. Das Auftreten des Fluoreszeins
während der Untersuchung wird in Früh-, Mittel- und
Spätphase unterteilt. Dabei definiert der Untersucher den
Zeitpunkt des Fluoreszeineintritts an der Papille.

Arm-Retina-Zeit. Zeitraum von Beginn der intravenösen


Injektion bis zum ersten Auftreten des Farbstoffs an der
Papille, Normwert 10-20 s. Eine verlängerte Arm-Retina-
Zeit kann ein Hinweis auf eine generalisierte Durchblu-
tungsstörung sein (z.B. Herzinsuffizienz oder Carotis-
a stenose).

Arterielle Füllungszeit. Diese ist definiert als der Zeit-


raum zwischen erstem Auftreten des Farbstoffs an der
Papille bis zur vollständigen Füllung der Netzhautarterien
und beträgt normalerweise weniger als 1 s. Eine verlang-
samte arterielle Füllung kann wiederum ein Hinweis auf
eine generalisierte Zirkulationsstörung sein.

Arteriovenöse Übergangszeit. Diese kann einmal an


der Papille bestimmt werden (Zeitraum zwischen Auftre-
ten des Farbstoffs in den papillennahen Netzhautarterien
bis zum ersten Nachweise in den korrespondierenden
Venen, normalerweise 1-2 s) oder auch als arteriovenöse
Passagezeit gemessen werden (Zeitraum zwischen erstem
Auftreten des Farbstoffs in den temporalen Netzhautar-
terien bis zur vollständigen Füllung der Netzhautvenen,
Normwert bis zu 11 s). Die arteriovenöse Passagezeit
b
kann bei retinalen und choroidalen Gefäßerkrankungen
verlängert sein, z.B. bei diabetischer Retinopathie, Gefäß-
⊡ Abb. 1.7 a Klinischer Befund eines vasoproliferativen Tumors der
Netzhaut in der unteren Fundusperipherie mit Veränderungen der
verschlüssen oder entzündlichen Aderhauterkrankungen.
umgebenden RPE-Schicht. b Weitwinkel-Fluoreszeinangiographie
mit dem Heidelberg-System und Staurenghi Kontaktlinse. Die Weit-
winkelaufnahme zeigt Hyperfluoreszenzen im Bereich des retinalen 1.6 Vermeidung unnötiger
Tumors in der unteren Peripherie sowie ausgedehnte Hypofluores- Angiographien
zenzen in den Arealen der umgebenden Aderhautatrophie. (Aus
Heimann H u. Wolf S 2007)
Eine FA sollte nur durchgeführt werden, wenn sie zur Di-
agnosestellung, Therapieentscheidung oder Verlaufskont-
rolle notwendig ist. Sie sollte keinen Ersatz für eine gute
Als Hypofluoreszenz bezeichnet man eine vermin- klinische Untersuchung sein oder »auf Verdacht« oder zu
derte Fluoreszeindarstellung im Vergleich zu einer nor- reinen Dokumentationszwecken durchgeführt werden.
malen Standardangiographie oder normalem umgeben- Durch die enorme Zunahme der Patientenzahlen
den Gewebe. Diese kann durch Blockadephänomene (z.B. nach Einführung der Anti-VEGF Therapie arbeiten viele
durch Blutungen) oder eine Zerstörung oder mangelnde Zentren derzeit an ihrer Kapazitätsgrenze. Aus gesund-
Perfusion von normalerweise angefärbten Strukturen heitsökonomischen Aspekten und unter der Prämisse der
hervorgerufen werden (z.B. Gefäßverschlüsse retinaler Vermeidung von unnötigen invasiven, mit potentiellen
oder choroidaler Gefäße). Komplikationen verbundenen Untersuchungsverfahren
18 Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

sollte daher die Anzahl der durchgeführten Angiogra- 1:60 Fällen zu beobachten. Schwere Komplikationen wie all-
1 phien auf ein notwendiges Minimum reduziert werden. ergische Reaktionen oder ein anaphylaktischer Schock kön-
Mit der OCT steht inzwischen auch ein nicht-in- nen bei etwa 1:2.000 Fällen beobachtet werden. Das Risiko
vasives Untersuchungsverfahren zur Verfügung, das bei für letale Komplikationen wird in der Literatur mit 1:220.000
unklaren klinischen Befunden auch ein relativ unkom- angegeben. Die FA ist bei Patienten mit vorherigen allergi-
pliziertes Screening bei Verdacht auf ein Makulaödem schen Reaktionen auf Fluoreszein kontraindiziert.
ermöglicht. Unseren Erfahrungen nach werden jedoch
immer wieder in den folgenden Situationen unnötige
Angiographien durchgeführt: Literatur
▬ Nicht-exsudative AMD. Hier hat sich die Autofluo-
reszenz als nicht-invasives Verfahren zur Diagnose- Blacharski Pa (1985) Twenty-five years of fluorescein angiography.
Arch Ophthalmol 103:1301-1302
stellung und Verlaufsdokumentation etabliert.
Bressler Nm (2002) Verteporfin therapy of subfoveal choroidal neo-
▬ Endstadien der exsudativen AMD. Die Diagnose vascularization in age-related macular degeneration: two-year
kann in der Regel ohne Angiographie gestellt wer- results of a randomized clinical trial including lesions with occult
den und eine therapeutische Konsequenz ergibt sich with no classic choroidal neovascularization-verteporfin in pho-
meist nicht. todynamic therapy report 2. Am J Ophthalmol 133:168-169
Early Treatment Diabetic Retinopathy Study Research Group (1995)
▬ Klinisch signifkantes Makulaödem bei diabetischer
Focal photocoagulation treatment of diabetic macular edema.
Retinopathie. Die Diagnose wird ophthalmoskopisch Relationship of treatment effect to fluorescein angiographic and
gestellt und basiert nicht auf angiographischen Krite- other retinal characteristics at baseline: ETDRS report no. 19. Arch
rien. Eine FA erscheint nur bei geplanter Laserthera- Ophthalmol 113:1144-1155
pie oder bei dem Verdacht auf ausgeprägte Ischämien Gass Jd (1997) Stereoscopic atlas of macular diseases: Diagnosis and
treatment. Mosby, St. Louis
sinnvoll.
Halperin Ls, Olk Rj, Soubrane G et al. (1990) Safety of fluorescein an-
▬ Retinale Venenverschlüsse. Die Diagnose kann in giography during pregnancy. Am J Ophthalmol 109:563-566
der Regel ohne Angiographie gestellt werden. Eine Heimann H, Wolf S (2007) A practical guide to fluorescein angiogra-
prophylaktische Laserkoagulation auf der Basis nach- phy. In: Joussen AM, Gardner TW, Kirchhof B, Ryan SJ (Hrsg) Reti-
gewiesener Ischämien in der FA ist umstritten. nal Vascular Disease. Springer Berlin Heidelberg, p 193-204
Holz Fg, Jorzik J, Schutt F et al. (2003) Agreement among ophthalmo-
▬ Differentialdiagnose intraokularer Tumoren. Die FA
logists in evaluating fluorescein angiograms in patients with neo-
bringt hier nur einen geringen Informationsgewinn, vascular age-related macular degeneration for photodynamic
der nur in seltenen Ausnahmefällen zur Festlegung therapy eligibility (FLAP-study). Ophthalmology 110:400-405
der korrekten Diagnose entscheidend beiträgt. Macular Photocoagulation Study Group.(1991) Subfoveal neovascular
lesions in age-related macular degeneration. Guidelines for eva-
Fazit für die Praxis luation and treatment in the macular photocoagulation study.
Arch Ophthalmol 109:1242-1257
Die herausragende Wertigkeit der FA beruht auf ihrer Eigen- Norton Ew (1981) Doyne memorial lecture, 1981. Fluorescein angio-
schaft, die Integrität der Blut-Retina-Schranke darzustellen. graphy. Twenty years later. Trans Ophthalmol Soc U K 101:229-
Schon sehr geringe Störungen der Blut-Retina-Schranke 233
lassen sich mit dieser Methode erkennen und bildlich dar- The Branch Vein Occlusion Study Group (1984) Argon laser photo-
coagulation for macular edema in branch vein occlusion. Am J
stellen. Diese Kenntnis trägt direkt zur Diagnosestellung und
Ophthalmol 98: 271-282
Therapieempfehlung bei. Wessing A (1968) Fluoreszenzangiografie der Retina. Lehrbuch und
Bisher existiert kein weltweit standardisiertes Protokoll Atlas. Georg-Thieme Verlag, Stuttgart
zur Anfertigung und Interpretation der FA. In der Regel Wolf S, Arend O, Reim M (1994) Measurement of retinal hemodyna-
werden 30 bis 40 Fundusphotographien zwischen 10 s und mics with scanning laser ophthalmoscopy: reference values and
variation. Surv Ophthalmol 38:95-100
10 min nach intravenöser Injektion von 5 ml 10%-igem Fluo-
Yannuzzi La, Rohrer Kt, Tindel Lj et al. (1986) Fluorescein angiography
reszein-Natrium angefertigt. complication survey. Ophthalmology 93:611-617
Bei der Interpretation werden in der Regel eine frühe
arterielle Phase (12-15 s) von einer arterio-venösen Phase
(15-35 s) und einer Spätphase (5 oder 10 min) unterschieden.
Idealerweise werden auch Pseudo-Stereoangiographien, die
eine dreidimensionale Betrachtung der Befunde ermögli-
chen, angefertigt.
Die FA ist ein invasives, jedoch insgesamt sehr sicheres
Untersuchungsverfahren. Leichte Nebenwirkungen, wie z.B.
Übelkeit, kommen bei etwa 1:20 Fällen vor. Mittelschwere
Nebenwirkungen wie Urtikaria oder Dyspnoe sind bei etwa
2

Optische Kohärenztomographie in der


Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen
F. M. A. Heußen, S. R. Sadda, A. C. Walsh

2.1 Übersicht – 20

2.2 Hintergrund – 20
2.2.1 Optische Kohärenztomographie – 20

2.3 Diagnose – 21
2.3.1 Intraretinale Ödeme – 22
2.3.2 Zystoides Makulaödem – 22
2.3.3 Seröse Netzhautabhebung – 23
2.3.4 Vitreomakuläres Traktionssyndrom – 24
2.3.5 Verschiedene Befunde – 26

2.4 Management – 27
2.4.1 Fokale und panretinale Laserkoagulation – 27
2.4.2 Pharmakotherapie – 28
2.4.3 Chirurgie – 28

2.5 Zukünftige Entwicklungen – 29


2.5.1 Aktuelle OCT-Limitationen – 29
2.5.2 Die Zukunft der OCT-Hardware – 30
2.5.3 Die Zukunft der OCT-Software – 31

Literatur – 31

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_2,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
20 Kapitel 2 · Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen

Die optische Kohärenztomographie (OCT) ist eine mo- Während dieser Zeit entwickelte Carl Zeiss Meditec
derne, kontaktlose Bildgebung, die sowohl Querschnitt- unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit bereits eine
aufnahmen als auch klinisch relevante, quantitative Mes- noch junge Technologie, die in naher Zukunft das ge-
2 sungen des Augengewebes liefert. Dies ermöglicht nicht samte Feld revolutionieren sollte – OCT. Die Einführung
nur eine objektive Beobachtung des Krankheitsverlaufes dieser Technologie erforderte die Entwicklung gänzlich
im Rahmen klinischer Studien und im klinischen Alltag, neuer Hard- und Software sowie einen neuen Markt, um
sondern auch eine Bewertung des Therapieerfolgs auf Ba- eine erfolgreiche Vermarktung sicherzustellen. Als weg-
sis reproduzierbarer Messdaten. Die Entwicklung der OCT weisend gilt dabei, dass sich Zeiss radikal von alten In-
schreitet rasch voran und lässt keinen Zweifel daran, dass dustrienormen abkehrte. Anstatt einfach ein Fundusbild
diese Technologie auch die nächsten Jahre maßgeblich durch das Gerät zur Verfügung zu stellen, welches dann
prägen wird. durch einen Kliniker befundet werden musste, entschied
sich Zeiss dazu, automatisch quantitative Informationen
aus den OCT-Bildern zu extrahieren. Dies galt als dra-
2.1 Übersicht matische Abkehr von althergebrachten Standards, welche
lediglich eine Darstellung der Fundusbilder für eine sub-
Die Entdeckung und Weiterentwicklung der optischen jektive Beurteilung forderten, ohne jegliche automati-
Kohärenztomographie (»optical coherence tomography« sierte Messung oder Auswertung.
= OCT) hat die Diagnosestellung und das Krankheits- Mit der Spaltlampenbiomikroskopie als Goldstandard
management retinaler Gefäßerkrankungen maßgeblich klinischer Befundung und der Fluoreszenzangiographie
beeinflusst, insbesondere durch die Darstellung feinster als primäres Hilfswerkzeug zur weiteren Krankheitstypi-
struktureller Veränderungen der Netzhaut als auch in sierung waren viele Kliniker Mitte der 90er Jahre skep-
der Erfassung und Quantifizierung des Makulaödems. tisch ob der Einführung der neuen Technologie. Bald
Obwohl ihre Erstbeschreibung erst 20 Jahre zurück liegt, jedoch wurden die Vorteile dieser kontaktlosen Schnitt-
hat die OCT sich fest im klinischen Alltag und der klini- bildgebung offensichtlich. Vitreomakuläre Traktion zum
schen Forschung etabliert und wird auch in absehbarer Beispiel, zuvor unerkannt bei vielen Patienten, konnte
Zukunft eine herausragende Rolle spielen. Die Anwen- mithilfe der OCT mit großer Sicherheit dargestellt und
dung der OCT bei Diagnosestellung und Verlaufskon- diagnostiziert werden. Ebenso konnten Makulaforamina
trolle retinaler Gefäßerkrankungen soll im Folgenden und Zysten visualisiert und beobachtet werden. Mit der
diskutiert werden. Einführung intravitrealer Injektionstherapie waren die
letzten Zweifel beseitigt, dass die OCT einen hohen Stel-
lenwert in der Quantifizierung von Netzhautödemen und
2.2 Hintergrund subretinaler Exsudation innehaben würde. Das optimale
Zusammenführen von OCT-Daten mit anderen klini-
Das Repertoire an Diagnostika, das Netzhautspezialisten schen Befunden, um eine umfassende Krankenbetreu-
in den frühen 90er Jahren zur Verfügung stand, basierte ung zu gewährleisten, ist immer noch ein fortlaufender
technisch auf Methoden, die schon zwei Jahrzehnte zuvor Prozess.
Anwendung gefunden hatten. Diese Phase der Stagnation
wurde überwunden, als Mitte der 90er Jahre die Ent-
wicklung von Computern und digitaler Bildbearbeitung 2.2.1 Optische Kohärenztomographie
zeitgleich geradezu explosionsartig voranschritt. Die Di-
gitalisierung der Fundusphotographie und Fluoreszen- Eine vollständige Diskussion der OCT sprengt den Um-
zangiographie reduzierte die Wartezeit für Patienten und fang und die Zielsetzung dieses Kapitels. Wir verweisen
vereinfachte die Infrastruktur, die für die Entwicklung den interessierten Leser an andere, exzellente Literatur
von Filmnegativen gebraucht wurde. zu diesem Thema. Zusammengefasst basiert die OCT
Unbeeindruckt von dieser rasanten Entwicklung in auf dem Prinzip der Interferometrie von Licht geringer
den Computer- und Bildgebungstechnologien blieb die Kohärenz. Analog der B-Bild-Sonographie nutzt die OCT
Art und Weise, wie diagnostische Bilddaten ausgewertet die unterschiedliche Reflektivität von – in diesem Falle
und interpretiert wurden, nahezu unverändert. Die Be- – Lichtwellen, um zweidimensionale Schnittbilder der
urteilung angiographischer Befunde erforderte immer Netzhaut (Tomogramme) zu erstellen. Verschiedenartige
noch Training und Expertise und war zugleich geplagt Lichtquellen, typischerweise Superlumineszenzdioden
von Subjektivität, schlechter Reproduzierbarkeit und be- (SLD) oder extrem kurz gepulste Laser (z.B. Femtose-
trächtlichen Differenzen zwischen verschiedenen Begut- kundenlaser), werden verwendet, um Licht mit breiter
achtern. Bandbreite zu erzeugen. Die axiale Auflösung der OCT
2.3 · Diagnose
21 2
basiert auf dieser Bandbreite der Lichtquelle, die laterale men. Zu diesem Zwecke müssen die erste hochreflek-
Auflösung hängt hingegen vom Durchmesser des fokus- tive Grenzschicht (innere Grenze der neurosensorischen
sierten Messstrahles ab. Netzhaut) sowie die hintere Begrenzung der Netzhaut
direkt anterior zur retinalen Pigmentepithelschicht iden-
Praxistipp I I tifiziert werden. Eine Vielzahl an Studien hat die Repro-
Die axiale Auflösung der OCT misst <7 μm, während duzierbarkeit dieser Messparameter durch wiederholte
die laterale Auflösung rund 20 μm beträgt. Messungen desselben Auges innerhalb weniger Minu-
ten bis Stunden verifiziert. Auch bei Diabetikern scheint
die Reproduzierbarkeit der Messungen sehr gut zu sein.
Das Licht wird in zwei optische Wege getrennt: Hierbei gilt anzumerken, dass auch Diabetiker ohne kli-
▬ ein Referenzstrahl, der ins Innere des Gerätes proji- nisch signifikantes Makulaödem eine, im Vergleich zu
ziert wird, und normalen Augen, erhöhte Netzhautdicke haben können,
▬ ein Messstrahl, der auf das zu untersuchende Gewebe die zudem von tageszeitlichen Schwankungen abhängig
fokussiert wird. ist. Männliches Geschlecht, hoher BMI und eine größere
axiale Länge können ebenso mit einer erhöhten Netz-
Bei der Time-Domain-OCT werden die unterschiedlichen hautdickenmessung assoziiert sein und müssen im Rah-
Wegzeiten der beiden Strahlen mithilfe eines Michelson- men klinischer Studien bei der Verwendung von OCT
Interferometers gemessen. Bei der Fourier-Domain-OCT berücksichtigt werden.
werden diese Unterschiede in einem Spektrometer und Diese Studien geben den grundlegenden Nachweis,
durch Fourier-basierte mathematische Transformationen dass die OCT sowohl genau, als auch reproduzierbar
charakterisiert. Unterschiedliche optische Charakteristi- ist. Die quantitative Messung der Netzhautdicke gibt
ken der verschiedenen Gewebe rufen unterschiedlich in- konkrete Zahlen an die Hand, welchen dann bei der
tensive Reflektivitätsmuster in der OCT hervor. Behandlung komplexer Erkrankungen verwendet wer-
Ein einziger Lichtpunkt, welcher von Netzhautgewebe den können. Zudem stellen die OCT-Bilder an sich eine
reflektiert wird, bildet hierbei einen A-Scan, der Informa- hervorragende Möglichkeit dar, um den individuellen
tionen über die axiale Lage dieses Punktes innerhalb der Krankheitsverlauf zu dokumentieren und den Patienten
Netzhaut wiedergibt. Diese Lichtpunkte können Seite an eine visuelle Erklärungshilfe ihrer Erkrankung zu bieten.
Seite aneinandergereiht werden, um so einen B-Scan zu
ergeben. Letztere werden häufig im Falschfarbenmodus
dargestellt, sodass verschiedene Farben verschiedenen 2.3 Diagnose
Reflektivitätsintensitäten entsprechen:
▬ hochreflektive Grenzschichten werden weiß oder rot Aufgrund ihrer Fähigkeit, intraretinale Details wie-
angezeigt, derzugeben und die Netzhautdicke präzise zu messen,
▬ mittlere Reflektivität als gelb bis grün und präsentiert sich die OCT als ein wertvolles Werkzeug
▬ Merkmale niedriger Reflektivität in blauer Farbe. bei Diagnose und Krankheitsmanagement retinaler Ge-
fäßerkrankungen. In Verbindung mit anderen Bildge-
OCT-Daten können ebenfalls als transversale Schnittbil- bungsmodalitäten, wie z.B. der FA, kann die OCT Ein-
der, sog. C-Scans, oder als dichte dreidimensionale Wür- blicke in die Pathogenese einer Erkrankung gewähren
fel (3D-OCT) wiedergegeben werden. Während die Auf- und so die Behandlung weiter optimieren. Die OCT
lösung der Echographie in der Augenheilkunde maximal kann auch bei der Diagnose eines Makulaödems hilfreich
100 μm erreicht, kann die OCT Unterschiede <10 μm sein, wenn Medientrübungen wie eine asteroide Hyalose
darstellen. Neuere Instrumente, potenziell in Verbindung eine Beurteilung durch die Spaltlampe erschweren. Wei-
mit adaptiver Optik, erreichen eine axiale Auflösung von terhin sind Diagnosen wie das vitreomakuläre Trakti-
<2 μm. onssyndrom, welches in der Vergangenheit nicht selten
Der Scanvorgang ist schmerzlos für den Patienten, übersehen wurde, auf Grundlage der OCT-Schnittbilder
erfordert jedoch Kooperation und eine stabile Fixation, eindeutig zu formulieren. Aber auch in Fällen mit klar
was für Patienten mit Makulaerkrankungen nur schwer ersichtlichen Pathologien kann die OCT durch Messung
machbar ist. Aus diesen Gründen wird generell die Ver- des zentralen Netzhautvolumens einen klaren Ausgangs-
wendung eines externen Fixationslichtes für das Partner- wert für das weitere Krankheitsmanagement liefern. Se-
auge empfohlen, sollte die Sehschärfe auf dem zu unter- rielle Messungen können so mit Messungen aus einer
suchenden Auge 20/300 oder weniger betragen. normalen Referenzgruppe verglichen werden, um eine
Die Software konventioneller OCT-Geräte versucht, genauere und frühere Diagnose sowie Therapieplanung
auf automatische Weise die Netzhautdicke zu bestim- zu ermöglichen.
22 Kapitel 2 · Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen

Retinale Gefäßerkrankungen zeigen in der OCT typi- Otanis Definition einer äußeren, schwammartigen
scherweise drei verschiedenartige Befunde: Schwellung verdeutlicht weiter, dass ein Netzhautödem
▬ Netzhautödeme, oft schwer abzugrenzen und weitläufig ist. Dies steht
2 ▬ intraretinale zystoide Veränderungen und dem zystoiden Makulaödem gegenüber, welches häu-
▬ seröse Netzhautabhebungen. figer fokal und gut abgegrenzt ist. Netzhautödeme als
primäre Pathologie sollten klar differenziert werden von
Die komplexen Muster dieser Befunde im OCT können sekundären Ödemen infolge von Netzhauttraktion. Ein
hilfreich bei Diagnose und Prognoseeinschätzung sein Blick auf die vitreomakuläre Grenzfläche, um eine etwa-
und werden im Folgenden diskutiert. ige epiretinale Membran oder Traktion des posterioren
Glaskörpers festzustellen, sollte in diesen Fällen Klarheit
schaffen.
2.3.1 Intraretinale Ödeme
Praxistipp I I
Ödeme innerhalb der Netzhaut stellen sich in der OCT Jedes retinale Ödem im OCT muss sorgfältig nach vit-
als Netzhautverdickungen mit verringerter posteriorer reomakulärer Traktion untersucht werden.
Lichtreflektivität dar. Im Falschfarbenmodus erscheinen
diese Bereiche dunkler als ihre Umgebung (⊡ Abb. 2.1).
Wenn das Ödem unmittelbar unter oder neben der Fovea
auftritt, kann die typische foveale Kontur verstrichen, 2.3.2 Zystoides Makulaödem
oder auch komplett invertiert sein. Astvenenverschlüsse
(»branch retinal vein occlusion« = BRVO) gehen typi- Das zystoide Makulaödem (»cystoid macular edema« =
scherweise mit einer solchen, charakteristischen, einsei- CME) ist sehr wahrscheinlich eine gemeinsame Endstre-
tigen Schwellung der Netzhaut entlang der horizontalen cke für verschiedene retinale Gefäßerkrankungen wie das
Achse einher (⊡ Abb. 2.2). diabetische Makulaödem, venöse Verschlüsse, die hypter-

⊡ Abb. 2.1 Ein generelles Netzhautödem,


wahrscheinlich mit verursacht durch
die sichtbare epiretinale Membran. (Mit
freundl. Genehmigung des Doheny Eye
Institute, Los Angeles, USA)

⊡ Abb. 2.2 Befund eines einseitigen


Netzhautödems, charakteristisch für re-
tinale Astvenenverschlüsse. (Mit freundl.
Genehmiung des Doheny Eye Institute,
Los Angeles, USA)
2.3 · Diagnose
23 2
tensive Retinopathie und die juxtafoveale Teleangiektasie. Makula verteilt, während bei einem Astvenenverschluss
Histopathologische Berichte konnten zeigen, dass die in- typischerweise nur eine Netzhauthälfte betroffen ist
traretinalen zystoiden Räume in Größe und räumlicher (⊡ Abb. 2.2). Während das CME normalerweise in Zu-
Verteilung je nach Krankheitsätiologie variieren. Dies sammenhang mit einer schwammartigen Netzhautver-
kann nun in der OCT bestätigt werden, da die zystoiden dickung auftritt, kann man es auch einzeln finden, wie
Räume als runde, hyporeflektive Strukturen innerhalb der z.B. bei der idiopathischen juxtafovealen Teleangiektasie.
Netzhaut erscheinen (⊡ Abb. 2.3). Diese Merkmale treten Bei diesem Syndrom finden sich häufig kleine, horizontal
häufig in den äußeren Netzhautschichten auf, können orientierte, ovale zystoide Räume innerhalb der Fovea
sich jedoch bis zur inneren Grenzmembran erstrecken, oder unmittelbar temporal. Die foveale Kontur kann da-
wenn sie an Größe zunehmen. Das pseudophake CME bei durchaus erhalten sein.
ist eine erwähnenswerte Ausnahme, weil diese hypore-
flektiven Räume auch primär in den inneren Netzhaut-
schichten vorkommen können. Kleine zystoide Räume 2.3.3 Seröse Netzhautabhebung
sind vielfach gut umgrenzt, während größere Räume eher
diffus erscheinen. Eine seröse Netzhautabhebung (»serous retinal detach-
ment« = SRD) tritt auf, wenn Flüssigkeit zwischen die
Praxistipp I I neurosensorische Netzhaut und das Pigmentepithel ge-
Die intraretinale Lokalisation der zystoiden Räume langt und diese trennt. In der OCT ist dies zu erkennen
kann ein wichtiger Hinweis bei der Diagnosefindung an einem optischen klaren Raum zwischen der inneren
sein. hochreflektiven Grenzschicht, die nach derzeitigem Er-
kenntnisstand die äußeren Photorezeptorsegmente re-
präsentiert, und der äußeren hochreflektiven RPE-Linie
Die Verteilung der zystoiden Räume innerhalb der Netz- (⊡ Abb. 2.4).
haut kann einen Hinweis auf die zugrunde liegende Ätio- Obwohl seröse Netzhautabhebungen am ehesten
logie geben. Ein zystoides Ödem infolge eines Zentral- bei Erkrankungen der Chorioidea und des retinalen
venenverschlusses z.B. ist gleichmäßig über die gesamte Pigmentepithels auftreten (z.B. chorioidale Neovasku-

⊡ Abb. 2.3 Ein zystoides Makulaödem, zu


erkennen an den multiplen hyporeflekti-
ven, rundlichen Strukturen innerhalb der
Netzhaut. (Mit freundl. Genehmigung des
Doheny Eye Institute, Los Angeles, USA)

⊡ Abb. 2.4 Subretinale Flüssigkeit, hier un-


mittelbar subfoveolär, stellt sich als optisch
klarer Raum anterior zum RPE-Band und
posterior zum Photorezeptorband dar. (Mit
freundl. Genehmigung des Doheny Eye Ins-
titute, Los Angeles, USA)
24 Kapitel 2 · Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen

larisationen, Retinopathia centralis serosa), können sie ! Cave!


auch klinische wichtige Merkmale retinaler Gefäßer- Die Diagnose einer serösen Netzhautabhebung
krankungen sein. Im Gegensatz zu ihrer auffallenden hat prognostische Relevanz.
2 Erscheinung im OCT, sind SRDs im Rahmen retinaler
Gefäßerkrankungen nur schwer mittels Spaltlampenbio-
mikroskopie oder Angiographie darzustellen. Die relative 2.3.4 Vitreomakuläres Traktionssyndrom
Insensitivität der Biomikroskopie und der FA bei der Di-
agnose von SRDs ist wahrscheinlich auf das gleichzeitige Retinale Gefäßerkrankungen sind häufig mit einer Stö-
Vorhandensein anderer ausgeprägter Pathologien (z.B. rung der Blut-Netzhaut-Schranke assoziiert. Fluoropho-
eines Netzhautödems) in diesen Patienten zurückzufüh- tometrische Untersuchungen lassen vermuten, dass das
ren. Nichtsdestotrotz legt diese Ungenauigkeit nahe, dass Transsudat aus retinalen Gefäßen nicht nur in die Netz-
eine routinemäßige OCT-Bildgebung in diesen Patienten haut, sondern auch in den Glaskörperraum migriert.
dem Kliniker helfen kann, ein vollständigeres Bild der Frühe histologische und biochemische Veränderungen
retinalen Morphologie infolge der gegebenen Erkran- im Glaskörper von Patienten mit Diabetes beinhalten
kungen zu ermitteln. erhöhte Werte von Glyzierungsendprodukten, sog. »early
glycation end products« (AEG), und verstärktes Kolla-
Praxistipp I I gen-Crosslinking. Stitt beobachtete, dass AEG als Subst-
Eine seröse Netzhautabhebung kann in 1/3 der Fälle rat für Kollagen-Crosslinking in diesen Patienten dienen
mit DME, mehr als 2/3 der Fälle mit BRVO und mehr können, und mutmaßte, dass dieses Crosslinking für die
als 8/10 der Fälle mit CRVO präsent sein und lässt sich klinisch auftretenden Glaskörperveränderungen ursäch-
sehr gut im OCT darstellen. lich ist. Veränderungen im Glaskörper von Augen mit
retinalen Gefäßerkrankungen können zur Entwicklung
eines Makulaödems beitragen, insbesondere eines zysto-
In Studien zu Patienten mit diabetischem Makulaödem iden Makulaödems, indem sie ein Substrat für Netzhaut-
waren 15-31% von einer serösen Netzhautabhebung in traktion zur Verfügung stellen. Schepens beschrieb zwei
der OCT betroffen. SRDs scheinen jedoch häufiger bei Arten von Traktion:
Fällen mit retinalen Venenverschlüssen vorzuliegen und ▬ Traktion ausgehend von einem schmalen Band oder
sind in 82% der Fälle mit CRVO und 71% der Fälle mit ▬ Traktion durch eine breite vitreoretinale Adhäsions-
BRVO präsent. Obwohl der Mechanismus der subretina- fläche.
len Flüssigkeitsakkumulation nicht vollständig geklärt ist,
wurde dieses Phänomen in histopathologischen Studien Biomikroskopisch sind die Wechselwirkungen zwischen
untersucht. Wolter und Kollegen vertreten die Hypo- der hinteren Glaskörperfläche und der Netzhaut zum
these, dass eine Beeinträchtigung der RPE-Funktion auf- Teil schwierig darzustellen, insbesondere in Patienten mit
grund von Inflammation oder assoziierter Ischämie eine breitbasigen Adhäsionen. Die OCT hat die Bewertung
Rolle spielt. Die Geschwindigkeit der Flüssigkeitsbewe- eben dieser Wechselwirkung dramatisch verbessert und
gungen aus dem intravasalen Raum heraus wird ebenso die Erkennung vitreomakulärer Traktion vereinfacht. In
als wichtiger Faktor postuliert, insbesondere bei venösen Patienten mit vollständig abgehobenem hinteren Glas-
Verschlusskrankheiten. Auch eine gleichzeitig bestehende körper ist die hintere Glaskörpergrenzmembran als dün-
vitreomakuläre Traktion kann zu der Akkumulation von nes, hyperreflektives Band anterior und deutlich getrennt
subretinaler Flüssigkeit beitragen. von der Netzhaut zu sehen. Dieses Signal fehlt bei Pati-
Unabhängig vom Mechanismus scheint das Erkennen enten mit komplett anliegendem hinterem Glaskörper.
einer SRD von klinischer Relevanz zu sein. Ohashi et al. Bei Patienten mit partieller Glaskörperabhebung können
beobachteten eine langsamere Resorption eines intrareti- die dünne, hyperreflektive hintere Grenzmembran und
nalen Ödems und eine langsamere, abgeschwächte Visus- ihre teils breite, teils schmale Insertion an der Netzhaut
erholung in Patienten mit einer SRD. Einige Untersucher dargestellt werden. Die resultierende antero-posteriore
haben vorgeschlagen, eine Pars-Plana-Vitrektomie (PPV) Distorsion der retinalen Kontur kann eine recht typische
bei Patienten mit diabetischem Makulaödem und SRD Gestalt annehmen oder auch eine fokale Netzhautabhe-
durchzuführen. Interessanterweise scheint das grundsätz- bung provozieren (⊡ Abb. 2.5).
liche Vorhandensein oder die Ausdehnung subretinaler Die Überlegenheit der OCT bei der Darstellung der
Flüssigkeit nicht mit der Dicke der darüber liegenden vitreoretinalen Grenzfläche veranlasste Gaucher dazu,
Netzhaut zu korrelieren. Weiterhin ist die Sehschärfe un- durch eine Kombination von klinischen und OCT-Para-
abhängig davon, ob neben der SRD intraretinale zystoide metern eine neue Klassifizierung von Glaskörperabhe-
Veränderungen bestehen oder nicht. bungen bei Diabetikern zu propagieren:
2.3 · Diagnose
25 2

⊡ Abb. 2.5 Eine Traktion des hinteren


Glaskörpers an der Makula ruft nicht selten
dieses charakteristische Bild mit zystoidem
Ödem und invertierter Foveakontur hervor.
(Mit freundl. Genehmigung des Doheny Eye
Institute, Los Angeles, USA)

▬ Grad 0 war definiert als die Abwesenheit eine hin- abgrenzen. ERM können einfacher zu detektieren sein,
teren Glaskörperabhebung (PVD) mit fehlendem wenn sie von der inneren Netzhaut abgehoben sind,
Weiss-Ring und fehlender Separation im OCT; aber auch eine sekundäre Netzhautdistorsion oder eine
▬ Grad 1 als perifoveale PVD mit Anheftung der Fove- verstrichene foveale Kontur geben deutliche Hinweise auf
ola (der hintere Glaskörper ist auf mindestens einem eine vorliegende ERM. Die OCT kann weiterhin benutzt
OCT-Scan zumindest partiell an der Makula ange- werden, um verschiedenste Parameter zu dokumentieren:
heftet); wie die Opazität und Dicke einer epiretinalen Memb-
▬ Grad 2 als inkomplette PVD mit verbleibender An- ran, ihre Entfernung zur inneren Netzhaut, ihre Effekte
heftung am Sehnerven (kein Weiss-Ring sichtbar, auf die darunterliegende Netzhaut wie Distorsion und
aber hintere Glaskörperreste auf allen OCT-Scans Ödembildung, eine neurosensorische Netzhautabhebung,
sichtbar mit klarer Separation von der Makula); und oder auch den individuellen Behandlungserfolg.
▬ Grad 3 als vollständige hintere Glaskörperabhebung Eine fortgeschrittene Form der epiretinalen Traktion,
(Weiss-Ring funduskopisch sichtbar). fibrovaskuläre Proliferationen als Sekundärerscheinung
einer proliferativen diabetischen Retinopathie, kann mit
Bei Anwendung dieses Klassifizierungssystems waren zwei ausgeprägten anatomischen Konfigurationen ein-
Grad 1 PVDs deutlich häufiger bei Patienten mit DME zu hergehen: einer Traktionsamotio und einer traktions-
beobachten (53%), als in Fällen ohne Ödem (22%). Dies bedingten Retinoschisis. Eine Traktionsamotio ist an
steht in Einklang mit der Bedeutung der vitreomakulä- dem optischen klaren, subretinalen Raum bei gleichzei-
ren Traktion beim DME. Catier und Kollegen betrach- tig vorhandener epiretinaler Proliferation zu erkennen.
teten Patienten mit einem Makulaödem verschiedenster Eine Retinoschisis dagegen stellt sich als eine Spaltung
Ätiologie und schlussfolgerten, dass Patienten mit ei- der neurosensorischen Netzhaut in zwei Schichten mit
nem DME sehr viel wahrscheinlicher eine unvollständige erkennbaren schmalen Gewebebrücken und fehlender
Glaskörperabhebung aufweisen, als andere Ödemformen. subretinaler Flüssigkeit dar. Eine Differenzierung zwi-
Interessanterweise fand jedoch Uchinos Gruppe dieses schen diesen beiden Entitäten kann von prognostischer
Stadium einer PVD in mehr als der Hälfte ihrer Normal- Relevanz bei der Wahl der Therapie sein.
patienten. Die Darstellung der vitreomakulären Grenzflache
im OCT hat auch das Management von Patienten mit
Praxistipp I I DME beeinflusst. So kann etwa eine frühzeitige PPV
Unvollständige Glaskörperabhebungen sind häufiger bei Patienten mit signifikanter vitreomakulärer Traktion
bei Patienten mit DME. indiziert sein. In einer prospektiven Studie untersuchten
Shah und Kollegen die prognostische Signifikanz vitreo-
makulärer Traktion bei 33 Patienten, die einer Vitrekto-
Epiretinale Membranen (ERM) stellen eine weitere Form mie unterzogen wurden. Die Autoren beobachteten, dass
präretinaler Traktion dar, die im Rahmen retinaler Ge- Patienten mit präoperativen Hinweisen auf eine klinische
fässerkrankungen auftreten kann und im OCT deutlich oder im OCT sichtbare makuläre Traktion eine deutlich
sichtbar wird. Typischerweise kann man ERM von der bessere postoperative Sehschärfe aufwiesen, als Patienten
hinteren Glaskörpergrenzfläche durch ihre große Dicke, ohne Zeichen einer präoperativen Traktion. Yamada und
gleichmäßige Erscheinung und eine höhere Reflektivität Kollegen führten eine ähnliche Studie durch, indem sie
26 Kapitel 2 · Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen

2 ⊡ Abb. 2.6 Gefäße stellen sich als zirkuläre


oder semizirkuläre Strukturen mit einem
ausgeprägten, posterioren Schattenwurf
dar. Abgebildet ist ein fovealer Scan eines
Normalauges, ein großes Gefäß ist deutlich
rechts im Bild zu erkennen. Größere retinale
Gefäße sind eindeutig in der inneren Netz-
haut lokalisiert. (Mit freundl. Genehmigung
des Doheny Eye Institute, Los Angeles, USA)

⊡ Abb. 2.7 Parafovealer OCT-Scan bei


einem Patienten Monate nach einem
Astarterienverschluss. Deutlich ist die ein-
seitige Netzhautatrophie, im Bild links, zu
erkennen. (Mit freundl. Genehmigung des
Doheny Eye Institute, Los Angeles, USA)

die prognostische Relevanz zweier unterschiedlicher Ar- jedoch mitunter nur schwer von einer nichtvaskularisier-
ten einer unvollständigen Glaskörperabhebung im OCT ten epiretinalen Membran zu unterscheiden. Eine innere
verglichen: Netzhautischämie wird oftmals sichtbar als erhöhte Re-
1. Eine inkomplette V-förmige Abhebung. flektivität der Nervenfaserschicht und innerer Netzhaut-
2. Eine partielle Abhebung temporal der Fovea mit na- schichten. Obwohl retinale Arterienverschlüsse sich akut
saler Anheftung. genauso darstellen, folgt hierauf mittel- bis langfristig
häufig eine ausgeprägte retinale Atrophie (⊡ Abb. 2.7).
Sie konnten zeigen, dass das anatomische Ergebnis in der Traditionell waren die typischen Merkmale retina-
ersten Gruppe etwas besser ausfiel. ler Gefässerkrankungen wie Mikroaneurysmata und in-
Über seine Fähigkeit hinaus, das Lösen von Traktions- traretinale mikrovaskuläre Veränderungen in der OCT
kräften nach einer PPV darzustellen, wird das OCT auch schwierig abzubilden. Dies rührt zumindest zum Teil
verwendet, um die Resorption einer neurosensorischen daher, dass die periphere Makula mit dem üblichen ra-
Abhebung und die vitreomakulären Wechselwirkungen diären Linienmuster nicht dicht genug vermessen wird.
nach einer YAG-Kapsulotomie zu dokumentieren. Die OCT der aktuellen Generation verwenden die weit-
aus schnellere Fourier-Domain-Technologie, welche die
bekannten Limitationen durch eine drastische erhöhte
2.3.5 Verschiedene Befunde Scandichte sowie eine größere axiale Auflösung überwin-
den kann.
Blutgefäße erscheinen im OCT als zirkuläre oder semizir-
! Cave!
kuläre, hyperreflektive oder hyporeflektive Strukturen mit
Die OCT-Interpretation sollte nie allein gestellt ge-
posteriorem Schattenwurf unterschiedlicher Ausprägung
schehen, sondern andere Bildgebungstechniken
(⊡ Abb. 2.6). Retinale Blutungen, im Besonderen dichte
mit einschließen.
Blutungen, können ebenfalls als hyperreflektive Regio-
nen mit hinterem Schattenwurf zu sehen sein. Retinale Lipid- und Proteinexsudation sind häufige Merkmale
Neovaskularsationen können sich als fokale, hyperreflek- retinaler Gefäßerkrankungen. Aufgrund ihrer relativen
tive Zonen an der Netzhautoberfläche darstellen, sind optischen Dichte erscheinen harte Exsudate im OCT als
2.4 · Management
27 2

⊡ Abb. 2.8 Eine Lipidexsudation, die sich


typischerweise als hochreflektive Struktur
mit massivem Schattenwurf darstellt. Bei
diesem Patienten mit DME besteht außer-
dem eine erhebliche VMT, die sehr wahr-
scheinlich Mitauslöser des zystoiden Ödems
ist. (Mit freundl. Genehmigung des Doheny
Eye Institute, Los Angeles, USA)

fokale, hyperreflektive Bereiche mit posteriorem Schat- Viele Kliniker konnten jedoch im OCT foveale Ödeme
tenwurf (⊡ Abb. 2.8). Obwohl diese am häufigsten in der diagnostizieren, die ansonsten übersehen worden wären.
äußeren plexiformen Schicht (OPL) auftreten, können Es ist noch unklar, ob diese Patienten mit »subklinischen
sie auch in nahezu jeder anderen Netzhautschicht sowie Ödemen« einem erhöhten Risiko für moderaten Visus-
subretinal vorkommen. verlust ausgesetzt sind und von einer fokalen Laserko-
agulation profitieren würden. Brown und Kollegen befan-
den, dass es derzeit nicht sinnvoll ist, die Ergebnisse der
2.4 Management ETDRS-Studie auf Patienten mit subklinischen Ödemen
zu übertragen. Das OCT könnte jedoch Patienten mit
Die OCT wird beim Management von Patienten mit falsch-positiven Befunden ohne foveales Ödem vor einer
retinalen Gefäßerkrankungen, speziell bei solchen mit unnötigen Therapie bewahren und so therapiebedingte
einem Makulaödem, häufig angewendet. Die Quantifi- Komplikationen wie ein parafoveales Skotom oder choro-
zierung der Netzhautdicke im OCT kann dabei helfen, idale Neovaskularisationen (CNV) verhindern.
angebrachte Therapien zu identifizieren, hierfür geeig-
nete Patienten auszuwählen, die Anwendung dieser The- Praxistipp I I
rapie zu steuern und den Verlauf der Erkrankung genau Patienten mit klinischem fovealen Ödem können vor
zu dokumentieren. OCT-Befunde können prognostische unnötiger Laserung bewahrt werden, wenn im OCT
Implikationen haben und die Behandlungsstrategie maß- eine normale foveale Netzhautdicke nachgewiesen
geblich beeinflussen. Von den Patienten mit einer diabe- werden kann.
tischen Retinopathie und guter Sehschärfe (20/20), die
einer panretinalen Photokoagulation (PRP) unterzogen
wurden, hatten solche mit einer präoperativen, parafo- In einer Fallserie von Rivellesse et al. zeigten Patienten
vealen Netzhaudicke jenseits 300 μm eine höhere Inzi- mit CSME eine deutliche Reduktion des Netzhautödems
denz eines bleibend schlechten Visus nach PRP. Diese nach fokaler Photokoagulation. Die anatomischen Ef-
Beobachtung kann dabei helfen, eine Gruppe Patienten fekte von Laser auf die makuläre Netzhautdicke wurden
zu identifizieren, die potenziell von einer weniger ag- auch in Patienten mit proliferativer diabetischer Reti-
gressiven Therapie, mit einer schrittweisen Laserung und nopathie, die eine PRP erhielten, untersucht. Shimura
größeren Zeitintervallen zwischen den einzelnen Termi- und Kollegen werteten 72 Augen von 36 Patienten aus,
nen, profitiert. die eine PRP verteilt über 4 Sitzungen erhielten. Die
Patienten wurden wöchentlich auf dem einen und zwei-
wöchentlich auf dem anderen Auge behandelt. Die ma-
2.4.1 Fokale und panretinale kuläre Netzhautdicke im OCT nahm in beiden Augen
Laserkoagulation vorübergehend langsam zu, in größerem Masse aber in
den wöchentlich behandelten Augen. Die Normalisie-
Die »Early Treatment Diabetic Retinopathy Study« (ET- rung der Netzhautdicke geschah schneller in den zwei-
DRS) konnte zeigen, dass eine fokale Photokoagulation wöchentlich behandelten Augen, die finale Sehschärfe
das Risiko für einen moderaten Sehverlust (definiert als unterschied sich jedoch nicht signifikant in den beiden
Verdoppelung des Sehwinkels) bei Patienten reduziert, Gruppen. Obwohl diese Ergebnisse nur einer relative
bei denen mittels Spaltlampenmikroskopie und stereos- kleinen Fallserie entstammten, untermauerten diese Be-
kopischen Fundusphotos ein CSME diagnostiziert wurde. obachtungen doch die ursprüngliche ETDRS-Studie, in
28 Kapitel 2 · Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen

der von einer Verschlechterung von Makulaödemen un-


mittelbar nach PRP berichtet wurde.
Praxistipp I I
Die OCT-gemessene Netzhautdicke wird immer wich-
tiger als Einschlusskriterium oder Endpunkt klinischer
2 2.4.2 Pharmakotherapie Studien zu retinalen Gefäßerkrankungen.

Die Entwicklung der Pharmakotherapie für retinale Ge- Mehrere randomisierte Studien in Patienten mit DME
fäßerkrankungen war seit der Entdeckung der tragenden konzentrieren sich neben der Sehschärfe auf die dur-
Rolle des »vascular endothelial growth factors« (VEGF) schnittliche Reduktion der zentralen Netzhautdicke im
in der Pathophysiologie dieser Erkrankungen ein Schwer- OCT, um einen Therapieerfolg festzustellen (RESOLVE,
punkt in der klinischen Forschung. Die morphologischen READ-2). Eine Abnahme der Netzhautdicke korreliert
Veränderungen im OCT sind seitdem wichtige Parameter in diesen Fällen häufig mit einer Verbesserung der Seh-
in Studien, um die Effektivität eines Medikamentes zu schärfe.
bewerten.
Obwohl intravitreales Triamcinolon (IVTA) wahr-
scheinlich eine multifaktorielle Wirkung neben seinem 2.4.3 Chirurgie
anti-VEGF-Effekt hat, wird es bei einer Vielzahl retinaler
Gefäßerkrankungen eingesetzt. Eine Anzahl kleiner Stu- Chirurgische Ansätze bei der Behandlung retinaler Ge-
dien konnten eine Abnahme der zentralen Netzhautdicke fäßerkrankungen finden zunehmend Verbreitung und
nach bereits einer Injektion von IVTA bei Patienten OCT-Befunde sind hierbei nicht nur für die Krankheits-
mit einem Makulaödem infolge von Diabetes oder ei- beobachtung nützlich, sondern dienen auch der Auswahl
nes retinalen Venenverschlusses zeigen. Die Folgeunter- geeigneter chirurgischer Methoden.
suchungen variierten erheblich zwischen den Studien,
aber eine 50%ige Reduktion der zentralen Netzhautdicke Pars-Plana-Vitrektomie bei Makulaödem
im OCT war ein typischer Befund 3 Monate nach Be- Die Pars-Plana-Vitrektomie gilt als potenzielle Therapie
handlungsbeginn. In einigen Fallserien korrelierte die bei Patienten mit refraktärem DME, insbesondere bei
Abnahme der Netzhautdicke mit reduzierter Leckage in Patienten mit VMT. Die OCT hat die Selektion von Pa-
der Angiographie und einer besseren Sehschärfe. Die tienten für eine chirurgische Intervention revolutioniert,
Beobachtung der chronologischen Entwicklung der Netz- indem sie den eindeutigen Nachweis für makuläre Trak-
hautdicke nach Triamcinoloninjektion im OCT zeigte, tion liefert. Giovanni et al. identifizierten 2 Muster der
dass ein Makulaödem häufig nach 3 Monaten rezidiviert. VMT bei Patienten:
Die OCT-basierte Definition eines Ödemrezidivs ist ein ▬ eine Verdickung des superioren Profils im OCT, oder
hilfreiches Kriterium für Kliniker, wenn diese eine er- ▬ das Verstreichen bzw. die Inversion der fovealen De-
neute Behandlung abwägen. Groß angelegte, klinische pression.
Studien (SCORE, DRCR) evaluieren die Effektivität von
IVTA bei Patienten mit einem Makulaödem infolge re- Nach chirurgischer Intervention normalisierte sich die
tinaler Gefäßerkrankungen. Netzhautdickenmessungen Morphologie in vielen dieser Augen. Weitere retrospek-
im OCT werden sowohl als sekundärer Endpunkt wie tive Studien berichteten ähnliche Ergebnisse nach Vitrek-
auch als Ein- oder Ausschlusskriterium in diesen Studien tomie: eine unterschiedlich ausgeprägte aber signifikante
angewendet. Reduktion der fovealen Netzhautdicke im OCT. Einige
Die BRAVO-Studie untersucht die Wirksamkeit von Studien demonstrierten funktionelle Verbesserungen der
Ranibizumab bei retinalen Astvenenverschlüssen und Sehschärfe und im mfERG in Verbindung mit den offen-
stützt sich in wesentlichen Punkten des Studiendesigns, sichtlichen, positiven anatomischen Ergebnissen.
wie z.B. der Behandlungsstrategie und den sekundären
Endpunkten, auf OCT-Untersuchungen. Praxistipp I I
Auch wegweisende Studien zu antiangiogenen The- Die Detektion vitreomakulärer Traktion im OCT hilft bei
rapien für neovaskuläre AMD (MARINA, ANCHOR, der Selektion von Patienten für eine Vitrektomie.
PIER), integrieren OCT-Parameter fest in das Studien-
design. In der PrONTO-Studie wurde erstmals ein OCT-
basiertes Behandlungsschema für NVAMD angewandt Andere Untersucher propagierten eine PPV bei thera-
– mit beachtenswertem Erfolg. Die Rolle der OCT bei pierefraktärem DME auch in Abwesenheit makulärer
Verlaufsbeobachtung und Therapieentscheidungen in Traktion im OCT. Patel und Kollegen beobachteten eine
diesem Rahmen ist unumstritten. Reduktion der Netzhautdicke im OCT bei Patienten
2.5 · Zukünftige Entwicklungen
29 2
nach PPV für ein diffuses DME, einschließlich einer operativen Komplikationen, wie z.B. ein Makulaforamen,
kleinen Subgruppe von Patienten, die keine Anzeichen zu dokumentieren. In einigen, kleinen Fallstudien wurde
einer Glaskörpertraktion zeigten. Trotz dieser guten ana- von einer dramatischen Reduktion der Netzhautdicke im
tomischen Resultate im OCT bleibt der wahre Wert der OCT mehrere Monate nach dem Eingriff berichtet. Diese
PPV beim diffusen DME unklar. In einer randomisierten positiven anatomischen Ergebnisse allerdings korrelier-
Studie zum Vergleich von Vitrektomie versus zusätzli- ten nur selten mit einem Visusanstieg, insbesondere bei
chem Laser bei Patienten mit refraktärem DME (nach Patienten mit ischämischen Okklusionen.
zuvorgegangenem Laser) und ohne vitreomakuläre Trak-
! Cave!
tion war kein signifikanter Unterschied zwischen den
Die morphologischen Veränderungen im OCT
Behandlungsarmen festzustellen, weder morphologisch
entsprechen häufig nicht den funktionellen Be-
noch funktionell.
funden.
Zusätzlich zu dem Mangel an überzeugenden Daten
aus randomisierten klinischen Studien, ist der Einsatz
der PPV bei DME nicht ohne Risiken. Obwohl eine Arteriovenöse Dissektion bei
reduzierte Netzhautdicke beobachtet wurde, berichteten Astvenenverschlüssen
Yamamoto et al. von einer Anzahl an intra-und postope- Einige Untersucher brachten die chirurgische, arteriove-
rativen Komplikationen wie Foramina, Netzhautablösun- nöse Dissektion bei Patienten mit persistierendem Ma-
gen, Glaskörperblutungen, Neovaskularisationsglauko- kulaödem infolge eines Astvenenverschlusses auf. Be-
men, ERM-Bildung und lamellären Löchern. Eine weitere fürworter dieser Methode glauben, dass eine Eröffnung
Komplikation, die sowohl von Yamamoto als auch Otani der gemeinsamen Adventitia von Arterie und Vene an
berichtet wurde, ist die Akkumulation von harten Exsu- den arteriovenösen Kreuzungen eine Dekompression
daten im intraretinalen Raum, ein Befund, der typischer- des venösen Lumens bewirkt und so einen vermuteten
weise mit einer schlechteren Visusprognose einhergeht. Thrombus mobilisieren kann. Eine rasche Reperfusion
Otani stellte außerdem fest, dass das Vorhandensein einer der retinalen Zirkulation, mitunter noch während des
serösen Netzhautablösung im OCT vor oder nach dem Eingriffes, wurde von diesen Untersuchern berichtet. Fuji
operativen Eingriff mit einer höheren Inzidenz dieser et al. demonstrierten eine rasche, dramatische und blei-
subfovealen Exsudate assoziiert war. bende Reduktion des Netzhautödems im OCT sowie eine
Die Anwendung der OCT, um die Reduktion ei- gleichzeitige Visusverbesserung, beginnend nur einen Tag
nes Makulaödems nach Vitrektomie zu quantifizieren, nach dem Eingriff bei Patienten mit BRVO.
ist nicht nur auf Patienten mit diabetischer Retinopathie
beschränkt. Sekiryu und Kollegen berichteten von einer
dramatischen Abnahme der Netzhautdicke in einer klei- 2.5 Zukünftige Entwicklungen
nen Fallserie mit Patienten, die aufgrund eines fovealen
zystoiden Makulaödems bei Zentralvenenverschluss vit- Trotz der außerordentlichen Fortschritte des Hardware-
rektomiert wurden. Designs innerhalb des letzten Jahrzehnts, sammeln kon-
ventionelle OCT-Geräte nur einen limitierten Datensatz
Radiäre Optikusneurotomie bei und verwenden überholte, fehlerbehaftete Software. Die
Zentralvenenverschluss Entwicklungen in der OCT-Hardware haben den Stand
Ompremcak und Kollegen propagierten die Anwendung der Software längst überholt. Der klinische Nutzen und
einer radiären Optikusneurotomie (RON) zur Behand- Erfolg der nächsten OCT-Generation ist abhängig von
lung von Patienten mit persistierendem Makulaödem sorgfältiger Optimierung sowohl der Hardware als auch
nach stattgehabtem Zentralvenenverschluss. Bei dem der Software. Zukünftige OCT-Geräte werden sehr wahr-
Eingriff erfolgt ein Schnitt in die nasale Seite des Seh- scheinlich auch ein breit gefächertes Anwendungsspek-
nervs. Obwohl die Wirkungsmechanismen nicht bekannt trum außerhalb der Augenheilkunde haben: in der Kar-
sind, glauben viele Untersucher, dass dieser Eingriff die diologie, Gastroenterologie, Onkologie, Orthopädie, Hals-
Entwicklung von Kollateralgefäßen begünstigt, die das Nasen-Ohrenheilkunde und evtl. auch der Urologie.
venöse Bett entlasten. In einer Serie von 117 konsekuti-
ven Patienten mit Zentralvenenverschluss und schwerem
Visusverlust fanden Ompremcak und Kollegen eine ana- 2.5.1 Aktuelle OCT-Limitationen
tomische (95%) und funktionelle (71%) Resolution in der
Mehrzahl der Patienten. Obwohl die OCT eine quantitative Revolution in der Dia-
Das OCT gilt auch in diesem Fall als nützliches Hilfs- gnostik und im Management retinaler Erkrankungen an-
mittel, um den Therapieerfolg eine RON sowie die post- geführt hat, gibt es einige hardware- und softwarebedingte
30 Kapitel 2 · Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen

Limitationen, die der Kliniker kennen sollte, um OCT- ! Cave!


Scans korrekt bewerten zu können. Augenbewegungen Moderate und schwere Fehler des automatischen
von Patienten mit Erkrankungen der Makula und schlech- Algorithmus sind häufig, besonders bei Fällen mit
2 tem zentralem Visus können die Scanqualität erheblich subretinalen Pathologien.
reduzieren. Zwar bietet die Fourier-Domain-Technolgie
eine sehr schnelle Aufnahmegeschwindigkeit, jedoch wur-
den gleichzeitig die Scanraster dichter und umfassender. 2.5.2 Die Zukunft der OCT-Hardware
Eine instabile Fixation mindert auch die Möglichkeiten
einer Bildregistrierung mit anderen Modalitäten wie Fun- Die Hardware, die eine OCT der Augen möglich machte,
dusphotos oder Fluoreszenzangiogrammen. Obwohl am hat sich in den letzten 2 Jahrzehnten rasant entwickelt, vor
Ende eines jeden Scans ein Infrarotbild des Fundus ange- allem innerhalb der letzten 5 Jahre. Bedeutsame Verbes-
fertigt wird, um die ungefähre Lokalisation des Scans zu serungen betreffen sowohl die axiale Auflösung als auch
ermöglichen, so ist der genaue Ort doch unbekannt. Eine die Aufnahmegeschwindigkeit. Den größten Anteil an der
mögliche Lösung des Problems ist die Verwendung eines besseren axialen Auflösung haben die neuartigen Licht-
Tracking-Verfahrens, wie es auch schon kommerziell ver- quellen, die in modernen OCT-Geräten verbaut werden.
fügbar ist. Bislang bieten jedoch die wenigsten Hersteller Die superlumineszierende Diode (SLD), eine Technologie
ein solches Tracking-Verfahren an. die man aufgrund ihrer hohen Bandbreite und der gerin-
gen Kosten durchaus als Arbeitspferd der OCT bezeich-
! Cave!
nen kann, wurde über die letzten 5 Jahre stetig verbessert.
Augenbewegungen während des Scanvorgangs kön-
Weitergehende Forschung zum Nutzen von ganzen SLD-
nen die OCT-Interpretation erheblich erschweren.
Serien (»SLD-Arrays«) und neue SLD-Technologien, wie
Die Analysesoftware hat ebenso wichtige Mängel. Die z.B. die Verwendung von »quantum dots«, werden die
Generierung einer topographischen Karte zum Beispiel, Auflösung der OCT weiter steigern. OCT-Geräte, die auf
das Kernmerkmal quantitativer OCT-Befunde, ist abhän- Laserlichtquellen wie Titanium:Sapphir (Ti:Al2O3)-La-
gig von der korrekten Identifizierung der inneren und äu- sern basieren, bieten eine herausragende Bildqualität, sind
ßeren Netzhautgrenzen. Als innere Netzhautgrenze wird jedoch aufgrund ihrer hohen Kosten nur bedingt massen-
zumeist die innere Grenzmembran (»inner limiting mem- tauglich. Eine weitere spannende Technologieentwicklung
brane« = ILM) definiert, während die äußere Grenze sich in der OCT-Hardware sind sog. »Swept-Source«-Licht-
am retinalen Pigmentepithel orientiert, sich jedoch leicht quellen. Bei Swept-Source-OCTs wird der bewegliche Re-
zwischen den verschiedenen Gerätetypen unterschei- ferenzarm der Time-Domain-OCTs durch einen Laser
det, was wiederum eine Vergleichbarkeit der Messungen mit variabler Frequenz ersetzt. Dies ermöglicht eine tiefe
zwischen den Geräten deutlich erschwert. Obwohl der Gewebepenetration sowie eine sehr gute Signalstabilität.
Algorithmus zur automatischen Erkennung dieser Netz- Andere Gruppenbemühen sich derzeit, adaptive Optiken
hautgrenzen noch relativ zuverlässig in normalen Augen in ihre Systeme einzubauen. Adaptive Optiksysteme nut-
und makulären Ödemen funktioniert, so stellen kom- zen Wellenfrontdetektoren und verformbare Spiegel, um
plexe Morphologien, wie sie z.B. bei neovaskulärer AMD optische Aberrationen aus dem reflektierten Licht zu eli-
auftreten, auch bei der aktuellen Softwaregeneration ein minieren. Adaptive Optiken könnten sowohl die axiale als
ernst zu nehmendes Problem dar. In einer Studie von auch die transversale Auflösung derart erhöhen, dass ein-
Krebs et al. zeigten 25% der untersuchten FD-OCT-Scans zelne Zellpopulationen der Netzhaut darstellbar wären.
Fehler der automatisierten Netzhauterkennung. Zwar er- Die Verbesserungen der Aufnahmegeschwindigkeit
lauben nahezu alle Hersteller eine manuelle Korrektur von OCT-Geräten sind wichtige Schritte vorwärts in der
der Netzhautgrenzen, jedoch ist dies im klinischen Alltag OCT-Entwicklung, da sie Probleme wie eine instabile
aus Zeitgründen nur selten durchführbar. Patientenfixation und eine zu lockere Scandichte deut-
Ein weiteres Problem ist die fehlende Separierung von lich mildern. Den größten Geschwindigkeitsschub in der
subretinalem Raum und sub-RPE-Raum. So wird subre- kommerziell verfügbaren OCT-Technologie stellte zwei-
tinale Flüssigkeit regelmäßig in die Netzhautdickenmes- felsohne die Fourier- oder Spectral-Domain-Technologie
sung miteinbezogen. Dieser Mangel stellt einen Verlust dar, welche Scangeschwindigkeit bis zu 50-mal schneller
klinisch wertvoller Information dar. Einige Therapien als bisherige Time-Domain-OCTs erlaubt und so eine
z.B. können vorzugsweise ein Makulaödem reduzieren, 3D-Rekonstruktion des Scanbereichs ermöglicht. Diese
nicht jedoch subretinale Flüssigkeit. Die aktuelle Analy- letztgenannte Fähigkeit erlaubt einen genaueren Vergleich
sesoftware erlaubt auch keine Quantifizierung anderer von OCT-Aufnahme im Zeitverlauf sowie mit anderen
OCT-Befunde retinaler Gefäßerkrankungen wie retinaler Bildgebungsmodalitäten. Ganzfeld-OCT-Geräte bieten
Zysten und Lipidexsudaten. gegenüber FDOCTs einen noch größeren Geschwindig-
Literatur
31 2
keitsvorteil. Indem die spektralen Informationen einer Zwei wichtige Verbesserungen werden für die OCT-
ganzen Fläche gleichzeitig durch einen 2-dimensionalen Software der nächsten Generation notwendig sein. An
Detektor anstelle eines linearen Aufbaus aufgenommen erster Stelle muss die Genauigkeit der Messungen deutlich
werden, negieren Ganzfeld-OCTs den Zeitverlust, der bei verbessert werden. Da klinische Entscheidungen mehr und
konventionellen Systemen durch serielles Abtasten jedes mehr auf die Präzision der OCT-Quantifizierung vertrauen
einzelnen A-Scans entsteht. Andere vielversprechende werden, sind die Standards für die Software der nächsten
Zukunftsrichtungen der OCT-Hardware sind die polari- Generation höher anzusetzen, als bei der momentan ver-
sationssensitive OCT (PS OCT), Doppler-OCT oder die fügbaren, fehleranfälligen Software. Ein ungelöstes Prob-
funktionelle OCT. PS OCT basiert auf den nativen Po- lem jedoch besteht darin, dass unser histopathologisches
larisationseigenschaften der Gewebeschichten (wie der Verständnis mit der technischen Weiterentwicklung der
Nervenfaserschicht), um das Reflektivitätssignal weiter OCT Schritt halten muss. So ist nun z.B. bekannt, dass die
zu differenzieren. Die Doppler-OCT nutzt die im OCT- äußere Netzhautgrenze vom Stratus OCT inkorrekt wie-
Signal enkodierten Bewegungsdaten und könnte eine dergegeben wurde. Idealerweise besitzen zukünftige OCT-
detaillierte Kartierung von Blutgefäßen und Blutfluss er- Softwaresysteme die Fähigkeit, sich an aktuelle Fortschritte
lauben, analog zur Fluoreszenzangiographie. Obwohl die des klinischen Verständnisses anzupassen und diese in die
Doppler-OCT die dynamischen Leckageinformationen diagnostischen Messungen einfließen zu lassen.
einer FA nicht erfassen kann, könnte sie eine Brücke zwi- Die andere große Herausforderung, der zukünftige
schen beiden Technologien darstellen. Abschließend stellt OCT-Softwaresysteme gegenüberstehen werden, ist, die
die funktionelle Bildgebung und ihr Fokus auf Gesund- klinische Relevanz der Messungen zu erhöhen. Obwohl
heit und Funktion des Gewebes – anstelle seiner Struktur die Netzhautdicke für viele Erkrankungen einen wichti-
allein – ein gänzlich neues Paradigma in der Bildgebung gen Parameter darstellt, so wird doch ein großer Vorteil
dar. Aktuelle Forschungsanstrengungen zur funktionellen dieses Querschichtaufnahmeverfahrens verspielt, indem
OCT machen sich die Spektralinformationen neuerer alle subretinalen und intraretinalen Pathologien in einer
OCTs zunutze. Gekoppelt mit adaptiver Optik könnte die einzigen Messung gebündelt werden. In einer Zeit der all-
funktionelle OCT ein leistungsstarkes, neues Werkzeug seits präsenten intravitrealen anti-VEGF-Therapien wäre
für sowohl Forschung als auch Klinik werden. es nützlich, die Volumina der individuellen Strukturen wie
Netzhaut, zystoider Räume, subretinaler Flüssigkeit, sub-
Praxistipp I I retinalem Gewebe und dem sub-RPE-Raum anstelle eines
Die Doppler-OCT könnte eine Brückentechnologie zur einfachen Gesamtnetzhautvolumens zu quantifizieren. Zu-
FA sein, indem sie dynamische OCT-Daten liefert. dem könnten diese Messungen dank der verbesserten Bild-
registrierungsmöglichkeiten der FD-OCT-Geräte im Zeit-
verlauf miteinander verglichen werden, um eine klinisch
relevante Krankheitsprogression einfacher zu erkennen.
2.5.3 Die Zukunft der OCT-Software
Fazit für die Praxis
Trotz des gewaltigen Sprunges in der automatisierten Die OCT hat die Augenheilkunde revolutioniert. Zukünftige
Quantifizierung durch die Erstgeneration-OCT-Software Hardware- und Softwareentwicklungen sollten die Relevanz
waren die folgenden Fortschritte schleppend verglichen und Präzision der OCT-Messungen verbessern. Diese gestei-
mit der raschen Fortentwicklung der OCT-Hardware. Die gerte Leistungsfähigkeit wird dem Arzt beim Management
Defizite der aktuell verfügbaren OCT-Software wurden komplexer Erkrankungen helfen, eine wichtige Entscheidungs-
umso klarer mit Erscheinen der FD-OCT-Technologie. hilfe für kritische Therapieschritte sein und vielleicht auch eine
Nunmehr werden größere Datenmengen in kürzerer Zeit Diagnose im früheren Krankheitsstadium ermöglichen.
gesammelt und komplexe mathematische Transformatio-
nen sind notwendig, um klinisch nützliche Daten zu er-
halten. Kliniker, die in der Vergangenheit noch jeden der Literatur
6 radiären Scans einzeln begutachten konnten, verlassen
sich jetzt nahezu vollkommen auf die automatisch ge- Brown JC, Solomon SD, Bressler SB, Schachat AP, DiBernardo C, Bress-
nerierten, topographischen Karten der FD-OCT-Geräte. ler NM (2004) Detection of diabetic foveal edema: contact lens
Eine Begutachtung der einzelnen B-Scans eines Volu- biomicroscopy compared with optical coherence tomography.
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Catier A, Tadayoni R, Paques M, Erginay A, Haouchine B, Gaudric A,
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subjektive, klinische Befundungen immer stärker durch etiologies by optical coherence tomography. American journal of
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32 Kapitel 2 · Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen

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3

Grundkonzepte zur Therapie retinaler


Gefäßerkrankungen
F. Rüfer, J. Roider

3.1 Geschichte der retinalen Lasertherapie – 34

3.2 Laserquellen – 34
3.2.1 Histologische Befunde nach Licht- und Laserkoagulation – 35
3.2.2 Wirkungsweise der Behandlung – 37

3.3 Standards und Indikationen für eine panretinale Laserkoagulation – 37


3.3.1 Panretinale Full-scatter-Laserkoagulation – 37
3.3.2 Panretinale Mild-scatter-Laserkoagulation – 39

3.4 Fokale Laserkoagulation – 40

3.5 Subthreshold-Laserkoagulation – 41

Literatur – 44

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_3,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
34 Kapitel 3 · Grundkonzepte zur Therapie retinaler Gefäßerkrankungen

Die retinale Lasertherapie stellt neben den in den letzten Jah-


ren immer mehr verbreiteten intravitrealen VEGF-Inhibitoren
( Abschn. 8.3.5) nach wie vor ein wichtiges Standbein zur
Behandlung von retinalen Gefäßerkrankungen dar. Durch
die Lasertherapie wird bei retinalen Gefäßerkrankungen
das Gleichgewicht zwischen Sauerstoffbedarf und Sauer-
3 stoffangebot verbessert. Die Wirkungsweise scheint jedoch
zusätzlich auf einer Modifikation von verschiedenen lokalen
Wachstumsfaktoren zu beruhen. Inwieweit für den thera-
peutischen Effekt konventionelle, alle Netzhautschichten
betreffende Laserläsionen erforderlich sind, ist noch nicht
abschließend geklärt. Welche retinalen Gefäßerkrankungen
auch ausreichend durch eine selektive Behandlung des reti-
nalen Pigmentepithels unter Schonung der Photorezeptoren
erfolgreich therapiert werden können, ist noch Gegenstand
der aktuellen Forschung.

3.1 Geschichte der retinalen


Lasertherapie

Heute ist die Laserkoagulation eine weitverbreitete Be-


handlungsmethode, die noch immer die Basis vieler re-
tinaler Gefäßerkrankungen bildet. Die Ursprünge gehen
auf Meyer-Schwickerath zurück, der dafür ab 1949 Son-
nenlicht als Energiequelle nutzte (⊡ Abb. 3.1). Allerdings
erwies sich das Sonnenlicht aus mehreren Gründen als
problematisch. Zum einen waren ein aufwändiges System
von mehreren Spiegeln und lange Expositionszeiten er-
forderlich, zum anderen war die Abhängigkeit vom Wet-
ter ein offensichtliches Problem. Durch die Entwicklung
der Xenon-Hochdrucklampen zu Beginn der fünfziger
Jahre stand genug Leistung für eine Lichtkoagulation
der Netzhaut bereit. Zu dieser Zeit wurden zahlreiche ⊡ Abb. 3.1 Xenon-Hochdrucklampe (Aus Rüfer F u. Roider J 2007)
Arbeiten publiziert, die den therapeutischen Effekt der
retinalen Lichtkoagulation belegten und zu einem breiten
Erfahrungsschatz führten. Der wesentliche Fokus lag da- das Hämoglobin haben eine untergeordnete Bedeutung.
bei auf der Retinopexie bei Netzhautdefekten und auf der Die kurzen Pulse des Rubinlasers (694 nm) variierten
Therapie der proliferativen diabetischen Retinopathie. in Abhängigkeit vom technischen Modus zwischen 20
und 1.000 ns. Zu kurze Laserpulse verhinderten am An-
fang eine sinnvolle klinische Anwendung. Es traten un-
3.2 Laserquellen erwünschte Nebenwirkungen wie retinale Blutungen und
Netzhautlöcher auf, und es konnte keine ausreichende
Mit der Erfindung der Lasertechnologie 1960 durch Mai- Adhäsion im Sinne einer Retinopexie erreicht werden.
man setzte auch eine schnelle Entwicklung der retinalen Mit der Einführung der Argonlasertechnologie zu Be-
Laserkoagulation ein. Der erste verfügbare Laser war ein ginn der siebziger Jahre waren Systeme verfügbar, die
Rubinlaser. Am Anfang lag der Fokus der Experimente aufgrund ihrer kontinuierlichen Lichtemission und hohen
auf der Interaktion zwischen einem gepulsten Rubinlaser Leistung eine breite klinische Anwendung ermöglichten.
und dem retinalen Gewebe. Es stellte sich heraus, dass die Die ersten kommerziellen Argonlasersysteme wurden
histologischen Effekte in der Retina durch die Absorption 1971 in der Augenheilkunde eingeführt. Zwischen 1972
verschiedener Strukturen erklärbar waren. Die wichtigste und 1975 wurde die Diabetic Retinopathy Study durchge-
absorbierende Struktur in der Retina sind die Mela- führt, die als große prospektive randomisierte multizentri-
ningranula im RPE (⊡ Abb. 3.2), andere Absorber wie sche Studie angelegt war. Es zeigte sich, dass die Behand-
3.2 · Laserquellen
35 3
subretinalen Membranen oder bei der Behandlung von
vasoproliferativen Erkrankungen.
In der klinischen Anwendung führten alle Lasersys-
teme ausgehend von den absorbierenden Strukturen zu
einer ähnlichen Wärmeausbreitung in die umliegenden
Gewebeschichten sobald die Expositionszeiten 100 ms
oder mehr betrugen.

3.2.1 Histologische Befunde nach


Licht- und Laserkoagulation

Die ersten histologischen Untersuchungen wurden an


retinalem Gewebe durchgeführt, das durch Xenonlicht
⊡ Abb. 3.2 Lichtabsorption im humanen retinalen Pigmentepithel. koaguliert wurde. Die retinalen Läsionen zeigten irrever-
(Aus Rüfer F u. Roider J 2007) sible Gewebsschädigungen. Bereiche mit funduskopisch
milder Koagulation zeigten eine Destruktion der Cho-
riokapillaris, des RPEs und der Photorezeptoren ein-
lung der proliferativen diabetischen Retinopathie mittels schließlich der äußeren Körnerschicht (⊡ Abb. 3.3). Die
Koagulation große Vorteile brachte und dass so das Risiko Zerstörung der Photorezeptoren bedeutete einen lokal
für einen schwerwiegenden Visusverlust um 50% redu- begrenzten irreversiblen Funktionsverlust des koagulier-
ziert werden konnte. Aus diesem Grund wurde die Studie ten Bereichs. Ausgeprägtere Läsionen mit Laserleistun-
zugunsten der Laserbehandlung abgebrochen. Es stellte gen wie in der klinischen Anwendung zeigten eine wei-
sich auch heraus, dass es keine Unterschiede zwischen den tergehende Schädigung mit pyknotischen Zellen in der
therapeutischen Effekten einer Xenon- oder Argonlaser- inneren Körnerschicht und in der Gangionszellschicht
koagulation gab, auch wenn die technischen Vorteile der (⊡ Abb. 3.4). Histologisch unterscheiden sich Laserläsio-
Argonlasersysteme überwogen. Die Argonlasersysteme nen nicht, solange Expositionszeiten zwischen 100 und
konnten über Spiegelsysteme gut gekoppelt werden und 500 ms verwendet werden. Während der ersten Stunde,
konnten dadurch präziser am Fundus angewendet wer- möglicherweise sogar während der ersten Sekunden wird
den. Mit der Weiterentwicklung der Lasertechnik wurden der Effekt biologisch durch ein intra- und interzellulä-
weitere Lasersysteme verfügbar. Initial wurden alle aus- res Ödem verstärkt. Neben einer Schädigung des RPE
reichend leistungsstarken Continuous-Wave-Laser expe- sind immer auch die Photorezeptoren betroffen. Diese
rimentell getestet und klinische Studien durchgeführt. Die Befunde sind unabhängig von der Wellenlänge der ver-
verschiedenen Lasertypen wie Kryptonlaser (647 nm oder wendeten Laser.
530 nm), Farbstofflaser (560 nm bis 680 nm), Nd:YAG- Schäden der inneren Netzhautschichten (Ganglionzell-
Laser (1064 nm oder 532 nm) oder Diodenlaser (810 nm) schicht, Nervenfaserschicht) sind unerwünscht. Auch
unterschieden sich hauptsächlich in der Wellenlänge und wenn Leistungsparameter für Läsionen an der Schwelle
in technischen Parametern wie der Größe der Geräte, der zur Sichtbarkeit verwendet werden, kann eine Schädigung
Effizienz, der erforderlichen Betriebsspannung und der der Photorezeptoren nicht verhindert werden, weil es eine
Notwendigkeit für eine Kühlung. breite intra- und interindividuelle Variabilität der Netz-
Da der wesentliche Unterschied vor allem die Wel- hautdicke und der Pigmentierung gibt. Retinale Gefäße
lenlänge war, waren nur geringe Unterschiede im histo- werden üblicherweise primär nicht durch die retinale
logischen Ergebnis zu erwarten, wenn Pulsdauern von Koagulation geschädigt, da die Leistung zu niedrig und
100 ms oder länger verwendet wurden. Durch längere die Spotgröße im Vergleich zum Gefäßkaliber von einigen
Wellenlängen kann zwar das relative Absorptionsmaxi- Mikrometern zu groß ist. Die Temperaturerhöhungen im
mum des Hämoglobins vermieden werden, allerdings RPE unter gebräuchlichen Koagulationsparametern füh-
nimmt gleichzeitig die Absorption im RPE ab. Dadurch ren auch nicht zu Koagulationseffekten in den retinalen
kommt es bei längeren Wellenlängen zu einer zunehmen- Kapillaren. Aufgrund der unterschiedlichen Absorptions-
den Schädigung von tiefer liegenden Strukturen wie der charakteristika im RPE sind theoretisch für verschiedene
Aderhaut. Ein praktischer Vorteil längerer Wellenlängen Wellenlänge unterschiedliche Effekte auf das Gewebe zu
ist die bessere Transmission durch getrübte Linsen. Kei- erwarten. Allerdings lassen sich keine Unterschiede be-
ner der unterschiedlichen Lasertypen hatte einen we- züglich des Schadens am RPE und and den äußeren
sentlichen klinischen Vorteil bei der Koagulation von Netzhautschichten feststellen, wenn die unterschiedlichen
36 Kapitel 3 · Grundkonzepte zur Therapie retinaler Gefäßerkrankungen

⊡ Abb. 3.3 Milde Läsion nach Laserkoagulation mit einem grünen ⊡ Abb. 3.5 Laserläsion, die durch Narbengewebe ersetzt wurde. (Aus
Laser (514 nm), Expositionszeit 100 ms – Die Läsion war klinisch nicht Rüfer F u. Roider J 2007)
sichtbar. (Aus Rüfer F u. Roider J 2007)

Auch der Reparaturprozess eines Laserherdes ist un-


spezifisch für die Art des verwendeten Lasers und ist dem
einer Netzhautablösung ähnlich. Darüber hinaus scheint
es auch zwischen verschiedenen Tierarten nur kleine Un-
terschiede zu geben.
Nach einer Laserkoagulation regeneriert sich das be-
troffene Areal allmählich durch proliferierende Gliazellen
aus der intakten Retina und der benachbarten Choroidea.
Dabei trägt das RPE in vielerlei Hinsicht zum Vernarbungs-
prozess bei: Die Blut-Retina-Schranke beginnt sich nach
7 Tagen neu zu formieren. Die Barriere durch das RPE
regeneriert sich anatomisch und funktionell. Nach 3 Mo-
naten können im koagulierten Areal Mikroglia nachgewie-
⊡ Abb. 3.4 Histologie einer Laserläsion (514 nm), die klinisch sichtbar sen werden. Defekte in der äußeren Körnerschicht werden
war (Expositionszeit 100 ms). (Aus Rüfer F u. Roider J 2007) durch Müllerzellen ersetzt. Moderate Läsionen führen zu
einer differenzierten Regeneration ohne Adhäsionen zwi-
schen Gliagewebe und dem RPE. Ausgeprägtere Läsionen
Wellenlängen von Kryptonlaser, Nd:YAG-Laser und Di- führen zu retinalen Defekten mit einer Adhäsion der Netz-
odenlaser zum Einsatz kommen. Die inneren Netzhaut- hautschichten an das RPE, oder, falls nicht vorhanden, zu
schichten können durch die Verwendung von längeren Adhäsionen mit der Bruch’schen Membran. Die Befunde
Wellenlängen (z.B. mit dem Kryptonlaser) geschont wer- bei den Reparaturvorgängen in der Choriokapillaris wei-
den, wie tierexperimentell gezeigt werden konnte. Wegen chen davon ab. Während bei Katzen 30 Tage nach der Ko-
der geringeren Absorption durch Xanthophyll hat hat agulation eine Rekapillarisierung gefunden wurde, wurden
der frequenzverdoppelte ND:YAG-Laser (532 nm) einen in Affen persistierende Defekte nachgewiesen. Die medika-
leichten Vorteil gegenüber dem Argonlaser für die An- mentöse Behandlung von Netzhautschäden zum Beispiel
wendung in der Makula. Andrerseits penetrieren längere bei Laserunfällen zeigt einen statistisch signifikanten Effekt
Wellenlängen vermehrt in die Aderhaut, was zu choroida- auf der Größe der zerstörten Fläche, kann aber nicht die
len Blutungen führen kann. Nach Koagulation mit einem irreversible Zerstörung der Photorezeptoren verhindern.
1064-nm-Nd:YAG-Laser wurden schwerwiegende Ver- Zusammenfassend betrachtet handelt es sich bei der
änderungen in der Aderhaut mit Verschlüssen größerer Koagulation mit Licht um eine unspezifische Methode.
choroidaler Gefäße gefunden, was mit der verminderten Mit gebräuchlichen Laserparametern werden das retinale
Absorption im RPE im Einklang steht. Pigmentepithel, die Choriokapillaris, die Photorezepto-
Die biologische Antwort auf Licht- oder Laserko- ren und bis zu einem gewissen Grad auch räumlich wei-
agulation ist ähnlich und zeigt sich unabhängig von der ter entfernte Strukturen geschädigt. Das koagulierte Areal
Lichtquelle. Unterschiede zeigen sich lediglich im Aus- wird durch unspezifisches Narbengewebe ersetzt, was zu
maß des zerstörten Areals. irreversiblen Gesichtsfeldausfällen führt.
3.3 · Standards und Indikationen für eine panretinale Laserkoagulation
37 3
3.2.2 Wirkungsweise der Behandlung nigt bFGF die Wundheilung. Somit wird vermutet, dass
bFGF zumindest in der Zellkultur die Proliferation von
Bei der proliferativen diabetischen Retinopathie war einer laserbehandelten RPE-Zellen fördert. Neben angiogenen
der ersten Erklärungsansätze für den Effekt der Laser- Faktoren fanden Ogata et al. 6 Stunden nach Koagulation
koagulation die Zerstörung der sauerstoffverbrauchenden auch eine erhöhte Expression von »kinase insert domain-
Photorezeptoren. Es wurde angenommen, dass dadurch containing receptor-1« (KDR/flk-1) und Ets-1, das ein
die Relation zwischen Sauerstoffbedarf und zur Verfügung Transkriptionsfaktor ist, der in Endothelzellen bei der
stehendem Sauerstoff optimiert werden kann. Andere tier- Angiogenese exprimiert wird. Ogata et al. fanden darü-
experimentelle Befunde zeigten frühe Veränderungen im ber hinaus vermehrt »nuclear factor kappa B »(NF-κB),
RPE und führten so zu der Annahme, dass der therapeu- was die Initiation der Angiogenese und VEGF reguliert.
tische Effekt eine Folge der Zerstörung und Ersetzung der Interessanterweise zeigte sich nach 72 Stunden auch für
spezifisch geschädigten RPE-Zellen ist. Ein weiteres Erklä- KDR/flk-1, Ets-1, NF-κB und VEGF erniedrigte Level
rungsmodell stammt von Marshall et al., die nach Koagu- unterhalb des Ausgangsniveaus vor Laserkoagulation.
lation von Schweineaugen proliferierende Zellen fanden, Diese experimentellen Befunde in kultivierten RPE-
die von venösen Kapillaren ausgingen. Solche aktivierten Zellen zeigen, dass es nicht nur auf das Vorhandensein
Zellen wurden bis in die inneren Netzhautschichten hinein verschiedener Wachstumsfaktoren, sondern auch auf ihr
nachgewiesen und lassen den Effekt einer biologischen Auftreten im zeitlichen Verlauf ankommt, um die kom-
Substanz über eine größere Distanz vermuten. Wahrschein- plexen Vorgänge nach retinaler Laserkoagulation zu ver-
lich handelt es sich bei dieser vermuteten Substanz um den stehen. Nach wie vor ist die Wirkungsweise nicht kom-
»vascular endothelial growth factor« (VEGF), der sauer- plett verstanden.
stoffabhängig ausgeschüttet wird und sowohl bei retinalen
Ischämien als auch bei bei okulären Neovaskularisationen
vermehrt auftritt. VEGF ist ein starker angiogener Faktor. 3.3 Standards und Indikationen für
Um die positiven Effekte der retinalen Laserkoagula- eine panretinale Laserkoagulation
tion zu erklären, untersuchten Wilson et al. die Genex-
pression von Retina, RPE und Choroidea in Mäuseaugen 3.3.1 Panretinale Full-scatter-
drei Tage nach retinaler Laserkoagulation. Unter 265 Laserkoagulation
verschiedenen Genen wurde eine erhöhte Expression des
Angiotensin-II-Typ-2-Rezeptors festgestellt, der in der Diabetes
Inhibition der VEGF-Expression und in der VEGF-indu- Die derzeitigen Empfehlungen für die panretinale Laser-
zierten Angiogenese eine Rolle spielt. In derselben Studie koagulation basieren im Wesentlichen auf den Erfahrun-
wurden auch verminderte Expressionen der Vorstufen gen mit der diabetischen Retinopathie. Die Laserbehand-
▬ des »calcitonin receptor like receptor« (CRLR), lung der proliferativen diabetischen Retinopathie geht auf
▬ von Interleukin 1 (IL-1βm), die Diabetic Retinopathy Study (DRS) zurück. Die DRS
▬ der »fibroblast growth factor« FGF 14 und FGF 16 war eine prospektive, randomisierte und multizentrische
und Studie. Dafür wurden 1.700 Patienten mit proliferativer
▬ des »plasminogen activator inhibitors II« (PAI-2) und nicht-proliferativer diabetischer Retinopathie zwi-
gefunden, die ebenfalls zu den antiangiogenen Effekten schen 1972 und 1975 darauf hin untersucht, ob eine reti-
der Lasertherapie beitragen können. nale Koagulation mittels Xenon- oder Argonlasers zu ei-
Ogata et al. fanden eine Hochregulation des »pigment nem günstigeren Ergebnis als dem Spontanverlauf führt.
epithelium derived factor« (PEDF) in kultivierten RPE- Die Behandlungsparameter waren Expositionszeiten von
Zellen nach Photokoagulation. Es wurde nachgewiesen, 100 ms und Herdgrößen zwischen 500 und 1.000 μm. Pro
dass PEDF ein potenter Inhibitor der okulären Angioge- Sitzung wurden 500 bis 1000 Laserherde appliziert.
nese ist. Ogata et al. fanden in kultivierten RPE-Zellen, Bei derart intensiver Zerstörung von retinalen Ge-
dass nach Laserkoagulation nicht nur anti-angiogene weben konnte das Risiko für einen schwerwiegenden
Faktoren hochreguliert waren, sondern dass vorüberge- Visusverlust über einen Zeitraum von 2 Jahren um 50%
hend auch angiogene Faktoren in erhöhter Konzentration vermindert werden. Als Konsequenz wurde die Studie
nachweisbar waren. Mittels PCR wurde ein signifikan- zugunsten der Laserbehandlung für alle Patienten abge-
ter Anstieg des Expressionslevels des »basic fibroblast brochen. Die systematische Analyse der retinalen Verän-
growth factor« (bFGF) mit einem Maximum 6 Stun- derungen erbrachte 4 Faktoren für ein hohes Risiko, einen
den nach Photokoagulation und einem Abfall unter das akuten Visusverlust zu erleiden. Das Vorhandensein die-
Ausgangsniveau nach 72 Stunden gefunden. Auch bFGF ser Faktoren wird weiterhin als Indikation für eine dichte
ist ein starker angiogener Faktor. Zusätzlich beschleu- (»full scatter«) panretinale Laserkoagulation anerkannt.
38 Kapitel 3 · Grundkonzepte zur Therapie retinaler Gefäßerkrankungen

Während Augen mit nur einem Risikofaktor ein relati- Koagulation erforderlich. Eine Regression der Neovaskulari-
ves Risiko für einen schwerwiegenden Visusverlust von sationen ist frühestens nach 4-6 Wochen zu erwarten.
4,2-6,8% haben, steigt das Risiko beim Vorhandensein
von 4 Faktoren auf 37%. Risikofaktoren, die gleichzeitig z Pattern-scanning-Laser
auch die Indikationen für eine panretinale Full-scatter- Mit einem Pattern-scanning-Laser ist es möglich, in-
Laserkoagulation darstellen, sind im Einzelnen: nerhalb eines Augenblicks unterschiedliche Pattern mit
3 1. Vorhandensein einer Glaskörper- oder präretinalen bis zu 56 Einzelherden zu applizieren. Die verwendeten
Blutung Pattern bestehen aus Einzelherden, die in kurzer Ab-
2. Neovaskularisationen auf oder neben der Papille folge mit einem Scanner appliziert werden. Damit dies
(NVD) möglich ist, werden für die Einzelherde sehr viel kürzere
3. Neovaskularisationen andernorts am Fundus (NVE) Expositionszeiten (10-30 ms) gebraucht. Bei derart ver-
4. Größe der Neovaskularisationen (größer als ¼ der kürzten Expositionszeiten ist es gleichzeitig notwendig,
Papillenfläche) die erforderliche Leistung der Einzelherde zu erhöhen,
um vergleichbare weißliche Herde zu erzielen. Auf diese
Zentralvenenverschluss Weise werden für die Einzelherde Leistungen von etwa
Eine weitere Indikation für eine panretinale Full-scatter- 500-2.000 mW benötigt. So wird die erforderliche Laser-
Laserkoagulation besteht bei retinalem Zentralvenenver- energie schlagartig auf ein kleineres Volumen deponiert.
schluss (ZVV). Eine wesentliche Komplikation bei ZVV – Hierdurch wird der therapeutische Bereich zwischen ge-
abgesehen von einem Makulaödem – besteht in Neovasku- rade eben sichtbaren Herden und einer Überkoagulation
larisationen der Retina und der Iris. Die Inzidenz retinaler mit Blutungen kleiner. Es ist deshalb ratsam, für Areale
Neovaskularisationen ist stark mit dem Ausmaß der Ischä- mit unterschiedlicher Pigmentierung oder unterschied-
mie korreliert. Die Empfehlungen für die Laserbehandlung licher Netzhautdicke die erforderliche Leistung mit Ein-
eines ZVV basieren auf der Central Retinal Vein Occlusion zelherden häufig neu zu titrieren und ggf. anzupassen. Da
Study, die von 1988 bis 1992 durchgeführt wurde. Durch die die Herde mit dem Pattern-scanning-Laser maximal ei-
Studie konnte gezeigt werden, dass ein Makulaödem durch nen Durchmesser von 400 μm haben, ist es ggf. erforder-
eine Gridlaserkoagulation zwar reduziert werden kann, dass lich, mehr als 2.000 Herde zu applizieren. Es ist in vielen
es dadurch aber nicht zu einer signifikanten Visusverbesse- Fällen sinnvoll, kleinere Pattern (2×2 Herde, 3×3 Herde
rung kommt. Es konnte kein Effekt einer prophylaktischen oder 4×4 Herde) zu verwenden, da bei größeren Pattern
panretinalen Laserkoagulation zur Verhinderung von Iris- häufig die Intensität der Einzelherde als Folge der in der
neovaskularisationen nachgewiesen werden. Allerdings pro- Peripherie dünneren Netzhaut sehr unterschiedlich gerät.
fitieren eindeutig Augen von einer panretinalen Full-scatter-
Laserkoagulation, bei denen bereits Neovaskularisationen Venenastverschluss
der Retina oder der Iris vorhanden sind. Der Spontanverlauf bei Venenastverschlüssen ist vielfach
durch ein Makulaödem und Glaskörperblutungen aus re-
Anleitung für die Klinik tinalen Neovaskularisationen charakterisiert. Ohne The-
z Einzelherdtechnik rapie erholt sich der Visus bei 30 bis 50% der Patienten
Geeignete Expositionszeiten sind 100-200 ms und eine auf 0,5 oder besser. Fälle mit einem schlechteren Visus
Herdgröße von 500 μm. Die Leistung muss individuell so werden durch eine Ischämie bedingt. Bei 2/3 der Patien-
titriert werden, dass durch das Lasern zart weißliche retinale ten führt ein Makulaödem zu einem Visusverlust. Neo-
Läsionen entstehen. Der Abstand zwischen den Laserherden vaskularisationen können sich entwickeln, wenn große
sollte 0,5 bis 1 Herddurchmesser betragen. Bei »Hochrisiko- ischämische Bereiche vorhanden sind.
augen« mit proliferativer diabetischer Retinopathie sollten Die Empfehlungen zur Lasertherapie beruhen nach
1.000 bis 2.000 Herde (abhängig von der Herdgröße) plat- wie vor auf der Branch Vein Occlusion Study. In der Be-
ziert werden. Es ist empfehlenswert, die Herde aufgeteilt in 2 handlungsgruppe zeigte sich nach 3 Jahren ein besserer Vi-
bis 4 Sitzungen zu applizieren, mit einem Sicherheitsabstand sus. Es konnte auch bewiesen werden, dass das Risiko, eine
von etwa 2 Wochen, um eine Aderhautamotio zu vermeiden Neovaskularisation zu entwickeln, durch eine modifizierte
und die Behandlung für die Patienten besser erträglich zu sektorielle Laserkoagulation gesenkt werden konnte.
gestalten. Im Bereich von intraretinalen Blutungen sollte
eine Laserung vermieden werden, da eine Absorption des z Anleitung für die Klinik
Laserlichts in den inneren Netzhautschichten sonst zu einer Die retinale Laserkoagulation sollte nicht früher als 3-6 Mo-
Überkoagulation und Schädigung der inneren Netzhaut- nate nach dem Auftreten eines Venenastverschlusses durch-
schichten führen kann. Bei Zentralvenenverschluss mit ma- geführt werden. Sie sollte erst dann erfolgen, wenn sich
nifesten Neovaskularisationen ist häufig eine noch dichtere etwaige streifige intraretinale Blutungen zurückgebildet ha-
3.3 · Standards und Indikationen für eine panretinale Laserkoagulation
39 3

⊡ Abb. 3.7 Fundusbild eine Stunde nach panretinaler Mild-scatter-


Laserkoagulation mit einem Pattern-scanning-Laser mit einem 2×2
a
Pattern bei schwerer nichtproliferativer diabetischer Retinopathie

3.3.2 Panretinale Mild-scatter-


Laserkoagulation

Die Behandlungsempfehlungen der nichtproliferativen


diabetischen Retinopathie basieren auf den Ergebnissen
der Early Treatment Diabetic Retinopathy Study (ET-
DRS). Vergleichbar mit der DRS handelte es sich um eine
multizentrische, prospektive und randomisierte Studie,
an der 3.711 Patienten mit nichtproliferativer oder begin-
nender proliferativer diabetischer Retinopathie teilnah-
men. Zur Klassifikation wurden im Wesentlichen fun-
duskopisch sichtbare Netzhautveränderungen verwendet.
Die Analyse der gefundenen Risikofaktoren führte zur
noch immer gültigen Empfehlung, auch bei schwerer
nichtproliferativer diabetischer Retinopathie eine retinale
Laserkoagulation durchzuführen.
b

⊡ Abb. 3.6 a Fluoreszenzangiographie eines Patienten mit ausge-


Praxistipp I I
prägter Neovaskularisation der Papille (NVD). b Fluoreszenzangiogra- Zur Diagnose einer schweren nichtproliferativen diabe-
phie nach panretinaler Laserkoagulation. Die NVD hat sich signifikant tischen Retinopathie kann die sogenannte 4:2:1-Regel
zurückgebildet. (Aus Rüfer F u. Roider J 2007)
herangezogen werden.

ben. Andernfalls kommt es zu einer unerwünschten Schä- Eine schwere nichtproliferative diabetische Retinopathie
digung der inneren Netzhautschichten. Von den übrigen liegt vor, wenn entweder
Parametern entspricht die Behandlung dem o.g. Schema bei ▬ intraretinale Blutungen in 4 Quadranten vorliegen
der diabetischen Retinopathie, mit dem Unterschied, dass oder
nur die vom Verschluss betroffenen ischämischen Areale ▬ wenn perlschnurartige Venen in mindestens 2 Quad-
koaguliert werden und die unbetroffene gesunde Netzhaut ranten vorliegen oder
nicht behandelt wird. Beim Auftreten von Neovaskularisa- ▬ wenn eine intraretinale mikrovaskuläre Anomalie
tionen ist eine modifizierte sektorielle Koagulation mit den (IRMA) in mindestens einem Quadranten vorhan-
Parametern einer Full-scatter-Laserkoagulation indiziert. den ist
40 Kapitel 3 · Grundkonzepte zur Therapie retinaler Gefäßerkrankungen

z Komplikationen der panretinalen Laserkoagulation


Abhängig vom zerstörten Netzhautareal, sind Gesichts-
feldverschlechterungen und Störungen des Dämmerungs-
sehens die häufigsten Komplikationen. Wenn der Bereich
außerhalb der Gefäßbögen vollständig koaguliert wird,
wird das Gesichtsfeld auf etwa 20 Grad reduziert. In sel-
3 tenen Fällen kann ein Makulaödem nach retinaler Laser-
koagulation zu einer Visusminderung führen. Aufgrund
dieser Komplikationen sollte eine Überkoagulation ver-
mieden werden. Andererseits ist ein häufiger Grund für
das Versagen einer Lasertherapie eine insuffiziente Ko-
agulation mit zu kleinen und zu wenigen Laserherden.
Ein therapeutischer Effekt nach panretinaler Laser-
koagulation ist üblicherweise nicht vor Ablauf von 6 Wo-
chen zu erwarten. Wenn kein Rückgang der Risikofak-
toren festzustellen ist, ist eine erneute Laserkoagulation
sinnvoll.

⊡ Abb. 3.8 Fundusbild eines Patienten mit schwerer nichtproliferati-


ver diabetischer Retinopathie: Ausgeprägte perlschnurartige Venen 3.4 Fokale Laserkoagulation
(*).(Aus Rüfer F u. Roider J 2007)

Die ETDRS-Studie konnte nachweisen, dass eine fokale


Laserkoagulation bei diabetischem Makulaödem das
Risiko für einen moderaten Visusverlust senken kann.
Innerhalb eines Jahres war eine signifikante Visusminde-
rung bei 5% der behandelten Augen feststellbar, wohin-
gegen der Anteil bei nicht behandelten Augen 8% betrug.
Nach 2 Jahren bestand in der behandelten Gruppe bei 7%
ein Visusverlust, in der unbehandelten Gruppe bei 16%.
Im dritten Jahr betrug das Verhältnis 12% zu 24%. Auch
die Diagnose eines klinisch signifikanten Makulaödems
kann funduskopisch gestellt werden, wenn
▬ eine Netzhautverdickung innerhalb von 500 μm vom
Zentrum der Makula vorliegt.
▬ harte Exsudate innerhalb von 500 μm vom Zentrum
der Makula vorhanden sind.
▬ eine Netzhautverdickung von der Größe mindestens
eines Papillendurchmessers innerhalb eines Abstan-
des von einem Papillendurchmesser vom Zentrum
der Makula auftritt.

z Anleitung für die Klinik und Komplikationen


⊡ Abb. 3.9 Frische Laserläsionen eine Stunde nach panretinaler Mild- der fokalen Laserkoagulation
scatter-Laserkoagulation in Einzelherdtechnik. (Aus Rüfer F u Roider
Bei der fokalen Laserkoagulation muss die Platzierung
J 2007)
der Laserherde auf Basis der Fluoreszenzangiographie
geplant werden. Ödematöse Bereiche sollten nah der
Leckage behandelt werden. Geeignete Expositionszeiten
z Anleitung für die Klinik sind 100 ms bei einer Herdgröße von 100 μm. Die initi-
Eine panretinale Mild-scatter-Laserkoagulation wird ale Leistung sollte nicht höher als 70-80 mW liegen. Die
ähnlich einer Full-scatter-Laserkoagulation durchgeführt, Laserapplikation sollte zu einer milden gräulich schim-
mit dem Unterschied, dass insgesamt nur etwa 600 Herde mernden Läsion führen, ggf. muss die Leistung dafür
mit einem Herddurchmesser von 500 μm in entsprechend sukzessive gesteigert werden. Die ersten Laserherde zur
größeren Abständen zueinander appliziert werden. Titrierung der geeigneten Leistung sollten mit ausrei-
3.5 · Subthreshold-Laserkoagulation
41 3
3.5 Subthreshold-Laserkoagulation

Der therapeutische Effekt einer retinalen Laserbehand-


lung wurde traditionell der oben beschriebenen Zer-
störung der retinalen Gewebe zugeschrieben. Die Wär-
meausbreitung ausgehend vom bestrahlten RPE führt bei
solchen konventionellen Laserherden zu einer irreversib-
len thermischen Denaturierung der Photorezeptoren.
Für einige retinale Erkrankungen, die mit Pathologien
des RPE assoziiert sind, kann möglicherweise auch eine
selektive Behandlung des RPE ausreichend sein. Auf diese
Weise können die darüber liegenden Photorezeptoren ge-
schont werden und so ein Verlust des Gesichtsfeldes ver-
hindert werden, was insbesondere im Bereich der Makula
hilfreich ist. Idealerweise kann sich das geschädigte RPE
während des Heilungsprozesses durch Migration und
Proliferation des benachbarten RPEs regenerieren. Auf
⊡ Abb. 3.10 Fundus mit klinisch signifikantem diabetischem Makula- diese Weise könnte eine minimal destruktive, selektive
ödem. (Aus Rüfer F u Roider J 2007) RPE-Behandlung für einige Indikationen optimal sein.
Konventionelle Laserexpositionszeiten von 100 ms
und mehr führen zu einer ausgeprägten Wärmeausbrei-
chendem Sicherheitsabstand zur Fovea gesetzt werden. tung, da sich Wärme aus dem absorbierenden RPE mit
Der Abstand zwischen den Laserherden sollte etwa einen einer Geschwindigkeit von etwa 1 μm pro Mikrosekunde
Herddurchmesser betragen. Ein therapeutischer Effekt ist ausbreitet. Die zeitliche und räumliche Temperaturaus-
nicht vor Ablauf von 3 Monaten zu erwarten. breitung wurde durch mathematische Modelle berechnet
Die häufigste mögliche Komplikation ist eine Störung und experimentell verifiziert. Nach einer 100-ms-Expo-
der Lesefähigkeit, die durch eine irreversible Schädigung sition besteht zwischen dem RPE und der Neuroretina
der Photorezeptoren ausgelöst werden kann. nur eine geringe Temperaturdifferenz. Die Differenz vom
RPE bis 5 μm in die Retina beträgt nur etwa 18%. Die
Praxistipp I I notwendige verkürzte Pulsdauer, die erforderlich ist, um
Um das Risiko von Komplikationen zu senken, kann die Neuroretina zu schonen, kann durch die thermale Re-
alternativ auch eine modifizierte Gridlaserkoagulation laxationszeit oder als das Zeitintervall berechnet werden,
durchgeführt werden, die dann sinnvoll ist, wenn ein das erforderlich ist, damit Wärme aus einem absorbie-
flächiges diffuses Makulaödem vorliegt. renden Gewebe geleitet wird. Bei einer RPE-Zellgröße
von etwa 10 μm können hohe Temperaturen auf die
RPE-Zelle selbst beschränkt bleiben, wenn die Expositi-
Eine modifizierte Gridlaserkoagulation wird ähnlich wie onszeiten sich im Bereich von Mikrosekunden, nicht im
eine fokale Laserkoagulation durchgeführt, mit dem Un- konventionellen Bereich von Millisekunden bewegen. Da
terschied, dass der Abstand zwischen den Laserherden am Ende eines Laserpulses keine weitere Energie mehr
2-3 Herddurchmesser betragen sollte. Mit dieser Methode abgegeben wird, fällt die Temperatur danach schnell ab.
sollte der dann der gesamte ödematöse Bereich behandelt Wenn das Gewebe zwischen repetitiven Laserpulsen aus-
werden. Als seltene Komplikation kann eine sekundäre reichend Zeit hat, um sich komplett auf die Ausgangstem-
choroidale Neovaskularisation auftreten. Die Autoren peratur abzukühlen, dann können innerhalb des RPEs
empfehlen für eine fokale oder für eine modifizierte hohe Temperaturen erreicht werden, während gleichzei-
Gridlaserkoagulation ausdrücklich nicht die Pattern eines tig die Temperaturen in den benachbarten Photorezepto-
Pattern-scanning-Lasers, da aufgrund der unterschiedlich ren niedrig bleiben. ⊡ Abb. 3.11 zeigt den histologischen
ausgeprägten Netzhautdicke in ödematösen und nicht Effekt nach Exposition einer Kette von 500 repetitiven
ödematösen Bereichen die Gefahr einer lokalen Überko- 5-μs-Laserpulsen.
agulation besteht. Zusätzlich besteht aufgrund der Nähe Tierexperimentell konnte gezeigt werden, dass das
zur Fovea ein Risiko, dass aus Versehen während eines RPE in der Lage ist, auf mehrere Arten auf traumatische
ca. 1 s dauernden Scanvorgangs auf das Laserlicht fixiert Veränderungen zu reagieren. Benachbarte RPE-Zellen
wird, was zu einer Koagulation der Fovea mit irreversib- können sich durch Hypertrophie über Defekte ausbrei-
lem Visusverlust führen könnte. ten. Dies konnte nach Photokoagulation und nach chi-
42 Kapitel 3 · Grundkonzepte zur Therapie retinaler Gefäßerkrankungen

sen bei AMD. Die Behandlung wurde mit Ketten von


repetitiven Laserpulsen mit einem frequenzverdoppelten
Nd: YLF-Laser durchgeführt. In einer Pilotstudie wurde
die Selektivität der Behandlung des RPE untersucht. Bis
zu einem Jahr nach Lasertherapie wurden dafür mikrope-
rimetrische Untersuchungen direkt im Bereich der Laser-
3 herde durchgeführt. Verwendet wurden Pulsenergien von
20-130 μJ. Um die erforderliche Energie zu bestimmen,
wurden Testexpositionen in der inferioren Makularegion
appliziert. Alle Testläsionen wurden an der Schwelle zu
einer RPE-Zerstörung angebracht, mittels Funduskopie
waren jedoch keine Laserherde während der Laserkoagu-
lation sichtbar. Nach Exposition mit 500 Pulsen (100 μJ)
⊡ Abb. 3.11 Histologie der Retina 2 Stunden nach selektiver Reti- konnten bei bis zu 73% der Patienten retinale Defekte
natherapie (»selective RPE treatment«). Das RPE weist eine deutliche
am ersten Tag nach der Behandlung festgestellt wer-
Schädigung auf. (Aus Rüfer F u Roider J 2007)
den. Die meisten Defekte waren jedoch nach 3 Monaten
nicht mehr nachweisbar. Nach Exposition mit 100 Pulsen
(70 und 100 μJ) konnten am ersten Tag der Behandlung
keine retinalen Defekte mehr festgestellt werden. Auch
während des Follow-up zeigte sich die Neuroretina un-
geschädigt. Auf diese Weise konnte eine selektive Schädi-
gung des RPEs erreicht werden.
In einer multizentrischen klinischen Studie wur-
den der Visus und die morphologischen Ergebnisse bei
Patienten mit fokaler diabetischer Makulopathie un-
tersucht, die mittels der beschriebenen selektiven Reti-
natherapie (SRT) behandelt wurden (⊡ Abb. 3.13). Dafür
wurden 60 Augen von insgesamt 60 Patienten mittels
SRT unter Verwendung eines frequenzverdoppelten Q-
switched-Nd:YLF-Lasers (527 nm) behandelt. Jede La-
serexposition bestand aus einer Kette von 30 Pulsen
⊡ Abb. 3.12 Temperaturen in RPE und Retina im zeitlichen Verlauf
während der Applikation von repetitiven Laserpulsen. Trotz der sig- jeweils mit einer Dauer von 1,7 μs bei einer Repetitions-
nifikanten Temperaturanstiege innerhalb des RPEs bleibt die mittlere rate von 100 Hz. Die SRT-Läsionen waren während der
Temperatur in der Retina niedrig, wodurch die Photorezeptoren ge- Behandlung funduskopisch nicht sichtbar, konnten aber
schont werden. (Aus Rüfer F u Roider J 2007) mittels Fluoreszenzangiographie nachgewiesen werden.
Die mediane foveale Netzhautdicke, bestimmt mittels
OCT, betrug vor Therapie 244 μm und nach 6 Mona-
rurgisch induzierten RPE-Defekten an Kaninchen und ten 230 μm. Die maximale Netzhautdicke wurde durch
nach Amotio retinae an Affen gezeigt werden. Eine neue radiäre OCT-Scans bestimmt und verminderte sich
RPE-Barriere etabliert sich schnell. im Bereich der behandelten ödematösen Makula von
Bei der Behandlung des diabetischen Makulaödems 351 μm auf 330 μm nach 6 Monaten. Die Leckage im
wird der positive therapeutische Effekt einer Laserko- Fluoreszenzangiogramm verminderte sich bei 31,1% der
agulation durch die Wiederherstellung einer neuen RPE- Patienten, blieb bei 52,1% stabil und nahm bei 15,8%
Barriere vermittelt. Derselbe Mechanismus ist auch die der Patienten nach 6 Monaten zu. Die Visusergebnisse
Rationale bei der Lasertherapie der Retinopathia centralis nach 6 Monaten zeigten bei 39,6% der Patienten eine
serosa (RCS). Besserung von mehr als einer Zeile, bei 49,1% einen
Ein weiteres mögliches Ziel ist die Therapie von Dru- stabilen Befund und 11,3% eine Verschlechterung von
sen. Drusen verschwinden nach Photokoagulation des einer oder mehr Zeilen. Gemäß dieser ersten klinischen
umliegenden Gewebes. Der Nutzen einer prophylakti- Resultate scheint eine SRT das Potenzial für eine frühe
schen Behandlung von Drusen wird durch mehrere Ar- und foveanahe Behandlung ohne die mit der konventi-
beitsgruppen untersucht. In ersten klinischen Versuchen onellen Laserkoagulation assoziierten Nebenwirkungen
lag der Fokus der Therapie auf drei unterschiedlichen zu haben. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse konnte
Pathologien: Diabetisches Makulaödem, RCS und Dru- durch die SRT gezeigt werden, dass eine Zerstörung der
3.5 · Subthreshold-Laserkoagulation
43 3
Photorezeptoren nicht in jedem Fall erforderlich ist und
dass Laserbehandlungen zukünftig genau auf die zu-
grunde liegenden Krankheitsbilder abgestimmt werden
müssen.

Fazit für die Praxis


▬ Die ersten retinalen Koagulationen wurden 1949 mit
Sonnenlicht von Meyer-Schwickerath durchgeführt.
Dieses Verfahren wurde in den fünfziger Jahren durch
Xenon-Hochdrucklampen ersetzt.
▬ Die Entwicklung der Lasertechnologie begann um 1960.
▬ Die wesentliche absorbierende Struktur in der Retina
ist das Melanin in den Pigmentgranula des retinalen
Pigmentepithels (RPE). Die ersten Rubinlaser führten zu
unerwünschten Nebenwirkungen wie Netzhautlöchern
a
und retinalen Blutungen.
▬ Die ersten kommerziellen Argonlasersysteme ermöglich-
ten die Diabetic Retinopathy Study zwischen 1972 und
1975.
▬ Verschiedene Lasertypen wie Kryptonlaser (647 nm oder
530 nm), Farbstofflaser (560 nm bis 680 nm), Nd:YAG-
Laser (1064 nm oder 532 nm) oder Diodenlaser (810 nm)
wiesen in ihrer Wirkung nur geringe histologische Unter-
schiede auf. Durch längere Wellenlängen kann das rela-
tive Absorbtionsmaximum von Hämoglobin vermieden
werden. Die koagulierten Bereiche werden durch unspe-
zifisches Narbengewebe ersetzt.
▬ Die Wirkungsweise der retinalen Laserkoagulation ist
bisher nicht vollständig geklärt. Durch die retinale Laser-
koagulation wird das Verhältnis zwischen Sauerstoffbe-
darf und Sauerstoffangebot optimiert. Für komplexere
b
Erklärungsmodelle spielen Wachstumsfaktoren in ihrem
zeitlichen Verlauf eine Rolle.
▬ Bei der diabetischen Retinopathie kann durch eine La-
serkoagulation das Risiko, innerhalb von 2 Jahren einen
schwerwiegenden Visusverlust zu erleiden, um 50% ge-
senkt werden.
▬ Beim Neovaskularisationen der Iris oder der Netzhaut
profitieren Augen von einer panretinalen Full-scatter-
Laserkoagulation, allerdings führt die Behandlung in der
Regel nicht zu einer Visusverbesserung.
▬ Bei retinalen Venenastverschlüssen kann das Risiko,
eine Neovaskularisation zu entwickeln, durch eine mo-
difizierte sektorielle Laserkoagulation gesenkt werden.
▬ Das RPE kann durch kurze repetitive Laserpulse mit
minimaler Wärmeausbreitung in die benachbarten
Netzhautschichten selektiv behandelt werden. Damit
c ist eine Behandlung der Makula ohne Schädigung der
darüber liegenden Photorezeptoren möglich. Derzeit
⊡ Abb. 3.13 a Fokales diabetisches Makulaödem vor Behandlung mit
wird der therapeutische Nutzen dieses Verfahrens
SRT. b Derselbe Fundus zwei Stunden nach SRT – Die Läsionen sind
nur in der Fluoreszenzangiographie sichtbar und entsprechen dem beim diabetischen Makulaödem, bei Retinopathia
Behandlungsmuster. c Fundusbild 6 Monate nach SRT. Die harten Ex- centralis serosa und bei Drusen im Rahmen der AMD
sudate sind verschwunden. (Aus Rüfer F u Roider J 2007) untersucht.
44 Kapitel 3 · Grundkonzepte zur Therapie retinaler Gefäßerkrankungen

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report on effects of photocoagulation therapy. Am.J.Ophthalmol.
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4

Die Bedeutung der PDT für vaskuläre


Erkrankungen der Netzhaut
B. Jurklies, C. Jurklies

4.1 Photodynamische Therapie – 48


4.1.1 Wirkung von Licht auf biologisches Gewebe – 48
4.1.2 Unterschiede der PDT zur Laserkoagulation – 48
4.1.3 Wirkmechanismen der PDT – 50

4.2 Verteporfin – 51
4.2.1 Charakteristische Merkmale – 52
4.2.2 Effekte der PDT in tierexperimentellen Untersuchungen – 52
4.2.3 Effekte der PDT auf gesundes (humanes) Gewebe – 53
4.2.4 Toxische Effekte und Nebenwirkungen der PDT mit Verteporfin – 55

4.3 Behandlungsparameter – 56

4.4 Verteprofin bei retinalen Erkrankungen – 57


4.4.1 Retinales kapilläres Hämangiom – 57
4.4.2 Vasoproliferative Tumore – 58
4.4.3 Parafoveale Teleangiektasien – 60

Literatur – 62

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_4,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
48 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

Die photodynamische Therapie (PDT) mit Verteporfin hat Zielgewebes sowie der Beleuchtung des zu behandelnden
aufgrund der deutlich besseren Ergebnisse und Wirksamkeit Areals mit einer dem Absorptionsmaximum des Photo-
von VEGF-Inhibitoren ihren Stellenwert in der Behandlung sensibilisators entsprechenden Wellenlänge.
subfovealer choroidaler Neovaskularisationen (CNV) infolge
einer altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) verloren.
Dennoch verbesserte die PDT zum Zeitpunkt ihrer Einfüh- 4.1.1 Wirkung von Licht auf biologisches
rung als erstes Therapiekonzept die funktionellen Ergebnisse Gewebe
in der Behandlung der subfovealen CNV im Rahmen zahl-
4 reicher Grunderkrankungen. Hatte sie sich ursprünglich in Die therapeutische Wirkung von hochenergetischem
der Therapie der AMD und pathologischen Myopie bewährt, Licht auf Gewebe in der Ophthalmologie kann auf pho-
konnte in zahlreichen Fallserien und prospektiven Studien tomechanischem, photothermischem und photochemi-
eine zum Teil noch bessere Wirksamkeit auf CNV außerhalb schem Weg erfolgen. Die Photodisruption konzentriert
der AMD nachgewiesen werden, wie z. B. infolge eines oku- Licht sehr hoher Energie für extrem kurze Dauer auf
lären Histoplasmose-Syndroms, einer Choroiditis, »angioid eine sehr kleine Fläche. Dies erzeugt durch Ionisierung
streaks«, eines Morbus Stargardt, symptomatischen choroi- der Gewebemoleküle Schockwellen, die mechanisch zu
dalen Hämangioms und anderer Ursachen. Daher kann die Mikrorupturen führen. Durch Disruption können mit
PDT in speziellen Situationen noch bei CNV außerhalb der kurz gepulsten (Nanosekunden) Lasern (ND:YAG Laser)
AMD, z.B. bei sehr jungen Patienten, als sinnvolle Option intraokulare Gewebe durchtrennt werden.
erwogen werden. Hingegen gilt die PDT auch weiterhin als Typische Indikationen sind die Iridotomie und Kapsu-
Therapie der ersten Wahl in der Behandlung des choroidalen lotomie. Bei der Photokoagulation wird die eingestrahlte
Hämangioms. Sie wird auch bei anderen vaskulären Läsionen Lichtenergie in den Zielstrukturen (Melanin im retinalen
der Netzhaut wie vaskulären Tumoren angewandt. Die Wirk- Pigmentepithel und in der Aderhaut, das Hämoglobin)
samkeit der PDT auf retinale Läsionen sollte jedoch vor dem absorbiert und in Wärme umgewandelt. Bei ausreichen-
Hintergrund der niedrigen Inzidenz der zu behandelnden der Temperatur entsteht durch den thermischen Effekt
Erkrankungen sowie der geringen Fallzahl und begrenzten eine irreversible Eiweißdenaturierung mit Zellschäden
Fallserien beurteilt werden. in Form einer nicht selektiven Koagulationsnekrose, die
Dieses Kapitel fasst die Grundlagen und Mechanismen dem Temperaturfeld entsprechend umgebende Struktu-
der PDT sowie die Charakteristika des Photosensibilisators ren mit einbezieht. Thermische Effekte werden z. B. bei
Verteporfin zusammen und stellt Daten von verfügbaren der Photokoagulation extrafovealer CNV genutzt, um
Studien dar, insbesondere hinsichtlich der Durchführung und eine Obliteration der Neovaskularisationen zu erreichen.
Ergebnisse der Therapie bei retinalen Erkrankungen. Der restriktive Einsatz in der Behandlung subfovealer
Läsionen ist verständlich und erforderte die Suche nach
Verfahren, welche die zentralen retinalen Funktionen we-
4.1 Photodynamische Therapie niger beeinträchtigen (⊡ Abb. 4.1a). Im Gegensatz dazu
handelt es sich bei der PDT um ein photochemisches,
Die PDT ist ein nicht-thermisches, photochemisches, medikamentöses Verfahren, welches die Anwesenheit
zweistufiges Behandlungsverfahren mit einer relativ se- von Sauerstoff im Gewebe erfordert: Zunächst reichert
lektiven Wirksamkeit gegenüber vaskularisierten Ziel- sich die intravenös applizierte, lichtaktivierbare Substanz,
strukturen. Sie erfordert der Photosensibilisator, im Zielgewebe an. Anschließend
▬ die Gabe einer nicht toxischen, photoaktivierbaren erfolgt durch die nicht-thermische Beleuchtung mit einer
Substanz, Wellenlänge, die dem Absorptionsmaximum des Photo-
▬ den Photosensibilisator, sensibilisators entspricht, dessen Aktivierung. Dies sind
▬ die Akkumulation des Sensibilisators im Zielgewebe, die beiden Voraussetzungen für die umschriebenen, pho-
▬ Sauerstoff und toinduzierten oxidativen Reaktionen in dem bestrahlten
▬ die Aktivierung des Farbstoffs durch (nichtthermi- Areal, den Zielstrukturen. (⊡ Abb. 4.2).
sches) Licht spezifischer Wellenlänge, welches dem
Absorptionsmaximum des Photosensibilisators ent-
spricht. 4.1.2 Unterschiede der PDT
zur Laserkoagulation
In der Folge wird eine Sequenz photochemischer und
-biologischer Prozesse aktiviert. Die relative Selektivität Die Laserkoagulation erfordert als thermisches Verfahren
beruht auf der vorzugsweisen Anreicherung des Pho- eine relativ höhere Intensität (mW/cm2) bei einer kurzen
tosensibilisators in den (pathologischen) Gefäßen des Expositionszeit (ms) und relativ kleinen Spotgröße (μm)
4.1 · Photodynamische Therapie
49 4

⊡ Abb. 4.1 a Choroidale Narbe nach mehrfacher Laserphotokoagulation einer extrafovealen CNV und Rezidiven mit juxtafovealer Ausdehnung.
b Fundus nach erfolgter PDT ohne ophthalmoskopisch sichtbare Effekte. (Aus Jurklies B u. Bornfeld N 2007)

Ia. Intravenöse Gabe Photosensibilisator Administration

Ib. Systemische
Verteilung
Gefäße Herz, Haut Auge ⊡ Abb. 4.2 Die Photodynamische Therapie erfordert
andere Organe Zielgewebe als zweistufiges Verfahren sowohl die intravenöse
Verabreichung des Photosensibilisators (Ia), die Ver-
teilung und Akkumulation des Photosensibilisators
im zu behandelnden Gewebe (Ib) als auch als auch
II. Beleuchtung die Beleuchtung des Zielgewebes mittels Licht spe-
zifischer Wellenlänge (II) zur Aktivierung des Photo-
Wirkung nur im Zielgewebe sensibilisators

sowie eine größere Anzahl Expositionen, die sofort sicht-


⊡ Tab. 4.1 Unterschiede zwischen Laserkoagulation und PDT
bar werden, wenn sie überschwellig appliziert werden. hinsichtlich der Behandlungsparameter. ↑ höher bzw. länger;
Im Gegensatz dazu zeichnet sich die PDT durch eine ↓ niedriger bzw. kürzer
niedrigere Intensität bei langer Expositionszeit (Sekun-
den bis Minuten) und großflächigen Spot (mm) aus. Parameter Laserkoagulation PDT
In der Regel ist nur eine Exposition notwendig. Da die Expositionszeit ↓ ↑
photochemischen Reaktionen keine Lichtdosen mit ther-
mischen oder mechanischen Effekte gestatten, ist unmit- Zahl der Expositionen ↑ ↓
telbar nach der PDT im Gegensatz zur Laserkoagulation Spotgröße ↓ ↑
keine Veränderung im behandelten Areal zu erkennen.
(⊡ Abb. 4.1b). Die wesentlichsten Unterschiede der bei- Lichtintensität ↑ ↓
den Verfahren hinsichtlich der Behandlungsparameter
Sichtbarkeit ↑ ↓
sind in der ⊡ Tab. 4.1 gegenübergestellt.
50 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

4.1.3 Wirkmechanismen der PDT todynamische Reaktion von Bedeutung sind, scheint die
Typ-II-Reaktion mit der Bildung von singulärem Sauer-
Der Begriff »photodynamisch« wurde für photochemi- stoff bei der PDT die wesentliche Rolle zu spielen.
sche Reaktionen gewählt, die mit einer Beteiligung bzw. Der durch die photodynamischen Reaktionen indu-
unter Verbrauch von Sauerstoff ablaufen. Die komplexen zierte oxidative Gewebeschaden ist ferner von den jeweili-
photochemischen Prozesse der PDT nach der Aktivierung gen Eigenschaften des Photosensibilisators abhängig, den
des Photosensibilisators im Zielgewebe werden in ihren energetisch höheren Triplett-Zustand zu bilden. Die gebil-
wesentlichen Grundzügen in ⊡ Abb. 4.3 beschrieben. deten freien Radikale, singulärer Sauerstoff, Superoxidan-
4 Während der Beleuchtung des im Zielgewebe ak- ionen, Hydroxylradikale reagieren u.a. mit Nukleinsäuren,
kumulierten Photosensibilisators wird von diesem Licht Zellorganellen, Zellmembranen und Enzymen. Neben der
absorbiert (hν). Durch die Aufnahme von Lichtenergie Wirkung auf zellulärer Ebene kann die PDT vaskuläre
wird der Photosensibilisators zunächst von einem singu- und auch immunmodulatorische Effekte auslösen.
lären Grundzustand (S0) in einen angeregten singulären Eine Destruktion der Zellmembranen kann schon
Zustand (S1) überführt. S1 kann unter Photonemission kurz nach der Lichtexposition nachgewiesen werden und
(Fluoreszenz) wieder auf ein energetisch niedrigeres zeigt sich in einer Endothelzellschwellung, verminderten
Niveau (S0) zurückfallen oder durch Veränderung des Aktivität der Membrantransportsysteme, einer erhöhten
Aktivitäts- und Energiezustandes auf Elektronenniveau Membranpermeabilität, Hemmung von Enzymen, Per-
(»intersystem crossing«, Elektronenspin) in den angereg- oxidation von Lipidmembranen und membrangebunde-
ten Triplett-Zustand (S3) übergehen. Dieser kurzlebige, nen Enzymen sowie einer Deformierung von Zellorga-
hochreaktive Aktivitätszustand kann entweder die Ener- nellen und Mitochondrien.
gie in Form von Phosphoreszenz abgeben und wieder An den Gefäßen bewirkt die PDT nach Reaktion
den singulären Grundzustand S0 erreichen oder direkt des Photosensibilisators eine Schädigung endothelialer
mit dem umgebenden Gewebe (Typ I) bzw. mit Sauer- Zellmembranen mit Thrombozytenaggregation, Aus-
stoff (Typ II) reagieren und photochemische Prozesse schüttung thrombogener Faktoren, resultierend in Ge-
induzieren (⊡ Abb. 4.3). fäßverschlüssen durch die Ausbildung eines Thrombus
Bei der Typ-I-Reaktion führt die Reaktion des Tri- (Photothrombose). Die Effekte der PDT auf vaskuläre
plettzustandes des Photosensibilisators (S3) mit den Strukturen sind in ⊡ Abb. 4.4 dargestellt. Das Ausmaß der
Gewebemolekülen (Substrate) über Elektronentrans- photothrombotischen Effekte dürfte sich dabei proporti-
fer unter anderem zur Bildung von freien Radikalen, onal zur Konzentration des im Zielgewebe zirkulierenden
Superoxidanionen(O2-), Hydroxylradikalen und anderen und mithilfe der Beleuchtung aktivierten Photosensibili-
zytotoxischen Zwischenprodukten. Bei der Typ-II-Reak- sators verhalten.
tion kommt es zur Reaktion von S3 mit molekularem Nicht zu vergessen sind immunmodulatorische Ei-
Sauerstoff. In der Folge bildet sich kurzlebiger (<0,04 μs), genschaften der PDT, die in erster Linie als Folge der
sehr reaktionsfreudiger singulärer Sauerstoff (1O2), der Entzündungsreaktionen zu verstehen sind: Beobachtet
oxidative Reaktionen auf zellulärer und subzellulärer wurden u.a. eine Erhöhung von Interleukinen wie IL-1β,
Ebene bewirkt. Wenn auch beide Reaktionen für die pho- IL-2, IL-10,TNF-α und des Granulozyten stimulierenden

hv

3Sens *
Typ II
Aktivierter 3O
2
Photosensibilisator Triplet Zustand Energie

Electron spin Typ I


Phospho-
intersystem crossing
reszenz e-, H + Transfer
1 Sens * 1O
2
Angeregter freie Radikale
Singlet Zustand cytotoxische
Zwischenprodukte
Fluoreszenz

Zelluläre Schädigung
Sens *
Immunomodulation
⊡ Abb. 4.3 Mechanismen der photodynamischen Aktivierter
Vaskuläre Schädigung
Reaktion Grundzustand
4.2 · Verteporfin
51 4
der Zeit zwischen intravenöser Applikation des Photo-
selektive Anlagerung zur gezielten Therapie
sensibilisators und der Beleuchtung vermindert. Daraus
 resultiert, dass eine Verkürzung dieses Zeitintervalls die
okklusiven vaskulären Effekte auf Retina und Choroidea
Schädigung endothelialer Zellmembranen
bei gleichzeitigem Verlust der retinochoroidalen Selekti-
thrombogene Faktoren  vität erhöht.

Photosensibilisator
Photothrombose Sowohl die intravenöse Konzentration und die medika-
mentöse Aufbereitung des Photosensibilisator als auch
⊡ Abb. 4.4 Vaskuläre Effekte der PDT, die im Wesentlichen eine Photo- die Infusionsdauer beeinflussen die Effektivität und Se-
thrombose bewirken lektivität der PDT. Zum Zeitpunkt der Beleuchtung muss
eine ausreichende Konzentration im zu behandelnden
Gewebe vorliegen, um effektive photodynamische Reak-
Faktors, die Migration von Makrophagen, Neutrophilen, tionen auszulösen. Die phototoxischen Wirkungen im
die Aktivierung von B-Lymphozyten und Subtypen der Gewebe korrelieren sowohl mit der applizierten Lichtdo-
T-Lymphozyten sowie vorübergehende immunsuppres- sis als auch Medikamentendosis. Um gleiche Wirkungen
sive Effekte durch die Verminderung Antigen präsentie- zu erreichen, korreliert die Konzentration des Photosen-
render Zellen: Niedrig konzentriertes Verteporfin konnte sibilisators invers mit der Lichtdosis.
die Überlebensdauer von Hauttransplantaten verlängern. Verschiedenste Zellbestandteile wie Liposomen, Mi-
Zusammenfassend wirkt die PDT in den Zielstrukturen tochondrien, Zellmembranen, der Endothelzellen werden
auf zellulärem, vaskulärem und auch immunmodulatori- durch Photosensibilisatoren beeinflusst. Während hydro-
schem Weg. Während die vaskulären Effekte eine wesentli- phile Substanzen eher das Interstitium erreichen, werden
che Rolle beim Wirkmechanismus aller Photosensibilisato- die Gefäßwände von lipophilen Stoffen bevorzugt. Für
ren spielen, hängt der relative Beitrag dieser Mechanismen lipophile Photosensibilisatoren ist ein zytotoxischer Ef-
vom jeweiligen Typ des Photosensibilisators ab. fekt absorbierter Lichteinheit wahrscheinlich. Die Gabe
des Photosensibilisators erfolgte tierexperimentell des-
Licht halb in Form eines Bolus, da eine erhöhte relative Selek-
Da es sich bei der PDT um einen linearen Prozess han- tivität und Wirksamkeit gegenüber neovaskulären und
delt, bestimmt die Summe der während der Beleuchtung pathologischen Gefäßstrukturen vermutet wurde. Durch
absorbierten Lichtenergie deren Effekt mit. Diese Licht- die Bindung an Marker, Antikörper oder Lipoproteine,
dosis (J/cm2) ist das Produkt der Expositionszeit in Se- die bei der Zellproliferation eine Rolle spielen, kann
kunden und der Lichtintensität (W/cm2). Um ein Licht- die Selektivität des Photosensibilisators gesteigert wer-
dosis von 50 J/cm2 zu erreichen, ist z.B. eine Beleuchtung den. Da maligne und neovaskuläre Endothelien reich
mit 600 mW/cm2 über 83 s erforderlich. an LDL-Rezeptoren sind und vermehrt LDL-Rezeptoren
Die Lichtquelle sollte das Absorptionsspektrum des exprimieren, scheinen sie für die selektive Affinität der
Photosensibilisators erfassen. In der Ophthalmologie Photosensibilisatoren, insbesondere der Porphyrine, ver-
sind Laser die beste Wahl, da sie monochromatisches, antwortlich zu sein. Im Vergleich zu gesundem Gewebe
kohärentes Licht hoher Energie mit einer konstanten, (Haut, Muskel, Gehirn, Lunge) konnte nach Applika-
homogenen Lichtdosis im Beleuchtungsstrahl abgeben, tion im Tumorgewebe eine erhöhte Konzentration von
welches direkt auf den Fundus gelenkt werden kann. Der- Photosensibilisatoren nachgewiesen werden. Durch die
zeit stellen Diodenlaser die erste Wahl dar. Bindung an LDL-Rezeptoren kann der LDL-Rezeptor-
Die Eindringtiefe des Lasers in Gewebe hängt von der Photosensibilisator-Komplex intrazelluläre Effekte der
Wellenlänge des Lichts ab und beträgt etwa 2 bis 3 mm PDT nach Beleuchtung verstärken.
für (rotes) Licht der Wellenlänge 630 nm und reicht bis
zu 5 bis 6 mm tief bei einer Wellenlänge von 700-800 nm.
Da die Wirkung der PDT von den spezifischen Eigen- 4.2 Verteporfin
schaften des Photosensibilisators beeinflusst wird, ist der
Verlust der Lichtintensität durch die Absorption des Ge- Als einziger Photosensibilisator ist Verteporfin für die
webes am Fundus zu vernachlässigen. klinische Anwendung in der Ophthalmologie zugelassen,
Von Bedeutung ist die relativ höhere Selektivität der im speziellen für die Behandlung choroidaler Neovas-
PDT auf die Choroidea gegenüber der Retina. Dieser kularisationsmembranen bei AMD und pathologischer
Grad der Selektivität ist mit zunehmender Verkürzung Myopie.
52 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

4.2.1 Charakteristische Merkmale verlauf beobachtet wurde. In den Gefäßen der Netzhaut
und Aderhaut ist BPD-MA entsprechend rasch nachzu-
Verteporfin, Benzoporphyrinderivat-Monoacid (BPD-MA), weisen, aufgrund der schnellen Eliminationszeit dieses
ein photosensibilisierender Farbstoff, ist ein Porphyrin- Wirkstoffes jedoch lediglich in den ersten 2 Stunden nach
präparat der zweiten Generation und besteht aus zwei der Injektion. Kramer et al (1996) konnten BPD-MA
Isomeren, welche sich lediglich bezüglich der Lage der in CNV innerhalb von 30 min nach der Injektion von
Carboxylsäure- und Methyl-Ester-Bindung an den Rin- 2,0 mg/kg für einen Zeitraum von bis zu 2,5 Stunden
gen C und D des chlorinartigen Moleküls unterscheiden. nachweisen. Hingegen fand sich die Fluoreszenz von
4 BPD-MA besteht aus einem verkleinerten Porphyrinring BPD-MA in gesunden choroidalen und retinalen Gefä-
mit einem an Ring A gebundenen Cyclohexadienring, ßen früher und verminderte sich bereits nach 5 Minuten
der für das hohe Photosensibilisierungspotenzial des Mo- in den choroidalen bzw. 20 min in den retinalen Gefäßen.
leküls wesentlich verantwortlich sein dürfte. Dennoch konnten vereinzelt Reste von fluoreszierenden
Im Vergleich zu Hämatoporphyrin hat BPD-MA eine BPD-MA im retinalen Pigmentepithel bis zu 24 Stunden
um den Faktor 4-10 effizientere Lichtabsorption und nach der Infusion nachgewiesen werden.
weist einen um 10- bis 70-mal höheren zytotoxischen Ef- Basierend auf dem »Laser-injury-Modell« nach Ryan
fekt gegenüber zirkulierenden Zellinien (Leukämiezellen, konnten im Tiermodell an Affen experimentell induzierte
humane Lymphozyten, Mastozytomzellen der Maus) auf. CNV nach einer intravenösen Injektion von 1 bis 2 mg/kg
Bei einer schnellen Clearence-Rate mit einer Plasma- BPD-MA über 5 min ophthalmoskopisch, Fluoreszein-
halbwertzeit von 5-6 Stunden wird BPD-MA in der Leber angiographisch und elektronenmikroskopisch nachweis-
zu inaktiven Metaboliten verstoffwechselt und über die bar verschlossen werden. Die PDT mit BPD-MA erfolgte
Galle ausgeschieden. Nur 4% werden renal eliminiert. jeweils 1-81 min nach der Injektion mit einer Lichtdosis
Die kurze Halbwertszeit reduziert die toxischen Neben- von 50, 75, 100 bzw. 150 J/cm² und einer Leuchtdichte
wirkungen und das Risiko einer Photosensibilisierung. von 150, 300 bzw. 600 mW/cm2.
24 Stunden nach intravenöser Gabe von Verteporfin be- Die Endothelzellen der CNV waren entweder nek-
steht kein erhöhtes Risiko für eine Photosensibilisierung rotisch oder nicht mehr nachweisbar. Die Gefäße waren
der Haut mehr. nach der PDT mit Thrombozyten, Neutrophilen, Leu-
Verteporfin besitzt Absorptionsmaxima bei 400 nm kozyten, Erythrozyten und Fibrin verlegt. Die Perizyten
und 692 nm, letzteres wird zu therapeutischen Zwecken zeigten eine erhebliche Vakuolisierung. Es fand sich aber
eingesetzt, um Blaulichtschäden zu vermeiden. Ferner auch eine Destruktion des RPE, pyknotische Zellkerne der
konkurriert das Absorptionsmaximum von 692 nm nicht äußeren Körnerschicht und ein Schaden oder Verlust der
mit jenem des Hämoglobins, welches Licht der Wellen- Photorezeptoren als Begleitreaktion, während die Anteile
länge unter 600 nm absorbiert. der inneren Netzhaut weitgehend unbeeinträchtigt waren.
Als relativ lipophile Substanz lagert sich Verteporfin Husain et al (1996) verwendeten BPD-MA in einer
leicht an Zellmembranen an. Um die selektive Anreiche- Dosis von 0,375 mg/kg mit einer Infusionszeit von 10 min
rung und damit die photodynamische Aktivität in den (schnelle Infusionszeit) sowie 32 min (langsame Infusi-
Zielstrukturen zu verbessern, wurde auf der Basis eines onszeit). Die Beleuchtung erfolgte 32 bis 105 min nach
erhöhten LDL-Metabolismus in neovaskulären Geweben Beginn der Infusion mit einer Lichtdosis von 150 J/cm2
sowie Tumorzellen BPD-MA an humanes Low-density- bei einer Leuchtdichte von 600 mW/cm2. Fluoreszein-an-
Lipoprotein gekoppelt. Die liposomale Aufbereitung für giographisch konnte die Okklusion der CNV 24 Stunden
die klinische Anwendung erleichtert die Bindung an Plas- nach der PDT beobachtet werden, wenn die Beleuchtung
malipoproteine und LDL-Rezeptoren im Zielgewebe und 32 min (schnelle Infusionszeit) bzw. 32 bis 55 min (lang-
verstärkt so die phototoxischen Effekte. same Infusionszeit) nach Beginn der Infusion erfolgte.
Histologisch wies auch die Choriokapillaris unter der
CNV Verschlüsse auf, war aber anhand histopathologi-
4.2.2 Effekte der PDT in tierexperimentellen scher Untersuchungen vier Wochen nach der PDT wieder
Untersuchungen rekanalisiert. Die neurosensorische Retina war vereinzelt
durch eine Separierung der Photorezeptoraußensegmente,
Mit Hilfe Fluoreszein-mikroskopischer Untersuchungen eine Schwellung der äußeren plexiformen Schicht und
konnte BPD-MA im retinalen Pigmentepithel und der pyknotische Zellen in der äußeren Körnerschicht gekenn-
Aderhaut bereits 5 min nach der Injektion nachgewiesen zeichnet Die Untersuchung der photodynamischen Wir-
werden, wobei eine zunehmende Anreicherung über ei- kung auf die gesunde Retina und Choriokapillaris zeigten
nen Zeitraum von 20 min sowie ein Staining auch im Be- Veränderungen im RPE, der Choriokapillaris sowie den
reich der Photorezeptoraußensegmente im weiteren Zeit- Photorezeptoren in allen behandelten Augen. Die neuro-
4.2 · Verteporfin
53 4
sensorische Retina wies in bis zu 40% eine Pyknose der und die Photorezeptoren histologisch weniger ausgeprägt
äußeren Körnerschicht infolge der Beleuchtung 30 bis zeigten und die neurosensorische Retina keine photody-
40 min nach Beginn der Infusion (schnelle Infusionsrate) namischen Nebeneffekte mehr aufwies. Diese Effekte auf
auf. Eine Beeinträchtigung der Choriokapillaris, des reti- die CNV und die gesunden Strukturen wurden nach einer
nalen Pigmentepithels und der Photorezeptoren sowie in Bolus-Injektion sowie einer Infusion über 10 und 32 min
20% pyknotische Zellveränderungen der äußeren Körner- beobachtet. Die Wirkung wiederholter Behandlungen an
schicht wurden auch bei einer langsamen Infusionsrate Affen im Abstand von zwei Wochen wurde unter Verwen-
und einer Beleuchtung 65 min nach der Infusion beob- dung einer variablen Dosis von BPD-MA (6, 12, 18 mg/m2
achtet. Hierbei blieben größere Aderhautgefäße intakt und Körperoberfläche) und einer Lichtdosis von 100 J/m2 mit
wiesen keine photodynamischen Effekte auf. 600 mW/cm2 20 min nach der Bolus-Injektion untersucht.
Kramer et al (1996) führten dosimetrische Untersu- Lediglich geringe Beeinträchtigungen an der gesunden Re-
chungen durch, um optimale Behandlungsparameter für tina und der Aderhaut zeigten sich bei einer Dosis von
einen effektiven, selektiven Verschluss einer experimentell 0,47 mg/kg (entspricht 6 mg/m2 Körperoberfläche beim
im Tiermodell am Affen induzierten CNV zu finden. Menschen), während höhere Dosierungen von BPD-MA
BPD-MA wurde in einer Dosis von 0,25, 0,375, 0,5 und ein erhöhtes Risiko für eine signifikante Schädigung ge-
1,0 mg/kg bei konstanten Beleuchtungsparametern (150 J/ sunder Strukturen mit sich brachte.
cm2 mit 600 mW/cm2) verwendet. Je niedriger die Dosis
! Cave!
gewählt wurde, umso kürzer war das Zeitfenster nach der
Eine höhere Dosis als 0,47 mg/kg BPD-MA
Injektion, in welchem ein Verschluss der CNV erreicht
ergeben ein erhöhtes Risiko für eine signifikante
werden konnte. Die Untersuchungen ergaben optimale
Schädigung gesunder Strukturen.
Behandlungsergebnisse mit einer Dosis von 0,375 mg/kg,
welche etwa der im klinischen Alltag verwendeten Dosis
von 6,0 mg/m2 Körperoberfläche entspricht, und einer
Beleuchtung 20 bis 50 min nach Beginn der Infusion. 85% 4.2.3 Effekte der PDT auf gesundes
der CNV konnten hiermit verschlossen werden. Jedoch (humanes) Gewebe
wurden bei allen verwendeten Dosierungen auch Effekte
im RPE, den Photorezeptoraußensegmenten und der äu- Ausgehend von den Ergebnissen der experimentellen
ßeren Körnerschicht beobachtet. Eine Beeinträchtigung Untersuchungen wurden in einer Phase-I/II-Studie als
der größeren choroidalen und retinalen Gefäße oder eine »proof of principle« bei Patienten mit einer CNV in Folge
signifikante Zellpyknose in der äußeren Körnerschicht einer altersabhängigen Makuladegeneration, einer patho-
waren bei Verwendung einer Dosis von 1,0 sowie 0,5 und logischen Myopie, »angioid streaks« und eines POHS Un-
0,375 mg/kg zu erkennen, wenn innerhalb von 50 bzw. 20 tersuchungen zur Wirksamkeit der PDT durchgeführt.
und 10 min nach einer Bolus-Injektion eine Behandlung Eine Woche nach erfolgter PDT zeigte sich Fluores-
durchgeführt wurde. Daraus folgt, dass die Selektivität der zein angiographisch eine komplette Okklusion der CNV,
PDT mit BPD-MA zur Behandlung von CNV vermindert nach vier Wochen fand sich eine minimale erneute Le-
ist, wenn die Zeit zwischen der Beleuchtung und dem Be- ckage. 12 Wochen nach PDT war eine deutliche Leckage
ginn der Infusion relativ kurz gehalten wird. Fluoreszein angiographisch bei einer Mehrzahl der Pati-
enten wieder nachzuweisen, jedoch zum Teil schwächer
Praxistipp I I ausgeprägt, wenn die Beleuchtung 15 bis 20 min nach Be-
Effekte in den retinalen und größeren choroidalen ginn der Infusion durchgeführt wurde. Dennoch konnte
Gefäßen wurden beobachtet, wenn die Beleuchtung bei einigen Patienten eine Größenzunahme der CNV be-
innerhalb von 5 min nach der Bolus-Injektion durch- obachtet werden, vor allem dann, wenn die Beleuchtung
geführt wurde, vermutlich weil der Photosensibilisator 30 min nach Beginn der Infusion durchgeführt wurde.
in den choroidalen und retinalen Gefäßen in gleicher Aus diesem Grund wurde das Intervall zwischen Beginn
Konzentration vorlag wie in der CNV. der Infusion und der Beleuchtung verkürzt.
Wiederholte Behandlungen zeigten keine signifikan-
ten Auswirkungen auf die Sehfunktion. Signifikante Ef-
Die photodynamischen Effekte mit BPD-MA (0,375 mg/kg, fekte der PDT auf die CNV wurden bei Verwendung
Beleuchtung 100 J/cm2 mit 600 mW/cm2) an experimen- einer Lichtdosis von minimal 25 J/cm2 bis maximal 150 J/
tell induzierten CNV wurden noch nach vier und sieben cm2 beobachtet. Als optimale Parameter zur Behandlung
Wochen beobachtet: Vier Wochen nach PDT waren 71% von CNV haben sich die intravenöse Gabe von 6 mg/m2
der CNV verschlossen, während sich sieben Wochen nach Körperfläche Verteporfin als Infusion über einen Zeit-
PDT die akuten Effekte auf das RPE, die Choriokapillaris raum von 10 min gezeigt, das 15 min nach Beginn der
54 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

Infusion mit einer Lichtdosis von 50 J/cm2 über 83 s bei tende Fragmentierung des Thrombus und eine erneute
einer Lichtintensität von 600 mW/cm2 aktiviert wird. Endothelauskleidung dürften die Rekanalisation der ok-
Die Effekte der PDT auf vaskuläre Läsionen im zeit- kludierten Gefäße mit einleiten. Im Zentrum der CNV
lichen Verlauf sind in ⊡ Tab. 4.2 dargestellt und im We- blieben die Gefäße unverändert, was als Erklärung für die
sentlichen bei CNV und vaskulären Tumoren ähnlich: Reperfusion nach der Okklusion interpretiert wurde.
Innerhalb der ersten Stunden nach erfolgter PDT wird das Die Effekte der PDT innerhalb der ersten Woche nach
vaskuläre Endothel geschädigt mit der Folge eines Zusam- Behandlung waren nicht auf die CNV begrenzt: Die nach
menbruchs der »tight junctions« und einer zunehmenden der PDT Fluoreszein-angiographisch sichtbare Hypofluo-
4 Leckage sowie Exsudation in das umgebende Gewebe. reszenz entspricht in erster Linie der Größe des Behand-
Innerhalb der ersten Tage nach PDT entwickelt sich eine lungsstrahls und dürfte teilweise auch zur CNV benach-
Photothrombose mit Okklusion der CNV und partiell barte gesunde Strukturen der Aderhaut mit einbeziehen
des benachbarten choroidalen Gewebes. Im Verlauf der (⊡ Abb. 4.5). Als Korrelat dieser dokumentierten Hypo-
nächsten Wochen kommt es zu einer Rekanalisation und fluoreszenz im Bereich gesunden Aderhautgewebes zeigte
Reproliferation der CNV infolge reparativer Mechanis- sich histopathologisch eine vorübergehende Perfusions-
men, die teils durch eine vermehrte Ausschüttung von beeinträchtigung der Aderhaut in dem behandelten Areal.
Angionesefaktoren (VEGF und PEDF) nach der PDT in-
duziert werden. Diese Reaktionen stellen sich als erneutes
Auftreten einer Leckage in der Fluoreszeinangiographie
dar und erfordern eine Wiederbehandlung der Läsion. Ein
Umbau mit einer Involution der CNV bzw. der Tumore
lässt sich in der Regel bei den meisten Patienten mit einer
zunehmenden Anzahl von Wiederbehandlung erreichen.
Elektronenmikroskopische und histologische Unter-
suchungen zeigten vier Wochen nach der Behandlung
einer CNV mit PDT Zeichen einer Endothelzelldegene-
ration, einer Thrombozytenaggregation und Thrombose
der peripheren Gefäße der CNV. Einige Gefäße zeigten
eine Kernschwellung mit Verklumpung des Chromatins
und Vakuolisierung des Zytoplasmas der Endothelzellen,
während an anderen Gefäßen ein vermindertes Zyto-
plasma mit unförmigen Zellen nachzuweisen war. Letzte-
res wurde als Unterbrechung des Endothels nach vorange-
gangener Veränderung interpretiert. Erythrozyten in mit ⊡ Abb. 4.5 Fluoreszeinangiographisch sichtbare Effekte der PDT eine
Woche nach erfolgter PDT-Behandlung in Form einer Hypofluores-
degenerierten Endothelzellen und Perizyten ausgefüllten
zenz, welche mit der Größe des mit dem Diodenlaser gewählten Be-
Gefäßen sowie Makrophagen im Bereich der okkludier- leuchtungsareals korreliert und zumindest zum Teil nicht direkt von
ten Gefäße und der Basalmembran wurden als Zeichen der Läsion betroffene Anteile des Fundus mit einbezieht. (Aus Jurklies
eines Gefäßumbaus verstanden. Eine teils zu beobach- B u. Bornfeld N 2007)

⊡ Tab. 4.2 Effekte der PDT auf vaskuläre Läsionen im zeitlichen Verlauf

Effekte der PDT zeitlicher Verlauf

Selektive Anreicherung/Verteilung des Photosensibilisators

Reaktion mit der Endothelzellmembran

Schädigung der Endothelzellmembran Stunden

Exsudation aufgrund der Gefäßpermeabilität Stunden

Photothrombose in den Gefäßen Stunden bis Tage

Rekanalisation Wochen

Reproliferation Wochen bis Monate

Sukzessive Deaktivierung und Fibrosierung und Deaktivierung Wochen bis Monate


nach wiederholter PDT-Behandlung
4.2 · Verteporfin
55 4
Mit einer Lichtdosis von 50 J/cm2 wurde ein homogener
Verschluss der Choriokapillaris mit Beeinträchtigung der
Praxistipp I I
Bei einer Dosis von 6 mg/m2 Körperoberfläche Verte-
Endothelzellen (Schwellung, Destruktion, Abhebung von
porfin wurden sowohl innerhalb von 24 Stunden als
der Basalmembran) beobachtet, zusammen mit extravasa-
auch im weiteren Verlauf nach der Infusion keine pho-
len Entzündungszellen und Erythrozyten. Die Verteilung
totoxischen Schäden der Haut beobachtet.
regulärer Endothelzellen ließ jedoch Mechanismen der Re-
organisation neuer Gefäße mit dem Ziel einer Rekanalisa-
tion der okkludierten Gefäße vermuten. Vereinzelt wurden Das Spektrum möglicher Nebenwirkungen einer PDT mit
auch vakuolisierte Zellen des retinalen Pigmentepithels Verteporfin wurde in zahlreichen prospektiven, randomi-
beobachtet. Bei einer Lichtdosis von 100 J/cm2 zeigten sich sierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Multizen-
zusätzlich Effekte an größeren Aderhautgefäßen und teil- terstudien untersucht. Klinisch relevante Nebeneffekte,
weise im RPE mit einer zellulären Vakuolisierung und Se- die im Rahmen dieser Studien beobachtet worden sind,
parierung von der Bruchschen Membran. Sowohl mit 50 J/ werden in ⊡ Tab. 4.3 dargestellt: Sehstörungen in Form
cm2 als auch mit 100 J/cm2 zeigten sich keine signifikanten von Veränderungen des Sehvermögens im Vergleich zum
Effekte der PDT auf die Photorezeptoren, die retinalen Ausgangsbefund vor der Infusion und Behandlung wur-
Kapillaren oder die Ganglienzellschicht. den bei Patienten mit okkulten CNV häufiger beobachtet
als bei Patienten mit klassischen CNV. Auch ein akuter
schwerer Sehverlust innert 7 Tagen nach PDT wurde
4.2.4 Toxische Effekte und Nebenwirkungen bei Vorliegen okkulter CNV häufiger festgestellt als bei
der PDT mit Verteporfin klassischen CNV. Allergische Reaktionen, infusionsbe-
dingte Schmerzen, lokale Veränderungen im Bereich der
Eine der wichtigsten Nebenwirkungen der PDT ist die Infusionsstelle und eine Photosensibilisierung der Haut
erhöhte Photosensibilisierung, vor allem für die Haut, so- fanden sich als weitere systemische Nebenwirkungen in
lange der Photosensibilisator in seiner aktiven Form zir- den Multizenterstudien.
kuliert. Sowohl die Clearance als auch die Retentionszeit Die Ergebnisse der Phase-I/II-Studie zeigten ab einer
des Sensibilisators bestimmen das Risiko eines potentiell verwendeten Lichtdosis von 150 J/cm2, welche 15 min
phototoxischen Effekts auf die Haut mit. nach Infusion von Verteporfin (6 mg/m2 Körperoberflä-

⊡ Tab. 4.3 Klinisch relevante Nebenwirkungen der PDT in den Multizenterstudien TAP, VIP und VIM (Angaben in % der behandelten Augen)

TAP, 2001 VIP, 2001 VIP, 2001 VIM, 2004

AMD AMD Myopie AMD


+ ++ +++ ++++
Visuelle Beeinträchtigungen 22,1 42 23 5/13

Akture Visusminderung§ 0,7§§§§ 4,4§§ - 0/3

Lokale Reaktionen# 15,9 8 10 8/15

Rückenschmerzen (Infusion) 2,5 2,2 1 3/5

Allergische Reaktion 2 1 4 0/0

Photosensibilsierung 3,5 0,4 4 0/0

Visusminderung ≥6 Zeilen 18,2 29§§§ 11 18/13

+ Visuelle Beeinträchtigungen umfassen Sehstörungen, Visusminderung und Gesichtsfelddefekte in der Verteporfin-Gruppe


++ TAP-Studie nach 24 Monaten: Sehstörungen (10,2%), Visusminderung (14,4%) und Gesichtsfelddefekte (6%) in der Verteporfin-Gruppe
+++ VIP-Studie nach 24 Monaten: Sehstörungen (20%), Visusminderung (30%), Gesichtsfelddefekte (15%) in der Verteporfin-Gruppe
++++ VIP-Studie CNV bei pathologischer Myopie nach 24 Monaten: Sehstörungen (9%), Visusminderung (16%), Gesichtsfelddefekte (4%) in der
Verteporfin-Gruppe
§ Visusabfall von mindestens 4 Zeilen innerhalb von 7 Tagen nach PDT
§§ Verteporfin-Gruppe mit okkulter CNV bei AMD: ausgedehnte subretinale Exsudation (0,4%), subretinale RPE-Hämorrhagien (1,3%), ohne
eindeutige Ursache (2,6%).
§§§ Angaben für Verteporfin-Gruppe mit okkulter CNV bei AMD
§§§§ TAP-Studie: 3 der 402 Patienten in der Verteporfin-Gruppe
# Reaktionen im Bereich der Infusionsstelle, z.B. Schmerzen, Ödem, Extravasation, Entzündung, Blutung, Überempfindlichkeit, Verfärbung und
Fibrose
* Die Angaben gelten für die 2 Subgruppen mit reduzierter (25 J/cm2 ) und Standardlichtdosis (50 J/cm2)
56 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

che) verabreicht wurde, einen Verschluss retinaler Ge- ration (AMD) und CNV außerhalb der AMD sowie
fäße. Histopathologische Untersuchungen konnten keine der pathologischen Myopie: Verteporfin wird in einer
signifikanten Effekte auf die retinalen Gefäße, die Gangli- Dosierung von 6 mg/m2 Körperoberfläche über einen
enzellschicht und die Photorezeptoren nachweisen bei ei- Zeitraum von 10 min intravenös appliziert. Nach weite-
ner verabreichten Lichtdosis von 50 J/cm2 und 100 J/cm2. ren 5 min, d.h. 15 min nach Beginn der Infusion, erfolgt
Hingegen wurden Veränderungen des retinalen Pig- die Beleuchtung des zu behandelnden Areals mit einem
mentepithels (RPE) nach PDT in mehreren Fallserien Dioden-Laser der Wellenlänge 689 nm (nicht thermi-
und prospektiven Studien beschrieben (⊡ Abb. 4.6). Diese sches rotes Licht). Es wird eine Lichtdosis von 50 J/cm2
4 Veränderungen des RPE wurden häufiger bei jungen mit einer Beleuchtungsdichte (Intensität) von 600 mW/
(weiblichen) Patienten mit klassischen CNV sowie Pa- cm2 über 83 s abgegeben. Der Laserspot sollte die Lä-
tienten mit choroidalen Hämangiom gesehen. Die Re- sion mit den Veränderungen im Randbereich (Blutungen,
aktionen des RPE in Form von Pigmentverklumpungen Blockaden durch RPE, Blut oder Fibrose sowie Pigmen-
sowie fokaler Atrophie korrelierten mit der Größe des zur tepithelabhebungen) komplett erfassen, ggf. wird eine
Behandlung verwendeten Zielstrahls (Spotgröße), ohne ergänzende Beleuchtung durch nicht überlappende Spots
dass signifikante Veränderungen der Netzhautfunktion erforderlich. Ausgehend von Publikationen zur Therapie
nachgewiesen werden konnten. Eine verstärkte Sensibi- des choroidalen Hämangioms wird von einigen Autoren
lisierung gegenüber den photochemischen Effekten der für die Behandlung von retinalen Angiomen eine Licht-
PDT für das retinale Pigmentepithel, eine fokale Atrophie dosis von 100 J/cm2 (600 mW/cm2 über einen Zeitraum
des RPE infolge einer zumindest temporären Okklusion von 166 s) favorisiert, um eine dauerhafte Gefäßokklusion
der choroidalen Gefäße, eine verstärkte Reaktion des RPE sicherzustellen. Wenn auch mit einer Lichtdosis von 50 J/
und der Einfluss hormoneller Faktoren wurden als Ursa- cm2 therapeutische Effekte beobachtet wurden, so entwi-
chen der RPE-Reaktionen nach einer PDT diskutiert. ckelte sich während der Nachbeobachtungszeit vereinzelt
eine erneute Exsudation. Einige Autoren betrachten die
ursprünglich zur Behandlung vaskulärer Tumorläsionen
4.3 Behandlungsparameter verwendete Lichtdosis von 100 J/cm2 als effektiver hin-
sichtlich der Resorption von Flüssigkeit, der Regression
Die derzeitigen Therapieempfehlungen zur PDT basieren der Läsion, der Rezidivneigung und einer Stabilisierung
auf tierexperimentellen Wirksamkeits- und prospektiven visueller Funktionen und bevorzugen daher diese gegen-
Multizenterstudien zur Behandlung von neovaskulären über der ursprünglich für die CNV verwendeten Lichtdo-
Läsionen infolge einer altersabhängigen Makuladegene- sis von 50 J/cm2.

vor PDT nach PDT

⊡ Abb. 4.6 Pigmentverschiebungen und Fensterdefekte des RPE. Die Fläche der Atrophie des RPE korreliert mit der Größe des gewählten Ziel-
strahls des Lasers. (Aus Jurklies B u. Bornfeld N 2007)
4.4 · Verteprofin bei retinalen Erkrankungen
57 4
4.4 Verteprofin bei retinalen der Papille lokalisierten Tumoren erschwert zu erkennen
Erkrankungen sein. In diesen Fällen hilft die Fluoreszein-Angiografie, die
die typische schnelle Füllung eines »Feeder-Vessel« in der
Im Folgenden wird auf die Wirksamkeit der PDT bei Frühphase und ein Staining mit einer Leckage in der Spät-
Vorliegen von retinalen kapillären Hämangiomen, vas- phase im Bereich des RCH darstellen lässt (⊡ Abb. 4.8).
oproliferativen Tumoren und parafovealen Teleangiek-
tasien eingegangen, wobei hier einschränkend die be- Therapie retinaler kapillärer Hämangiome
grenzte Fallzahl sowie die geringe Zahl der Fallserien In Abhängigkeit von der Größe und Lokalisation des RCH
und Publikationen aufgrund der niedrigen Inzidenz der sowie sekundären Veränderungen stehen zahlreiche Be-
Erkrankungen zu berücksichtigen ist. handlungsoptionen zur Verfügung. Sie umfassen zum einen
▬ die Laserkoagulation von kleinen RCH bis zu einem
Durchmesser von 1,5 mm,
4.4.1 Retinales kapilläres Hämangiom ▬ die Kryobehandlung von kleinen, anterior gelegenen
RCH sowie
Charakteristische klinische Befunde ▬ die lokale (Applikator) und perkutane Strahlenthera-
Retinale kapilläre Hämangiome (RCH) können sowohl pie, aber auch
solitär als auch als häufigste Erstmanifestation im Rah- ▬ ein chirurgisches Vorgehen.
men eines von Hippel-Lindau-Syndroms (VHL) auftreten,
wobei sie im Rahmen des VHL in bis zu 46% der Fälle zu Juxtapapilläre RCH stellen in der Regel eine therapeuti-
finden sind. Die Mehrzahl der RCH ist in der temporalen sche Herausforderung dar, zumal ein hohes Risiko irre-
Peripherie der Retina als rötliche, angiomatöse Verände- versibler Beeinträchtigungen des Sehnervs, der Nerven-
rung (⊡ Abb. 4.7) mit dilatierten, geschlängelten zu- und faserschicht und der retinalen Gefäße entweder durch die
abführenden Gefäßen zu erkennen, wobei ein Teil der Erkrankung selbst oder die Therapie besteht.
VHL-Gen-Träger auch juxtapapilläre Läsionen aufweisen
können. Intraretinale und subretinale Exsudationen, die Praxistipp I I
zunächst umschrieben sind, können bei verzögerter Diag- Eine Behandlung juxtapapillärer Läsionen ist somit nur
nose und ohne zielgerichtete Therapie zu einer exsudativen zu empfehlen, wenn zentrale visuelle Funktionen und
Netzhautablösung unter Einbeziehung des hinteren Pols das Gesichtsfeld nachweislich bedroht sind und eine
führen und einen irreversiblen Verlust der Sehschärfe be- sorgfältige Abwägung des Risikos eines potentiellen
wirken. Epiretinale Membranen, traktive Netzhautablösun- Verlusts der Sehfunktion durch die Erkrankung auf der
gen, retinale und vitreale Hämorrhagien wurden als Folge einen Seite bzw. durch die potentiellen Folgen der
von nicht behandelten retinalen Hämangiomen beobach- Therapie auf der anderen Seite im Einvernehmen mit
tet. Die typischen, zur Diagnose führenden Versorgungs- dem Patienten vorgenommen wurde.
gefäße können zuweilen bei sehr kleinen RCH sowie an

⊡ Abb. 4.7 Retinales kapilläres Hämangiom mit Begleitexsudation, welche den hinteren Pol und die Macula mit einbezieht. (Aus Jurklies B u.
Bornfeld N 2007)
58 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

⊡ Abb. 4.8 Retinales kapilläres Hämangiom mit subretinaler Begleitexsudation vor der ersten PDT-Behandlung. (Aus Jurklies B u. Bornfeld N 2007)

PDT-Wirkung auf RCH Regel zeigt sich eine Woche nach PDT ein Verschluss des
Die Behandlung der RCH mit der PDT ist in kleinen RCH (⊡ Abb. 4.10) dokumentiert durch eine zunehmende
Fallserien publiziert worden. Demnach dürfte die PDT Resorption der subretinalen Exsudation mit einem all-
insbesondere für peripher lokalisierte RCH in Frage mählichen Anstieg der Sehschärfe. Nach drei Monaten
kommen. Die meisten Autoren empfehlen eine Lichtdosis kann eine partielle Rekanalisierung des RCH erfolgen
von 100 J/cm2. und damit eine wiederholte PDT erforderlich werden.
Ein Verschluss des RCH ohne signifikante Begleitexsu-
z Juxtapapilläre retinale Angiome dation wurde drei Monate nach der letzten PDT gesehen.
In einer prospektiven Fallserie von Schmidt-Erfurth et al. ⊡ Abb. 4.11 zeigt eine mäßige Exsudation 6 Monate nach
(2002) wurden 5 Patienten mit symptomatischen juxta- der ersten PDT, wobei die Größe des Angioms im Ver-
papillären retinalen Angiomen mittels PDT behandelt, gleich zum Ausgangsbefund deutlich abgenommen hat.
wobei die Standarddosis von 6 mg/m2 Körperoberfläche Der Effekt der zweiten PDT wird in ⊡ Abb. 4.12 dargestellt
Verteporfin und eine Lichtdosis von 100 J/cm2 appliziert und zeigt ein hypofluoreszentes Areal um den Tumor als
wurden. Zwölf Monate nach Durchführung der ersten Folge der PDT sowie eine geringe Begleitexsudation im
PDT-Behandlung war die subretinale Exsudation am hin- Fluoreszein Angiogramm.
teren Pol resorbiert und das RCA bei allen 5 Patienten Wie von zahlreichen Autoren in kleinen Fallserien
regressiv. Die Sehschärfe war am Ende des Beobach- gezeigt, können RCH mithilfe der PDT effektiv behandelt
tungszeitraumes von 0,22 (0,5-0,025) auf 0,1 (0,32-0,012) werden.
gesunken. Drei Patienten zeigten einen Visusabfall von 1,
3 bzw. 10 Zeilen, je ein Patient konnte den Visus von 0,05 Praxistipp I I
halten bzw. von 0,063 auf 0,1 verbessern. Morphologisch Die PDT kann als eine sinnvolle Behandlungsalterna-
wurden bei 3 von 5 Patienten eine Okklusion der reti- tive für RCH betrachtet werden, die einer alleiniger
nalen Gefäße und eine Ischämie der Papille beobachtet, Laserkoagulation nicht mehr zugänglich sind, insbe-
sodass die positiven Effekte der PDT auf die subretinale sondere bei Vorliegen einer Exsudation und anterioren
Exsudation und die Größe des RCA von negativen Ein- Lokalisation.
flüssen auf die visuelle Funktion begleitet waren.

z Periphere retinale kapilläre Hämangiome


Der Effekt der PDT auf periphere RCH im Verlauf nach 4.4.2 Vasoproliferative Tumore
der Behandlung wird in den Abbildungen ⊡ Abb. 4.8 bis
⊡ Abb. 4.12 demonstriert. Aufgrund der eingetretenen Charakteristische klinische Befunde
Schrankenstörung nach Destruktion des Endothels und Dieser benigne, meist solitär auftretende, stark vaskulari-
der Gefäße infolge der PDT kann die subretinale Ex- sierte, lachsfarbene unscharf begrenzte retinale Tumor ist
sudation akut erheblich zunehmen (⊡ Abb. 4.9). In der in der Mehrzahl der Fälle in der temporal unteren Fundus
4.4 · Verteprofin bei retinalen Erkrankungen
59 4

⊡ Abb. 4.9 Fundusphoto (a) und Fluoreszeinangiographie (b, c) eines retinalen kapillären Hämangioms 24 h nach der ersten PDT. Es lässt sich
hier eine ausgeprägte Exsudation und Leckage im Vergleich zum Ausgangsbefund erkennen. (Aus Jurklies B u. Bornfeld N 2007)

⊡ Abb. 4.10 Fundusphoto (a) und Fluoreszeinangiographie (b, c) eines retinalen kapillären Hämangioms eine Woche nach der PDT mit einer
ausgeprägten Exsudation und Leckage im Vergleich zum Ausgangsbefund

⊡ Abb. 4.11 Fundusphoto (a) und Fluoreszeinangiographie (b, c) eines retinalen kapillären Hämangioms 6 Monate nach der ersten PDT und
vor der zweiten PDT mit einer im Vergleich zum Ausgangsbefund deutlichen Abnahme der Größe des retinalen kapillären Hämangiomes und
der Exsudation. (Aus Jurklies B u. Bornfeld N 2007)

⊡ Abb. 4.12 Fundusphoto (a) und Fluoreszeinangiographie (b, c) eines retinalen kapillären Hämangioms 24 h nach der zweiten PDT mit einer
um das retinale kapilläre Hämangiom sichtbaren Hypofluoreszenz, korrelierend zur Größe des beleuchteten Areals als Hinweis für eine erneut
erfolgte Behandlung. Zusätzlich zeigt sich eine schwache Leckage in Form einer Hyperfluoreszenz. (Aus Jurklies B u. Bornfeld N 2007)
60 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

Peripherie anterior des Äquators lokalisiert. Begleitend können. Rechtwinklig veränderte Venolen, Kapillarok-
entwickelt sich eine subretinale Exsudation mit Verände- klusionen, eine Atrophie und Hyperplasie des retinalen
rungen des retinalen Pigmentepithels. In der Regel sind Pigmentepithels (RPE), kristalline Ablagerungen und Li-
das zuführende, arterielle Gefäß und die drainierende pidexsudationen sowie choroidale Neovaskularisations-
Vene im Vergleich zum RCA nur geringfügig dilatiert, membranen (CNV) wurden bei parafovealen Teleangiek-
fluoreszeinangiografisch können jedoch ähnliche Be- tasien als charakteristisch beschrieben. Yanuzzi differen-
funde beobachtet werden. Symptomatisch werden die pe- ziert aneurysmatische und teleangiektatische parafoveale
ripheren Tumore durch tumorferne Veränderungen wie Teleangiektasien, wobei letztere im Verlauf mit einer neo-
4 eine exsudative Makulopathie, Blutungen und epiretinale vaskulären Form (retionoretinale oder retinochoroidale
Gliosen mit Visusminderung. Vasoproliferative Tumore Anastomose, choroidale Neovaskularisationsmembran)
können idiopathisch oder als sekundäre Veränderungen, kombiniert sein können. Parafoveale Teleangiektasien
typischerweise bei Retinitis pigmentosa, Uveitis, Mor- sind in Abhängigkeit der jeweiligen Stadien als unilateral,
bus Coats, okulärer Toxocariasis, Sichelzell-Retinopathie bilateral, fokal oder diffus beschrieben worden. Fluores-
oder länger bestehender Netzhautablösung auftreten. Bei zein angiografisch zeigen sich irreguläre parafoveoläre
Progressionstendenz im Sinne einer zunehmenden Ex- Kapillaren, die mit einer Leckage sowie Defekten des RPE
sudation, Symptomatik oder Funktionseinbußen sollten kombiniert sein können. Die initial sehr positiven Effekte
vaskuläre Tumore behandelt werden. von VEGF-Inhibitoren bei der Behandlung von parafo-
vealen Teleangiektasien wurden im Verlauf der Beobach-
Therapie vasoproliferativer Tumore tungsphasen von Rezidiven und Rebound-Phänomenen
Die Auswahl des Therapieverfahrens bei vasoproliferati- überlagert, die proportional zum Beobachtungszeitraum
ven Tumoren richtet sich nach der Ausdehnung, Loka- sowie zur Anzahl der Injektionen zunahmen. Kovach
lisation und begleitenden Fundus Veränderungen. Ein- und Rosenfeld (2009) konnten keine signifikanten Effekte
heitliche Behandlungsempfehlungen existieren nicht, die in einer Fallserie von neun Patienten beobachten, sodass
publizierten Strategien reichen von der Laser- und Kryo- sie von einer Behandlung mit VEGF-Inhibitoren ohne
koagulation bis zur Strahlentherapie mittels Ruthenium- gleichzeitiges Vorliegen einer CNV abrieten. Als Ursache
applikator oder Vitrektomie infolge der Komplikationen. für die allenfalls vorübergehenden Effekte dürften Ergeb-
In kleineren Fallserien wurde eine sehr gute Wirksamkeit nisse von Studien mithilfe der optischen Kohärenztomo-
der PDT bei vasoproliferativen Tumoren meist schon grafie sein, die über degenerative Befunde im Bereich der
nach einmaliger Anwendung erzielt. Als effektive Be- Photorezeptoren in Form von verkürzten Außensegmen-
handlungsparameter wurde die Verwendung einer Licht- ten und einer verdünnten äußeren Körnerschicht sowie
dosis von 50 J/cm2, seltener 100 J/cm² und der übliche einen Bruch zwischen Photorezptorinnen- und -außen-
Zeitabstand von 15 min zwischen Infusionsbeginn und segmenten berichteten. Der erhobene Visus korrelierte
Aktivierung des Verteporfin mit der Standarddosis von jeweils mit dem Ausmaß der degenerativen Befunde im
6 mg/m2 Körperoberfläche verwendet. Bereich der Photorezeptoren. Zudem wies die Dicke der
äußeren Körnerschicht keine eindeutige Korrelation mit
PDT-Wirkung auf vasoproliferative Tumore den zystischen Läsionen der Netzhaut auf. Auch ein
Die beobachteten Effekte entsprechen im Wesentlichen Verlust und eine Dysfunktion der Müller Zellen wur-
jenen nach PDT eines retinalen kapillären Angioms in den als charakteristische pathophysiologische Ursachen
Form einer Okklusion der Tumorgefäße des vasoproli- identifiziert. Diese Befunde sprechen gegen eine primär
ferativen Tumors mit einer allmählichen Resorption der vaskuläre Genese der parafovealen Teleangiektasien. Sie
subretinalen Flüssigkeit, einer Abnahme der Tumorhöhe, lassen daher therapeutische Konzepte mit primär vasku-
gefolgt von einer Visusverbesserung. Diese dauerhafte lärem Ansatz zumindest zur Behandlung dieser primären
Tumorregression wurde nach ein- bis zweimaliger PDT- Veränderungen als fraglich wirksam erscheinen.
Behandlung bei einer Nachbeobachtungszeit von 7 bis
12 Monaten festgestellt. Therapie parafovealer Teleangiektasien
Sofern keine CNV vorliegt, die mit VEGF-Inhibitoren
behandelt werden kann, sind die therapeutischen Kon-
4.4.3 Parafoveale Teleangiektasien zepte sehr begrenzt. Eine Laserphotokoagulation wurde
anfänglich im Fall einer Visusminderung infolge eines
Charakteristische klinische Befunde Makulaödems und einer Exsudation vor allem bei Typ-1-
Parafoveale retinale Teleangiektasien sind klinisch durch Teleangiektasien empfohlen, wobei hier im weiteren Ver-
dilatierte parafoveale Kapillaren charakterisiert, welche lauf variable Ergebnisse beobachtet wurden, die vor dem
zu einer Exsudation und einem Makulaödem führen Hintergrund der oben erwähnten Befunde der optischen
4.4 · Verteprofin bei retinalen Erkrankungen
61 4
Kohärenztomografie im Nachhinein sehr gut nachzuvoll- Laserbehandlung nicht mehr möglich ist und ein Appli-
ziehen sind. Querques und Noci (2008) empfahlen die kator überproportional viel gesundes Gewebe beein-
Injektion von VEGF-Inhibitoren nur im Falle einer nor- trächtigen würde, sowie vasoproliferativen Tumoren eine
malen zentralen Netzhautdicke, die aufgrund der struktu- sinnvolle Indikation darstellt, hat sich die Behandlung bei
rellen Veränderungen bei parafovealen Teleangiektasien parafovealen Teleangiektasien nicht bewährt.
wiederum einer relativen Verdickung im Rahmen eines ▬ Die PDT ist ein nicht-thermisches, photochemisches, me-
Makulaödems entsprechen würde. Hingegen konnten dikamentöses, zweistufiges Verfahren mit einer relativen
Kovach und Rosenfeld (2009) nicht einmal kurzfristige Selektivität gegenüber dem vaskularisierten, pathologi-
Effekte von VEGF Inhibitoren auf derartige Veränderun- schen Gewebe als Zielstruktur, bevorzugt in der Ader-
gen bei parafovealen Teleangiektasien beobachten, sofern haut, unter relativer Schonung der retinalen Strukturen.
diese nicht mit einer CNV assoziiert waren. PDT erfordert:
– Einen photoaktivierbaren Photosensibilisator, der vor-
PDT-Wirkung auf parafoveoläre zugsweise in dem Zielgewebe akkumuliert,
Teleangiektasien – Sauerstoff,
Einige wenige Fallserien untersuchten die Behandlung von – Licht spezifischer Wellenlänge, welches das Absorp-
juxtafoveolären Teleangiektasien mit einer PDT. Hierbei tionsmaximum des Photosensibilisators besitzt und
konnte keine signifikante Wirkung auf die Sehschärfe und diesen aktiviert.
die Ausprägung des Makulaödems nach PDT beobachtet ▬ Während die Photokoagulation im Falle eines über-
werden. Bei gleichzeitig vorhandener CNV wurden bei ei- schwelligen Stimulus mit hoher Intensität und kurzer Ap-
nigen Fallserien teilweise positive Effekte auf die Therapie plikationszeit unmittelbar einen sichtbaren thermischen
der CNV, nicht jedoch auf die juxtafoveolaren Teleangiek- Effekt in Form einer nicht selektiven Koagulationsnekrose
tasien beobachtet: Nach einem Beobachtungszeitraum von verursacht, benötigt die PDT gegensätzliche Parameter
21 Monaten zeigten sich bei zwei Augen eine Stabilisierung in Form einer längeren Lichtexpositionszeit, einer klei-
der Sehschärfe (Abfall und Anstieg von weniger als einer neren Anzahl von Beleuchtungen, im Idealfall eine, mit
Zeile), ein Visusanstieg bei drei Augen (mindestens 1 Zeile) einem größeren Zielstrahl und geringerer Lichtintensität.
und eine Visusminderung bei zwei Augen (mindestens Die dadurch entstehende Photothrombose ist zunächst
1 Zeile) bei gleichzeitiger Resorption der Flüssigkeit bei sowohl während als auch unmittelbar nach der Behand-
allen 7 Augen. Als negativer Effekt wurde eine Atrophie lung ophthalmoskopisch nicht sichtbar.
des RPE im Bereich des beleuchteten Dioden-Laserareals ▬ Nach der Akkumulation des Photosensibilisators im Ziel-
nach intravenöser Gabe des Verteporfins beobachtet. In- gewebe führt die Exposition von Licht spezifischer Wel-
sofern kommt der PDT derzeit in Anbetracht der Befunde lenlänge zu einer Aktivierung und Transformierung des
der Photorezeptoren (OCT) sowie der insgesamt besseren Sensibilisators in einen angeregten, sogenannten Triplet-
Wirksamkeit von VEGF-Inhibitoren bei neovaskulären Er- Zustand, der entweder in Form einer Typ-I-Reaktion mit
krankungen keine Bedeutung zu. dem Gewebe oder in Form einer Typ-II-Reaktion mit Sau-
erstoff reagieren kann. Letztere führt zu sehr reaktiven
Fazit für die Praxis singulären Sauerstoff und dürfte beim Wirkmechanismus
▬ Die Photodynamische Therapie mit Verteporfin hat als der PDT die größere Rolle spielen.
erstes relativ selektives Verfahren die Prognose zahlrei- ▬ Die PDT kann zelluläre, vaskuläre und immunmodula-
cher Erkrankungen der Makula mit Beteiligung der Cho- torische Effekte auslösen, die in einer Destruktion und
roidea, der Choriokapillaris und der Retina verbessert, Deformierung der Zellorganellen, Peroxidation von
insbesondere bei subfoveolarer Lage der Läsion. Diese Lipidmembranen, einer erhöhten Membranpermeabili-
Effekte sind zwischenzeitlich von VEGF-Inhibitoren mit tät, Endothelschäden, Thrombosen, Gefäßokklusionen,
deutlich besseren morphologischen und funktionellen Aktivieren verschiedener Interleukine und Lymphozyten
Ergebnissen bei exsudativen und choroidalen neovasku- sowie immunsuppressiven Effekten bestehen.
lären Läsionen überholt worden. Dies gilt insbesondere ▬ Verteporfin (Benzoporphyrinderivat Monoacid A) ist in
für die Behandlung von CNV. zahlreichen tierexperimentellen und klinischen Multizen-
▬ Wenn auch die PDT derzeit bei der AMD durch VEGF-Inhi- terstudien untersucht worden und der derzeit einzige
bitoren verdrängt worden ist und ihren Stellenwert verlo- zugelassene Photosensibilisator für die klinische Anwen-
ren hat, kann sie durchaus noch in speziellen Situationen dung und die Therapie okulärer Erkrankungen.
bei CNV außerhalb der AMD als sinnvolle Option gelten – Die liposomale Aufbereitung als Medikament erleich-
und ist in der Behandlung des choroidalen Hämangiom tert die Bindung an Plasmalipoproteine und LDL-
weiterhin die Therapie der ersten Wahl. Während die PDT Rezeptoren im Zielgewebe und verstärkt so die photo-
bei retinalen kapillären Hämangiomen, bei denen eine toxischen Effekte.
62 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

– Die kurze Halbwertszeit reduziert die toxischen Neben- – Es wurden vielversprechende Behandlungseffekte
wirkungen und das Risiko einer Photosensibilisierung. nach PDT vasoproliferativer Tumoren beobachtet.
– Das Absorptionsmaximum bei 692 nm wird in der The-
rapie genutzt. In der Behandlung parafovealer Teleangiektasien spielt die
▬ Die Effekte der PDT auf vaskuläre Läsionen können im PDT keine Rolle mehr.
Verlauf wie folgt charakterisiert werden:
– Endothelschaden (Stunden nach der PDT)
– Exsudation aufgrund der Gefäßpermeabilität (Stunden Literatur
4 nach der PDT)
– Photothrombose in den Gefäßen des Zielgewebes Aaberg TM Jr, Aaberg TM Sr, Martin DF, Gilman JP, Myles R (2006).
(Stunden bis Tage nach der PDT) Three cases of large retinal capillary hemangioma treated with
– Rekanalisation und Reproliferation durch die Aktivie- verteporfin and photodynamic therapy. Arch Ophthalmol,
123:328-332.
rung und Stimulierung angiogenetischer Faktoren wie
Allison BA, Waterfield E, Richter AM, Levy JG (1991). The effects of
VEGF (Wochen nach PDT) plasma lipoproteins on in vitro tumor cell killing and in vivo
– Fibrose und Deaktivierung nach wiederholter Behand- tumor photosensitization with benzoporphyrin derivative. Pho-
lung (Wochen bis Monate nach PDT) tochem Photobiol 54:709-715.
▬ Die Behandlung choroidaler Läsionen mit den expe- Anastassiou G, Bornfeld N, Schüler AO, Schilling H, Weber S, Flühs D,
Jurklies B, Sauerwein W (2006).Ruthenium-106 plaque brachythe-
rimentell und klinisch getesteten Parametern wurde
rapy for symptomatic vasoproliferative tumours of the retina. Br J
vorrangig durch die relativ höhere Selektivität der PDT Ophthalmol, 90:447-450.
gegenüber choroidalen als retinalen Gewebe begründet, Arnold JJ, Blinder KJ, Bressler NM, Bressler SB, Burdan A, Haynes L,
dennoch ist zu berücksichtigen, dass der Effekt der PDT, Lim JI, Miller JW, Potter MJ, Reaves A, Rosenfeld PJ, Sickenberg
wenn auch in möglicherweise schwächer ausgeprägter M, Slakter JS, Soubrane G, Strong HA, Stur M, Treatment of Age-
Related Macular Degeneration with Photodynamic Therapy
Form, nicht nur im choroidalen Zielgewebe, sondern
Study Group, Verteporfin in Photodynamic Therapy Study Group
auch im gesunden Gewebe, welches dem Zielstrahl aus- (2004). Acute severe visual acuity decrease after photodynamic
gesetzt ist, nachgewiesen werden kann. therapy with verteporfin: case reports from randomized clinical
▬ Toxische Effekte und Nebenwirkungen der PDT sind in trials – TAP and VIP report No. 3. Am J Ophthalmol, 137:683-696.
Anlehnung an die klinischen Multizenterstudien im We- Atebara NH (2002). Retinal capillary hemangioma treated with verte-
porfin photodynamic therapy. Am J Ophthalmol, 134:788-790.
sentlichen:
Bakri SJ, Sears JE, Singh AD (2005).Transient closure of a retinal capil-
– Funktionelle Beeinträchtigungen (Visus, Gesichtsfeld)
lary hemangioma with verteporfin. Retina, 25:1103-1104.
– Akuter schwerer Visusverlust und Visusminderung von Barbazetto IA, Smith RT (2003). Vasoproliferative tumor of the retina
mehr als 6 Zeilen treated with PDT. Retina, 23:565-567.
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– Lokale Injektionsreaktionen treatment and prophylaxis. Chapter 14 In: Berger JW, Fine SL,
– Allergische Reaktionen Maguire MG (eds.) age-related macular degeneration. Mosby, St.
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▬ Die derzeitigen Behandlungsparameter der PDT basieren Blasi MA, Scupola A, Tiberti AC, Sasso P, Balestrazzi E (2006). Photo-
dynamic therapy for vasoproliferative retinal tumors. Retina,
auf den Multizenterstudien zur Behandlung von CNV:
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– Verteporfin in einer Dosierung von 6 mg/m2 Kör- Bloom SM, Brucker AJ (1997). Principles of photocoagulation. In: Laser
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– Lichtdosis: 50 J/cm2 (ggbf. 100 J/cm2 bei vaskulären cott-Raven, Philadelphia.
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– Lichtintensität: 600 mW/cm2
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– Applikationsdauer: 83 s (166 s)
De Lahitte GD, Cohen SY, Gaudric A (2004). Lack of apparent short-
▬ Die Effekte der PDT auf retinale Läsionen sind unter Vor- term benefit of photodynamic therapy in bilateral, acquired,
behalt kleiner Fallzahlen und Fallserien bei gleichzeitig parafoveal teleangiectasis without subretinal neovascularization.
geringer Inzidenz dieser Erkrankungen zu bewerten: Am J Ophthalmol, 138:892-894.
– Die PDT stellt eine sinnvolle Behandlungsoption für De Vree WJ, Essers MC, Koster JF, Sluiter W (1997). Role of interleukin
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retinale kapilläre Angiome (RCA) dar, die einer alleini-
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64 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

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Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien


S. Brunner, S. Binder

5.1 Einleitung, historischer Überblick – 68

5.2 Vorbereitung zur vitreoretinalen Chirurgie: Geräte und Material – 68

5.3 Chirurgische Technik – 69


5.3.1 Inzisionstechniken – 69
5.3.2 Vitrektomieprinzipien – 70
5.3.3 Färbemethoden – 71
5.3.4 Behandlung ischämischer Netzhautareale – 72
5.3.5 Tamponaden, Wundverschluss – 74
5.3.6 Kombinierte Kataraktchirurgie und Vitrektomie – 75

5.4 Ausblick, Zukunftsperspektiven – 76

Literatur – 76

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_5,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
68 Kapitel 5 · Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien

Mittels moderner vitreoretinaler Chirurgie können auch fort- agulation mittels Gas- oder Silikonöltamponade versorgt.
geschrittene Fälle ischämischer retinaler Gefäßerkrankungen Reoperationen bei Diabetikern waren an der Tagesord-
erfolgreich behandelt werden. Die Hauptprinzipien dabei nung, da Rezidivblutungen unterhalb der Gas- oder Sili-
sind das Entfernen von Medientrübungen (Blut), die Entlas- konölblase, oder auch mit Silikon vermischt zu weiteren
tung vitreo-retinaler Adhärenzen und Traktionen, die Aus- Fibrosierungen über der Netzhaut führten. Die so ent-
schaltung ischämischer Netzhautareale und die Applikation standenen zusätzlichen Peri-Silikonölproliferationen und
verschiedener Tamponaden mit und ohne anti-angiogenen anterioren Ischämien verursachten häufig eine Rubeosis
Medikamenten zur Langzeitprophylaxe. Dieses Vorgehen iridis und ein Sekundärglaukom.
erfordert eine umfassende technische Ausstattung, wie Das moderne Konzept für den Einsatz der Vitrekto-
Koaxial-Mikroskop, Weitwinkel-Linsensysteme, Endo-Laser- mie bei retinalen Gefäßerkrankungen hat heute 4 wesent-
sonde, Mikroinstrumente, sowie verschiedene Tamponaden liche Ziele:
5 und Farbstoffe. Bei fortgeschrittener Ischämie können die 1. Die Entfernung eingetrübter Medien
Endophotokoagulation, Silikonöltamponade und Applikation 2. Die Erlangung eines inaktiven Zustandes der Erkran-
antiangiogener Stoffe die Freisetzung und Ausbreitung pro- kung
angiogener Wachstumsfaktoren im Glaskörperraum hem- 3. Eine Verbesserung der Sauerstoffversorgung der
men. Weiters stehen verschiedene chirurgische Optionen zur Netzhaut
vaskulären Rekanalisierung, verbesserten Oxygenierung und 4. Neue Therapieoptionen zur vaskulären Rekanalisie-
Ödemresorption in Erprobung. Bei kombinierter Kataraktchi- rung und Verbesserung der Durchblutung, sowie zur
rurgie ist auf eine ausreichend große Kapsulorhexis bei Scho- Abschwellung von Ödemen
nung der Hinterkapsel zu achten. Es sollten nur Intraokular-
linsen aus Acrylat verwendet werden, da Silikonlinsen nach
intraokularer Silikonöltamponade bei offener Linsenkapsel in 5.2 Vorbereitung zur vitreoretinalen
Kontakt zu Silikonöl quellen und sich eintrüben können. Chirurgie: Geräte und Material

Unverzichtbar sind ein binokulares (Stereo-)Mikroskop


5.1 Einleitung, historischer Überblick mit Koaxialbeleuchtung, 10- bis 30facher Vergrößerung
und fußgesteuerter Einstellung von Schärfe, Vergrößerung
Der erste erfolgreiche Fall einer Pars-plana-Vitrektomie, (Zoom) und XY-Position. Das Mikroskop sollte mit ent-
den Robert Machemer 1970 ausführte, war an einer diabe- sprechenden Laserfiltern, einem Strahlenteiler für die As-
tischen Patientin, die an einer chronischen Glaskörperblu- sistenz sowie einer Videokamera zur Dokumentation und
tung litt, glücklicherweise ohne schwere Proliferationen und Bildübertragung für das Pflegepersonal ausgerüstet sein.
ohne traktive Netzhautabhebung. In der Folge gab es viele Die Patienten werden am Auge für mindestens drei Minu-
Misserfolge nach Vitrektomien, da die ergänzenden Instru- ten desinfiziert und vor Einsetzen des Lidsperrers mit einem
mente, ein Endolaser und auch entsprechende Kenntnisse sterilen Tuch abgedeckt – dieses sollte für eine Vitrektomie
über den Verlauf einer vaskulären Netzhautkomplikation mit Plastiktaschen auf beiden Seiten ausgerüstet sein.
– sei es diabetesbedingt, aber auch nach Ast- und Zent- Zur intraokularen Visualisierung werden verschie-
ralvenenverschlüssen – fehlte. Die Entfernung dauerhaft dene Linsensysteme verwendet, diese können auf die
eingetrübter Medien war damals die Hauptindikation für Hornhaut auflegbar (Kontakt-Systeme) oder am Mikros-
eine Glaskörperchirurgie; über den Einfluss auf die Grund- kop montiert sein (Non-Kontakt-Systeme; ⊡ Abb. 5.1).
erkrankung hatte man keine entsprechenden Erfahrungen. Die heute am meisten verwendeten, an der unteren
Erst in den 80er Jahren wurde das Instrumentarium Optik des Mikroskops montierten Non-Kontakt-Systeme
entsprechend aufgerüstet, und der Einsatz des Endola- sind das BIOM sowie das EIBOS. Das BIOM erzeugt ein
sers verringerte die Nachblutungsrate bei Diabetikern um invertiertes, spiegelverkehrtes Bild, das mittels optischer
75%. Die chirurgische Technik der Pars-plana-Vitrek- Invertiervorrichtung während der OP seitenrichtig darge-
tomie war damals bereits eine 3-Port-Vitrektomie, ver- stellt werden kann. Mittels verschiedener Linsen sind hier
schiedene Linsensysteme ermöglichten einen guten Fun- Bildwinkel von 70° bis 110° möglich. Das EIBOS hingegen
duseinblick; das Konzept bei Gefäßerkrankungen war, erzeugt mit zwei verschiedenen Linsen ein aufrechtes
primär alle anterior-posterioren Traktionen zu entfernen, Bild im Winkel von 100° oder 125°.
sekundär alle horizontalen Traktionen in Netzhautnähe. Die Kontaktsysteme bestehen aus auf die Hornhaut
Adhärente fibrovaskuläre Platten (Proliferationen) auflegbaren, miniaturisierten Linsen mit Bildwinkeln von
wurden entweder mittels Mikroscheren segmentiert oder 68° bis 130°, die ein invertiertes (AVI) oder reinvertiertes
lamellär abgetragen, die Blutungen mittels Endodiather- (ROLS) Bild erzeugen. Zur korrekten Positionierung die-
mie koaguliert und das Auge nach einer Standardlaserko- ser Linsen ist zumeist eine Assistenz erforderlich.
5.3 · Chirurgische Technik
69 5
Regel in einem Vitrektomie-Kombigerät vereinigt, die
neuesten Modelle haben meist auch noch Licht, Luft-
pumpe, Diathermie, Phakoemulsifikation und eine oder
zwei Laserquellen integriert und sind über ein Touchpad
oder das Fußpedal bedienbar (⊡ Abb. 5.2).
Weitere im Rahmen der chirurgischen Therapie re-
tinaler Gefäßerkrankungen unverzichtbare Instrumente
sind verschiedene (Endo-) Pinzetten, Scheren, Spatel, Ka-
nülen, Absaugkanülen (»Fluidnadeln«) und weitere Spe-
zialinstrumente, die teilweise noch in Erprobung stehen
und bei den jeweiligen chirurgischen Techniken weiter
unten angesprochen werden.

⊡ Abb. 5.1 OP-Situs vor einer Vitrektomie. Das Binokularmikroskop 5.3 Chirurgische Technik
wurde mit sterilen Knöpfen versehen, am Objektiv ist ein BIOM-Weitwin-
kelsystem montiert. Das Steriltuch ist mit zwei Seitentaschen versehen
5.3.1 Inzisionstechniken

Seit den 1980er-Jahren werden bei einer Pars-plana-Vit-


rektomie nach türflügelartigem Eröffnen der Bindehaut
standardisiert 3 sklerale Inzisionen (»Ports«) angelegt:
▬ zuerst eine für die Infusionskanüle temporal unten
(bei 4 oder 8 Uhr),
▬ danach zwei weitere Inzisionen für das Endolicht
und den Arbeitszugang bei 10 und 2 Uhr.

Die korrekte Lage der Infusionskanüle sollte sofort kon-


trolliert werden, um eine subretinale oder subchoroidale
Infusion mit nachfolgender Hypotonie zu vermeiden.
Der Abstand der Inzisionen vom Limbus beträgt
4,0 mm beim phaken und 3,5 mm beim aphaken oder
pseudophaken Auge. Bis in die 1990er-Jahre war die
20-gauge(20-g)-Inzision mit einem Durchmesser von
0,89 mm (Schnittbreite 1,4 mm) weltweiter Standard. Seit
etwa 15 Jahren sind auch Kanülensysteme für wesentlich
kleinere Inzisionen am Markt (23-g, 25-g, 27-g), bei
denen die entsprechende Kanüle meist mittels Trokar
eingesetzt wird. Durch schräges Einführen dieser Trokare
durch die Sklera – parallel oder normal zum Limbus –
entsteht ein selbstabdichtender Tunnel, sodass die Inzisi-
onen am Ende der OP im Prinzip nicht zugenäht werden
müssen (⊡ Abb. 5.3).
Bislang wurden aber nur wenige randomisierte Ver-
⊡ Abb. 5.2 Vitrektomiegerät der neuesten Generation (ALCON Cons-
tellation Vision System). Das Gerät verfügt über eine komplette Kata-
gleichsstudien der verschiedenen Kleinschnitttechniken
rakt/Vitrektomie-Einheit mit Hochfrequenz-Cutter (max. 3.000 cpm) publiziert. Ihr wesentlicher Vorteil besteht in einem höhe-
und zwei Laser-Systemen ren Patientenkomfort in den ersten Tagen, diskutiert wird
auch ein gewisser Schutz vor Glaskörperinkarzeration in
der Sklerotomie. Werden gleiche Mengen an Glaskörper
Um eine Vitrektomie ausführen zu können, wird ein entfernt, wird der primäre Vorteil der kürzeren Inzisions-
miniaturisiertes Saug-Schneide-Gerät (Stripper oder dauer aber durch eine verlängerte Vitrektomiezeit wie-
Cutter) in Kombination mit einer starken Glasfaserlicht- der aufgehoben. Das Instrumentarium der 23-g-Systeme
quelle und einer zumeist druckgesteuerten Infusion ver- entspricht heute etwa dem 20-g-Standard und wird bei
wendet. Diese technischen Basisfunktionen sind in der nahezu allen Vitrektomieindikationen eingesetzt.
70 Kapitel 5 · Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien

Ziel der Vitrektomie ist nicht nur die Entfernung der


Medientrübung, sondern vor allem die Unterbrechung
fibrovaskulärer Proliferationen oder Traktionen und das
Ermöglichen einer adäquaten Laser- oder Kryopexiebe-
handlung ischämischer Areale, wie bei diabetischer Re-
tinopathie oder der Frühgeborenenretinopathie (Retino-
pathia of Prematurity=ROP). Bei fehlendem Fundusein-
blick und anliegender Netzhaut sollte bei ischämischen
a Gefäßerkrankungen, vor allem bei Diabetes Typ I, eine
möglichst frühzeitige Vitrektomie innerhalb von 4 bis
12 Wochen angestrebt werden, um die Prognose zu op-
5 timieren. Ein niedriges Patientenalter, das Fehlen einer
vorangehenden Laserbehandlung, eine Rubeosis Iridis
mit Neovaskularisationsglaukom oder eine beginnende
periphere Netzhautabhebung führen zu einer noch dring-
licheren OP-Indikation.
Neben der Wahl des Vitrektomiesystems (20-g oder
kleiner) spielen bei der OP zwei Faktoren eine wesentli-
che Rolle:
▬ die Schnittfrequenz (gemessen in cuts per minute =
cpm) und
▬ das Vakuum als Maß der Absaugfunktion (gemessen
b
in mmHg).
⊡ Abb. 5.3 Vergleich der derzeit verfügbaren Schneidsysteme (20-g,
23-g, 25-g). Die Ports der 23-g- und 25-g-Stripper liegen deutlich
Diese drei Parameter sollten möglichst optimal aufei-
näher an der Instrumentenspitze (a). Beachte den für die nahtlose nander abgestimmt werden, abhängig vor allem von
Technik notwendigen flachen Inzisionswinkel des Trokars (b) der Pathologie des Auges. Die Grundtechnik besteht
in langsam kreisenden Bewegungen des Strippers im
zentralen Glaskörperraum bei mittlerer Saug- und
! Cave! Schneidrate (z.B. für 20-g-Systeme: 150-200 mmHg,
Die 25-g- und 27-g-Systeme werden derzeit nach un- 1.000-1.500 cpm). Bei Glaskörpereinblutung oder zellu-
serer Meinung für komplizierte Fälle (wie die prolife- lärer Reaktion müssen Schnittrate und Vakuum entspre-
rative Vitreoretinopathie = PVR, traktive diabetische chend erhöht werden; bei fibrovaskulären Membranen
Retinopathie) nicht empfohlen, da das Instrumenta- im Rahmen ischämischer oder proliferativer Retino-
rium zu biegsam und das Lumen für die Aufarbeitung pathien wird die Schnittrate maximiert (bei 20-g: bis
dichter fibrovaskulärer Proliferationen zu eng ist. 2.000 cpm; bei 23-g und 25-g: bis maximal 5.000 cpm).
Hier zeigt sich ein deutlicher Vorteil der 23-g- und 25-
Bei solchen Fällen kann auch eine vierte Sklerainzision g-Instrumente, da bei hoher Schnittrate die Mobilität
bei 12 Uhr sinnvoll sein (»4-Port-Vitrektomie«); in dieser der Netzhaut gering ist.
wird eine starke Endolichtsonde befestigt oder durch die
! Cave!
Assistenz gehalten (»chandelier light«), um dem Ope-
Insbesondere bei netzhautnahem Arbeiten (z.B.
rateur ein optimales bimanuelles Arbeiten durch beide
Blutungen, Traktionsherde) oder Membranpee-
Zugänge bei 10 und 2 Uhr zu ermöglichen.
ling soll die Saugleistung deutlich (auf etwa
100-150 mmHg) reduziert werden, um ein Ansau-
5.3.2 Vitrektomieprinzipien gen der Netzhaut zu vermeiden.

Im Gegensatz dazu wird das Vakuum zur Induktion einer


Ausschneiden von Medientrübungen hinteren Glaskörperabhebung über dem Nervus opticus
Glaskörpereinblutungen bei ischämischen oder prolife- deutlich erhöht (bei 20-g auf >300 mmHg, bei 23-g auf
rativen Erkrankungen entstehen meist durch rupturierte 400-500 mmHg). Die Stripperöffnung muss für den Ope-
Gefäße oder Neovaskularisationen an der vitreoretinalen rateur stets sichtbar sein. Nach zentraler und posteriorer
Grenzfläche, oft besteht dabei eine inkomplette hintere Vitrektomie sollen die Glaskörperreste bei jeder Vitrek-
Glaskörperabhebung. tomie möglichst sorgfältig über 360° bis nach anterior
5.3 · Chirurgische Technik
71 5
▬ Die klassische Methode besteht in der Exzision
zunächst der antero-posterioren Adhärenzen, dar-
auffolgend auch der tangentialen oder horizontalen
Traktionen.
▬ Bei der neueren Methode, die sich speziell bei kom-
plexeren vitreoretinalen Proliferationen bewährt
hat, wird nach einer einfachen zentralen (Core-)
Vitrektomie die hintere Glaskörpergrenze »en bloc«
angehoben und abgelöst, was durch die nicht durch-
trennten antero-posterioren Verbindungen erleichtert
wird. Besonders festhaftende fibrovaskuläre Memb-
ranen, vor allem bei der diabetischen Retinopathie
(DRP), können dabei oftmals nur bis zum Ansatz
a
zurückgeschnitten (segmentiert) werden. Flächige
Adhärenzen müssen delaminiert werden. Auch hier
kann ein bimanuelles Arbeiten mittels »chandelier
light« oder kombiniertem Licht/Arbeitsinstrument
von Vorteil sein. Bei vorliegender traktiver Netz-
hautabhebung wird empfohlen, diese Schritte nach
Instillation einer Perfluoroctan-(PFCL) Blase über
dem hinteren Pol durchzuführen, um Makula und
Teile der abgehobenen Netzhaut zu stabilisieren
(s. u.). In diesen schwierigen Fällen ist auch der
zusätzliche Einsatz einer Cerclage zu überlegen
(⊡ Abb. 5.4;  Abschn. 8.2).

Praxistipp I I
Bei fest haftenden epiretinalen Membranen oder fibro-
vaskulären Segeln nach retinalen Gefäßerkrankungen
b
ist die Verwendung eines 23-g-Strippers hilfreich, da die
Öffnung (Port) nahe der Instrumentenspitze liegt und
⊡ Abb. 5.4 a Beispiel eines Patienten mit proliferativer diabetischer
Retinopathie, Glaskörpereinblutung und fibrovaskulären Traktionen ein netzhautnahes Arbeiten ermöglicht. Die Schnittrate
über den Gefäßarkaden, beginnende Traktionsamotio der Netzhaut. soll dabei eher hoch (>1.500 cpm) und das Vakuum
b Derselbe Patient nach erfolgreicher Vitrektomie, Membranektomie, mittel bis niedrig (<100 mmHg) eingestellt sein.
Laserkoagulation und Gas/Lufttamponade

5.3.3 Färbemethoden
ausgeschnitten werden, am besten unter Zuhilfenahme
einer Eindellung von außen (Indentation). Farbstoffe werden bei einer Vitrektomie vor allem zur
Darstellung schlecht kontrastierender epiretinaler und
Entlastung vitreo-retinaler Traktionen retinaler Membranen sowie Glaskörperstrukturen ver-
Die besonders nach retinalen Gefäßerkrankungen häufig wendet (»Chromovitrektomie«). Epiretinale Membranen
vorkommenden bindegewebigen vitreoretinalen Traktio- oder fibrovaskuläre Segel können dabei mittels Kanüle
nen dienen auch als Verbindungsschiene für kontraktile direkt angefärbt (Positivfärbung) oder durch Färbung der
Zellen und pro-angiogene sowie pro-inflammatorische Umgebung dargestellt werden (Negativfärbung).
Faktoren (zB. VEGF, SDF-1, IGF-1) mit den Kollagen- Eine Positivfärbung erzeugen z.B. Trypanblau (Mem-
fasern des Glaskörpers. Vor allem ein Zusammentref- braneBlue) oder Brillant Blau G (BrillantPeel), eine Nega-
fen kontraktiler Pigmentzellen mit Entzündungsfakto- tivfärbung z.B. Indozyaningrün (ICG) oder Infrazyanin-
ren führt dabei auch zu einem erhöhten PVR-Risiko. grün (0,05% bis 0,125% in 5% Glucose). Innere Netzhaut-
Fibrovaskuläre Gewebe können bei der Vitrektomie strukturen, wie die Membrana limitans interna, werden
nach zwei verschiedenen Prinzipien ausgeschnitten mit den Trypanblaufarbstoffen eher schwach, mit den
werden: Zyaningrünfarbstoffen deutlich stärker gefärbt.
72 Kapitel 5 · Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien

Zu beachten ist dabei eine relativ kurze Einwirkungs-


zeit (10-30 s für Brillant Blau G bzw. 5-10 s für ICG), um
toxische Gewebeschäden durch die Farbstoffe möglichst
zu vermeiden. Vor allem nach einer ICG-Färbung wird
ein intensives Absaugen und Ausspülen des Farbstoffes
um den Nervus opticus empfohlen, da hier in Studien
teils irreversible Schäden im peripheren Gesichtsfeld
nachgewiesen wurden.

Praxistipp I I
5 Zur besseren Visualisierung eines noch anheftenden
Glaskörpers kann auch Triamcinolonacetonid (4-10 mg;
40 mg/ml) in den Glaskörperraum appliziert werden.
Die Kristalle sind ein guter Indikator für periphere oder
anteriore Glaskörperreste, die besonders bei ischämi- ⊡ Abb. 5.5 Schema einer Endo-Laserkoagulation. Die Lasersonde hat
schen oder proliferativen Retinopathien zu weiterer eine ausfahrbare halbrunde Verlängerung, somit ist die netzhautnahe
Schrumpfung oder PVR führen können. Des Weiteren Koagulation an nahezu jeder Position im idealen Winkel möglich
verfügen die Kortisonkristalle über eine anti-inflamma-
torische und anti-proliferative Wirkung.
mit Vorsicht erfolgen, da sie zu weiteren Gefäßverschlüs-
sen und Ischämien führen kann. Blutungen sollten nicht
direkt gelasert werden, um eine nachfolgende Narbenbil-
5.3.4 Behandlung ischämischer dung oder Schrumpfung zu vermeiden. Bei vorliegender
Netzhautareale Netzhautablösung erfolgt die Laserkoagulation im PFCL-
oder gasgefüllten Auge mit bereits wieder anliegender
(Endo)-Laserkoagulation Netzhaut (⊡ Abb. 5.5,  Abschn. 8.2).
Die Lasertherapie stellt nach wie vor die vielleicht we-
sentlichste und dauerhafteste Maßnahme in der Behand- Radiäre Optikusneurotomie
lung ischämischer und proliferativer Retinopathien dar. Diese Technik zur Behandlung retinaler Zentralvenen-
Neben der Versorgung von Netzhautforamina ist vor thrombosen (ZVT) beruht auf der Annahme, dass die
allem die Scatter-Koagulation bei fokaler Ischämie und meisten Thrombosen im Bereich der Lamina cribrosa
die panretinale Koagulation bei allen ischämischen Reti- entstehen. Bei abnehmendem Blutfluss kommt es an die-
nopathien mit Neovaskularisation von Netzhaut oder Iris ser natürlichen Engstelle zu einer »klappenartigen« Kom-
von Bedeutung (vor allem bei Thrombosen und DRP). pression der Zentralvene. Es folgen Endothelverände-
Zunehmende Bedeutung erhält die Laserkoagulation rungen und schließlich die Ausbildung eines Thrombus
auch bei der ROP, wo die Indikation zu einer Vitrektomie von posterior nach anterior. Die radiäre Optikusneuro-
heute eher sparsamer und später im Krankheitsverlauf tomie (RON) verfolgt daher das Prinzip, den arteriellen
gestellt wird. Durchfluss an dieser Stelle mittels Durchtrennung des
Zur intraoperativen Behandlung sind heutzutage vor Skleraringes am nasalen Teil des Sehnervenkopfes zu
allem Dioden- und Argon-Lasersysteme – teils auch in- entlasten. Durch konsekutive Reduktion der Ischämie soll
tegriert in die Vitrektomieeinheit (⊡ Abb. 5.2) – in Ver- damit auch der venöse Abfluss verbessert werden. Dazu
wendung. Das Schema einer Endo-Laserbehandlung ent- wurde von Opremcak 2001 eine Spezialklinge entwickelt,
spricht im Prinzip der Behandlung an der Spaltlampe, die eine stumpfe und eine scharfe Seite aufweist. Eine
wobei vor allem auf eine ausreichende periphere, aber entsprechende Markierung zeigt die ideale Eindringtiefe
auch anteriore Laserkoagulation unter zirkulärer Inden- von 1,5 mm an. Im Rahmen einer Standardvitrektomie
tation zu achten ist. Neben den Parametern Spotgröße, erfolgt die Inzision unter erhöhtem Intraokulardruck (ca.
Dauer, Intensität und Pigmentierungsgrad sind hier vor 50 mmHg), um mögliche Blutungen zu verhindern. Der
allem auch der Abstand und Winkel der Lasersonde Schnitt erfolgt sodann am nasalen Papillenrand hori-
zur Netzhautoberfläche entscheidend für eine korrekte zontal, mit der spitzen Seite nach außen (⊡ Abb. 5.6).
Koagulation. Zu intensive Koagulate können zu choroi- Meist kommt es zu keiner signifikanten Blutung und die
daler Neovaskularisation (CNV), Netzhautdefekten und OP kann normal – mit und ohne Tamponade – zu Ende
-nekrosen führen. Die Laserbehandlung und Ausschal- geführt werden. Histopatologische Studien zeigten keine
tung von Neovaskularisationen oder Aneurysmen soll nennenswerte Optikusatrophie oder tiefere Schädigung
5.3 · Chirurgische Technik
73 5
rektomie dieses Funktionsverbesserungen bewirkten. Ein
weiterer Nachteil dieser Methode besteht in einer relativ
hohen intraoperativen (venösen) Blutungsrate von bis zu
40%.
Kritisch zu beurteilen sind auch die positiven Resul-
tate einiger Studien, in denen Patienten mit AVT sofort
nach Diagnosestellung operiert wurden, ohne den oft-
mals günstigen Spontanverlauf in diesen Fällen abzuwar-
ten ( Abschn. 10.3).

Membranpeeling
Diese chirurgische Maßnahme stellt einen ganz wesent-
lichen Schritt bei vielen Vitrektomien dar, insbesondere
nach retinalen Gefäßerkrankungen. Abgesehen von idio-
pathischen (»macular pucker«) oder traktiven epi- und
⊡ Abb. 5.6 Prinzip der radiären Optikusneurotomie (RON). Die nasale
Inzision erfolgt nach Standardvitrektomie unter erhöhtem Intraoku- subretinalen Membranen nach Ablatio retinae oder PVR
lardruck, die Markierung der Klinge ist sichtbar kommt es sehr häufig auch zu sekundären Membranen.
Diese können nach ischämischen Retinopathien – speziell
nach venösen Gefäßverschlüssen, bei einer diabetischen
von Aderhaut und Sklera. Zahlreiche klinische Studien Retino- und Makulopathie – sowie nach längerfristiger
ergaben eine anatomische Verbesserung mit Abnahme intraokulärer Silikonöltamponade auftreten. Die patho-
des Makulaödems und Erhöhung des Blutflusses bei bis genetische Bedeutung einer chirurgischen Membranent-
zu 95%, sowie eine Visusbesserung über 4 Zeilen bei etwa fernung (»Membranpeeling«) reicht von einer mechani-
25%; bei unserem Patientengut kam es zu einem Visusan- schen Komponente, die Traktionen und Schrumpfung
stieg von über 3 Zeilen bei 49%. Insbesondere beschrie- entgegenwirkt, bis hin zu physikalisch-chemischen Ef-
ben die meisten Autoren postoperativ eine signifikante, fekten einer verbesserten retinalen Oxygenierung durch
raschere Ausbildung chorio-retinaler Anastomosen an optimierte Konvektion.
der Papille. Weitere randomisierte Studien sind noch aus- Alle Membranen können vor ihrer Entfernung mittels
ständig, um den Stellenwert der RON im Rahmen einer Vitalfärbung dargestellt ( Abschn. 5.3.3) und schließlich
ZVT besser einzuordnen ( Abschn. 8.3). mittels Scraper, Mikropinzetten und -scheren abgezo-
gen werden. Bei sehr festhaftenden Membranen muss
Sheathotomie gelegentlich der Ansatz stehen gelassen oder mit dem
Eine retinale Astvenenthrombose (AVT) entsteht häu- Stripper verkleinert werden. Subretinale Membranen und
fig vor arteriovenösen Gefäßkreuzungen. Das pathoge- fibrotische Stränge können teilweise über kleine Retino-
netische Konzept nimmt eine Kompression der Vene tomien exzidiert oder zumindest verkürzt werden.
durch die jeweils darunter- oder darüberliegende Ar- Besondere Erfolge konnten in den letzten Jahren bei
terie an, da Arterie und Vene in einer gemeinsamen der Behandlung des diabetischen Makulaödems (DMÖ)
Adventitiascheide (»adventitial sheath«) liegen. Das Ziel erzielt werden. Die Indikationen zur Vitrektomie mit
der Sheathotomie ist somit, diese Scheide möglichst ge- und ohne Peeling von epiretinalen Membranen oder der
fäßschonend zu durchtrennen, um damit die Obstruk- Membrana limitans interna (MLI) wurden dabei auf Pati-
tion des venösen Blutstromes aufzuheben. Zu diesem enten mit vitreomakulärer Traktion, geringer subretinaler
Zweck wurde auch eine speziell gebogene Gefäßpinzette Flüssigkeit, relativ kurzer Anamnesedauer und nur mäßig
entwickelt. verschlechtertem Ausgangsvisus eingegrenzt. Neben der
Zahlreiche klinische Studien aus den letzten 20 Jah- Entfernung präretinaler traktiver Membranen könnte hier
ren zeigten, dass das Verfahren relativ sicher und repro- eine verbesserte präretinale Sauerstoffkonzentration nach
duzierbar durchgeführt werden konnte. Eine verbesserte Vitrektomie, sowie die Entfernung vasoaktiver Media-
Perfusion sowie anatomische Verbesserung wurde bei toren in der hinteren Glaskörpergrenzschicht eine Rolle
den meisten operierten Patienten gefunden, eine Funkti- spielen. Eine Kontrolle dieser Faktoren kann nämlich
onsbesserung von mehr als 2 Zeilen bei über 60%. direkt oder indirekt eine Stabilisierung der Blut-Retina-
Dennoch konnte sich diese Technik nicht völlig Schranke bewirken, die beim Diabetes mellitus (DM) in
durchsetzen, da unter anderem nicht klar ist, ob die der Funktion gestört ist – was vor allem beim Typ-II-DM
Sheathotomie selbst oder bereits das zentrale Peeling der zu erhöhter Permeabilität der Netzhautgefäße mit daraus
Membrana limitans interna (MLI) im Rahmen der Vit- folgendem DMÖ führt ( Abschn. 8.3).
74 Kapitel 5 · Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien

Embolektomie
Verschiedene Autoren konnten auch die erfolgreiche Re-
kanalisation verschlossener venöser und arterieller Netz-
hautgefäße nach chirurgischer Eröffnung des Gefäßlu-
mens und nachfolgender Exzision oder Verdrängung des
okkludierenden Embolus bzw. Thrombus zeigen. In einer
Fallserie wurde der Thrombus nach Gefäßpunktion der
Zentralvene mittels feiner Glaskanüle und Injektion von
BSS und rtPA nach anterograd weitergespült. 54% der
PatientInnen hatten daraufhin eine Visusbesserung um
mindestens 3 Zeilen. Diese Technik wurde von anderen
5 Gruppen wiederholt, die positiven Ergebnisse konnten
jedoch nicht bestätigt werden, außerdem zeigte sich eine
etwas höhere Komplikationsrate (vor allem intra- und
postoperative Blutungen).
⊡ Abb. 5.7 Embolektomie bei einem Patienten nach Astarterienver-
In einer kleineren Kohorte von PatientInnen nach
schluss. Der exzidierte, kleine, gelbweiße, verkalkte Embolus ist ne-
Astarterienverschluss mit sichtbarem Embolus wurde ben der eröffneten Zentralarterie am Rande einer Blutung erkennbar
dieser nach Stichinzision der Arterienwand entfernt und
abgesaugt. Hier zeigten sich nur mäßige intra/postope-
rative Blutungskomplikationen bei deutlichem durch-
schnittlichem Visusanstieg um 4-5 Zeilen. Zusammen- dibles Luft/Gasgemisch verabreicht werden (SF6: 18%,
fassend befinden sich diese Operationsmethoden aber C2F6: 16%, C3F8: 14%), um das Risiko einer postoperati-
noch in klinischer Evaluierung, da weltweit erst etwa ein ven okulären Hypertension zu verringern.
Dutzend Fälle publiziert worden sind. Sie können aber im
! Cave!
Einzelfall, vor allem bei kurzer Anamnese, eine therapeu-
Wichtig ist auch, bereits präoperativ abzuklären,
tische Option für erfahrene Netzhautchirurgen darstellen
ob der/die Patient/in eine entsprechend notwen-
( Abschn. 10.4).
dige Lagerung auch einhalten kann. Die Verwen-
dung von N2O als Narkosegas bei diesen PatientIn-
5.3.5 Tamponaden, Wundverschluss nen führt zur dessen Anreicherung in der Gasblase
im Auge, aber auch dessen postoperativer Abat-
mung, sodass Gasnarkosen in diesem Zeitraum
Prinzipiell werden bei Vitrektomie nach retinalen Ge-
vermieden werden sollten.
fäßerkrankungen am Ende dieselben Tamponaden in den
Glaskörperraum instilliert wie bei allen anderen Vitrekto- Als temporäre Tamponade während einer Vitrektomie
mieindikationen. In Frage kommen daher BSS, Luft, ver- sind Perfluorkarbone (PFCL) heutzutage ein unverzicht-
schiedene expandierbare Gase, (nicht)expansible Gas/Luft- bares Werkzeug. Durch hohes spezifisches Gewicht und
Gemische oder Silikonöl verschiedener Schweregrade. Oberflächenspannung kommen sie zur Stabiliserung der
Die Entscheidung, welche Tamponade zum Einsatz Netzhaut bei schwierigen Fällen (PVR, Ablatio retinae,
kommt, hängt natürlich von der jeweiligen Pathologie Fremdkörper-Extraktion, Entfernung schwerer Silikonöle)
und den sonstigen Begleitumständen ab – etwa, ob es zu oder intraoperativen Komplikationen, wie subretinalen
Nachblutungen oder einer Netzhautablösung (Ablatio) Blutungen, zum Einsatz. Auch die Endolaserapplikation ist
gekommen ist. Standardfälle ohne schwere intraoperative vereinfacht, da die Netzhaut durch PFCL an das Pigmen-
Komplikationen werden meist mit BSS oder gefilterter tepithel gedrückt wird. PFCL müssen jedoch vor Ende der
Luft alleine versorgt. Bei mäßig schweren Komplikati- OP wieder entfernt werden, da sie bei längerer Verweilzeit
onen wie Blutungen ohne PVR, Netzhautdefekten oder im Auge durch Diffusion ins Gewebe toxische Effekte (Gli-
umschriebener Ablatio wird die Verwendung von expan- ose, PVR, Photorezeptordefekte) haben können.
dierenden Gasen, wie semifluorierten Alkanen empfoh- Bei schweren Komplikationen oder Rezidiveingrif-
len. Diese haben die Tendenz Stickstoff, Sauerstoff und fen, nach (diabetischer) PVR, bei Ablatio der unteren
CO2 aus dem Blut rasch aufzunehmen und dadurch bis Hälfte oder nach schwerer Ischämie ist die vorüberge-
zu einem Equilibrium zu expandieren, woraus sich eine hende Instillation von Silikonöl (SiO) nach wie vor in-
unterschiedlich lange durchschnittliche Verweildauer im diziert. SiO kann direkt im Austausch gegen BSS, PFCL
Glaskörperraum ergibt (SF6: 2 Wochen, C2F6: 2 Wochen, oder Luft über die Infusionskanüle instilliert werden. Die
C3F8: 4 Wochen). Die Gase können auch als nichtexpan- SiOs sind chemisch hochgereinigte Polydimethylsiloxane,
5.3 · Chirurgische Technik
75 5
deren Molekulargerwicht und damit Viskosität von der
Länge ihrer Seitenketten abhängig sind. Es sind SiOs ▬ Bei abgehobener Netzhaut und notwendiger Prä-
von 1.000-5.000, 5.700 oder 10.000 centistokes (ct) als paration fibrovaskulärer Proliferationen oder epi-
Maß für die Viskosität erhältlich. Es konnte jedoch bei retinaler Membranen schützt die Instillation von
den verschiedenen Kettenlängen der SiOs kein signifi- PFCL über dem hinteren Pol die Makula während
kanter Unterschied im funktionellen oder anatomischen der weiteren Schritte
Outcome gefunden werden. Im weiteren scheint in der ▬ PFCL-Silikonaustausch: Nach kompletter Füllung
Qualität und Sicherheit SiOs gleicher Kettenlänge von des Auges mit PFCL bis zur Infusionsebene erfolgt
verschiedenen Herstellern kein klinisch signifikanter Un- der Umstieg auf Silikoninfusion. Das PFCL wird
terschied zu bestehen. Die kurzkettigen SiOs sind für nun unterhalb des Silikonöls mittels Fluidnadel
leichtere Fälle mit kürzerer Tamponadedauer von 1 bis abgesaugt, wobei auf möglichst vollständige Ent-
3 Monate geeignet, die langkettigeren, schwereren SiOs fernung der dazwischen liegenden Flüssigkeitsla-
dienen der Versorgung komplexer Fälle mit inferiorer melle zu achten ist.
PVR für eine entsprechend längere Anwendungsdauer.
Densiron 68 ist eine Mischung aus 5.000 mPas SiO Eine schonende Dissektion der Gewebe von der Netz-
und 3,5 mPas F6H8, weist eine geringe Viskosität auf und haut gelingt durch die »En-bloque-Technik«, hier kann
ist etwas schwerer als Wasser (1,06 g/cm3). Solche SiOs auch ein wenig Healon zur leichteren Separation und
können im Rahmen retinaler Gefäßerkrankungen eine zum Schutz vor iatrogenen Netzhautrissen verwendet
abdichtende Wirkung, vor allem im unteren Glaskör- werden
perraum ausüben. Damit können sie die Diffusion von
(Blut-)Zellen und vasoaktiven Mediatoren (VEGF, SDF-1,
IGF, Interleukine) nach anterior unterbrechen, sodass
sowohl die Entwicklung einer anterioren PVR als auch 5.3.6 Kombinierte Kataraktchirurgie
eines Sekundärglaukoms damit gebremst werden kön- und Vitrektomie
nen. Andererseits kann es, insbesondere nach retinalen
Gefäßerkrankungen mit gestörter Blut-Retina-Schranke Heute werden die meisten Vitrektomien – auch jene bei
und erhöhter Permeabilität, zu einer »Kompartimentie- retinalen Gefäßerkrankungen – in Kombination mit einer
rung« vasoaktiver Substanzen unter der SiO-Blase, mit Kataraktoperation ausgeführt, sofern der/die Patient/in
darauffolgender »sub-SiO-Proliferation« kommen. Um über 50 Jahre und nicht pseudophak ist. Grund dafür
Spätkomplikationen durch die SiOs, wie Emulsifikation, ist die raschere Kataraktformation nach einer Vitrekto-
epiretinale Membranformation, Fibrosierungen, Optiku- mie – insbesondere bei Verwendung von Tamponaden
satrophie, Glaukom oder Keratopathie, zu verhindern, wie Gas oder Silikonöl – aber natürlich auch die relativ
wird die Entfernung der SiOs nach etwa 3 bis 6 Monaten große Sicherheit und Effizienz einer Katarakt-OP. Diese
empfohlen, bei Densiron 68 bereits nach maximal 3 Mo- wird stets vor der Vitrektomie ausgeführt, um den Fun-
naten; tendenziell sollte der jeweils frühestmögliche Ter- duseinblick zu verbessern und die Gefahr eines »lens
min angestrebt werden. Eine zukünftige Anwendungs- touch« zu vermeiden. Standard ist hier die übliche skle-
möglichkeit der SiOs, insbesondere bei ischämischen rokorneale oder korneale Kleinschnitttechnik mit Inzisi-
Retinopathien, ist die Verwendung modifizierter SiOs onsgrößen unter 3 mm. Die Intraokularlinse (IOL) kann
(FSiOs) als intraokulare Medikamententräger, im Ide- mittels Pinzette oder Injektor implantiert werden. Am
alfall als »Slow release-Systeme«. Erste Studien mit Tri- Ende der Kataraktoperation kann die Inzision mit einer
amcinolon und anderen Substanzen zeigten eine sichere temporären Naht verschlossen oder hydratisiert werden;
Anwendung und gute Wirksamkeit dieser Systeme, sie die Vorderkammer wird neuerlich mit Viskoelastikum
stehen aber noch nicht in breiter klinischer Verwendung. gefüllt, um während der nachfolgenden Vitrektomie sta-
bil zu bleiben. Zu beachten ist weiter eine ausreichend
Praxistipp I I große vordere Kapsulorhexis, die den Rand der IOL ge-
PFCL sollten langsam und kontinuierlich über der rade noch überdeckt, um die postoperative Kapselfibrose
Netzhaut instilliert werden, um iatrogene Netzhaut- und Nachstarrate niedrig zu halten. Zonula und hintere
foramina und subretinales PFCL zu vermeiden. Ins- Linsenkapsel müssen geschont werden, um einen Durch-
besondere submakuläre PFCL-Blasen müssen mittels tritt eventueller Tamponaden in die Vorderkammer zu
einer Fluidnadel wieder abgesaugt werden, um einen verhindern. Insbesondere bei geplanter oder möglicher
Visusverlust zu vermeiden. Silikonölchirurgie dürfen keine Silikonlinsen verwendet
werden, da diese sonst über die Linsenkapsel mit dem

Silikonöl im Glaskörperraum verkleben. Zum Schutz der
76 Kapitel 5 · Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien

Makula, insbesondere bei ischämischen Gefäßerkrankun- Literatur


gen oder proliferativer diabetischer Retinopathie wird der
protektive Effekt gelber Blaulichtfilter-IOLs diskutiert, Binder S, Aggermann T, Brunner S (2007) Long-term effects of radial
optic neurotomy for central retinal vein occlusion consecutive
hier fehlt zur Zeit aber noch die Evidenz einer klinischen
interventional case series. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol.
Wirksamkeit. 245(10):1447-52
Brunner S, Izay B, Weidinger B, Maichel B, Binder S (2011) Chemical
impurities and contaminants in different silicone oils in human
5.4 Ausblick, Zukunftsperspektiven eyes before and after prolonged use. Graefes Arch Clin Exp Oph-
thalmol. Jan;249(1):29-36
Farah ME, Maia M, Rodrigues EB (2009) Dyes in ocular surgery: princip-
Die Zukunft der Vitrektomie liegt sicherlich – wie schon les for use in chromovitrectomy. Am J Ophthalmol. 148(3):332-40
die Erfahrung der letzten Jahrzehnte gezeigt hat – in
5 einem immer breiter werdenden, aber auch differenzier-
Feltgen N, Junker B, Agostini H, Hansen LL (2007) Retinal endovascu-
lar lysis in ischemic central retinal vein occlusion: one-year results
terem Indikationsspektrum. Dazu beigetragen haben ihre of a pilot study. Ophthalmology 114(4):716-23
relativ rasche weltweite Verbreitung, zunehmende Sicher- Figueroa MS, Contreras I, Noval S (2009) Anti-angiogenic drugs as an
adjunctive therapy in the surgical treatment of diabetic retinopa-
heit und fortschreitende Weiterentwicklung. Die neuesten thy. Curr Diabetes Rev 5(1):52-6. Review
Innovationen betreffen Kleinschnitt-(»small-gauge«)-In- Gandorfer A, Kampik A (2005) Pharmacologic vitreolysis combining
zisionen, die bei nahezu gleichem Anwendungsspektrum the two enzymes plasmin and hyaluronidase. Retina 25(5):674;
und niedrigen Komplikationsraten vor allem zur Verkür- author reply 674-5
zung der postoperativen Wundheilung und Verbesserung García-Arumí J, Martinez-Castillo V, Boixadera A, Fonollosa A, Corco-
stegui B (2006) Surgical embolus removal in retinal artery occlu-
des Komforts der PatientInnen beigetragen haben; die
sion. Br J Ophthalmol. 90(10):1252-5
kleinsten Systeme (27-gauge) sind derzeit noch in Erpro- Ibarra MS, Hermel M, Prenner JL, Hassan TS (2005) Longer-term out-
bung. Weitere Ansätze der jüngeren Forschung betreffen comes of transconjunctival sutureless 25-gauge vitrectomy. Am J
die Entwicklung vitreolytisch wirksamer Medikamente, Ophthalmol 139:831-6.
die alleine oder in Kombination mit einer Vitrektomie Joussen AM, Gardner TW, Kirchhof B, Ryan SJ (2007) Retinal Vascular
Disease. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg
zu einer effizienteren, schonenderen Behandlung bei vit-
Kellner L, Wimpissinger B, Stolba U, Brannath W, Binder S (2007) 25-
reoretinalen Erkrankungen – vor allem bei vorliegenden gauge vs 20-gauge system for pars plana vitrectomy: a prospec-
vitreoretinalen Traktionen – beitragen sollen. tive randomised clinical trial. Br J Ophthalmol. 91(7):945-8
Durch die Entwicklung immer weiter miniaturisierter Kroll P, Meyer CH, Mester U, Binder S, García-Arumi J (2005) Sheatho-
Instrumente, verbesserter Farbstoffe und Tamponaden tomy to decompress BRVO. Ophthalmology 112(3):528-9
Lang GE (2007) Diabetic Retinopathy, Vol. 39; from Developments in
kann die Vitrektomie seit einiger Zeit auch in der Früh-
Ophthalmology (Editor: W. Behrens-Baumann), Karger AG, Basel
behandlung schwerer oder ischämischer retinaler Ge- Opremcak EM, Rehmar AJ, Ridenour CD, Kurz DE (2006) Radial optic
fäßerkrankungen angewendet werden. Das Maß für die neurotomy for central retinal vein occlusion: 117 consecutive
Invasivität soll jedoch auch hier sein: »so viel wie nötig, cases. Retina 26(3):297-305
so wenig wie möglich«: Kleinschnitttechnik, saubere und Oshima Y, Wakabayashi T, Sato T, Ohji M, Tano Y (2010) A 27-gauge
instrument system for transconjunctival sutureless microincision
ausreichende Vitrektomie, Membranpeeling nach sparsa-
vitrectomy surgery. Ophthalmology 117(1):93-102.e2. Epub 2009
mem Anfärben, Laserkoagulation, eventuell Applikation Oct 31
anti-inflammatorischer und anti-angiogener Medika- Park DH, Kim IT (2010) Long-term effects of vitrectomy and internal
mente, stadiengerechte Auswahl der Tamponaden, mit limiting membrane peeling for macular edema secondary to cen-
tendenziell eher restriktivem Einsatz von Silikonöl. Das tral retinal vein occlusion and hemiretinal vein occlusion. Retina
30(1):117-24
Behandlungskonzept wird dabei immer mehr individua-
Schmid-Kubista KE, Lamar PD, Schenk A, Stolba U, Binder S (2010)
lisiert, also an Art und Ausmaß der Netzhauterkrankung Comparison of macular function and visual fields after memb-
sowie die sonstigen Begleitumstände angepasst werden rane blue or infracyanine green staining in vitreoretinal surgery.
(vor allem bei extrem schwierigen Erkrankungen wie der Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol. 248(3):381-8
ROP). Das Ziel muss dabei immer eine möglichst rasche, Scott IU, Flynn HW Jr, Murray TG, Smiddy WE, Davis JL, Feuer WJ (2005)
Outcomes of complex retinal detachment repair using 1000- vs
bestmögliche funktionelle Rehabilitation mit geringst-
5000-centistoke silicone oil. Arch Ophthalmol. 123(4):473-8
möglicher Komplikations- oder Rezidivrate sein. Bei al- Stefansson E, Landers MB (2006) How does vitrectomy affect diabetic
len faszinierenden Entwicklungen der Netzhautchirurgie macular edema? Am J Ophthalmol 141:984
der jüngsten Zeit dürfen aber nach wie vor die Grenzen Stolba U, Binder S, Gruber D, Krebs I, Aggermann T, Neumaier B (2005)
von Ethik und Sinnhaftigkeit nicht übersehen werden. Vitrectomy for persistent diffuse diabetic macular edema. Am J
Ophthalmol 140:295-301
Hier ist, insbesondere bei Augenerkrankungen mit ent-
Wong D, Van Meurs JC, Stappler T, Groenewald C, Pearce IA, McGalli-
sprechender internistischer oder neurologischer Grund- ard JN, Manousakis E, Herbert EN (2005) A pilot study on the use
erkrankung, eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Analyse und of a perfluorohexyloctane/silicone oil solution as a heavier than
optimale interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich. water internal tamponade agent. Br J Ophthalmol. 89(6):662-5
6

Behandlung des rubeotischen


Sekundärglaukoms
T. Schlote, K. U. Bartz-Schmidt

6.1 Stadieneinteilung und Therapieziele – 78

6.2 Therapie des frühen rubeotischen Sekundärglaukoms (Offenwinkeltyp) – 79

6.3 Therapie des fortgeschrittenen rubeotischen Sekundärglaukoms


(Winkelblocktyp) – 82

6.4 Glaucoma absolutum mit Schmerzen – 83

Literatur – 85

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_6,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
78 Kapitel 6 · Behandlung des rubeotischen Sekundärglaukoms

Das rubeotische Sekundärglaukom (Neovaskularisationsglau-


⊡ Tab. 6.1 Erkrankungen mit dem Risiko eines rubeotischen
kom) ist eines der am Schwersten zu therapierenden Sekun- Sekundärglaukoms
därglaukome überhaupt. Die Visusprognose ist in der Regel
bereits als Folge der Grunderkrankung eher schlecht. Immerhin Retinale Proliferative diabetische Retinopathie
Ischämie Zentralvenenverschluss
bis zu 15% aller Enukleationen erfolgen wegen eines therapie-
Zentralarterienverschluss
resistenten rubeotischen Sekundärglaukoms, bei bis zu 50% Ischämische Ophthalmopathie
aller enukleierten Augen ließ sich eine Rubeosis iridis nachwei- Lange bestehende Ablatio retinae
sen. Die weit größte Zahl der rubeotischen Sekundärglaukome Sichelzellanämie
(rund 97%) entsteht auf der Basis einer retinalen Ischämie. Da- Retinopathia prematurorum
Strahlenretinopathie
bei spielen zwei Krankheitsbilder eine überragende Rolle: X-chromosomal vererbte Retinoschisis
▬ die proliferative diabetische Retinopathie und
▬ die proliferative Retinopathie nach Zentralvenenverschluss. Entzündliche Intermediäre / posteriore Uveitiden
Erkrankungen Fuchs Heterochromie Zyklitis
Morbus Behçet
6 Die Häufigkeit des rubeotischen Sekundärglaukoms liegt bei Morbus Eales
bis zu 8% bei proliferativer diabetischer Retinopathie und bis Vogt-Koyanagi-Harada-Syndrom
zu 30% nach Zentralvenenverschluss. Zur Behandlung eines Systemischer Lupus erythematodes
Sympathische Ophthalmie
rubeotischen, ischämisch induzierten Sekundärglaukoms ge-
hört deshalb immer auch die Behandlung der ischämischen Intraokulare Retinoblastom
Retinopathie. Viele dieser Behandlungsschritte wie der reti- Tumoren Melanom der Iris/ Choroidea
nalen Pan-Laserkoagulation dienen bereits im Vorhinein der Lymphom
Metastasen
Prophylaxe eines rubeotischen Glaukoms.
Weit seltener sind dagegen die rubeotischen Glaukome
anderer Genese (⊡ Tab. 6.1). In all diesen Fällen stellt die
Therapie eine Kombination aus der Behandlung der jeweils 6.1 Stadieneinteilung und Therapieziele
vorliegenden Grunderkrankung und der Behandlung der Fol-
geerscheinung Neovaskularisationsglaukom dar. In diesem Das rubeotische Sekundärglaukom bei retinaler Ischämie
Kapitel gilt die besondere Aufmerksamkeit dem Letzteren. kann in 3 Formen bzw. Stadien eingeteilt werden:
▬ Frühes rubeotisches Sekundärglaukom mit überwie-
Praxistipp I I gend offenem Kammerwinkel (⊡ Abb. 6.1a,b)
Hauptauslöser eines rubeotischen Sekundärgaukoms ▬ Fortgeschrittenes rubeotisches Sekundärglaukom mit
sind die proliferative diabetische Retinopathie und der verschlossenem Kammerwinkel (sekundäres Winkel-
Zentralvenenverschluss. blockglaukom) (⊡ Abb. 6.1c)
▬ Glaucoma absolutum mit oder ohne Schmerzen

a b c

⊡ Abb. 6.1 Kammerwinkelbefunde bei rubeotischem Sekundärglaukom. a Offener Kammerwinkel (keine vorderen Synechien), beginnende
Neovaskularisation. b Offener Kammerwinkel mit ausgeprägten Neovaskularisationen und fokalen peripheren vorderen Synechien. c Komplet-
ter verschlossener Kammerwinkel durch vordere Synechien (sekundärer Winkelblock) (Aus Schlote et al. 2007)
6.2 · Therapie des frühen rubeotischen Sekundärglaukoms (Offenwinkeltyp)
79 6
Dieser Stadieneinteilung folgend sind unterschiedliche
Therapiestrategien erforderlich, die im Folgenden behan-
delt werden.
Grundsätzlich wird das Ziel einer Glaukomtherapie
aktuell so definiert, dass die Sehfunktion des Patienten
und damit seine Lebensqualität zu vertretbaren Kosten
unter Berücksichtigung der Lebenserwartung eines indi-
viduellen Patienten zu erhalten ist.
Für die spezielle Situation der rubeotischen Sekun-
därglaukome (bei retinaler Ischämie) lassen sich die The-
rapieziele noch weiter konkretisieren:
a
▬ Behandlung der retinalen Ischämie
▬ Rückbildung von Rubeosis iridis und Kammerwin-
kelneovaskularisationen
▬ Verhinderung eines sekundären Winkelblocks durch
vordere Synechierung
▬ Kontrolle des Intraokulardrucks (IOD)
▬ Erhalt der Sehschärfe (und Lebensqualität)
▬ Vermeidung chronischer Schmerzzustände

6.2 Therapie des frühen rubeotischen


Sekundärglaukoms (Offenwinkeltyp)
b
Das frühe rubeotische Sekundärglaukom ist gekenn-
zeichnet durch erhöhten Intraokulardruck (IOD), Kam-
merwinkelneovaskularisationen und fehlender (oder
gerade beginnender) peripherer vorderer Synechierung
(⊡ Abb. 6.1a,b, ⊡ Abb. 6.2a).
Bei der Verlaufskontrolle von Patienten mit retinaler
Ischämie (D.m., Z.n. Zentralvenenverschluss) muss be-
dacht werden, das Kammerwinkelneovaskularisationen
ohne an der Spaltlampe sichtbare Rubeosis nicht selten
sind. Browning et al. (1988) konnten Kammerwinkelneo-
vaskularisationen ohne Rubeosis iridis bei 12% der Au-
gen nach Zentralvenenverschluss beobachten. Ähnliche
c
Befunde fanden sich auch bei Patienten mit diabetischer
Retinopathie. Die Gonioskopie ist deshalb unverzicht-
⊡ Abb. 6.2 Gonioskopiebefunde bei rubeotischem Sekundärglaukom.
barer Bestandteil aller Kontrolluntersuchungen von Pa- a Frühe Kammerwinkelneovaskularisationen ohne vordere Synechien.
tienten mit retinalen Ischämien. Typisch sind irregulär b Kompletter Kammerwinkelverschluss (sekundärer Winkelblock).
verteilte feine Gefäße, die über das ganze trabekuläre c Siderosis des trabekulären Maschenwerks (Aus Schlote et al. 2007)
Maschenwerk hinweg ziehen können.

Praxistipp I I
Kammerwinkelneovaskularisationen ohne erkennbare malisierung des IOD beim frühen Neovaskularisations-
Rubeosis sind nicht selten. Deshalb immer eine Goniok- glaukom.
sopie durchführen! Bei klaren optischen Medien ist die panretinale La-
serkoagulation als Goldstandard zu bezeichnen. Ohnishi
et al. (1994) konnten eine Rückbildung der Rubeosis bei
Die Behandlung der retinalen Ischämie ist der wichtigste 68% der Patienten und eine Normalisierung des IOD bei
Schritt, um eine Rückbildung der Neovaskuarisationen 42% der Patienten beobachten. Dabei besteht eine klare
auf der Iris und im Kammerwinkel zu bewirken, und Abhängigkeit vom Umfang der Panlaserkoagulation.
damit auch ein sehr wichtiger Einflussfaktor für die Nor- Striga und Ivanisevic (1993) fanden eine Rückgang der
80 Kapitel 6 · Behandlung des rubeotischen Sekundärglaukoms

6 a

⊡ Abb. 6.3 Intravitreale Anti-VEGF-Therapie bei Rubeosis iridis. a Iris-Fluoreszenzangiographie zur Dokumentation der Rubeosis vor Gabe von
Bevacizumab (links Leeraufnahme, rechts 2 min nach Applikation der Fluoreszein). b Iris-Fluoreszenzangiographie gleichen Auges nach Gabe
von Bevacizumab (links Leeraufnahme, rechts 2 min nach Applikation von Flureszein) (Mit freundl. Genehmigung von Grisanti et al. 2006)

Rubeosis in 70% nach ausgiebiger Panlaserkoagulation


(1.200-1.600 Herde), aber nur in 37,5% nach lockerer
Praxistipp I I
Die adjuvante (!), intravitreale Applikation von Anti-
Panlaserbehandlung (400-650 Herde).
VEGF-Antikörpern zur Behandlung der Rubeosis ist ein
! Cave! »Off-label-use«, aber sehr schnell und gut wirksam.
Eine lockere oder unvollständige Panlaserkoagu-
lation verschlechtert die Rückbildungstendenz
Als topische IOD-senkende Mittel kommen vor allem
einer Rubeosis erheblich.
Mittel zur Senkung der Kammerwasserproduktion (Be-
Ergänzend zur Panlaserkoagulation hat sich die frühe, tablocker, Karboanhydrasehemmer, Alpha-2-Analoga)
adjuvante Behandlung einer Rubeosis mittels intravit- unter Berücksichtigung möglicher Kontraindikationen
realer Applikation von Anti-VEGF-Antikörpern (Ranibi- infrage. Prostaglandinanaloga sind vermutlich weniger
zumab oder Bevacizumab) als sehr erfolgreich erwiesen. wirksam, da erhöhte intraokulare Prostaglandinspiegel
Bereits die einmalige intravitreale Gabe kann innerhalb aufgrund der begleitenden entzündlichen Prozesse vor-
weniger Tage zu einem weitgehenden Verschluss rubeoti- liegen. Pilocarpin ist ebenfalls nicht empfehlenswert, da
scher Gefäße auf der Iris und im Kammerwinkel führen es die Blut-Kammerwasser-Schranke weiter verschlech-
(⊡ Abb. 6.3). Wiederholte Injektionen sollten nur in Ab- tert und bei Pupillenverengung die Ausbildung hinterer
hängigkeit vom individuellen Verlauf erfolgen. Synechien fördert.
6.2 · Therapie des frühen rubeotischen Sekundärglaukoms (Offenwinkeltyp)
81 6
Praxistipp I I müssen. Die Behandlung eines frühen rubeotischen
Sekundärglaukoms mit überwiegend offenem Kammer-
Keine Prostaglandinanaloga oder Pilocarpin beim Neo-
winkel und weitgehend klaren optischen Medien scheint
vaskularisationsglaukom.
auf der Basis der genannten Optionen in folgender
Kombination dieser Verfahren aktuell am Erfolg ver-
Zusätzlich zur drucksenkenden Lokaltherapie sollte eine sprechendsten:
lokale antientzündliche Therapie durchgeführt wer- 1. Suffiziente panretinale Laserkoagulation
den, da der Zusammenbruch der Blut-Kammerwasser- 2. Frühe intravitreale Gabe von Bevacizumab
Schranke zu einem erhöhten Protein- und Zellgehalt im 3. Topische IOD-senkende Therapie, bei Scheitern
Kammerwasser führt, und entzündliche Prozesse ein nachfolgende Trabekulektomie mit MMC.
wesentlicher Faktor bei der Ausbildung von Synechien
sind. Am Potentesten sind Prednisolonacetat- und Dexa- Praxistipp I I
methason-Augentropfen, allerdings mit dem Risiko des Therapie des frühes Neovaskularisationsglaukom
sekundären, steroidinduzierten Druckanstiegs. Alterna- = Panlaserkoagulation + intravitreal Anti-VEGF + topi-
tiv kann auf Rimexolon zurückgegriffen werden, das sche Glaukomittel und ggf. nachfolgende Trabekulek-
eine geringere drucksteigernde Potenz haben soll. tomie mit MMC.
Fistulierende Eingriffe wie die Trabekulektomie
kommen bei Patienten mit persistierender IOD-Erhö-
hung trotz maximaler lokaler Therapie nach Behandlung Gelingt keine ausreichende Panlaserkoagulation (1.200
der retinalen Ischämie mit einer Panlaserkoagulation, bis 1.600 Herde), kann zusätzlich eine periphere, retinale
Rückbildung der Rubeosis und überwiegend offenem Kryotherapie oder transsklerale Zyklophotokoagulation
Kammerwinkel infrage. Ohne Antimetaboliten oder eine erfolgen. Die panretinale Kryotherapie stellt durchaus
andere Form der adjuvanten Therapie ist jedoch mit eine effektive Behandlungsmethode zur Rückbildung ei-
einer hohen Vernarbungsrate (80%) zu rechnen (Mietz ner Rubeosis und IOD-Kontrolle bei frühen Neovasku-
et al. 1999). Selbst mit Mitomycin C (MMC) Applikation larisationsglaukomen dar. Es wurde über eine IOD-Kon-
ist von einer eher reduzierten Erfolgsrate (30-60%) aus- trolle bei 82% der Patienten ein Jahr nach panretinaler
zugehen. Kryotherapie berichtet.
Neue Möglichkeiten bietet die Kombination aus Tra- Aufgrund der guten technischen Entwicklung stellt
bekulektomie und anti-VEGF-Therapie. Die gleichzei- die Pars-plana-Vitektomie (mit/ohne Lentektomie) und
tige intravitreale Gabe von Bevacizumab verbessert die Endolaserphotokoagulation heute die Methode der
Prognose der Trabekulektomie im Vergleich zu einer Wahl dar zur Behandlung proliferativer Retinopathien
alleinigen Trabekulektomie. Weitgehender ist das von mit Progression von Rubeosis und Retinopathie nach
Alkawas und Mitarbeitern (2010) untersuchte Konzept, unzureichender bzw. therapeutisch nicht ausreichend
bei dem zunächst eine Panlaserkoagulation mit intravit- wirksamer Panlaserkoagulation. Bei Glaskörpertrü-
realer Gabe von Bevacizumab erfolgte und nachfolgend bungen kann sie bereits sehr früh notwendig werden.
eine Trabekulektomie mit MMC durchgeführt wurde. Bei dieser Vorgehensweise (Vitrektomie ohne Endo-
Eine weitere kleine Studie von Marey und Ellakwa tamponade) ist allerdings mit einer weiter erhöhten
(2011) an 20 Augen konnte bei gleicher Vorgehens- Konzentration von VEGF im Glaskörperraum zu rech-
weise eine Erfolgsrate von 78% nach einem Jahr beob- nen. Ein rubeotisches Sekundärglaukom mit progres-
achten. Histopathologisch konnte in den während der siver, proliferativer Retinopathie nach insuffizienter
Trabekulektomie entnommenen Trabekelwerksproben Panlaserkoagulation wird deshalb in der Regel eine so
bei Vorbehandlung mit anti-VEGF-Hemmern geringere genannte antiproliferative Chirurgie benötigen. Diese
entzündliche und vaskuläre Veränderungen beobachtet beinhaltet eine Pars-plana-Vitrektomie, Endolaser-
werden. In einer weiteren kleinen Fallserie wurde zu- photokoagulation von Retina und Ziliarkörper sowie
sätzlich zur intraoperativen Gabe von MMC am Ope- eine Endotamponade mit Silikonöl. Bartz-Schmidt et
rationsende zusätzlich Bevazicumab subkonjunktival al. (1999) berichteten bei dieser Vorgehensweise über
appliziert. eine IOD-Normalisierung bei 72% der behandelten
Fasst man all die genannten Möglichkeiten der adju- Patienten mit unkontrolliertem rubeotischen Sekun-
vanten anti-VEGF-Therapie im Rahmen der Glaukom- därglaukom bei proliferativer diabetischer Retinopathie
chirurgie neovaskulärer Glaukome zusammen, scheint oder Zentralvenenverschluss. Die Silikonöltamponade
sich die anti-VEGF-Therapie auch in diesem Segment verhindert postoperative Komplikationen und sepa-
allmählich zu etablieren, auch wenn zukünftige Stu- riert den vorderen und hinteren Augenabschnitt von-
dien noch die beste Applikationsweise herausarbeiten einander.
82 Kapitel 6 · Behandlung des rubeotischen Sekundärglaukoms

Praxistipp I I
Rubeotisches Sekundärglaukom, (Glaskörpertrübun-
gen) und proliferative Retinopathie bei insuffizienter
Panlaserkoagulation bedürfen einer Pars-plana-Vit-
rektomie/Endolaserkoagulation/Endotamponade mit
Silikonöl.

Bei Scheitern einer Trabekulektomie kann eine trans-


limbale Implantation eines Drainageröhrchens (Molteno,
Baerveldt, Ahmed) oder eine transsklerale Zyklophoto-
koagulation durchgeführt werden. Die translimbale Im-
plantation eines Drainageimplantats ist prinzipiell ge- ⊡ Abb. 6.4 Ausgeprägte Rubeosis vor allem der peripheren Iris und
6 eignet für Patienten ohne vollständige Verlegung des des Kammerwinkels bei proliferativer diabetischer Retinopathie. (Aus
Kammerwinkels. Mermoud und Mitarbeiter (1993) be- Schlote et al. 2007)
richteten über eine Erfolgsrate nach Einsetzen eines (»sin-
gle plate«) Molteno-Implantats bei 60 Augen mit rubeoti-
schem Glaukom von 62% nach einem Jahr und 10% nach Mittel wie bei der frühen Form des Neovaskularisations-
5 Jahren. 48% der Augen erblindeten, 18% entwickelten glaukoms ( Abschn. 6.2).
eine Phthisis bulbi. Die Autoren empfahlen die Methode Für das sekundäre Winkelblockglaukom steht nach
deshalb nur bei Augen mit dem Behandlungsziel der suffizienter Behandlung der retinalen Ischämie durch
Schmerzfreiheit und Vermeidung einer Enukleation. panretinale Laserkoagulation die transsklerale Zyklo-
Die transsklerale Zyklophotokoagulation kann bei photokoagulation zur Verfügung. In der Literatur sind
einem deutlich geringeren Risiko von Komplikationen Erfolgsraten zwischen 56% und 87% bei einer Nachbe-
besonders bei älteren Patienten erfolgreich eingesetzt obachtungszeit von 1 bis 5 Jahren beschrieben worden.
werden. Vergleichbare Erfolgsraten nach Zyklophotoko- Wiederholte Behandlungen sind bei 40% bis 50% der Pa-
agulation versus Trabekulektomie beim Neovaskularisa- tienten notwendig. Gegenüber anderen Glaukomformen
tionsglaukom wurden berichtet ( Abschn. 6.3 und  Ab- besteht möglicherweise ein erhöhtes Risiko der Hypo-
schn. 6.4). tonie und Phthisis, da die jeweils individuell erforderli-
che Dosis bei Vorliegen eines Kammerwinkelverschlus-
ses kaum abschätzbar ist. Die wiederholte Behandlung
6.3 Therapie des fortgeschrittenen scheint insgesamt die sinnvollere Vorgehensweise als eine
rubeotischen Sekundärglaukoms forcierte Erstbehandlung.
(Winkelblocktyp) Bei aktiver proliferativer Retinopathie wird die Zyk-
lophotokoagulation (endo- oder transskleral) häufig in
Das fortgeschrittene rubeotische Glaukom ist durch den Kombination mit einer Pars-plana-Vitrektomie, Endola-
(sub)totalen Kammerwinkelverschluss durch exzessive serphotokoagulation und Silikonöltamponade notwendig
vordere Synechierung (sekundärer Winkelblock) ge- sein (s. antiproliferative Chirurgie unter  Abschn. 6.2)
kennzeichnet (⊡ Abb. 6.1c und ⊡ Abb. 6.2b). Der typische Die transsklerale Zyklophotokoagulation bleibt wei-
Spaltlampenbefund zeigt eine ausgeprägte Rubeosis iridis ter eine gute Option bei Patienten mit langfristiger Si-
(⊡ Abb. 6.4), die im Folgenden mit einem Verlust der nor- likonöltamponade und Sekundärglaukom. Beschrieben
malen Irisarchitektur durch Ausbildung einer fibrovasku- wurden Erfolgsraten um 50%. Möglicherweise erhöhen
lären Membran einhergeht. Weitere Sekundärkomplikati- mehrfache, vorhergehende vitreoretinale Eingriffe das
onen sind eine Pupillenverziehung, Ectropium uveae, He- Risiko einer späteren Bulbushypotonie nach Diodenlaser-
terochromie, hintere Synechien, Katarakt, bandförmige Zyklophotokoagulation.
Hornhautdegeneration. Trotzdem wird ein Teil der Patienten mit rubeoti-
Ein überwiegend verschlossener Kammerwinkel wird schem sekundären Winkelblockglaukom mit den oben
in der Regel mit einer bleibenden IOD-Erhöhung ein- genannten Möglichkeiten nicht ausreichend therapierbar
hergehen, selbst wenn eine suffiziente Behandlung der sein. Eine Möglichkeit bieten hier die Pars-plana modi-
retinalen Ischämie und ein Rückgang der Rubeosis er- fizierten Drainageimplantate (⊡ Abb. 6.5). Für das mo-
reicht werden. Auch die topische, medikamentöse Glau- difizierte Baerveldt-Implantat wurden hohe Erfolgsraten
komtherapie wird in dieser Situation häufig scheitern. Zu von bis zu 90% bei sekundären Winkelblockglaukomen
bevorzugen sind prinzipiell kammerwasserreduzierende beschrieben.
6.4 · Glaucoma absolutum mit Schmerzen
83 6

⊡ Abb. 6.5 Pars-plana Baerveldt Drainageimplantat mit Hofmann- ⊡ Abb. 6.6 Retinektomie im tempero-superioren Quadranten der
Ellbogen. (Aus Schlote et al. 2007) Retina. (Aus Schlote et al. 2007)

Alternativ kann das modifizierte Ahmed Glaucoma Als letzte Möglichkeit der IOD-Senkung steht die Reti-
Valve mit Pars-plana-Clip verwendet werden. In einer nektomie zur Verfügung (⊡ Abb. 6.6). Bei der Retinek-
Pilotstudie wurde dieses nach vorheriger separater Vit- tomie mit intraokularer Gastamponade zeigten 5 Jahre
rektomie und nach Scheitern der Zyklophotokoagulation nach dem Eingriff 53% aller behandelten Augen einen
bei sekundären Winkelblockglaukomen verschiedener IOD im Normbereich. Andererseits entwickelten 48%
Genese implantiert und führte zu einer IOD-Regulation der Augen retinale Komplikationen. Das Risiko retinaler
(<21 mmHg) bei 91% der Patienten innerhalb des ers- Komplikationen kann wahrscheinlich durch Kombina-
ten Jahres. In einer weiteren Studie wurde bei 18 Augen tion mit einer zeitlich begrenzten Silikonöltamponade
mit Neovaskularisationsglaukom zeitgleich eine Vitrek- deutlich verringert werden.
tomie, panretinale Laserkoagulation und Implantation
einer Pars-plana Ahmed Valve durchgeführt. Insgesamt
erreichten rund 72% der Augen einen IOD zwischen 6.4 Glaucoma absolutum mit Schmerzen
5 und 21 mmHg. Bei der Implantation von Drainageim-
plantaten muss im Besonderen auf frühe und zeitliche Das primäre Ziel der Behandlung eines blinden, schmerz-
etwas verzögerte (2 Monate postoperative) Druckspitzen haften Auges liegt in der Beschwerdefreiheit bei gleichzei-
geachtet werden. Ein größerer Teil der Patienten wird tig kosmetisch akzeptabler Situation (⊡ Abb. 6.7).
auch postoperativ mittelfristig eine zusätzlich drucksen- Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Schmerzen bei
kende Tropfentherapie benötigen. einem blinden Auge mehrere Gründe haben können:
▬ Schmerzen aufgrund eines erhöhten IOD
Praxistipp I I ▬ Schmerzen aufgrund eines Ziliarkörperspasmus bei
Pars-plana modifizierte Drainageimplantate sind bei persistierender intraokularer Entzündung
vorheriger oder zeitgleicher Durchführung einer Pars- ▬ Schmerzen aufgrund einer Oberflächenproblematik
plana-Vitrektomie eine gute Option zur Senkung des
IOD bei sekundären Winkelblockglaukomen. Bei schmerzinduzierendem, erhöhten IOD wird eine
topische medikamentöse Therapie der erste Therapie-
schritt sein. Ein nicht kleiner Teil der Patienten wird
! Cave! aber so nicht ausreichend behandelbar sein. Die trans-
Druckspitzen nach Einsetzen von Drainageim- sklerale Zyklophotokoagulation hat sich als gute Me-
plantaten in den ersten postoperativen Monaten! thode zur Reduktion des IOD, aber auch zur Reduktion
84 Kapitel 6 · Behandlung des rubeotischen Sekundärglaukoms

kann) kann ebenfalls mit einer systemischen Kortikos-


teroidtherapie über mehrere Wochen erfolgreich behan-
delbar sein. Es handelt sich hier jeweils um Einzelfall-
entscheidungen, für die es es keine allgemein gültigen
Richtlinien gibt.
Schmerzen aufgrund einer Oberflächenproblema-
tik beinhalten die Benetzungsstörung, Dekompensation
der Hornhaut, bandförmige Hornhautdegeneration und
tropische Hornhautulzera. In Frage kommen Tränener-
satzmittel, Serum-Augentropfen, Verbandslinsen, Entfer-
nung einer Hornhautbanddegeneration, oder die Am-
nionmembrantransplantation zur Deckung trophischer
Hornhautulzera bis hin zur Bindehautdeckung oder par-
⊡ Abb. 6.7 Blindes, schmerzhaftes Auge mit rubeotischem Glaukom
6 und bandförmiger Hornhautdegeneration nach mehrfachen chirurgi-
tiellen bis kompletten Tarsorhaphie.
schen Eingriffen. (Aus Schlote et al. 2007)
Fazit für die Praxis
Die Behandlung eines rubeotischen Sekundärglaukoms
schließt sich zunächst der Therapie der Grunderkrankung
der Schmerzen (selbst wenn der IOD nicht oder nur an, wobei es sich vor allem um eine retinale Ischämie unter-
graduell sinken sollte) bewährt. Martin und Broadway schiedlicher Genese handelt.
(2001) konnten über eine Beseitigung von Schmerzen Bei frühen Formen des rubeotischen Glaukoms kann
bei 95% der Patienten nach Diodenlaser-Zyklophotoko- die konsequente panretinale Laserkoagulation eine IOD-
agulation berichten. Die Schmerzreduktion war signi- Normalisierung bewirken. Die frühe intravitreale Gabe
fikant assoziiert mit einer IOD-Senkung über 30% des von Anti-VEGF-Faktoren scheint diesen Prozess wirksam
Ausgangswertes. Ein intraokularer Eingriff sollte wenn zu unterstützen. Bei weiter persistierender IOD-Erhöhung
möglich vermieden werden, da bei diesen Augen wegen trotz Lokaltherapie nach gelungener Behandlung der
der schwierigen Ausgangssituation nicht beherrschbare retinalen Ischämie scheint die Trabekulektomie mit Mito-
Komplikationen auftreten können und ein (wenn auch mycin C die Erfolg versprechendste Operationsmethode.
niedriges) Risiko einer sympathischen Ophthalmie ein- Progrediente neovaskuläre Glaukome mit unzureichender
gegangen wird. Behandlung der retinalen Ischämie bedürfen einer anti-
Alternativ oder bei Scheitern anderer Behandlungs- proliferativen Chirurgie (Vitrektomie, Endolaser, Silikonöl-
möglichkeiten kann eine retrobulbäre Injektion von Al- tamponade).
kohol oder Chlorpromazin (nicht mehr zugelassen in der Das rubeotische Glaukom mit verschlossenem Kammer-
Bundesrepublik Deutschland) erwogen werden. Es wurde winkel kann bei ausreichender retinaler Laserkoagulation
über eine Erfolgsrate von 80% nach Retrobulbärinjektion mittels transskleraler Zyklophotokoagulation behandelt
von 1-2 ml Chlorpromazin (25 mg/ml) berichtet. Mehr werden, da die topische medikamentöse Therapie zumeist
als 50% der Patienten blieben länger als 1 Jahr schmerz- nicht ausreichend ist. Bei Progredienz des proliferativen Ge-
frei. schehens wird eine antiproliferaitve Chirurgie erforderlich
Die Enukleation bleibt die Ultima Ratio und be- sein. Lässt sich der IOD trotz vorgenannter Möglichkeiten
wirkt eine Schmerzbeseitigung bei den meisten Patienten nicht beherrschen, stellen die Drainageimplantate via Pars
(>90%). Dies gilt insbesondere für Fälle einer beginnen- plana eine gute Behandlungsmöglichkeit mit relativ hoher
den schmerzhaften Phthisis. Erfolgsaussicht dar.
Ein entzündungsbedingter Schmerz muss auch an- Beim blinden, schmerzhaften Glaukomauge richtet sich
tientzündlich angegangen werden, wobei hier auf eine der Therapieansatz nach der Ursache der Schmerzen, die
mögliche infektiöse Genese (z.B. bakterielle Hornhautin- entzündungsbedingt, IOD-bedingt, oder durch Oberflä-
filtrate) zu achten ist. Fehlen Hinweise auf eine infekti- chenprobleme bedingt sein können. Die Enukleation bleibt
öse Genese, kommen bei intraokularer Entzündungsre- die Ultima Ratio.
aktion topische Kortikosteroide mit hoher Wirkpotenz Die Behandlung des neovaskulären Glaukoms befindet
(Dexamethason, Prednisolonacetat) in Kombination mit sich insgesamt in einem interessanten Entwicklungspro-
Zykloplegika in Frage. Eine beginnende schmerzhafte zess, wobei z.B. die weitere Optimierung der Anti-VEGF-The-
Phthisis kann gelegentlich auch auf eine systemische rapie und der Drainageimplantate wichtige Ansatzpunkte
Kortikosteroidtherapie ansprechen. Die seltene, nicht- für eine Verbesserung der Prognose bei diesen schwierigen
infektiöse Skleritis (die auch Teil einer Phthisis sein Glaukomen bieten.
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7

Pharmakologische Ansätze in der


Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen
F. Ziemssen

7.1 Einleitung – 88

7.2 Pharmakodynamische Prinzipien – 88

7.3 Pharmakokinetik in der Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen – 89


7.3.1 Glaskörperraum als »Reservoir« – 89
7.3.2 Elimination und Verteilung intravitrealer Medikamente – 89
7.3.3 Blut-Netzhaut-Schranke – 89
7.3.4 Moderne Drug-Delivery-Systeme – 90

7.4 Intravitreale operative Medikamentenapplikation (IVOM) – 91


7.4.1 Leitliniengerechte Durchführung – 92
7.4.2 Risiken und Komplikationen – 93

7.5 Schlussbemerkungen – 94

Literatur – 94

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_7,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
88 Kapitel 7 · Pharmakologische Ansätze in der Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen

Die Verfügbarkeit moderner Medikamente hat zu einem biotechnologischen Fortschritte ermöglichen es heute,
exponentiellen Anstieg der intravitrealen Pharmakotherapie ein Medikament so zu designen, das es zielgerichtet ein
geführt. Schon allein deshalb ist das Wissen um pharmakolo- Zytokin, ein Rezeptormolekül oder den entscheidenden
gische Prinzipien, die korrekte Durchführung sowie relevante Botenstoff eines Signaltransduktionswegs beeinflusst. Die
Risiken des Eingriffs von großer Bedeutung für die klinische Rezeptoren werden grob in mindestens vier verschiedene
Routine. funktionelle Familien eingeteilt:
1. Typ-1-Rezeptoren sind Membranproteine, die mit
einem Ionenkanal verbunden sind (Rezeptor eines
7.1 Einleitung Neurotransmitters)
2. Bei Typ-2-Rezeptoren wird die biologische Wirkung
Während früher allein Medikamente des vorderen Au- zwischen Membranprotein und Enzym oder Kanal
genabschnitts – insbesondere Augentropfen – den Markt durch ein G-Protein vermittelt
der ophthalmologischen Präparate dominiert haben, 3. Die Signalweitergabe an den Typ-3-Rezeptoren er-
spielen retinale Strukturen als Angriffspunkte eine zu- folgt typischerweise durch ein direkt gebundenes
nehmende Rolle. Obwohl das Konzept, den Glaskör- Enzym oder inhärente enzymatische Aktivität (Phos-
7 per als Medikamentenreservoir oder Depot zu nutzen, phorylierung des Insulinrezeptors)
ursprünglich schon von Machemer (PVR-Prophylaxe) 4. Typ-4-Rezeptoren sind wiederum im Zellkern oder
stammt, wurden die ersten Erfahrungen mit der intra- Zytoplasma lokalisiert und beeinflussen dort die Ge-
vitrealen Pharmakotherapie hauptsächlich in der Be- nexpression (Steroidrezeptoren)
handlung infektiöser Retiniden und Endophthalmitiden
weiterentwickelt. Indem Erreger wie Bakterien oder Cy- Die räumliche Organisation ist dafür verantwortlich, dass
tomegalieviren direkt am Ort der Erkrankung behandelt es trotz überlappender Botenstoffe und interagierender
wurden, konnte die systemische Exposition und so auch Signalwege (Crosstalk) nicht zu einem völligen Durchei-
die Nebenwirkungen reduziert werden. Gleichzeitig kann nander kommt.
die Dosis an die okulären Anforderungen angepasst wer- Entsprechend der Wirkung werden Medikamente in
den, weil die Blut-Netzhaut-Schranke der retinalen Ge- ▬ Agonisten,
fäße nicht mehr zu überwinden ist. Nach kristalloiden ▬ Antagonisten,
Wirkstoffen, die definierte Mengen entsprechend des ▬ partielle Agonisten,
Löslichkeitsprodukts abgeben, stehen heute ausgeklü- ▬ inverse Agonisten und
gelte Drug-Release-Systeme für den Glaskörperraum zur ▬ allosterische Modulatoren
Verfügung.
Den rasanten Durchbruch verdankt die medikamen- unterschieden. Es ist wichtig, zwischen der Wirkstärke
töse Therapie aber auch der Entwicklung zielgerichteter oder Potenz einer Substanz, die angibt, welche mini-
Biologika. Weil eine Affektion der retinalen Gefäße nicht malen Dosen nötig sind, um einen gewünschten Effekt
zuletzt den ophthalmologischen »Volkserkrankungen« zu zu erzielen, und dem Maximaleffekt eines Wirkstoffs
Grunde liegt, waren es die VEGF-Inhibitoren, die weltweit zu differenzieren. Einzelne Individuen können sich in
neue Therapiemaßstäbe mit der intravitrealen operativen dieser Dosiswirkungsbeziehung, die mit der mittleren
Medikamentenapplikation (IVOM) setzten. Schätzungen Effektivdosis ED50 beschrieben werden kann, erheblich
gehen davon aus, dass in den westlichen Industrieländern unterscheiden. Für das therapeutische Fenster eines Me-
mittlerweile mindestens 300 IVOMs/100.000 Einwohner dikaments ist vor allem die Spanne zwischen wirksamem
und Jahr erfolgen. Bereich und negativen Effekten von Bedeutung. Bei den
sogenannten Biologika steht auf Seiten der Toxizität die
Antigenität zunehmend im Blickfeld (Anaphylaxie und
7.2 Pharmakodynamische Prinzipien Tachyphylaxie durch Antikörper).
In Bezug auf die Pharmakodynamik muss man zum
Das Verständnis von biochemischen Abläufen erlaubt es, Teil multiple Mechanismen eines einzelnen Wirkstoffs
das gerichtete Angreifen eines Pharmakons an ein Mo- berücksichtigen (Pleiotropie). Diese können durch ver-
lekül zu planen. Die Zielstruktur eines Medikaments ist schiedene Zielstrukturen bedingt sein, die auch ein zeit-
dabei nicht notwendigerweise das retinale Gefäß selbst, lich abweichendes Ansprechen (früh – spät) erklären
sondern z.B. bei Infektionen ein Fremdorganismus. Ne- können (⊡ Tab. 7.1). Die Spezifität der Effekte muss ge-
ben Stoffen, die mit Membranproteinen und Ionenka- nauso beachtet werden wie Reversibilität (Bindungsaffi-
nälen interagieren, sind Substanzen zu berücksichtigen, nität) und Kompetition mit anderen Bindungsepitopen
die intrazellulär binden (Zytoskelett, Promotoren). Die (Spare-Rezeptor).
7.3 · Pharmakokinetik in der Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen
89 7
gehen. Hohe Wirkstoffdosen und systemische Exposition
⊡ Tab. 7.1 Grundlegende pharmakodynamische Effekte an
vaskulären Zielstrukturen. können so vermieden werden.

Pharmako- Zelluläre und molekulare


dynamische Effekte Zielstrukturen 7.3.1 Glaskörperraum als »Reservoir«
Anti-proliferativ Müllerzellen/Glia, Gefäßendothel,
Makrophagen Der Glaskörper macht mit 3,8-5 ml mehr als ⅔ des Au-
Anti-inflammatorisch Lymphozyten, Makrophagen, genvolumens aus. Abgesehen vom hohen Wassergehalt
Komplementfaktoren, Zytokine (98%) stellt Hyaluronsäure den wichtigsten Bestandteil
dar, indem diese eine mehrfach höhere Viskosität gegen-
Anti-exudativ Zellkontakte, Proteasen
über physiologischer Kochsalzlösung bewirkt. Entspre-
Rheologisch Thrombozyten, Gerinnungsfak- chend ist die Diffusionsgeschwindigkeit intravitreal ein-
toren, Membranproteine des gebrachter Wirkstoffe gegenüber einer wässrigen Lösung
Endothels (Integrine/Selektine),
verringert. Die Viskosität des Glaskörpers zeigt allerdings
(lytische) Proteasen
deutliche örtliche Unterschiede. Der zentrale Glaskörper
weist in der mittleren Ebene den Cloquetschen Kanal auf,
der als embryologisches Relikt (Regression der Arteria
7.3 Pharmakokinetik in der Behandlung hyaloidea) einen Bereich geringerer Viskosität darstellt.
retinaler Gefäßerkrankungen Daher ist die Verteilung injizierter Substanzen von der
genauen Lokalisation und Injektionsrichtung abhängig.
Wichtige Nachteile der topischen Applikation bleiben die Normalerweise zeigt der Glaskörper vorne an der soge-
geringe okuläre Bioverfügbarkeit, daher auch die Notwen- nannten Basis, die als 3-4 mm breites Band jeweils zur
digkeit einer häufigen Behandlung, die pulsatile Penetra- Hälfte der peripheren Netzhaut und der Pars plana anhaf-
tion, die systemische Resorption durch Bindehaut und tet, die stärkste Adhärenz mit der Augenwand.
Nasenschleimhaut und die geringen Konzentrationen im
hinteren Augensegment, die selbst mit besonderen For-
mulierungen wie Salben und Gelen und somit für den 7.3.2 Elimination und Verteilung
Preis einer schlechteren Optik nicht wesentlich gesteigert intravitrealer Medikamente
werden können. Die Strömung des Kammerwassers, die
amphiphile Hornhaut sowie die lange Diffusionsstrecke Die Elimination und Verteilung der Wirkstoffe hängt we-
erschweren für viele Augentropfen ein Überwinden des sentlich von deren chemischen Eigenschaften und der Ver-
Iris-Linsen-Diaphragmas. Einzelne kleine Moleküle aus fügbarkeit aktiver Transportmechanismen ab. Lipophile
der pharmazeutischen Entwicklung sind in der Lage, den Substanzen wie Fluorescein oder Dexamethason verlassen
hinteren Augenpol zu erreichen. den Glaskörperraum überwiegend durch Netzhaut und
Alternative Routen über den periokulären Raum wie Aderhaut (⊡ Abb. 7.1). Für die transretinale Absorption
subkonjunktivale, subtenonale, peri- und retrobulbäre zeigt sich auf Grund der großen Diffusionsfläche meist
Gabe sehen letztlich die Diffusion aus dem juxtasklera- eine kurze Halbwertszeit. Hingegen werden hydrophile
len Raum in den hinteren Augenabschnitt vor. Bezogen Stoffe durch die Hinter- bzw. Vorderkammer drainiert. Je
auf die gesamte Oberfläche der Sklera (16-17 cm2) ist weiter nach hinten der Wirkstoff in den Glaskörperraum
eine Penetration vor allem im Äquatorbereich durch die eingegeben wird, umso langsamer ist die Konvektion zum
niedrige Skleradicke (0,4 mm) aussichtsreich. Episkle- Trabekelwerk. Die Konzentrationen können insbesondere
rale Exoplants sind meist zur Bindehaut hin verkapselt, in pseudo- und aphaken Augen schnell absinken. Eine
um die systemische Resorption zu verringern. Lipophile Störung der Blut-Netzhaut-Schranke beschleunigt in der
und kleine Moleküle können das dichte Bindegewebe Regel den Abtransport der Medikamente.
gut penetrieren. Für Stoffe mit höherem Molekularge-
wicht nimmt die Permeabilität der Sklera mit dem Alter
ab. Allerdings ist auch die starke Aderhautperfusion zu 7.3.3 Blut-Netzhaut-Schranke
beachten und die Barriere des Pigmentepithels zu über-
winden. Die Barriere zwischen Blut und okulärem Gewebe wird
Neben der systemischen Verabreichung bleibt somit vor allem durch das Endothel der retinalen Gefäße (in-
die intraokulare Gabe unmittelbar in den Glaskörperr- nere Blut-Netzhaut-Schranke) und das Pigmentepithel
aum ein probates Mittel, um die statischen (korneoskle- (äußere Blut-Netzhaut-Schranke) gebildet und soll die
ral) und dynamischen (konjunktival) Barrieren zu um- Homöostase des neurosensorischen Gewebes sichern.
90 Kapitel 7 · Pharmakologische Ansätze in der Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen

per vor, ohne dass die genauen Eliminationsmechanismen


und -kinetiken genau verstanden werden. Die Ausstattung
des Endothels mit multiplen Transportproteinen lässt er-
kennen, dass sowohl der regulierte Influx von Metaboliten
und Vitaminen (GLUT1, MCT1, LAT, SR-BI) als auch der
kontrollierte Efflux von Fremdstoffen höheren Moleku-
largewichts (MDR1, ABCG2) vorwiegend aktive Prozesse
darstellen. Somit spielen energieabhängige Resorptions-
und Transzytosevorgänge für die Absorption eines Medi-
kaments eine wichtige Rolle und weniger die passive Dif-
fusion entlang eines Konzentrationsgradienten wie früher
angenommen. Besonders plastisch wird die strenge Kom-
partimentierung an den Kontrollmechanismen, die der
Diapedese von Leukozyten – selbst in der Situation einer
a Entzündung – noch vorgeschaltet sind. Vor der Migration
7 von Leukozyten durch die Blut-Netzhaut-Schranke wer-
den die initialen Interaktionen durch Selektine vermittelt.
Eine Aktivierung wird durch G-Protein gekoppelte Rezep-
toren ausgelöst. Konformationsänderungen von Integrin-
Molekülen bewirken eine größere Adhäsion am Endothel.
Eine strikte Kompartimentierung wird durch Membran-
proteine der retinalen Gefäße erreicht. Die Diapedese
wird dann durch Chemokine und Metalloproteinasen un-
terstützt. Proinflammatorische Zytokine und Nitrit (NO)
können mit einem vollständigen Verlust der Barrierefunk-
tion (»Schrankenstörung«) verbunden sein.
Im Bereich des Ziliarkörpers, der sogenannten Blut-
Kammerwasser-Schranke, dominiert der Einstrom von
Flüssigkeit, die in das posteriore Segment aktiv sezerniert
wird. Viele systemisch verabreichte Medikamente errei-
chen über die Ziliarkörper- und Irisgefäße meist besser
den (vorderen) Glaskörper als über die retinalen Gefäße.

b
7.3.4 Moderne Drug-Delivery-Systeme
⊡ Abb. 7.1 a Hydrophobe Wirkstoffen verlassen den Glaskörperraum
Häufige und multiple Injektionen haben nicht nur wegen
vorwiegend durch die Netzhaut. b Für wasserlösliche Medikamente
ist die Drainage durch die Vorderkammer meist von größerer Bedeu- spitzer Nadeln und möglicher Schmerzen eine schlechte
tung als der Abtransport über retinale und choridale Gefäße Akzeptanz bei den Patienten. Relevante Komplikationen
lassen eine strenge Indikationsstellung fordern und haben
das Bemühen um eine längere Wirkungsdauer verstärkt.
Die einfache Verdopplung der Dosis kann die Wirkung
Ultrastrukturell erinnern vor allem die retinalen Gefäße eines Medikaments im besten Fall um eine Halbwertszeit
an die Blut-Hirn-Schranke (⊡ Abb. 7.2). Tight junctions verlängern. Neben Verbesserungen der Bioverfügbarkeit
und multiple interzelluläre Membranproteine formieren (Viskosität, Liposomen, Prodrugs, Iontophorese) werden
den junktionalen Komplex, der in der physiologischen eine verzögerte Freisetzung und protrahierte Wirkung
Situation einen Stofftransport an der Endothelzelle vorbei angestrebt.
verhindert und eine strenge Abgrenzung zwischen basa- Materialien mit einer vollständigen Biodegradation
ler und luminaler Seite bewirkt. Unterhalb des Pigmen- umgehen die Notwendigkeit einer späteren Entfernung
tepithels ergibt sich noch eine besondere Situation durch oder eines permanenten Verbleibens der Implantate,
das gefensterte Endothel der Choriocapillaris. zeigen aber nicht selten einen letzten unkontrollierten
Nach wie vor liegen für viele Substanzen lediglich Anstieg (»Burst«) im Freisetzungsprofil. Polymilchsäu-
pharmazeutische Spiegelbestimmungen aus dem Glaskör- ren (Polylactide, PLA) und Copolymere mit Glykolsäure
7.4 · Intravitreale operative Medikamentenapplikation (IVOM)
91 7

⊡ Abb. 7.2 Eine strikte Kompartimentierung wird durch Membranproteine der retinalen Gefäße erreicht. Während Perizyten Teil der inneren
Blut-Netzhaut-Schranke sind (links), sichert ein Komplex aus Pigmentepithel und Bruchscher Membran die Integrität der äußeren Blut-Netz-
haut-Schranke (rechts). AZ amakrine Zellen, BZ Bipolarzellen, GZ Ganglienzellen, HZ Horizintalzellen, MZ Müllerzellen, S Stäbchen, Z Zapfen

(PLGA) werden in die Einzelbestandteile zersetzt und als kleine Schraube in die Sklera gedreht werden (iIVa-
letztlich im Krebszyklus zu CO2 und Wasser abgebaut. tion, SurModics). Es gibt auch Entwicklungen, die Öff-
Dadurch wird der Wirkstoff innerhalb der gesamten Ma- nung des Reservoirs durch einen Mikrochip oder Laser
trix mittels Diffusion freigesetzt, meist aber mit einer un- zu kontrollieren.
gleichmäßigen linearen Kinetik. Statt einer festeren Kon- Perspektivisch gesehen ist die Produktion oder die
sistenz erlaubt die Verwendung von Polyorthoesthern Hemmung von Proteinen durch nicht-viralen Gentrans-
(POE) den Einschluss in eine visköse Matrix, die das Me- fer denkbar. Zwei Virusfamilien haben sich aber auch
dikament nur an den äußeren Flächen kapazitätslimitiert als mögliche Instrumente für den Einbau entsprechender
freisetzt. Ozurdex (Allergan) ist beispielsweise ein zuge- DNA-Fragmente erwiesen: Mit adenoassoziierten Viren
lassenes Implantat aus PLGA, das über eine längere Zeit (AAV) und Adenoviren lässt sich eine effiziente Transkrip-
abfallende Konzentrationen von Dexamethason freisetzt. tion in Photorezeptoren und RPE-Zellen erreichen. Über
Alternative Darreichungsformen wie Mikrosphä- Vektoren mit Adenoviren kann wegen der höheren Im-
ren (Durchmesser: 1–1.000 mm) oder Nanosphären munogenität nur eine kürzere Expression erreicht werden,
(1–1.000 nm) können mit Wirkstoff beladen werden. Weil sie sind aber für größere Genfragmente besser geeignet.
Mikrosphären in den unteren Glaskörperraum absinken, AAV-Systeme haben dagegen in verschiedenen Modellen
verursachen sie nur eine temporäre opitsche Transpa- eine stabile Genexpression über lange Zeiträume gezeigt
renzminderung. Der Einschluss in biologisch abbaubare und bieten den Vorteil, dass keine subretinale Injektion,
Implantate kann Amino- und Nukleinsäuren auch vor sondern eine intravitreale Applikation ausreichend ist.
endogenen Enzymen schützen und so die Stabilität und Transfizierte Zellen (ARPE-19) können auch in kleine
Wirkungsdauer verbessern. Allerdings bleiben der Erhalt Kammern implantiert werden (Encapsulated Cell Techno-
und die Integrität empfindlicher Konformationen inner- logy, Neurotech), die dann Wachstumsfaktoren und Anti-
halb der Trägersubstanz nicht zwingender Weise erhalten. körper (CNTF, rHub) durch eine Membran sezernieren.
Nicht degradierbare Reservoire weisen meist eine zen-
trale Kammer auf, die von einer permeablen Membran
(z.B. aus Polyvinylalkohol) abgetrennt ist. Die Gestaltung 7.4 Intravitreale operative Medikamen-
der umgebenden semipermeablen Membran (Polymere, tenapplikation (IVOM)
Silikon) ermöglicht eine kontinuierliche Freisetzung einer
definierten Menge (dosisunabhängige Eliminationskin- Die Eingabe von Medikamenten in den Glaskörperraum
etik). Beispiele sind Vitrasert (Ganciclovir) und Retisert stellt aus medizinjuristischer Sicht eindeutig einen ope-
(Fluocinolon, beide Bausch & Lomb), die mittels Naht rativen Eingriff dar. Von daher ist über die allgemeine
fixiert werden. Daneben gibt es Reservoire, die injiziert Behandlungsinformation hinaus ein informiertes Ein-
werden (Iluvien, 3,5×0,37 mm, Alimera Sciences) oder verständnis nach einer individuellen Eingriffsaufklärung
92 Kapitel 7 · Pharmakologische Ansätze in der Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen

über Risiken und Alternativen sowie ausreichender Be-


denkzeit (24 h) erforderlich. Für Off-label-Präparate sind
die Besonderheiten der Produkthaftung fester Bestandteil
des Aufklärungsgesprächs.

7.4.1 Leitliniengerechte Durchführung

Zusätzlich zur allgemeinen Sorgfaltspflicht und Siche-


rung der Prozessqualität sind die Empfehlungen der
wissenschaftlichen Fachgesellschaft zu beachten. Die
Hygienestandards an den Eingriffsraum sind in den
gesetzlich vereinbarten Qualitätssicherungsmaßnahmen
der ambulanten Chirurgie (Abschnitt C, §5 und §6.4)
definiert. Es liegt in der Verantwortung des Apothekers
7 bzw. Herstellers, den Patienten über evtl. notwendige a
Kühlanforderungen des Wirkstoffs beim Transport hin-
zuweisen.

Vorbereitung
Nach der ersten Kontaktaufnahme mit Überprüfung der
Patientenidentität und Behandlungsseite sollte durch eine
Untersuchung des vorderen Augenabschnitts Infektio-
nen ausgeschlossen und Risikofaktoren abgeklärt werden.
Wenn eine erhebliche Erregerlast – selbst mit kommensa-
lischen Baktereien – vorliegt, erscheint eine Vorbereitung
mittels lokaler Antibiotika für einige Tage sinnvoll.
Eine ausreichende Mydriasis ist für die perioperative b

Beurteilung des Augenhintergrunds erforderlich. In der


⊡ Abb. 7.3 a Für das sorgfältige Ausspülen der bulbären und forni-
Regel ist eine topische Anästhesie mit Tropfen ausrei-
kalen Bindehaut mit Povidon-Jod und das periokuläre Abstreichen ist
chend, die Verwendung von Einzelophtiolen erscheint auch eine ausreichende Einwirkzeit zu beachten (90 s). b Durch Ab-
sinnvoll. Alternative Verfahren (Infiltrationsanästhesie, decken und Verwendung einer Klebefolie können die Zilien aus dem
Sedierung) kommen vor allem für unruhige oder ängst- Operationsgebiet gehalten werden
liche Patienten in Frage. Weil Angst und Erregung – ins-
besondere vor der ersten Behandlung – den Blutdruck
multimorbider Patienten erhöhen können, ist eine be- gen Eintropfen der Lösung überlegen ist. Eine Alternative
ruhigende Kommunikation und die Überwachung der bei bekannten Jod- oder Kontrastmittelallergien sowie
Kreislaufparameter zu empfehlen. Allergien bzw. Unver- hyperthyreoter Struma sind bakterizide Desinfektions-
träglichkeiten auf Jod oder Medikamente sind routine- mittel wie z.B. Octenidin.
mäßig abzufragen. Nach der Entlüftung der Spritze sollte die Lokalisa-
tion in der unteren Zirkumferenz mit dem Wissen um
Antisepsis und Injektion die Anatomie der Pars plana gewählt werden (⊡ Abb. 7.4).
Zur Prophylaxe der relevantesten Komplikation (Endoph- Der Aufblick des Patienten verhindert, dass sich der
thalmitis) ist eine strenge Beachtung der hygienischen Bulbus bei Abwehrbewegungen (Bellsches Phänomen)
Anforderungen geboten. Wissenschaftliche Studien bele- gegenläufig bewegt. Eventuelle Netzhautdefekte zeigen in
gen den Nutzen der präoperativen Desinfektion mit Po- der unteren Hälfte eine höhere spontane Verschlussrate.
vidon-Jod, das nicht nur die bakterielle Flora deutlich re- Außerdem ist bei tieferliegenden Augen der inferiore Zu-
duzieren, sondern auch die Infektionsrate in prospektiven gang besser zugänglich. Nach multiplen Injektionen oder
Untersuchungen signifikant senken konnte (⊡ Abb. 7.3). für den Fall einer Skleromalazie kann auf lokale Verdün-
Für das Ausspülen der betäubten Bindehaut wird eine nungen Rücksicht genommen werden.
5%ige Lösung verwendet, für die äußere Lidhaut eine Vergleichende Studien haben gezeigt, dass subjektives
Konzentration von 10%. Literaturberichte deuten darauf Missempfinden und Schmerzen mit dem Durchmesser
hin, dass das Ausspülen des Bindehautsacks dem alleini- der Injektionsnadel abnehmen. Von daher empfiehlt sich
7.4 · Intravitreale operative Medikamentenapplikation (IVOM)
93 7
erhaltenen Sehfunktion überzeugen. Für unkooperative
Patienten (Demenz, Sprache, etc.) und einen schlechten
Ausgangsvisus ist eine sofortige Funduskopie angeraten,
um mit größerer Sicherheit eine ausreichende Perfusion
der Zentralarterie überprüfen zu können.

7.4.2 Risiken und Komplikationen

Endophthalmitis
In der VISION-Studie wurde im ersten Jahr eine Rate von
0,18% beobachtet, als die Injektion noch an der Spalt-
lampe erfolgen durfte. Die Beachtung von Desinfektion
und Verwendung steriler Handschuhe konnten die Inzi-
denz auf 0,07% senken. Während der Zulassungsstudien
von Ranibizumab traten nach 18.096 Behandlungen acht
Endophthalmitiden auf (0,04%). Somit handelt es sich
schon um eine seltene Komplikation (<0,1%).
! Cave!
⊡ Abb. 7.4 Der Einstich erfolgt über die inferotemporale Pars plana Allerdings muss beachtet werden, dass die über-
(3,5 mm Limbusabstand) im Aufblick, um eine Verletzung von Linse wiegende Mehrheit der Patienten – wenn einmal
oder Netzhaut zu vermeiden. Die Lage und Ausdehnung des Ziliar-
erkrankt – eine schwere Sehverschlechterung er-
körperbands (bei 2 mm) können durch Transillumination überprüft
werden leidet (Erblindungsrisiko: 15%).

Die Keime stammen fast immer von der bakteriellen Flora


der Bindehaut, sodass vor allem die individuellen Risiko-
ein geringer Außendurchmesser, zumindest 30-Gauge faktoren berücksichtigt werden müssen. Neben der Erre-
(0,31 mm)- oder 32-Gauge (0,24 mm)-Kanülen. gerlast der okulären Adnexe kann das eine bekannte Im-
munsuppression oder -schwäche bzw. Neurodermitis sein.
Praxistipp I I Auch nicht-infektiöse Entzündungen sind für einzelne
Nach schrägem, tunneliertem Durchstechen der Binde- Wirkstoffe beschrieben. Im Vergleich zu den bakteriellen
haut und Sklera sollte die Nadel zum hinteren Pol hin Infektionen scheint der Entzündungsreiz bei den immu-
orientiert sein und der Wirkstoff langsam in die hintere nogenen Entzündungen früher aufzutreten. Die akute
Kavität erfolgen. Nach dem Verabreichen der genauen Endophthalmitis ist dagegen häufiger von Schmerzen
Dosis sollte die Spritze erst mit etwas Verzögerung zu- und einer zellulären Infiltration/Hypopyon begleitet.
rückgezogen werden.
Hyposphagma
Arteriosklerotische Gefäßveränderungen und die Mani-
Der Nutzen einer generellen Parazentese ist umstritten. pulation an der oberflächlichen Bindehaut können zu
Insbesondere in kleinen hyperopen Augen ist die Gefahr Unterblutungen der Bindehaut variabler Ausprägung
einer Linsenverletzung oder eines schnellen Druckanstiegs führen (Häufigkeit: 20%). Meist sind sie nur Ursache
(je nach Volumen des Wirkstoffs) jedoch erhöht. Ein kon- einer grundlosen Beunruhigung, selten kann eine pro-
trolliertes Ablassen von Kammerwasser vor der Eingabe minente Blutung aber auch eine Benetzungsproblematik
des Wirkstoffs kann in diesen Situationen ein Reservevo- oder Erosio bewirken. Blutverdünnende oder gegen die
lumen schaffen und so auch das Risiko eines Reflux oder Blutstillung gerichtete Medikamente müssen nicht abge-
Glaskörperprolaps verringern. Nach dem Herausziehen setzt werden.
der Nadel kann der Stichkanal mit einem Tupfer oder ei-
ner Kolibri zusätzlich kurz abgedichtet werden. Schmerzen
Postoperative Missempfindungen sind nicht selten. Sie
Nachkontrolle gehen meist auf die Reizung der Bindehaut durch die
Es ist sinnvoll, den postoperativen Augendruck palpa- Desinfektion zurück.
torisch, wenn nicht sogar applanatorisch zu beurteilen. Hierzu kann selten eine Verletzung des konjunktiva-
Mittels einer Kontrolle sollte der Operateur sich von der len oder kornealen Epithels beitragen (Häufigkeit einer
94 Kapitel 7 · Pharmakologische Ansätze in der Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen

Stippung: 32%), die durch Arzt oder Verband entstanden stoff selbst erhöht werden. Erste Daten deuten darauf hin,
sind. Wichtig ist, dass der Augenarzt nach Untersuchung dass sich das Risiko einer langfristigen Drucksteigerung
des Vorderabschnitts auf die individuellen Bedürfnisse für die einzelnen VEGF-Inhibitoren unterscheidet.
und Empfindlichkeiten des Patienten eingeht.

Reflux von Glaskörper 7.5 Schlussbemerkungen


Wenn die oben erwähnten Vorkehrungen nicht den Aus-
tritt von Kammerwasser/Glaskörper-Flüssigkeit vermei- Bessere und länger wirksame Medikamente werden den
den konnten (Häufigkeit: 26-50%), sind in der Regel Bedarf an intravitrealen Behandlungen senken. In der
keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Eher theoreti- klinischen Routine können vor allem die Sensibilität für
scher Natur sind die Überlegungen, dass eine mögliche individuelle Risikofaktoren und eine ausreichende In-
Dochtwirkung nach außen das Infektionsrisiko erhöhen formation über frühe Endophthalmitis-Symptome eine
dürfte. Eine wirkliche Inkarzeration von Glaskörper- größere Sicherheit bewirken. Der Nutzen einer gene-
strängen ist extrem selten. rellen Antibiotika-Prophylaxe ist nicht erwiesen. Trotz
Diskussionen über Kosten und Resistenzinduktion kann
Traumatische Katarakt
7 sie in der konsequenten Durchführung (ausreichende
Schon eine leichte Berührung der hinteren Linsenkapsel Dauer und Dosierung) und im zielgerichteten Einsatz
kann zu einer schnellen Eintrübung führen. Die sel- sinnvoll sein.
tene Komplikation (Häufigkeit: <1%) kann z.B. durch Obwohl die intravitreale operative Medikamenten-
plötzliche Kopfbewegungen des Patienten hervorgerufen applikation zum festen Bestandteil des ophthalmologi-
werden. schen Alltags geworden ist, sollten die möglichen Visus
bedrohenden Nebenwirkungen nicht bagatellisiert wer-
Netzhautdefekte, Amotio den. Gerade angesichts der häufigen und repetitive An-
Es gibt lediglich anekdotische Berichte über eine Netz- wendung darf die Sensibilität für seltene Risiken nicht
hautablösung nach einer intravitrealen Injektion. Nach verloren gehen.
richtiger Durchführung und Einstechen vor der Ora ser-
rata dürften Foramina nur sehr sporadisch nach der ope- Fazit für die Praxis
rativen Manipulation entstehen. Die restriktive Blut-Netzhaut-Schranke verhindert für viele
Wirkstoffe das Erreichen ausreichender Spiegel im hinteren
Druckanstieg und Glaukom Augensegment, wenn keine direkte Applikation in den Glas-
Der Volumenzuwachs innerhalb des Glaskörperraums körperraum erfolgt.
(0,03-0,1 ml) kann kurzfristig nicht über den Kammer- Die Einhaltung steriler Kautelen ist für die intravitreale
winkel drainiert werden. So sind temporäre Druckan- operative Medikamentenapplikation von entscheidender Be-
stiege über 30 mmHg keine Seltenheit (Häufigkeit: 17%). deutung. Patienten sollten ausreichend über Frühsymptome
Eine Normalisierung findet jedoch meist innerhalb weni- einer Endophthalmitis informiert sein.
ger Minuten statt. Postoperative Druckanstiege sind nicht selten, wenn
auch in den meisten Fällen temporär. Problembewusstsein
! Cave!
und ein schnelles Reaktionsvermögen sind hilfreich, wenn es
Insbesondere in kleinen hyperopen Augen ist die
(selten) doch einmal zu einem Verschluss der Zentralarterie
Gefahr einer Linsenverletzung oder eines plötzli-
kommt.
chen Druckanstiegs besonders hoch!

In der Literatur ist immerhin eine Bulbusberstung be-


schrieben. Vorsicht ist sicher bei glaukomatös vorge- Literatur
schädigten Sehnerven oder einer schlechten Perfusion
geboten. In der Literatur gibt es einige Berichte, die Ach T, Dawczynski J, Konigsdorffer E et al. (2007) Subjective sensa-
tions after intravitreal injection of bevacizumab. Klin Monatsbl
von einer anterioren Optikusischämie oder einem Zent- Augenheilkd 224: 180–184
ralarterienverschluss im Rahmen der Injektion berichten. Aiello LP, Brucker AJ, Chang S et al (2004) Evolving guidelines for int-
Geht die Lichtscheinwahrnehmung verloren, kann durch ravitreous injections. Retina 2004;24 [5 Suppl]:S3-19
eine Parazentese die Perfusion wiederhergestellt werden. Anderson OA, Bainbridge JWB, Shima DT (2010) Delivery of anti-an-
giogenic molecular therapies for retinal disease. Drug Discovery
Ist diese nur für eine Minute unterbrochen, ist kein blei-
Today 15 (7/8): 272-282
bender Schaden zu erwarten. Anijeet DR, Hanson RJ, Bhagery J et al (2007) National survey of the
Jedoch kann die Drucklage bei Glaukompatienten – technique of intravitreal triamcinolone injection in the United
nicht nur nach der Gabe von Steroiden – durch den Wirk- Kingdom. Eye 21(4): 480-486
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95 7
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II

II Pathologie, klinischer Verlauf


und Behandlung retinaler
Gefäßerkrankungen

8 Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen


retinalen Gefäßerkrankungen – 99
G. E. Lang, S. J. Lang, W. Soliman, M. Larsen, H. Helbig, A. M. Joussen,
S. Winterhalter, V. Kakkassery

9 Frühgeborenenretinopathie – 163
C. Jandeck, H. Agostini

10 Verschlusserkrankungen – 181
L.-O. Hattenbach, C. Hattenbach, L.L. Hansen, N. Feltgen, H. Hoerauf,
J. M. Rohrbach, H. Heimann

11 Gefäßabnomalien – 243
M. Zeimer, B. Padge, D. Pauleikhoff, A. Schüler, N. Bornfeld, A. M. Joussen,
W. Berger, A. Wessing, A. Lommatzsch, S. Bopp

12 Strahlenretinopathie – 305
G. Willerding, J. Heufelder, V. Kakkassery, D. Cordini, A. M. Joussen

13 Retinale Gefäßerkrankungen in Assoziation mit Systemerkran-


kungen – 321
S. Aisenbrey, T. Neß, A. Gabel-Pfisterer, M. Doblhofer

14 Entzündliche Gefäßerkrankungen – 335


S. Gadkari, A. M. Joussen, F. Mackensen, J. T. Rosenbaum, R. Max, C. Deuter,
I. Kötter, N. Stübiger, M. Zierhut, U. Wiehler, C. Springer, M. Becker, U. Pleyer,
F. Hiepe, U. Pleyer

15 Hypertensive Retinopathie – 399


S. Wolf

16 Sichelzellretinopathie – 405
J. v. Meurs, A. M. Joussen, G. A. Lutty

17 Vaskuläre Tumoren der Netzhaut – 427


S. E. Coupland, J.A. Shields, C.L. Shields, K.U. Löffler, B. Jurklies,
C. Jurklies, N. Bornfeld
8

Pathologie, Klinik und Behandlung von


diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

8.1 Nicht-proliferative diabetische Retinopathie – 100


G. E. Lang, S. J. Lang
8.1.1 Einleitung – 100
8.1.2 Pathogenese der diabetischen Retinopathie – 100
8.1.3 Somatostatin und Somatostatin-Analoga – 100
8.1.4 Proteinkinase-C-Inhibitoren – 105
8.1.5 Proteinkinase C und diabetische Retinopathie – 107

8.2 Proliferative diabetische Retinopathie – 110


W. Soliman, M. Larsen, H. Helbig
8.2.1 Photokoagulation bei proliferativer diabetischer Retinopathie (PDR) – 110
8.2.2 Chirurgische Behandlung der proliferativen diabetischen Retinopathie – 123

8.3 Diabetisches Makulaödem – 135


A. M. Joussen, S. Winterhalter, V. Kakkassery
8.3.1 Einleitung – 135
8.3.2 Pathophysiologie des Diabetischen Makulaödems – 135
8.3.3 Klinische Stadien des Makulaödems – 141
8.3.4 Lasertherapie – 143
8.3.5 VEGF-Inhibitoren in der Behandlung der diabetischen Retinopathie – 146
8.3.6 Anti-inflammatorische Therapie – 154
8.3.7 Chirurgische Therapie des diabetischen Makulaödems – 157

Literatur – 158

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_8,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
100 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Die mikrovaskulären Veränderungen im Rahmen des Dia- 8.1.2 Pathogenese der diabetischen
betes mellitus führen zur diabetischen Retinopathie und Retinopathie
-makulopathie.
Während die Einführung der Lasertherapie vor 35 Jah- Die Pathogenese der diabetischen Retinopathie ist kom-
ren einen ersten Meilenstein in der Therapie der Gefäß- plex, da in unterschiedlichen Stadien verschiedene Fak-
veränderungen darstellte, konnte in den vergangenen toren eine Rolle spielen. Es gibt zahlreiche biochemische,
Jahrzehnten das Wissen um die pathophysiologischen funktionelle, strukturelle und endokrine Faktoren, die die
Vorgänge wesentlich erweitert werden. Aufbauend auf Manifestation und Progredienz der diabetischen Retino-
diesen Erkenntnissen wurden neue anti-angiogene The- pathie beeinflussen. Die Hyperglykämie führt im Frühsta-
rapieverfahren entwickelt. Die  Kap. 8.1-8.3 erläutern dium unter anderem zur Produktion von »advanced gly-
diese Verfahren auf dem Hintergrund der Pathogenese cation endproducts« (AGEs), zur Aktivierung des Polyol-
der proliferativen Veränderungen und des diabetischen Wegs und Aktivierung der PKC, sowie zu verschiedenen
Makulaödems und diskutieren neue Therapieverfahren vor Veränderungen in der zellulären Signaltransduktion. Funk-
dem Hintergrund der Standardtherapie, der Laserphotoko- tionelle Änderungen sind Veränderungen des Blutflusses,
agulation. eine Hyperviskosität, Störungen von interzellulären Ver-
bindungen und erhöhte Gefäßpermeabilität. An struktu-
rellen Veränderungen findet man vor allem einen Verlust
8.1 Nicht-proliferative diabetische von Perizyten und Endothelzellen sowie Verschlüsse von
8 Retinopathie Kapillaren und Gefäßen. Weitere Faktoren, die eine Rolle
in der Manifestation und Progredienz der diabetischen Re-
G. E. Lang, S. J. Lang tinopathie spielen, sind ein proinflammatorisches Milieu,
die Leukozytenadhäsion und oxidativer Stress.
Klinisch wird die diabetische Retinopathie eingeteilt
8.1.1 Einleitung in nicht proliferative und proliferative Stadien. Die nicht
proliferativen Stadien sind charakterisiert durch das Auf-
Der Diabetes mellitus führt zu zahlreichen Stoffwech- treten von Mikroaneurysmen, Blutungen, harten Exsu-
selstörungen. Die Pathogenese der diabetischen Reti- daten, Cotton-wool-Herden, intraretinalen mikrovasku-
nopathie ist daher komplex. Einer der Hauptgründe für lären Anomalien und venösen Kaliberschwankungen.
die Entwicklung einer diabetischen Retinopathie ist ein Im Stadium der proliferativen diabetischen Retinopathie
Ungleichgewicht von pro- und antiangiogenen Fakto- entstehen präretinale Neovakularisationen, Glaskörper-
ren. »Vascular endothelial growth factor« (VEGF), aber blutungen, Rubeosis irdis und ein Winkelblockglaukom.
auch IGF-1 und GH spielen in der Pathogenese der Makulaödeme können in jedem Stadium der diabeti-
diabetischen Retinopathie eine Rolle. Eine Mikroangi- schen Retinopathie auftreten.
opathie der Netzhaut entwickelt sich, weil neben der Histologisch findet man früh eine Verdickung der Ba-
Überexpression von proangiogenen Wachstumsfaktoren salmembran. Durch den Verlust von intramuralen Perizy-
wie VEGF, IGF-1 und »basic fibroblast growth factor« ten und retinalen Endothelzellen ist die vaskuläre Reaktivi-
(bFGF) gleichzeitig eine Reduktion an natürlichen, an- tät verändert. Veränderungen der Tight-junctions führen
tiangiogenen Faktoren, wie z.B. »transforming growth zu einem Zusammenbruch der inneren Blut-Netzhaut-
factor β« (TGF-β) und »pigment epithelial derived fac- Schranke mit Akkumulation von Flüssigkeit und eventu-
tor« (PEDF), auftritt. Es zeichnet sich aufgrund von ell Lipoproteinen in der Netzhaut. Als Folge von zuneh-
experimentellen und klinischen Studien zunehmend ab, menden Verschlüssen von Netzhautkapillaren resultiert in
dass einer der bedeutendsten Wachstumsfaktoren VEGF fortgeschrittenen Stadien eine retinale Hypoxie. Dies führt
zu sein scheint. zu einer Überexpression von proangiogenen Wachstums-
Ziel der pharmakologischen Therapie ist derzeit im faktoren wie VEGF und IGF-1, die an der Entwicklung von
Wesentlichen eine Hemmung von angiogenen Stimu- retinalen Neovaskularsationen beteiligt sind.
latoren. Systemische Therapieansätze sollen in den pri-
mären Pathomechanismus der diabetischen Retinopathie
eingreifen. Sie verändern den Stoffwechsel aber nicht 8.1.3 Somatostatin und
nur lokal im Auge, sondern haben auch systemische Somatostatin-Analoga
Effekte, was sowohl für die Wirkungen, als auch die Ne-
benwirkungen von Bedeutung ist. Im Folgenden werden Somatostatin (»Somtotropin-release inhibitory factor«)
Somatostatin-Analoga und Proteinkinase-C-Inhibitoren ist ein zyklisches Tetrapeptid, das aus Hypothalamusex-
behandelt. trakt isoliert wurde und das die GH-Sekretion reguliert.
8.1 · Nicht-proliferative diabetische Retinopathie
101 8

500bp

⊡ Abb. 8.1 In retinalen vaskulären Endo-


thelzellen konnten die Somatostatinrezep-
toren (SSTR1-5) mittels RT-PCR nachgewie-
MWM SSTR1 SSTR2 SSTR3 SSTR4 SSTR5 GADPH sen werden. (Aus Lang 2007)

Dieses Neuropeptid wird auch in verschiedenen anderen Somatstatinanaloga zeigen ähnliche pharmakologi-
menschlichen Organen wie Hypophyse, Darm, exokri- sche Eigenschaften wie das natürliche Hormon Somato-
nen und endokrinen Drüsen und in der Retina gebil- statin.
det. Somatostatin wird über verschiedene Zellen verteilt Sandostatin (Octreotidacetat) ist ein synthetisches
und seine Wirkung betrifft unterschiedliche biologische Oktapeptidanalogon von Somatostatin. Es ist ein spezi-
Prozesse wie die Erregungsübertragung zwischen den fischer und potenter Agonist der SSTR2 und 45-mal so
Nervenzellen, Hormonsekretion, Zellproliferation, Mem- wirksam in Bezug auf die Hemmung der Wachstumsfak-
branstabilisierung und Entzündung. torsekretion verglichen mit dem nativen Somatostatin.
Somatostatin wirkt über die Bindung an fünf Soma- Natives Somatostatin hat eine kurze Halbwertszeit von
tostatin-Rezeptor-Subtypen (SSTR1-5), die an G-Proteine etwa 3 min. Das länger wirkende, synthetische Somato-
gekoppelt sind. In der menschlichen Retina wurden nicht statin-Analogon Sandostatin LAR wurde für Patienten
nur Somatostatin, sondern auch die Somatostatinrezepto- entwickelt, die eine Langzeittherapie benötigen. Es be-
ren identifiziert (⊡ Abb. 8.1). steht aus Octreotidacetat, das in einem biodegradierbaren
Somatostatin hat einen antiangiogenen Effekt. Es Polymer mikroverkapselt ist. Das ursprüngliche, injizier-
wurde im Glaskörper gefunden und bei Diabetikern bare Octreotid musste 3-mal täglich subkutan injiziert
wurde über reduzierte Somatostatinspiegel im Glaskör- werden. Sandostatin LAR ist ein langwirksames Depot,
per berichtet. Somatostatin scheint auch einen Effekt auf das einmal monatlich intramuskulär appliziert wird.
den Flüssigkeitstransport vom retinalen Pigmentepithel Nach der Verabreichung erreicht die Serum-Octreotid-
zur Chorioidea zu haben, einem Prozess, der bei der Ent- Konzentration einen initialen Gipfel innerhalb einer
wicklung des Makulaödems eine Rolle spielt. Stunde und dann ein Plateau innerhalb von 2 Wochen.
Somatostatin inhibiert die Freisetzung von verschie- Konstante Serumspiegel von Octreotid werden nach der
denen Hormonen und Enzymen. Die klassische Wir- dritten Injektion erreicht.
kung von Somatostatin ist die Hemmung der Frei-
setzung von GH über die Rezeptoren 2 und 5. Nach Somatostatin, Wachstumshormon und IGF-1
der Bindung von Somatostatin generiert der Rezeptor bei diabetischer Retinopathie
ein Transmembransignal. Dies führt zu einer Reduk- Es gibt Hinweise darauf, dass ein GH/IGF-1-Exzess und
tion der Kalziumkonzentration und Aktivierung der Interaktionen zwischen IGF-1 und VEGF eine Rolle in
Tyrosinphosphatase. Somatostatin ist also ein Postre- der Entwicklung und Progredienz der diabetischen Reti-
zeptorantagonist von Wachstumsfaktoren, der über die nopathie spielen. Der Hypophysenvorderlappen sekretiert
Hemmung der Signaltransduktion wirkt. Octreotid hat GH, was zur Synthese von IGF-1 in zahlreichen Organen
eine hohe Aktivität am SSTR2, gute Aktivität am SSTR5 führt. GH mediiert sowohl systemische als auch die lo-
und mäßige Aktivität am SSTR3. Es ist inaktiv am kale IGF-1-Produktion. IGF-1 wirkt als Wachstums- und
SSTR1 und 4. Progressionsfaktor.
Das GH wird im Hypophysenvorderlappen gebildet Poulsen fand eine Korrelation zwischen Hypophy-
und führt zu einer Synthese von IGF-1. Dieses erhöht senhormon und diabetischer Retinopathie bei einer Pa-
die zelluläre Aufnahme von Glukose im Gewebe und tientin mit proliferativer diabetischer Retinopathie, die
agiert als Überlebens-, Wachstums- und Progressions- eine postpartale Hypophyseninsuffizienz im Rahmen ei-
faktor. Wahrscheinlich ist es eines der Schlüsselsignale nes Sheehan-Syndroms entwickelte. Fünf Jahre nach dem
für die Zelle, um in den Mitosezyklus zu gehen. IGF-1 Ereignis hatte sich die Retinopathie zurückgebildet. Dies
stimuliert die Somatostatin-Sekretion und hemmt die zeigt, dass GH und IGF-1 bei diabetischer Retinopathie
GH-Sekretion. eine Rolle spielen. Nach der Erstbeschreibung 1953 wur-
102 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

den 20 Jahre lang Patienten mit Diabetes mellitus zur abetischen Retinopathie spielen. Retinale Hypoxie führt
Behandlung der proliferativen diabetischen Retinopathie zu einer verstärkten intraokularen Synthese von IGF-1
einer Hypophysenablation unterzogen. Bei diesen Patien- und VEGF. Im Glaskörper von Patienten mit Diabe-
ten zeigten sich eine Regression von Neovaskularisatio- tes mellitus fanden sich erhöhte Spiegel von IGF-1. Die
nen und eine signifikante Reduktion der Erblindungsrate. höchsten Spiegel zeigten sich bei Patienten mit prolifera-
Man nimmt an, dass der Effekt durch den postoperati- tiver diabetischer Retinopathie. Bei Patienten, bei denen
ven GH-Mangel bewirkt wurde. Interessanterweise findet nach Laserbehandlung eine Vitrektomie durchgeführt
sich bei zwergwüchsigen Patienten mit Diabetes mellitus, wurde, fanden sich die intravitrealen Spiegel von VEGF
deren Ursache des Zwergwuchses ein Defizit an GH ist, reduziert, nicht jedoch die IGF-1-Spiegel, was auf die
keine diabetische Retinopathie, was ebenso diese Hypo- Bedeutung von IGF-1 bei den fortgeschrittenen Formen
these unterstützt. der diabetischen Retinopathie hinweist, insbesondere bei
Es gibt Hinweise darauf, dass bei Diabetes mellitus Patienten, bei denen die Laserbehandlung alleine nicht
eine Übersekretion von GH vorliegt, da deutlich erhöhte effektiv war.
GH-Werte bei Patienten mit Diabetes mellitus gefunden Der natürlich vorkommende Wachstumshormonin-
wurden. Eine weitere Evidenz für die Rolle des GH in der hibitor Somatostatin besitzt antiangiogene Eigenschaften
Pathogenese der diabetischen Retinopathie liefert ein Be- sowohl über die Wachstumshormonachse und IGF-1, als
richt über zwei Patienten, die nicht an Diabetes mellitus auch über direkte antiproliferative und antiapoptotische
litten. Bei ihnen traten nach Behandlung mit GH retinale Effekte auf Endothelzellen.
8 Veränderungen auf, die klinisch wie eine diabetische Re-
tinopathie aussahen. Experimentelle Studien
Der mitogene Effekt von GH wird über IGF-1 vermit- Zahlreiche Laborversuche unterstützen die Hypothese
telt. Bei Patienten mit diabetischer Retinopathie wurden der therapeutischen Wirkung von Octreotid bei diabeti-
erhöhte Serumspiegel von IGF-1 gefunden. Somatostatin scher Retinopathie. Somatostatin- und IGF-1-Rezeptoren
reduziert die systemische Freisetzung von IGF-1 über wurden an retinalen vaskulären Endothelzellen nachge-
die Suppression von GH (⊡ Abb. 8.2). Zusätzliche Hin- wiesen.
weise für die Rolle von IGF-1 liefern Studien über das In präklinischen Studien konnte gezeigt werden, dass
normoglykämische Reentry-Phänomen. Dieses Phäno- GH die Proliferation humaner, retinaler Endothelzellen
men beschreibt die Verschlechterung der diabetischen stimulieren kann. Sall et al (2004) fanden bei Kulturen
Retinopathie, die nach rascher Senkung des Blutzuckers von humanen retinalen Pigmentepithelzellen, dass IGF-1
bei Patienten auftritt, die über einen längeren Zeitraum eine dosisabhängige Zunahme der IGF-1-Rezeptorphos-
schwere Hyperglykämien hatten. Ein rascher Anstieg der phorylierung und der VEGF-mRNA-Spiegel bewirkt. So-
Serum-IGF-1-Spiegel wurde bei den Patienten gefunden, matostatin und Octreotid hemmten in physiologischen
bei denen eine intensivierte Insulintherapie durchgeführt Spiegeln (1 nM) die IGF-1-Rezeptorphosphorylierung
wurde, die zu einer raschen Verbesserung der metaboli- und reduzierten die VEGF-Produktion. Diese Ergebnisse
schen Kontrolle führte. legen nahe, dass diese Wirkung durch den Somatostatin-
Es ist bekannt, dass Somatostatin, GH und IGF-1 Rezeptor Typ 2 vermittelt wird.
eine Rolle in der Manifestation und Progredienz der di- Die Rolle von GH und IGF-1 wurde auch an trans-
genen und mit MK678 behandelten Mäusen untersucht.
MK678 ist ein lange wirksames Somatostatin-Analogon,
Diabetes mellitus
das dem Octreotid ähnlich ist. Im Mausmodell zeigte sich
eine signifikante Reduktion der Neovaskularisationen.
Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Interaktion
Kapillarverschluss von IGF-1 und dessen Rezeptoren notwendig ist für
VEGF Somatostatin
Analoga eine maximale Induktion der retinalen Neovaskularisa-
IGF-1 tion durch VEGF. Diese Daten legen ebenfalls nahe, dass
Neovaskularisation IGF-1 eine wichtige Rolle in den fortgeschrittenen Sta-
dien der diabetischen Retinopathie als permissiver und
⊡ Abb. 8.2 Im Rahmen des Diabetes mellitus kommt es zu progre- Progressionsfaktor im Hinblick auf die Neoangiogenese
dientem Kapillarverschluss mit retinaler Ischämie. »Vascular endothe- spielt.
lial growth factor« (VEGF) ist einer der wichtigsten proangiogenen
Es konnte auch gezeigt werden, dass Octreotid die
Wachstumsfaktoren und »insulin-like growth factor-1« (IGF-1) ein
permissiver Faktor in Bezug auf die Entwicklung der Neovaskularsa-
durch IGF-1 oder bFGF stimulierten Endothelzellpro-
tionen und damit der proliferativen diabetischen Retinopathie. IGF-1 liferation bei niedrigen Konzentrationen von 10 nM
kann mit Somatostatin-Analoga blockiert werden Octreotid hemmt. In präklinischen Studien fand sich
8.1 · Nicht-proliferative diabetische Retinopathie
103 8
auch eine direkte Inhibition der Endothelzellproliferation dienz zeigten. Die Patienten wurden mit SMS 201-995
durch Octreotid, was einen zusätzlichen antiangiogenen (Octreotid) mit subkutaner Infusion für bis zu 20 Monate
Mechanismus evtl. durch direkt über den SST Rezeptor behandelt.
mediierte Inhibition vermuten lässt. Böhm et al. (2001) behandelten 9 von 18 Patienten
Diese präklinischen Daten weisen auf die Bedeutung mit persistierender proliferativer diabetischer Retinopa-
von parakrinen und autokrinen Effekten von Octreotid thie mit Glaskörperblutung, die trotz einer panretinalen
hin. Es hemmt die Endothelzellproliferation, die durch Laserbehandlung auftrat, mit Octreotid. Die Therapie
VEGF und IGF-1 stimuliert wird. Daher könnte Oc- wurde für bis zu 3 Jahre in einer Dosis von 100 μg pro
treotid ein pharmakologischer Ansatz zur Therapie der Tag dreimal täglich subkutan injiziert. Neun Patienten
diabetischen Retinopathie sein. dienten als Kontrolle. In der mit Octreotid behandelten
Gruppe zeigten sich signifikant weniger Rezidive der
Klinische Anwendung von Octreotid Glaskörperblutung und eine geringere Anzahl von Vit-
Octreotid ist derzeit zugelassen für die Behandlung von rektomien (⊡ Abb. 8.3). In der behandelten Gruppe blieb
Tumoren wie der Visus stabil, während in der Kontrollgruppe der Visus
▬ das GH produzierende Hypophysenadenom, abnahm. Die Neovaskularisationen zeigten bei 85% der
▬ die Akromegalie, mit Octreotid behandelten Patienten eine Regression und
▬ das maligne Carcinom-Syndrom, blieben bei den restlichen 15% stabil. Bei der Kontroll-
▬ VIPome, gruppe nahmen bei 42% die Neovaskularisationen zu
▬ gastropankreatische Tumore und und waren bei 58% unverändert. Octreotid wurde über
▬ neuroendokrine Tumore. den Zeitraum von 3 Jahren gut vertragen. Die Insulin-
dosis musste unter der Octreotid-Therapie bei Insulin-
Es hemmt die Freisetzung von GH aus der Hypophyse abhängigen Patienten um bis zu 50% reduziert werden.
und erniedrigt die IGF-1-Plasmaspiegel. Eine Zulassung Kein Patient erlitt eine schwere Hypoglykämie.
für die diabetische Retinopathie gibt es nicht. Grant et al. (2000) untersuchten den Effekt von Oc-
treotid bei 23 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 und
Therapie der diabetischen Retinopathie mit Typ 2. Die Patienten wurden mit der maximal tolerier-
Octreotid ten Dosis von Octreotid (200-5.000 μg/Tag subkutan)
Die Idee, die diabetische Retinopathie mit Somatostatin- behandelt. Die Patienten wurden 15 Monate lang the-
Analoga zu behandeln, ist etwa 25 Jahre alt. Die Medi- rapiert oder bis zu dem Zeitpunkt, bis eine beidseitige
kamente Sandostatin und Sandostatin LAR (Novartis) Laserbehandlung erforderlich war. In der mit Octreotid
sind selektiver und zeigen eine stärkere Wirkung als behandelten Gruppe entwickelten signifikant weniger Pa-
Somatostatin. tienten eine Hochrisikoform einer proliferativen diabeti-
In-vitro- und In-vivo-Studien haben gezeigt, dass So-
matostatin-Analoga spezifische und potente Inhibitoren
von GH und IGF-1 sind. Es konnte nachgewiesen wer- 1.0
den, dass Octreotid erhöhte Serumspiegel von GH und
Proportion Glaskörperblutung

IGF-1 senken kann. 0.8


Es gibt kasuistische Berichte über die Wirksamkeit von p=0.002
Sandostatin-off-label-Anwendungen bei zystoider Maku- 0.6
lopathie und proliferativer diabetischer Retinopathie. Kli-
nisch kann Octreotid die Neoangiogenese hemmen und 0.4
es stabilisiert auch die Blut-Netzhaut-Schranke bei Maku-
laödem. Dies führt zu einer Besserung des Makulaödems 0.2
und einer Regression von präretinalen Neovaskularisatio-
nen. In kleinen Studien zeigte sich eine positive Wirkung 0
bei Patienten mit diabetischer Retinopathie. 0 6 12 18 24 30 36
Es wurde in einigen Studien die Wirkung von So- Zeit (Monate)
matostatin-Analoga bei diabetischer Retinopathie unter-
sucht. *1 Glaskörperblutung Octreotid (n=9)*
‡5 Glaskörperblutung, 3 Vitrektomie Kontrolle (n=9)‡
Mallet et al. (1992) berichteten über eine signifikante
Regression von retinalen Neovaskularisationen bei Pati- ⊡ Abb. 8.3 Das Risiko einer Glaskörperblutung und eines vitreoreti-
enten mit schwerer proliferativer diabetischer Retinopa- nalen Eingriffs ließ sich durch die Behandlung mit Octerotid signifi-
thie, die trotz panretinaler Laserbehandlung eine Progre- kant reduzieren.
104 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

100 nopathie, die während einer intensivierten metabolischen


Kontrolle eintrat, mit Octreotid behandelt wurde. Da-
Hochrisikoform der PDR

Octreotid durch kam es zu einer Senkung des gesamten IGF-1-Spie-


% Augen ohne

80 p=0.006 gels im Serum. Das Makulaödem besserte sich und der


Visus stieg an. Die Verbesserung der metabolischen Kon-
trolle kann bei schlecht eingestellten Typ-1-Diabetikern
Kontrolle
60 im Sinne eines Reentry-Phänomens zu einer floriden
diabetischen Retinopathie mit einer akuten Verschlechte-
rung und Entwicklung eines Makulaödems führen. Dies
40 kann mit Octreotid behandelt werden und ist verbunden
0 3 6 9 12 15 mit einer Senkung der IGF-1-Spiegel.
Zeit (Monate)
Octreotid wurde in zwei prospektiven, randomisierten,
⊡ Abb. 8.4 In der mit Ocretotid behandelten Gruppe zeigte sich
multizentrischen doppelt maskierten, placebokontrollier-
eine signifikant geringere Zahl von Patienten mit Hochrisikoform ten Phase-III-Studien (802 und 804, Novartis) untersucht.
der proliferativen diabetischen Retinopathie (PDR) im Vergleich zur Eingeschlossen wurden Typ-1- und Typ-2-Diabetiker mit
Kontrollgruppe mäßiger bis schwerer nicht proliferativer diabetischer Re-
tinopathie und früher proliferativer diabetischer Retino-
pathie (Stadium 47-61). Die Patienten wurden mit dem
8 schen Retinopathie (⊡ Abb. 8.4). In der Octreotid-Gruppe langwirksamen Octreotid (Sandostatin LAR, Novartis)
musste nur eines von 22 Augen mit Laser behandelt behandelt, das einmal monatlich intramuskulär injiziert
werden wegen Hochrisikoform der proliferativen diabe- wurde. Die Studie wurde 1999 begonnen und 2006 been-
tischen Retinopathie im Gegensatz zu 9 von 24 Augen in det mit einer mittleren Behandlungsphase von 4 Jahren
der Kontrollgruppe. Die Octreotid-Behandlung führte zu und einer maximalen Behandlungszeit von 6 Jahren. Die
einer signifikanten Reduktion der Progredienz der diabe- europäische Studie (802) untersuchte 585 Patienten, die
tischen Retinopathie. nordamerikanische/brasilianische Studie (804) 313 Patien-
Hernaez-Ortega et al. (2006) berichteten von einer ten. Die Probanden wurden mit 20 (nur 802) oder 30 mg
Besserung des diabetischen Makulaödems unter Therapie Octreotid (beide Studien) intramuskulär alle 4 Wochen mit
mit Sandostatin LAR. Es war vorher ohne Erfolg versucht Standostatin LAR behandelt. Der primäre Endpunkt war
worden, das beidseitige diabetische Makulaödem mit einer die Progredienz der diabetischen Retinopathie (≥3 ET-
Vitrektomie und mit periokulären Steroiden zu behandeln. DRS-Stufen), der sekundäre Endpunkt die Veränderung
Der Patient wurde mit Sandostatin LAR 20 mg einmal des Visus (Verschlechterung um ≥15 ETDRS-Buchstaben)
monatlich therapiert. Nach einem Jahr Behandlung war und die Progredienz des Makulaödems. Nur in einer Stu-
das Makulaödem am rechten Auge komplett resorbiert, die (804) wurde der primäre Endpunkt erreicht mit einer
am linken Auge hatte es sich deutlich gebessert. Der Visus signifikanten Reduktion (p<0,043) der Progredienz der
nach Behandlung betrug rechts 20/40 und links 20/100. diabetischen Retinopathie, jedoch nicht in der Studie 802.
Kuijepers et al. (1998) haben einen Patienten ohne Dies kann unter anderem an einer zu niedrigen Dosierung
Diabetes mellitus mit Makulaödem beschrieben, der mit von Octreotid liegen, da in der Studie 802 die systemischen
Octreotid 100 μg pro Tag subkutan behandelt wurde. IGF-1-Spiegel nicht gesenkt wurden. Dieser Therapiean-
Die zystoide Makulopathie verbesserte sich während der satz wird derzeit nicht weiter verfolgt.
Behandlung und rezidivierte nach Unterbrechung der
Therapie und besserte sich danach wieder durch erneute Nebenwirkungen von Octreotid
Behandlung. Sandostatin beeinflusst den Glukosestoffwechsel durch
Shaha et al. (2010) haben bei 14 von 21 Patienten Hemmung von Wachstumshormon, Glukagon und In-
mit chronischem, therapierefraktärem, zystoiden Maku- sulinfreisetzung. Octreotid führt zu einer Reduktion des
laödem nicht diabetischer Genese und Visus von 0,8-0,05 Blutzuckerspiegels bei Patienten, die mit Insulin behan-
eine Therapie mit monatlichen, intramuskulären Injek- delt werden. Dies führt zu einer Reduktion der erfor-
tionen von 30 mg Octreotid vs. Placebo durchgeführt. derlichen Insulindosis. Daher muss die Insulindosis bei
Nach 6 Monaten zeigte sich eine signifikante Visusver- den meisten Patienten um 25 bis 50% reduziert werden.
besserung um zwei oder mehr Zeilen bei 50% der mit Engmaschige tägliche Kontrolle des Blutzuckers ist unter
Octreotid behandelten Patienten. Die Netzhautdicke än- Octreotid-Therapie unbedingt erforderlich wegen des Ri-
derte sich nicht signifikant. sikos von Hypoglykämien.
Chantelau und Frystyk (2005) berichteten über Pati- Hypoglykämien treten unter der Therapie von San-
enten, bei denen die Progredienz der diabetischen Reti- dostatin LAR meistens 10 bis 14 Tage nach der ersten
8.1 · Nicht-proliferative diabetische Retinopathie
105 8
Injektion auf, wenn die Insulindosis nicht angepasst wird. 8.1.4 Proteinkinase-C-Inhibitoren
Bei Patienten mit Diabetes mellitus, die nicht mit Insu-
lin behandelt werden, kann Sandostatin LAR entweder Proteinkinase C (PKC) ist ein intrazelluläres, regulato-
eine Erhöhung oder eine Erniedrigung der Blutglukose risches Protein, das bei der Entwicklung von mikro-
verursachen, abhängig von dem Einfluss auf die Gluka- vaskulären Komplikationen des Diabetes mellitus eine
gonsekretion. Rolle spielt. Die PKC-β soll mittelbar und unmittelbar
Gastrointestinale Nebenwirkungen sind am häufigs- mit verantwortlich sein für die Entstehung des Maku-
ten. Diarrhoen und Tenesmen treten bei einem Drittel der laödems und der proliferativen diabetischen Retinopa-
Patienten am Beginn der Octreotid-Behandlung auf. Sie thie (⊡ Abb. 8.5). Es wird vermutet, dass Inhibitoren der
manifestieren sich nach der ersten Injektion und können PKC-β einen therapeutischen Effekt auf die diabetische
zu Beginn der Behandlung während der beiden folgen- Retinopathie haben könnten.
den Injektionen noch zunehmen. In der Regel verbessern
sich diese Probleme jedoch bei den meisten Patienten in- Wirkungsmechanismus der Proteinkinase C
nerhalb von drei Monaten. Übelkeit und Erbrechen sind und der PKC-Inhibitoren
seltenere Nebenwirkungen. Die gleichzeitige Anwendung PKC wird durch hohe Glukosespiegel aktiviert. Der Wir-
von Pankreasenzymen führt zu einer Verbesserung der kungsmechanismus von PKC-β-Inhibitoren beruht auf der
Nebenwirkungen. Hypothyreoidismus und Gallensteine Beeinflussung der zellulären Signaltransduktion mittels
treten selten nach längerer Therapie mit Octreotid auf. Inhibition von spezifischen Proteinkinasen. Das Gleich-
Lokale Reaktionen an der Injektionsstelle wie Schmerzen, gewicht von Kinasen und Phosphatasen ist von entschei-
Rötung und Schwellung sind ebenfalls selten. dender Bedeutung für zelluläre Prozesse wie Wachstum,
Differenzierung und Motilität.
Abschließende Beurteilung Intrazelluläre Kinasen sind Enzyme, die Phosphat-
Die Daten zur Anwendung für Octreotid bei der diabeti- gruppen zu zellulären Proteinen hinzufügen. Die Pro-
schen Retinopathie sind variabel. Die besten Ergebnisse teinkinasen lassen sich nach der Natur der Akzeptor-
wurden in fortgeschrittenen Stadien der diabetischen Aminosäuren ihrer jeweiligen Substrate in vier Klassen
Retinopathie und bei hohen Dosen von Sandostatin be- unterteilen:
schrieben. ▬ Serin-/Threonin-spezifische Proteinkinasen,
Eine Wirkung konnte insbesondere bei einzelnen ▬ Tyrosin-spezifische Proteinkinasen,
Patienten mit persistierenden Neovaskularisationen und ▬ Histidin-spezifische Proteinkinasen und
Glaskörperblutungen nach Laserbehandlung oder Vit- ▬ Aspartat-/Glutamat-spezifische Proteinkinasen.
rektomie gefunden werden. Auch bei Patienten mit Ru-
beosis iridis zeigte sich bei Octreotid-Behandlung eine Man unterscheidet außerdem drei große Gruppen von
Besserung. Die Tatsache, dass insbesondere Patienten Serin-/Threonin-spezifischen Kinasen, die in allen Gewe-
mit späten, neovaskulären Komplikationen profitieren, ben zu finden sind:
spricht dafür, dass IGF-1 vor allem in fortgeschrittenen ▬ cAMP-abhängige Proteinkinase (Proteinkinase A),
Stadien der diabetischen Retinopathie als Progressions- ▬ Proteinkinase B und
faktor beteiligt ist. Octreotid ist nicht für die Behandlung ▬ Kalzium-Phospholipid aktivierte Kinase (Proteinki-
der diabetischen Retinopathie zugelassen. nase C).

Hyperglykämie

DAG AGE Glykierung


⊡ Abb. 8.5 Die Hyperglykämie führt zu
+ + einer Produktion von »advanced glyca-
+ tion endproducts« (AGE) und erhöhten
PKC-β-Inhibitor - PKCβ Kapillarleckage Makulaödem Diacylglycerol (DAG)-Spiegeln. Dies
+ + + führt zu einer Aktivierung von Prote-
inkinase β (PKCβ) und Überexpression
VEGF Kapillarokklusion von »vascular endothelial growth fac-
tor« (VEGF). Die durch PKCβ-induzierten
+ Effekte können mit PKCβ-Inhibitoren
rückgängig gemacht werden. (Aus Lang
Neovaskularisation Prol. diab. Retinopathie
2004)
106 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Die PKC ist eine Serin/Threonin-Kinase, die sich im Phorbolester, an die C2-Region Kalzium und an die C3-
ganzen Körper findet und an zahlreichen Signalprozessen Region ATP binden (⊡ Abb. 8.6).
beteiligt ist. Im Wesentlichen ist die PKC beteiligt an Ver- Am NH2-Terminus der meisten PKCs befindet sich
änderungen der Ionenkanäle, Permeabilität, Rezeptor- eine regulatorische Domäne von etwa 20-70 kDa, die die
funktionen, Zytoskelettstruktur, Proliferation, Apoptose, autoinhibitorisch wirkende Pseudosubstratdomäne ent-
Zellteilung und Transkription. hält. Weiter zum COOH-Terminus hin befinden sich die
C1- und C2-Domäne. Durch Interaktion der katalytischen
Proteinkinase-C-Familie Untereinheit mit dem Pseudosubstrat wird die PKC in
Die Proteinkinase-C-Familie wurde erstmals 1977 als einem inaktiven Zustand gehalten. Durch Entfernung der
eine proteolytisch aktivierte Kinase in Rattengehirnen autoinhibitorischen Pseudosubstratdomäne aus dem akti-
isoliert. Die PKC sind eine Familie von strukturell ven Zentrum wird die Bindung von DAG und Phospha-
und funktionell verwandten Proteinen, die durch al- tidylserin an die C1- bzw. C2-Domäne möglich und die
ternatives Splicing von einzelnen mRNA Transkripten Kinase aktiviert. Bei Aktivierung kommt es zur Phospho-
entstehen. rylierung von PKC. Die in verschiedenen Geweben ex-
Diese Kinasen sind üblicherweise im Zytoplasma primierten PKCs unterscheiden sich deutlich hinsichtlich
lokalisiert. Die PKC-Familie ist gekennzeichnet durch Anzahl und Expressionsniveau. PKCs sind an Signalkas-
unterschiedliche Strukturen und die dazu jeweilig er- kaden beteiligt, die Wachstum und Differenzierung von
forderliche Kofaktoren und Substrate. Durch die Über- Zellen kontrollieren. Die PKC-vermittelten Signalwege,
8 tragung von Phosphat auf Serin- und Threoningruppen die für Zellwachstum und Zelltod verantwortlich sind,
steuert die PKC die Aktivität nachgeordneter Enzyme. werden isoenzym- und zelltypspezifisch reguliert.
Basierend auf dieser regulatorischen Funktion spielt die In den Gefäßen und der Retina werden die PKC-βI
PKC eine zentrale Rolle bei der zellulären Signaltrans- und -βII und-δ mehr als andere Isoenzyme exprimiert. Es
duktion. Diacylglycerin, Phospholipide und Kalziumio- konnte gezeigt werden, dass die PKC-Aktivität korreliert
nen sind für die Aktivität der PKC erforderlich. Die PKC mit steigender Plasma-Glukose-Konzentration.
lassen sich in drei Gruppen einteilen basierend auf dem
Grad ihrer Abhängigkeit von Kalzium und Phospholipid. Effekt der PKC-Aktivierung
Die klassischen oder konventionellen Isoformen wer- Die Hyperglykämie führt zu erhöhten Spiegeln von AGE
den durch Diazylglyzerol (DAG) oder Phorbolester in und DAG. Diese sind Aktivatoren der PKC (⊡ Abb. 8.5).
einem Kalzium-abhängigen Prozess aktiviert. Die neuen Dies führt über eine Dysregulation von verschiedenen
PKCs werden ebenfalls durch DAG aktiviert, wobei die zellulären Prozessen, in die PKC-Isoenzyme involviert
Aktivierung dieser Isoformen von Kalzium unabhängig sind wie die Überexpression von VEGF. Folge ist eine
erfolgt. Die Gruppe der sogenannten atypischen PKCs erhöhte Gefäßpermeabilität und die Entwicklung von
und der neuen atypischen PKCs sind durch DAG nicht Neovaskularisationen. In retinalen Perizyten kann die
aktivierbar. Derzeit umfasst das Spektrum der PKC- Expression von VEGF durch PKC aktiviert werden.
Familie 13 Isoenzyme. In-vitro-Studien belegen, dass die Aktivierung von
Die PKC-Isoenzyme bestehen aus einer regulatori- PKC durch Phorbol-12-Myristat-13-Acetat oder hohe
schen und katalytischen Region: C1 bis C4, wobei an Glukosespiegel die Permeabilität von retinalen Endothel-
die C1-Domäne Diacylglyzerol, Phosphatidylserin und zellen steigert.

regulatorisch katalytisch

PS C1 C1 C2 C3 C4
cPKC N COOH

nPKC N COOH

⊡ Abb. 8.6 Schematische Darstel-


lung der primären Struktur der PKC aPKC N COOH
Isoenzyme. Die PKC-Isoenzyme be-
sitzen eine regulatorische (PS, C1-C2)
und eine katalytische Region (C3-C4) naPKC N COOH
8.1 · Nicht-proliferative diabetische Retinopathie
107 8
8.1.5 Proteinkinase C und diabetische mie verursachten endothelialen Dysfunktion. Durch die
Retinopathie PKC wird die NO-vermittelte Vasodilatation gehemmt.
Dies ist von Bedeutung, da eine Hemmung der PKC die
Die Hyperglykämie ist assoziiert mit einem gesteigerten retinale, mikrovaskuläre Hämodynamik wieder normali-
Polyol-Stoffwechsel, der Bildung von AGE und von reak- sieren kann.
tiven Sauerstoffspezies. Die Adhäsion von Monozyten an endotheliale Zel-
Die Hyperglykämie stimuliert die Neusynthese von len der Gefäßwand ist bei Diabetes mellitus verstärkt.
DAG. DAG verursacht eine vermehrte Expression der Die Membran-assoziierte PKC-Aktivität von Monozyten,
gewebsspezifischen PKC-Isoformen. Dies wiederum die bei Diabetikern deutlich erhöht ist, spielt dabei eine
führt zu einer Translokation der Isoform vom Zytosol Rolle.
in die Membran. Die Überexpression von PKC bewirkt Die Aktivität der PKC ist auch für die Regulation
auch eine Stimulation der Expression von VEGF. Er- der Hormonrezeptorendichte an der Zelloberfläche von
höhte VEGF-Spiegel führen wiederum zu einer gestei- Bedeutung. Sie ist involviert in intrazelluläre Signalant-
gerten Aktivierung von PKC. worten, Ionenkanal-Aktivitäten, dem intrazellulärem pH
In vielen Studien fanden sich Hinweise dafür, dass die und der Phosphorylierung von Proteinen. Auch die bei
PKC-Aktivierung durch die Hyperglykämie beim Diabe- Diabetikern beobachtete erhöhte reaktive Kontraktilität
tiker im Zusammenhang mit den erhöhten DAG-Spie- der glatten Gefäßmuskulatur wird verursacht durch eine
geln in vaskulären Geweben steht. Dies gilt auch für die PKC-Aktivierung, an der die Hyperglykämie kausal be-
Retina. Neuere Studien haben ergeben, dass die PKC-β an teiligt ist. Veränderungen der intrazellulären Kalzium-
vaskulären Dysfunktionen beteiligt ist, die durch Hyper- konzentration sind mit der PKC-Aktivierung verknüpft
glykämie induziert werden. Die intrazelluläre Freisetzung und modulieren über Wachstumsfaktoren induzierte Mi-
von DAG scheint der primäre Schritt zur Aktivierung der togenese und Kontraktion. Auch die Apoptose der glatten
PKC zu sein. Gefäßmuskelzellen ist PKC abhängig.
Die durch Hyperglykämie induzierte PKC-Aktivie-
rung spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung und Wirkung der PKC-Aktivierung
Progression der diabetischen Retinopathie. Glukose ge- Der Verlust der endothelialen Barrierefunktion ist ein
langt in die Zellen und wird dann über die Glykolyse frühes pathophysiologisches Phänomen der diabetischen
weiter verstoffwechselt. Dies führt zu einer Neusynthese Retinopathie. Dabei spielt die durch PKC vermittelte Phos-
von DAG. Erhöhte DAG-Spiegel sind in der Retina von phorylierung und Relaxation von zytoskeletalen- und Ad-
Diabetikern gefunden worden. So führt eine Hypergly- häsionsproteinen wie Caldesmon, Vimentin, Talin und
kämie zu einer verstärkten DAG-PKC Signaltransduk- Vinulin eine Rolle. Diese Proteine sind mitverantwortlich
tion in der Retina. Weiterhin spielen unabhängig von für die pathologische Gefäßpermeabilität, die bei erhöhten
der DAG-Synthese auch Fettsäuren eine entscheidende Glukosespiegeln gefunden werden. Dabei scheint VEGF
Rolle in der Modulation der PKC-Aktivierung, jedoch der primäre Mediator der gestörten Gefäßpermeabilität zu
scheinen die PKC-Isoenzyme der jeweiligen Gewebe un- sein, ebenso wie auch der Neoangiogenese. In Augen von
terschiedlich stark aktiviert zu werden. Dabei ist PKC-β Diabetikern mit Retinopathie sind erhöhte VEGF-Spiegel
ein wichtiges Isoenzym in der Retina. Ein möglicher gefunden worden. Bei erhöhten Glukosespiegeln ist die
Grund für die bevorzugte Aktivierung von PKC-β bei VEGF-Genexpression auch von der PKC abhängig.
Diabetikern ist die hohe Sensitivität gegenüber DAG. Die Verdickung der kapillären Basalmembran und die
Die Aktivierung der DAG-PKC Stoffwechselwege führt Vermehrung der extrazellulären Matrix sind die im Vor-
zu langfristigen, strukturellen und funktionellen Ver- dergrund stehenden vaskulären Veränderungen in der
änderungen, die mit mikrovaskulären Komplikationen Frühphase der Entwicklung der diabetischen Retinopa-
assoziiert sind. thie. Die Basalmembran spielt eine Rolle bei der vasku-
Das Gefäßendothel spielt eine Schlüsselrolle in der lären Permeabilität, der zellulären Adhäsion, Zellprolife-
Regulation der Hämostase, dem Blutgefäßtonus, der vas- ration, Zelldifferenzierung und Genexpression. Kollagen
kulären Permeabilität und der Thrombozytenaktivierung. vom Typ IV und VI sowie auch Fibronektin werden beim
Endotheliale Dysfunktion und Zellaktivierung führen zur Diabetiker vermehrt produziert. PKC-Inhibitoren kön-
Entwicklung der Mikroangiopathie. Bei biochemischer nen diese Effekte verhindern.
oder mechanischer Stimulation setzen endotheliale Zel- Bei der Verdickung der Basalmembran und der Syn-
len umfangreiche Substanzen frei, darunter unter ande- these von extrazellulärer Matrix spielen insbesondere
rem Angiotensin II, Endothelin-1 (ET-1), TGFβ, VEGF auch TGF-β und der »connective tissue growth factor«
und Prostaglandine. Dabei ist die PKC-Aktivierung ein (CTGF) eine Rolle. Die Expression von TGF-β und CTGF
biochemisch wichtiger Schritt in der durch Hyperglykä- können durch einen PKC-Inhibitor blockiert werden.
108 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Experimentelle Studien zu Inhibitoren mit einem PKC-β-Inhibitor, rückgängig gemacht wer-


der Proteinkinase C den. In diesem präklinischen Modell zeigte sich, dass die
In tierexperimentellen Studien konnte gezeigt werden, verschiedenen PKC-Isoformen nicht wesentlich an der
dass die intravitreale Injektion von VEGF zu einer ra- durch VEGF165 initiierten Signaltransduktion beteiligt
schen Aktivierung der PKC in der Retina, einer Mem- sind, die zu einer Delokalisation von Claudin-1 führt und
brantranslokation der PKC-Isoformen α, βII und δ und eine gesteigerte Zellpermeabilität verursacht.
einer dreifach erhöhten retinalen Gefäßpermeabilität
führte. Welche Rolle dabei die PKC exakt spielt, ist jedoch Studien mit Proteinkinase-Inhibitoren
noch unklar. Eine intravitreale oder orale Applikation Die Behandlung von Patienten mit diabetischem Makula-
von PKC-Inhibitoren reduzierte in dieser Studie die ge- ödem (DMÖ) mit PKC412, einem Inhibitor verschiedener
steigerte Gefäßpermeabilität. Isoformen der PKC und VEGF-Rezeptoren, für 3 Monate
Saishin et al. (2003) konnten an einem Schweinemo- führte zu einer Reduktion der Netzhautdicke in der opti-
dell für chorioidale Neovaskularisation zeigen, dass durch schen Kohärenztomographie (OCT). Die Studien mit dem
periokulare Injektionen von mit dem Inhibitor PKC412 unspezifischen PKC-Hemmer PKC412 zeigten schwere
beladenen Mikrosphären signifikant kleinere CNV ge- Nebenwirkungen wie gastrointestinale Beschwerden und
funden wurden im Vergleich zur Kontrollgruppe. Lebertoxizität, sodass die Studien eingestellt wurden.
Seo et al. (1999) konnten in einem Mausmodell mit
ischämischer Retinopathie und mit durch Laser induzier- z Ruboxistaurin
8 ten chorioidalen Neovaskularsationen nachweisen, dass Das einzige Präparat, das sich bis vor Kurzem noch in
durch einen selektiven PKC-Inhibitor CGP 41251 reti- einer klinischen Studie befand, ist Ruboxystaurin. Ru-
nale Neovakularisationen bei Mäusen mit ischämischer boxistaurin Mesylat (LY333531, Eli Lilly) wurde 1994
Retinopathie und chorioidale Neovaskularisation nach entwickelt. Es handelt sich um ein Bisindolylmaleimid. Es
Laser-induzierter Ruptur der Bruchschen Membran ver- ist ein Isoenzym-selektiver PKC-Inhibitor, der oral verab-
hindert werden konnten. reicht wird. Ruboxistaurin Mesylat ist der am selektivsten
Danis et al. (1998) zeigten an einem Schweinemodell, wirkende PKC-Inhibitor.
dass mit dem spezifischen PKC-Inhibitor LY333531 die Ruboxistaurin Mesylat (Ly333531) ist ein spezifischer
Entwicklung von präretinalen Neovaskularisationen nach Inhibitor der beiden Isoformen PKC-βI und -βII. Durch
Venenastverschluss effektiv verhindert werden konnte. Inhibition von PKC-β wird versucht, die diabetische Re-
Dies legt nahe, dass die PKC an der Entwicklung von tinopathie zu behandeln. Ruboxistaurin wird einmal täg-
Neovaskularisationen, die durch Ischämie bedingt sind, lich oral verabreicht. Die Halbwertszeit des Metaboliten,
beteiligt ist. N-Desmethyl-Ruboxistaurin beträgt etwa 16 h.
In einem Mausmodell für Diabetes mellitus Typ 2 Die PKC-Diabetic Retinopathy Study (PKC-DRS) war
konnte nachgewiesen werden, dass der PKC-Inhibitor eine Phase III, multizentrische, randomisierte, maskierte,
Ly333531 (Lilly) eine durch Diabetes mellitus induzierte placebokontrollierte Studie an 252 Patienten, die entwe-
retinale erhöhte Gefäßdurchlässigkeit und retinale Neo- der Placebo, 8 mg, 16 mg oder 32 mg Ruboxistaurin pro
vaskularisationen verhindern konnte. Tag über 3 Jahre erhielten. Der primäre Endpunkt war
In diabetischen Ratten konnte mit einer Behandlung eine Progredienz der diabetischen Retinopathie um 3 ET-
mit Ruboxistaurin Mesylat eine dosisabhängige Verbesse- DRS-Stufen oder eine panretinale Laserbehandlung.
rung des retinalen Blutflusses und eine Reduzierung der Einschlusskriterien waren ein ETDRS-Level von
retinalen PKC-Aktivität erzielt werden. 47b-53e und ein bestkorrigierter Visus von mindestens
Nach neueren Untersuchungen von Deissler et al. 45 Buchstaben. Der Ausgangsvisus lag im Mittel bei
(2010) scheinen die PKC-Inhibitoren bei Diabetes mel- 80 Buchstaben. Der primäre Endpunkt wurde nicht er-
litus aber nicht vorwiegend über eine Hemmung der reicht. Bezüglich des sekundären Endpunktes zeigte sich
VEGF-Effekte zu wirken. Immortalisierte, bovine, retinale bei der 32-mg-Gruppe eine signifikante Reduktion des
Endothelzellen wurden mit PKC inkubiert. Dies führte Visusverlustes um 3 Zeilen.
zu einer Delokalisation von Claudin-1, einem wichtigen In der PKC-Diabetic Macular Edema Study (PKC-
Schrankenprotein der Tight-junctions (⊡ Abb. 8.7). Dies DMES, MBBK Trial) wurden 686 Patienten in einer mul-
konnte mit einem PKC- δ-Inhibitor rückgängig gemacht tizentrischen, prospektiven, randomisierten, placebo-
werden. Wurden die Zellen allerdings mit VEGF165 über kontrollieren Phase-III-Studie untersucht. Die Patienten
längere Zeit inkubiert, so konnten die Delokalisation wurden randomisiert zu 4 mg, 16 mg oder 32 mg Ru-
von Claudin-1 und die dadurch verursachte Schranken- boxistaurin pro Tag. Die Dauer der Studie betrug 3 Jahre.
störung – gemessen am transendothelialen Widerstand Der primäre Endpunkt war die Progredienz des Makula-
– mit keinem PKC-Inhibitor, insbesondere auch nicht ödems innerhalb von 100 μm zum Zentrum der Makula
8.1 · Nicht-proliferative diabetische Retinopathie
109 8

⊡ Abb. 8.7 Die durch VEGF induzierte Delokalisation von Claudin-1 kann durch die Inhibition von PKC nicht verhindert warden. Immortalisierte,
bovine retinale Endothelzellen (iBREC) wurden entweder mit PKC-Inhibitoren (GF 109203X, Gö 6983)) oder Ranibizumab für 2 h inkubiert, bevor
VEGF165 für 2 Tage zugefügt wurde. Nur der VEGF-Inhibitor Ranibizumab war in der Lage, die Delokalisation von Claudin-1 zu verhindern. Dage-
gen konnte die durch VEGF induzierte Delokalisation von Occludin von Ranibzumab und den PKC-Inhibitoren verhindert werden. Die Lokalisa-
tion von Claudin-5 wurde durch VEGF nicht verändert. (Mit freundl. Genehmigung aus Deissler et al. 2010)

oder eine erforderliche fokale oder Gridlaser-Behandlung. In einer Phase-III-Studie konnte bereits gezeigt wer-
Die Patienten hatten eine Makulaverdickung zwischen den, dass Ruboxistaurin bei bestimmten Patientengrup-
300 und 3.000 μm vom Zentrum der Makula und eine pen die Progredienz des diabetischen Makulaödems sig-
nicht proliferative diabetische Retinopathie. Der bestkor- nifikant reduziert.
rigierte Visus betrug mindestens 75 Buchstaben. Es zeigte In den multizentrischen Studien wird derzeit un-
sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Grup- tersucht, ob Ruboxistaurin Mesylat die Progredienz des
pen. Beim direkten Vergleich der 32-mg-Gruppe mit diabetischen Makulaödems und der diabetischen Retino-
Placebo zeigte sich ein signifikanter Unterschied. pathie aufhalten kann.
In der PKC-Diabetic Retinopathy Study 2 (PKC-
DRS2, MBCM Trial) wurde als primärer Endpunkt die Nebenwirkungen
Progredienz der diabetischern Retinopathie oder die pan- Es wurden über 2.000 Patienten mit Ruboxistaurin be-
retinale Laserkoagulation gewählt und dann aufgrund handelt und es erwies sich als gut verträglich. Selten
der Ergebnisse der anderen beiden Studien in mäßigen kommt es zu Dypepsie, Diarrhöen, Kopfschmerzen, Nas-
Visusverlust geändert. Es handelte sich ebenfalls um eine opharyngitis oder Husten.
prospektive, randomisierte, placebokontrollierte Phase-
III-Studie mit 685 Patienten, die Placebo oder 32 mg Ru- Zusammenfassende Beurteilung
boxistaurin über 3 Jahre erhielten. Der primäre Endpunkt Die Überexpression von Proteinkinase spielt pathoge-
war der anhaltende signifikante Visusverlust von min- netisch im Rahmen der diabetischen Retinopathie eine
destens 3 Zeilen. Der bestkorrigierte Visus bei Einschluss Rolle. Es zeigte sich eine Wirkung der spezifischen PKC-
betrug mindestens 45 Buchstaben. Der mittlere Visus bei Inhibition in tierexperimentellen und klinischen Studien.
Einschluss betrug 77 Buchstaben. Es zeigte sich ein um Ob die PKC-Inhibitoren zu Therapie geeignet sind und
40% reduziertes Risiko des Visusverlustes in der Verum- ggf. zugelassen werden, wird sich herausstellen, wenn die
gruppe im Vergleich zu Placebo (p=0,034). endgültigen Studienergebnisse vorliegen.
110 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Praxistipp I I Meyer-Schwickerath war in den späten 1950ern der Erste,


der bewusst einen photothermischen Netzhautschaden
Weder Somatostatin-Analoga noch PKC-Inhibitoren sind für
zur Behandlung der diabetischen Retinopathie setzte.
die Behandlung der diabetischen Retinopathie zugelassen.
Ob sie in der Ära der Anti-VEGF-Therapien in Zukunft noch
Seine ersten Experimente machte er mit dem »Heliostat«,
eine Rolle spielen werden, ist bisher nicht abschätzbar. Das
einem optischen System zur Bündelung von Sonnenlicht.
erste Medikament, das eine Zulassung für die Behandlung Diese ersten Geräte wurden bald durch ein kommerziel-
der Visusreduktion des diabetischen Makulaödems erhal- les Instrument der Firma Carl Zeiss mit einem Xenon-
ten hat, ist Ranibizucab (Lucenits, Novartis AG). Lichtbogen als Lichtquelle ersetzt. Das Applikationssys-
tem dieses Lichtkoagulators basierte auf dem Prinzip der
direkten Ophthalmoskopie und einem beweglichen Spie-
Fazit für die Praxis gel, der den Blick des behandelnden Arztes auf den Fun-
Somatostatin-Analoga dus blockierte, während der Lichtpuls appliziert wurde.
Da Wachstumshormon (GH) und »Insulin-like growth factor 1« Dieses klobige Gerät mit einer exzessiven Hitzeproduk-
(IGF-1) Mediatoren der Angiogenese in der Retina bei Patienten tion wurde bald durch Laser ersetzt. Der Laser fand eine
mit Diabetes mellitus sind, ist der natürlich vorkommende Hem- seiner ersten erfolgreichen kommerziellen Anwendung in
mer des Wachstumshormons, Somatostatin, einer der Kandidaten der Photokoagulation der Netzhaut. Heute ist der Laser
für die pharmakologische Therapie der diabetischen Retinopa- integriert in den Strahlengang des Spaltlampen-Biomi-
thie. Für den klinischen Einsatz stehen synthetische Somatosta- kroskops, sodass eine Beobachtung des Fundus wäh-
8 tin-Analoga des natürlich vorkommenden Wachstumshormon- rend der Applikation von Licht und thermischer Energie
Inhibitors, wie z.B. Sandostatin (Octreotid), zur Verfügung. Diese möglich ist. Der Laser produziert monochromatisches
könnten für die Therapie der diabetischen Retinopathie von Be- Licht mit gut charakterisierten Absorbtionseigenschaften,
deutung sein. Sie hemmen die Produktion von GH und IGF1 und sodass die Lichtquelle vernachlässigbare Hitze produ-
weisen antiangogene Eigenschaften auf. Somatostatin-Analoga ziert und keine laute Kühlung mehr braucht. Dennoch
wurden bisher zur Therapie von zystoider Makulopathie und pro- bleiben die fundamentalen Charakteristika der gesetzten
liferativer diabetischer Retinopathie off-label eingesetzt. Photokoagulationsläsionen an der Netzhaut grundsätz-
lich dieselben.
Proteinkinase-C-Inhibitoren Zunächst basierte das Konzept der Photokoagula-
Die Proteinkinase C (PKC) gehört zur Familie der Proteinkinasen tionsbehandlung darauf, Neovaskularisationen direkt
und ist in zelluläre Signalwege involviert. Sie steuert die Aktivität durch thermische Koagulationen der neuen Gefäße zu
von nachgeordneten Enzymen und Faktoren. Die PKC ist be- verschließen. Dieses Konzept wurde allerdings bald ver-
teiligt an Dysregulationen der Zellen, die durch Hyperglykämie lassen, als sich zeigte, dass eine teilweise Laserablation
verursacht sind. Im Rahmen der Hyperglykämie kommt es zu der äußeren Netzhaut ausreichend war, um den vollen
erhöhten Diacylglycerol (DAG)-Spiegeln, die zu einer Aktivierung therapeutischen Effekt zu erreichen. Auch zeigte sich,
der PKC führen. Daher könnten PKC-Inhibitoren zur Therapie der dass die Energie, die zur Koagulation neugebildeter reti-
diabetischen Retinopathie infrage kommen. Experimentelle und naler Gefäße notwendig war, auch Schäden an den dar-
klinische Studien weisen darauf hin, dass die Hemmung des PKC unterliegenden, normalen retinalen Blutgefäßen und den
Subtyps β (PKC-β) zur Behandlung der diabetischen Retinopa- Nervenfasern der inneren Netzhautschichten bedingte.
thie geeignet sein könnte. Der selektive PKC-β-Inhibitor Ruboxis- Um den gewünschten therapeutischen Erfolg bei der
taurin Mesylat wird derzeit in klinischen Studien untersucht. proliferativen diabetischen Retinopathie zu erzielen, war
lediglich ein verödender Effekt an der äußeren Netzhaut
zu setzen, also am retinalen Pigmentepithel und der
8.2 Proliferative diabetische Retinopathie Photorezeptorenschicht. Eine gute Verteilung der Pho-
tokoagulationsherde spart die zentrale Netzhaut aus und
8.2.1 Photokoagulation bei proliferativer lässt ein konfluentes Netzwerk von intaktem retinalen
diabetischer Retinopathie (PDR) Pigmentepithel und Photorezeptoren, das möglichst für
eine volle Gesichtfeldbreite sorgen soll, zurück.
W. Soliman, M. Larsen, H. Helbig Dennoch muss ein ausreichend großer Anteil der
äußeren Netzhaut eliminiert wird, um die Bildung der
Geschichte der Photokoagulation Hypoxie-induzierten Signalmoleküle zu verhindern, wel-
Wer als Erster die klinische Beobachtung machte, dass che die Neovaskularisationen induzieren. Es ist zwei-
eine Netzhautdegeneration oder eine posttraumatische felhaft, ob die Läsion auch das retinale Pigmentepithel
Netzhautatrophie vor der Entwicklung einer diabetischen (RPE) umfassen muss, um den therapeutischen Effekt
Retinopathie schützt, ist nicht überliefert. Aber Gerd zu erreichen. Allerdings kann nur dank des Pigmentes
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
111 8
im retinalen Pigmentepithel ausreichend sichtbares Licht
absorbiert werden und in thermische Energie konvertiert
werden, sodass sekundär auch die benachbarten Pho-
torezeptoren koaguliert werden können. Eine isolierte
Verödung der Photorezeptoren mit dem Laser unter Aus-
sparung des RPE ist nicht möglich.

Wirkungsmechanismus
Die Absorption von Licht im RPE führt zu einer Wär-
meentwicklung, und wenn der Energiefluss hoch genug
ist, zu einer Koagulation des Pigmentepithels und der
Photorezeptor-Außensegmente. Diese liegen in so engem
Kontakt mit den Melanin-enthaltenen Elementen des
Pigmentepithels, sodass ein Schaden in der anliegenden
Netzhaut unvermeidbar ist. Ein primärer Schaden wird
auch in der Choriocapillaris gesetzt.

a
Praxistipp I I
Um den gewünschten Effekt, also die letale Wirkung
auf die Zellen, zu erreichen, muss die Hitze groß genug
sein, um die Gewebeproteine zu denaturieren, d.h.
buchstäblich, sie zu »garen« ohne eine Verdampfung
zu induzieren.

Die Konsequenz der Verdampfung wäre ein explosiver


Effekt, der unerwünschte Wirkungen im Gewebe hervor-
ruft, wie eine Ruptur der Bruchschen Membran, welche
für eine sekundäre Entwicklung einer subretinalen neo-
vaskulären Membran prädisponiert.
Erhebliche Anstrengungen wurden gemacht, die op-
timale Wellenlänge des Lichtes für die Photokoagulation
zu bestimmen. Anfangs war die Wahl der Wellenlänge
limitiert durch die verfügbaren Laser. Der erste Laser,
ein Ruby-Laser emittierte im roten Bereich bei 694 nm.
b In diesem Teil des Spektrums ist die Transparenz des
retinalen Pigmentpithels hoch und die Energie, welche
für den gewünschten Effekt nötig ist – eine zarte Weiß-
färbung der äußeren Netzhaut – ist so hoch, dass die
unerwünschte Hitzeentwicklung in der Aderhaut und
der Sklera erhebliche Schmerzen hervorruft und eine
Retrobulbäranästhesie notwendig ist. Dies war einer der
Gründe, weshalb bald der Argon-Laser eine attraktive
Alternative darstellte. Seine Emissionslinien bei 488 nm
und 514,5nm werden zu einem hohen Grad im RPE
absorbiert. Zwei Argumente gegen blaues und grünes
Licht sind allerdings, dass die Streuung des Lichtes in der
alternden Linse bzw. in der Katarakt relativ hoch ist. Zum
c
Anderen macht das gelbe Xantophyll in der neurosenso-
rischen Netzhaut der Makula Licht dieser Wellenlängen,
⊡ Abb. 8.8 Präretinale Proliferationen von neuen Gefäßen bei pro- insbesondere das blaue Licht, unattraktiv für Photokoagu-
liferativer diabetischer Retinopathie. (a, b Aus Solimann W u. Larsen lationen nahe des Zentrums. Der rote Krypton 647-nm-
M 2007) Laser wurde als Alternative vorgeschlagen, mit Vorteilen
112 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Hochrisiko-Charakteristika:
▬ Neovaskularisationen auf der Papille (»Neovavascu-
larization on the disc«, NVD) >1/3 der Papillenfläche
mit oder ohne Glaskörperblutung
▬ Glaskörperblutung oder präretinale Blutung mit
NVD (jeder Größe)
▬ Glaskörperblutung und Neovaskularisation auf der
Netzhautoberfläche außerhalb des Papillenbereiches
(Neovascularization elsewhere, NVE) größer als eine
halbe Papillenfläche.

Schwerer Sehverlust wurde hier definiert als eine Seh-


schärfe < 5/200 (ca. <1/50) bei 2 aufeinander folgenden
Untersuchungen mit 4 Monaten Abstand. Die Photoko-
agulationstechnik bestand aus diffus verteilten Effekten
⊡ Abb. 8.9 Fundusphotokoagulation mit einem Kontaktglas. (Aus (»scatter photocoagulation«), d.h. Photokoagulationsläsi-
Soliman W u. Larsen M 2007) onen mit ungefähr einer Herdgröße Abstand von einan-
der, zwischen hinterem Pol unter Aussparung der Makula
8 bis nach anterior zum Äquator. Für die Argon-Laser-
sowohl in Bezug auf die Lichtstreuung in der Linse als koagulation wurden 800 bis 1.600 Herde mit 500 μm
auch wegen besserer Penetration bei Glaskörperblutun- Durchmesser und einer Expositionszeit von 0,1 Sekun-
gen. Allerdings blieben die Ergebnisse der Behandlung den gesetzt, mit Energiewerten ausreichend, um eine
subfovealer Neovaskularisationen unbefriedigend und mäßig intensive Weißfärbung der Herde zu erreichen.
der Krypton-Laser fand klinisch nur begrenzte Anwen- Die obengenannten Hochrisiko-Charakteristika de-
dung. Aktuell bieten Dioden-Laser am gelben Ende des finieren eine Situation, in der ein bisher unbehandeltes
Grünspektrums bei 532 nm eine attraktive Option, vor Auge von der Photokoagulation profitieren kann, d.h. mit
allem wegen ihres kompakten Designs, aber auch ihrer Behandlung eine verbesserte Aussicht auf Funktionser-
geringen Streuung in der Linse. halt hat. Es ist jedoch klinisch offensichtlich, dass Augen
Der Wirkungsmechanismus der Laserphotokoagula- weit oberhalb dieser Schwelle, zum Beispiel Augen mit
tion bei proliferativer diabetischer Retinopathie kann ver- weit fortgeschrittenen fibrotischen Veränderungen, oft
einfacht als eine Wiederherstellung der Balance zwischen nicht günstig auf die Photokoagulation reagieren.
Sauerstoffbedarf und Sauerstoffzufuhr in einer Situation Für Augen mit schwerer nichtproliferativer diabeti-
mit diffusem Verlust der Kapillardurchblutung angesehen scher Retinopathie (NPDR) oder PDR ohne Hochrisiko-
werden. In der Tat zeigten Messungen der Sauerstoffkon- Charakeristika empfahl die DRS regelmäßige Kontrollun-
zentration im Gewebe, dass die Photokoagulation eine tersuchungen und bei Auftreten von Hochrisiko-Charak-
Verbesserung der Oxigenierung der inneren Netzhaut- teristika eine sofortige Laserkoagulation.
schichten bewirkt, in dem sie die metabolisch hoch ak- Ein möglicher Nutzen einer früheren Behandlung
tive Photorezeptorenschicht zerstört und damit zu einer wurde in der Early Treatment Diabetic Retinopathy Study
erhöhten Sauerstoffdiffusion in den inneren Netzhaut- (ETDRS) untersucht. Die ETDRS definierte die schwere
schichten führt . NPDR über das Vorliegen von einer der 3 folgenden Cha-
rakteristika (auch bekannt als die 4-2-1-Regel):
Klinische Studien und daraus ▬ Größere Punkt- und Fleckblutungen in 4 Quadranten
folgende Indikationen für die retinale ▬ Kaliberschwankungen der Venen in 2 Quadranten
Photokoagulationsbehandlung ▬ Intraretinale mikrovaskuläre Anomalien (IRMA) in
Die Diabetic Retinopathy Study (DRS), deren erste Er- 1 Quadrant
gebnisse 1976 veröffentlicht wurden, hatte zum Ziel,
den Effekt der Argonlaserkoagulation und der Photoko- Die ETDRS verglich eine frühe disseminierte (»scatter«)
agulation mit dem Xenon-Lichtbogen auf die Neovasku- Photokoagulation mit Beobachtung bei Patienten mit
larisationen bei proliferativer diabetischer Retinopathie milder bis schwerer NPDR oder früher PDR mit oder
(PDR) zu untersuchen. Die DRS zeigte überzeugend, ohne Makulaödem. Die Ergebnisse der Studie führten zu
dass das Risiko eines schweren Sehverlusts bei Au- einer revidierten Empfehlung, nämlich dass die Schwelle
gen mit Hochrisiko-PDR um ca. 50% reduziert werden zur Behandlung mit einer disseminierten (»scatter«) Pho-
konnte. tokoagulation bei älteren Patienten mit Typ-II-Diabetes
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
113 8

⊡ Abb. 8.11 Sehr schwere nicht-proliferative diabetische Retinopa-


a
thie mit IRMAs und venösen Kaliberschwankungen

Praxistipp I I
Der Goldstandard der Fundusuntersuchung bleibt die
stereoskopische Fundusbiomikroskopie

Klinische Praxis
In der klinischen Praxis sollten eine Reihe von Faktoren
bedacht werden, bevor die Entscheidung, eine dissemi-
nierte (»scatter«) Photokoagulation zu empfehlen, gefällt
wird:
▬ Systemische Faktoren, wie z.B. eine schlechte meta-
bolische Einstellung oder eine kürzliche wesentliche
Verbesserung der Blutzuckereinstellung, ein arteriel-
ler Hypertonus, Schwangerschaft und Niereninsuf-
fizienz sind mit einer schlechteren Visusprognose
b assoziiert und können eine frühere disseminierte
(»scatter«) Photokoagulation rechtfertigen.
⊡ Abb. 8.10 Neovaskularisationen auf dem Sehnervenkopf (NVD) bei ▬ Ein aggressiver Verlauf der PDR am Partnerauge
PDR. Die Pfeile (a) markieren den Rand des neovaskulären Gefäßnetzes. ist ein starkes Argument, auch das zweite Auge
(Aus Soliman W u. Larsen M 2007) frühzeitig mit Photokoagulation zu behandeln. Eine
Behandlung, in früheren Stadien als es die Standard-
leitlinien empfehlen, ist sinnvoll bei Patienten, welche
schon bei sehr schwerer NPDR (mindestens 2 Kriterien eine schlechte Mitarbeit (»Compliance«) bei Thera-
der 4-2-1-Regel oder früher PDR ohne die DRS-Hoch- pie oder Retinopathie-Screening gezeigt haben. Vor-
risiko-Charakteristika) durchgeführt werden sollte. Bei behalte gegen eine Retrobulbäranästhesie, zusammen
jüngeren Patienten mit Typ-I-Diabetes sahen die ETDRS- mit der Angst vor Schmerz, können zu mehr Sitzun-
Empfehlungen unverändert vor, dass die Photokoagula- gen mit kleineren Herden, aber insgesamt größerer
tion bis zur Entwicklung von DRS-Hochrisiko-Charakte- Zahl von weniger schmerzhaften Herden führen.
ristika hinausgeschoben werden kann. ▬ Trübungen der optischen Medien wie Katarakt oder
Es ist erwähnenswert, dass ganz generell die prolife- Glaskörperblutung sollten die Entscheidung zur frü-
rative diabetische Retinopathie charakterisiert ist durch hen Photokoagulation beschleunigen.
präretinale Gefäßneubildungen, die mit einer partiellen ▬ Bei einer anstehenden Kataraktoperation bei Pa-
Abhebung der hinteren Glaskörpergrenzfläche verknüpft tienten mit aktiver PDR sollte die Photokoagulati-
sind. Neovaskularisationen auf der Netzhautoberfläche, onsbehandlung vor der Kataraktoperation erfolgen,
flach aufliegend, sind schwer zu unterscheiden von IR- weil dieser Eingriff die Progresssion der Retinopathie
MAs (⊡ Abb. 8.10, ⊡ Abb. 8.11). beschleunigen kann [9].
114 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

▬ Bei gleichzeitig bestehendem klinisch signifikantem tionen stellt sich ein Großteil der Patienten dem Augenarzt
Makulaödem sollte das Makulaödem vor der PDR erst dann vor, wenn schon eine fortgeschrittene diabetische
behandelt werden, weil die Photokoagulation zu Retinopathie mit Sehverlust vorliegt. Bei solchen Patienten
einer Verschlechterung des Makulaödems und zu ist die Prognose begrenzt. Die funktionellen Ergebnisse
einem transienten oder permanenten Sehverlust füh- schwanken zwischen sehr gut und schlecht. Die Informa-
ren kann. tion, die man diesen Patienten geben sollte, reicht von Be-
▬ In Gegenwart von Vorderabschnittsneovaskularisati- ruhigung eines nervösen Patienten, dass die Visusprognose
onen (Rubeosis iridis) sollte eine rasche und aggres- gut ist, bis zum Hinweis, dass zusätzliche Maßnahmen nö-
sive Laserkoagulation der Netzhaut erfolgen, weil die tig werden könnten, um die Retinopathie zu kontrollieren,
Progression zum neovaskulären Glaukom mit einer nicht weil die Photokoagulation nicht wirksam ist, und
besonders schlechten funktionellen Prognose asso- nicht, weil sie subjektiv bedeutende negative Effekte hat,
ziiert ist. Differentialdiagnostisch sollten ein Zen- sondern weil sie alleine möglicherweise nicht ausreicht.
tralvenenverschluss und ein okuläres ischämisches
Syndrom abgegrenzt werden. z Ist die Photokoagulation bei PDR eine sichere
Prozedur?
Vorbereitung zur Photokoagulation: Die Photokoagulation bei diabetischer Retinopathie ist ge-
Information und Einwilligung nerell eine sehr sichere Prozedur. Der wesentliche, aller-
Vor der Photokoagulation der Netzhaut sollte sicherge- dings dramatische, unerwünschte Effekt ist, dass während
8 stellt sein, dass der Patient über eine Reihe relevanter der Photokoagulation ein Herd unabsichtlich in die Fovea
Punkte voll informiert ist. Das folgende Kapitel enthält gesetzt werden könnte. Schlechte Patientenmitarbeit ist da-
Informationen, die es dem behandelten Arzt erlauben, für selten die Ursache, weil diese schon am Beginn der Be-
typische Patientenfragen zu beantworten. handlung bemerkt wird und zu geeigneten Maßnahmen,
wie z.B. einer Trainingssitzung mit nur sehr wenigen Läsi-
z Was ist das Ziel der Behandlung und welches sind onen, führen würde. Sedierende Medikamente können vor
die Kriterien für den Erfolg? der nächsten Sitzung verschrieben werden, oder es kann
Ziel der Behandlung ist, die zukünftige Entwicklung der eine Retrobulbaranästhesie gesetzt werden. Nur in sehr
Sehschärfe besser zu gestalten, als es im unbehandelten seltenen Fällen wird eine Vollnarkose erforderlich sein.
Fortschreiten des Krankheitsverlaufes geschehen würde. Es
soll versucht werden, die Situation zu stabilisieren und eine z Welche Sicherheitsmaßnahmen können getroffen
weitere Verschlechterung aufzuhalten, die im schlimmsten werden?
Fall zu Blindheit führen kann. Ein Verlust der Sehschärfe
! Cave!
kann nicht immer verhindert werden, aber mit einer mo-
Um eine versehentliche Läsion in der Fovea zu
dernen, guten Diabetesversorgung werden heutzutage nur
vermeiden, sollte man immer sorgsam beobach-
sehr wenige Patienten blind und nur ein kleiner Teil der
ten, wohin der Zielstrahl jederzeit gerichtet ist.
Patienten verliert die Lesefähigkeit. Ein Großteil der Pati-
enten mit PDR ohne Makulaödem wird nach der dissemi- Wenn man während der Behandlung seinen Blick auf das
nierten (»scatter«) Photokoagulation eine im Wesentlichen Laser-Kontrollpanel richtet, oder irgendein anderes Projekt
unveränderte, zentrale Sehschärfe behalten. Die Kriterien außerhalb des Fundus, muss jedes Mal erneut die Position
für einen kurzfristigen Erfolg der Behandlung sind eine des Zielstrahls in Beziehung zur Fovea überprüft werden.
Rückbildung oder zumindest eine Stabilisierung retina- Der Sehnervenkopf bietet gewöhnlich die sicherste Orien-
ler Gefäßneubildungen sowie die Vorbeugung einer Um- tierung, von welcher ausgehend man sich in die Peripherie
wandlung neuer Gefäße in fibrotisches Bindegewebe mit bewegt. Man beginne im Zwischenraum von 2 Gefäßästen
Entwicklung einer Traktionsablatio. und schreite in die Peripherie fort, soweit es eine Kon-
Langzeiterfolg ist definiert als die Verhinderung von taktlinse ohne interne Spiegel zulässt. Dann fahre man im
Glaskörperblutungen, Netzhautablösungen und schwe- nächsten Zwischenraum von 2 Gefäßästen fort und bleibe
rem Sehverlust. Klinische Daten zeigen, dass diese Ziele immer außerhalb der temporal vaskulären Arkaden und
bei den allermeisten Patienten erreichbar sind, wenn eine mindestens 3 Papillendurchmesser entfernt vom Zentrum
gute, qualitativ hochwertige Versorgung zur Verfügung der Fovea. Bei Benutzung eines Dreispiegel-Kontaktglases
steht und genutzt wird, einschließlich der augenärztlichen besteht das Risiko unbeabsichtigt durch die zentrale Öff-
Retinopathie-Sreeninguntersuchung und der rechtzeitigen nung auf den Fundus zu schauen, während man glaubt,
Photokoagulation. Nur die Kombination von systemischer durch einen peripheren Spiegel zu sehen. Das Risiko für
und okulärer Prävention kann den Sehverlust durch diabe- dieses Problem kann minimiert werden, indem man eine
tische Retinopathie erfolgreich verhindern. In vielen Situa- geringe Vergrößerung benutzt, um alle Spiegel gleichzeitig
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
115 8
im Blickfeld zu behalten. Die Laserherde sollten zwischen z Was ist der früheste Effekt des Lasers?
den Gefäßen appliziert werden. Unabsichtliche Herde auf Direkt nach der Behandlung wird das behandelte Auge nur
retinale Venen können Glaskörperblutungen hervorru- sehr wenig sehen können, weil es diffus geblendet ist. Da-
fen. Diese Blutungen sind gewöhnlich selbst limitierend von wird sich das Auge in ca. einer halben Stunde erholen.
und klein und bedürfen keiner Behandlung. Die Appli- Einige Patienten berichten, dass sie das Muster der Laser-
kation kurzer Herde mit hoher Energie auf einem kleinen Photokoagulationsherde wahrnehmen und gelegentlich
Fleck kann zu einer Aderhautblutung in den subretinalen auch Photopsien für einige Monate nach der Behandlung.
Raum führen. Dies kann sekundär zu einer subretinalen
Neovaskularisation führen, aber außerhalb der großen
Gefäßarkaden hat dies gewöhnlich keine Konsequenzen.
In der Makula ist das Risiko einer Progression zu einer
subfovealen Neovaskularisation umso größer, je näher die
Läsion an der Fovea liegt.

z Ist die Photokoagulation schmerzhaft?


Eine Photokoagulation am hinteren Pol des Auges ist
generell schmerzfrei, wo hingegen ein gewisser Schmerz
wahrgenommen wird, wenn man sich dem Äquator nä-
hert. Der Schmerz kann recht intensiv sein, je weiter
man vom Äquator nach anterior kommt. Der Schmerz
variiert oft zwischen einem Herd und dem nächsten, aber
ist generell am intensivsten in den horizontalen Meridia-
nen, wo die größeren Zilliarnerven liegen. Der Schmerz
strahlt oft in den Nacken aus.
! Cave! ⊡ Abb. 8.12 Photokoagulationsherde mit verschiedenem Durchmes-
Tropfanästhesie ermöglicht die Benutzung ser, Jahre nach der primären Behandlung mit 500 μm als größte Herd-
von Kontaktgläsern, aber es reduziert nicht die größe. Die Vergrößerung der Läsionen bis zu einem Durchmesser
von ungefähr 1.000 μm und die gelegentliche Konfluenz der Narben
Schmerzen, die mit der Fundusphotokoagulation
(Pfeile) ist bedingt durch eine schleichende Atrophie am Rand der
verbunden sein können. Läsion. (Aus Soliman W u. Larsen M 2007)
Bei den meisten Patienten kann eine volle Behandlung in
Tropfanästhesie durchgeführt werden, abhängig von der
Spotgröße, den Energieeinstellungen und der Zahl der
Herde. Zur Schmerzreduktion kann eine retrobulbäre,
peribulbäre oder subtenonale Anästhesie gesetzt werden.
Einige Laserchirurgen benutzen ein mildes Sedativum,
z.B. 5 mg Diazepam, und ein Schmerzmittel, z.B. 1 g Pa-
racetamol, eine Stunde vor Beginn der Behandlung. An-
dere Ophthalmologen ziehen es vor, durch eine ausführ-
liche, beruhigende und geduldige Kommunikation mit
den Patienten dessen Ängste und Schmerzwahrnehmung
zu vermindern. Einige Patienten fürchten bald blind zu
werden, was meistens unbegründet ist.

z Wie lange dauert eine retinale Photokoagulation


und wie viele Sitzungen sind erforderlich?
Eine volle Behandlung für die PDR sollte in mindestens
2 Sitzungen pro Auge aufgeteilt werden. Wenn keine Ret-
robulbäranästhesie angewandt wird, kann die Behandlung
auf eine größere Zahl von Sitzungen verteilt werden, aber
⊡ Abb. 8.13 Photokoagulationsherde Jahre nach der primären Be-
ungern auf mehr als 6 Sitzungen pro Auge. Die Dauer der handlung. Die Konfluenz der Narben ist durch schleichende Vergrö-
Photokoagulation beträgt typischerweise zwischen 5 und ßerung der Atrophie entstanden, die primären Herde waren weniger
15 Minuten pro Sitzung. dicht gesetzt.
116 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

a b c

⊡ Abb. 8.14 Fluoreszeinangiographie-Bilder vor Laser (a), kurz nach Laser (b), und viele Jahre nach Laser (c) zeigen im Verlauf die erhebliche
Vergrößerung der atrophen Lasernarben

8 z Wird sich das Sehen nach der Photokoagulation zentrale Sehen auf Kosten eines Teils des peripheren Se-
bessern? hens zu erhalten. Durch Verteilung der peripheren Herde
Die Photokoagulation der Netzhaut bei PDR hat zum Ziel in nicht-konfluenter Art und Weise bleiben die absoluten
die Langzeitprognose für das zentrale Sehen zu verbes- Skotome im peripheren Gesichtsfeld klein genug, um
sern. Die Photokoagulation führt nicht zu einer Visus- im täglichen Leben kaum praktische Konsequenzen zu
besserung, aber es kann das Sehen stabilisieren, während haben. Allerdings kann gelegentlich die Fahrtüchtigkeit
es unbehandelt verloren gehen würde. Deshalb muss die beeinträchtigt sein. Weil die Photokoagulation die inne-
Photokoagulation im Allgemeinen angewandt werden, ren Netzhautschichten ausspart, sind die Läsionen nicht
bevor die Sehverschlechterung eingetreten ist. mit einem bogenförmigen, größeren Skotom assoziiert
Die Photokoagulation bei PDR induziert viele kleine und die Skotome sind begrenzt auf die koagulierte Fläche
Ausfälle im peripheren Gesichtsfeld, die mit der Zeit selbst. Über längere Zeit können sich die atrophen Herde
durch den Prozess der fortschreitenden Atrophie (s.u.) allerdings spontan langsam vergrößern (Engl. »creeping
konfluieren können. Die Patienten beklagen selten ei- atrophy«) , sodass Jahre später Areale mit konfluierenden
nen Verlust des peripheren Gesichtsfeldes. Dafür gibt atrophen Herden entstehen und den falschen Eindruck
es mehrere Erklärungen. Zum einen ist das periphere erwecken, die primäre Behandlung sei zu dicht gewesen.
Gesichtsfeld schon vor der Photokoagulation durch die
Retinopathie beeinträchtigt. Zum anderen werden peri- z Sollte eine Fluoreszeinangiographie
phere Gesichtsfeldausfälle oft nicht wahrgenommen, wie vor Laserbehandlung der PDR und zur
dies ja auch für den physiologischen blinden Fleck und Verlaufskontrolle durchgeführt werden?
für glaukomatöse Gesichtsfeldausfälle gilt. Verantwortlich Die Diagnose und Verlaufskontrolle der PDR sollte pri-
für die fehlende Wahrnehmung der Skotome ist das psy- mär auf der stereoskopischen Biomikroskopie basieren.
chophysische Phänomens des »filling-in«. Eine Angiographie ist selten notwendig. Persistierende,
präretinale Proliferationen, die biomikroskopisch schwer
z Was bedeutet der Begriff »panretinal«? zu identifizieren sind, brauchen nicht notwendigerweise
Der Begriff »panretinale« (= ganze Netzhaut) Photokoagu- ergänzende Laserbehandlungen, aber sollten sorgfältig auf
lation ist eigentlich ein fehlerhafter Begriff, weil er falsch Zeichen der Progression beobachtet werden (⊡ Abb. 8.15).
dahin gehend interpretiert werden kann, dass die gesamte
Netzhaut gelasert werden sollte, was natürlich ein De- z Welche Richtlinien bestehen für die Nachkontrolle?
saster wäre. Eine Photokoagulationsnarbe ist ein blinder Eine rechtzeitige und ausreichende Photokoagulation prä-
Fleck. Daher kann nur durch das Belassen von aus- retinaler Gefäße bei der PDR wird zur Elimination der
reichend unbehandelter Netzhaut ein symptomatischer Proliferation, zur Größenreduktion oder zur Transforma-
Sehverlust vermieden werden. Der Begriff »panretinale tion in fibrotische Membranen ohne Traktionseffekte auf
Photokoagulation« beschreibt eine Behandlung, bei der die Retina führen. Daher sollte die Photokoagulation bei
die Photokoagulation diffus über den Fundus mit Aus- PDR immer nachkontrolliert werden, um festzustellen,
sparung der Makula verteilt wird. Die Intention ist, das ob zusätzliche Behandlungen oder gar eine Vitrektomie
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
117 8

⊡ Abb. 8.15 Persistierende präretinale fibrovaskuläre Proliferationen nach voller Photokoagulationsbehandlung bei proliferativer diabetischer
Retinopathie. Photokoagulationsnarben mit einem dunklen oder aschgrauen Erscheinungsbild sind typisch für Personen mit einer pigmentier-
ten Sklera. (Aus Soliman W u. Larsen M 2007)

⊡ Abb. 8.16 Angiographiebilder vor und nach Laserkoagulation zeigen eine wesentliche Rückbildung der leckenden Neovaskularisationen
118 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

⊡ Abb. 8.17 Zusammengesetzte Angiographiebilder vor (oben) und nach (unten) Laserkoagulation zeigen eine wesentliche Rückbildung der
Neovaskularisationen (Mit freundl. Genehmigung aus Bornfeld N et al. 2010)
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
119 8
notwendig wird. Die Photokoagulation bei der PDR wird tokoagulation bei PDR auftreten. Die wahrscheinlichste
in gewissem Maße von der zu applizierenden Dosis her Ursache für diese Blutungen sind kleine residuale Neo-
an der klinischen Wirkung titriert. Die initialen Sitzungen vaskularisationen, die unter Traktion des schrumpfenden
sollten die Fläche innerhalb der temporalen Arkaden aus- Glaskörpers stehen. Die Blutung ist meistens nur gering
sparen. Wenn die initialen Sitzungen abgeschlossen sind, und kann sich spontan resorbieren. Nur wenige Fälle er-
sollte der Patient ungefähr 3 Monate später kontrolliert fordern eine Vitrektomie.
werden. Zu diesem Zeitpunkt kann eine Regression der
Gefäße bei günstigem Verlauf gesehen werden. Wenn Einwilligung zur Behandlung
anhaltende Aktivität vorliegt, ist eine zusätzliche Therapie Die formalen, forensischen Erfordernisse für die Pati-
sinnvoll. Oft ist es möglich, die Behandlung mehr nach enteneinwilligung zur Behandlung variieren zwischen
anterior Richtung Ora serrata auszudehnen. Diese Flächen verschiedenen Ländern, aber die gute klinische Praxis
sollten ausgeschöpft werden, bevor die Photokoagulation sollte immer eine sorgfältige Information des Patienten
innerhalb der temporalen Arkaden fortgesetzt wird. über verfügbare Optionen, Ziel der Behandlung, mögli-
che Komplikationen, postoperative Vorsichtsmaßnahmen
z Gibt es eine Rolle für intravitreale anti-angiogene und Richtlinien für die Nachbehandlung einschließen.
Medikamente bei PDR? Eine Einwilligung des Patienten zur Behandlung sollte
Anti-angiogene Medikamente werden inzwischen für eine dokumentiert werden.
Reihe retinaler Erkrankungen eingesetzt, z.B. die altersbe-
dingte Makuladegeneration, das Makulaödem bei retinalen Protokoll für die Photokoagulation
Venenverschlüssen oder auch das diabetische Makulaödem. Wellenlänge/Farbe
Möglicherweise werden sie auch eine Rolle in der Behand- Die beliebtesten retinalen Photokoagulatoren für die
lung der PDR spielen, aber zumindest zum gegenwärtigen PDR sind zur Zeit der Argon-Grün-Laser mit 514,5 nm
Zeitpunkt nicht als alleinige Therapie. Sie können evtl. eine und vor allem der grüne Dioden-Laser mit 532 nm.
adjuvante Therapie darstellen, wenn die Photokoagulation Krypton-Rot 647 nm war ebenfalls effektiv. Sein we-
nicht ausreicht, um einen Sehverlust zu vermeiden. sentlicher potentieller Vorteil bei der PDR ist die bes-
sere Penetration durch eine gelbe oder braune Katarakt
z Ist eine späte Glaskörperblutung ein Zeichen verglichen mit grünem Licht. Der Infrarot-Diodenlaser
für ein Versagen der Therapie? mit 810 nm verursacht stärkere Schmerzen als der Grün-
Eine Glaskörperblutung kann kurz nach aber auch lange Laser und hat den Nachteil, dass der Laserstrahl nicht
Zeit nach Beendigung einer ansonsten erfolgreichen Pho- sichtbar ist. Dafür ist der Patient aber weniger geblendet.
Einige neue Geräte können automatisch die Laserherde
in schneller Folge (0,02 s) in einem vorausbestimmten
Muster abgeben. Dies kann potentiell eine schnellere Be-
handlung ermöglichen. Zu beachten ist allerdings, dass
dabei alle Herde ausreichend intensiv gesetzt werden
müssen.
! Cave!
Das Verwenden einer vorherbestimmten automa-
tischen Musterphotokoagulation ist besonders
bei Makulaödem nicht empfehlenswert, weil die
notwendige Energie für die optimale Intensität
der Herde von Punkt zu Punkt variiert, abhängig
vor allem von der Pigmentierung und der Dichte
zur Makula.

Anästhesie
Retrobulbäre Anästhesie, peribulbäre Anästhesie und
subtenonale Anästhesie sind effektive schmerzlindernde
⊡ Abb. 8.18 Proliferative diabetische Retinopathie in einem späten,
Prozeduren, genauso wie die systemische Gabe von An-
unbehandelten fibrotischen Stadium. Weitere Kontraktion, der die
Makula zirkulär umspannenden präretinalen Fibrose kann zu einem
algetika und Sedativa. Die Verwendung kleinerer Herd-
plötzlichen Verlust des zentralen Sehens durch eine Abhebung der größen und mehrerer Behandlungssitzungen ist ebenfalls
Fovea führen. (Aus Soliman W u. Larsen M 2007) eine Möglichkeit, Schmerz zu reduzieren.
120 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

⊡ Abb. 8.19 Schwere, nichtproliferative diabetische Retinopathie vor (links) und nach Photokoagulationsbehandlung (rechts) außerhalb der
temporalen Gefäßarkaden. Die Retinopathieläsionen in den behandelten Arealen sind zurückgebildet, allerdings hat sich innerhalb der Arka-
den ein diabetisches Makulaödem entwickelt. (Aus Soliman W u. Larsen M 2007)
8
Biomikroskopie mit Kontaktlinse oder Parameter und Endpunkte
präkornealen Linsen für die Photokoagulation Die DRS beschreibt eine Dosierung von 800 bis 1.600
Eine Anzahl exzellenter Linsen ist für die Fundusphoto- mäßig intensiven Argon-Laserherden platziert mit jeweils
koagulation verfügbar, ebenso Spaltlampenmikroskope 1 Herdgröße Abstand mit einem Herddurchmesser von
mit integriertem Laser. Die Linsen unterscheiden sich in 500 μm und einer Expositionszeit von 0,1 s. Die posteriore
Vergrößerung, Bildausschnitt, Bildqualität, Bequemlich- Grenze des behandelten Areals sollte ungefähr 1 Papillen-
keit in der Benutzung und darin, ob das Bild umgekehrt durchmesser nasal der Papille und nicht dichter als 2 Pa-
oder aufrecht ist. Weitwinkellinsen bieten die beste Ori- pillendurchmesser oberhalb, temporal und unterhalb der
entierung am Fundus, wo hingegen Goldmanns Drei- Makula liegen und peripher bis zum Äquator des Auges
spiegelkontaktglas oft den besten Zugang zur periphe- reichen. Die gleichen Parameter wurden in der ETDRS
ren Netzhaut erlaubt. Die Vergrößerung des Laserspots beschrieben, außer dass die Herdzahl hier zwischen 1.200
ist definiert als die lineare Vergrößerung in Relation zu und 1.600 lag. Viele Ophthalmologen benutzen kleinere
einem Laserherd, der durch das Goldmann-Dreispie- Herden, typischerweise mit 200 μm Durchmesser, um we-
gelkontaktglas projiziert wird. Die Laserherdvergröße- niger Schmerz zu erzeugen und mit Tropfanästhesie aus-
rung ist umgekehrt proportional zur Vergrößerung des kommen zu können. Allerdings muss bei halbiertem Herd-
Fundusbildes. Wenn der Laserspot um den Faktor 2 durchmesser ungefähr die vierfache Anzahl an Laserher-
vergrößert ist, muß die Energie im Prinzip im Quad- den gesetzt werden, um den gleichen Effekt zu erreichen.
rat erhöht werden, d.h. hier um einen Faktor 4. Diese Die Einstellung der Energieparameter erfolgt an ei-
Regel ist nur eine grobe Richtlinie und eine erneute nem peripheren Fundusort mit durchschnittlicher Pig-
Anpassung der Energieeinstellung nach Veränderung mentierung. Der Zielstrahl ist auf die gewünschte Herd-
von Herdgröße oder der verwendeten Linse ist immer größe einzustellen, z.B. 200 μm. Pulsdauer, normaler-
erforderlich. Die Behandlung an der Spaltlampe sollte, weise 0,1 s, und eine zunächst relativ geringe Intensität,
wenn möglich, mit einem Kontaktglas erfolgen, da dass z.B. 200 mW für den 532-nm-Laser, wird voreingestellt.
Kontaktglas die beste Kontrolle über Augenbewegun- Eine Testläsion wird gesetzt und die Gewebereaktion
gen bietet, verglichen mit »non-contact« präkornealen beobachtet. Der gewünschte Endpunkt ist eine blasse Lä-
Linsen. sion, die in der Größe dem Durchmesser des Zielstrahls
Die retinale Photokoagulation kann auch an einem entspricht. Weiße Herde, die größer als der Durchmesser
Patienten in Vollnarkose mit einem indirekten Ophthal- des Zielstrahls sind, sollten vermieden werden, weil eine
moskop appliziert werden. Während der Vitrektomie unnötig tiefe und schmerzhafte Läsion dabei entsteht.
stehen Endolasersonden zur Verfügung, um die Laser-
energie zu applizieren. Die gewünschte Verteilung und Platzierung und Ausmaß der Behandlung?
die Gewebeeffekte sind grundsätzlich die gleichen wie für Die Strategie der Behandlung ist, den neovaskulären
eine Laserung an der Splatlampe. Stimulus zu eliminieren, indem eine große Zahl von
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
121 8

⊡ Abb. 8.20 Fundusphotographie mehrere Jahre nach Scatter-Be-


handlung für proliferative diabetische Retinopathie. Die initiale Größe
der Photokoagulationsherde stellt sich im hellen Zentrum der Läsion
dar. Der angestrebte Abstand zwischen den Herden war eine Herd-
größe. Der dunklere Ring um das weiße Zentrum ist bedingt durch das
Phänomen der schleichenden Atrophie. Man beachte die Lokalisation
zwischen den großen Gefäßen. (Aus Soliman W u. Larsen M 2007)
⊡ Abb. 8.22 Zusammengesetztes Fundusphoto, dass das Ausmaß
der retinalen Photokoagulationsbehandlung bei PDR 2 Jahre nach
Abschluß der Behandlung zeigt. Beachte die komplette fibrotische
Involution der präretinalen Neovaskularisationen oberhalb der Papille
und die partielle fibrotische Involution der großen Neovaskularisation
am Ende der temporal oberen Gefäßarkade. Beachte ebenso das
variable Aussehen der Photokoagulationsnarben von dunkelbraun
hyperpigmentiert zu weiß depigmentiert. Die Variationen der Herd-
größen sind teilweise bedingt durch die zunehmende Bildvergröße-
rung mit steigender Exzentrizität.

kann nach extensiver peripherer Koagulation sogar zu ei-


nem sekundären Winkelblockglaukom führen. Um solche
Komplikationen zu vermeiden, sollte die Photokoagula-
tionsbehandlung der PDR auf mindestens 2 Sitzungen
pro Auge verteilt werden, welche mindestens 2 Wochen
auseinanderliegen. Bei kleineren Herdzahlen pro Sitzung
können die Intervalle kürzer gewählt werden.
⊡ Abb. 8.21 Seröse Abhebung der gesamten Makula nach extensiver Bei Patienten mit schlechter Mitarbeit kann ggf. von
Photokoagulationsbehandlung bei proliferativer diabetischer Retino- diesen Empfehlungen abgewichen werden.
pathie. (Aus Soliman W u. Larsen M 2007) Bei Patienten mit signifikanter Glaskörperblutung ist
es das Ziel, in einer Sitzung so viele Laserherde anzu-
bringen, wie es die Glaskörperblutung zuläßt, um nach
kleinen Flächen der äußeren Netzhaut verödet wird. Resorption der Blutung nach und nach Laserherde zu
Daraus folgt, dass Neovaskularisationen, fibrotisches Ge- ergänzen.
webe und abgehobene Netzhaut nicht direkt behandelt
werden sollten. Postoperative Behandlung
Ein kurz wirksames Zycloplegicum sollte nach extensi-
Sitzungen ver Behandlung gegeben werden, um Synechien zu ver-
Eine extensive Photokoagulation ist assoziiert mit dem meiden und Zilliarkörperschwellung zu reduzieren. Bei
Risiko, eine Progression des diabetischen Makulaödems Patienten mit einer Iritis in der Vorgeschichte sollte eine
oder sogar einer schweren serösen Abhebung der Makula kurzzeitige Behandlung mit Kortikosteroiden erfolgen,
(⊡ Abb. 8.21). Eine seröse Abhebung des Zilliarkörpers um einem Rezidiv der Iritis vorzubeugen.
122 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Nachkontrolle und Wiederbehandlung Das neue Auftauchen von Neovaskularisationen, die


Ziel der Nachbehandlung ist, die Aktivität der Retino- bei der Voruntersuchung noch nicht vorhanden waren,
pathie zu beurteilen und die Behandlung, falls nötig, zu zeigt, dass die durchgeführte Behandlung noch nicht
ergänzen. Eine erfolgreiche Behandlung reduziert das ausgereicht hat, um den neovaskulären Stimulus zu eli-
Ausmaß und die Gefäßfülle der Neovaskularisationen minieren. Insbesondere Laserchirurgen mit geringer
oder verhindert zumindest das weitere Wachstum neuer Erfahrung benutzen gelegentlich zu niedrige Energie-
Gefäße. Wenn sie früh genug behandelt werden, können einstellungen, weil sie Standardwerte einstellen und die
die Neovaskularisationen sogar komplett verschwinden. Energie nicht anhand des Effektes am jeweiligen Auge
Eine späte Behandlung fortgeschrittener Retinopathien titrieren.
kann in einer extensiven präretinalen Fibrose resultieren. Zunehmende Glaskörperblutungen müssen nicht un-
Die nachfolgende Schrumpfung derselben, scheint durch bedingt ein Versagen der Behandlung bedeuten, weil
die Photokoagulation nicht positiv beeinflußt zu werden. sie als Konsequenz der Glaskörperkontraktion entstehen
Die Beurteilung der Progression basiert auf: können. In seltenen Fällen kann sogar durch die Laserko-
1. Dem Erscheinungsbild des Randes der Neovaskulari- agulation eine solche Kontraktion induziert werden und
sation; neu geformte Gefäße sind eher dilatiert ohne eine entsprechende Glaskörperblutung auftreten.
sichtbare Fibrose und formen ein dichtes Netzwerk, Die Behandlung ist nicht abgeschlossen, bis die Pho-
2. Vergleich mit einer vorbestehenden Beschreibung tokoagulationsherde gleichmäßig über die gesamte pe-
des Fundus oder riphere Netzhaut verteilt sind, mit einem Abstand zwi-
8 3. Vergleich mit Fundusphotos. schen den Läsionen von je 1 Herd Durchmesser. Trotz

⊡ Abb. 8.23 Persistierende PDR nach einer initialen Photokoagulationssitzung. In mehreren Regionen des Fundus ist der Abstand zwischen
den Herden größer als empfohlen und eine ergänzende Behandlung sollte durchgeführt werden. Das dunkle angiographische Erscheinungs-
bild der Photokoagulationsnarben ist bedingt durch den Verlust der Choriocapillarisperfusion. Der helle Ring der Narben ist bedingt durch den
Verlust des retinalen Pigmentepithels über der darunterliegenden intakten Choriocapillaris. (Mit freundl. Genehmigung von Dr. Khaled Abdela-
zeem, Assiut University)
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
123 8
Beendigung der Behandlung, bevor die Standards von kann geschehen, wenn der Laserchirurg die Orien-
1.200 bis 1.600 Herden von 500 μm Durchmesser erreicht tierung verliert. Plötzliche Augenbewegungen sind
sind, kann die Behandlung gelegentlich ausreichen, um hier selten das Problem bei der Behandlung der PDR.
die Retinopathie zu stabilisieren. Man muss aber be- Obwohl eine gewisse Erholung innerhalb der ersten
achten, dass solche partielle Behandlungen nicht durch Monate erfolgen kann, führt eine Läsion im Zentrum
größere Studien validiert sind, weshalb eine häufigere der Fovea in der Regel zu einem permanenten Ver-
postoperative Kontrolle zu empfehlen ist. lust von Sehschärfe.
Jede Untersuchung sollte eine Beurteilung der Iris auf ▬ Glaskörperblutungen können aus Rupturen von
Rubeosis einschließen und eine Gonioskopie sollte erfol- Neovaskularisationen während der Behandlung re-
gen, wenn eine Neovaskularisation im Vorderabschnitt sultieren. Sie sind meist von geringem Ausmaß und
vermutet werden. resorbieren sich spontan innerhalb weniger Monate.
Nach ETDRS-Protokoll sollte eine zusätzliche Behand- ▬ Die meisten dieser Komplikationen können redu-
lung, wenn nötig, zwischen den vorhandenen Narben nach ziert oder vermieden werden, indem die Behandlung
anterior erfolgen. Wenn zusätzlich eine Ergänzung nach auf mehrere Sitzungen verteilt wird und durch Ver-
posterior nötig ist, sollte die zentrale Makula mit mindes- meidung großer Spotgrößen und hoher Lichtintensi-
tens 500 μm ausgespart werden und die Herde nahe dem täten.
Zentrum nicht größer als 200 μm gesetzt werden.
Fazit für die Praxis
Komplikationen der Photokoagulation bei PDR ▬ Die Photokoagulation bleibt die wirkungsvollste Behand-
Intraoperative und postoperative Komplikationen der lung der proliferativen diabetischen Retinopathie (PDR).
Fundusphotokoagulation schließen ein: ▬ Das Ziel der Photokoagulationsbehandlung der PDR ist,
▬ Erosio des Hornhautepithels durch das Kontaktglas das Wachstum von Neovaskularisationen zu stoppen
▬ Iridozyklitis und ihre Rückbildung zu induzieren. Dadurch werden
▬ Kammerwinkelverengung durch Schwellung mit Glaskörperblutung, Traktionsablatio und Sehverlust ver-
Vorwärtsbewegung und Rotation des Zilliarkörpers hindert.
und in schweren Fällen Engwinkelglaukom mit ▬ Der fundamentale Wirkungsmechanismus der Pho-
Druckanstieg und starken tokoagulation auf die retinalen Neovaskularisationen
▬ Akkomodationsparalyse, meist transient, und Myd- besteht in einer gezielten Verödung von Gewebe der
riasis durch Schädigung der Nerven in der Aderhaut, äußeren Netzhaut durch die Applikation von Licht,
welche den Vorderabschnitt des Auges innervieren welches im Pigmentepithel absorbiert und in Wärme
▬ Symptomatische periphere Gesichtsfeldausfällen, die umgewandelt wird.
durch konfluente Laserherde verursacht sind ▬ Die Ausschaltung der Sauerstoff verbrauchenden Photo-
▬ Subjektiv reduzierte Dunkeladaptation rezeptoren kann die Oxygenierung der inneren Netzhaut
▬ Aderhautamotiones, exsudativen Netzhautablö- verbessern, die Bildung vasoproliferativer Faktoren (vor
sungen, Aderhautblutungen, Netzhautrissen und allem VEGF) reduzieren und eine Regression von Neovas-
Netzhautablösungen, besonders nach extensive kularisationen erreichen.
Laserbehandlungen. Auch eine Progression der
Traktionsablatio, möglicherweise auch durch eine
transiente Exsudation mitbedingt, ist beschrie- 8.2.2 Chirurgische Behandlung
ben. Choroidale neovaskuläre Membranen (CNV) der proliferativen diabetischen
können aus zentralen, aber auch aus peripheren Retinopathie
Herden entstehen, insbesondere wenn der Herd zu
einer Ruptur der Bruchschen Membran mit Ader- H. Helbig
hautblutung geführt hat
▬ Ein Makulaödem kann sich nach Photokoagulation Ziele der Chirurgie bei diabetischer
entwickeln oder verschlechtern, insbesondere bei Retinopathie
Patienten mit ischämischen Kapillarverschlüssen. Die diabetische Retinopathie ist eine mikrovaskuläre Er-
Meist erfolgt eine Erholung des Sehens innerhalb von krankung der Retina. Chirurgische Maßnahmen können
Wochen, manchmal kann es aber auch zu bleibenden nicht die primären Veränderungen behandeln und sind
Sehverlusten kommen. Ein Makulaödem sollte, falls somit auch keine kausale Therapie. Chirurgische Maß-
vorhanden, mindestens 1 Woche vor der Photoko- nahmen können nur versuchen, sekundäre Komplikatio-
agulation der PDR behandelt werden. nen eines primär mikrovaskulären Problems anzugehen.
▬ Eine unabsichtliche Photokoagulation der Fovea Chirurgisch behandelbare Komplikationen der diabeti-
124 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

schen Retinopathie und damit sinnvolle Ziele für die Viele andere nicht-randomisierte Studien beschreiben
Chirurgie sind: reprospektiv die Ergebnisse der Chirurgie bei diabeti-
▬ Entfernung von Medientrübungen, besonders scher Retinopathie. Die meisten Studien haben die chir-
Glaskörperblutung urgischen Indikationen in folgende Gruppen unterteilt:
▬ Entlastung von Traktionen auf die Retina durch ak- ▬ Glaskörperblutung
tive oder atrophe fibrovaskuläre Membranen ▬ Traktionsablatio der Makula
▬ Wiederanlage einer abgelösten Netzhaut, traktiv oder ▬ Traktiv rhegmatogene Netzhautablösung
rhegmatogen ▬ Schwere, progressive proliferative Retinopathie
▬ Ermöglichen einer notwendigen Koagulationsbe-
handlung ischämischer Netzhaut Der individuelle Patient lässt sich allerdings oft nicht
▬ Entfernung des Glaskörpers als Leitschiene für Neo- eindeutig einer dieser Kategorien zuordnen. Patienten
vaskularisationen mit Glaskörperblutung haben häufig auch umschriebene
▬ Verbesserung des retinalen Metabolismus durch Traktionen oder aktive Neovaskularisationen. Selbst die
Erleichterung der Diffusion von Sauerstoff und Definition der Abhebung der Makula ist nicht einheitlich.
Nährstoffen aus dem Glaskörper zur Netzhaut und Manche Autoren schließen auch Augen mit peripheren
erleichterte Abdiffusion von Wachstumsfaktoren aus Traktionsablationes im Bereich der Gefäßbögen und vol-
der inneren Netzhaut in den Glaskörper lem Visus in diese Gruppe ein, während andere Autoren
sich in dieser Gruppe auf Augen mit komplett abgelöster
8 Da die primäre mikrovaskuläre Erkrankung der diabeti- Fovea beschränken. Auch die chirurgischen Techniken
schen Retinopathie durch die Chirurgie nicht angegan- und Instrumente sowie das Verständnis für die Patho-
gen werden kann, sind die funktionellen Resultate der physiologie haben sich in den letzten Jahren erheblich
operativen Behandlung bei diabetischer Retinopathie oft verbessert. Diese technischen Neuerungen schließen ein:
limitiert durch einen ischämischen Schaden der Netz- ▬ Verfügbarkeit eines Endolasers
haut. ▬ Extrakapsuläre anstelle von intrakapsulärer Katarakt-
operation
Indikationen für eine chirurgische Behandlung ▬ Weitwinkelbeobachtungssysteme
der diabetischen Retinopathie ▬ Perfluor-Carbon, schwere Flüssigkeiten
Hilft die wissenschaftliche Literatur? ▬ Peeling der Membrana limitans interna
Viele Studien über Resultate der Glaskörperchirurgie bei ▬ Unterstützende, medikamentöse Behandlung (z.B.
Komplikationen der diabetischen Retinopathie sind pu- intravitreales Triamcinolon)
bliziert. Nach den Kriterien der »evidence based medi-
cine« werden verschiedene »level of evidence« für the- Die Ergebnisse der Chirurgie haben sich deshalb stän-
rapeutische Prozeduren unterschieden. Den höchsten dig verbessert, Komplikationen wurden seltener und die
Evidenzlevel haben randomisierte prospektive Studien. Indikationen für die Chirurgie wurden ausgeweitet. Äl-
Die »Vitrectomy for Diabetic Retinopathy Study (DRVS)« tere Studien sind daher von begrenzter Aussagekraft, um
war eine solche Studie, die eine frühe Vitrektomie mit quantitativ Chancen und Risiken der Chirurgie abzu-
Beobachtung verglichen hat. Die DRVS untersuchte zwei schätzen, aber sie waren sehr hilfreich darin, die Indikati-
Gruppen: Glaskörperblutung und schwere proliferative onen für die Chirurgie zu strukturieren, das Verständnis
diabetische Retinopathie mit gutem Visus. Für Augen der Pathophysiologie zu verbessern und intraoperative
mit Glaskörperblutung fand diese Studie lediglich einen Strategien zu entwickeln.
Vorteil für die Chirurgie bei jüngeren Diabetikern. Für
Augen mit progressiver proliferativer diabetischer Reti- Praxistipp I I
nopathie war ein positiver Effekt der Chirurgie nachweis- Eine individuelle Entscheidung für oder gegen eine
bar bei Augen mit großen aktiven Neovaskularisationen. Chirurgie erfordert die Berücksichtigung multipler
Diese Ergebnisse müssen allerdings mit einer gewissen Faktoren einschließlich des Status des Partnerauges,
Vorsicht interpretiert werden. Randomisierte Studien fol- die allgemeine Gesundheit, die Dauer der Visusmin-
gen einem strikten Protokoll und laufen lange Zeit, bevor derung, klinischer Verlauf, Linsenstatus, Ausmaß der
Ergebnisse vorliegen. Durch das strikte Protokoll können Makulaischämie und letztendlich auch die Wünsche
Veränderungen und Verbesserungen technischer Ent- des Patienten.
wicklungen und ein besseres Verständnis der Pathophy-
siologie im Allgemeinen nicht angepasst werden. Daher
geben randomisierte Studien gelegentlich Antworten auf All diese Faktoren sind in einer Studie für eine Erkran-
Fragen, die nicht mehr relevant sind. kung mit solch weiter Variation des klinischen Bildes
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
125 8
schwierig zu kontrollieren. Die Indikationsstellung für
die Chirurgie bei einem Patienten mit diabetischer Reti-
nopathie basiert daher auf einer individuellen Abwägung
von Risiken und Nutzen und weniger auf »high level evi-
dence« basierten Daten.

Glaskörperblutung
Die erste historische Pars-plana-Vitrektomie wurde an
einem Auge mit diabetischer Glaskörperblutung durch-
geführt. Die Glaskörperblutung ist eine klassische Indi-
kation für die Vitrektomie. Dennoch ist die individuelle
Entscheidung für eine Chirurgie im Allgemeinen nicht
so einfach. Auf der einen Seite ist das chirurgische Ri-
siko bei einer »einfachen« Glaskörperblutung niedrig,
auf der anderen Seite kann sich eine solche Blutung
auch spontan auflösen. Solange keine Netzhautablö- a
sung, Rubeosis iridis oder eine Makulaödem vorliegt,
entsteht kein irreversibler Schaden, wenn die Chirurgie
verschoben wird. Daher ist es nicht möglich, eine klare,
generelle Empfehlung zu geben, wie lange bei einer
Glaskörperblutung gewartet werden sollte, bis operativ
interveniert wird. Bei einer sehr dichten oder rezidivie-
renden Glaskörperblutung mag es empfehlenswert sein,
innerhalb kurzer Zeit zu operieren. Andere Patienten
profitieren davon, teilweise viele Monate zu warten, bis
sich die Blutung spontan aufklart. Es unterliegt daher
der gemeinsamen Abschätzung von Chirurg und Pati-
ent, welche Glaskörperblutung beobachtet und welche
operiert werden sollte.
Glaskörperblutungen treten auf, wenn Neovaskulari-
sationen einreißen. Dies geschieht oft bei Augen, bei de-
nen eine partielle Glaskörperabhebung abläuft oder sich b
fibrovaskuläre Membranen kontrahieren. Glaskörper-
veränderungen können spontan auftreten, können aber
auch durch eine panretinale Laserkoagulation induziert
werden. Die retinale Photokoagulation induziert eine fi-
brotische Transformation und damit eine Kontraktion
von neovaskulären Membranen, aber auch teilweise eine
partielle Glaskörperabhebung. Daher können durchaus
kurz nach einer panretinalen Laserkoagulation Glaskör-
perblutungen auftreten, bevor die Neovaskularisationen
komplett atroph werden.
! Cave!
Bei Augen mit bekannter Traktion auf die zentrale
Retina oder Hinweis auf Traktionen im Ultraschall, c
kann eine Verzögerung der chirurgischen Be-
⊡ Abb. 8.24 a Diffuse Glaskörperblutung, die Lage der Papille
handlung irreversible Schädigungen der Makula
kann gerade erahnt werden. Visus HBW. b Glaskörper- und sub-
begünstigen. In diesen Fällen sollte die Operation hyaloidale Blutung. Ausgeprägte fibrovaskuläre Membranen sind
nicht verzögert werden. erkennbar und eine Traktionsablatio der Netzhaut wird vermutet.
Visus HBW. c Traktionsablatio der Netzhaut nasal der Fovea. Die
⊡ Abb. 8.24a zeigt ein Beispiel für eine Glaskörperblutung, Membranen sind nach Laserkoagulation atroph und die Traktionen
die beobachtet werden kann. Die Glaskörperblutung ist bedrohen nicht die Fovea. Der Visus betrug 0,7 und keine weitere
nicht sehr dicht, es kann keine Traktion auf die Netz- Behandlung war nötig. (Aus Helbig 2007)
126 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

haut dargestellt werden. Im Gegensatz dazu zeigt die


Glaskörperblutung in ⊡ Abb. 8.24b Traktionsmembranen,
eine rasche Behandlung sollte hier empfohlen werden.
Iris-Neovaskularisationen sind ein indirektes Zeichen für
eine schwere retinale Ischämie, die dringend eine retinale
Photokoagulation erfordert. Augen mit Rubeosis der Iris
und Glaskörperblutung sollten daher zeitnah operiert
werden, um eine adäquate Photokoagulation zu ermög-
lichen, bevor eine irreversible Obstruktion der Kammer-
winkelstrukturen eingetreten ist.

Extrafoveale Traktionsablatio
Nicht alle Augen mit extrafovealer Traktionsablatio be-
dürfen chirurgischer Behandlung. In vielen Fällen kann a
die Situation teilweise über viele Jahre stabil bleiben.
Auch eine spontane Wiederanlage einer Traktionsablatio
wurde nicht selten beschrieben. Risikofaktoren für einen
Sehverlust bei extrafovealer Traktionsablatio waren
8 ▬ aktive Neovaskularisationen,
▬ Progression der Ablösung und
▬ das Auftreten von Glaskörperblutungen.

In den Zeiten, bevor Glaskörperchirurgie leicht verfügbar


war, wurde eine retinale Photokoagulation bei Trakti-
onsablatio und aktiven Neovaskularisationen für prob-
lematisch gehalten. Die Laserbehandlung induziert eine
fibrotische Transformation von Neovaskularisationen,
die möglicherweise die Traktion auf die Netzhaut ver-
stärken und zu einem Fortschreiten der Ablatio führen b
kann. Ohne Chirurgie war die Visusprognose dieser Au-
gen schlecht. Im Gegensatz dazu wird heute bei aktiven
Proliferationen, auch in Gegenwart von umschriebenen
Traktionsablationes, eine Laserkoagulation empfohlen.
In dieser Situation ist es allerdings immer noch wich-
tig, die Augen gut zu kontrollieren und bei Progression
der Ablatio und Bedrohung der Fovea sofort chirurgisch
zu intervenieren. Ist die Fovea erst einmal abgehoben,
verschlechtert sich die Visusprognose auch nach ana-
tomisch erfolgreicher Chirurgie. Allerdings lassen sich
die meisten Augen durch eine Laserkoagulation alleine
stabilisieren und benötigen keine Chirurgie. Selbst wenn
später eine Chirurgie notwendig würde, wird durch den
Laser eine partielle Transformation von aktiven Gefäßen
in atrophischen Membranen und eine teilweise Glas-
körperabhebung induziert. Dies erleichtert die Chirurgie
technisch und reduziert das Risiko einer postoperativen c
Nachblutung.
⊡ Abb. 8.24c zeigt ein Beispiel für eine Traktionsabla- ⊡ Abb. 8.25 a Schwere proliferative diabetische Retinopathie mit sub-
tio nasal der Fovea, welche die Fovea nicht bedroht. Eine hyaloidaler Blutung und fibrovaskulären Membranen. Visus 0,1. b Drei
Monate nach zusätzlicher panretinaler Laserkoagulation hat sich die
panretinale Laserkoagulation war durchgeführt worden,
Glaskörperblutung resorbiert, aktive Neovaskularisationen sind noch
die Membran ist atroph und die Situation ist auch ohne sichtbar. Visus 0,3. c Ein Jahr später, nach zusätzlicher panretinaler La-
weitere Therapie stabil. ⊡ Abb. 8.25 und ⊡ Abb. 8.26 zeigen serkoagulation, sind die fibrovaskulären Membranen atroph, der Visus
den Verlauf der Erkrankung in Augen mit aktiven fib- war stabil bei 0,3. (Aus Helbig 2007)
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
127 8

b
⊡ Abb. 8.26 a Fibrovaskuläre Membranen entlang der großen Gefäß-
bögen ohne Traktion auf die Fovea aber mit retrohyaloidaler Blutung.
Visus 0,3. b Ein Jahr später, nach panretinaler Laserkoagulation, sind
die Membranen atroph, das Blut hatte sich absorbiert und eine sig-
nifikante Traktion auf die Fovea ist nicht sichtbar. Der Visus verblieb
stabil bei 0,3. (Aus Helbig 2007)

rovaskulären Membranen ohne foveale Traktion, welche


sich nach Laserkoagulation stabilisiert hat. ⊡ Abb. 8.27,
⊡ Abb. 8.28 und ⊡ Abb. 8.29 zeigen dagegen Augen, bei
denen die Laserkoagulation die Retinopathie nicht aus-
reichend stabilisiert hat und sich eine Traktion auf die Fo-
vea entwickelte. In diesen Situationen war eine Glaskör-
perchirurgie erforderlich, um das Sehen zu stabilisieren. c
In einigen Fällen kann eine Traktion auf die Fovea ein
traktives Makulaödem hervorrufen, auch wenn die Fovea ⊡ Abb. 8.27 a Schwere proliferative diabetische Retinopathie mit
selbst nicht abgehoben ist. Eine fokale Laserbehandlung aktiven fibrovaskulären Membranen. Visus 0,3. b Drei Monate nach
ist in diesem Falle nicht sinnvoll. Die beste Behandlung zusätzlicher panretinaler Laserkoagulation sind die Membranen
atroph. Es hat sich eine Traktion auf die Fovea entwickelt und der
für ein traktives Makulaödem ist die chirurgische Ent-
Visus war auf 0,05 abgefallen. c Ein Jahr später, nach Vitrektomie und
fernung der Membranen. ⊡ Abb. 8.30 zeigt die langsame Entfernung der Membranen hat sich der Visus wieder auf 0,3 gebes-
Resorption eines traktiven Makulaödems nach chirurgi- sert. Auffällig sind die verdickten Arterienwände mit Verengung des
scher Entfernung der Membranen. Gefäßlumens. (Aus Helbig 2007)
128 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

a a

b b

⊡ Abb. 8.29 a Fibrovaskuläre Membranen entlang der großen Gefäß-


bögen mit Traktion auf die Fovea und mit Glaskörperblutungen trotz
dichter panretinaler Laserkoagulation. Visus 0,05. b Ein Jahr nach
Vitrektomie und Entfernung der Membranen hat sich die Situation
stabilisiert und der Visus auf 0,5 verbessert. (Aus Helbig 2007)

Traktionsablatio der Fovea


Wenn die Fovea selbst traktiv abgehoben ist, ist die Visus-
prognose meistens schlecht. Für diese Situationen ist die
Chirurgie die einzige therapeutische Option. Dennoch
sind auch nach einer anatomisch erfolgreichen Chirurgie
die funktionellen Resultate oft enttäuschend, viel schlech-
c ter als nach Chirurgie bei nicht diabetischer rhegmato-
gener Ablösung der Makula. Oft haben die Augen mit
⊡ Abb. 8.28 a Schwere nichtproliferative diabetische Retinopathie, Traktionsablatio der Makula fortgeschrittene Ischämien,
Visus 0,7. b Ein Jahr später hat sich eine schwere progrediente pro- die die Visuserholung limitieren. Risikofaktoren für eine
liferative diabetische Retinopathie mit Traktion auf die Makula und schlechte postoperative Visusentwicklung sind
Glaskörperblutung entwickelt, trotz Durchführung einer panretina-
▬ Ausdehnung der Netzhautablösung,
len Laserkoagulation. Der Visus war auf 0,05 abgefallen. c Drei Wo-
chen nach Vitrektomie, Endolaser und Entfernung der Membranen ▬ Dauer der Makulaabhebung und
liegt die Netzhaut an. Der Visus erholte sich später wieder auf 0,3. ▬ eine Rubeosis der Iris als indirektes Zeichen für eine
(Aus Helbig 2007) schwere retinale Ischämie.
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
129 8

a b

c d

⊡ Abb. 8.30 a Glaskörper- und subhyaloidale Blutung bei schwerer proliferativer diabetischer Retinopathie mit aktiven fibrovaskulären Memb-
ranen. Visus HBW. b Zwei Wochen nach Glaskörperchirurgie und Endolaserkoagulation sind ausgeprägte harte Exsudate in der Makula sichtbar.
Der Visus hatte sich auf 0,1 gebessert. c Ein Jahr später, langsame Resorption der Exsudate und des Ödems, der Visus verbesserte sich auf 0,25.
d Zwei Jahre später, die Exsudate haben sich komplett resorbiert und der Visus ist auf 0,5 angestiegen. (Aus Helbig 2007)

In Augen mit mehreren dieser Risikofaktoren müssen Wenn allerdings beide Augen einen schlechten Visus ha-
wir darüber nachdenken, ob nicht auf eine Chirurgie ben, müssen chirurgische Versuche im Allgemeinen trotz
verzichtet werden sollte, besonders wenn das Partnerauge schlechter Prognose unternommen werden.
noch gut sieht und der Allgemeinzustand des Patienten ⊡ Abb. 8.31 zeigt einen Patienten mit lang bestehender
reduziert ist. Patienten mit fortgeschrittener diabetischer Traktionsablatio der Makula in seinem einzigen Auge.
Retinopathie leiden häufig auch an anderen schweren Nachdem der Visus bis auf Lichtscheinwahrnehmung
Manifestationen der mikrovaskulären und makrovasku- abgefallen war, wurde eine Operation durchgeführt. Trotz
lären diabetischen Komplikationen. Ausgedehnte und anatomisch erfolgreicher Wiederanlage der Netzhaut bes-
wiederholte Operationen des Auges können für diese serte sich das Sehen allerdings nicht. ⊡ Abb. 8.32 zeigt den
Patienten eine ernsthafte Belastung darstellen. Auch die Fundus eines Auges mit einer frischen Traktionsablatio
Lebenserwartung ist erheblich limitiert und nicht wesent- der Fovea und einen Visus von Handbewegungen. Das
lich besser als bei Patienten mit Malignomen. Auch diese Partnerauge hatte einen guten Visus. Eine Fluoreszeinan-
nicht okulären Faktoren müssen berücksichtigt werden, giographie ergab eine schwere retinale Ischämie, insbe-
wenn eine Entscheidung für eine Chirurgie des Auges sondere im Bereich der Makula, sodass keine Chirurgie
mit schlechter Prognose quo ad visum getroffen wird. empfohlen wurde.
130 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

a a

b b

⊡ Abb. 8.31 a Lang bestehende diabetische Traktionsablatio der ⊡ Abb. 8.32 a Diabetische Traktionsablatio, Visus FZ. b Fluoresz-
Makula mit atrophen, fibrotischen Membranen, Visus LS. b Nach Vit- einangiographie zeigt schwere diffuse retinale Ischämie mit groß-
rektomie und Silikontamponade ist die Netzhaut anliegend, der Visus flächig verschlossenem Kapillarbett der Netzhaut. (Aus Helbig
beträgt aber immer noch LS. (Aus Helbig 2007) 2007)

Traktiv rhegmatogene Netzhautablösung und mobil, im Gegensatz zur konkaven immobilen, zelt-
Diabetische fibrovaskuläre Membranen können in selte- artigen Form der traktiven Netzhautablösung.
nen Fällen auch zu Rissen in der Netzhaut führen. Daraus Die diabetische traktive rhegmatogene Netzhautab-
entwickelt sich dann eine rhegmatogene Netzhautablö- lösung ist in den meisten Fällen rasch progredient und
sung. sollte daher sofort operiert werden, wie auch andere
rhegmatogene Netzhautablösungen. Technisch ist diese
! Cave!
Form der Netzhautablösung anspruchsvoll zu operieren,
Klinisch können diese Risse bei traktiv-rhegma-
da die fest adhärierenden traktiven Membranen von einer
togener Ablatio in der Netzhaut oft schwer zu
mobilen, abgelösten Netzhaut abpräpariert werden müs-
identifizieren sein, wenn sie klein sind oder hinter
sen. Die Rate der intraoperativ erzeugten Löcher ist daher
Membranen oder Blut verborgen sind.
relativ hoch. Reproliferationen nach der Chirurgie sind
Andererseits können umschriebene Verdünnungen der unglücklicherweise nicht selten und entstehen auf der
Netzhaut, z.B. in Regionen vorhergegangener Laserko- Basis einer Kombination von diabetischer fibrovaskulärer
agulation, wie Netzhautlöcher imponieren. Für die Di- Membran und der typischen proliferativen Vitreoreti-
agnose einer rhegmatogenen Netzhautablösung sollte nopathie (PVR), die wir nach rhegmatogener Netzhaut-
die Form der Netzhautablösung beobachtet werden. Bei ablösung kennen. ⊡ Abb. 8.33 zeigt ein solches Auge mit
rhegmatogenen Netzhautablösungen ist sie eher bullös traktiv rhegmatogener Netzhautablösung, welche schwere
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
131 8

a a

b b

⊡ Abb. 8.34 a Atrophische diabetische fibrovaskuläre Membranen


mit Traktion an der Fovea, welche ein Schichtloch hervorgerufen
haben, Visus 0,05. b Drei Monate nach Entfernung der epiretinalen
Membranen hat sich der Visus auf 0,3 verbessert. (Aus Helbig 2007)

Reproliferationen zwei Monaten nach primär erfolgrei-


cher Chirurgie entwickelte.

Makulaödem
Die Behandlung des diabetischen Makulaödems wird de-
tailliert im nächsten Kapitel beschrieben. Hier soll nur das
traktive diabetische Makulaödem erwähnt werden. Trak-
tionen durch atrophe fíbrovaskuläre Membranen können
sich als zentrale Verziehungen der Netzhaut präsentieren,
c ähnlich wie das Bild des typischen Makula Pucker. Ein
solches Beispiel ist in ⊡ Abb. 8.34 dargestellt. Traktionen
⊡ Abb. 8.33 a Traktiv rhegmatogene Netzhautablösung, Visus HBW. von fibrovaskulären Membranen können aber auch ein
b Nach Vitrektomie mit Gastamponade und Endolaser ist die Netz- typisches Makulaödem mit harten Exsudaten hervorru-
haut wieder anliegend, der Visus hat sich auf 0,2 verbessert. Acht
fen. Das traktive Ödem hat eine gute Chance sich nach
Wochen nach Therapie bemerkte der Patient Metamorphopsien. Eine
proliferative Vitreoretinopathie mit epiretinalen Membranen und Entlastung der Makula zu resorbieren (⊡ Abb. 8.30). Die
Fältelung der Netzhaut wurde sichtbar. c Zwei Wochen später war die Visusprognose ist dabei abhängig vom Grad der Makula-
Netzhaut wieder komplett abgelöst. (Aus Helbig 2007) Ischämie
132 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Chirurgie bei neovaskulärem Glaukom Kataraktchirurgie


Das neovaskuläre Glaukom ist eine besonders schwere Eine Kataraktchirurgie bei Augen mit proliferativer dia-
Komplikation der fortgeschrittenen proliferativen diabe- betischerRetinopathie hat zwei Ziele. Einerseits soll der
tischen Retinopathie. Pathophysiologisch gehen wir da- Visus durch Entfernung der trüben Linse für den Pa-
von aus, dass die ischämische Netzhaut die Quelle für die tienten verbessert werden, andererseits ermöglicht die
Produktion von vasoproliferativen Wachstumsfaktoren Entfernung von Medientrübungen uns Augenärzten auch
ist, welche dann an das vordere Segment des Auges per eine adäquate Beurteilung der Netzhaut, und erlaubt es,
Diffusion gelangen kann, besonders an aphaken und vit- eine Photokoagulation der Netzhaut durchzuführen.
rektomierten Augen. Das Wachstum von fibrovaskulären Leider hat die Kataraktchirurgie wahrscheinlich einen
Membranen im Kammerwinkel verschließt die Struk- negativen Effekt auf die Entwicklung der Retinopathie.
turen, die für den Kammerwasserabfluss verantwortlich Sowohl präretinale- als auch Iris-Neovaskularisationen
sind und der Augendruck steigt an, oft auf sehr hohe können sich nach Kataraktchirurgie verschlechtern. Das
Werte. wesentliche Problem allerdings ist eine Verschlechterung
Die Therapie sollte, wenn möglich, auf die Ursache des Makulaödems, welches bei Diabetikern auch ohne
des neovaskulären Stimulus gerichtet sein. Eine ausgiebige sichtbare Retinopathie wesentlich häufiger auftritt. Der
Photokoagulation der ischämischen Netzhaut oder eine Mechanismus ist noch nicht ganz klar, aber die chirur-
transsklerale Kryobehandlung der peripheren Netzhaut gisch induzierte Produktion von Entzündungsmediatoren
ist erforderlich. Diese Behandlung kann eine Regression und die erleichterte Diffusion von Zytokinen zwischen
8 von Neovaskularisationen erreichen, allerdings bleibt der vorderem und hinterem Segment nach Entfernung der
intraokulare Druck häufig eleviert, weil die vaskulären Linse, dürften eine Rolle spielen.
Membranen im Kammerwinkel sich nicht komplett auf-
lösen, sondern sich in fibrotische Membranen umwan- Chirurgische Prinzipien
deln, die immer noch den Ausfluss des Kammerwassers Komplette Entfernung des Glaskörpers
obstruieren. Deshalb ist oft auch eine Behandlung zur Eines der primären Ziele der Chirurgie ist es, Traktionen
Senkung des Intraokulardruckes erforderlich. auf die Netzhaut zu entlasten, abgelöste Netzhaut wieder
Die konventionelle Glaukomtherapie hat sehr anzulegen und die Netzhautfunktion zu verbessern. Eine
schlechte Erfolgraten in diesen Augen. Sie haben eine komplette Entfernung des Glaskörpers und des fibrovas-
zusammengebrochene Blutkammerwasserschranke und kulären Gewebes ist entscheidend für den postoperativen
die intraokularen Flüssigkeiten enthalten hohe Konzen- Verlauf der Erkrankung.
trationen von Zytokinen, welche eine Fibrosereaktion
stimulieren. Ein relativ rascher Verschluss der Trabekul- Praxistipp I I
ektomieöffnung ist daher häufig, auch wenn Antimetabo- Augen mit komplett abgehobenem Glaskörper entwi-
liten eingesetzt sind. Implantate, wie das Moltenon- oder ckeln seltener retinale Neovaskularisationen.
Barfield-Implantat, wurden in einigen Fällen erfolgreich
implantiert, aber die Komplikationsrate mit dieser Me-
thode ist erheblich. Neue Gefäße können nicht in den Glaskörperraum ein-
Viele Kliniker ziehen daher zyklodestruktive Maß- wachsen, wenn sie kein Substrat haben, auf dem sie ent-
nahmen zur Senkung des Intraokulardruckes vor. Ent- langwachsen können. Insbesondere ein teilweise anlie-
weder eine transsklerale Kryotherapie oder eine trans- gender Glaskörper stellt ein Gerüst für das Auswachsen
sklerale Diodenlaserbehandlung des Ziliarkörpers wird fibrovaskulärer Membranen dar. Die Vitrektomie entfernt
eingesetzt. Während einer vitreoretinalen oder einer dieses Substrat für fibrovaskuläres Gewebe. Reste an-
Kataraktchirurgie kann auch eine direkte Endolaserbe- liegenden Glaskörpers oder epiretinaler fibrovaskulärer
handlung der Ziliarfortsätze zur Reduktion der Kammer- Membranen nach Vitrektomie formen allerdings eine
wassersekretion durchgeführt werden. Intreavitreale oder exzellente Basis für Reproliferation. Es ist daher erforder-
intracamerale Gabe von VEGF-Antagonisten führt zu lich, alle epiretinalen Membranen so gut wie möglich zu
einer vorübergehenden Regression der Vorderabschnitts- entfernen.
neovaskularisationen, häufig verbunden mit einer Au- Diabetische fibrovaskuläre Membranen verhalten sich
gendrucksenkung und Reduktion der Entzündung. So anders als epiretinale Membranen bei Makula Pucker und
lässt sich durch die anti-VEGF-Behandlung die notwen- erfordern ein unterschiedliches chirurgisches Vorgehen.
dige Koagulationstherapie erleichtern. Injektionen allein »Pucker-Membranen« wachsen flach auf der Oberfläche
müssen auf lange Zeit oft wiederholt werden und schei- der Netzhaut, ohne invasiv oder infiltrativ in die Netz-
nen alleine kein optimales Mittel zur Behandlung des haut einzuwachsen. Diese »Pucker-Membranen« können
neovaskulären Sekundärglaukoms. in einem Stück von der Netzhaut abgezogen werden, so-
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
133 8
bald es gelingt, ein freies Ende der Membran darzustellen eine schwere Komplikation der diabetischen Vitrektomie.
und mit der Pinzette zu fassen. Es ist nicht notwendig, Diese Komplikation kann allerdings durch eine adäquate
Adhäsionen mit der Netzhaut mit scharfen Instrumenten intraoperative Endolaserbehandlung signifikant reduziert
zu schneiden. Diabetische fibrovaskuläre Membranen al- werden.
lerdings wachsen aus retinalen Gefäßen aus und bilden
somit feste Verbindungen mit der Netzhaut. Versuche, Sorgfältige Untersuchung der Netzhautperipherie
diese Membranen stumpf abzuziehen, ohne die Adhäsi- mit Weitwinkelbeobachtungssystemen
onen scharf zu lösen, führen häufig zu retinalen Rissen. Die Präparation fest anliegender fibrovaskulärer Membra-
Verschiedene Techniken wurden für diesen Zweck be- nen von der Netzhaut ist oft zeitaufwendig und erfordert
schrieben. Entweder können die Membranen mit vertikal den wiederholten Austausch von Instrumenten im Auge.
schneidenden Scheren zwischen den Adhäsionsstellen Der Glaskörper ist häufig teilweise anliegend und beson-
mit der Netzhaut durchtrennt werden (Segmentations- ders fest adhärierend, möglicherweise, weil er mehr Blut
technik) und anschließend die verbleibenden Stümpfe und Fibrin durch eine Beeinträchtigung der Blut-Retina-
mit dem Cutter getrimmt werden. Andere Techniken Barriere enthält. Iatrogene Netzhautlöcher in der Glas-
sehen vor, die Membranen von der Netzhaut im Stück körperbasis nach komplexen Glaskörper-chirurgischen
anzuheben und die Adhäsionen mit der Netzhaut mit ho- Eingriffen sind deshalb bei Diabetikern nicht selten und
rizontal schneidenden Scheren zu durchtrennen (»Dela- können zur postoperativen rhegmatogenen Netzhautab-
mination« oder »En-bloc-Technik«). lösung führen, wenn sie nicht adäquat behandelt sind.
Diabetische neovaskuläre Membranen wachsen pri- Eine sorgfältige Inspektion der peripheren Netzhaut, vor-
mär aus retinalen Gefäßen aus. Um sie zu entfernen, muss zugsweise mit einem Weitwinkelbeobachtungssystem un-
das Gefäß entweder geschnitten oder abgerissen werden. ter Indentation, ist daher unbedingt erforderlich.
Dieses Manöver kreiert eine Öffnung des Gefäßlumens
und eine potenzielle Quelle für eine Glaskörperblutung. Kataraktoperationen
Sichtbare blutende Proliferationsstümpfe können intra- In Situationen, in denen die Linse entfernt werden muss,
operativ mit der Endodiathermie diathermiert werden, sollte eine intrakapsuläre Kataraktoperation vermieden
abhängig von der Lokalisation. Wenn die Quelle der Blu- werden, um die Barriere zwischen vorderem und hin-
tung ein großes Gefäß oder der Sehnerv ist, ist dies nicht terem Augenabschnitt intakt zu lassen. Die intrakapsu-
möglich. Die Blutung stoppt häufig spontan oder nach läre Kataraktoperation ist mit einem erhöhten Risiko
Anheben des Infusionsdruckes. Dennoch können diese für neovaskuläre Glaukome assoziiert. Wenn die Kapsel
winzigen Risse im Bereich von retinalen Gefäßwänden der Linse bei extrakapsulärer Kataraktoperation belassen
Ursache von postoperativen Blutungen sein. wird, haben diabetische Augen allerdings ein erhöhtes Ri-
siko für eine postoperative Fibrinexsudation für die Aus-
Einsatz des Endolasers, wann immer möglich bildung von Synechien zwischen Kapsel und Iris, vermut-
Einer der wichtigsten Schritte in der diabetischen Glas- lich ebenfalls durch die herabgesetzte Schrankenfunktion
körperchirurgie ist die Koagulationsbehandlung der der intraokularen Gefäße. Es gibt keine absolute Kontra-
Netzhaut. Komplikationen, welche eine Glaskörperchi- indikation für die Implantation von Kunstlinsen in diesen
rurgie fordern, sind praktisch immer ein Indikator für Augen. Selbst in Augen mit Rubeosis iridis kann eine
eine aktive und instabile Retinopathie. Daher muss prak- Kunstlinse implantiert werden, allerdings ist hier eine
tisch immer im Rahmen einer Vitrektomie bei prolifera- ausgiebige Koagulation der ischämischen Netzhaut erfor-
tiver diabetischer Retinopathie eine Endolaserkoagula- derlich. Die Kunstlinse in diabetischen Augen sollte sicher
tion der ischämischen Netzhaut erfolgen. Mehr noch, die im Kapselsack implantiert werden, mit einer großen vor-
Chirurgie selbst, kann einige Aspekte der Retinopathie deren Rhexis, um die postoperative Fundusuntersuchung
sogar noch verschlechtern. Präretinale Neovaskularisa- oder Laserkoagulation zu erreichen. Silikonlinsen sollten
tionen tragen möglicherweise auch zur Sauerstoff- und vermieden werden. Wenn später im Verlauf der Erkran-
Nährstoffversorgung der Netzhaut bei. Wenn diese ak- kung flüssiges Silikon in den Glaskörperraum eingegeben
tiven Neovaskularisationen von der Netzhautoberfläche werden muss, formt dieses Silikon feste Adhäsionen mit
entfernt werden, kann dies die Versorgung der inneren der Silikon-IOL, sodass die Silikontröpfchen nicht von
Netzhaut weiter verschlechtern. Die Vitrektomie kann der IOL entfernt werden können und optisch sehr stö-
also die retinale Ischämie noch verschlechtern und die rend sind. Dies erfordert gelegentlich den Austausch der
Produktion von vaso-proliferativen Faktoren stimulieren. IOL. Eine kombinierte vitreoretinale und Kataraktopera-
Mehr noch, nach Entfernung des Glaskörpers können tion kann problemlos durchgeführt werden. Entzündli-
diese Faktoren leichter an den vorderen Augenabschnit- che Reaktionen der Vorderkammer mit Fibrin- und Syne-
ten diffundieren. Eine Progression der Rubeosis iridis ist chienbildung ist allerdings wahrscheinlich seltener, wenn
134 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

die Operationen in zwei Schritten durchgeführt werden.


Hier kann es empfehlenswert sein, Kataraktoperationen
in derselben Prozedur wie den vitreoretinalen Eingriff
nur dann durchzuführen, wenn Linsentrübungen die
Visualisierung des hinteren Segmentes beeinträchtigen.
Da die Progression eines diabetischen Makulaödems ein
häufiges Problem nach Kataraktoperationen bei Diabeti-
kern ist, kann überlegt werden, am Ende der Operation
intravitreal Steroide oder anti-VEGF-Medikamente zu in-
jizieren. Diese zusätzliche Behandlung kann wahrschein-
lich die Verschlechterung des Makulaödems vermeiden
und sogar zu einer Visusbesserung führen.

Silikon
Die Einführung von flüssigem Silikon hat unser Arsenal
für die Glaskörperchirurgie bei diabetischer Retinopathie
a
erheblich erweitert. Während der Präparation diabeti-
scher fibrovaskulärer Membranen können Netzhautlö-
8 cher entstehen, insbesondere wenn die Traktionsablatio
länger besteht und die Netzhaut selbst dünn und atroph
geworden ist. In diesen Situationen macht eine Silikon-
tamponade Sinn, um die retinalen Defekte zu tamponie-
ren. Silikon darf allerdings nicht eingesetzt werden, ohne
die Traktionsmembranen komplett zu entfernen. Da die
wasserlöslichen Wachstumsfaktoren in hohen Konzent-
rationen im dünnen Flüssigkeitsspalt zwischen Netzhaut
und Silikon akkumulieren, entsteht dort ein starker pro-
liferativer Stimulus für fibrovaskuläre Membranen, wel-
cher zu massiven Reproliferationen und Ablationen unter
Silikon führen kann. Diese Komplikation kann in einigen
Fällen durch eine komplette Entfernung des gesamten
fibrovaskulären Gewebes vor Installation von Silikon ver-
mieden werden.
Eine andere Indikation für Silikon ist die rezidivie- b
rende Glaskörperblutung nach Vitrektomie. Da das Si-
likon den Glaskörperraum komplett ausfüllt, sorgt es ⊡ Abb. 8.35 a Aktive diabetische fibrovaskuläre Membranen mit
für eine klare optische Achse und verbessert die visuelle Traktion an der Fovea. b Drei Tage nach intravitrealer Avastin-Injek-
Rehabilitation in diesen Situationen. tion als Vorbereitung zur Vitrektomie sind die aktiven Neovaskulari-
Eine dritte Indikation für Silikon können schwere sationen nicht mehr sichtbar und die fibrotischen Traktionen wirken
verstärkt.
Vorderabschnittsneovaskularisationen darstellen. Wenn
der Glaskörperraum mit Silikon gefüllt ist, sorgt das
Silikon für eine Diffusionsbarriere zwischen hinterem
und vorderem Augenabschnitt. Dadurch kann in Augen mententherapie inzwischen etabliert. Die präoperative
mit schwerer Rubeosis iridis die Diffusion von vasopro- Gabe von anti-VEGF-Medikamenten (meist Bevaci-
liferativen Faktoren von der ischämischen Netzhaut zur zumab) konnte das Risiko für intraoperative Blutungen
Iris verhindert werden. Zusammen mit einer ausgiebi- und postoperative Nachblutungen merklich reduzieren.
gen retinalen Koagulationsbehandlung ist Silikon daher Die Wirkung setzt innerhalb weniger Tage ein. Allerdings
eine wirksame Behandlungsoption für schwere Vorderab- sollte nach der intravitrealen Injektion nicht all zu lange
schnittsneovaskularisationen. mit der Operation gewartet werden, da eine Induktion
von Traktionen und eine zunehmende Traktionsablatio
Adjuvante-intravitreale Pharmakotherapie beobachtet wurden (⊡ Abb. 8.35).
Als Hilfsmittel für die vitreoretinale Chirurgie bei Kom- Auch eine Gabe von intravitrealen Steroiden am
plikationen hat sich die adjuvante intravitreale Medika- Ende der Operation macht in gewissen Situationen Sinn.
8.3 · Diabetisches Makulaödem
135 8
Insbesondere bei kombinierten Kataraktoperationen ursache ist die Therapieoptimierung der diabetologischen
mit Vitrektomien und ausgiebiger Endolaserkoagulation Einstellung (z.B. anhand des HbA1c als Messparameter)
kommt es vermehrt zu exsudativen (Zunahme des Maku- von hoher klinischer Relevanz.
laödems) und entzündlichen Komplikationen am Vorder-
abschnitt, die durch Steroide abgefangen werden können.
Zudem lässt sich durch intraoperative Triamcinolon- Auswahl publizierter Inzidenz und Prävalenz-
Anwendung der Glaskörper gut darstellen und sicherer daten zum diabetischen Makulaödem
komplett entfernen. ▬ BKK-Studie: 0,85% DMÖ
▬ WESDER: Zwischen 0 und 29% je nach Alter,
Fazit für die Praxis Diabetesdauer und Insulintherapie
Glaskörperchirurgie bei proliferativer diabetischer Retinopa- ▬ Exeter Screening Programme:
thie kann Medientrübungen entfernen und die Netzhaut von – DMÖ Inzidenz: 4,79 bis 5,18%,
Traktionen entlasten. – DMÖ Prävalenz: 4,1 bis 11,5%
Die Retinopathie kann günstig beeinbflusst werden ▬ Liverpool: DMÖ Prävalenz: 6,4%
durch eine mögliche Verbesserung der Sauerstoffversorgung ▬ Denmark: DMÖ Prävalenz: 9,6 (7,9 für Typ 1 und
der inneren Netzhaut und eine Entfernung der Leitschienen 12,8 für Typ 2)
für Proliferationen.
Die Laserbehandlung der Netzhaut ist essentiell, um das
Risiko für Komplikationen wie Rubeosis iridis oder Nachblu- Noch in den 60er Jahren wurde von Duke-Elder ein
tungen zu reduzieren schicksalhafter Verlauf der diabetischen Retinopathie be-
Die funktionellen Ergebnisse nach Vitrektomie werden schrieben. Während die Laserkoagulation zwar die Folgen
durch die primäre mikrovaskuläre Grundkrankheit und das der peripheren Ischämie und der Gefäßleckage eindäm-
Ausmaß der Ischämie limitiert. men konnte, hat erst die Beschäftigung mit Wachstums-
faktoren seit den 80er Jahren die Moleküle identifizieren
können, die für eine erhöhte Gefäßpermeabilität ursäch-
8.3 Diabetisches Makulaödem lich sind.
Obwohl außer Zweifel steht, dass die Inzidenz einer Er-
A. M. Joussen, S. Winterhalter, V. Kakkassery blindung oder einer schweren Visusminderung durch
die diabetische Retinopathie mit der Einführung der re-
tinalen Photokoagulation und der Vitrektomie drastisch
8.3.1 Einleitung abgenommen hat, zeigt die tägliche klinische Praxis, dass
die diabetische Retinopathie nach wie vor zu den Visus
Weltweit sind ca. 194 Millionen Menschen am Diabetes bedrohenden Erkrankungen gehört. Insbesondere beim
mellitus erkrankt. Die Tendenz ist allein durch die demo- diabetischen Makulaödem führt die Lasertherapie nicht
graphische Entwicklung weiterhin steigend. Aufgrund der zu der erwünschten Visusbesserung oder kann, wie im
Weiterentwicklung des Insulins und der immer besseren Falle der ischämischen Form, gar nicht angewandt wer-
internistischen Betreuung und Schulung dieser Patien- den. Umso dringender ist der Bedarf nach einer präventi-
ten stehen heute die Langzeitkomplikationen im Vorder- ven oder zumindest unterstützenden pharmakologischen
grund. Das diabetische Makulaödem (DMÖ) ist dabei die Therapie.
häufigste Ursache für eine Sehverschlechterung. Grobe
Schätzungen gehen, abhängig vom Diabetes-Typ und von
einer Insulinbehandlung, von eine Sehverschlechterung 8.3.2 Pathophysiologie des Diabetischen
von 9% bis 37% aller Patienten nach 10 Jahren aus. Ein Makulaödems
wichtiger Risikofaktor für die Ausbildung des Makulaö-
dems ist der Schweregrad der peripheren Retinopathie. Praxistipp I I
Während ein Makulaödem nur in 3% der Augen mit Hyperglykämie führt zu Veränderungen im Polyol- und
leichten, nicht proliferativen Stadien auftritt, sind 71% des Hexosamin-Stoffwechsel, einer nicht-enzymatische
der Augen mit proliferativen Stadien davon betroffen (s. Glykosilierung und der Aktivierung der Proteinkinase C
folgende Übersicht). Weitere Risikofaktoren sind Alter, (PKC).
männliches Geschlecht, schlechte Blutglukosekontrolle Makulaödeme entstehen durch den Zusammen-
(HbA1c) und Bluthochdruck. Aufgrund der weltweit wei- bruch der inneren Blut-Retina-Schranke. Tight-junc-
terhin steigenden Inzidenz des Diabetes mellitus und der tion-Proteine spielen in diesem Prozess eine Rolle.
damit verbundenen Zunahme des DMÖ als Erblindungs-
136 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Die Hyperglykämie und ihre Folgen Anatomische Ursachen für die Entstehung
Die Hyperglykämie ist mit einer Reihe von biologischen eines Makulaödems
Effekten wie beispielsweise einer Änderung des Glukose- Die Blutversorgung der Retina erfolgt über die Gefäßsys-
transportes, einer Verdickung der kapillären Basalmemb- teme der retinalen Kapillaren und der Aderhautgefäße. Im
ran und dem Verlust von Perizyten assoziiert. Es werden gesunden Auge wird der Übertritt von Flüssigkeit aus die-
hauptsächlich vier Mechanismen diskutiert, über die die sen Gefäßen in die Netzhaut im Falle der Aderhautgefäße
Hyperglykämie zu vaskulären Veränderungen und damit durch das retinale Pigmentepithel (RPE) und im Falle der
zur diabetischen Retinopathie führt (⊡ Abb. 8.36): retinalen Kapillaren durch das Gefäßendothel verhindert.
▬ der Polyol-Stoffwechsel, Diese Zellschichten werden deshalb auch als äußere bezie-
▬ die nicht-enzymatische Glykosilierung, hungsweise innere Blut-Retina-Schranke bezeichnet.
▬ der Hexosamin-Stoffwechsel und Bei Hyperglykämie kommt es zu einem Zusammen-
▬ die Aktivierung der Proteinkinase C (PKC). bruch der Blut-Retina-Schranke mit nachfolgender Flüs-
sigkeitsansammlung im Bereich der Netzhaut. Betroffen ist
Als grundlegender Mechanismus wird angenommen, dass hiervon vor allem die innere Blut-Retina-Schranke, obwohl
durch die Hyperglykämie vermehrt Superoxide in der auch Störungen des RPE nachweisbar sind. Sowohl die
mitochondrialen Elektronentransportkette entstehen. Su- fokale, als auch die diffuse Form des Makulaödems ist
peroxide inhibieren das Enzym GAPDH der Glykolyse, charakterisiert durch eine Ansammlung von extrazellulärer
wodurch vermehrt Metaboliten in den Polyol- und Hexo- Flüssigkeit in der Henle-Schicht und der inneren Körner-
8 samin-Stoffwechsel gelangen. Dadurch wird wiederum die schicht der Retina. Die Kompartimentierung des Ödems ist
PKC aktiviert und es entstehen Vorstufen von Glykosilie- wahrscheinlich bedingt durch die relativen Barriereeigen-
rungsendprodukten (AGEs). Diese Mechanismen haben schaften der inneren und äußeren plexiformen Schicht.
nun vielfältige, zum Teil noch nicht ganz aufgeklärte Konse- Diese anatomischen Besonderheiten erklären, warum
quenzen. Es kommt zum oxidativen Stress, zu Veränderun- besonders die zentrale Netzhaut so anfällig für die Entste-
gen des Blutflusses (u.a. über NO), zu einer proinflamma- hung eines Ödems ist. Da die Makula im Bereich der zent-
torische Genexpression, zu Störungen der Zellinteraktion ralen avaskulären Zone gefäßfrei ist, erfolgt ihre Versorgung
und zu einem Anstieg von VEGF, mit den Konsequenzen hier durch Diffusion. Flüssigkeit, die sich in diesem Bereich
einer erhöhten Gefäßleckage und einer Ödembildung. einlagert, kann nur sehr langsam wieder resorbiert werden.
Es ist sehr schwierig, in grundlegende Prozesse wie Der Ursprung der extrazellulären Flüssigkeit beim
den Polyol-Stoffwechsel einzugreifen, da auf dieser Stufe Makulaödem ist das intravasale Kompartiment. Obwohl
mehr als ein paralleler Stoffwechselweg existiert, sodass auch Veränderungen im retinalen Blutstrom zum Austritt
die Inhibition nur eines Weges therapeutisch nicht hin- von Flüssigkeit beitragen, ist der wichtigste Mechanismus
reichend effizient ist. der Zusammenbruch der inneren Blut-Retina-Schranke.

⊡ Abb. 8.36 Die Perizyten-Endothel-


Interaktion ist geprägt durch die Stoff-
wechselveränderungen und folgende
Wachstumsfaktorfreisetzungen
8.3 · Diabetisches Makulaödem
137 8
Die Bewegung von Flüssigkeit über die Blut-Retina- die aus transmembranen Verbindungsmolekülen gebildet
Schranke hat zwei verschiedene Komponenten: die über- werden, die intrazellulär mit dem Zytoskelett verbunden
wiegend passive Leckage von Flüssigkeit aus den Gefäßen sind. Für die Regulation der parazellulären Permeabilität
in das Retinagewebe und den aktiven Rücktransport in sind vor allem die Zonula occludens (»tight junctions«)
die entgegengesetzte Richtung. In-vitro-Studien an iso- und die Zonula adhaerens (»adherens junctions«) ver-
lierten RPE-Choroidea-Präparaten belegen, dass unter antwortlich.
normalen Bedingungen die Kapazität des Rücktransports Tight junctions sind die am weitesten apikal gelegene
die Gefäßleckage deutlich übersteigt. Im Unterschied zum »Komponenten« der interzellulären Verbindung. Viele
aktiven Rücktransport ist die Gefäßleckage aber von der ihrer molekulare Bestandteile sind bereits identifiziert
Ausprägung der diabetischen Retinopathie abhängig. Pa- worden. Occludin, Claudine und JAM (»junctional ad-
tienten mit nicht-proliferativer Retinopathie weisen mit hesion molecule«) sind integrale Membranproteine, die
zunehmendem Schweregrad der Erkrankung eine signi- extrazellulär die Verbindung zur Nachbarzelle bilden. In-
fikante Erhöhung der Leckage aus den retinalen Gefäßen trazellulär sind sie über ZO-1 (zonula occludens 1), ZO-2
auf. Obwohl auch der Rücktransport kompensatorisch oder ZO-3 am Zytoskelett der Zelle verankert.
erhöht wird, ist dieser Anstieg zu gering, um bei zuneh- Ähnlich aufgebaut ist die Zonula adherens, die sich
mender Gefäßleckage ein Ödem zu verhindern. im interzellulären Spalt basal an die Tight junctions an-
Das histologische Korrelat der inneren Blut-Retina- schließen. Ihre transmembrane Komponente bilden die
Schranke ist die Endothelzellschicht, die die retinalen Cadherine, im Gefäßendothel vor allem das VE-cadherin
Gefäße nach innen auskleiden. Gefäßleckage durch das (»vascular endothelium cadherin«, cadherin-5). Diese
Endothel kann generell auf drei unterschiedliche Weisen sind über β-Catenin und α-Catenin ebenfalls mit dem
erfolgen: Zytoskelett verbunden.
1. durch parazellulären, passiven Flüssigkeitsausstrom Obwohl die molekulare Struktur der Tight junctions
aufgrund defekter interzellulärer Verbindungen der generell in allen Geweben ähnlich ist, gibt es Unter-
Endothelzellen, schiede zwischen epithelialen und endothelialen Tight
2. durch den Verlust der Endothelkontinuität bei direk- junctions, sowie zwischen Tight junctions des periphe-
ter Schädigung und Untergang von Endothelzellen ren Gefäßendothels und der Blut-Hirn-und Blut-Retina-
und Schranke. Im Unterschied zu epithelialen Tight junctions
3. durch transzellulären, aktiven Transport durch die sind die strukturellen und funktionellen Eigenschaften
Endothelschicht (⊡ Abb. 8.37). von Tight junctions der Endothelzellen hochgradig be-
einflussbar durch äußere Faktoren.
Gefäßleckage durch parazellulären Die Mechanismen, die das Öffnen und Schließen
Flüssigkeitsausstrom von endothelialen Zellverbindungen steuern, sind bis-
Endotheliale Permeabilität wird in gesunden Geweben her unbekannt. Es ist vorstellbar, dass Substanzen wie
hauptsächlich über die interzellulären Verbindungen re- Entzündungsmediatoren die Permeabilität dadurch er-
guliert. Dabei handelt es sich um komplexe Strukturen, höhen, dass sie an spezifische Rezeptoren binden, die
intrazelluläre Signalkaskaden auslösen und so zu eine
zytoskelettalen Umstrukturierung und einer Öffnung der
Zellverbindungen führen. Die Wechselwirkungen zwi-
schen den Komponenten der Tight junctions und der
Adherens junctions legen zudem eine enge funktionelle
Abhängigkeit dieser beiden Zell-Zell-Kontaktsysteme
nahe (⊡ Abb. 8.38).
In humanen retinalen Endothelzellen wurden die Ex-
pression von Occludin und VE-cadherin nachgewiesen.
Die Expression ihrer jeweiligen zytoplasmatischen Prote-
ine ZO-1 und β-Catenin an Stellen des Endothelzellkon-
taktes lässt eine Beteiligung dieser Proteine an der Auf-
rechterhaltung der retinalen Endothelbarriere vermuten.
Der Anstieg der Gefäßleckage, der in der diabetischen
⊡ Abb. 8.37 Mechanismen der Gefäßleckage: Die Gefäßwand verein-
Retina beobachtet wird, könnte mit einer Reduktion der
facht vorgestellt als einlagige Endothelzellschicht kommen drei grund-
sätzliche Mechanismen der Gefäßleckage in Betracht: durch defekte En-
Expression des wichtigen Adherens-junction-Proteins
dothelzellen (z.B. durch Apoptose), parazellulär durch veränderte Tight VE-cadherin verbunden sein. Immunfluoreszenzuntersu-
junctions, transzellulär durch einen erhöhten transzellulären Transport. chungen haben in diabetischen Augen eine unveränderte
138 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

keitstransport mittels Pinozytose an der diabetischen Ge-


fäßleckage beteiligt. Obwohl pinozytotischer Transport
maßgeblich am transendothelialen Flüssigkeitsaustausch
beteiligt ist, wurde seine Regulation bei der diabetischen
Retinopathie bisher noch nicht untersucht. Studien an
VEGF-behandelten Augen haben jedoch ergeben, dass
erhöhte Konzentrationen von VEGF, wie sie auch in der
diabetischen Netzhaut vorkommen, zu einer Steigerung
des transendothelialen Transports mittels pinozytotischer
Vesikel führen und dadurch eine erhöhte Permeabilität
der Blut-Retina-Schrank verursachen. In den betroffenen
Blutgefäßen war die Anzahl der pinozytotischen Vesikel
an der luminalen Membran der Endothelzellen deutlich
⊡ Abb. 8.38 Tight junction: eine Gruppe von Tight-junction-Molekü- erhöht und diese Vesikel transportierten Plasmaproteine
len ist für die strukturelle Verbindung zwischen Endothelzellen ver- wie IgG.
antwortlich. Hierbei sind insbesondere Occludin und ZO-1 zu nennen Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass pinozytoti-
sowie die Gruppe der Claudins.
scher Transport bei vielen der Vorgänge beteiligt ist, die
bei der Störung der diabetischen Blut-Retina-Schranke
8 eine Rolle spielen. Die pathophysiologischen Ursachen
Anfärbung für Occludin und ZO-1, aber eine vermin- und Konsequenzen dieses Phänomens sind bisher aber
derte Anfärbung für VE-cadherin nachgewiesen. noch nicht geklärt.
Beim Diabetes ist die Regulation der Tight-junctions Der Wachstumsfaktor VEGF ist ein extrem wirksa-
verändert. Durch VEGF, das bei diabetischer Retino- mer Auslöser von Gefäßleckage. Seine permeabilitäts-
pathie vermehrt exprimiert wird, wird die Occludin- steigernde Potenz liegt noch 50.000fach höher als die des
Expression in retinalen Endothelzellen gesenkt. Im Tier- Entzündungsmediators Histamin.
modell wurde bei diabetischer Stoffwechsellage eine ver- Während histologische Veränderungen im diabeti-
minderte Occludin-Expression in den retinalen Gefäßen schen Tiermodell erst nach Monaten einer Hyperglyk-
nachgewiesen, die sich durch die Gabe von Insulin wie- ämie nachweisbar sind, kann man schon nach wenigen
der normalisierte. Die molekularen Mechanismen, über Tagen und Wochen die Hochregulation von Wachstums-
die Hyperglykämie die Zellverbindungen beeinflusst, faktoren wie z.B. VEGF zeigen.
sind bisher noch unbekannt, kürzlich konnte jedoch Die VEGF-Expression ist zum einen direkt von der
gezeigt werden, dass eine Inhibition der PKC den Effekt Glukosekonzentration abhängig, wird zum anderen aber
von VEGF165 auf die Expression von Tight-junction- auch durch die oben beschriebenen Stimuli beeinflusst.
Molekülen wie Claudin-1 und die Permeabilität nicht Das historische Synonym »vascular permeability fac-
zurückbilden konnte. tor (VPF)« des heute als »vascular endothelial growth
factor« (VEGF) bezeichneten Wachstumsfaktors deutet
Gefäßleckage durch transendothelialen bereits eine Induktion der Durchlässigkeit von Blutge-
Flüssigkeitstransport – die Rolle von fäße an. In Versuchen mit kultivierten bovinen retinalen
»vascular endothelial growth factor« (VEGF) Endothelzellen konnte eine VEGF bedingte Permeabili-
tätserhöhung nachgewiesen werden. Dieser Effekt konnte
Praxistipp I I in den gleichen Zellen mit dem VEGF-Antikörper-Frag-
»Vascular endothelial growth factor« (VEGF) wurde ment Ranibizumab (Lucentis) neutralisiert werden.
ursprünglich als »vascular permeability factor« (VPF) VEGF ist als pathogenetischer Faktor bei der nicht-
beschrieben. proliferativen und der proliferativen Form der diabe-
VEGF ist nachweislich der hauptursächliche Wachs- tischen Retinopathie nachgewiesen. Die intraokuläre
tumsfaktor bei der proliferativen diabetischen Retino- VEGF-Konzentration ist bei Patienten mit einer Dia-
pathie aber auch Hauptursache der Gefäßleckage im betes-bedingten Störung der Blut-Retina-Schranke und
Rahmen des Makulaödems Neovaskularisationen erhöht.
In-vivo-Untersuchungen am Primatenauge zeigten
Veränderungen nach einer Injektion von VEGF165, die
Neben der Zunahme der Gefäßpermeabilität durch Ver- denjenigen des Diabetes mellitus am Auge entsprechen.
änderungen der Zellverbindungen und durch endotheli- Endothelzellhyperplasien, Mikroaneurysmen, ischämi-
alen Zelltod ist möglicherweise auch ein aktiver Flüssig- schen Arealen der Netzhaut, Proliferationen in den Glas-
8.3 · Diabetisches Makulaödem
139 8

⊡ Abb. 8.39 VEGF interagiert eng mit Substanzen wie Angiopoietin und PDGF, die eine Gefäßreifung bzw. Destabilisierung bedingen

körper sowie eine Rubeosis iridis manifestierten sich im ▬ freie Radikale und
Verlauf des Versuches. VEGF erhöht dabei die Gefäßper- ▬ Glukose.
meabilität im diabetischen Auge und steigert durch die
Induktion von ICAM (»intercellular adhesion molecule«) Am wirksamsten ist allerdings die Hypoxie.
die Adhäsion von Leukozyten an die Endothelzellen. Die Frage nach der Ursache der Hypoxie in den re-
Schließlich induziert VEGF die Expression von eNOS tinalen Gefäßen lässt sich zumindest teilweise aus der
(endotheliale Stickoxidsynthetase/«nitric oxide synt- anatomischen Situation erklären. Das retinale Gefäß-
hase«) in der diabetischen Retina, was zu Veränderungen system ist gemessen an seinen Anforderungen spärlich
des Blutflusses führt. Über die Interaktion mit Faktoren ausgelegt, möglicherweise um eine optische Interferenz
die die Gefäßreifung beeinflussen, wie die Angiopoietine, mit dem durchfallenden Licht zu verhindern. Die Folge
hat VEGF Einfluss auf die Gefäßstabilität (⊡ Abb. 8.39). ist eine hohe Sauerstoffspannung zwischen den retina-
Eine spezifische Inhibition von VEGF im Tiermodell len Arterien und Venen. Gefäßschädigungen bewirken
vermag die pathologische Durchlässigkeit der Blut-Retina- frühzeitig Gewebehypoxie. Hypoxie setzt einen Kreislauf
Schranke zu verhindern. Die Gabe von VEGF TrapA40, von kapillärer Minderperfusion, Verlust von retinalen
einem löslichen VEGF-Rezeptor, der die biologische Ak- Kapillaren, weiterer Hypoxie und Wachstumsfaktor- und
tivität von VEGF inhibiert, reduziert nicht nur die pa- Zytokinausschüttung in Gang. Makulaödeme bilden sich
thologische Gefäßleckage im diabetischen Auge, sondern in Reaktion von peripherer Ischämie. Vollständig ist das
unterdrückt darüber hinaus die Leukostase in retinalen Gefüge von Wachstumsfaktoren und ihrer Reaktion auf
Arteriolen, Venolen und Kapillaren (s.u.). Die Expression Hypoxie noch nicht bekannt. Der Hypoxie-induzierte
von Entzündungsmediatoren wie ICAM-1 nimmt im Ver- Faktor HIF-1a (»hypoxia-inducible factor-1a«) scheint
gleich zu nicht behandelten Kontrolltieren deutlich ab. einer der Haupttranskriptionsfaktoren zu sein. HIF-1a
Zu den bisher bekannten Modulatoren der VEGF- ist ein Transkriptionsfaktor, der die Expression verschie-
Expression gehören dener Gene fördert, die, wie beispielsweise VEGF, be-
▬ cAMP, stimmte Promotor-bindende Elemente, die sogenannten
▬ Steroide, »hypoxia-responsive elements« (HREs) tragen. Bei der
▬ PKC-Inhibitoren, diabetischen Retinopathie induziert HIF-1a die Freiset-
▬ Wachstumsfaktoren, zung weiterer Faktoren, insbesonders VEGF, und kann
▬ Sauerstoff, somit ein Makulaödem bewirken.
140 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Gefäßleckage durch Endothelzellschädigung:


Das diabetische Makulaödem –
eine inflammatorische Erkrankung?
Ebenso wie die Entstehung der peripheren retinalen Ge-
fäßveränderungen bei diabetischer Stoffwechsellage ist
die Entstehung der diabetischen Makulopathie von einer
Vielzahl biochemischer Stoffwechselprodukte abhängig,
die in komplexer Weise mit Zytokinen und zellulären
Komponenten interagieren.
Veränderte Leukozyten spielen eine entscheidende
Rolle in der frühen Pathogenese der diabetischen Retino-
pathie, indem sie sich bei Diabetes vermehrt an das reti-
nale Gefäßendothel anlagern und in der Folge direkt den
Untergang von Endothelzellen induzieren können. Durch
Störung der Endothelkontinuität tragen Leukozyten so
zur Entstehung des diabetischen Makulaödems bei.
Ausgehend von der gängigen Technik der retinalen
Gefäßdarstellung mittels Trypsin-Verdauungs-Präparaten
8 (⊡ Abb. 8.40) ging man bisher davon aus, dass der Ver-
lust der Perizyten auch tatsächlich die erste Schädigung
der retinalen Gefäße darstellt. In jüngster Zeit konnte
gezeigt werden, dass intravaskuläre Veränderungen eine
bedeutende Rolle in der Pathogenese des Makulaödems
spielen und dass das retinale Gefäßsystem von Menschen
und Nagern mit Diabetes mellitus eine erhöhte Anzahl
von Leukozyten enthält. Die vermehrte Adhäsion von
Leukozyten am retinalen Gefäßendothel lässt sich be-
reits früh im Verlauf der experimentellen diabetischen
Retinopathie nachweisen. Wir konnten zeigen, dass Leu-
⊡ Abb. 8.40 Trypsin Digest Präparate. Oben: retinales Kapillarbett ei-
kozytenadhäsion und endothelialer Zelluntergang bereits ner nicht-diabetischen Maus. Unten: retinales Kapillarbett einer Maus
vor dem Auftreten erster klinischer Krankheitszeichen nach 24 Monaten Diabetes: es zeigen sich azelluläre Kapillaren, Mik-
nachweisbar sind und zeitlich parallel mit der Störung der roaneurysmen, Perizytenverlust sowie Endothelzellrarifizierungen
Blut-Retina-Schranke und dem Verschluss von Kapillaren
auftreten. Das Leukozyten-Adhäsionsmolekül ICAM-1
(»intracellular adhesion molecule 1«) auf der Oberfläche Gewebe Zytokine und angiogene Stimuli freisetzen. Ähn-
der Endothelzellen und sein Ligand CD18 auf der Leuko- liche Mechanismen sind auch bei der diabetischen Reti-
zytenoberfläche spielen nachweislich eine entscheidende nopathie zu erwarten.
Rolle bei diesen Ereignissen. Die Expression beider Mo- Zusätzlich zu den positiven Modulatoren und Sti-
leküle ist bei Diabetes erhöht, und die spezifische Hem- mulatoren der Leukozyten-Extravasation exprimiert das
mung von ICAM-1 oder CD18 verhindert sowohl die Gefäßendothel auch Faktoren, die diesen Prozess negativ
Leukozytenadhäsion in den retinalen Kapillaren als auch regulieren und damit zusätzliche Kontrollmechanismen
die erhöhte Gefäßleckage. Die Induktion von ICAM-1 zum Erhalt einer Homeostase bieten: CD95 (Fas)-Ligand
wird zumindest teilweise durch VEGFvermittelt, das in (CD95-L) induziert einen apoptotischen Zelltod in den
der diabetischen Netzhaut vermehrt exprimiert wird. Zellen, die den entsprechenden Rezeptor Fas (CD95) tra-
Die spezifische Wirkung von Leukozyten auf be- gen. Experimentelle Untersuchungen zur Frage des Me-
stimmte Zielorgane wird zusätzlich durch eine Reihe wei- chanismus der Leukozyten-Endothel-Interaktion zeigten
tere Adhäsionsmoleküle und Chemotaxine reguliert. En- in vitro, dass Leukozyten diabetischer Tiere vermehrt En-
dothelzellen synthetisieren Chemokine wie Interleukin-8 dothelzellapoptose induzieren, während normale, unbe-
(IL-8), Monozyten-Chemokine-Protein 1 (MCP-1) und handelte humane Endothelzellen in vitro keine Fas-ver-
»macrophage inflammatory protein« (MIP-1), die Ad- mittelte Apoptose zeigten. Die Hemmung von Fas/FasL
häsionsrezeptoren auf Leukozyten aktivieren und deren mit spezifischen Antikörpern verhindert den Endothel-
Migration vermitteln. Leukozyten können nachfolgend zelltod. Neutrophile Granulozyten vermitteln somit bei
zwischen den Endothelzellen hindurchwandern und im der diabetischen Stoffwechsellage eine Apoptose in Endo-
8.3 · Diabetisches Makulaödem
141 8

Das fokale Makulaödem ist gekennzeichnet


durch einen fluoreszenzangiographisch lokalisierba-
ren Flüssigkeitsaustritt aus undichten Mikroaneurys-
men. Im Fundus sind umschriebene retinale Ödeme
abgrenzbar, die Gruppen von Mikroaneurysmen oder
dilatierten Kapillaren zugeordnet werden können.
Dem diffusen Makulaödem liegt ein generali-
sierter Zusammenbruch der Blut-Retina-Schranke zu
⊡ Abb. 8.41 Die Leukozyten-Endothel-Adhäsion wird durch Adhä- Grunde. Es steht deswegen oft im Zusammenhang
sionsmoleküle wie ICAM-1 (»intercellular adhesion molecule-1«) auf mit systemischen Krankheitsfaktoren, wie beispiels-
den Endothelzellen und Oberflächenintegrinen auf den Leukozyten
weise einer Hypertonie. Es findet sich eine diffuse
als Gegenspieler reguliert. An ICAM-1 koppelt dabei beispielsweise
das Oberflächenintegrin CD18. Darüberhaus wird die Adhäsion von Verdickung im Bereich der Makula mit einer angio-
Leukozyten und deren Druchwanderung durch das Endothel über graphischen Fluoreszeinleckage aus den makulana-
eine Reihe von anderen Faktoren und Zytokinen wie TNFα (»tumor hen Kapillaren, oftmals ohne harte Exsudate oder
necrose factor α«), MCP-1 (»monozyten-chemoattractant-protein«) retinale Mikroaneurysmen. Nach der Definition von
und MIP-1 (»macrophage inflammatory protein«).
Olk liegt ein diffuses diabetisches Makulaödem dann
vor, wenn eine Zone retinaler Verdickung eine Fläche
von mindestens zwei Sehnervenköpfen umfasst und
thelzellen und damit eine erhöhte retinale Gefäßleckage. diese Fläche die avaskuläre Zone der Fovea betrifft.
Der Untergang von retinalen Endothelzellen, im Sinne ei- Eine ischämische Makulopathie ist durch den
nes kummulativen Schadens bei zunehmender Dauer der Verlust/Untergang der perifovealen Kapillararkade und
Erkrankung, spielt somit vermutlich eine wichtige Rolle darüber hinaus charakterisiert. Funduskopisch sind
bei der Entstehung des diabetischen Makulaödems. Die diese schwer oder gar nicht zu erkennen, die Diagnose
systemische Hemmung der Fas-FasL-Interaktion mit ei- muss deswegen fluoreszenzangiographisch gestellt
nem FasL-spezifischen Antikörper führt in vivo zu einer werden. Die ischämische Makulopathie signalisiert eine
signifikanten Verminderung nicht nur des endothelialen schlechte Visusprognose. Klinisch finden sich auch häu-
Zelltods sondern auch der Gefäßleckage. fig kombinierte Formen mit ischämischen und diffusen
Eine Inhibition der Leukozyten-Endothel-Interaktion Anteilen. In diesem Fall oder bei unklarem Befund wird
könnte ein effizientes Ziel zur Prophylaxe der diabeti- bei einem Visus ≤0,6 eine Fluoreszenzangiographie zur
schen Retinopathie sein (⊡ Abb. 8.41). Differenzierung des Makulaödems empfohlen.
Auch eine lokale Regulation von TNF-α konnte bei Pa-
tienten mit proliferativer diabetischer Retinopathie nachge-
wiesen werden. Proinflammatorische Zytokine wie TNF-α Ein klinisch signifikantes, also visusbedrohendes Maku-
und Interleukin-1 sind in der Lage, Endothelzellen zur laödem betrifft etwa 1-29% der Patienten mit Diabetes
Expression von Leukozyten-Adhäsionsmolekülen zu stimu- mellitus (s.o. Übersicht).
lieren. Außerdem können sie neutrophile Leukozyten akti- Die Veränderungen liegen hierbei ganz oder teilweise
vieren, was die zytotoxische Aktivität der Leukozyten und innerhalb eines Papillendurchmessers von der Foveola
damit die Endothelzellschädigung verstärken kann. Lokal entfernt. Das klinisch signifikante Makulaödem ist die
applizierbare TNF-α-Inhibitoren müssen in ihrer Wirksam- häufigste Ursache einer Visusreduktion bei Patienten mit
keit gegen das diabetische Makulaödem untersucht werden. diabetischen Augenerkrankungen (⊡ Abb. 8.42).
Evidenzbasierte Daten aus randomisierten Studien
zur Therapie der diabetischen Retinopathie beruhten bis-
8.3.3 Klinische Stadien des Makulaödems her in erster Linie auf einer multizentrischen Studie, der
»Early Treatment Diabetic Retinopathy Study« (ETDRS)
Praxistipp I I aus den 70iger und 80iger Jahren, die in der Folgezeit
Ophthalmoskopisch erscheint die diabetische Makulo- in den klinischen Alltag umgesetzt wurde. Insbeson-
pathie als eine fokale oder diffuse retinale Verdickung, dere die wohl definierte Stadieneinteilung und die Ent-
teilweise sind harte Exsudate vorhanden als Zeichen scheidungskriterien für eine zentrale oder panretinale
eines aktuellen oder abgelaufenen Ödems. Es werden Laserbehandlung trugen zum Erfolg dieser Studie bei.
drei verschiedene Erscheinungsbilder unterschieden: Die Diagnose »klinisch signifikantes« Makulaödem wird
▼ mittels binokular-steroskopischer Funduskopie gestellt.
Unterschieden wurde in der ETDRS in eine diffuse oder
142 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Eine vereinfachte Definition wurde von der Initiativ-


gruppe »Früherkennung diabetischer Augenerkrankun-
gen« (IFDA), des Berufsverbands der Augenärzte (BVA)
und der Deutschen Diabetesgesellschaft (DDG) formu-
liert: umschriebene Netzhautverdickung(en), evtl. kom-
biniert mit Mikroaneurysmen, intraretinalen Blutungen
und/oder harten Exsudaten, die ganz oder teilweise in-
nerhalb eines Papillendurchmessers von der Foveola ent-
fernt liegen.
Weltweit bestanden trotz der ETDRS große Unter-
schiede in der Stadieneinteilung des diabetischen Ma-
kulaödems. Die »Proposed international clinical dia-
a betic retinopathy and diabetic macular edema disease
severity scales«, erstellt von 31 Arbeitsgruppen aus
16 verschiedenen Ländern (global diabetic retinopa-
thy project group), überprüfte und modifizierte diese
funduskopische Stadieneinteilung 2003. Hierbei werden
zwei Hauptgruppen unterschieden, je nach dem Vorhan-
8 densein oder dem Fehlen eines Makulaödems. Besteht
ein Makulaödem, so wird in drei Schweregrade unter-
teilt: mild, moderat und schwer. Die Einteilung erfolgt
hierbei je nach Lage der retinalen Verdickung, also fern
des Zentrums der Makula, nahe dem Zentrum und im
Zentrum. In diesem Konsensfindungsprozess konnte die
Stadieneinteilung durch die alleinige Funduskopie in die
Stadien fokal und diffus nicht mehr aufrecht erhalten
werden.
b
Dennoch trägt auch eine graduelle Einteilung nicht
der Problematik der ischämischen Makulopathie Rech-
⊡ Abb. 8.42 a Fundusbild eines Patienten mit einem klinisch signi-
fikanten DMÖ mit harten Exsudaten, Blutungen und Mikroaneurys-
nung. Entscheidend ist eine Einteilung, die sowohl die
mata. b Fundusbild des gleichen Patienten nach parazentraler Laser- Lokalisation als auch die Form (fokale, diffuse und is-
koagulation ein Jahr später. Es zeigt sich eine Zunahme des klinisch chämische Makulopathie) berücksichtigt, da sich nach
signifikanten DMÖ und der harten Exsudate diesen zwei Kriterien die Wahl der Therapie richtet. Die
Diagnose der ischämischen Makulopathie erfordert dafür
den Einsatz angiographischer Verfahren.
eine fokale Form des DMÖ und durch den Abstand des In der neusten Studie des »Diabetic Retinopathy Cli-
DMÖ zur Fovea. nical Research Network« (www.DRCR.net) wurde unter
anderem auf die Schwierigkeit hinsichtlich objektiver
Praxistipp I I Kriterien zur Unterscheidung zwischen dem diffusen
Nach ETDRS (Early Treatment Diabetic Retinopathy und fokalen DMÖ mittels Fundoskopie, Optical Cohe-
Study) liegt ein klinisch signifikantes (visusbedrohen- rence Tomographie und Fluoreszenzangiographie hin-
des und damit auch therapiebedürftiges) Makulaödem gewiesen. Es wurden schließlich drei Typen des DMÖ
vor, wenn eines der folgenden Kriterien zutrifft: (»predominant diffus«, »predominant fokal« und »weder
▬ Verdickung der Retina im Zentrum oder einem predominant diffus, noch fokal«) unterschieden. Es be-
Umkreis von 500 μm um die Makula steht eine moderate Korrelation zwischen zentraler Netz-
▬ Harte Exsudate im Zentrum oder einem Umkreis hautdicke und Visus, jedoch ist die Variationsbreite der
von 500 μm um die Makula mit einer Verdichtung Sehschärfe bei einem gegebenen Grad des Makulaödems
der umgebenden Netzhaut groß. In wieweit die Einteilung unter Zuhilfenahme der
▬ Zone retinaler Verdickung von einer Größe von Netzhautdickenmessung Unterschiede in der Visusent-
mehr als einem Sehnervenkopfdurchmesser. Diese wicklung und im Therapieerfolg erklären kann, bleibt
retinale Verdickung liegt im Zentrum oder im Um- abzuwarten.
feld von einer Sehnervenkopfgröße um die Makula.
8.3 · Diabetisches Makulaödem
143 8
8.3.4 Lasertherapie

Praxistipp I I
Die Lasertherapie ist momentan ein Goldstandard
der Therapie.
▬ 500-3.000 μm von Zentrum der Makula entfernt
▬ Wellenlänge: gelb oder grün
▬ Fleckgröße 50 μm, Dauer 0,05 bis 0,1 s

Modifizierte Grid-Technik nach ETDRS:


▬ nach Fluoreszeinangiographie soll die Koagulation
auf alle Bereiche einer diffusen Leckage oder nicht-
Perfusion sowie auf alle Bereiche einer retinalen
Verdickung appliziert werden. Falls keine Fluoresz-
einangiographie durchgeführt wird, auf alle Berei-
che einer Netzhautverdickung a
▬ Abstand der Herde: 2 gerade sichtbare Herde Ent-
fernung

Fokale Koagulation
▬ auf leckende Mikroaneurysmata ausschließlich in
Bereichen einer retinalen Verdickung

Die Laserbehandlung ist weiterhin ein Standard in der


Therapie des diabetischen Makulaödems. Sie ist allerdings
eine symptomatische Therapie und kann schon entstan-
dene Funktionsverluste nur bedingt rückgängig machen.
Als destruktives Verfahren hat die Lasertherapie auch
Nachteile: zentrale Lasernarben haben die Tendenz sich
zu vergrößern und können bei zu enger Koagulation
insbesondere in hoch myopen Augen fast konfluierende
atrophe Areale hinterlassen (⊡ Abb. 8.43). Neben der
möglichen Entstehung von Neovaskularisationsmembra-
b
nen bei gelaserten Patienten (⊡ Abb. 8.44) gibt es thera-
pierefraktäre Verläufe (⊡ Abb. 8.42) mit persistierendem
⊡ Abb. 8.43 a Fundusbild eines Patienten nach einer aktuellen pa-
Makulaödem trotz Therapie. razentralen Laserkoagulation. b Fundusbild des gleichen Patienten
Eine Behandlung ist mit dem Auftreten eines »kli- mit einer deutlichen Ausdehnung der parazentralen Lasernarben drei
nisch signifikanten« Makulaödems angezeigt, wobei Jahre später
»klinisch signifikant« am ehesten mit »visusbedrohend«
gleichgesetzt werden sollte. Eine prophylaktische Laser-
behandlung eines nicht klinisch signifikanten Ödems
bringt dagegen keine Vorteile. die Freisetzung von Faktoren stimuliert werden, die die
Die fokale Laserkoagulation überführt Mikroaneu- Blut-Retina-Schranke stabilisieren. Die Resorbtion eines
rysmen und hypoxisches Gewebe in chorioretinale Nar- Makulaödems nach Laserkoagulation kann bis zu 4 bis
ben. Die Grid-Laserkoagulation soll die Proliferation von 6 Monate in Anspruch nehmen.
Pigmentepithelzellen und Endothelzellen steigern und Beim fokalen Makulaödem hat die ETDRS-Studie
dadurch schadhafte Zellen ersetzen, was die Integrität nachgewiesen, dass bei Patienten mit klinisch signifikan-
der Blut-Retina-Schranke verbessert. Eine andere Theo- tem Makulaödem drei Jahre nach Behandlung nur 12%
rie hebt die Senkung des Sauerstoffbedarfs der Netzhaut einen signifikanten Visusverlust aufwiesen im Vergleich
durch die Zerstörung der Photorezeptoren hervor, dies zu einer unbehandelten Kontrollgruppe mit 24%. Aller-
gilt allerdings eher für die disseminierte Koagulation der dings sprachen 50% der Patienten weder funktionell noch
Peripherie. Zudem soll durch die laserinduzierte Nekrose anatomisch auf eine Behandlung an.
144 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Makulaödem nach der Definition von Olk mit Grid-La-


ser. Im Vergleich zu einer unbehandelten Kontrollgruppe
fand sich zwar nach zwei Jahren noch ein Unterschied,
der jedoch nach drei Jahren nicht mehr statistisch signifi-
kant war. McNaught et al. untersuchten 29 Patienten mit
diffusem Makulaödem zwei Jahre nach einer Grid-Laser-
behandlung. Während sich keine statistisch signifikante
Verbesserung des Fernvisus zeigte, profitierten die Pati-
enten beim Nahvisus bis ein Jahr Nachbeobachtungszeit.
Dieser Effekt war nach zwei Jahren nicht mehr erkennbar.
Ebenfalls konnte Blankenship in einer prospektiven ran-
domisierten Studie bei 23 Patienten und 20 Kontrollen
nach zwei Jahren keinen statistisch signifikanten Unter-
schied zwischen den beiden Gruppen feststellen.
In einer prospektiven Studie mit 28 Patienten von
Whitelocke et al. profitierten nach einer durchschnittli-
⊡ Abb. 8.44 Fluoreszenzangiographie eines Patienten mit einer sub-
chen Nachbeobachtung von zwei Jahren 25% von einer
retinalen Neovaskularisation nach einer parazentralen Laserkoagula- Grid-Behandlung. Bei 71% zeigte sich keine Veränderung
8 tion. Temporal der Fovea eine Leckage mit einer diffusen Ausbreitung und bei 4% verschlechterte sich der Visus. Insgesamt
des Farbstoffes als Zeichen der Neovaskularisation. Füllung des arte- berichten immer mehr Studien, dass die Grid-Laserbe-
riellen und venösen Systems mit Farbstoff als Zeichen der Spätphase handlung die makuläre Funktion auch beeinträchtigen
der Angiographie
kann. So wurde z.B. in 11 von 203 Augen eine progressive
Vergrößerung von Grid-Lasernarben berichtet. Diese di-
rekten negativen Folgen sollten zusammen mit den nicht
Beim diffusen diabetischen Makulaödem gibt es keine eindeutigen Studienergebnissen vor einer Therapieent-
eindeutigen Studienergebnisse zum Wirkungsnachweis scheidung bei Patienten mit diffusem Makulaödem in
einer Laserbehandlung. Die ETDRS-Studie behandelte Erwägung gezogen werden.
zwar Patienten bei diffusem Makulaödem mit Grid-Laser, Ein direkter Vergleich der Studien gestaltet sich
doch lag der Schwerpunkt auf der fokalen Laserbehand- schwierig aufgrund der vielen unterschiedlich definierten
lung und es wurde in der Auswertung nicht zwischen Pa- Parameter für Ein- und Ausschlusskriterien, Behandlung
tienten mit fokalem und diffusem Ödem unterschieden. und Auswertung (⊡ Tab. 8.1). Im Gegensatz zum funktio-
Lediglich die schlechtere Prognose im Vergleich zum nellen Verlauf (Visus) lässt sich das anatomische Makula-
fokalen Ödem wurde festgestellt. ödem – jedenfalls kurzfristig – erfolgreich mit Grid-Laser
Bei der ischämischen Makulopathie ist eine Laserbe- behandeln. Je nach Studie zeigte sich hier eine Besserung
handlung prinzipiell nicht angezeigt. in 88-100% der Fälle.
Olk konnte in einer prospektiven randomisierten Studie Eine Studie des DRCR.net untersuchte die Faktoren,
bei 92 Patienten mit diffusem diabetischen Makulaödem die zu einer Verbesserung oder Verschlechterung des
mit einem modifizierten Grid nach 12 und 24 Monaten Visus 2 Jahre nach einer fokalen oder Grid-Laserkoagu-
einen signifikant geringeren Visusverlust im Vergleich zu lation geführt haben. Ein schlechter Ausgangsvisus war
einer unbehandelten Kontrollgruppe zeigen. Ein diffuses der einzige Faktor, der mit einer häufigeren Verbesserung
Makulaödem wurde definiert als eine Zone retinaler Verdi- der Sehschärfe assoziiert war. Eine größere zentrale Netz-
ckung, die eine Fläche von mindestens zwei Sehnervenköp- hautdicke und eine bessere Ausgangssehschärfe waren
fen umfasst und die avaskuläre Zone der Fovea einschließt. häufiger mit einer Verschlechterung der Sehschärfe as-
In einer späteren Nachuntersuchung von behandelten soziiert. Die initiale Sehschärfe nach 4 Monaten war in
302 Augen (185 Patienten) zeigte sich, dass der Visus nach der Regel nicht ausschlaggebend für den folgenden Ver-
drei Jahren im Vergleich zum Vorbefund bei 14,5% besser, lauf. Viele Augen, die initial eine Verschlechterung von
60,9% jedoch gleich und bei 24,6% schlechter geworden über 10 Buchstaben hatten, verbesserten sich in der Folge
war. Diese Daten wurden nicht mit einer unbehandelten wieder, andere Augen, die zunächst eine Verbesserung
oder alternativ behandelten Kontrollgruppe verglichen. hatten, verschlechterten sich in der Folgezeit.
Problematisch ist der Langzeiteffekt der Laserthe- Nicht eindeutig zu beantworten ist die Frage, wie die
rapie: zeitliche Reihenfolge aussehen soll, wenn ein klinisch
Ladas und Theodossiadis untersuchten in einer pro- signifikantes Makulaödem und eine behandlungsbedürf-
spektiven randomisierten Studie 50 Augen mit diffusem tige periphere Retinopathie vorliegen. Die Auffassung,
⊡ Tab. 8.1 Studien zur Photokoagulation des diabetischen Makulaödems.

Augen Nachbeobach- Visus nach Grid-Laser Unbehandelt Signifikanz- Bemerkungen


tungszeit niveau

Studie Behandelt Kontrollen Besser Gleich Schlechter Besser Gleich Schlechter

ETDRS 1985 Prosp. randomisiert keine Auswertung nach fokalem und diffusem Makulaödem

Olk 1986 Prosp. randomisiert 42 37 24Monate 45,2 45,2 9,5 8,1 48,5 43,2 sign.
8.3 · Diabetisches Makulaödem

Lee 1991 Retrospektiv 302 0 36 Monate 14,5 60,9 24,6

Ladas 1993 Prosp. randomisiert 26 23 24 Monate 15,4 65,4 19,2 0 56,5 43,5 p=0,049

24 22 36 Monate 8,3 54,2 37,5 0 40,9 59,1 ns

McNaught Prosp. randomisiert 37 35 6 Monate 72 14 14 17 66 17 p<0.001 Nahvisus, bei Fernvi-


1988 sus kein Unterschied

18 17 24 Monate 61 11 28 18 47 35 ns Nahvisus

Tachi 1996 Retrospektiv 41 0 12 Monate 12 39 49

McDonald Retrospektiv 89 0 3-33 Monate 17 77 6


1985

Bailey 1999 Prospektiv 33 0 9 Monate 65,7 20 8,6 28,9% nur fokal be-
handelt

Blankenship Prosp. randomisiert 23 20 24 Monate 17 52 30 5 50 45 ns


1979

Aiello Prospektiv 330 330 (Tri- 24 Monate guter Initialvisus, geht oft mit Laser bleibt Stan-
amcinolo- Visusminderung einher. Anfäng- dardtherapie
ne) lich schlechteres Sehen geht
eher mit einer Visusverbesse-
rung einher
8 145
146 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

dass eine panretinale Laserbehandlung ein vorbestehen- Erste Daten aus randomisierten klinischen Multi-
des Makulaödems vorübergehend verstärken kann, ist zenterstudien wurden vom »Diabetic Retinopathy Cli-
allgemein akzeptiert. Dies wird mit einer Entzündungs- nical Research Network« (www.DRCR.net) durch das
reaktion oder einem veränderten Blutfluss aufgrund der NIH gefördert und sind publiziert worden. Darüber
Laserkoagulation erklärt. Interessanterweise konnte die hinaus liegen jetzt Daten der Zulassungsstudien von den
DRCR.net-Analyse aber zeigen, dass die Visusergebnisse Anti-VEGF-Medikamente Ranibizumab und Macugen
2 Jahre nach einer zentralen Koagulation in Augen unab- und erste publizierte Daten von VEGF Trap Eye für die
hängig von einer vorherigen zentralen oder panretinalen Behandlung des diabetischen Makulaödems vor. Auch
Photokoagulation sind. In der ETDRS-Studie wirkte sich für das für okuläre Anwendung nicht zugelassene Avas-
eine panretinale Laserbehandlung in den ersten Wochen tin mehren sich die Untersuchungen mit geringeren
negativ auf die Sehschärfe aus, doch überwog der positive Evidenzleveln über eine erfolgreiche Behandlung. Bei
Effekt der Behandlung mit der Zeit. Außerdem zeigte vergleichenden Messungen der okulären VEGF-Spiegel
sich, dass ein Makulaödem ein entscheidender prognosti- in Patienten mit verschiedenen zu einem Makulaödem
scher Faktor für die Verschlechterung des Sehvermögens führenden Pathologien (Astvenenverschluss, Zent-
ist. Die initiale Visusminderung nach panretinaler Laser- ralvenenverschluss, feuchte AMD, DMÖ), zeigte sich,
behandlung war dabei unabhängig von der Visusminde- dass die VEGF-Werte der DMÖ-Patienten am höchsten
rung durch das Makulaödem. waren.
Aufgrund dieser Beobachtungen wird empfohlen, Ermutigt durch experimentelle Daten wurden ver-
8 wenn möglich, zunächst das Makulaödem zu behandeln schiedene VEGF-Blocker in der Therapie des DMÖ un-
und die panretinale Koagulation mit einem Abstand von tersucht und zeigten Erfolge in der Reduktion des Ödems,
4 bis 6 Wochen anzuschließen. wie in ⊡ Abb. 8.45a vor einer Anti-VEGF Behandlung und
Nur wenn eine panretinale Laserbehandlung nicht in ⊡ Abb. 8.45b 6 Wochen nach Behandlung mittels Opti-
aufgeschoben werden kann, sollte eine Kombinations- scher Kohärenztomographie (OCT) dargestellt.
behandlung durchgeführt werden. In diesem Fall wurde
eine Kombinationsbehandlung aus milder panretinaler Therapie des DMÖ mit Ranibizumab (Lucentis)
(400-650 Herde) und fokaler Laserkoagulation vorge- Inhalte dieses Kapitels der Behandlung DMÖ sind dem
schlagen. Initial werden hierbei die nasalen Quadranten Review von der Autoren (Kakkassery, Winterhalter und
koaguliert. Joussen/Klinischen Monatsblättern der Augenheilkunde
Eine andere Studie verfolgt ebenfalls ein kombiniertes 2010) entnommen worden.
Vorgehen: In einer ersten Sitzung werden eine gitterför-
mige und eine panretinale Laserkoagulation in den un-
teren 180 Grad der Retina durchgeführt, in einer zweiten
Sitzung werden die oberen 180 Grad behandelt.
Die diabetische Retinopathie verschlechtert sich oft
nach einer Kataraktoperation, meist durch das Auftreten
eines Makulaödems. Deswegen ist anzuraten, eine Laser-
behandlung vor der Operation durchzuführen, sofern die
Trübung der Linse dies gestattet. Im Zeitalter der VEGF
Inhibition kann eine perioperative Anti-VEGF-Behand-
lung in Erwägung gezogen werden. a

8.3.5 VEGF-Inhibitoren in der Behandlung


der diabetischen Retinopathie

Vor dem Hintergrund der VEGF basierten Gefäßleckage


entstanden klinisch anwendbare okuläre Anti-VEGF-
Therapien, welche zunächst zur Behandlung der feuchten
altersbedingten Makuladegeneration (AMD) eingesetzt b
wurden. Während für die feuchte AMD mittlerweile meh-
rere Präparate für die Therapie zugelassen sind, besteht ⊡ Abb. 8.45 a OCT eines Patienten mit der Darstellung eines DMÖ.
seit Anfang 2011 auch eine Zulassung für die Therapie b OCT desselben Patienten nach einer Behandlung mit Ranibizumab.
des DMÖ. Es zeigt sich eine Minderung des DMÖ 6 Wochen später.
8.3 · Diabetisches Makulaödem
147 8

⊡ Tab. 8.2 Studien zur Behandlung des DMÖ mit Ranibizumab: ausgiebige Studien mit verschiedenen Behandlungsarmen und mehrmali-
gen Injektionen

Studie Follow up Studien- Ein- Behandlungs- Wiederbehand- Schlussfolgerung Zielgrößen-


design schluss- gruppen lung messung
kriterien

Nguyen et al. 3 Monate Prospektive, Chro- IVR 0,5 mg Erneute Injek- Signifikante Visus- ETDRS Let-
2006 READ I nicht nicht nische tion nach 1,2, 4 minderung um ters, OCT
vergleichen- DMÖ und 6 Monaten 12,3 Buchstaben
de Phase-I- und RSD-Redukti-
Studie on im Vergleich zu
Ausgangswert

Nguyen et al. 6 Monate prospektive Diffuses a) IVR 0,5 mg Erneute gleiche Signifikante Ver- BCVA, OCT
2009 READ II randomisier- DMÖ b) LK Therapie nach besserung des
te Phase-II- c) IVR 0,5 mg 1,3,5 Monaten Visus in a) um 7,24
Studie +LK im Vergleich zu b),
sonst keine Signi-
fikanzen, jedoch a)
um 3,44 Buchsta-
ben besser als c)

Elmann et al. 1 Jahr prospektive DMÖ a) SI + soforti- Keine Signifikante Ver- BCVA, OCT
2010 DRCR.net randomisier- ge LK besserung des Vi-
te Studie b) IVR 0,5 mg sus in b) und c) im
+ sofortige LK Vergleich zu a) um
c) IVR 0,5 mg 5 Buchstaben und
+ LK nach 24 in RSD-Reduktion
Wochen im Vergleich zu a)
d) IVt 0,5 mg +
sofortige LK

RESOLVE Cli- 1 Jahr Prospektive, DMÖ a) SI Monatliche In- Signifikante Ver- BCVA, OCT
nicalTrials.gov randomisier- b) IVR 0,3 mg jektionen nach besserung des Vi-
NCT00284050 te Phase-II- c) IVR 0,5 mg Maßgabe des sus um ca.10 Buch-
Studie Studienarztes, staben und RSD-
Verdopplung Reduktion in b)
der Dosis nach und c) im Vergleich
erstem Monat zu a), kein signifi-
mgl., LK nach kanter Unterschied
3 Monaten zwischen b) und c)
möglich im Vergleich zu a)

RESTORE Cli- 1 Jahr Prospektive, DMÖ a) LK + SI Monatliche In- Signifikante Ver- BCVA, OCT
nicalTrials.gov randomisier- b) LK + IVR jektionen nach besserung des Vi-
NCT00687804 te Phase-III- 0,5mg Maßgabe des sus in b) und c) im
Studie c) IVR 0,5mg Studienarztes Vergleich zu a) um
5 Buchstaben, kein
signifikanter Unter-
schied zwischen b)
und c)

RISE Clini- 3 Jahre Prospektive, DMÖ a) SI Monatliche In- Noch keine Ergeb- BVCA, OCT
calTrials.gov, randomizier- b) IVR 0,3 mg jektionen nach nisse
NCT00473330 te Studie c) IVR 0,5 mg Maßgabe des
Studienarztes

RIDE 3 Jahre Prospektive DMÖ IVB 1,25 mg Monatliche In- Noch keine Ergeb- BVCA, OCT
ClinicalT- nicht ver- jektionen nach nisse
rials.gov, gleichende Maßgabe des
NCT00473382 Fallserie Studienarztes

DMÖ diabetische Makulaödem; LK zentrale Laserkoagulation; SI Scheininjektion; RSD Retinale Schichtdicke; IVR Intravitreale Injektionen von
Ranibizumab
148 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Ranibizumab ist derzeit das einzige Präparat mit einer allen Behandlungsarmen möglich. Als primäres Studi-
Zulassung für das diabetische Makulaödem. Für Ranibi- enziel wurde in einer Gruppe die Überlegenheit von
zumab stehen bereits große Mengen an Sicherheitsdaten Ranibizumab gegenüber der Kontrollgruppe (Scheinbe-
aus den Zulassungs- und anderen Studien für die feuchte handlung) im Hinblick auf die Reduktion der retina-
AMD und der Erfassung von Sicherheitsdaten in den len Schichtdicke nach 6 Monaten und in einer zweiten
letzten Jahren zur Verfügung (in ⊡ Tab. 8.2 zusammen- Gruppe die Wirksamkeit von Ranibizumab bezüglich
gefasst). Initial wurden erste vergleichende Falluntersu- Sehschärfe nach 12 Monaten festgelegt.
chungen zur Wirkung von Ranibizumab beim DMÖ mit Behandlungen mit Ranibizumab erfolgten monatlich,
geringen Fallzahlen zum Teil durchgeführt, Die Phase-I- bis ein Visus von ≥79 Buchstaben (≥20/25) und eine reti-
Studie »READ« (Ranibizumab for edema of the macula nalen Schichtdicke von ≤225 m erreicht waren. Innerhalb
in diabetes) untersuchte den Effekt einer intravitrealen der Resolve-Studie bestand die Möglichkeit der Dosis-
Ranibizumab-Injektion von 0.5 mg zu Studienbeginn, verdopplung von Ranibizumab bei fehlender Minderung
sowie weiteren nach 1, 2, 4 und 6 Monaten im Beobach- der Netzhautschichtdicke. Ein Therapieabbruch konnte
tungszeitraum von 7 Monaten. Die Untersuchung konnte erfolgten, wenn keine Verbesserung nach 3 aufeinan-
eine Reduktion der retinalen Schichtdicke im Mittel um derfolgenden Injektionen hinsichtlich der Visusentwick-
150 bis 200 Mikrometer und eine Sehverbesserung um lung oder der retinalen Schichtdicke registriert werden
7-8 Buchstaben nach 7 Monaten belegen. konnte.
Aufbauend auf die positiven Ergebnisse der Phase- Ein Behandlungserfolg mit Ranibizumab konnte nach
8 I-Studie erfolgte die Phase-II-Studie durch die gleiche 6 und nach 12 Monaten gezeigt werden. Nach 6 Mona-
Studiengruppe (READ-II-Studie). In dieser Studie, ange- ten zeigte sich eine Abnahme der retinalen Schichtdicke
legt als multizentrische, open-label randomisierte Studie von mehr als 100 μm, nach 12 Monaten um fast 150 μm
wurde die Gabe von 0,5 mg Ranibizumab alleine, oder in in der Behandlungsgruppe im Gegensatz zur Placebo-
Kombination mit Lasertherapie im Vergleich zur Laser- gruppe. Entsprechend zeigte sich nach 12 Monaten Un-
monotherapie alleine an 126 Patienten mit einem DMÖ tersuchungszeit in der behandelten Gruppe eine Visus-
analysiert. Das primäre Ergebnis nach 6 Monaten war besserung von mehr als 10 Buchstaben (entsprechend
eine Visusverbesserung von 7,2 Buchstaben mit der Rani- 2 Zeilen) im Vergleich zur nicht behandelten Gruppe.
bizumab als Monotherapie, 3,8 Buchstaben mit der Kom- Die RESTORE-Studie (Efficacy and Safety of Ranibi-
binationstherapie und 0,4 Buchstaben Verlust mit der zumab in Patients With Visual Impairment Due to Dia-
Lasermonotherapie. In der Folge wurden alle Patienten betic Macular Edema ClinicalTrials.gov NCT00687804)
mit Ranibizumab weiter behandelbar. Injektionen konn- diente als Phase-III-Studie zur weiteren Untersuchung
ten alle 2 Monate gegeben werden, soweit die retinale der Wirksamkeit und Sicherheit von Ranibizumab bei
Schichtdicke größer als 250 μm war. Nach 24 Monaten der Behandlung eines Visusverlust aufgrund eines DMÖ.
zeigten die Ranibizumabgruppe einen mittleren Visusge- Bei dieser Zulassungsstudie handelt es sich um eine ran-
winn von 7,7 Buchstaben, die Kombinationsgruppe einen domisierte, doppelblinde, multizentrische Studie, die
von 6,8 Buchstaben, Lasergruppe einen von 5,1 Buchsta- die intravitreale Ranibizumab-Therapie alleine oder in
ben. Die initialen Gewinne in der Ranibizumab-Mono- Kombination mit einer Laserbehandlung mit der La-
therapie-Gruppe konnten erhalten werden, die ehemalige sertherapie verglich. Im Gegensatz zur Resolve-Studie
Kombinationsgruppe zeigte einen Zugewinn von 3 Buch- (Phase II) wurde hier ein »Stabilitätskriterium« zur Wie-
staben nach der Umstellung auf Monotherapie und auch derbehandlung herangezogen, d.h. zeigte der Visus eines
die ehemalige Lasermonotherapiegruppe gewinnt durch Patienten bei 3 aufeinanderfolgenden Visiten unter Rani-
die Umstellung auf Ranibizumab mehr als eine Zeile. bizumabtherapie keinen Zugewinn oder war er bei den
Diese Studien legten die Basis für weitere Zulassungsstu- letzten beiden Visiten ≥84 Buchstaben (20/20), wurde er
dien zur Behandlung des diabetischen Makulaödems mit als stabil eingestuft und es erfolgten keine weiteren Be-
dem VEGF-Antagonisten Ranibizumab (⊡ Abb. 8.45). handlungen. Eine Wiederbehandlung erfolgte bei erneu-
Die RESOLVE-Studie (Safety and Efficacy of Ranibi- tem Visusverlust infolge eines DMÖ nach Entscheidung
zumab in Diabetic Macular Edema With Center Invol- des Untersuchers bei einem Visusverlust an 3 aufeinan-
vement, ClinicalTrials.gov NCT00284050) ist als Phase- derfolgenden Visiten. Auch die RESTORE-Studie zeigte
II-Studie zum Nachweis der Wirksamkeit und zur Unter- über einen Zeitraum von 12 Monaten einen signifikanten
suchung der Sicherheit konzipiert worden. Ranibizumab Visusgewinn von 6,1 Buchstaben für Ranibizumab-Mo-
wurde dem zufolge in Dosierungen von 0,3 mg oder notherapie und von 5,9 Buchstaben für die Kombination
0,5 mg intravitreal verabreicht und mit einer Scheinin- von Ranibizumab und Laser im Vergleich zu 0,8 Buch-
jektion bei 151 Patienten verglichen. Eine Rescue-La- staben für alleinige Laserung. Interessanterweise brachte
serkoagulation war drei Monate nach Studienbeginn in die Kombination von Ranibizumab mit der Lasertherapie
8.3 · Diabetisches Makulaödem
149 8

⊡ Tab. 8.3 Vergleich der Studienmerkmale von RESOLVE und RESTORE

Studienmerkmale RESOLVE RESTORE

Einschlusskriterien Alter ≥18 Jahre Alter ≥18 Jahre


Typ I / II Diabetes mit HbA1c ≤12% Typ I / II Diabetes mit HbA1c ≤10%
DMÖ an einem Auge Visusminderung durch DMÖ, das mit Laser
RSD über 300 μm behandelt werden kann,
BCVA zwischen 73 und 39 ETDRS Buchstaben BCVA 20/32 – 20/160 (39-78)

Vergleichsgruppen a) SI a) LK
b) IVR 0,3 mg b) LK+IVR 0,5 mg
c) IVR 0,6 mg c) IVR 0,5 mg

Dauer 12 Monate 12 Monate (2 Jahre Verlängerung)

Injektionsschema Monatliche Injektionen PRN gleiche Behandlung bei monatlicher


Verdoppelung der Dosis in jeder Gruppe nach Kontrolle
1 Monat, soweit a) RSD über 300 μm oder b)
RSD>225μm und Ödemreduktion weniger
als <50μm

Primäre Ziele Reduktion des RSD nach 6 Monaten Visusbesserung nach 12 Monaten
Visusbesserung nach 12 Monaten

Visusgewinn zur Vergleichsgruppe b) und c) signifikante Visusverbesserung um b) und c) signifikante Visusverbesserung um


bis zu 10 Buchstaben im Vergleich zu a) bis zu ca. 6 Buchstaben im Vergleich zu a)

Abnahme der RSD b) und c) signifikante RSD im Vergleich zu a) b) und c) signifikante RSD im Vergleich zu a)

keine weitere Besserung im Vergleich zur ausschließ- Durch die Ranibizumabtherapie konnte ein anhaltender
lichen Ranibizumab-Injektion und hatte auch keinen Visusgewinn über 2 Jahre erreicht waren.
Einfluss auf die Injektionsfrequenz. Im Vergleich zur Ungefähr 50% der Augen hatten eine substantielle
RESOLVE-Studie mit einem Visusgewinn von 10,3 Buch- Verbesserung (≥10 Buchstaben), verglichen mit 28% der
staben nach 12 Monaten (Baseline-Endpunkt-Differenz) Augen bei der Lasermonotherapie. Interessanterweise er-
war der Buchstabengewinn der mit Ranibizumab be- hielten nur 28% der Patienten des späteren Laser-Arms
handelten Patienten nach 12 Monaten in der RESTORE- überhaupt einen Laserbehandlung, entsprechend den
Studie mit 6,8 Buchstaben (Integral aus den monatli- Studienkriterien. Hinsichtlich Visusgewinn und Anzahl
chen Veränderungen) niedriger. Dieses hängt mit dem benötigter Ranibizumab-Injektionen zeigten sich nach
höheren Eingangsvisus in der RESTORE-Studie (max. 12 Monaten keine Unterschiede in beiden Ranibizumab-
78 Buchstaben in RESTORE vs. max. 73 Buchstaben in Gruppen. Im Median wurden 8 bis 9 Injektionen im ers-
RESOLVE) zusammen, der zu entsprechend geringeren ten Jahr benötigt und nur noch 2 bis 3 im 2. Jahr entspre-
Besserungspotential geführt haben könnte (⊡ Abb. 8.46, chend der abnehmenden Injektionshäufigkeit, die auch
⊡ Tab. 8.2, ⊡ Tab. 8.3). in der RESTORE beobachtet wurde. Die Triamcinolon-
Weitere wichtige Ergebnisse wurden durch eine Stu- Laser-Kombination zeigte nach 12 Monaten im Gegen-
die des Diabetic Retinopathy Clinical Research Network« satz zur Ranibizumab-Laser-Kombination verminderte
(www.DRCR.net), die nach einer Ranibizumab-Behand- Visuswerte, was im Wesentlichen durch die hohe Katarkt-
lung eine Laserung entweder eine Woche nach der Injek- rate zu erklären ist. Allerdings folgerichtig konnte in der
tion (n=187) oder frühesten 24 Wochen nach der Injek- Subgruppe der pseudophaken Patienten eine Gleichwer-
tion (n=188) durchführte, geliefert. Verglichen wurden tigkeit der Triamcinolon-Therapie und der Ranibizumab-
diese Studienpatienten mit einer Triamcinolon-Laser- Therapie gezeigt werden.
Kombinationsbehandlunggruppe (n=186) und einer La- Zurzeit werden die RISE-Studie (Study of Ranibizumab
ser-Monotherapie-Gruppe (n= 293). Nach 12 Monaten Injection in Subjects With Clinically Significant Macular
zeigte Ranibizumab in Kombination mit einer Laserthe- Edema With Center Involvement Secondary to Diabetes
rapie ein besseres Ergebnis bei der durchschnittlichen Mellitus, ClinicalTrials.gov, NCT00473330) und die RIDE-
Zunahme der Sehschärfe als die Laser-Monotherapie mit Studie (Study of Ranibizumab Injection in Subjects With
9 Buchstaben Visugewinn nach 1 Jahr versus Baseline. Clinically Significant Macular Edema With Center Invol-
150 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

⊡ Abb. 8.46 Ergebnisse der Resolve-Studie: die


best-korrigierte Sehschärfe nimmt unter der Injek-
tionstherapie im Vergleich zur Kontrollgruppe zu,
was mit einer Reduktion der zentralen Netzhautdi-
cke einhergeht. Ausgewertet wurde ein »full ana-
lysis set« unter »last observation carried foreward«.

vement Secondary to Diabetes Mellitus, ClinicalTrials. geführt (ClinicalTrials.gov, NCT00789477). Bei fünf Pa-
gov, NCT00473382) in den USA durchgeführt. tienten mit einem DMÖ wurden bei einer intravitrealen
Beide Studien laufen 3 Jahre und untersuchen erst- Gabe von 4 mg keine okulären oder systemischen un-
mals den Effekt auf Progredienz. Mit Ergebnissen ist erwarteten Ereignisse oder Nebenwirkungen festgestellt.
jedoch nicht vor Ende 2012 zu rechnen. Die durchschnittliche retinale Schichtdickenverminde-
rung 6 Wochen nach der Injektion betrug 74 μm mit
Therapie des diabetischen Makulaödems mit einer Visusbesserung bei vier von fünf Patienten.
VEGF Trap Eye Die größte publizierte Untersuchung umfasste 200 Pa-
Als weiterer Ansatz VEGF-basierten Therapie am Auge tienten und konnte nach 24 Wochen in vier verschiedenen
wurde das Medikament VEGF Trap Eye entwickelt. Dosisgruppen eine signifikante Visusverbesserung zwi-
VEGF Trap Eye stellt im Gegensatz zu allen anderen An- schen 8,5 und 11,4 Buchstaben nach VEGF Trap Eye im
ti-VEGF-basierenden Therapien keinen Antikörper oder Vergleich zu 2,5 Buchstaben nach Laserbehandlung zeigen.
Antikörperfragment dar, sondern ist ein humanisiertes,
lösliches Rezeptor-Fusions-Protein, welches ebenfalls Therapie des diabetischen Makulaödems mit
freies VEGF bindet. Neben seinen primären Bemühun- Pegaptanib (Macugen)
gen der Zulassung zur Behandlung der AMD wurden Pegaptanib-Natrium (Macugen) ist ein VEGF-Aptamer,
erste Untersuchungen hinsichtlich der Sicherheit und der das bioaktives VEGF vor seiner Wirksamkeit an der Zelle
Bioverfügbarkeit bei Patienten mit einem DMÖ durch- abfängt und zur Behandlung der feuchten AMD zugelas-
8.3 · Diabetisches Makulaödem
151 8
sen ist. Hinsichtlich der Behandlung des DMÖ wurde bis- Primärdaten dar. Dennoch waren weitere vergleichende
her eine Phase-II-Studie durchgeführt. Diese Studie der Untersuchungen notwendig, um eine neue Therapiever-
Macugen Diabetic Retinopathy Study Group, multizen- besserung durch die Anti-VEGF-Therapie überzeugend
trisch, explorativ, prospektiv, randomisiert, kontrolliert, darstellen zu können (⊡ Tab. 8.4).
und doppelblind, untersucht an 172 Patienten die intra- Zeitgleich zu den ersten Untersuchungen wurden
vitreale DMÖ-Behandlung mit einer Dosis von 0,3 mg, verschiedene retrospektive Auswertungen von Bevaci-
1,0 mg oder 3,0 mg Pegaptanib-Natrium im Vergleich zumab-Behandlungen des DMÖ durchgeführt. Als eine
zu einer Placebogruppe. Vorgeschriebene Injektionen der wichtigsten ist hierbei die Auswertung der Pan-Ame-
erfolgten bei Studienbeginn, nach 6 Wochen und nach rican Collaborative Retina Study Group zu nennen. In
12 Wochen. Nach der 3. Injektion konnte entsprechend 101 Augen wurden durchschnittlich 5,8 Injektionen pro
dem Studienprotokoll adjuvant eine zentrale Laserko- Auge zur Behandlung des DMÖ appliziert. Nach einem
agulation durchgeführt werden. Im Anschluss folgten in Jahr zeigte sich eine signifikante Visusbesserung ver-
den nächsten 18-30 Wochen weitere Injektionen nach bunden mit einer Minderung der retinalen Schichtdicke
Maßgabe des behandelnden Augenarztes. im Vergleich zum Ausgangsbefund. Der retrospektive
Interessanterweise zeigte die Gruppe mit der niedrigs- Vergleich der Dosen 1,25 mg und 2,5 mg Bevacizumab
ten Dosis Pegaptanib die besten Ergebnisse nach 36 Wo- konnte keinen signifikanten Unterschied zwischen den
chen. Hierbei wurde eine signifikante Visusverbesserung Dosierungen zeigen. Diese Daten wurden in der retros-
von 5,1 Buchstaben ETDRS-Tafel (entsprechend einer pektiven 24-Monaten-Auswertung der gleichen Gruppe
Zeile) und eine Reduktion der retinalen Schichtdicke um bestätigt. Weitere retrospektive Untersuchungen konn-
71,7 μm im Vergleich zur Placebogruppe nachgewiesen. ten ebenfalls signifikante Visusbesserungen nach der
Insbesondere war dieses Ergebnis beeindruckend, da im Bevacizumab-Behandlung belegen. Jedoch ließen sich im
Design dieser Dosisfindungsstudie keine Power hinsicht- Vergleich zu einer Triamcinolonbehandlung, mit oder
lich des Nachweises der Visusbesserung, unter anderem ohne Laserkoagulation, keine Unterschiede herausarbei-
aufgrund der verschiedenen gemessenen Parameter, an- ten. Aufbauend auf diese retrospektiven Auswertungen
gestrebt wurde. wurde die Planung weiterer, prospektiver, vergleichender
In den gleichen Studien konnte in einer gesonderten Untersuchungen vorangetrieben.
Auswertung gezeigt werden, dass eine Behandlung mit In einer der ersten vergleichenden, prospektiven Stu-
Pegaptanib zu einer signifikanten Minderung der diabe- dien wurde die einmalige intravitreale Bevacizumab-Gabe
tischen bedingten Neovaskularisation führte. Eine ret- mit der von Triamcinolon bei DMÖ durch die Arbeits-
rospektive Auswertung von 48 Patienten zeigte ebenfalls gruppe von Shimura et al. und Paccola et al. untersucht.
eine signifikante Visusverbesserung und eine signifikante Es zeigten sich bei beiden Untersuchungen jedoch keine
Verringerung der retinalen Schichtdicke nach Pegapta- signifikanten Unterschiede in der Visuszunahme nach
nib-Injektionen. Insgesamt konnte ein positiver Effekt 24 Wochen zwischen beiden Behandlungsgruppen. Eine
von Pegaptanib in der Behandlung des diabetischen Ma- Schlussfolgerung aus diesen Ergebnissen war, dass, im
kulaödems gezeigt wurden. Vergleich zur signifikanten Visusbesserung in der retro-
spektiven Untersuchung der Pan-American Collaborative
Therapie des diabetischen Makulaödems mit Retina Study Group nach einer durchschnittlichen In-
Bevacicumab (Avastin) jektionsrate von 5,8 pro Patient, eine einmalige Injektion
Bevacizumab (Avastin) ist für die intraokulare Therapie eines VEGF-Inhibitors als Therapie für das DMÖ nicht
nicht zugelassen und muss als Off-label-use betrach- alleine ausreichend sein kann.
tet werden. Vergleicht man die publizierten Daten mit Infolgedessen untersuchten 2 Studien daraufhin pros-
den verschiedenen anti-VEGF Therapeutika zur Behand- pektiv die mehrfache Bevacizumab-Injektion zur Behand-
lung des diabetischen Makulaödems, so sind weltweit die lung des DMÖ. Eine prospektive, randomisierte Phase-
meisten Untersuchungen, wenn auch mit niedrigem Evi- II-Studie mit einem fünfarmigen Versuchsansatz wurde
denzlevel, zu Bevacizumab (Avastin) durchgeführt wor- durch das »Diabetic Retinopathy Clinical Research Net-
den. Viele kleine Studien wurden in den letzten Jahren work« (www.DRCR.net) durchgeführt, die unterschiedli-
mit unterschiedlichem Aufbau, zum Teil als Fallserien, che Dosen Bevacizumab gegen eine Laserbehandlung in
vergleichend oder mit verschieden Behandlungsschemata einem Cross-over-Ansatz, also einem Wechsel der The-
publiziert, und sind in ⊡ Tab. 8.4 zusammengefasst. rapie nach 6 Wochen, untersucht hat. Endpunkte waren
Diese ersten nicht vergleichenden Versuche mit zum der Visus und die retinale Schichtdicke nach 12 Wochen.
Teil deutlicher anatomischer Besserung waren sicher weg- Hierbei ließ sich weder im Hinblick auf den Visus noch
weisend für die weitere Untersuchung der Bevacizumab- die retinale Schichtdicke ein signifikanter Unterschied
Therapie bei DMÖ und stellten mit weiteren Studien erste zwischen den Gruppen nachweisen. Die »Bevacizumab
8
152

⊡ Tab. 8.4 Tabelle 5: Studien zur Behandlung des DMÖ mit Bevacizumab: X frühe vergleichende Serien mit einzelner Injektion X retrospektive Studien X ausgiebige Studien mit verschiedenen
Behandlungsarmen und mehrmaligen Injektionen

Studie Follow up Studiendesign Einschluss- Behandlungs- Wiederbehandlungskriterum Schlussfolgerung Zielgrößen-


kriterien gruppen messung
Shimura et al. 2008 24 Wochen Prospektive, ver- DMÖ a) IVB 1,25 mg Keine Keine signifikanten Veränderungen BCVA, OCT
gleichende Studie b) IVT 4 mg nach 24 Monaten

Paccola et al. 2008 24 Wochen Prospektive, ran- Diffuse DMÖ a) IVB 1,5 mg Keine Keine signifikanten Unterschiede BVCA, OCT
domizierte Studie b) IVT 4 mg
Arevalo JF et al. 2009 24 Monate Retrospektive, Diffuses a) IVB 1,25 mg Im Mittel 5,8 Injektionen Signifikanter Unterschied zum Aus- BCVA, OCT
Pan-American Collabora- vergleichende DMÖ b) IVB 2,5 mg gangswert. Keine signifikanten Unter-
tive Retina Study Group Fallserie schiede bgzl der beiden Dosisgruppen
Forte et al. 2010 unter- Retrospektive ver- DMÖ a) IVB Unterschiedlich signifikante Unterschiede in Visus und BCVA, OCT
schiedlich gleichende Studie b) LK + IVT RSD nur in der IVB Grupppe
Kreutzner et al. 2010 unter- Retrospektive ver- DMÖ a) IVB 1,25 mg a) 2 weitere Injektionen alle a) signifikante Unterschiede in Visus BCVA, OCT
schiedlich gleichende Studie b) IVT 4 mg 4 Wochen und RSD nach 3 Monaten im Vergleich
»matched pairs« b) keine zum Ausgangswert
b) keine signifikante Unterschiede in-
nerhalb der Gruppen
Scott et al. 2007 DRCR. 24 Wochen prospektive ran- Diffuses a) LK a) IVB 1,25mg Teilweise Verbesserung des Visus um ETDRS Let-
net domisierte, zu DMÖ, Visus b) IVB 1,25 mg b) IVB 1,25mg eine Linie und einer Reduktion der RSD ters, OCT
Teil maskiert, fünf 20/32 bis c) IVB 2,5 mg c) IVB 2,5mg nach zweifacher Injektion, jedoch nicht
Behandlungsarme, 20/320 d) IVB 1,25 mg d) SI signifikant
Phase II e) IVB 1,25 mg e) LK
nach 6 Wochen
Lam et al. 2009 6 Monate Prospektiv, rando- Diffuse DMÖ a) IVB 1,25 mg Alle drei Monate a) signifikante Unterschiede in Visus BCVA, OCT
misiert, verglei- b) IVB 2,5 mg und RSD nach 6 Monaten im Vergleich
chende Studie zum Ausgangswert
b) keine Unterschiede innerhalb der
Gruppe
Soheilian et al. 2009 36 Wochen Prospektiv, rando- DMÖ, keine a) IVB 1,25 mg Alle 12 Wochen erneute gleiche a) keine signifikante Unterschiede in BCVA, OCT
misiert, verglei- Behandlung b) IVB 1,25 mg Behandlung bei weiterhin be- Visus und RSD nach 36 Wochen im Ver-
Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

chende Studie vorher + IVT 2 mg stehendem DMÖ nach ETDRS gleich zum Ausgangswert
c) LK Kriterien b) keine signifikanten Unterschiede
innerhalb der Gruppen
Michaelides et al. 2010 2 Jahre Prospektiv, rando- DMÖ nach a) IVB 1,25 mg a) 2 weitere Injektion nach alle a) signifikante Unterschiede in Visus BCVA, OCT
BOLT study misiert, maskierte, ETDRS Krite- b) LK 4 Wochen, bei RSD mehr als und RSD nach 12 Monaten im Ver-
vergleichende rien 270 μm, weiterere Injektionen alle gleich zum Ausgangswert
Studie 4 Wochen (maximal 9 Injektionen) b) signifakten besser Visus und RSD in
b) nach 16, 32 und 48 Wochen der IVB Gruppe nach 12 Monaten
weitere LK nach ETDRS Kriterien

DMÖ diabetische Makulaödem, LK zentrale Laserkoagulation, SI Scheininjektion, RSD Retinale Schichtdicke, IVB Intravitreale Injektionen von Bevacizumab
8.3 · Diabetisches Makulaödem
153 8
or laser therapy in the management of diabetic macular schwere nicht-okuläre Nebenwirkungen. Ähnliche Häu-
edema«-Studie (BOLT-Studie) verglich die intravitreale In- figkeiten, jedoch keine neuen Sicherheitsaspekte konnten
jektion mit 1,25 mg Bevacizumab mit einer parazentralen in der RESTORE Studie registriert werden. Diese Daten
Laserbehandlung beim DMÖ. In diesem prospektiven, gleichen dem Sicherheitsprofil von vorherigen für die
randomisierten Ansatz wurden in der Bevacizumabgruppe AMD durchgeführten Studien für Ranibizumab und be-
initial 3 Injektionen und im Verlauf alle 4 Wochen, je nach legen die Sicherheit der Behandlung mit Ranibizumab
Entwicklung der retinalen Schichtdicke, weitere Injektio- beim diabetischen Makulaödem.
nen verabreicht. In der Lasergruppe wurde nach der initi- Die Unterschiede in der Molekülstuktur und der Phar-
alen Laserbehandlung entsprechend der ETDRS-Kriterien makokinetik und -dynamik der Substanzen werden inten-
nach 16, 32 und 48 Wochen über eine Wiederbehandlung siv diskutiert und lassen durchaus Unterschiede vermuten,
entschieden. Nach 12 Monaten konnten eine signifikante die sich im Sicherheitsprofil niederschlagen könnten. Eine
Verbesserung des Visus von 8 Buchstaben und eine Ab- retrospektive Kohortenstudie von 147.000 Patienten mit
nahme der retinalen Schichtdicke um 50 μm im Vergleich altersbedingter Makuladegeneration wurden nach einer
zum Lasern gezeigt werden. In der BOLT-Studie wird anti-VEGF-Therapie im Hinblick auf Mortalitätsrisiken,
eine Anzahl von 9 Injektionen im Median angegeben, im Myokardinfarkte, Blutungen und Schlaganfälle unter-
Vergleich dazu wurden in der RESTORE-Studie mit Rani- sucht. Hierbei war die Mortalität unter Verwendung von
bizumab im Mittel 7 Injektionen appliziert. Ranibizumab kleiner als diejenige nach Verwendung von
Weitere Untersuchungen und eine Metaanalyse konn- Bevacizumab. Eine signifikante Korrelation zwischen den
ten diese Ergebnisse, abhängig von den Injektionsinter- anti-VEGF-Behandlungsgruppen und Blutungen oder
vallen in kleineren Fallzahlen teilweise bestätigen. Schlaganfällen bestand insgesamt nicht.

Praxistipp I I Diskussion
Anti-VEGF-Injektionen sind eine wirksame Therapie bei Die Anti-VEGF-Therapie führt beim DMÖ zu einem
diabetischem Makulaödem. Während Ranibizumab signifikanten und anhaltenden Visusgewinn im Vergleich
seit Anfang 2011 für die Therapie des diabetischen Ma- zu alternativen Methoden wie der Laserkoagulation oder
kulaöems zugelassen ist, ist die Behandlung mit Beva- der Triamcinolon-Injektion. Wie bei den Studien zur
cicumab weiterhin Off-label-use. Wie für die AMD sind AMD zeigt sich, dass eine Wiederbehandlung erforder-
hier »Head-to-head-Studien« zu fordern. Nach derzei- lich ist und die einmalige Injektion nicht ausreicht. Of-
tiger Studienlage verbessert eine zusätzliche Laserthe- fenbar hängt zumindest im ersten Jahr der Behandlungs-
rapie das Visusergebnis nicht. Weitere Studien werden erfolg von der Anzahl Injektionen ab. Die RESTORE
hinsichtlich eines sequentiellen Vorgehens bzw. einer und DRCR.net-Studie haben gezeigt, dass die Therapie
Verkürzung der Therapiedauer durch Optimierung der mit einem individuellen z.B. auf Stabilitätskriterien aus-
Stoffwechselsituation benötigt. gelegten Behandlungsplan den Visus auch mit einem
Während Pegaptanib keine weitere Verbreitung nicht-festen Injektionsschema schnell und signifikant
gefunden hat, ist die Wirkdauer von VEGF-Trap abzu- verbessern und langfristig mit abnehmender Injektions-
warten und muss mit der Wirkung von Ranibizumab zahl sichern kann.
verglichen werden. Interessanterweise kann die Kombination der Laser-
koagulation mit der Injektion den Visusgewinn im ers-
ten Behandlungsjahr nicht weiter verbessern und auch
Sicherheit der Anti-VEGF-Therapie beim DMÖ keine Einsparungen bei Injektionen oder notwendigen
Langzeitdaten hinsichtlich der Sicherheit von Bevaci- Visiten erreichen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese
zumab bei der Behandlung des diabetischen Makulaö- Effekte der Kombinationstherapie innerhalb der zweiten
dems wurden bislang nicht veröffentlicht, zumal Pharma- und dritten Studienjahre (RESTORE) auftreten, da die
kovigilanzdaten bei der fehlenden Zulassung nicht erho- Wirkung des Lasers eher langfristig zu sehen ist.
ben werden. Für VEGF Trap-Eye sind bislang ebenfalls Die BOLT-Studie untersuchte neben dem Effekt der
noch keine Sicherheitsdaten publiziert. Anti-VEGF-Therapie einen möglichen negativen Einfluss
Validierte Daten hinsichtlich der Sicherheit der Anti- auf die ischämischen Makulopathie bei der diabetischen
VEGF-Therapie zur Behandlung des diabetischen Ma- Retinopathie. Mittels einer Fluoreszenzangiographie
kulaödems wurden bisher aus Studien mit Ranibizumab wurde die avaskulären Zonen vor und nach Therapie
gewonnen. In der RESOLVE-Studie zeigten insgesamt bestimmt und die Differenz ermittelt. Der Vergleich der
4 von 102 Patienten mit Ranibizumab-Behandlung eine Gruppen zeigte keinen positiven, jedoch auch trotz des
schwere okuläre Nebenwirkung mit einer Endophthal- VEGF-Entzuges keinen negativen Effekt auf die ischämi-
mitis oder Netzhautablösung. Vierzehn Patienten hatten sche diabetische Makulopathie.
154 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Unterschiede zwischen einem fokalen und diffusen weiter unten) und eine Reduktion der Thromboxan-A2-
Makulaödem gibt es nach den Auswertungen der Resto- Produktion. In intermediären Dosierungen (25-50 mg/
re-Studie und der DRCR.net-Studie nicht. Patienten mit kg/Tag) hemmt Aspirin sowohl COX-1 als auch COX-2
PDR und Makulaödem werden in der RELATION-Studie und blockiert damit die Prostaglandinproduktion. Erst
untersucht. Preleminäre Daten aus DRCR.net zeigen eine in hohen Dosen von 80-100 mg/kg/Tag ist Aspirin eine
Regression des Stadiums der diabetischen Retinopathie wirkungsvolle antiinflammatorische Substanz, z.B. bei
bei schweren nicht-proliferativen Retinopathien durch der Behandlung von rheumatoiden Erkrankungen. Der
Ranibizumab und Triamcinolonacetonid. Zu klären Mechanismus der antiinflammatorischen Wirkung in
bleibt, ob anatomische oder funktionelle Kriterien für die dieser hohen Dosierung scheint Zyklooxigenase- und
erneute Injektion am sinnvollsten und klinisch praktika- Prostaglandin-unabhängig zu sein.
belsten sind. Im gleichen Zusammenhang wird auch zur Der antiinflammatorische Effekt von hohen Dosen
Beendigung von therapierefraktären Verläufen die Fin- von Aspirin konnte kürzlich im diabetischen Rattenmo-
dung von klaren Abbruchkriterien notwendig sein. dell belegen werden. Aspirin führt über eine Hemmung
Für alle Studien ist gleichermaßen zu fordern, dass eines spezifischen Kinase-Transduktionsweges (Erk-Ki-
Langzeitergebnisse vorgelegt werden, die der Tatsache nase) zu einer Hemmung von Leukozytenadhäsionsmo-
Rechnung tragen, dass sich die meisten therapiebedürf- lekülen wie CD18. Daraus resultieren eine Reduktion der
tigen Diabetiker im mittleren Lebensalter befinden und diabetischen Leukozytenadhäsion in den retinalen Gefä-
hinsichtlich der potentiellen Risiken der systemischen ßen und eine Minderung der diabetischen Gefäßleckage.
8 VEGF-Inhibition besonders gefährdet sind Die VEGF-Expression wird dabei nicht, oder nur indirekt
beeinflusst. Inwieweit solch hohe Dosierungen sinnvoll,
z.B. lokal, appliziert werden können, bleibt abzuwarten.
8.3.6 Anti-inflammatorische Therapie In letzter Zeit richtet sich das Interesse vermehrt auf
die Verwendung von selektiven COX-2-Inhibitoren, die
Nicht-Steroidale Antiphlogistika einige der unerwünschten gastrointestinalen Neben-
Vor dem Hintergrund der pathophysiologischen Unter- wirkungen von antiinflammatorischen Substanzen wie
suchungen zur Rolle der Entzündungsmediatoren wer- Aspirin nicht aufweisen. Die Zyklooxigenasen COX-1
den viele der zunächst als scheinbar unwirksam nach- und COX-2 sind Schlüsselenzyme, die Arachidonsäure
gewiesene Substanzen heute wieder neu diskutiert. Die in Prostaglandin H2, einem Vorläufer für alle anderen
ETDRS-Studie hatte gezeigt, dass die Gabe von Aspirin Eikosamoide, umwandeln. Während COX-1 unbiquitär
in einer Dosierung von 650 mg/Tag im Vergleich zur Pla- vorkommt, wird COX-2 früh bei akuten Entzündungen
cebotherapie den Verlust der Sehschäfe bei Patienten mit exprimiert und kann pro-inflammatorische Eikosanoide
diabetischem Makulaödem oder schwerer nicht-prolife- generieren, die wiederum über eine Rückkopplungskette
rativer Retinopathie in einem Beobachtungszeitraum von durch den Transkriptionsfaktor Nf-kB vermittelt weitere
9 Jahren nicht verhindern konnte. Ziel der Studie und inflammatorische Zytokine freisetzen. Die erhöhte Pros-
auch der Dosierung von Aspirin war eine antikoagulative tanoidproduktion im diabetischen Milieu ist gut bekannt.
Wirkung, von der man sich eine Hemmung des diabeti- Eine Aktivierung der Proteinkinase C (PKC) durch die
schen Kapillarverschlusses erhoffte, wie in experimentel- Hyperglykämie führt zu einer Aktivierung der Phospholi-
len Untersuchungen gezeigt worden war. pase A2 und stimuliert die Freisetzung von Arachidon-
Vor dem Hintergrund der inflammatorischen Kom- säure und die Produktion von PGE2. Bei der diabetischen
ponente der diabetischen Retinopathie scheint die An- Stoffwechsellage kann COX-2 darüber hinaus auch durch
wendung von anti-inflammatorischen Substanzen wie Glykosilierungsendprodukte (AGEs) aktiviert werden und
beispielsweise von nicht-steroidalen Antiphlogistika und interagiert mit anderen relevanten Stoffwechselwegen. Im
damit auch von Aspirin wieder sinnvoll und untersu- diabetischen Rattenmodell kann Meloxicam, ein COX-2
chenswert. Das ursprüngliche Interesse an Aspirin war -Inhibitor, die diabetische Leukostase und deren Folgen
durch die Beobachtung entstanden, dass Patienten, die reduzieren. Interessanterweise greift der COX-2-Inhibitor
bei einer rheumatoiden Arthritis hohe Dosen Aspirin be- über eine Hemmung der Expression des inflammatori-
kamen, eine nur geringe Ausprägung der diabetischen Re- schen Zytokins TNF-α in die entzündliche Kaskade ein.
tinopathie aufwiesen, die antiinflammatorische Wirkung Klinische Untersuchungen liegen derzeit noch nicht vor.
von Aspirin also auch bei der diabetischen Retinopathie
therapeutisch genutzt werden konnte. Aspirin hemmt Steroide
in der Tat in niedriger Dosierung (<0,2 mg/kg/Tag) die Die intravitreale Gabe von Steroiden ist eine Erfolgsge-
Plättchenaggregation. Dies erfolgt in der Hauptsache schichte beim diabetischen Makulaödem (⊡ Abb. 8.47).
über die Azetylierung der Zyklooxigenase-1 (COX-1; s. Steroide inhibieren über den Arachidonsäurestoffwechsel
8.3 · Diabetisches Makulaödem
155 8

⊡ Abb. 8.47 Vor und 3 Monate nach Triamcinolon-Injektion zeigt sich ein deutlich geringeres Makulaödem in der Fluoreszeinangiographie, die
Laserherde werden erstmalig sichtbar
156 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

die Synthese von Protaglandinen und vermindern darü- tiven Studie erhielten 15 Patienten (16 Augen) mit diffu-
ber die Migration von Leukozyten und die Ausschüttung sem Makulaödem 4 mg Triamcinolon Acetonid, einem
entzündungsfördernder Mediatoren (u.a. VEGF). Korti- kristallinen Kortikosteroid, intravitreal, die zuvor nicht
kosteroide stabilisieren darüber hinaus endotheliale Tight auf eine Laserkoagulation reagiert hatten. Nach 3 Mona-
junctions, u.a. indem sie deren Anzahl erhöhen. Die An- ten war im OCT die retinale Dicke durchschnittlich um
zahl der Tight junctions ist bei der diabetischen Retino- 55% und nach 6 Monaten noch um 38% zurückgegangen.
pathie reduziert. Die Wirksamkeit von nicht-steroidalen Ein Vergleich mit einer Kontrollgruppe wurde nicht vor-
Antiphlogistika, die ebenfalls Entzündungsmediatoren genommen.
wie z.B. Prostaglandine hemmen, konnte nur beim zys- In einer prospektiven, nicht randomisierten Stu-
toiden Makulaödem als Komplikation der IOL-Implanta- die wurden Patienten mit diffusem Makulaödem unter-
tion (Irvine-Gass-Syndrom) gezeigt werden. sucht. 20 Patienten (26 Augen) bekamen 25 mg Triamci-
Die Wirksamkeit einer intravitrealen Gabe von Tri- nolon intravitreal injiziert und wurden mit 16 Patienten
amcinolon wurde in einer Reihe kleinerer Studien über- verglichen, die eine Grid-Laserbehandlung erhielten.
prüft, die in ⊡ Tab. 8.5 aufgeführt sind. In einer prospek- In der Triamcinolon-Gruppe stieg der Visus statistisch

⊡ Tab. 8.5 Augewählte Studien zur intravitrealen Therapie mit Triamcinolon zur Behandlung des diabetischen Makulaödems

8 Studie Follow Studiendesign Einschluss- Behandlungs- Wiederbe- Schlussfolgerung Ziel-


up kriterien gruppen handlung- größen-
skriterum messung

Jonas et Bis zu 12 Prospektive, ver- Diffuse a) keine Keine Keine signifikante Un- BCVA,
al 2004 Monate gleichende Studie DMÖ b) IVT 4 mg terschiede in Visus und OCT
RSD in den Gruppen

Ockrim 12 Mo- Prospektive, ran- Laserthera- a) LK Keine Keine signifikante Un- BCVA,
et al. nate domisierte verglei- pie-refrak- b) IVT 4 mg terschiede in Visus und OCT
2008 chende Studie täres DMÖ RSD in den Gruppen

Spandau Bis zu 12 Prospektive, ran- Diffuse a) IVT 4 mg Keine Signikante Unter- BCVA,
et al. Monate domisierte verglei- DMÖ b) IVT 5 mg schiede in allen Grup- OCT
2005 chende Studie c) IVT 13 mg pen mit der besten
Visusbesserung in der
Gruppe mit der höch-
sten Dosierung

Beck et 3 Jahre Prospektive, ran- DMÖ a) LK Keine Keine signifikante Un- BCVA,
al. 2009 domisierte verglei- b) IVT 1 mg terschiede in Visus und OCT
chende Studie c) IVT 4 mg RSD in den Gruppen

Soheilian 36 Wo- Prospektive, ran- DMÖ, keine a) IVB 1,25 mg Alle 12 Wo- a) keine signifikante BCVA,
et al. chen domisierte verglei- Behand- b) IVB 1,25 mg chen erneute Unterschiede in Visus OCT
2009 chende Studie lung vorher + IVT 2 mg gleiche Be- und RSD nach 36 Wo-
c) LK handlung chen im Vergleich zum
bei weiterhin Ausgangswert
bestehendem b)keine signifikanten
DMÖ nach ET- Unterschiede inner-
DRS Kriterien halb der Gruppen

Elmann 12 Mo- Prospektive, ran- DMÖ a) SI + sofor- Keine Signifikante Verbes- BCVA,
et al. nate domisierte verglei- tige LK serung des Visus in b) OCT
2010 chende Studie b) IVR 0,5 mg + und c) im Vergleich zu
DRCR. sofortige LK a) um 5 Buchstaben
net c) IVR 0,5 mg + und in RSD-Reduktion
LK nach 24 Wo- im Vergleich zu a)
chen
d) IVT 0,5 mg +
sofortige LK

DMÖ diabetische Makulaödem, LK zentrale Laserkoagulation, SI Scheininjektion, RSD Retinale Schichtdicke, IVT Intravitreale Injektionen von
Triamzinolon, STT subtenonale Injektion von Triamzinolon
8.3 · Diabetisches Makulaödem
157 8
signifikant durchschnittlich von 0,12 auf 0,19. 17 von 8.3.7 Chirurgische Therapie des
19 Augen zeigten einen Monat nach Injektion einen diabetischen Makulaödems
Visusanstieg. Nach 5 Monaten Beobachtungszeit zeigte
sich allerdings eine Tendenz wieder zum Visusabfall. Die chirurgische Therapie des Makulaödems geht auf
Die laserbehandelte Gruppe zeigte keine Visusände- die Beobachtung zurück, dass sich ein zystoides Maku-
rung. laödem nach Peeling der Membrana limitans interna zu-
Die 6 Monatsergebnisse einer intravitrealen Triamci- rückbilden kann. Die Membrana limitans interna (»inner
nolongabe vor der Laserkoagulation (ClinicalTrials.gov limiting membrane«, ILM) besteht aus den Endplatten
number, NCT00148265) zeigte keinen Vorteil für die der Müllerzellen und soll eine Diffusionsbarriere zwi-
vorherige Ödemreduktion vor der Lasertherapie. Weder schen Retina und Glaskörper bilden. Die Entfernung der
das visuelle Ergebnis war in der IVTA-Gruppe besser ILM könnte also theoretisch die Diffusion von Flüssigkeit
noch die Anzahl der erforderlichen Laserbehandlungen, in den Glaskörperraum erleichtern. Deshalb wird zur
obwohl ein besseres anatomisches Ergebnis mit einer ge- Therapie eines diffusen, laserchirurgisch nicht behan-
ringeren mittleren zentralen Netzhautdicke nachgewiesen delbaren Makulaödems versucht, durch eine Pars-Plana-
werden konnte. Vitrektomie mit einem Peeling der Membrana limitans
Das DRCR.net hat in einer randomisierten Studie interna etwaige vitreoretinale Traktion zu mindern und
an 854 Studienaugen Ranibizumab in Kombination mit die postulierte Diffusionsbarriere zu entfernen. Eine Ver-
einer prompten oder verzögerten Laserkoagulation im besserung auch der perifovealen Zirkulation konnte in
Vergleich zu einer Triamcinolongabe kombiniert mit ei- Pilotstudien gezeigt werden.
ner Laserkoagulation verglichen. Als Wirkungsmechanismus wäre denkbar, dass nach
Der best-korrigierte Visus ist nach einem Jahr in der Entfernung der ILM vermehrt Flüssigkeit und even-
beiden Ranibizumab Gruppen der Kontrollgruppe und tuell auch VEGF aus dem Makulabereich in den Glas-
der Triamcinolon-Gruppe überlegen. In der Untergruppe körperraum abdiffundieren können. Auch mechanische
der pseudophaken Patienten ist dieser Unterschied nicht Gründe kommen infrage. Eine vitreoretinale Traktion auf
nachweisbar. Nebenwirkungen in der Triamcinolon- die Makula könnte lokal zur Freisetzung von Mediato-
Gruppe waren Augeninnendruckanstiege und die Ausbil- ren führen, die das Zusammenbrechen der Blut-Retina-
dung einer Katarakt. Schranke begünstigen.
Ein Cochrane Database Systemic Review aus dem Der potentiell günstige Effekt der chirurgischen The-
Jahre 2008 untersuchte 7 randomisierte klinische Un- rapie muss jedoch gegen das Risiko chirurgischer Kom-
tersuchungen, davon 4 zur intravitrealen Injektion von plikationen abgewogen werden. In einer retrospektiven
Triamcinolon Acetat (IVTA), 3 zur Implantation von Studie von 24 Augen mit einer mittleren Nachbeobach-
Fluozinolone Acetonid Implantaten (FAI) oder Dexa- tungszeit von 8 Monaten, zeigten 23% eine Verbesserung
methason Slow-release Systemen (DDS). Der Vergleich um 2 Zeilen, 54% keine Verbesserung der Sehschärfe
der IVTA mit der Kontrolle zeigt eine Überlegenheit be- und 21% eine Verschlechterung um mehr als 2 Zeilen.
züglich des Visus über einen Zeitraum von 24 Monaten, Während eine Reduktion des Makulaödems im OCT in
wobei 3 oder mehr Zeilen Visusgewinn nicht erreicht den meisten Fällen nachweisbar war, zeigten die Visuser-
wurden (Im Vergleich hat Ranibizumab in 36% einen gebnisse nur eine minimale Verbesserung verglichen zum
Visusanstieg ≥3 Zeilen. Ebenso konnten die Studien zum Ausgangswert. Randomisierte multizentrische Studien
FAI oder DDS einen Vorteil der Steroide bei chronischen zum ILM Peeling wurden begonnen, jedoch teilweise
diabetischen Makulaödemen zeigen. (TIME-Studie) wegen mangelnder Rekrutierung abge-
Erste Untersuchungen zur Applikation von Dexame- brochen.
thason-Freisetzungssystemen (Ozurdex), die zur Therapie Es zeichnet sich jedoch ab, dass klinisch insbeson-
des Makulaödems bei Venenthrombosen zugelassen sind, dere Patienten mit einer nachweislichen vitreomakulä-
haben für die mit 700 μg behandelte Gruppe nach 90 Ta- ren Traktion von einer Vitrektomie profitieren können
gen eine Verbesserung um 10 Buchstaben ETDRS-Tafel (⊡ Abb. 8.48). In einer Kohortenstudie an 89 Augen mit
oder mehr in 33,3% der Fälle im Vergleich mit 21,1% nachweislichem diabetischem Makulaödem und vitreo-
in der 350-μg-Gruppe und 12,3% in der Kontrollgruppe makulärer Traktion, wurde in 61% der Augen ein zusätz-
gezeigt. Interessanterweise haben erste Untersuchungen liches epiretinales Peeling durchgeführt, in 64% zusätzli-
zur Applikation der Dexamethason Implantate in vitrek- che Steroide injiziert. In den meisten Augen konnte eine
tomierten Augen zeigen können, dass ähnliche Effekte Minderung der Netzhautdicke nachgewiesen werden, bei
wie in glaskörperhaltigen Augen erzielt werden können. 28-49% der Augen eine Visusverbesserung. Die Kompli-
Das Wirksamkeitsmaximum lag in den vitrektomierten kationsrate ist niedrig und entspricht den in der Litera-
Augen bei etwa 13 Wochen. tur dargestellten Daten. Insgesamt bleibt die Vitrektomie
158 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Böhm BO, Lang GE, Volpert O, Jehle PM, Kurkhaus A, Rosinger S,


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raocular neovascularization caused by retinal ischemia in pigs
by PKCß inhibition with LY333531. Invest Ophthalmol Vis Sci
⊡ Abb. 8.48 Diabetisches Makulaödem mit deutlich traktiver Kompo-
39:171-179
nente. Hier kann eine ppV mit ILM Peeling zu einer Ödemreduktion
Deissler H, Deissler H, Lang GE (2010) Inhibition of Protein Kinase C
führen
Is not Sufficient to Prevent or Revert Effects of VEGF165 on Tight
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des DMÖ zugelassen. Verschiedenste Studien konnten die R, Caballero S, Estes KS (2000) The efficacy of octreotide in the
Effektivität der intravitrealen Injektion mit einer alleinigen therapy of severe nonproliferative and early proliferative diabetic
Anti-VEGF-Therapie oder in Kombination mit dem Laser zei- retinopathy. Diabetes Care 23: 504-509
gen, wobei sich eine Überlegenheit der Anti-VEGF-Therapie Hernaez-Ortega MC, Soto-Pedre E, Martin JJ (2004) Sandostatin LAR
gegenüber der Lasertherapie darstellt. Auch Steroide können for cystoid diabetic macular edema: a 1-year experience. Diabe-
tes Res Clin Pract 64:71-72
das Makulaödem signifikant verringern. Vergleichsstudien
Kuijpers RWAM (1998) Treatment of cystoid macular edema with oc-
zeigen eine ähnliche Wirksamkeit in den ersten 6 Therapie- treotide. New England Journal of Medicine 338:624-62
monaten, jedoch führt die Steroidgabe zu einer progredien- Lang GE, Kampmeier J (2002). Die Bedeutung der Proteinkinase C in
ten Kataraktbildung und zum Steroidglaukom. Weitere Stu- der Pathophysiologie der diabetischen Retinopathie. Klin Mo-
dien müssen folgen, um diese Ergebnisse zu bestätigen und natsbl Augenheilkd; 219: 769-776
Lang GE (2004) Therapie der diabetischen Retinopathie mit Somato-
die Langzeitprognose abzuschätzen. Ziel künftiger Studien
statinanaloga. Ophthalmologe 101:290-293
muss darüber hinaus auch die Untersuchung der Wirksamkeit Lang GE (2004) Medikamentöse Therapie der diabetischen Retinopa-
in Untergruppen, wie bei Patienten mit ischämischen DMÖ, thie. Ophthalmologe 101: 1165-1170
sein. Ebenso müssen Therapiekonzepte im Zusammenhang Lang GE (2007) Somatostatin analogues. In: Joussen AM, Gardner TW,
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162 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

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9

Frühgeborenenretinopathie
C. Jandeck, H. Agostini

9.1 Definition – 164


9.2 Einleitung – 164
9.3 Pathogenese der Frühgeborenenretinopathie – 164
9.3.1 Risikofaktoren – 164
9.3.2 Physiologische Gefäßentwicklung der Netzhaut – 165
9.4 Pathologische Gefäßentwicklung der Netzhaut – 165
9.5 Von der Krankheit zum Modell – 166
9.6 Kommunikation im Rahmen retinaler Angiogenese – 167
9.6.1 VEGF – 168
9.6.2 Integrine – 168
9.6.3 Ephrine – 169
9.6.4 IGF-1 – 169
9.7 Serologische Marker der Frühgeborenenretinopathie – 169
9.7.1 IGF-1 – 169
9.7.2 Lösliches E-Selectin – 169
9.8 Epidemiologie – 170
9.9 Symptomatik und klinisches Bild – 170
9.10 Diagnostik – 171
9.10.1 Frühgeborenenretinopathie-Screening nach den deutschen Screening-Kriterien
von 2008 – 173
9.11 Untersuchungstechnik – 174
9.12 Indikationen zur Therapie – 174
9.12.1 Indikationen zur Behandlung mittels Laserkoagulation nach der deutschen Leitlinie
(2008) – 174
9.12.2 Indikationen zur Behandlung nach den Kriterien der ETROP-Studie – 174
9.12.3 Sonderform: Zone-I-Erkrankung – 175
9.13 Therapie – 175
9.13.1 Kryokoagulation – 175
9.13.2 Laserkoagulation – 175
9.13.3 Behandlung bei Stadium 4 und 5 – 176
9.13.4 Anti-VEGF-Therapie – 176
9.13.5 Konservative Therapieverfahren – 177
9.14 Spätveränderungen – 177
9.15 Differentialdiagnosen – 177
9.16 Ausblick – 177
Literatur – 178

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_9,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
164 Kapitel 9 · Frühgeborenenretinopathie

Die Frühgeborenenretinopathie ist eine Erkrankung die nur Die Ursache der Frühgeborenenretinopathie ist ein
bei Frühgeborenen (meist <32 Gestationswochen) auftritt. komplexes Zusammenspiel zwischen
Je unreifer der Säugling ist, desto höher ist die Wahrschein- ▬ Sauerstoffangebot,
lichkeit eine Retinopathia präematurorum (RPM) zu entwi- ▬ Steuerung der retinalen Gefäßentwicklung und
ckeln. Sie ist eine proliferative retinale Gefäßerkrankung. ▬ den daran beteiligten molekularen Regulatoren der
Die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen ähneln Angiogenese.
den angioproliferativen Netzhautveränderungen bei Diabe-
tes oder nach Gefäßverschlüssen. Die wesentliche Ursache Als Frühgeborene werden Kinder bezeichnet, die vor
der RPM liegt in der postpartalen Störung der retinalen 37 vollendeten Schwangerschaftswochen (≤ 259 Tage)
Gefäßentwicklung durch Sauerstoffgabe, was in der Folge geboren werden (ca. 7% aller Lebendgeborenen). Die
zu einer Unterversorgung der reifenden Netzhaut führt. Die Frühgeborenenretinopathie tritt jedoch überwiegend bei
Erkrankung kann je nach Ausprägung zur Erblindung führen. Kindern auf, die vor 33 Gestationswochen (ca. 2% aller
Rechtzeitige Entdeckung und Behandlung von therapiebe- Lebendgeborenen) geboren sind oder bei älteren Frühge-
dürftigen RPM Veränderungen reduziert die Wahrschein- borenen mit schweren Allgemeinerkrankungen und ver-
lichkeit der Erblindung, ist aber nicht immer erfolgreich. längertem Sauerstoffbedarf. Mit Hilfe von Tiermodellen
Mögliche Spätveränderungen erfordern eine lebenslange ist es inzwischen möglich, die molekularen Grundla-
Betreuung der Patienten. Das zunehmende Wissen um gen der Frühgeborenenretinopathie besser zu verstehen.
Angiogenese und die pathogenetischen Zusammenhänge Ähnlich wie bei anderen angioproliferativen Netzhau-
bei der Frühgeborenenretinopathie auf molekularer Ebene terkrankungen scheint das Ziel, die Erkrankungen mit
eröffnet neue Wege bei der Risikoabschätzung, Prophylaxe möglichst wenig Gewebsdestruktion zu behandeln, in
9 und Therapie. greifbare Nähe zu rücken. Außerdem wurden in den
letzten Jahren neben den individuellen Risikofaktoren
der Frühgeborenen serologische Marker beschrieben, die
9.1 Definition es erleichtern könnten, Risikokinder zu identifizieren. Je-
doch haben sich weder die medikamentöse Therapie der
Die Frühgeborenenretinopathie (Retinopathia praema- Frühgeborenenretinopathie noch die serologische Früh-
turorum = RPM, englisch: »retinopathy of prematurity« erkennung bisher als Routineverfahren etabliert.
= ROP) ist eine Erkrankung, die nur bei Frühgeborenen
auftritt. Die zugrunde liegenden molekularen Mechanis-
men ähneln den angioproliferativen Netzhautverände- 9.3 Pathogenese der
rungen bei Diabetes oder nach Gefäßverschlüssen. Die Frühgeborenenretinopathie
avaskulären Areale insbesondere der peripheren Netz-
haut sind ischämisch. Dies kann zu überschießenden 9.3.1 Risikofaktoren
Gefäßneubildungen führen.
Geringes Geburtsgewicht, geringes Gestationsalter und
unkontrollierte Sauerstoffgabe sind die wichtigsten Risi-
9.2 Einleitung kofaktoren für die Entwicklung einer Frühgeborenenre-
tinopathie. Dabei ist der Dauer der Beatmung mit einem
Die RPM wurde erstmals 1942 von Terry beschrieben. erreichten Sauerstoffpartialdruck von über 80 mmHg
Aufgrund der weißlichen Membranen im vorderen Glas- und möglicherweise auch die Schwankungen in der Sau-
körperraum bezeichnete er die Erkrankung als »Retrolen- erstoffsättigung von pathogenetischer Bedeutung. Tritt
tale Fibroplasie«. Dabei handelt es sich um die komplett bei einem extrem unreifen Frühgeborenen zusätzlich eine
abgelöste Netzhaut, die hinter der Linse einen geschlos- Sepsis oder eine respiratorische Insuffizienz auf, erhöht
senen Trichter bildet. In den letzten beiden Dekaden dies die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Früh-
wurde für die Frühgeborenenretinopathie Diagnose und geborenenretinopathie.
Behandlungsstandards etabliert und erfolgreich umge- Nicht bei jedem Kind, das eine Frühgeborenenretino-
setzt, sodass die Erfolgsaussichten für Frühgeborene mit pathie entwickelt, geht eine Sauerstoffbeatmung voraus.
Retinopathia praematurorum deutlich verbessert wurden. In Ausnahmefällen reicht auch die physiologische Erhö-
Durch eine Therapie zum optimalen Zeitpunkt kann das hung des Sauerstoffpartialdrucks nach Umstellung des
Erblindungsrisiko signifikant reduziert werden. Heute fetalen auf den postnatalen Kreislauf aus, um eine relative
sind die Folgen der Frühgeborenenretinopathie immer Hyperoxie der Netzhaut zu erzeugen. Bluttransfusionen
noch weltweit die häufigste Ursache für eine Visusminde- mit adultem Blut, welches eine höhere Sauerstoffbindung
rung im Kindesalter. aufweist, können diesen Effekt verstärken.
9.4 · Pathologische Gefäßentwicklung der Netzhaut
165 9
Ein unphysiologisches Überangebot an Sauerstoff in
einem frühen Stadium der Netzhautentwicklung hemmt
die retinale Gefäßentwicklung. Die undifferenzierte Netz-
haut kann dies teilweise noch über die Aderhautver-
sorgung kompensieren; mit zunehmender Reifung tritt
jedoch eine Unterversorgung vor allem der inneren Netz-
hautschichten auf.

9.3.2 Physiologische Gefäßentwicklung


der Netzhaut

Die menschliche Netzhaut ist zu Beginn des zweiten


Trimenons noch weitgehend gefäßfrei und wird über
die bereits angelegte Aderhaut versorgt. Dann wachsen
⊡ Abb. 9.1 »Tip cells« sind Endothelzellen, die beim Aussprossen
pluripotente, spindelförmige, mesenchymale Vorläufer- der Gefäße bei der Angiogenese auftreten. Sie orientieren sich im
zellen aus der Umgebung der Papille aus. Diese Zellen Gewebe an Gradienten von Wachstumsfaktoren und richten ihre
differenzieren sich zu Endothelzellen, assoziieren mit Ge- Pseudopodien (Wachstumsverlängerungen rechts im Bild) entspre-
fäßmuskelzellen und Perizyten und bilden bereits nach chend aus
einer Woche erste primitive Gefäßnetzwerke um die Pa-
pille herum. Diese Bildung von einfachen Blutgefäßen
aus Vorläuferzellen wird als Vaskulogenese bezeichnet. tionellen Untereinheiten α und β besteht. Während die
Zwischen der 15.–20. Embryonalwoche verlaufen Vas- β-Einheit im Überfluss vorliegt, wird die Herstellung
kulogenese und Angiogenese parallel. Dann ist die Vas- und Aktivierung der α-Einheit streng durch das Sauer-
kulogenesephase abgeschlossen. Für die Entwicklung der stoffangebot einer Zelle reguliert. HIF-1 bindet dann an
Vaskulogenesephase ist kein Gewebshypoxie gesteuertes bestimmte Nukleinsäuresequenzen (»hypoxia response
VEGF erforderlich. element«) im Bereich der Promotor/Enhancer-Region
In der Phase der Angiogenese wachsen die Gefäße vor einem Gen für Wachstumsfaktoren wie VEGF, des-
durch Sprossung oder Intussuszeption (Doppelung) und sen Rezeptoren, Erythropoetin oder andere Proteine, die
werden durch Perizyten stabilisiert. Darüber hinaus meh- Zellproliferation und Apoptose oder den Transport von
ren sich die Hinweise, dass auch im Rahmen der Angio- Glukose beeinflussen.
genese undifferenzierte Vorläuferzellen (»endothelial pre- Lösliche Wachstumsfaktoren können Gewebsgradi-
cursor cells«) in die Proliferationsgebiete einwandern und enten bilden, welche die Wachstumsrichtung von Zellen
zur Gefäßneubildung beitragen. Die Grenzen zwischen beeinflussen. Besonders eindrucksvoll ist diese Ausrich-
Vaskulogenese und Angiogenese sind dadurch weniger tung bei sprossenden Endothelzellen zu beobachten. »Tip
klar zu ziehen. cells« sind an der Wachstumsfront eines Gefäßnetzes
Das embryonale Wachstum der retinalen Gefäße wird zu finden. Ihre Pseudopodien zeigen die Richtung des
durch die umgebenden Strukturen bestimmt. Parallel zu weiteren Gefäßwachstums an (⊡ Abb. 9.1). So entsteht
den peripapillären Gefäßnetzen nimmt die Zahl der Ast- radiär zur Papille erst ein inneres und ab der 25. Gestati-
royzten in der Netzhaut zu. Astroglia und Mikroglia sind onswoche auch ein tiefer liegendes äußeres Kapillarnetz,
auch unter physiologischen Bedingungen eng mit der welches bis zur 32. Woche aufgrund der kürzeren Entfer-
morphologischen Ausprägung des retinalen Gefäßnetzes nung den nasalen Netzhautrand erreicht. Im Bereich der
verknüpft und sind an der Ausbildung der Blut-Retina- temporalen Retina ist das vollständige Kapillarnetz erst
Schranke des ungefensterten retinalen Gefäßendothels zum Geburtstermin vollständig ausgebildet.
beteiligt. Die reifende neurosensorische Netzhaut hat ei-
nen zunehmenden Bedarf an Energie und steuert das Ge-
fäßwachstum durch lokale Gradienten von Wachstums- 9.4 Pathologische Gefäßentwicklung
faktoren. Dabei spielt die Gewebshypoxie eine treibende der Netzhaut
Rolle. Gewebe können innerhalb von Sekunden auf einen
Mangel an Sauerstoff reagieren. Bei der Ausbildung der Frühgeborenenretinopathie spielt
Besonders gut erforscht ist die Regulierung der Tran- die Abhängigkeit der retinalen Gefäßentwicklung von der
skription von Wachstumsfaktorgenen mit Hilfe des Hy- Gewebsoxygenierung die entscheidende Rolle. Angebot
poxie-induzierbaren Faktors HIF-1, der aus zwei funk- und Nachfrage von Sauerstoff und anderen Metaboliten
166 Kapitel 9 · Frühgeborenenretinopathie

ändern sich mit der Umstellung des intrauterinen auf den zellen beginnen nach Strömungsänderungen damit, Che-
postpartalen Stoffwechsel, mit der Reifung der neurosen- mokine wie MCP-1 (»monocyte chemotactic protein«) zu
sorischen Retina, der therapeutischen Sauerstoffgabe und produzieren, was unter anderem eine Anpassung der Ge-
jeder Bluttransfusionen mit adultem Blut. fäßwand an die neuen Verhältnisse bewirkt. Die Summe
Mit Blick auf die Pathogenese der Frühgeborenenreti- dieser Vorgänge wird unter dem Begriff Arteriogenese
nopathie unterscheidet Lois Smith zwei Phasen, die beson- zusammengefasst.
ders klar am Mausmodell der Sauerstoff-induzierten Reti- Darüber hinaus tragen systemisch wirksame Faktoren
nopathie zu verfolgen sind (s.u.): In Phase I besteht eine zur Pathogenese der Frühgeborenenretinopathie bei. Ein
relative Hyperoxie der Netzhaut. Hauptursache ist die le- wichtiges Beispiel ist der »Insulin like growth factor«,
benserhaltende künstliche Beatmung der Frühgeborenen. IGF-1. IGF-1 wird unabhängig von der retinalen Hypoxie
Da das embryonale retinale Gefäßwachstum wesentlich reguliert und vermittelt die Wirkung des Wachstums-
von der Hypoxie als Wachtumsanreiz abhängt, verlang- hormons in der Peripherie. Er ist plazentagängig und
samt sich in dieser Zeit der Sauerstoff-Überversorgung die kann vom unreifen Neugeborenen nicht in ausreichender
Wachstumsrate der Netzhautgefäße deutlich; es kommt Menge gebildet werden. IGF-1 beeinflusst die intrazel-
zur Vasokonstriktion, einzelne Gefäße können sogar un- luläre Signalübertragung von VEGF. Ein niedriger IGF-
tergehen. Während der weiteren Reifung des Frühgebore- I-Spiegel in der Phase I der Frühgeborenenretinopathie
nen wird die Netzhaut metabolisch zunehmend aktiv und verhindert (trotz Vorhandensein von VEGF) die normale
durch die in Phase I nicht weiterentwickelten retinalen Entwicklung der vaskulären Endothelzellen (s. u.)
Blutgefäße zunehmend hypoxisch. Dies leitet Phase II der
Frühgeborenenretinopathie ein. Die vermehrte Ausschüt-
9 tung von hypoxieinduzierten Wachstumsfaktoren bewirkt 9.5 Von der Krankheit zum Modell
ab der 32. postmenstruellen Woche funduskopisch sicht-
bare, überschießende Gefäßneubildung oder auch Gefäß- Nach der Erstbeschreibung der Frühgeborenenretinopa-
schlängelung. Die klinischen Phasen der Frühgeborenen- thie dauerte es knapp zehn weitere Jahre, bis der Zusam-
retinopathie sind unten beschrieben. menhang zwischen Sauerstoffbeatmung und Ausprägung
Die Veränderungen des retinalen Gefäßbettes werden der Netzhauterkrankung erkannt und in ein Frühgebo-
jedoch nicht nur durch Änderungen der Gewebsoxyge- renenmodell der Maus und der Ratte übertragen werden
nierung gesteuert. Entzündung beeinflusst die Gefäßbio- konnte. Mithilfe des Sauerstoff-induzierten Retinopathie-
logie ebenso wie Änderungen im Strömungsverhalten Modells (»oxygen induced retinopathy« = OIR-Modell)
z.B. in Nachbargefäßen verschlossener Kapillaren. Diese konnten erste systematische Untersuchungen zum Pa-
erzeugen neue Scherkräfte auf die Gefäßwand. Endothel- thomechanismus dieser angioproliferativen Netzhauter-

⊡ Abb. 9.2 Flachpräparate von normalen Mausnetzhäuten nach Perfusion mit Fluoreszein. Zwei Tage nach Geburt ist das zentrale Netzhaut-
drittel oberflächlich vaskularisiert (links). Vollständig ausgebildete retinale Gefäße (rechts)
9.6 · Kommunikation im Rahmen retinaler Angiogenese
167 9
krankung durchgeführt werden. Knapp vier Jahrzehnte Neben den morphologischen Beobachtungen des re-
später gelang es den Arbeitsgruppen Smith und Penn das tinalen Gefäßnetzes ist es im Tiermodell möglich die
Tiermodell der sauerstoffinduzierten Frühgeborenenre- Wachstumsfaktoren nachzuweisen, die bestimmte Sta-
tinopathie so zu verfeinern, dass es bis heute weltweit dien der proliferativen Retinopathie charakterisieren.
als wissenschaftliches Grundlagenmodell für Studien zur Der am besten beschriebene Wachstumsfaktor ist der
Pathogenese und medikamentösen Therapie der isch- Gefäßwachstumsfaktor VEGF (»vascular endothelial
ämieinduzierten angioproliferativen Retinopathie zum growth factor«, s. u.). Im Mausmodell steigt die retinale
Einsatz kommt. Produktion dieses Wachstumsfaktors nur wenige Stun-
Ein für das Modell wichtiger Unterschied zwischen den nach der Rückkehr aus der sauerstoffreichen Umge-
Mensch und Maus, Ratte oder Katze besteht in der Tatsa- bung in normale Raumluft deutlich an, Tage bevor das
che, dass die retinale Gefäßentwicklung bei diesen Tieren durch ihn geförderte retinale Gefäßwachstum sichtbar
erst mit der Geburt beginnt (⊡ Abb. 9.2) wird (⊡ Abb. 9.3). Auch wenn die vermehrte Expression
Dadurch ist der Einfluss von Sauerstoff auf die re- von VEGF eine wichtige Rolle spielt und beispielhaft
tinale Gefäßentwicklung besonders gut zu beobachten für den oben beschriebenen Übergang von Phase I in
und molekularbiologisch zu untersuchen. Werden sieben die proliferative Phase II steht, wird der retinale Gewe-
Tage alte Jungtiere mit den Muttertieren für fünf Tage beumbau durch andere lokale Wachstumsfaktoren und
bei 75% Sauerstoff gehalten, entsteht eine zentrale, avas- Zellarten wie Neurone, Astrozyten und Mikrogliazellen
kuläre Zone bei der Maus bzw. unter ähnlichen Bedin- mitbestimmt. Dies wird unter anderem daran deutlich,
gungen bei der Ratte ein Wachstumsstopp der retinalen dass auch unter hyperoxischen Bedingungen das peri-
Gefäßentwicklung. Beides führt nach Rückkehr in nor- phere, physiologische Gefäßwachstum im Mausmodell
male Raumluft zu einer relativen Hypoxie mit anschlie- nicht vollständig zum Stillstand kommt. Ein weiteres
ßender »überschießender« Gefäßneubildung, die ähn- Argument für das Zusammenwirken unterschiedlicher
lich wie beim Menschen den Glaskörper erreichen kann. Faktoren ist die Beobachtung, dass die medikamentöse
Im Mausmodell normalisiert sich das retinale Gefäßbild Hemmung von VEGF im Tiermodell nicht zu einer
ohne experimentelle Manipulation 10 bis 13 Tage nach vollständigen Inhibition der proliferativen Retinopathie
der Sauerstoffexposition, sodass fortgeschrittene Stadien führt.
der Frühgeborenenretinopathie im OIR-Modell in der
Regel nicht zu sehen sind.
9.6 Kommunikation im Rahmen
retinaler Angiogenese

Die Regulierung von retinalem Gefäßwachstum oder re-


tinaler Gefäßstabilität sind aktive biologische Prozesse, an
denen verschiedene Wachstumsfaktoren und auch ver-
schiedene Zellentypen der Netzhaut beteiligt sind. Damit
ein Gewebskomplex stabil und funktionsfähig bleibt, ist
es notwendig, dass die einzelnen Zelltypen Informatio-
nen austauschen können. Störfaktoren, wie z.B. Hypero-
xie oder Hypoxie, Infektion und Trauma, steigern die
Notwendigkeit innerhalb dieses Komplexes zu kommu-
nizieren. Dafür stehen unterschiedliche Kommunikati-
onswege zur Verfügung, die über lösliche Botenstoffe und
deren Rezeptoren auf der Zielzelle, über Zell-Zell- oder
Zell-Matrix-Kontakt genutzt werden. Dies geschieht mit
dem Ziel, das gestörte Gleichgewicht eines Gewebskom-
plexes in ein neues, stabiles zu überführen, das Funktion
und Überleben sichert.
Im Folgenden sollen einige dieser Kommunikati-
⊡ Abb. 9.3 Angioproliferative Retinopathie im Sauerstoff-induzierten onssysteme und -wege (⊡ Abb. 9.4) im Hinblick auf die
Mausmodell (Flachpräparat nach Fluoreszein-Perfusion an P17).
Frühgeborenenretinopathie des Menschen oder das OIR-
Zentral ist fünf Tage nach der Exposition mit 75%igen Sauerstoff und
anschließender Haltung in normaler Raumluft noch die zentrale avas-
Maus-Modell exemplarisch dargestellt werden:
kuläre Zone zu erkennen. In der mittleren Peripherie der Netzhaut ▬ VEGF als Beispiel für lösliche Wachstumsfaktoren
zeigen sich die retinalen Gefäßproliferationsbeete ▬ Ephrine als Mediatoren bei Zell-Zell-Kontakt
168 Kapitel 9 · Frühgeborenenretinopathie

1-Dimer wurde oben beschrieben. Durch posttranskrip-


tionale Modifikation wie »splicing« entstehen aus einem
Gentranskript verschiedene Boten-RNA-Moleküle, die
zu den verschiedenen Isoformen von VEGF-A führen.
Hier ist es insbesondere das Protein mit 165 Aminosäu-
ren, VEGF-A165, hervorzuheben, das die Permeabilität
eines Gefäßes erhöht, die Apoptoserate der Rezeptor-
tragenden Zelle reduziert, die Rekrutierung von Entzün-
dungszellen fördert und vor allem das Wachstum von
Endothelzellen anregt. Etwas komplexer wurde das Bild
von VEGF-A als von der Arbeitsgruppe um Bates und
Churchill in Bristol, England entdeckt wurde, dass wei-
tere Splice-Varianten von VEGF-A existieren, die zwar
die gleiche Länge aufwiesen jedoch zum Teil gegen-
sätzlich wirkten. VEGF-A165b wird in vielen gesunden
Geweben des Körpers nachgewiesen, auch im Auge. Es
wirkt hemmend auf die Gefäßbildung. Mit Entstehen
einer proliferativen diabetischen Retinopathie verschiebt
sich jedoch das Gleichgewicht von VEGF-A165 und
⊡ Abb. 9.4 Die Orientierung einer Zelle im Gewebsverband, in der
interzellulären Matrix und die Kommunikation mit anderen Zielzellen
VEGF-A165b zu Gunsten der angiogenen Isoform. Ähn-
9 über lösliche Botenstoffe sind elementare Voraussetzungen, um auf liches konnte in der Glaskörperflüssigkeit von Patienten
Störungen einer biologischen Funktionseinheit zu reagieren. ICM mit Zentralvenenthombose nachgewiesen werden. Für
interzelluläre Matrix, BM Basalmembran, Int Integrin, WF löslicher die Frühgeborenenretinopathie gibt es hierzu noch keine
Wachstumsfaktor, R transmembranöser Rezeptor, ML membranstän-
Untersuchungen.
diger Ligand

9.6.2 Integrine
▬ Integrine als Orientierungshilfe einer Zelle in der
umgebenden interzellulären Matrix Integrine sind transmembranöse Glukoproteine, die
▬ IGF-1 in seiner Funktion als modulierendes Somato- aus einem nichtkovalenten Dimer einer α- und einer
medin β-Untereinheit bestehen. Erstere ist vor allem für die
Spezifität dieser Oberflächenrezeptoren zuständig. Die
β-Einheit ist für die intrazelluläre Signalweiterleitung un-
9.6.1 VEGF verzichtbar. Integrine stellen den funktionellen Kontakt
zwischen einer Zelle, insbesondere ihrem Zytoskelett,
Der Ophthalmologe Michaelson hat vor über 60 Jahren und ihrer biologischen Umgebung her. Neben den Zyto-
bereits einen löslichen Faktor X postuliert, der die Isch- adhäsionsmolekulen werden die Leukozytenadhäsions-
ämie der Netzhaut mit der der Gefäßneubildung im Be- moleküle den Integrinen zugeordnet.
reich der Iris in Verbindung bringt. Mit der Entdeckung Im Zusammenhang mit Augenerkrankungen wurden
des VPF (»vascular permeability factor«), der später in in Tiermodellen die Rolle des Integrins αV-β1, dem Re-
»vascular endothelial growth factor« (VEGF) umbenannt zeptor für Fibronektin, Laminin und anderen Matrixpro-
wurde, wurde die Hypothese des Faktors X wissenschaft- teinen, untersucht. αV-β1 ist an der Migration und Proli-
lich überprüfbar und therapeutisch manipulierbar. Von feration von Endothelzellen beteiligt. Die medikamentöse
den inzwischen fünf bekannten Genen, die für VEGF-A Hemmung dieses Dimers führt in dem OIR-Mausmodell
bis E kodieren, werden VEGF-C und D vor allem mit der zu einer Abnahme der Gefäßproliferationen.
Lymphangiogenese in Verbindung gebracht, können je- αV-β3 wird neben Osteoklasten häufig auf Endothel-
doch auch die Angiogenese beeinflussen. Dem gegenüber zellen sowie glatten Muskelzellen gefunden. Auch wenn
stehen drei bekannte membrangebundene Rezeptoren auf dieses Protein häufig als Vitronektin-Rezeptor bezeichnet
den Zielzellen, VEGFR1 bis R3, wobei letzterer bei der wird, bindet es an eine Vielzahl von Matrixproteinen.
Lymphangiogenese eine bedeutende Rolle spielt. Ähnlich wie αV-β1 ist es auf Endothelzellen und glatten
Eine zentrale Rolle für die Blutgefäßentwicklung un- Muskelzellen nachweisbar. Da auch verschiedene Tumor-
ter hypoxischen Bedingungen nimmt das VEGF-A ein. zellen positiv für αV-β3 sind, ist auch dieses Integrin als
Die Steuerung der VEGF-Transkription durch das HIF- Ziel einer antiangiogenen Therapie interessant.
9.7 · Serologische Marker der Frühgeborenenretinopathie
169 9
9.6.3 Ephrine 9.7 Serologische Marker der
Frühgeborenenretinopathie
Ephrine und ihre Eph-Rezeptoren sind beide membran-
gebundenen Moleküle und gehören wie die VEGF-Re- Ein besonderes Augenmerk verdienen Faktoren, die im
zeptoren zu den Rezeptor-Tyrosin-Kinasen. Am besten Plasma oder Serum von Frühgeborenen nachweisbar sind
untersucht ist ihr lenkender Einfluss bei Wachstum der und mit der Ausprägung der Erkrankung assoziiert sind.
Ganglienzell-Axone in Richtung Tektum. Es findet sich Nachteil dieser Methode ist die Tatsache, dass häufige
jedoch auch eine spezifische Expression von EphrinB2 zusätzliche Blutabnahmen bei den extrem unreifen Früh-
auf Arterien und EphB4 auf Venen. Mindestens sieben geborenen die Wahrscheinlichkeit für zusätzliche Blut-
der Ephrin-Isoformen und drei der Eph-Rezeptoren transfusionen erhöhen. Serologische Risikomarker bei
sind an der Angiogenese beteiligt, Knockoutmutanten Frühgeborenen muss ihre Relevanz im klinischen Alltag
im Tiermodell sind nicht überlebensfähig und weisen noch beweisen. Mögliche Kandidaten sind IGF-1 und
erhebliche Störungen ihres Gefäßsystems auf. In Gewe- lösliches E-Selectin.
bepräparaten von Augen mit Frühgeborenenretinopa-
thie konnte EphrinB2, EphB2 und EphB3 nachgewiesen
werden. Die Ausprägung der proliferativen Retinopa- 9.7.1 IGF-1
thie im OIR-Mausmodell lässt sich durch Ephrine und
ihre Rezeptoren in löslicher Form beeinflussen. Di- Während der Schwangerschaft besteht eine direkte Korre-
meres EphB4 (EphB4-Fc) und EphrinB2 (EfnB2-Fc) lation zwischen IGF-1-Serumspiegel und Größenwachs-
vermehrte die Hypoxie-induzierte Retinopathie, hatten tum eines Säuglings vor allem im dritten Trimenon.
jedoch keinen Einfluss auf die physiologische Vaskula- Dabei stammt der Wachstumsfaktor zu einem nicht un-
risierung. Monomeres EphB4 (sEphB4) hingegen zeigte erheblichen Teil von der Mutter und passiert die Pla-
einen entgegengesetzten Effekt im OIR-Modell. Inter- zenta. Bei einer Frühgeburt ist das Neugeborene nicht in
essanterweise nimmt die Expression von EphrinB2 auf der Lage den Verlust des mütterlichen IGF-1 vollständig
Ebene der Boten-RNA während der Hyperoxiephase zu kompensieren. IGF-1 wird in der Leber produziert
in diesem Modell zu, während die von EphB4, VEGF, und wird reduziert durch geringe Ernährung, bei einer
VEGFR1 and VEGFR2 erst nach Rückkehr in normale reduzierten Gewichtszunahme, bei Sepsis und bei nek-
Raumluft, also nach Einsetzen der retinalen Ischämie rotisierender Enterokolitis. Wie oben beschrieben, ver-
deutlich anstiegen. hindern jedoch zu niedrige IGF-1-Spiegel die maximale
Wirkung von VEGF. Besteht dieser Mangel über längere
Zeit, könnte auch das retinale Gefäßwachstum davon
9.6.4 IGF-1 betroffen werden, was nach einiger Zeit wiederum das
Risiko für eine Frühgeborenenretinopathie erhöht, da
Die insulinähnlichen Wachstumsfaktoren (»insulin like die daraus resultierende Hypoxie mit der Zeit zunähme.
growth factor« IGF-1 und IGF-2) sind Somatomedine. In einer Studie der Arbeitsgruppe um Lois Smith konnte
Sie vermitteln die Wirkung des Wachstumshormons gezeigt werden, dass die mittleren Serumwerte für IGF-I
(»growth hormone«, GH), das in der Hypophyse ge- zwischen der 30. bis 33. postmenstruellen Woche bei
bildet wird, aber keine direkte Wirkung auf die wach- Kindern mit schwerer Frühgeborenenretinopathie mit
senden Gewebe hat. IGF-2 spielt vor allem in frühen etwa 25 μg/L am niedrigsten, bei Kindern mit mäßiger
Entwicklungsphasen eine Rolle, IGF-1 beim Größen- Frühgeborenenretinopathie mit etwa 29 μg/L höher und
wachstum. IGF-1 bindet an einen spezifischen Rezeptor, bei Kindern ohne Frühgeborenenretinopathie mit durch-
der dem Insulin-Rezeptor sehr ähnlich ist und eben- schnittlich 33 μg/L am höchsten lagen. Auch die Dauer
falls zu den Tyrosin-Kinase Rezeptoren gehört. Interes- des IGF-1-Mangels korrelierte mit der Ausprägung der
santerweise verstärkt die Aktivierung dieses Rezeptors Erkrankung. Inwiefern die Substitution von IGF-1 prä-
auch die Wirkung von VEGF auf Endothelzellen. Dies natal eine therapeutische Option darstellt, um bei Risiko-
geschieht nicht über eine Regulierung der Expression schwangerschaften das Risiko für eine Frühgeborenenre-
von VEGF sondern über eine Verstärkung der intrazel- tinopathie zu reduzieren, wird de rzeit diskutiert.
lulären, angiogenen Signalwege. Ist die Konzentration
von IGF-1 zu niedrig, kann auch VEGF nicht seine volle
gefäßbildende Wirkung ausbilden. Wird in einer Maus 9.7.2 Lösliches E-Selectin
die physiologische Expression von IGF-1 unterdrückt,
ist auch die physiologische retinale Vaskularisierung E-Selectin ist ein induzierbares Adhäsionsmolekül für Leu-
reduziert. kozyten, das auf der Oberfläche von Endothelzellen zu fin-
170 Kapitel 9 · Frühgeborenenretinopathie

den ist. Die Konzentration der im Plasma nachweisbaren, dium. Heutzutage überleben immer unreifere Kinder, so-
löslichen Form von E-Selectin (»soluble« = sE-Selectin) dass das mittlere Gestationsalter und Geburtsgewicht der
korreliert mit der zellulären Expression. Erhöhte Plasma- betroffenen Kinder in den letzten Jahren abgenommen
spiegel von sE-Selectin wurden bisher bei Patienten mit hat. Etwa 71% der Kinder <27 Gestationswochen entwi-
aktiver rheumatischer Arthritis, bei Tumorpatienten aber ckeln eine Frühgeborenenretinopathie. Fast 20% dieser
auch im Zusammenhang mit proliferativer diabetischer Re- Kinder müssen behandelt werden.
tinopathie gefunden. In einer Untersuchung konnten Pieh Trotz Behandlung werden in den USA 3-4% (ca. 500
und Kollegen zeigen, dass erhöhte Plasmakonzentrationen Kinder) der Frühgeborenen jedes Jahr »legally blind« (Vi-
von sE-Selectin signifikant häufiger bei Frühgeborenen sus ≤0,1). Die Inzidenz der Frühgeborenenretinopathie
mit Frühgeborenenretinopathie gefunden werden als bei verhält sich invers zum Geburtsgewicht und Gestations-
Gleichaltrigen ohne Frühgeborenenretinopathie. Hingegen alter. Eine spezielle Geschlechterpräferenz besteht nicht.
zeigten andere im Serum nachgewiesene Faktoren wie
VEGF, lösliche VEGF-Rezeptoren R1 und R2 sowie der
lösliche Angiopoietin-Rezeptor Tie-2 keine eindeutige As- 9.9 Symptomatik und klinisches Bild
soziation. Bei den Untersuchungen an insgesamt 85 Plas-
maproben von 42 Frühgeborenen war die Erhöhung des Internationale Klassifikation der Frühgeborenen-
Plasmaspiegels von sE-Selectin um 10 ng/ml bei einem retinopathie (RPM) (1984/1987/2005)
medianen Plasmawert von 74,7 ng/ml mit einer Erhöhung In dieser Klassifikation erfolgt eine Unterteilung der Netz-
des Frühgeborenenretinopathierisikos um den Faktor 1,6 haut in die konzentrischen Zonen I-III (⊡ Abb. 9.5). Diese
signifikant erhöht. Im Vergleich dazu stieg das Risiko in orientieren sich an der physiologischen Vaskularisierung
9 dieser Studie etwa um den Faktor 5 je Woche vorzeitiger der Netzhaut mit der Papille als Ausgangs- und entspre-
Geburt. Werden beide Parameter kombiniert, kann ein chendem Mittelpunkt der Zonen. Dabei ist zu beachten,
Grenzwert berechnet werden, der es erlaubt das Auftreten dass der Netzhautrand temporal weiter von der Papille ent-
einer Frühgeborenenretinopathie mit einer Spezifität von fernt ist als nasal, die Wachstumsfront temporal also später
83% und einer Sensitivität von 92% vorauszusagen. ankommt als nasal. Die Ausdehnung wird in Stunden 1 bis
12 beschrieben (= 30 Grad Sektoren). Die Stadien 1-5 be-
schreiben die Ausprägung der Veränderungen. Zusätzlich
9.8 Epidemiologie wurde die vermehrte posteriore venöse Gefäßschlängelung
und arterielle Dilatation als »plus-disease« beschrieben.
In der EU kommen jedes Jahr ca. 7% der Kinder zu früh 2005 wurde eine Sonderform der Erkrankung mit einem
(<37 Gestationswochen) zur Welt und 1% aller Kinder
sind Frühgeborene zwischen 24-31 Gestationswochen. In
Deutschland werden ca. 700.000 Kinder pro Jahr gebo-
ren, ca. 50.000 sind davon Frühgeborene (<37 Gestati-
onswochen) und ca. 7.000 Kinder sind Frühgeborene
unter 32 Gestationswochen.
Die Überlebensrate der Frühgeborenen hat sich im
Laufe der Jahrzehnte durch optimiertere neonatologi-
schen Therapien und Überwachungsmöglichkeiten für
Kinder unter 1.000 g Geburtsgewicht deutlich verbessert
und stieg seit 1950 von 8% auf heute über 80% an. Heut-
zutage überleben ca. 90% der Kinder, die mit weniger
als 30 Gestationswochen geboren werden. Etwa 25% der
Frühgeborenen mit 24 Gestationswochen überleben, je-
doch mit einem sehr hohen Risiko an schweren körperli-
chen und geistigen Behinderungen. Die unteren Überle-
bensgrenzen liegen derzeit bei ca. 400 g Geburtsgewicht
und 23 Gestationswochen.
Die Inzidenz der Frühgeborenenretinopathie ist in
den letzten 20 Jahren konstant und beträgt für Frühge-
borene unter 1.500 g Geburtsgewicht zwischen 27-40%.
3-9% aller Frühgeborenen mit einem Gestationsalter ⊡ Abb. 9.5 Internationale Klassifikation: Unterteilung der Netzhaut in
<32 Wochen entwickeln ein behandlungsbedürftiges Sta- die Zonen I-III. (Aus Jandeck C u. Foerster MH 2007)
9.10 · Diagnostik
171 9
sehr hohen Risiko für ein schlechtes Endergebnis als »ag- 9.10 Diagnostik
gressive posteriore ROP« abgegrenzt (⊡ Tab. 9.1).
Nach Abschluss des maximalen akuten Stadiums Das Ziel aller Empfehlungen ist es, Screening-Kriterien zu
kommt es überwiegend zu einer Regression der Netzhaut- definieren, um alle Frühgeborenen zu erfassen, deren Re-
veränderungen. Die Rückbildung beginnt typischerweise tinopathie eine therapiebedürftige Ausprägung erreicht.
mit 38 postmenstruellen Wochen. Die Gefäße wachsen Verschiedene Länder haben verschiedene Screening-
über die Veränderungen hinweg und diese bilden sich Empfehlungen für die Untersuchung der Frühgebore-
meistens zurück (⊡ Abb. 9.7). Geschieht dieses nicht nen, aber die Einschlusskriterien und der Zeitpunkt der
komplett, entstehen typische Fundusveränderungen (Re- Erstuntersuchung sind für die Industrienationen nahezu
gression der Frühgeborenenretinopathie) mit möglichen gleich. Das benutzte Screening-Protokoll sollte auf den
nachfolgenden Veränderungen und Komplikationen (z.B. offiziellen Screening-Empfehlungen des jeweiligen Lan-
Netzhautablösung). des basieren.

⊡ Tab. 9.1 Zonen und Stadieneinteilung

Zonen

Zone I Die zentrale Netzhaut innerhalb eines Kreises um die Papille mit dem Radius des doppelten Papillen-Fovea Abstandes

Zone II Die mittelperiphere Netzhaut peripher der Zone I mit einem Radius des Abstandes von Papille zu nasaler Ora serrata.

Zone III Die periphere Netzhaut außerhalb von Zone II

Stadien

Stadium 1 Eine dünne, weiße, im Netzhautniveau liegende Linie zwischen vaskulärer und avaskulärer Netzhaut. Abnorme Gefäß-
verzweigungen oder besenreiserartige Gefäße können dorthin ziehen. (⊡ Abb. 9.6a)

Stadium 2 Prominente leistenförmige Netzhautverdickung, die sich im Bereich der Demarkationslinie gebildet hat und leicht
über das Netzhautniveau erhaben ist. Die Leiste ist weißlich, durch entstehende arteriovenöse Shunts kann es zu einer
relativen Hyperämie und damit Rotfärbung kommen. (⊡ Abb. 9.6b)

Stadium 3 Prominente Leiste und extraretinale fibrovaskuläre Proliferationen. Das neu gebildete Gewebe durchbricht an der
Leiste die Lamina limitans interna. In diesem Stadium entscheidet sich je nach Ausdehnung des Befundes, ob eine
Therapieindikation besteht (⊡ Abb. 9.6c)

Stadium 4 a: Partielle Netzhautablösung, welche die Makula nicht mit einbezieht. (⊡ Abb. 9.6d)
b: Partielle Netzhautablösung unter Einbeziehung der Makula

Stadium 5 Komplette Netzhautablösung mit offenem oder geschlossenem Trichter. Durch anteriore Verlagerung des retinalen
und extraretinalen Gewebes kann es zu einer retrolentalen Membranbildung kommen. (⊡ Abb. 9.6e)

»Plus disease« Vermehrte posteriore venöse Gefäßfüllung und arterielle Gefäßschlängelung in mindestens 2 Quadranten
(⊡ Abb. 9.6f )

»Pre-plus Abnormale Dilatation und Gefäßschlängelung im Bereich des hinteren Pols – jedoch nicht ausreichend für eine »plus
disease« disease«

Sonderform

Aggressive Veränderungen im Bereich des hinteren Pols, die unbehandelt zu einem Stadium 5 führen.
posteriore Charakteristische Veränderungen: posteriore Lokalisation, prominente »plus disease« (frühere »rush type disease«)
ROP Unproportionale vermehrte Gefäßfüllung und Schlängelung in allen 4 Quadranten im Verhältnis zu den peripheren
Veränderungen.
Shuntgefäße zwischen den retinalen Gefäßen nicht nur im Bereich der Vaskularisationsgrenze, dort evtl. Blutungen.
Die Veränderungen durchlaufen nicht die normale Stadieneinteilung.
Flaches Neovaskularisationsnetz an der verwaschenen Grenze zwischen durchbluteter und undurchbluteter Netzhaut
(leicht übersehbar)
Die aggressive posteriore ROP dehnt sich typischerweise zirkulär aus.
172 Kapitel 9 · Frühgeborenenretinopathie

a b

c d

e f

⊡ Abb. 9.6 Frühgeborenenretinopathie-Stadien. a Stadium 1: dünne weißliche Linie an der Grenze der vaskularisierten zur avaskulären (grauen)
Netzhaut. b Stadium 2: Leiste: verdickte weißliche Linie an der Grenze der vaskularisierten zur avaskulären Netzhaut, das gräuliche dunkle Areal
ist durch die Indentation bedingt. c Stadium 3: Leiste mit extraretinalen Proliferationen über mehrere Stunden an der Grenze der vaskularisierten
zur avaskulären Netzhaut. d Stadium 4: inkomplette Netzhautablösung. e Stadium 5: komplette Netzhautablösung; die Netzhaut ist direkt hinter
der Linse sichtbar. f »Plus disease«: dilatierte und vermehrt geschlängelte Gefäße am hinteren Pol. (Aus Jandeck C u. Foerster MH 2007)
9.10 · Diagnostik
173 9
Kürzere Kontrollabstände als eine Woche können bei
rasch progredienter Retinopathie und/oder sehr unreifer
Netzhaut nötig sein.

Zweiwöchentlich
▬ Vaskularisationsgrenze in der peripheren Zone II
ohne Frühgeborenenretinopathie oder mit FRÜH-
GEBORENENRETINOPATHIE-Stadium 1
▬ Vaskularisationsgrenze in der Zone III ohne oder mit
Frühgeborenenretinopathie

Längere Untersuchungsabstände
▬ Falls über mehrere Untersuchungstermine ein rück-
läufiger Befund festgestellt wurde
▬ Nach dem errechneten Geburtstermin

z Abschluss der Screening-Untersuchungen auf akute


Frühgeborenenretinopathie
▬ Wenn die Netzhaut peripher zirkulär vollständig
⊡ Abb. 9.7 Netzhautgefäße wachsen über die ehemalige Leiste
nach peripher in die avaskuläre Netzhaut. (Aus Jandeck C u. Foerster
vaskularisiert ist
MH 2007) ▬ Wenn eine deutliche Regression der peripheren
Netzhautveränderungen der akuten Frühgebore-
nenretinopathie zu erkennen ist, aber erst nach dem
errechneten Geburtstermin (⊡ Abb. 9.7)
9.10.1 Frühgeborenenretinopathie-
Screening nach den deutschen z Untersuchungen nach Abschluss der Screening-
Screening-Kriterien von 2008 Untersuchungen auf akute Frühgeborenenretino-
pathie
Folgende Frühgeborene sollten entsprechend dem nach- ▬ Mindestens halbjährlich im ersten und zweiten
folgenden Screening-Schema auf Veränderungen im Sinne Lebensjahr und jährlich im dritten Lebensjahr
einer Frühgeborenenretinopathie untersucht werden:
Im Gegensatz zu den amerikanischen Screening-Krite-
z Einschlusskriterien rien (2006) wird in Deutschland die erste Untersuchung
▬ Frühgeborene mit einem Gestationsalter unter bei allen Kindern unabhängig von dem Gestationsalter in
32 Wochen (bei nicht sicher bekanntem Gestationsal- der 6. Lebenswoche, jedoch nicht vor 31 postmenstruel-
ter bei einem Geburtsgewicht ≤1.500 g) unabhängig len Wochen durchgeführt.
von einer zusätzlichen Sauerstoffgabe Die Zeitspanne des Auftretens für ein behandlungs-
▬ Frühgeborene zwischen 32 und 36 Wochen Gestati- bedürftiges Stadium liegt in der Literatur meistens zwi-
onsalter, wenn postnatal mehr als 3 Tage Sauerstoff schen 32-42 postmenstruellen Wochen, wobei das Ma-
gegeben wurde ximum bei 37 postmenstruellen Wochen (unabhängig
vom Gestationsalter) liegt. Vor 31 und nach 48 post-
z Erstuntersuchung menstruellen Wochen war in keiner Studie die Behand-
▬ In der 6. postnatalen Woche (Lebenstag 36-42), lung einer Retinopathie notwendig. Eine Untersuchung
aber nicht vor einem postmenstruellen Alter von vor 31 postmenstruellen Wochen ist somit nicht erfor-
31 Wochen derlich und erspart dem Säugling die deutliche kör-
perliche Stressbelastung. Bei unreifen Frühgeborenen
z Folgeuntersuchungen kann es unter Umständen durch eine Untersuchung
Wöchentlich zu Bradykardie und Apnoen oder im schlimmsten Fall
▬ Vaskularisationsgrenze in Zone I oder in der zentralen zu akutem Herz-Lungen-Versagen kommen. Behand-
Zone II ohne oder mit Frühgeborenenretinopathie lungsbedürftige Retinopathien vor der 6. Lebenswo-
▬ Vaskularisationsgrenze in Zone II mit Frühgebore- che, sogenannte »rush types«, sind in der Literatur
nenretinopathie-Stadium 2 oder 3 Raritäten.
▬ Jede Frühgeborenenretinopathie mit »plus disease«
174 Kapitel 9 · Frühgeborenenretinopathie

9.11 Untersuchungstechnik 9.12 Indikationen zur Therapie

Die Untersuchung der Frühgeborenen sollte in einem Die Indikationen für die Behandlung variieren gering-
abgedunkelten Raum in medikamentöser Mydriasis (z.B. fügig zwischen den unterschiedlichen Staaten, basieren
2,5% Phenylephrin + 0,5% Tropicamid 2- bis 3-mal ge- jedoch alle auf den Ergebnissen der multizentrischen
tropft im Abstand von 5-10 min) durchgeführt werden. amerikanischen CRYO-ROP-Studie (1990) und der ET-
Eine zweite Person fixiert das Kind. Vor der Untersu- ROP-Studie (2003).
chung sollte eine Händedesinfektion erfolgen und für
jedes Kind neue sterile Instrumente verwendet werden.
Nach Gabe eines Lokalanästhetikums und Einsetzen eines 9.12.1 Indikationen zur Behandlung
Lidsperrers kann mit einem Lokalisator oder Schielhaken mittels Laserkoagulation nach der
bei binokularer Ophthalmoskopie durch Bulbusrotation deutschen Leitlinie (2008)
und -indentation auch die äußerste Netzhautperipherie
eingesehen werden (⊡ Abb. 9.8). In Abhängigkeit von der Vaskularisationsgrenze:
Bei der Untersuchung sollte zuerst der vordere Au- ▬ In der Zone III
genabschnitt beurteilt werden. Insbesondere ist auf die – In der Zone III ist eine Therapie in der Regel nicht
Pupillenweite, eine Tunica vasculosa lentis, sowie eine erforderlich
Rubeosis iridis zu achten. Bei der Beurteilung der Netz- ▬ In der Zone II
haut ist die Vaskularisationsgrenze festzulegen und die – Stadium 3 mit extraretinalen Proliferationen
Beurteilung der Gefäße bezüglich einer »plus disease« über mindestens 5 zusammenhängende oder
9 erforderlich. 8 nicht-zusammenhängende Stunden, in Ver-
Eine eindeutige Dokumentation des erhobenen Be- bindung mit einer »plus disease« in mindestens
fundes mit Festlegung des Zeitpunktes der Kontrollunter- 2 Quadranten
suchung oder ggf. des Datums der Behandlung oder des – Im Einzelfall kann eine frühere Therapie angezeigt
Screening-Abschlusses sollte vermerkt werden. sein (z. B. bei rascher Progression, beginnender
Verziehung der Netzhaut)
▬ In der Zone I
– »Plus disease« in mindestens 2 Quadranten unab-
hängig vom Stadium
– Stadium 3 ohne »plus disease«

Wird die Indikation zur Therapie gestellt, sollte die Be-


handlung innerhalb weniger Tage erfolgen.

9.12.2 Indikationen zur Behandlung nach


den Kriterien der ETROP-Studie

Behandlung bei Typ 1 (ETROP)


In Abhängigkeit von der Vaskularisationsgrenze:
▬ In der Zone II
– Stadium 2 oder 3 mit »plus disease«
▬ In der Zone I
– »Plus disease« in mindestens 2 Quadranten unab-
hängig vom Stadium
– Stadium 3 mit oder ohne »plus disease«

Kontrolle bei Typ 2 (ETROP):


In Abhängigkeit von der Vaskularisationsgrenze:
▬ In der Zone II
– Stadium 3 ohne »plus disease«
⊡ Abb. 9.8 Netzhautuntersuchung eines Frühgeborenen im Inkuba- ▬ In der Zone I
tor. (Aus Jandeck C u. Foerster MH 2007) – Stadium 1 oder 2 ohne »plus disease«
9.13 · Therapie
175 9
In der ETROP-Studie (Early Treatment of Retinopathy 9.13 Therapie
of Prematurity) erfolgte eine Behandlung bereits zu ei-
nem »früheren« Zeitpunkt verglichen mit der CRYO- 9.13.1 Kryokoagulation
ROP-Studie. Hier wurde anhand einer Risikoanalyse für
eine behandlungsbedürftige Frühgeborenenretinopathie Nagata behandelte 1968 erstmals die Netzhautverände-
die Augen in »high risk« und »low risk« eingeteilt. Eine rungen bei einer Frühgeborenenretinopathie mit dem
Behandlung erfolgte nun schon, wenn in der Zone I eine Xenonkoagulator. Weitere japanische Arbeitsgruppen
»plus disease« oder ein Stadium 3 mit oder ohne »plus haben über eine erfolgreiche Koagulationstherapie der
disease« bestand. In der Zone II wurde eine Behand- aktiven Stadien berichtet, wobei Yamashita erstmals die
lung bei Vorliegen einer »plus disease« in den Stadien 2 Kryokoagulation einsetzte.
oder 3 durchgeführt. Durch diese »frühere« Behandlung Die amerikanische multizentrische CRYO-ROP-
konnten signifikant bessere funktionelle und strukturelle Studie (1988) ergab einen so eindeutigen Nachweis des
Ergebnisse erreicht werden. Therapieerfolges, dass bereits vor dem geplanten Studie-
In dem Zweijahresbericht sind die Ergebnisse weiter nende die ersten Ergebnisse veröffentlicht wurden. Durch
nach den einzelnen Zonen aufgeschlüsselt. Für die Zone II Kryokoagulation der avaskulären peripheren Netzhaut
lässt sich kein signifikanter Unterschied zwischen den konnte eine Reduktion der Inzidenz eines »unfavorable
beiden Behandlungszeitpunkten feststellen. In der Studie outcome« von 43% auf 21,8% erreicht werden. Auch
wurde zusätzlich beobachtet, dass Säuglinge, die früher 15 Jahre nach der Rekrutierung der Studienkinder zeigen
behandelt wurden häufiger systemische Nebenwirkungen die Ergebnisse unverändert den positiven Effekt der Ko-
hatten. In den 3 Jahresergebnissen fanden sich für beide agulationsbehandlung. Die Anzahl der Augen mit einem
Gruppen eine Myopieinzidenz in ca. 70% und ein Astig- »unfavorable outcome« nimmt jedoch auch nach 15 Jah-
matismus ≥1 dpt in ca. 43%. 2010 erschien der Abschluss- ren noch weiter langsam zu: »unfavorable outcome« für
bericht dieser Studie: Für alle behandelten Augen ließ sich behandelte Augen 30% und für Kontrollaugen 51,9%.
im Alter von 6 Jahren bezüglich des Visus kein signifi- In der CRYO-ROP-Studie wurde ein monokularer
kanter Unterschied zwischen früher und konventioneller Visus (geprüft mit ETDRS-Tafeln) von ≤0,1 als »unfa-
Behandlung feststellen. Es fand sich jedoch ein deutlicher vorable outcome« definiert. In den 10-Jahresergebnissen
signifikanter Unterschied zugunsten der früheren Behand- der CRYO-ROP-Studie hatten behandelten Augen nur in
lung, für Kinder, die in die Risikogruppe Typ 1 eingestuft 44,4% einen Visus ≤0,1, unbehandelte Auge dagegen in
wurden. Ebenso wurde ein deutlicher Unterschied für 62,1%. Unter Voraussetzung einer Netzhautanlage, war
Augen mit einem Stadium 3 in der Zone I gefunden. Hier der Anteil der Augen, die einen Visus von 0,5 oder bes-
hatten in der früh behandelten Gruppe nur 30% einen ser erreichten in beiden Gruppen gleich groß (25,2%
Visus ≤0,1 (»unfavorable outcome«) verglichen mit 65% behandelte Augen, 23,7% unbehandelte Augen). Für das
in der konventionell behandelten Gruppe. Kontrastsehen ließ sich ebenfalls ein signifikanter Un-
terschied zugunsten der behandelten Augen nachweisen.
Das Gesichtsfeld war nach Kryokoagulation nur um 7%
9.12.3 Sonderform: Zone-I-Erkrankung gegenüber unbehandelten Augen mit einem Stadium 3+
reduziert. Das Gesichtsfeld war jedoch bei allen Augen
Ein retinales Gefäßnetz, das sich bei Erstuntersuchung nur mit einer schweren Retinopathie (Stadium 3+) unabhän-
auf die Zone I beschränkt, ist sehr selten. In der CRYO- gig von einer Behandlung signifikant kleiner als bei Au-
ROP-Studie (1990) lag nur in 5% eine Zone-I-Erkrankung gen ohne eine Frühgeborenenretinopathie.
vor. 33% dieser Augen wurden nach Erreich